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Die Erfindung und Frühzeit
DES Meissner Porzellans
EIN BEITRAG ZUR GESCHICHTE DER DEUTSCHEN KERAMIK
VON
Ernst Zimmermann
MIT 1 FARBENTAFEL UND 111 ABBILDUNGEN IM TEXT
508932
3. '^. ^o
BERLIN W.35
DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER
1908
;, Un premier inventeur trouve ordinairement
un secret par hasard et sans le eher eher ; mais un
second qui cherche ce que le premier a trouve' ne
le peut guere trouver que par le raisonnement."
Fontenelle.
Herrn Direktor Justus Brinckmann
in dankbarer Verehrung
gewidmet.
Vorliegende Arbeit ward lediglich in dem Wunsche unternommen, einmal die
keramischen Taten und Verdienste Böttgers, des Erfinders des europäischen
Porzellans festzustellen, wie sie uns heute auf Grund aller erhaltenen Dokumente
seiner Zeit sich darstellen. Sie ward begonnen, weil sich die Tatsache ergeben hatte,
daß uns heute für eine solche Arbeit ein reiches Material vorliegt, das diejenigen,
die bisher einen gleichen oder ähnlichen Versuch gemacht, teils nicht gekannt,
teils nicht genügend benutzt hatten. Es war zu hoffen, daß dadurch das zu ent-
werfende Bild ein reicheres und lebendigeres werden durfte. Doch bald und mitten
in der Arbeit stellte sich die Veranlassung zu einer solchen als immer dringlicher
heraus, ja, sie schien schließlich geradezu ein Gebot der Gerechtigkeit, der Wahr-
heitsliebe zu werden, die immer die Grundlage einer echten Geschichtschreibung
bleiben müssen. Es ergab sich bei eingehendem Versenken in die Dokumente der
Zeit, bei der sorgfältigsten Prüfung und Nachprüfung aller Quellen, die jetzt oder
früher zu Gebote standen, mit immer größerer Gewißheit die wohl von niemandem
früher in ihrem ganzen Umfange geahnte Tatsache, daß das Bild, das wir
jetzt schon so lange Zeit von Böttger und seiner Tätigkeit besessen, und an das
wir alle bisher mit so felsenfester Überzeugung geglaubt haben, ein gänzlich
falsches, verzerrtes gewesen, das auch nicht entfernt hat ahnen lassen, um was für
eine Persönlichkeit es sich hier einst gehandelt hat, was für eine Persönlichkeit
die deutsche Technik und Wissenschaft in ihm besessen. Es war bald nur zu klar:
es war gegenüber ihm ein Geschichtsirrtum begangen worden, wie er selten be-
gangen sein mag, ein Geschichtsirrtum, der, obwohl noch gar nicht so alt, dennoch
sich über die ganze Welt verbreitet hat und heute so ziemlich von allen geglaubt
wird, ein Geschichtsirrtum schließlich, der Deutschland für lange Zeit um einen
bedeutenden und verdienstvollen Mann ärmer gemacht und ihm selber das
schreiendste Unrecht zugefügt hat.
Dieser merkwürdige Irrtum muß in der Hauptsache als die Folge eines ein-
zigen Werkes betrachtet werden, auf das sich seit etwa siebenzig Jahren die ganze
Erkenntnis des Erfinders des Meißner Porzellans stützt, da vor dem Erscheinen
desselben so gut wie alle, die über ihn berichtet haben, ihn als eine völlig andere
Persönlichkeit darstellten, ja kaum den mindesten Anlaß gegeben haben, daß man
etwas anderes hinter ihm vermuten konnte, mit alleiniger Ausnahme des Dresdener
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Bibliothekars Hempel, der in seiner Böttger gewidmeten Biographie in der Ency-
klopädie von Ersch und Gruber gleichfalls schon manches Ungünstige über diesen
zu sagen für nötig hielt. Dies einflußreiche Werk ist Engelhardts im Jahre
1837 erschienene umfangreiche Biographie Böttgers, betitelt: „J. F. Böttger,
Erfinder des sächsischen Porzellans. Biographie aus authentischen Quellen von
Carl August Engelhardt, Kriegsministerialsekretär und Archivar, auch Redakteur
der Gesetzsammlung. Nach dem Tode des Verfassers vollendet und herausgegeben
von Dr. August Moritz Engelhardt, Mitglied des Königlich Sächsischen Altertums-
Vereins. Leipzig 1837." Es ist die einzige Lebensbeschreibung Böttgers, die sich
auf eingehende, umfassende und selbständige Studien stützt ^), nach welcher wohl
von mehreren Seiten kleinere Einzelstudien über diesen Mann und seine Arbeiten
gemacht worden sind, deren Resultate schon nicht mehr recht vereinbar schienen
mit dem, was Engelhardt berichtet hatte, die aber dennoch nicht so weit gingen,
das ganze Bild, das dieser von Böttger und seiner Zeit gegeben, nun gänzlich zu
erschüttern und einen neuen Aufbau desselben zu verlangen. Es ist aber auch
die alleinige Ursache, daß seit dieser Zeit in den weitesten Kreisen Böttger eigent-
lich für nichts weiteres als einen Windbeutel, einen Scharlatan, einen ,, verlaufenen
Apothekergesellen", einen Renommisten und Junker Prahlhans, vor allem aber
als einen Verschwender und Prasser, einen Faulpelz und Lüderjahn gilt, kurz, als
eine Persönlichkeit, der das Glück als einem echten Sonntagskinde in ganz be-
sonderem Maße günstig gewesen sein muß, daß es ihr durch eine ihrer seltsamsten
Launen den Ruhm einer Erfindung in den Schoß warf, auf den sie in Anbe-
tracht ihrer ganzen Begabung, Erziehung und Charakterbildung eigentlich nicht
den geringsten Anspruch gehabt hätte. Böttger aber ward dadurch fast eine komische
Figur: halb eine Art Eulenspiegel, der unausgesetzt die Menschen voller Spaß
an der Nase herumführt, halb ein Don Quichotte, der unausgesetzt Taten begeht
oder begehen will, zu der er nicht im mindesten in sich selber die Kraft besaß.
Nur daß bei ihm diese Eigentümlichkeiten weniger amüsant und harmlos erscheinen
als bei jenen der ganzen Welt angehörenden Humoristen, weil man unausgesetzt
dabei das Gefühl hat, daß durch sie ein gutes und wirklich heilsames Werk fast
zugrunde ging oder wenigstens nicht seine richtige Entwicklung fand!
Hierbei wirft Engelhardt ihm im einzelnen vor, daß er, ganz abgesehen von
seinen alchimistischen Betrügereien und Schwindeleien auch nach der Erfindung
des Porzellans und der Begründung der Meißner Manufaktur, faul und gänzlich
^) Ich betone dies mit ganz besonderem Nachdruck, da vor einigen Jahren ein Büchlein
eines gewissen Wolff-Beckh mit vielem Geschrei in die Welt gesetzt worden ist, das sich stolz
wie eine neue Biographie Böttgers, ja, wie eine bedeutende wissenschaftliche Tat gebärdet, ob-
wohl es in der Hauptsache nichts wie ein dürftiger Auszug aus der Engelhardtschen Biographie
darstellt, der leider, da inzwischen doch manches ausgesprochen und entdeckt worden ist,
was die Glaubwürdigkeit dieser Biographie stark beeinträchtigt hat (was aber dem Verfasser
dieses Buches völlig unbekannt geblieben ist,) gerade um etwa siebenzig Jahre zu spät ge-
kommen ist.
VII
gewissenlos, dazu frech und anmaßend gewesen wäre und nur an sich und das
eigene Wohlleben und die eigenen Passionen gedacht hätte, daß er das Geld, das
ihm für seine Untersuchungen und Manufakturen anvertraut worden wäre, mit
dem für seinen eigenen Unterhalt bestimmten vermischt und alles dann für ein
Leben in Saus und Braus, für ein Leben mit heiteren Freunden und nur zu fröh-
lich kreisenden Bechern verwandt hätte und auch dabei der Liebe nicht abhold war,
daß er eigentlich immer betrunken und darum unzurechnungsfähig und arbeits-
unfähig war, daß er in der Manufaktur keine Spur von Disziplin zu halten ver-
stand, daß er selbst vor Verrätereien gegenüber seinem hohen Gönner, dem Könige,
nicht zurückschreckte, und daß schließlich diese seine verwerfliche Persönlichkeit
allein schuld daran war, daß die Meißner Manufaktur, die als große Einnahme-
quelle für den König und den Staat gegründet war, das genaueste Gegenteil hier-
von ward, daß sie, so lange er lebte, nichts wie Vorschüsse auf Vorschüsse er-
forderte und schließlich bei seinem Tode sich in einem Zustande befand, der aller
Beschreibung spottete. Kurz, es gab kaum ein Laster, das Engelhardt Böttger
nicht zuschrieb, und merkwürdig, fast alle Leute, die mit Böttger in Berührung
kamen, und oft die allerunbedeutendsten, sie bekamen, gleichsam durch die allzu-
nahe Berührung mit diesem Manne, gleichfalls etwas Verworfenes, Lasterhaftes.
Es schien, als wenn es damals in seiner Sphäre gar keine Ehrlichkeit, gar keine
Treue, gar keine Gewissenhaftigkeit mehr gäbe, als wenn die Welt um Böttger
ganz besonders schlecht und verworfen wäre, Böttger sie aber doch in dieser Be-
ziehung noch um Haupteslänge überragt hätte. Und so war es eine recht schlechte
Gesellschaft, in die der Leser des Engelhardtschen Buches nur zu bald hineingeriet,
eine Gesellschaft, die viel von der einer Strafanstalt besaß, in der jedoch die In-
sassen ohne Schranken gegeneinander losgelassen sind.
Wie aber stellte sich das Bild Böttgers und seiner Tätigkeit dar, wenn man
das Buch Engelhardts und seine ganze Darstellung, seine ganze Auffassung vergaß,
wenn man noch einmal, als wäre es nie geschrieben, völlig naiv und unbefangen
an die Dokumente dieser Zeit herantrat und sie auf ihren Inhalt prüfte, zugleich
aber auch die noch heute für das Auge sichtbaren Taten Böttgers, die Erzeugnisse
seiner industriellen Tätigkeit, die sich in so zahlreichen Exemplaren bis auf den
heutigen Tag erhalten haben, auf ihren inneren Wert hin untersuchte?
Diese Dokumente bestehen zunächst in den auf dem königlich sächsischen
Hauptstaatsarchiv zu Dresden befindlichen, auf die Meißner Manufaktur bezüg-
lichen Akten, von denen ein großer Teil noch den Böttgerschen Zeiten angehört,
dann in den gleichen, die auf der Meißner Manufaktur selber aufbewahrt werden
oder sich im Besitz der königlichen Porzellansammlung zu Dresden befinden,
weiter aber in den keramischen Erzeugnissen Böttgers selber, den Fayencen, Stein-
zeugen und schließlich den Porzellanen, die er in den von ihm angelegten Manu-
fakturen hat herstellen lassen, deren Hauptbestand gleichfalls in der Dresdner
Porzellansammlung anzutreffen ist. Freilich will es hierbei ein ganz besonderes
Unglück, daß wir heute einen großen Teil der Akten, die Engelhardt noch zur Ver-
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fügung gestanden, nicht mehr besitzen. In dem Vorwort zu seiner Biographie
wird die Handschrift eines gewissen Paul Wildenstein erwähnt, eines der frühesten
Arbeiter Böttgers, die ihm den meisten Aufschluß über dessen Privatleben gegeben
haben soll. Dies Manuskript, das freilich von vornherein ein wenig in Erstaunen
setzt, bedenkt man, daß es damals in der Zeit noch allgemeiner Unbildung ein
einfacher Arbeiter geschrieben haben soll, ist leider in keiner Weise heute mehr
auffindbar. Desgleichen ist ein beträchtlicher Teil der Akten der Meißner Manu-
faktur, der nachweislich seinerzeit Engelhardt zur Benutzung übergeben worden
ist, heute nicht mehr zu finden. Er ist daher wohl nicht wieder dorthin zurück-
geliefert worden. Ebenso fehlen heute sämtliche Briefe, die der König August
der Starke an Böttger geschrieben hat. Alle diese Dokumente können daher
leider zur Rekonstruierung des Lebens dieses Mannes heute nicht mehr be-
nutzt werden. Was aber bleibt, ist reich und mannigfaltig genug, um dennoch
Mut und Vertrauen zu einer solchen Arbeit zu gewinnen, und dann haben
sich auch Dokumente gefunden, die Engelhardt nicht benutzt hat. Hierzu
gehört vor allem eine vom Oberbergrat Heintze in Meißen aufgefundene, von
ihm bereits in seinem ,, Beitrag zur Geschichte der europäischen Porzellan-
fabrikation" (Zeitschrift für Architektur und Ingenieurwesen, 1898, S. 387)
ausführlich besprochene, allem Anscheine nach der Zeit unmittelbar nach Böttger
angehörende Schilderung der Erfindung des Porzellans, ein Dokument ersten
Ranges, dann die eben erwähnten keramischen Erzeugnisse Böttgers selber, um
die sich Engelhardt, so unglaublich es klingt, noch nicht im geringsten bei Ab-
fassung seines Werkes gekümmert hat. Es ist, als wenn der in Dresden lebende
Verfasser, trotzdem er sich so eifrig und so lange mit der Geschichte der Erfindung
des Meißner Porzellans beschäftigt hat, sein lebelang nicht die geringste Ahnung
gehabt hat, daß es in Dresden eine Porzellansammlung gab, in der er alles das,
was er etwa über die Erzeugnisse Böttgers aus den Dokumenten seinerzeit heraus-
zufinden versucht hat, unmittelbar und in vollster Erhaltung mit eigenen Augen
hätte sehen können. Seine Weisheit ist lediglich Aktenweisheit gewesen, eine Weis-
heit, die meist ohne wirkliches Leben und ohne Reichtum zu sein pflegt. Aber auch
diese Akten YiaX Engelhardt, wie vorliegendes Buch zeigen wird, merkwürdigerweise in
keiner Weise ausgenutzt. Es gewinnt fast den Anschein, als ob er sie immer nur
bruchstückweise benutzt hätte, als wenn er ganze Aktenstöße gar nicht durchgesehen
hätte oder die Exzerpte aus denselben bei der Ausarbeitung seines Buches zu ver-
wenden vergessen hätte. Und so kann dennoch trotz der Verluste das Material, das uns
heute zur Konstruierung des Lebens und namentlich der Taten Böttgers zur Ver-
fügung steht, als ein viel reicheres, umfassenderes und zuverlässigeres gelten, als
das, das Engelhardt benutzt hat, und wir haben darum wohl schon deshalb mehr
A.ussicht, der Wahrheit der Vergangenheit näher zu kommen und uns vor Irrtümern
zu hüten.
Was sich aber aus diesen Quellen nach sorgfältigster Prüfung ergibt, ist in
vorliegendem Werke, soweit es Böttger den Keramiker betrifft, niedergelegt und
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ausgedeutet worden: es wird sich für jeden, der es liest, als etwas gänzlich anderes,
ja, fast als das genaueste Gegenteil dessen herausstellen, was Engelhardt über ihn
berichtet hat und was, diesem ohne Einsetzung der Kritik glaubend, das allge-
meine Urteil über ihn bis auf unsere Zeit gewesen ist. Es war nicht möghch und
wenn man noch so guten Willen gehabt hätte, in Böttger auch nur entfernt den
,, verlaufenen Apothekergesellen" zu sehen, der eigentlich nichts wußte, eigentlich
nichts konnte und doch so ein großer Glückspilz war, daß ihm mit Leichtigkeit
gelang, was neunmal Klügeren mit aller ihrer Gelehrsamkeit nicht hatte glücken
wollen, vielmehr einen ausgesprochenen Vertreter der praktischen Wissenschaft
seiner Zeit, der mit dem ganzen Rüstzeug derselben an seine Arbeiten herantrat
und dann eine Kombinations- und Fglgerungsgabe bewies, wie sie keinem gewöhn-
lichen Sterblichen zuteil zu sein pflegt. Es war weiter nicht möglich, in ihm einen
Faulpelz und Nichtstuer zu sehen, der nur an sein eigenes Wohlleben dachte,
sondern einen Mann von einer Lebhaftigkeit des Geistes, einer, wenn es sein mußte,
Energie der Arbeitskraft, einer Unternehmungslust und einem Streben zum Neuen,
für den es gar nicht so leicht sein dürfte, sogleich aus der Geschichte der Technik
ein zweites Beispiel zu finden. Es war weiter ebensowenig möglich, ihn für einen
großen Verschwender, für einen leichtsinnigen Vergeuder der ihm für seine Ar-
beiten, für seine Manufakturen anvertrauten Gelder zu erkennen, als vielmehr
nur für einen vielleicht nicht gerade sehr geschickten Geschäftsmann, der es nicht
verstand, wie es damals wohl viele nicht verstanden hätten, bei der ganz unverhältnis-
mäßig großen Anzahl von Aufgaben, die an ihn herantraten, und den völlig unzu-
länglichen Mitteln, die ihm hierbei zur Verfügung standen, eine Fabrik zu einer
einträglichen zu machen, die sich überhaupt erst nach Jahren rentieren konnte. Er
stellte sich dann auch nicht als ein gewohnheitsmäßiger Trunkenbold heraus, der sein
ganzes Leben eigentlich nicht aus dem Rausche heraus und wieder zum Gebrauch seiner
fünf Sinne kam, als vielmehr als einer, der in schweren Zeiten, wenn die Verzweiflung
ihn packte oder seine Tatkraft zu sehr gelähmt war, zur Trost spendenden Flasche
griff — zumal sein von Haus aus ungemein kräftiger Körper ihm solche Exzesse wohl
gestattete — bis er schließlich, doch erst ganz am Ende seines Lebens, da sich diese
Zeiten mehrten und auch schwere Krankheit hinzukam, sich diesem Laster reich-
licher ergab, als ihm und seinen Arbeiten zuträglich war. Über alle diese Vorzüge
und Schwächen aber hinaus wuchs bei diesem erneuerten Studium seines Lebens
und der Taten der Erfindertrieb und die Erfinderkraft dieses Mannes, jene Eigen-
schaften, die ursprünglich diesen unruhigen Geist auf das schlüpfrige, aber doch
damals so verlockende Gebiet der Alchimie geführt hatten, von dem er dann, fast
wider Willen sich mehr den realen Aufgaben des Lebens zuwendend, zu einem
Erfinder ward, der rastlos auf den verschiedensten Gebieten sich betätigt hat,
der die festete Absicht hatte, seiner neuen Heimat große und einträgliche In-
dustrien zu verschaffen und sie dadurch reich und glücklich zu machen. Hier aber
auf dem Hauptgebiet seiner Lebenstätigkeit, auf dem der Keramik, hat er, ohne
Fachmann zu sein, ja auch ohne nur die geringsten Fachkenntnisse mitzubringen,
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mithin als reiner Dilettant, sich als ein Vertreter dieses Faches entpuppt, der nicht
nur Bedeutendes und dasselbe Förderndes zuwege gebracht, vielmehr in der
Tat nichts Geringeres getan hat, als, man darf wohl sagen, die schwierigsten Pro-
bleme der ganzen Keramik, d. h. die Erfindung des Porzellans wie auch seine
fabrikmäßige Herstellung, fast spielend und in ganz überraschend kurzer Zeit
gelöst und dann seine keramischen Erfindungen so mannigfach und so künstlerisch
auszunutzen verstanden hat, wie es wohl keiner vor oder nach ihm auf diesem
Gebiet wieder getan hat. Ja, er wird hier schließlich so groß und bedeutend,
daß man kaum umhin kann, ihn, den Engelhardt uns fast nur als einen großen
Komödianten hat darstellen wollen, als den ersten keramischen Techniker der
Welt zu bezeichnen.
Wie aber ist es da, fragt man sich, wenn dieses eben gezeichnete Bild, das in
diesem Werke sich weiter enthüllen soll, der Wahrheit entspricht, wie ist es da
möglich, daß Engelhardt in seiner Arbeit zu einem so ganz anderen Resultate ge-
kommen ist, wie ist es da möglich, daß er in seinem umfang- und an sich inhalts-
reichen Werke ein Bild dieses Mannes hat entwerfen können, das nicht nur wie
ein gänzlich anderes als das oben geschilderte erscheint, sondern sogar als sein
genauestes Gegenteil, das mit jenem auch nicht mehr das geringste zu tun hat?
Folgendes sind wohl die Gründe, die hierfür einigermaßen eine Erklärung
zu geben vermögen:
An sich hat Engelhardt mit der Persönlichkeit Böttgers sich sehr eingehend
beschäftigt, ja, er hat es allem Anscheine nach als seine Lebensaufgabe betrachtet,
das Leben, die Taten und den Charakter dieses Mannes in ausführlichster Weise
vorzuführen. Wie das Vorwort seines Werkes es selber angibt, hatte er diesen
Stoff schon vorher, wenn auch in aller Kürze, mehrfach behandelt, bis er auf Grund
eingehendster langjähriger Studien sich dann an die Abfassung seines abschließen-
den Werkes, das alle seine bisherigen Bemühungen krönen sollte, gemacht hat.
Er hat hierbei in der Tat die mannigfaltigsten Quellen benutzt, mehrfach eben
auch solche, die uns heute nicht mehr zu Gebote stehen. In dieser Beziehung,
d. h. hinsichtlich der des Sammeins und Nachforschens, kann man dem Verfasser
kaum einen Vorwurf machen: er scheint in dieser Beziehung ziemlich alles getan zu
haben, was ihm zu tun möglich war. Nur fragt es sich freilich, ob Engelhardt zur
Bearbeitung einer solchen Aufgabe, die nicht eine rein historische, sondern auch
eine keramische, ja zum Teil auch eine chemische war, die richtige Persönlichkeit
war, ob er hierzu die richtigen Vorkenntnisse, die richtige Auffassung, die richtige
Bildung mitbrachte. Denn Keramiker sein, etwas wirklich Positives von der Ge-
schichte und dem Wesen der Keramik verstehen, war damals, als Engelhardt sein
Werk schrieb, eine schwierige Sache. Es gab damals noch keine richtige kerami-
sche Wissenschaft, weder eine historische noch eine technische, es gab damals
noch keine Verwechslungen vermeidende Nomenklatur auf diesem Gebiete,
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keine Handbücher, aus denen man wirkliche Belehrung hierüber hätte
schöpfen können. Brogniarts in dieser Beziehung epochemachendes Werk Traite
de la ceramique, das erste wirklich wissenschaftliche Werk, das in das Gebiet der
Keramik einige Klarheit gebracht hat, erschien erst im Jahre 1844, also sieben Jahre
nach dem Erscheinen des Engelhardtschen Werkes. Wie konnte da ein Gelehrter,
der dem Gebiete, auf dem Böttger sich seine größten und seine wirklich bleibenden
Verdienste erworben hatte, zunächst gänzlich fern stand, mochte er im übrigen
auch ein noch so großer Gelehrter sein, diesem Manne und seinen Taten gerecht
werden, wie konnte er die allgemeine Bedeutung dieses Mannes für die Keramik
ermessen und richtig darstellen ?
Aber man hat daneben auch den Eindruck, der sich nicht ganz unterdrücken
läßt, daß Engelhardt sich für diesen Teil seiner Aufgabe, selbst in Anbetracht der
damaligen Zeiten, doch gar zu wenig interessiert, ihm gar zu wenig Bedeutung
zugemessen hat. Es ist auch nicht der geringste Versuch in diesem dickleibigen
Werke gemacht worden, die Bedeutung der Böttger ^oYi^rv Erfindungen zu prüfen
und festzustellen; ja das rein Keramische, das Technische wie Künstlerische, nimmt
in diesem Werke, obwohl es einem Manne gewidmet ist, der in dem letzten Teil
seines Lebens fast nichts als ein Keramiker gewesen ist, einen erstaunlich kleinen
Teil ein. Es sind die Ereignisse in Böttgers Leben, es ist sein Charakter, es ist auch
die Fabrik als solche, was Engelhardt vor allem interessiert und in seinem Buche
mit aller Breite dargestellt hat. Dadurch aber hat Engelhardt von vornherein
seine Quellen einseitig durchforscht, das Leben dieses Mannes einseitig aufgebaut.
Dadurch auch mußte das Gesamtbild desselben, da gerade das Gebiet nicht ge-
nügend berücksichtigt wurde, auf dem er sich seine größten Verdienste erworben
hat, sich völlig zu seinen Ungunsten verschieben: die eigentlichen Verdienste
konnten gegenüber seinen angeblichen Schwächen nicht in die Wage geworfen
werden, und so mußte Engelhardts Streben, das Leben und die Bedeutung dieses
Mannes zu schildern, von vornherein ein verfehltes sein.
Dann kam hinzu — sicherlich nicht ganz ohne die Einwirkung dieser lücken-
haften Auffassung und Betrachtung von Böttgers Leben und Taten — daß
Engelhardt, der in seinen früheren Darstellungen des gleichen Themas noch voller
Ruhe und Objektivität sich an diese Aufgabe gemacht hatte, nun plötzlich wie
durch ein Verhängnis Böttgers Gestalt in einem Lichte erblickte, so schwarz und
düster, wie nie einer vor und kaum auch wieder jemand nach ihm: er sah auf ein-
mal nur noch die Fehler, Schwächen und Irrtümer dieses Mannes, er sah sie auf
einmal in einer Vergrößerung, die hinsichtlich ihres Ursprungs fast rätselhaft
bleibt, und nun ergriff ihn die wahrhaft fixe Idee, alles, was Böttger getan, gesagt,
geschrieben, als falsch, lügnerisch, berechnend, selbstsüchtig, kurz : lasterhaft und
verwerflich hinzustellen. Er fand an Böttger, ohne Übertreibung, kein Körnchen
mehr von Tugend und Wahrheitsliebe, von Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit,
mithin kurz, von allem dem, was sonst doch jeder halbwegs annehmbare Mensch in
einer gewissen Quantität zu besitzen pflegt. Und so unterschlug er alles, was über
XII
Böttger Günstiges zu seiner Zeit gesagt worden ist oder noch heute die Resultate seines
Lebens uns vorerzählen, oder erwähnt es so kurz und trocken, daß es bei dem Leser
seines Buches keinen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. Völlig aber vergaß
er sie bei der Gesamtbewertung seines Charakters und seiner Taten, jener Bewertung,
die ihm das Leitmotiv für seine Schilderungen abgegeben hat. Sie waren
für ihn bei dieser Gelegenheit, obgleich sie zum Teil aus den besten und zuver-
lässigsten Quellen der Zeit stammten, so gut wie nicht vorhanden.
Mancherlei Ungünstiges aber über Böttger den Akten seiner Zeit zu entnehmen,
war für den, der es durchaus wollte, damals wohl nicht allzuschwer, so sehr auch
im allgemeinen das Gefühl seiner Zeitgenossen ihm gegenüber, wenigstens solange
er bei vollen Kräften war, Bewunderung und Hochachtung über sein Können
gewesen ist. Fehler und Schwächen hat jeder Mensch, und wer das Glück hat.
Feinde zu besitzen, die auf seinen Schaden sinnen, bei dem werden sie nicht lange
der Mitwelt verborgen bleiben. Böttger aber, der Begründer aussichtsvoller Unter-
nehmungen, der Fremdling ohne Anhalt in dem Lande, das seine zweite Heimat
ward, stand damals mitten im Intrigenspiel der Zeit, das am Hofe des
Königs August des Starken so herrlich blühte, er war auch durchaus kein
Mensch ohne Fehler, besaß vielmehr, wie später gezeigt werden wird, gewisse
Eigenschaften, die leicht verstimmen und verletzen konnten. Auch mochte wohl
mancher, der schon damals nicht allzuviel mehr von der Alchimie hielt, ihn als
den Vertreter derselben, der ja auch zu keinen Resultaten auf diesem Gebiete
gelangen konnte, für einen Aufschneider und Betrüger halten und darum
seinen ganzen Charakter und sein ganzes Können gering einschätzen. Wer die
Angaben aller dieser Leute, die freilich in den heute uns noch erhaltenen Quellen
kaum mehr aufzufinden sind, begierig aufgriff und ihnen allein Glauben schenkte,
wer dabei aber alle anderen Darstellungen nicht beachtete oder sie gar für par-
teiisch hielt, der mußte freilich Böttger gegenüber zu einem eigentümlichen Bilde
kommen, zu einer Auffassung des ausgesprochensten Pessimismus, für den jeder
Mensch ein schlechter Kerl ist. Was aber ist das für eine Geschichtschreibung,
die mit solcher Einseitigkeit an die Persönlichkeit, die sie schildern will, herantritt,
mit solcher Einseitigkeit zu seiner Darstellung die Dokumente aus jenen, die sich
über ihn aus seiner Zeit erhalten haben, auswählt, und dann eben so einseitig sein
ganzes Leben aufbaut? Der ganze Wert der Geschichte als einer wie jede andere die
Wahrheit liebenden Wissenschaft muß darüber zugrunde gehen, und was zurück-
bleibt, ist schlimmer, als wenn es hier nie eine Wissenschaft gegeben hätte!
Warum aber Engelhardt zu dieser Einseitigkeit kam, zu dieser seltsamen Auf-
fassung, die ihn wie eine wahrhaft fixe Idee so arg beherrschte, daß darüber sein
ganzes reich angelegtes Werk über Böttger ein ausgesprochenes Zerrbild dieses Mannes
geworden sein dürfte, das ist mit voller Sicherheit nicht zu bestimmen. Doch
mehr als wahrscheinlich ist es, daß es Böttger der Alchimist gewesen ist, der in den
Augen Engelhardts Böttger den Erfinder, den Keramiker völlig verdorben hat.
Die Alchimie der vergangenen Jahrhunderte hat ja im 19. Jahrhundert lange
XIII
genug für eine unleugbare Pseudowissenschaft gegolten, ihre Vertreter damit für
ausgemachte Schwindler. Man hat lange Zeit nicht recht gewußt, daß die Alchimie
ursprünglich trotz ihrer wahnwitzigen Ausschweifungen ins Mystische die eigent-
liche Vorläuferin der Chemie gewesen ist, daß sie von Ideen beherrscht und ge-
leitet wurde, die heute ebenso falsch erscheinen, wie sie damals für die allein rich-
tigen gehalten werden mußten, und daß daher an sie die Besten ihrer Zeit und
gerade diese mit felsenfester Überzeugung geglaubt haben. Von dieser Anschauung war
auch Engelhardt beherrscht: auch für ihn waren die Alchimisten sämtlich Scharla-
tane und Tagediebe und Böttger, zumal es ja feststand, daß er mehrere scheinbar
gelungene Tingierungsversuche unternommen hat, einer der ärgsten unter ihnen.
Aber wie stand es denn eigentlich mit Böttger dem Alchimisten ? War er, der ganz
wider Willen zum berufsmäßigen Goldmacher Gepreßte, der immer, wenn es nur
irgend ging, versuchte, sich diesem Berufe zu entziehen, nicht unter allen Umständen
gezwungen — wofern es ihm nicht an den Kragen gehen sollte — zur Beruhigung allzu
ungeduldiger Gemüter, bevor er wirklich das Ziel, das ihm und jenen vorschwebte,
erreichte, kleine Kunststückchen vorzunehmen, durch die er dies scheinbar schon
damals vorgab ? Und waren denn diese gleichsam erzwungenen Täuschungen
wirklich ein Grund, Böttger auch in ganz anderen Dingen, in denen er zu solchen
zumindest zweifelhaften Mitteln zu greifen keine Veranlassung hatte und darum
auch nie gegriffen hat, als einen Nichtskönner oder gar als einen Aufschneider zu
bezeichnen, der das, was ihm wirklich gelang, eigentlich ganz allein dem Zufall
verdankte ? Engelhardt scheint tatsächlich nicht die Kraft gehabt zu haben, diesen
Unterschied zu begreifen: er ist in der Beurteilung Böttgers immer der gleiche
geblieben, einerlei, ob es sich um Böttger den Alchimisten oder Böttger den Kera-
miker und Erfinder handelte, und so war es nur zu natürlich, daß er völlig ver-
ständnislos an dem Bilde eines Mannes vorbeiging, den wir jetzt nur noch als einen
wirklich bedeutenden bezeichnen können, und daß er sein wirkliches Können
und seine wirkhche Begabung auch nicht im entferntesten ahnte. Er war dagegen
völlig blind geworden.
Besonders schlimm aber war es dann weiter, daß Engelhardt scheinbar etwas
reichlich viel Phantasie und auch, wie das Vorwort selber angibt, eine ,, aus-
gezeichnete Erzählungsgabe" besessen hat. Beides bedeutet für den Schriftsteller,
der die Wahrheit der Geschichte berichten will, gar böse Gefahren, da jene alles,
was sie schildern will, nur zu leicht in Vergrößerung sieht, diese dasselbe möglichst
effektvoll zurechtzustutzen sucht. Für Engelhardt hat dies im allgemeinen eine
starke Herabminderung seiner Kritik, seiner Objektivität bedeutet. Er sah in den
Ereignissen, was er in ihnen sehen wollte. Er wurde unkritisch gegenüber den
Überlieferungen, unzuverlässig in den Behauptungen, übertreibend in der Dar-
stellung. Im besonderen aber hieß dies eine Verstärkung seiner fixen Idee, in
Böttger nur noch das Schlechte zu sehen, und wenn er das Gesehene und Erkannte
dann niederschrieb, dann kam dies alles noch mit ganz besonderem Nachdruck
heraus, dann konzentrierte sich dies alles zu Ausdrücken, die an sich wohl wirkungs-
XIV
voll und bezeichnend waren, aber doch weit mehr sagten, als sie sagen sollten.
Damit aber war das Zerrbild fertig und Böttger in der Tat in allem, was er
dachte, sagte und tat, jener schlechte Mensch, als den ihn seit jener Zeit die
Geschichte kennt.
Und dann, nachdem Engelhardt seine Arbeit soweit geführt hatte, kam ein
Ereignis hinzu, das fast wie ein tragisches erscheint: bevor Engelhardt sein so lange
und man kann nicht anders sagen, fleißig vorgearbeitetes Werk zu Ende geführt
hatte, starb er, und der es vollendete, war ein anderer, der den Dingen, von denen hier
berichtet ward, zunächst völlig fremd gegenüberstand, der sie nicht an der Quelle
erkannt und aufgefunden hatte und darum auch ihren wahren Inhalt, ihre wahre
Bedeutung nicht kennen konnte. Freilich soll damals, so berichtet der Heraus-
geber im Vorwort, der Verfasser bei seinem Tode ,,nach langjähriger Arbeit und
vielfachem Umarbeiten des für die einzelnen Kapitel gewonnenen Materials"
fast am Ziele gewesen sein, dennoch hat jener, wie er selber zugesteht, die ,, ge-
wagte" Aufgabe gehabt, ,,das noch vorhandene Material zu ordnen, das Fehlende
womöglich zu ergänzen und dem Ganzen gehörigen Orts anzupassen". Es hat
also in der Tat eine zweite Hand, die nicht an den Quellen geschöpft, die nicht in
das ganze Gebiet sich vertieft hat, den reichen, hier zusammengetragenen Stoff
ergänzt, geordnet und überhaupt wohl überredigiert, und daß eine solche Über-
redigierung einer Arbeit, mag sie auch mit noch so großer Pietät und Vorsicht
erfolgen, nützlich ist, wird niemand behaupten können. In der Arbeit Engelhardts
wird man wohl zunächst, wenn man nicht noch jenen selber damit belasten will,
auf die Rechnung des Überarbeiters die seltsamen Widersprüche, die mangelnde
Einheitlichkeit der Auffassung, die Lücken und die vielen handgreiflichen
Irrtümer setzen, die jedem aufmerksamen Leser dieses Werkes auf Schritt und
Tritt auffallen und völlig unerklärlich erscheinen müssen, wofern man
eben nicht annimmt, daß Engelhardt bei seinem Tode seine Arbeit noch keines-
wegs so weit vollendet hatte, wie es das Vorwort glauben lassen will, und daß erst
ein anderer, der diesen Stoff in keiner Weise ausreichend beherrscht hat, dies zwar
so gut er es vermochte, aber doch nicht ausreichend nachgeholt hat. Er konnte
nicht gleich alle auf eine Sache bezüglichen Stellen übersehen, er konnte nicht in
jedem Falle die richtigen Schlußfolgerungen ziehen, die einzelnen Tatsachen in
richtige Beziehung zueinander setzen, und so dürfte eine Arbeit, die von vornherein
von falschen Gesichtspunkten ausgegangen war, die dann stark rhetorisch gefärbt
ward, nun noch zum Überdruß im einzelnen arg in Verwirrung gebracht worden und
dadurch schließlich ein Werk zustande gekommen sein, das zwar recht reich ist
an interessanten Histörchen, wie sie so gern vom großen Publikum gelesen werden,
das aufregt und fesselt, wie immer die Darstellung des Schlechten und Verderbten
in sensationeller Aufmachung, das aber niemanden befriedigen kann, der es auf-
merksam studiert und dabei seine Schwächen auffindet, völlig aber wertlos wird
für den, der noch einmal an den Quellen schöpft, die Engelhardt benutzt hat, und
mit ihrer Hilfe noch einmal aufzubauen versucht, was jener bereits dauernd fest-
XV
gestellt zu haben geglaubt hat. „Verlorene Liebesmüh" möchte man zu dieser
Arbeit sagen, hätte man nur irgendwie das Gefühl, daß Engelhardt zu dem Helden
seines Buches auch wirklich die geringste Liebe besessen hätte. Doch sein
Werk muß eher als ein Pamphlet, denn als ein Elogium über diesen bezeichnet
werden und hat leider als solches alle Wirkung getan, die solche Machwerke für
gewöhnlich zu tun pflegen.
Es erübrigt noch, in aller Kürze das, was hier soeben zur Erklärung des eigen-
artigen Charakters des Engelhardtschen Buches gesagt worden ist, aus der Fülle
des vorhandenen Materials durch einige bezeichnende Beispiele zu bekräftigen,
wenn freilich der Hauptbeweis hierfür durch die Tatsachen dieses Buches selber
und ihre Darstellung gegeben werden soll. Doch ist es wichtig, zunächst im ein-
zelnen festzustellen, wie unzuverlässig und darum unglaubwürdig das Engelhardt-
sche Buch ist, damit jeder Leser des vorliegenden Werkes, bevor er dasselbe liest,
sich selber ein wenig von der Wahrheit des soeben Dargestellten überzeugen
und darum der in ihm enthaltenen neuen Auffassung von vornherein einigermaßen
Vertrauen entgegenbringen möge. Es gilt, ihn zunächst in aller Kürze selber Richter
sein zu lassen über dieses Werk und seinen Inhalt, selber in ihm den Glauben zu
erwecken, daß eine gänzlich neue Darstellung des hier vorliegenden Themas er-
wünscht nicht nur, sondern geradezu ein Gebot der Notwendigkeit war. Hier
zunächst darum ein Beispiel leichtsinnigster Behauptung in einer Angelegenheit,
die doch wichtig genug war, aufs eingehendste geprüft zu werden, zumal durch
dieselbe eine bisher ganz allgemein verbreitete Annahme völlig umgestürzt werden
sollte. Auf Seite 255 veröffenthcht Engelhardt ein Dekret vom 20. November 1707,
auf Grund dessen Böttger schon im Oktober oder November dieses Jahres sein
erstes echtes Porzellan geliefert und dem Könige zur baldigsten Errichtung einer
Porzellanfabrik die größte Hoffnung gemacht haben soll, ja, das Engelhardt geraide-
zu dazu benutzt, um die Erfindung des Porzellans, die bisher ganz allgemein in
das Jahr 1709 gesetzt worden war, nun um zwei Jahre vorzudatieren. Doch in
diesem Dekret ist, wie ich bereits an anderer Stelle ausführlich angegeben (ver-
gleiche meinen Aufsatz ,,In welchem Jahre wurde das Meißner Porzellan erfunden ?"
Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. XXVII, S. 66),
mit keiner Silbe von Porzellan die Rede, ja kaum eine einzige Bezeichnung läßt
sich in ihm finden, die sich auf Keramik beziehen ließe! Wie kann Engelhardt
da auf dieses Schriftstück so wichtige und noch dazu so umstürzlerische An-
sichten bauen ? Und dabei stellte er diese Behauptungen auf, obwohl nachweis-
lich dasjenige Dokument, das jeder, der sich je mit diesem Gebiete befaßte, nur
als die willkommenste Quelle begrüßen mußte, und das ihm nachweislich auch
wirklich zur Verfügung gestanden hat, ein später noch oft genug zu erwähnendes
in der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden befindliches Manuskript Steinbruchs
vom Jahre 1717 ganz positiv das Jahr 1709 als das der Erfindung angibt, ja, ßöifger
XVI
selber nach Engelhardts eigener Angabe (auf. S. 271, Anm. 21) — natürlich „von
Spirituosen benebelt" — als Jahr bald 1708, bald 1709 genannt hat. Weiter bespricht
dann Engelhardt S. 260 und 267 eine Instruktion von Dr. Bartelmei, dem bisherigen
Leibarzt Böttgers, vom Januar des Jahres 1708, in der dieser aufgefordert wird,
Böttger bei seinen industriellen Bestrebungen beizustehen, in der aber auch bereits
das ,,rote und weiße Porzellan" erwähnt sein soll, wovon jedoch leider in dem noch
auf dem königlich sächsischen Hauptstaatsarchiv erhaltenen Aktenstücke dieser
Instruktion nicht das Geringste zu finden ist.
Dann weiter als Beispiel leichtsinnigster Folgerung: auf S. 275 schreibt Engel-
hardt: Um die Porzellanfabrik mit gehöriger Ordnung zu betreiben, bestätigte der
König einen von Böttger selbst entworfenen und am 12. Januar 1708 eingereichten
Personal-Besoldungsetat, der auch in seinem Werke abgedruckt ist. Wo aber sind
in dieser Liste Töpfer genannt, ohne die man doch keine Porzellanfabrik begründen
und betreiben kann und die doch später, als diese nachweislich begründet ist, ganz
deutlich genannt werden, und wie kann man, wenn diese fehlen, diese Liste dazu be-.
nutzen, um eine schon rege keramische Tätigkeit in diesem Jahre zu konstatieren ?
Weiter dann als Beispiel flüchtigster, lückenhafter Darstellung! Auf Seite 284
erwähnt Engelhardt die erste Kommission, die Böttgers Erfindungen im Jahre 1709
prüfen sollte, vermengt dabei aber ungeniert zwei verschiedene Sitzungen derselben,
zwischen denen nicht weniger als ein halbes Jahr lag, und erweckt so ein ganz ver-
zerrtes Bild von den damaligen Verhandlungen, in denen es sich um nichts Geringeres
handelt, als um die erste Prüfung der Erfindung des Porzellans.
Dann einige jener Vermengungen und Verwechslungen, an denen dieses Werk
so reich ist, daß man ihnen auf Schritt und Tritt zu begegnen meint! Auf S. 278 wird
der oben erwähnte Dr. Bartelmei im April 1708 zum Leiter der nach Engelhardts
Ansicht schon damals gegründeten Porzellanfabrik ernannt, während er nach den
Akten, wie im vorliegenden Buch gezeigt werden wird, damals nur Leiter der gleich-
falls von Böttger begründeten Steinbäckerei oder Fayencefabrik ward. Wo bleibt
aber freilich in Engelhardts Darstellung diese Fayencefabrik, die die ganze folgende
Zeit neben der Böttger&cYiQn Steinzeug- und Porzellanmanufaktur bestanden
hat, und die Engelhardt doch kaum bei Erwähnung dieser noch weiter in Betracht
zieht, so daß sich der starke Verdacht erhebt, daß er manche jene betreffende
Nachricht auf diese bezogen hat ? Erst später erwähnt er diese Fayencefabrik in
einem besonderen Kapitel. Doch weit schlimmer als diese gegenständlichen Ver-
mengungen sind die chronologischen! Unerhört ist geradezu, was Engelhardt S. 425
über die zu Böttgers Zeiten, wo man, wie später gezeigt werden wird, noch so arg
mit der Technik zu ringen hatte, aus Porzellan angefertigten Gegenstände berichtet
hat: er erwähnt dort u.a. Glockenspiele, Puppen, Handgrenaden, Bilderrahmen, Degen-
gefäße, Ofenfüße, Tiere in Lebensgröße, Tischplatten, Türpfosten, Öfen, Kamine,
selbst Särge und Leichensteine, ja, über die Särge werden sogar die merkwürdigsten
Dinge erzählt! Wer aber, der -die Geschichte der Meißner Manufaktur nur ein
wenig kennt, weiß nicht, daß der größte Teil dieser Dinge erst lange nach Böttgers
XVII
Tode in Meißen ausgeführt worden ist, ja daß man von manchen derselben, so na-
mentlich den Särgen und Leichensteinen, selbst dann noch nichts zu hören bekommt ?
Genau so aber verhält es sich, wenn er weiter in dieser Zeit von blauweißem Porzellan
(S. 424), von der Einführung der Schwertermarke u. dergl. mehr spricht. Engel-
hardt hat hier überall unverkennbar Aktenstücke der späteren Zeit auf die Böttgersche
bezogen und dadurch eine allgemeine Verwirrung in seine Angaben gebracht, die
man leider nur in den seltensten Fällen, wie bei den angegebenen, noch wieder
entwirren kann.
Weiter dann einige entschiedene Unglaubwürdigkeiten, Irrtümer u. dergl.
Nach S. 273 soll gleich (!) nach der Erfindung des Porzellans dies allgemein bei
Hofe und im Handel ( !) nur das ,, Böttgersche Geschirr" auch ,,Böttgersches braunes
Zeug" genannt sein, obwohl Engelhardt doch selber ausführlich berichtet, wie
ängstlich man damals den Namen und die Person dieses Mannes verbarg, ja
es feststeht, daß Böttger noch im Jahre 1709 vor der Kommission, die seine Er-
findungen prüfen sollte, nicht einmal persönlich erscheinen durfte. Da soll also
damals und bald darauf sein Name schon in aller Munde gewesen sein ? Weiter be-
richtet er in der Anmerkung auf S. 84 daß Tschirnhausen durchdius alchimistischen
„Träumereien" gehuldigt hätte, obwohl Steinbrück, der langjährige Gehilfe Tschirn-
hausens, in seinem oben erwähnten Manuskript das genaue Gegenteil behauptet.
Dann wird weiter gemeldet, daß 1708 ein Portugiese Porzellan, d.h. rotes Steinzeug,
gekauft hätte, obwohl dies doch erst im Jahre 1710 in den Handel kam und
dieser Kauf nachweislich erst nach diesem Jahre stattfand, weiter daß im Jahre
1713 Böttger — natürhch um zu prassen! — 34(!) mal in Meißen gewesen wäre,
obwohl erwiesenermaßen Böttger damals nur ein paarmal dahingekommen ist,
dann soll Böttger in seiner Großmannssucht mit des Königs Equipage ausgefahren
sein, obgleich die Stelle, auf die diese Angabe sich stützt (vgl. S. 470, Anm.), unter
Equipage nach dem Sinne der Zeit nur Ausrüstung bezeichnet, er soll weiter, als
Zeichen seiner Verschwendungssucht, sich Silbergeschirr gekauft haben, obgleich
aus den Akten deutlich hervorgeht, daß das Silbergeschirr, das Böttger benutzte,
Eigentum des Königs war u. dergl. m. Doch es kann wohl im allgemeinen genug
sein mit der Aufzählung dieser einzelnen Fehler, die sich mit Leichtigkeit noch
verzehnfachen ließen, es kann genug sein mit dem Nachweis, wie leichtfertig das
Engelhardtsche Buch geschrieben ist, wie wenig zuverlässig darum im einzelnen
wie im allgemeinen die darin enthaltenen Angaben sind und wie wenig man es daher
heute noch als ein historisches Dokument betrachten darf, auf das wir unsere An-
sichten über Böttger und seine Taten aufbauen können. Doch noch eine Stelle möge
hier am Schluß stehen, die so recht noch einmal in schlagender Weise die ganze
UnZuverlässigkeit der Engelhardtschen Angaben zeigt, zugleich aber auch das
Romanhafte, teilweise Erfundene, Hinzugedichtete seiner Angaben, eine Stelle,
die wohl geeignet ist, dem Verfasser den letzten Rest seines Kredits zu nehmen.
Auf etwa 10 Seiten hat Engelhardt in seinem Werke sich verdienstvoller Weise
die größte Mühe gegeben, zu beweisen, daß nicht Tschirnhausen, wie von einer
Zimmermann, Meifiner Porzellan. b
XVIII
gewissen Seite angenommen, sondern, wie bisher ganz allgemein geglaubt, Böttger der
Erfinder des Porzellans gewesen sei. Dann aber heißt es da weiter auf S. 274:
,, Nachdem Böttger den ihm stets innigst ergebenen Tschirnhausen zuerst, dieser
aber den König und den Statthalter von der Porzellanerfindung in Kenntnis gesetzt
hatte, versprach der König usw.", es wird mithin gleich darauf eine Begebenheit
erwähnt — nämlich, daß Böttger Tschirnhausen seine Erfindung mitteilt — durch die,
wenn sie wirklich authentisch wäre, so klar Böttger gegenüber Tschirnhausen als
der Erfinder des Porzellans hingestellt wird, daß die vorhergehende vielseitige
Untersuchung hierüber völlig überflüssig erscheint. Und doch wird diese hier mit
solcher Ruhe und Sicherheit berichtete Begebenheit bei jener vorherigen Unter-
suchung, wo sie die größten Dienste hätte tun können, nicht einmal erwähnt ! So
kann sie doch nur wie eine ziemlich dreiste Erfindung erscheinen, zu dem Zwecke,
zwei verschiedene Abschnitte der Darstellung zu verbinden, als eine phantasie-
volle Ausschmückung, um mehr Fluß und Zusammenhang in die Schilderung hinzu-
bringen, wodurch sie aber zugleich ein Dokument wird, durch das noch einmal
aufs schlagendste bewiesen wird, wie wenig wahr es der Verfasser mit seinen
Darstellungen genommen hat, wie wenig Verlaß schon aus diesem Grunde auf
sein Werk sein kann. Und damit mag es mit der Kritisierung dieses Werkes
genug sein!
Man wird gestehen, daß es bei dieser Sachlage nicht ganz leicht war, sich
von neuem an ein Thema zu wagen, das bisher wissenschaftlich so gänzlich ver-
fahren war, zumal eben das, was Engelhardt mit solcher Sicherheit und vielfach
solcher breiten Ausführlichkeit berichtet, so oft an den Quellen nicht mehr auf-
findbar und doch bei der soeben festgestellten Unzuverlässigkeit dieses Autors
nicht so ohne weiteres wieder zu verwenden war. Es wurde daher — was blieb
anderes übrig ? — zunächst beim Aufbau dieser Arbeit völlig ignoriert, als wäre
es niemals geschrieben worden. Eigentliche Grundlage vorliegenden Werkes wurde
auf diese Weise fast ausschließlich das bereits oben erwähnte urkundliche Material,
das sich auf dem königlich sächsischen Hauptstaatsarchiv zu Dresden, in der
königlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen und in der königlichen Porzellan-
sammlung zu Dresden befindet. Dazu kamen die Erzeugnisse der keramischen
Tätigkeit Böttgers. Frühere Versuche, das Leben Böttgers darzustellen, die benutzt
werden konnten, standen dagegen nur sehr wenige zur Verfügung und auch nur
sehr kurze. Sie fanden sich in der Hauptsache nur in Iccanders „Das wegen seines
Altertums, Ruhms und lustigen angenehmen Gegend in ganz Europa bekannte
königliche Meißen" (Dresden 1730), in dem überhaupt zum ersten Male etwas über
diesen Mann veröffentlicht worden ist, dann in Kenzelmann, Historische Nach-
richten über die königliche Porzellanmanufaktur, 1810. Weitere Vorarbeiten waren
dann die Arbeiten von W. v. Seidlitz im Neuen Archiv für sächsische Geschichte
und Altertumskunde: Die Meißner Porzellanmanufaktur unter Böttger (Bd. IX,
XIX
S. 3) und Die frühesten Nachahmungen des Meißner Porzellans (Bd. X, S. 58),
Beding, Das Meißner Porzellan und seine Geschichte, Leipzig 1900, Heintze,
Beitrag zur Geschichte der europäischen Porzellanfabrikation (Zeitschrift für
Architektur und Ingenieurwesen 1898, S. 387) sowie des Verfassers eigene Arbeiten
im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde: In welchem
Jahre wurde das Meißner Porzellan erfunden? Bd. XXVII, S. 60, und Wer war
der Erfinder des Meißner Porzellans? Bd. XXVIII, S. 17, in denen einige vor-
liegendes Gebiet betreffende Fragen vorweg behandelt worden sind, ohne deren
Lösung an den Aufbau dieser ganzen Zeit noch nicht gegangen werden konnte.
Von dem Engelhardtschen Buche aber wurde schließlich nur das benutzt, was
nicht mit anderen Berichten der Zeit oder dem Werke Kenzelmanns, der allem An-
scheine nach noch vielfach dieselben Akten benutzt hat wie dieser, im Wider-
spruch stand, was wörtlich aus den Urkunden abgedruckt in ihm dastand und
darum noch kontrollierbar war, schließlich alles, was eine wirkliche Bereicherung
des Stoffes darstellte, dabei aber vöUig glaubwürdig zu sein schien. Es ist freilich
nicht allzuviel geworden, doch ist dafür manches, was nicht so gänzlich zweifel-
haft und unglaubwürdig erschien, in den Anmerkungen hinzugesetzt worden.
Übrigens sind um die Zitate nicht unnötig zu vermehren, alle schon von den hier
angeführten Quellen erwähnten Tatsachen im vorhegenden Buche, in der Regel
nicht mit solchen belegt worden.
Eine gewisse Schwierigkeit bot bei der Behandlung dieses Themas die rein
technische Seite desselben, die dem Verfasser zunächst etwas ferner liegen mußte,
als die historische und künstlerische. Doch fand er hierbei die freundliche
Unterstützung von selten des Herrn Oberbergrat Dr. Heintze, des technischen
Betriebsleiters der königlichen Porzellanmanufaktur zu Meißen, wofür es ihn
freut, ihm hier seinen Dank abstatten zu können. Im übrigen ist das Bestreben
dieses Buches gewesen, alles in Wort und Bild zusammenzutragen, was sich
über diese interessante Zeit und die in ihr spielenden Vorgänge noch hat ermitteln
lassen, um endlich einmal ein völlig klares, abgerundetes Bild derselben zu gewinnen.
Es ist der lebhafte Wunsch des Verfassers, daß dies hier möglichst geglückt sein
möge.
Dresden, Juni 1908.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
I. Die ersten Erfindungsversuche 1
IL Die Erfindung 20
III. Die Meißner Manufaktur als Steinzeugfabrik (1709 — 1713) 60
IV. Das Böttgersteinzeug 113
V. Die Meißner Manufaktur als Porzellanfabrik (1713 — 1719) 152
VI. Das Böttgerporzellan 206
VII. Fortsetzung des Böttgerschen Erbes 244
Anmerkungen 275
Beilagen 317
Verzeichnis der Abbildungen.
Farbentafel.
Böttgerporzellan, mit Emailfarben bemalt Titelbild
Textillustrationen.
Seite
Job. Friedr. Böttger 20
Ehrenfried Walther v. Tschirnhausen 25
Jungfer oder Venusbastei in Dresden 27
Brennspiegel Tschirnhausens 29
Brennlinsen Tschirnhausens 31
Chinesisches Porzellan aus der Zeit der Erfindung • 37
Japanisches Porzellan aus der Zeit der Erfindung 39
Böttgersteinzeug. Probeplatten 43
Chinesisches rotes Steinzeug aus der Zeit der Erfindung 45
Böttgersteinzeug. Leuchter in Form eines Bergmannes 60
Meißen mit der Albrechtsburg 65
Das Innere der Albrechtsburg 67
Böttgersteinzeug. König August der Starke 69
Pokal in Silber von Irminger 73
Böttgersteinzeug. Große Schale 75
„ Pastetennapf 77
„ Schwenkkessel, geschliffen 81
„ Vase, geschliffen, mit Vergoldung 83
„ Schwenkkessel, geschlilTen, mit Vergoldung 88
Schwenkkessel in Silber getrieben 89
Böttgersteinzeug. Große Deckelvase, geschliffen, mit Vergoldung 91
„ Vase, geschliffen, mit freihändig aufgelegten Blumen 93
„ Thee- und Kaffeekannen mit eingeschnittener Ornamentik 95
„ Nachbildung chinesischer Gefäße 97
„ Große, geschliffene Schale 99
„ Gefäß in Nautilusform, mit Emailfarben bemalt 103
„ Medaillon mit dem Bildnis Papst Clemens XI 113
„ Krug, marmoriert und geschliffen 116
„ Krug, marmoriert u.geschhffen, mit in hellerer Masse eingelegter Landschaft 117
Beispiele von Markierungen für den Brand von Böttgersteinzeug 118
Böttgersteinzeug. Gefäße mit Markierungen 119
Schwertermarke 119
Böttgersteinzeug im Stil getriebener Silberarbeiten 120
„ von chinesischem Porzellan und Steinzeug abgeformt 121
Chinesische Teekanne mit ihrer Ab formung in Böttgersteinzeug 122
Chinesische Porzellanflgur mit ihrer Abformung in Böttgersteinzeug 123
XXIV
Böttgersteinzeug. Tassenformen 125
„ Formen von Kaffeekannen 127
„ mit durchbrochener Arbeit 128
„ mit aufgelegten, geformten Verzierungen 129
„ Vase, geschhffen, mit freihändig aufgelegten Ranken 130
„ glatt geschliffen 131
„ geschliffen, mit aufgelegten, geformten Verzierungen 132
„ gemuschelt 133
„ geschnitten 134
„ „Eisenporzellan", z. T. geschhffen 135
„ schwarz glasiert, mit bunter Lackmalerei 137
„ schwarz glasiert, mit Lackmalerei vorwiegend in Gold 138
„ schwarz glasiert, mit durchgeschliffener Ornamentik 139
„ mit Emailfarben bemalt 140
„ geschliffen, mit Goldschmiedearbeit verziert 141
„ Große Deckelvase, geschliffen, mit Lackmalerei in Gold 142
„ Figuren, von chinpsischen Arbeiten abgeformt 143
„ Großer Kinderkopf 144
„ Kopf des Kaisers ViteUius 145
„ Figuren aus der „itahenischen Komödie", fast ganz geschliffen 146
„ Figuren aus der „italienischen Komödie", fast ganz geschliffen 147
„ Kruzifix, zum größten Teil geschliffen 148
„ Medaillon mit dem Bildnis Maria der KathoUschen von England 149
„ Großes Rehef mit dem Kopf eines Märtyrers 150
„ Relief mit Darstellung der Judith 151
„ Medaillon mit dem Bildnis des Kurfürsten Johann Georg IV. von Sachsen 152
„ Apollokopf (nach Bernini) 153
„ Figur eines Woywoden 155
„ Medaillon mit dem Bildnis Peters des Großen 157
„ Putto mit Muschel 159
„ Kindergruppe, schwarz glasiert und mit Lackfarben bemalt 161
„ Relief mit Madonna und heil. Joseph 163
„ Figur eines Bauern 165
Böttgerporzellan mit Versuchen in Emailmalerei 169
„ Formen von Theekannen 193
„ Bierkrug mit dem aufgesetzten Monogramm König August des Starken 195
„ Große Deckelvase mit freihändig aufgelegten Blumen 199
„ mit eingestempelten Verzierungen 203
„ Abformung einer chinesischen Götzenfigur, mit Emailfarben bemalt . . 206
„ mit glatten Wandungen 207
Theegeschirr 208
„ mit doppelten, durchbrochenen Wandungen 209
„ Frühes Versuchsstück mit aufgelegten, geformten Verzierungen 210
„ mit geschliffener Oberfläche 211
„ Versuchstück mit durchbrochener, doppelter Wandung 213
„ mit aufgelegten, geformten, antikisierenden Verzierungen 215
„ Chinesische Nachbildungen 216
,, Große Vase mit aufgelegten, geformten Verzierungen 217
,, mit freihändig aufgelegten einzelnen Blumen und Blättern 218
„ Große Vase mit freihändig aufgelegten Weinranken 220
XXV
Böttgerporzellan mit aufgelegten, geformten Blumen 221
mit Lackfarben bemalt 223
Große Vase, mit Lackfarben ganz übermalt 224
mit ornamentaler Emailmalerei 225
mit Malerei in Eisenrot 227
mit Malerei in Lüsterfarbe 228
mit Malerei in Silber 229
Versuchstücke mit kobaltblauer Unterglasurmalerei 230
mit Malerei in Gold 232
mit Emailmalereien in Rosa 233
Teedose mit Grundierung in Silber 234
Abformung einer chinesischen Porzellanflgur des Heiligen Laotse 235
• Abformung chinesischer Götzenfiguren 236
Statuette König August des Starken mit Emailfarben bemalt 237
Callot-Figuren 239
Gallot -Figuren 240
Verschiedene kleinere Figuren 241
Frosch und Eidechse 242
Geformtes Relief, Akanthusblatt 245
Geformtes Rehef, Blumenstück 247
Abformung einer chinesischen Porzellanflgur 249
Kinderkopf mit Emailfarben bemalt 251
Geformtes Relief, Eichelblätter 253
Gallot -Figuren 255
Meißner Porzellan, Teetopf, mit Watteauszene bemalt 257
I. Die ersten Erfindungsversuche.
Die Erfindung des europäischen Porzellans, d. h. die europäische Nach-
erfindung des ursprünglich in China spätestens im 6. Jahrhundert unserer Zeit-
rechnung erfundenen Porzellans ^), ist keine Erfindung gewesen, die gleich so vielen
anderen die Welt aus ihren Gleisen gehoben hätte, sie ist auch keine gewesen, ohne
die man sich den Fortbestand der Welt, wie er tatsächlich erfolgt ist, nicht denken
könnte. Sie bedeutete im Grunde genommen nur eine Annehmlichkeit, eine will-
kommene Bequemlichkeit, einen starken Zuwachs an Kunst, wie Verfeinerung
des Lebens und, wenn man will, auch eine beträchtliche Kapitalsvermehrung,
alles Dinge, die man im Notfall gar wohl entbehren könnte.
Dennoch ist und bleibt diese Erfindung eine der interessantesten, die es über-
haupt gegeben, ein Triumph des menschlichen Geistes, der hier einmal eine ganz
besondere Probe seines Könnens abgelegt hat. Die Geschichte der Erfindungen
kennt wenige Beispiele einer gleichen, bewußt ausgeführten Nacherfindung.
Während sonst in der Regel eine Erfindung die Folge mehr oder weniger zufällig
empirisch festgestellter Tatsachen ist, bei deren Anfang man vielfach noch
gar nicht weiß, wohin dieses ganze Streben treibt, stellt sich die Erfindung dieses
keramischen Stoffes, so wie man sie jetzt kennt, als das Resultat eines konsequenten,
logischen Ausgehens auf ein ganz bestimmtes Ziel dar, das von allem Anfang an
unverrückbar als solches feststand und, wenn überhaupt, nur als Ganzes erreicht
werden konnte. Es wird nicht schwer sein, zu entscheiden, welche Art der Er-
findung an sich als die schwierigere zu gelten hat: auf der einen Seite eine scharfe
Kombinationsgabe, die aus allen Beobachtungen, die im Laufe der Arbeit gemacht
werden, die richtigen Schlüsse zu ziehen und sie zu weiterer Arbeit zu verwerten
weiß, auf der anderen ein mehr oder weniger geniales Erraten des verborgenen
Anfangspunktes eines gegebenen Resultats; hier die Entwicklung einer Kausalität
in ihren natürlichem Gange von der Ursache zur Wirkung, dort das Gleiche, doch
in gewaltsam umgekehrter Richtung von Wirkung zur Ursache, in einer Richtung,
wie sie nur der kombinierende Geist des Menschen zurückzukonstruieren vermag.
Kein Wunder daher, daß während sonst die Erfindungen meist die Ergebnisse kurzer
Zeiträume, bisweilen selbst von Momenten sind, mag ihre volle Ausnutzungs-
möglichkeit, selbst ihre praktische Verwertbarkeit vielfach auch erst nach ge-
raumer Zeit eintreten, die Nacherfindung des Porzellans in Europa trotz heftigsten
Zimmmermann, Meißner PorzelluL. 1
2 Die ersten Erfindungsversuche.
Bemühens durch Jahrhunderte sich hindurchgezogen hat, und daß es erst des
Hinzutrittes einer wirkhch bedeutenden Persönhchkeit bedurfte, bevor sie end-
hch gelang.
Zumal die Erfindung des Porzellans keineswegs zu den leichteren gehört
hat, auch nicht auf dem Gebiet der Keramik. Denn es handelte sich hier um nichts
weniger als die Erkenntnis eines gänzlich neuen keramischen Prinzipes, dem die
ganze bisherige europäische Keramik auch nicht einmal etwas Verwandtes zur
Seite zu stellen hatte. Bevor diese Nacherfindung gelang, bevor dieses neue Prinzip
in Europa entdeckt ward, kannte man hier nur die unglasierte Terrakotta, die
durchsichtig glasierte Irdenware, die undurchsichtig glasierte Majolika oder
Fayence und als gediegenstes Produkt das festgebrannte, in der Regel unglasierte
Steinzeug, dessen Herstellung aber lokal beschränkt blieb. Bei allen diesen hatte
man es noch mit ganz einfachen keramischen Vorgängen zu tun gehabt. Man
hatte bestimmte, für die Bildsamkeit geeignete sogenannte ,, plastische" Tone
irgendwo der Natur entnommen, sie gereinigt und gleichmäßig zerkleinert, viel-
leicht in den technisch schwierigsten Fällen zur Erhöhung ihrer Plastizität oder
ihrer Widerstandsfähigkeit im Feuer noch mit anderen Bestandteilen leichthin
gemischt und dann mehr oder weniger scharf gebrannt, ohne hierbei auf besondere
Schwierigkeiten zu stoßen. Auch die Glasierung war ziemlich einfach gewesen, erfor-
derte namentlich, da sie mit den keramischen Erzeugnissen in der Regel nicht fester
verwuchs, keine allzu große Berechnung und Geschicklichkeit, war aber trotzdem
vielfach, namentlich bei der Fabrikation der Fayence, der eigentlich wunde Punkt
dieser ganzen Keramik. In Anbetracht dieser Einfachheit der technischen Her-
stellung war daher damals ein großer Teil dieser keramischen Industrie, wie es zum
Teil ja noch heute der Fall ist, Hausindustrie, die vielfach über Dörfer, ja ganze
Landschaften verteilt war, und nur die Majolika oder Fayence, die feinste und
darum schwierigste keramische Spezialität dieser Zeit, erscheint immer an städti-
sche Zentren geknüpft, für deren Bewohner anfangs ihre Erzeugnisse auch fast
ausschließlich bestimmt waren.
Mit dem Porzellane Chinas, das wohl durch die Kreuzzüge zum erstenmal
nach Europa gelangte, seit der Entdeckung des Seewegs nach Ostindien aber an-
fing, in größeren Mengen hier eingeführt zu werden, trat ein bedeutend edleres,
aber auch bedeutend anspruchsvolleres Erzeugnis auf den keramischen Schau-
platz Europas: Das Porzellan ist, wenn man will, ein Mittelding zwischen Glas
und Steinzeug ^), das von beiden Stoffen die edelsten Eigenschaften annimmt,
indem es zu diesen noch neue hinzufügt. Es ist, falls nicht zu dickwandig, durch-
scheinend, für Flüssigkeiten unter gewöhnlichen Umständen undurchlässig, selbst
im stärksten Feuer beständig, auch für fast alle Säuren unangreifbar, daneben
ein schlechter Wärmeleiter und, wofern man es haben will, von schönster weißer
Farbe. Seinem Materiale nach stellt es sich — und hierin beruht das keramisch
Besondere seines Wesens, das seine Nacherfindung so ganz besonders erschwert
hat — im Gegensatze zu allen bisher in Europa verwandten keramischen Massen,
Schwierigkeit der Erfindung. 3
als ein Gemenge verschiedenartiger Bestandteile dar, die sich vor allem im Feuer
völlig verschieden, ja, entgegengesetzt verhalten, in der Weise, daß der Haupt-
bestandteil fest bleibt, d. h. im Feuer trotz stärkster Hitzeentfaltung nicht schmilzt,
der andere dagegen sich erweicht und jenen festen Bestandteil innig umfließt,
um ihn nach dem Erkalten gleichsam fest in sich gebettet zu zeigen. Dazu kommt
noch die Glasur, die diese Masse zwar nur ganz leicht und als durchsichtige Haut
überzieht, dafür aber mit ihr ganz unzertrennbar verwachsen muß, im wesent-
lichen nur ein Verschönerungsmittel, bestimmt, dem Porzellan Glanz und Glätte
zu verleihen, daneben freilich auch ein Schutz gegen dauerndes Eindringen von
Staub und Schmutz in die hierfür so stark empfängliche Porzellanmasse, auch
diese ein Gemisch verschiedener Bestandteile, nach einem Prinzip, das gleichfalls
für die damalige Keramik etwas gänzlich Neues war und das herauszufinden darum
einer zweiten Tat bedurfte. Die Erfindung des Porzellans bestand demnach eigent-
lich aus zwei Erfindungen, die, völlig unabhängig voneinander, beide gemacht
werden mußten, wofern wirklich dasjenige Produkt zuwege gebracht werden
sollte, das man für gewöhnlich Porzellan nennt, und das man allein hat erstreben
wollen, so oft man an seine Nacherfindung ging.
Im besonderen ist das echte oder Hartporzellan, wie es China erfunden, dann
Böttger nacherfunden hat, ein inniges Gemisch von Kaolin und Feldspat, für den
auch Kalk, Kreide oder ein verwandter Stoff eintreten kann, und vielfach auch
noch von Quarz. Hierbei stellt sich das Kaolin, ein weißer, nicht sehr plastischer
Ton, wie alle keramischen Tone ein natürliches Verwitterungsprodukt eines feld-
spatreichen Gesteins^), als der feuerbeständige, dem Porzellan nach seinem
Brande seine Festigkeit gebenden Bestandteil, der Feldspat, die Kreide oder der
Kalk als das im Feuer flüssig werdende, dem Porzellan seine Durchsichtigkeit
verleihende Flußmittel dar, indes der Quarz nur zur Erleichterung der Fabrikation,
namentlich auch zur Erhöhung seiner Durchscheinbarkeit nach dem Brande dient.
Die Glasur aber enthält — und hier liegt das eigentlich Neue in ihr — fast die-
selben Bestandteile wie die Masse, nur mit bedeutend stärkerer Vermehrung der
Flußmittel, damit sie nach dem Brande völlig durchsichtig erscheine.
Von diesen zur Porzellanherstellung erforderlichen Materien erscheinen Feldspat,
Kreide, Kalk sowie auch Quarz als durchaus gewöhnliche Stoffe, die überall in
der Natur anzutreffen sind, deren Auffindung daher keine besondere Schwierig-
keit bereitet. Seltener dagegen bietet sich der Hauptbestandteil des Porzellans
dar, das Kaolin, obgleich sich auch dieses als Roherde in allen Teilen der Welt,
namentlich in Talbecken und Flußtälern, und so auch in Deutschland an vielen
Stellen vorfindet, ja, man zur Not an seine Stelle überhaupt jede feuerfeste, sich
weiß brennende Erde nehmen kann. Für alle diese war die Auffindung keine ganz
leichte, sie mußten entdeckt werden, bevor die Nacherfindung des Porzellans
überhaupt erfolgen konnte.
Diese Nacherfindung aber konnte nur auf dreierlei Weise geschehen:
durch unmittelbares Auskundschaften des Geheimnisses des chinesischen Por-
4 Die ersten Erflndungsversuche.
zellans in China selber, durch selbständige Erkenntnis des Prinzips seiner Zusammen-
setzung auf dem Wege des zielbewußten Experiments oder schließlich durch den
Zufall, bei dem die zur Porzellanfabrikation erforderlichen Stoffe wie auch ihr
richtiges Verhältnis sich wie von selber zusammenfanden. Alle diese Möglichkeiten
konnten sich nicht so leicht von selber ergeben. Ängstlich hüteten auf der einen
Seite die Chinesen das so wertvolle Geheimnis ihres kostbaren keramischen Er-
zeugnisses, dessen Verlust für sie, da Europa dann dieses Erzeugnis von ihnen zu
begehren keine Veranlassung mehr haben würde, eine ganz gewaltige materielle
Einbuße zu werden drohte. Andererseits hieß es doch etwas viel vom blinden Ungefähr
des Zufalls erwarten, daß er Stoffe wie Mischungsverhältnisse auf einmal in richtiger
Weise zur gefälligen Benutzung darbieten sollte. Was aber die Erkenntnis des
Prinzips anbetrifft, so ward diese dadurch um so schwieriger, daß das Porzellan,
als ein Mittelding zwischen zwei ganz verschiedenartigen Produkten, zwischen
Glas und keramischem Erzeugnis, den diese Erkenntnis Suchenden nach zwei ganz
verschiedenen Wegen hin, ja, wenn er demjenigen folgte, der als der zunächst-
liegende sich darzubieten schien, durchaus auf Abwege verlockte, von denen ein
Umlenken zu jenem anderen, der als der allein richtige auch allein zum Ziele zu
führen vermochte, fast als ein Ding der Unmöglichkeit erschien. Die Nacherfmdung
des chinesischen Porzellans hat sich daher in Europa, von dem Zeitpunkte an ge-
rechnet, da man hier zum erstenmal sich an sie machte, um mehr als zweihundert
Jahre verzögert, und sie ist dann schließlich ein Werk der reinen Erkenntnis,
des Entdeckens des Prinzipes dieses Stoffes gewesen, das dem bloßen Zufall nur
recht wenig dann noch zu verdanken gehabt hat. Aber sobald dies Prinzip ein-
mal erkannt war, ist sie dann auch in ganz erstaunlich kurzer Zeit erfolgt: in
wenigen Jahren ward erreicht, wonach vorher Jahrhunderte völlig vergeblich
gerungen hatten.
Dennoch mußte trotz aller dieser Schwierigkeiten der Gedanke der Nach-
erfindung des Porzellans in Europa erwachen, sobald es in größeren Mengen nach
Europa gelangte und hier auch die technische Möglichkeit seiner Nachahmung
gegeben schien. Zu verlockend stellte sich die Summe seiner Vorzüge dar, schon in
rein praktischer Beziehung seine Undurchlässigkeit für Feuchtigkeit, seine Unan-
greifbarkeit für Säuren, seine Widerstandsfähigkeit gegen Temperaturunterschiede,
dann in ästhetischer Beziehung seine Wohlgefälligkeit für das Auge, seine feine
kristallinische Masse, seine weiß schimmernde Oberfläche, auf der Farben sich
strahlend erbreiten konnten, schließlich die weiche, wohlige Glätte seiner Glasur.
Es war durchaus das Produkt einer feineren Kultur und hat diesen Charak-
ter auch niemals verleugnet. Auch seine Zerbrechlichkeit erwies sich gering,
namentlich gegenüber dem Glase und fast allen übrigen keramischen Erzeug-
nissen, mit denen es im praktischen Gebrauche konkurrierte. Man mußte daher
nach dem Besitze dieses Produkts immer wieder streben, sobald seine besonderen
Vorzüge erkannt waren, man konnte nicht ewig jenen Völkern im fernen Osten
tributpflichtig bleiben, auf die man sonst, schon da sie nur Heiden waren, mit
Beginn der Versuche. 5
tiefer Verachtung herabblickte, ja, die nach allem, was man von ihnen hörte, nur
zu leicht den Charakter des Komischen annahmen. Der Stolz des alten Kultur-
landes Europa bäumte sich auf gegen diese Abhängigkeit von einem Volke, das
man damals ebensosehr als Barbaren ansah, wie freilich diese wieder ihrerseits die
Europäer. Die Erfindung aber mußte für um so leichter gelten, da ein so ein-
geschätztes Volk ihr erster Urheber gewesen war.
Der Trieb zur Nacherfindung erwachte daher in. der Tat, sobald die europäi-
sche Keramik so weit entwickelt war, daß sie die Kraft zu solchen Leistungen in
sich fühlte. Diese Möglichkeit stellte sich zuerst in der ersten Blütezeit der euro-
päischen Keramik ein, in der Zeit der italienischen Renaissance, da Italien durch
die Vermittlung Spaniens die glänzende Technik und Farbenwirkung der Fayence
des westlichen Asiens kennen lernte, die hier als ein letztes Erbteil der Keramik
der alten babylonisch- assyrischen Zeiten sich erhalten zu haben schien. Da er-
wachte in Italien die keramische Schaffenslust an allen Orten, die Nachahmung
begann und führte in kurzer Zeit zu jener großartigen Ausbildung der Majolika,
durch die die europäische Keramik zum erstenmal wieder seit den Tagen des
Altertums zu dem Niveau einer wirklichen Kunst sich emporschwang, zu einer
reinen Farbenkunst, der kaum ein anderer Zweig der Kunst damals etwas Gleiches
zur Seite zu stellen hatte. In diese Zeit fallen die ersten uns bekannten Versuche
der Nachahmung des chinesischen Porzellans. Es lag jetzt nahe genug, nach-
dem die Nach- und Weiterbildung des einen keramischen Produktes des Orients
so glänzend gelungen war, nun auch die jenes anderen noch weit exotischeren
zu versuchen, das durch seine vielen inneren und äußeren Vorzüge als ein
noch viel begehrenswerteres Objekt sich darstellte. Zumal gerade damals
das chinesische Porzellan unter den Kaisern der Mingdynastie, Ghing-hoa und
Siouen-tih, seine erste große Blütezeit erlebt hatte, mithin sich den Augen der
Europäer in ganz besonders reizvoller Form darbot, wie es auch gerade damals
anfing, in immer größeren Mengen von Kairo aus, das damals für dasselbe der
Hauptstapelplatz gewesen zu sein scheint, nach Europa zu gelangen*).
Freilich, die Schwierigkeiten seiner Nacherfindung waren damals noch ganz
besonders groß. Der Weg des Experiments war bei dem damaligen kindlichen
Zustande der Naturwissenschaften noch wenig ausgebildet, der Weg nach China
bisher nur von wenigen beschritten, und was diese wenigen über das Geheimnis
des Porzellans nach Europa brachten, war eher geeignet, die Methode der Nach-
erfindung zu verwirren, als ins rechte Gleis zu bringen. Das Mittelalter sowie auch
die ganze folgende Zeit hat allem Anscheine nach über die Herstellung des
Porzellans nicht mehr gewußt, als was Marco Polo nach seinen weiten Reisen
bis in das östlichste Asien davon zu berichten vermocht hat, ja, seine verhältnis-
mäßig klaren Angaben sind später durch weitere Berichte eher verdunkelt als
aufgehellt worden. Darnach sollte das Porzellan in China in der Stadt Tingui
hergestellt werden, aus einer gewissen Erde, die man wie Erze aus Minen ge-
wänne, zu großen Haufen auftürme, die hierauf 30 bie 40 Jahren dem Winde,
ß Die ersten Erflndungsversuche.
dem Regen und der Sonne ausgesetzt würde und dann erst zur Bearbeitung
käme. Später jedoch ^) und gerade am Anfange des 16. Jahrhunderts glaubte
man gar, daß das Porzellan aus Seemuscheln und Eierschalen bestände, die man
80 bis 100 Jahre lang vorher unter der Erde vergraben halten müsse. Es lag
hier sicher eine Verwechslung ^) mit gewissen, heute noch Porzellanmuscheln ge-
nannten Conchylien vor, deren man sich, wie gleichfalls schon Marco Polo ') be-
richtet hatte, in diesen Gegenden als Geld wie auch als Schmuck zu bedienen
pflegte. Man nahm dabei wohl ohne weiteres an, daß weil diese Muscheln ebenso
benannt würden wie dieses keramische Produkt, so enthielten sie auch den
gleichen Grundstoff.
Weiter in der theoretischen Erkenntnis des Porzellans scheint man aber dann
für lange Zeit noch nicht gekommen zu sein. Noch im 17. Jahrhundert finden sich
vielfach die alten Fabeln von den Muscheln und ihrem langjährigen Vergraben in die
Erde wieder, so z. B. in der 1649 herausgegebenen zweiten Ausgabe der damals
so berühmten Archontologia Cosmica Gotofredi ; doch fügt der Verfasser dort freilich
gleich hinzu, daß diese Ansicht von vielen nicht mehr geteilt würde; auch be-
merkt er an anderer Stelle^) sehr richtig, daß das Porzellan, obwohl durchsichtig,
doch kein glasartiges Produkt wäre. Doch wollten selbst dann noch immer nicht
die alten Fabeln aussterben, obwohl inzwischen — wahrscheinlich durch Nienhoff^),
der eine ,,Sienesische Historia" schrieb — die Ansicht von einer ganz bestimmten
Porzellanerde, die nur in China vorhanden wäre, auftauchte, die freilich, da sie
die Porzellanerfindung nun ganz von dem Besitz dieser Erde abhängig machte,
nicht gerade sehr ermutigend für eine solche gewirkt haben kann.
Dennoch, trotz aller dieser Schwierigkeiten, ging man schon um die Wende
des 16. Jahrhunderts getrost ans Werk und kam auch, wie es damals schien, recht
bald zu dem gewünschten Erfolg. Es ist charakteristisch, daß gerade Venedig es
war^°), in dem derartige Versuche, so weit wir wissen, zum erstenmal gemacht
wurden, Venedig, die größte Welthandelstadt dieser Zeit, schon durch seine Lage
am Ostgestade des Adriatischen Meeres stark nach dem Osten weisend und darum
in unmittelbarster Fühlung mit dem Orient, zugleich die Stätte der aller Wahr-
scheinlichkeit nach noch aus den Römerzeiten stammenden Glasfabrikation, jener
Technik, die immer als eine der keramischen verwandte gegolten hat und bald
genug auch mit der des Porzellans in nur allzu nahe Beziehung treten sollte. So
ist es durchaus nicht erstaunlich, daß hier bereits im Jahre 1470 von Porzellan-
versuchen die Rede ist, daß hier eine Schale und eine Vase gerühmt werden, die,
von einem gewissen Maestro Antuonio, einem Alchimisten, aus einer Erde, die
ihm aus Bologna zugeschickt war, hergestellt, als etwas ganz Wunderbares, ja,
bereits den Produkten des Orients Überlegenes bezeichnet wurden und damals
in Venedig allgemeine Sensation, namentlich bei den Töpfern und Alchimisten
der Stadt, erregten.
Es muß sich hier in der Tat schon um ein recht hervorragendes Erzeugnis
gehandelt haben, das wohl das Aufsehen, das es in Venedig erregte, verdient haben
Italien. 7
mag. Es wird als sehr delikat, durchsichtig glasiert und bemalt geschildert^^).
Ob es sich aber bei diesem Stück wirklich schon um ein Stück Hartporzellan
gehandelt hat ? Wir vermögen es heute nicht mehr zusagen, da weiteres über
dies ,, Porzellan" nicht mehr gemeldet wird, man später auch nie das Geringste
wieder von diesem, wie überhaupt von einer weiteren Ausnutzung dieser Erfindung
vernimmt. Man müßte daher annehmen, daß der Erfinder eher ins Grab gestiegen
sei, bevor er das Geheimnis seiner Erfindung einem anderen, der es hätte weiter
ausnutzen können, anvertraut hätte. Jedoch, wahrscheinlich ist es nicht, daß
das schwierige Problem des Porzellans, das noch Jahrhunderte lang so viele Mühen
kostete, so viele Hoffnungen enttäuschen sollte, hier gleich bei dem ersten Versuch,
den wir kennen, schon gelöst wäre, viel wahrscheinlicher daß hier — dafür
spricht auch die ganze Weiterentwicklung der Porzellanversuche dieser Zeit —
bereits eine jener großen Selbsttäuschungen hinsichtlich des wirklichen Resultats
der Erfindungsversuche vorlag, die von nun an die Geschichte der Erfindung
des Porzellans bis zu ihrem Ende unablässig begleitet haben.
Denn, um es gleich zu sagen, was wir wirklich Positives über die Porzellan-
erfindungen dieser ganzen Zeit der italienischen Majolika wissen, was noch heute
als greifbares Resultat derselben vor unseren Augen daliegt, das beweist uns so
klar wie möglich, daß man damals auch nicht im entferntesten ahnte, auf welchem
Wege man das Porzellan wirklich hätte erfinden können. Die Zwitterstellung
des Porzellans zwischen Glas und keramischem Produkt hatte schon ihre verhäng-
nisvolle Wirkung begonnen. Indem man, wie es nur zu natürlich war, zunächst
von seinen äußeren Vorzügen ausging, d. h. vor allem von seinem Glänze und seiner
Durchscheinbarkeit, dagegen seine inneren, in Anbetracht seiner damaligen Selten-
heit und Kostbarkeit und seines infolgedessen noch nicht häufigen Gebrauchs
vielleicht noch gar nicht kannte, so geriet man von den beiden Wegen, auf die
des Porzellan seine Nacherfinder, wie eben gezeigt, zu locken schien, auf jenen,
der der verkehrte war, auf jenen, der statt den Suchenden der Erfindung
näher zu bringen, ihn nur immer weiter von ihr fortführte : man hielt das Porzellan
für eine Art Glas, geriet damit in die Glasfabrikation hinein und stellte, indem
man alle möglichen Stoffe zusammenmischte, eine glasartige Masse her, ein
schlechtes, nicht ganz ausgebranntes, nur durchscheinendes Glas, ein Frittenpor-
zellan, wie die Technik sagt, und gewann damit ein richtiges Rastardkind der
Keramik, das man dann um der äußeren Wirkung willen trotz aller seiner Wider-
spenstigkeit, durch die es nur zu sehr an die Unechtheit seines Ursprunges gemahnte,
in die ihm völlig fremde Technik der Keramik zu zwängen suchte. Es war ein
richtiger Holzweg, auf den man geraten war, der nimmer zum Ziele führen konnte,
darum aber um so verderblicher ward, da stets ein gewisser Scheinerfolg die völlige
Umkehr und das entschlossene Retreten des anderen Weges verhinderte.
Indessen hört man in Italien jahrzehntelang nach dieser ersten merkwürdigen
Erfindung ^2) nichts wieder von neuen Versuchen nach dieser Richtung hin. Erst
mit dem folgenden Jahrhundert setzt hier allem Anschein nach ein regeres Treiben
8 Die ersten Erfindungsversuche.
ein. Der Seeweg nach Ostindien war inzwischen entdeckt, direkte Handelsbeziehungen
mit dem äußersten Orient angeknüpft worden. Da kamen die schimmernden
keramischen Produkte Chinas schon in größeren Mengen nach Europa, vor allem
wohl in jener Form, in welcher sie damals für Persien, für das sie schon immer einen
wichtigen Importartikel dargestellt hatten, bestimmt waren ^^). Das reizte die
Lust zur Nachbildung nur noch stärker an. Bald hörte man in Italien in diesem
Zeitalter der Entdeckungen, das bald auch ein Zeitalter der Erfindungen ward,
von neuen Porzellanerfindungsversuchen. Schon im Jahre 1518^*) rühmte sich
wieder jemand in Venedig, diesmal ein Spiegielfabrikant, der merkwürdiger Weise
den deutschen Namen Leonardo Peutinger führte, chinesisches Porzellan sogar
„von jeglicher Art" machen zu können, kurz darauf wird auch in Venedig von tat-
sächlich hergestellten, wenn auch scheinbar noch nicht ganz geglückten Porzellanen
berichtet^^), von denen sich freilich nicht nachweisen läßt, ob sie von diesem deut-
schen Spiegelfabrikanten hergestellt waren. Dann aber nimmt die Bewegung eine
breitere Form an. An den verschiedensten Stellen Italiens scheinen jetzt die Kera-
miker sich an dieses Problem gewagt zu haben, und gerade wie später im Zeitalter
der wirklichen Porzellanerfindung kommen jetzt auch die Fürsten hinzu und
nehmen sich als die Hauptvertreter von Glanz und Luxus gleichfalls der Erfindung
dieses Stoffes an, eben, weil sie ihnen, wenn sie gelang, die Entfaltung dieses Luxus
und Glanzes im reichsten Maße versprach. Die Beweggründe der Menschen
bleiben zu allen Zeiten dieselben.
An den Höfen der Fürsten finden daher ausschließlich alle Porzellanversuche
statt, von denen wir in der Folgezeit erfahren. Man hört nach der Mitte dieses
Jahrhunderts von solchen an den Höfen von Pesaro, des Herzogs von Savoyen^^)
zu Turin, spätestens in den sechziger Jahren auch an dem Alfonsos IL in Ferrara,
an welchem ein Majolikamaler, der gleichfalls wieder ein Alchimist war, Camillo
da Urbino, als ,, Erfinder des Porzellans" einen großen Ruhm genoß ja, merkwürdiger-
weise daneben auch als „neuer Wiederauffinder des Porzellans" bezeichnet wird ^''),
vielleicht weil er nur der Wiederentdecker eines jener vermeintlichen Porzellane
war, die vor ihm in Italien erfunden und mit der vollen Zuversicht der Unwissenheit
bereits für das wirklich echte Porzellan gehalten worden waren. Alle diese Versuche
jedoch wurden völlig durch jene Erfindung in den Hintergrund gedrängt, die bald
darauf am Hofe des Großherzogs Franz I. von Toskana ^^) gelangt und die sicherlich
von allen Porzellanerfindungen, die um diese Zeit gemacht worden sind, als die
gediegenste und brauchbarste zu gelten hat. Dieser Fürst, diesmal selber ein Alchi-
mist, der immer ein ganz besonderes Interesse an allen technischen Künsten gefunden
hatte und deshalb gar vielerlei technische und kunsttechnische Arbeiten an seinem
Hofe unternehmen ließ, wollte allem Anscheine nach den Ruhm einer eigenen Por-
zellanerfindung haben. Zu diesen Zwecken wurden verschiedene Künstler und Kera-
miker herbeigezogen^^) und ihnen für ihre Arbeiten jener Garten seines Casino von
S. Marco überwiesen, den einst sein großer Vorfahre Lorenzo zu jener Schule der
Malerei und Bildhauerei gemacht hatte, in denen alle die großen Künstler der
Florenz. 9
Renaissance ihre stärksten Anregungen empfangen hatten. Hier war es, wo endlich
nach langjährigen Versuchen und unzähligen vergeblichen Proben angeblich mit
Hilfe eines Griechen, der in Indien gereist war, wiederum die Herstellung einer
Masse gelang, die sich wie Porzellan ausnahm und auch zu brauchbaren Gegen-
ständen verarbeiten ließ. Von diesem Porzellane haben sich allein von allen den
verwandten Erzeugnissen dieser Zeit sowohl die Rezepte 2°), als auch die Erzeug-
nisse selber erhalten, als beredteste Zeugnisse jener allgemeinen Selbsttäuschung
dieser ganzen Zeit, die sich so oft so nahe am Ziel ihrer Sehnsucht zu sein wähnte
und doch so weit wie nur irgendmöglich davon entfernt war. Darnach stellt sich
dieses Porzellan durchaus als eines jener oben bezeichneten Frittenporzellane dar,
als ein Gemisch einer Glasmasse mit Ton und sonstigen Erden, unter denen sich
vielleicht durch einen merkwürdigen Zufall auch schon der wichtigste Bestandteil
des Porzellans, das Kaolin 2^) befand, freilich ohne daß man damals seine wirkliche
Bedeutung für das Porzellan auch nur im entferntesten geahnt hätte. Äußerlich
glich das auf diese Weise gewonnene Produkt durchaus dem Porzellan: es war
weiß, durchscheinend und bedurfte, um Glanz zu zeigen, durchaus einer Glasur,
die freilich, da sie nur eine Bleiglasur war, gleichfalls mit der des wirklichen Por-
zellans noch nicht das geringste zu tun hatte. Doch wurde diese Masse nicht
wie Glas geblasen, sondern ganz nach Töpferart aufgedreht und im Ofen gebrannt
und ließ auch unter der Glasur Malerei in jener in der ganzen Keramik eine so
große Rolle spielenden, aus Kobalterzen gewonnenen blauen Farbe zu, wie sie
damals auch das chinesische Porzellan, das nach Europa kam, fast ausnahmslos
zu zeigen pflegte. Innerlich jedoch fehlten diesem Produkte alle besseren Eigen-
schaften des Porzellans, namentlich seine Widerstandsfähigkeit gegen alle mög-
lichen äußeren Einwirkungen. Diese Schwäche des eigenen Produktes wird man
damals am ehesten an seiner Glasur erkannt haben, die sich an den erhaltenen
Stücken meist mit argen Schrammen und Kratzern übersät zeigt. Durch sie wird
man am frühesten empfunden haben, daß dies neu erfundene Produkt und das
chinesische Porzellan vielleicht doch nicht so ganz dasselbe waren, durch sie wird
der feste Glaube an die vermeintliche Nacherfindung des echten Porzellans wohl
seinen ersten Stoß erlitten haben.
Dennoch gelang es, aus dieser Masse eine ganze Reihe von Gegenständen,
Teller, Schalen wie Flaschen, herzustellen, vielfach in einer Größe, die man für
gewöhnlich bei Porzellan nicht zu sehen gewohnt ist. Man war damals am Hofe
des Großherzogs sichtbar sehr stolz auf die neue Erfindung. Der Großherzog ver-
schenkte seine Erzeugnisse an alle möglichen Fürsten. Auch scheint man schon
Bestellungen haben machen zu können. Nicht wenige Stücke 2^) haben sich auch
bis in unsere Zeit erhalten, als Beweis, daß die neue Erfindung damals auch wirk-
lich in größerem Maßstabe praktisch auszunutzen versucht ward. Dennoch war
sie allem Anscheine nach nicht brauchbar genug, um dauernden Bestand zu haben.
Allerdings scheinen sich auch noch die beiden nächsten Nachfolger des Groß-
herzogs Franz für dieses Produkt und seine Herstellung interessiert zu haben,
10 Die ersten Erfindungsversuche.
und seine Fabrikation ist daher, nachdem inzwischen die Fabrik von Florenz nach
Pisa verlegt worden war, nachweisbar mindestens bis zum Jahre 1620 fortgesetzt
worden. Aber dann erfährt man von diesen Erzeugnissen nicht das Geringste
mehr, es haben sich auch keine erhalten, die nachweisbar aus dieser spätesten
Zeit stammen^^), und so wird es schließlich diesem unzweifelhaft besten und brauch-
barsten Erzeugnisse der ganzen damaligen Porzellanerfmdungsversuche genau so
ergangen sein wie allen den anderen dieser Zeit : es wird an seiner eigenen Un-
vollkommenheit zugrunde gegangen sein und keine weitere Fortpflanzung oder
Verbreitung mehr gefunden haben.
Damit aber scheinen, nachdem inzwischen auch die Blütezeit der italienischen
Majolika ihrem Ende entgegen gegangen war, fürs erste in Italien so ziemlich alle
Versuche, das Porzellan nachzuerfmden, beendet gewesen zu sein. Nur an einer
Stelle, vielleicht wieder in Venedig oder in jenem Castelli, in dem die große Zeit
der Majolika im 17. und 18. Jahrhundert noch eine kleine Nachblüte erlebte,
müssen damals noch derartige Versuche unternommen worden sein. Wenigstens
hat sich aus dieser Zeit ein tadellos ausgeführtes, auch künstlerisch sehr reizvolles
Produkt erhalten, das sich durchaus äußerlich wie ein Stück Porzellan gibt,
dennoch aber noch mehr aus der Glasfabrikation heraus entstanden zu sein
scheint, als alle vorhererwähnten Porzellane 2''). Damit ist aber diese Entwicklung
hier in Italien wirklich an ihrem Ende^^), damit der letzte Versuch dieser Zeit
und dieses Volks geschehen, das chinesische Porzellan nachzuerfmden. Von nun
an tritt Italien von diesem Schauplatze ab, um ihn erst wieder nach der an anderer
Stelle wirklich erfolgten Erfindung wieder zu betreten.
Einen wirklich neuen Aufschwung jedoch konnte das Streben nach der Er-
findung des Porzellans erst wieder erleben, sobald auch die europäische Keramik
wieder einen solchen nahm. Dieser Aufschwung war das Wiederaufblühen der
italienischen Majolika als Fayence, namentlich in den westlichen Ländern Europas,
vor allem in Frankreich und Holland, als eine Folge ihres bedeutenden wirtschaft-
lichen Aufschwungs, der hier alle Künste und Gewerbe in gleicher Weise hob und
zugleich ein allgemeines Wohlleben herbeiführte. Stärker als je mußte da dieser
Nachahmungstrieb hier erwachen, zumal inzwischen infolge der immer regeren
Handelsverbindungen mit dem fernen Osten seine Produkte nur immer reichlicher
nach dem darnach so begehrlichen Europa strömten. In großen Mengen ward jetzt
auf den Schiffen der Portugiesen, Holländer, Franzosen und Engländer das chinesi-
sche Porzellan nach Europa gebracht. Bald ward es hier der unentbehrliche Gegen-
stand des Luxus, wie des Gebrauches. Die fürstliche Tafel begann sich mit seiner
Sauberkeit zu schmücken, die Prunkgemächer sich ihres Glanzes und ihrer Farben-
pracht zu bedienen, ja, es ward immer mehr Modeartikel der Zeit, der sich in die
Gewohnheiten der Menschen wie etwas Unentbehrliches einnistete und auch als
solches nun verblieb, namentlich seitdem von der Mitte des 17. Jahrhunderts
ab auch die orientalische Sitte des Tee- und KafTeetrinkens sich einbürgerte, über-
all Kaffeehäuser gegründet wurden, in denen man sich zur Unterhaltung und zu
Erneute Versuche, Frankreich. 11
ernsteren Gesprächen zusammenfand, und diese Sitte sich erstaunhch schnell über
die weitesten Kreise verbreitete 2*). Teetöpfe, Kaffeekannen und Tassen aus Por-
zellan, die so lange ihren Inhalt warm hielten und doch dank der besonderen Eigen-
schaften dieses Stoffes völlig anfaßbar blieben, waren jetzt Gebrauchsartikel,
ohne die man in Europa nicht mehr auszukommen vermochte, deren man täglich
mehr bedurfte, und es war daher die höchste Zeit, wollte man nicht ewig den
schlitzäugigen Chinesen tributpflichtig bleiben, daß die Nacherfmdung dieses
Stoffes nun auch in Europa von neuem versucht ward.
Die erste Folge dieses starken Eindringens des chinesischen Produktes war
freilich der allgemeine, stets sich nur noch steigernde Aufschwung der Fayence,
die in dieser Zeit bald den Charakter des Ersatzes, des Surrogates des chinesischen
Porzellans annimmt, den sie dann nicht wieder verlor. Man begnügte sich zunächst
aus Mangel an weiterem Können mit dem Nachahmen seiner äußeren Erscheinung
und suchte das auf diese Weise gewonnene Produkt, dessen innere Vorzüge recht
gering waren, wenigstens äußerlich so* schön und glänzend als möglich zu gestalten
und ihm auch ganz dreist den Namen ,, Porzellan" zu geben, den es dann vielfach
und dauernd behielt, daß bald genug hinsichtlich der keramischen Produkte dieser
Zeit eine allgemeine Begriffsverwirrung eintrat, deren Folgen sich bis in unsere
Zeit erstreckt haben. Bald jedoch gab man sich nicht mehr mit diesen Erfolgen
zufrieden, und nun ist es wiederum kein Zufall, daß gerade das Land, das damals
als das keramisch am weitesten vorgeschrittene gelten konnte — die Hauptblüte-
zeit der Delfter Fayence in Holland war damals noch nicht gekommen — , Frank-
reich auch jetzt wieder die ersten Versuche, das Porzellan nachzuerfinden, wenig-
stens so weit wir es wiederum heute noch wissen, unternimmt; denn nur, wer die
bis dahin höchste Stufe der Keramik erreicht hat, wird den Trieb in sich spüren,
sich auch auf die nächst höhere emporzuschwingen. Hinzu kam für Frankreich,
daß hier im Zeitalter Ludwigs XIV. durch seinen großen Minister Colbert der
Merkantilismus erfunden war, jenes ökonomische System, nach dem jedes Land
zur Vermehrung seines Reichtums durch eigene Produktion sich möglichst von
der des Auslandes unabhängig machen sollte. Dadurch erwachte hier ganz all-
gemein der Industrialismus, wie ihn noch kaum irgendeine Zeit vorher gesehen
hatte. Staatsmanufakturen wurden gegründet, private folgten, vielfach durch
königliche Privilegien gestützt. Da war auch ein günstiger Boden für neue, weit-
ausschauende, wenn auch wohl schwierige und hinsichtlich ihres Ausganges recht
unsichere Bestrebungen gegeben. Die Versuche zur Porzellanerfmdung ließen
daher auch nicht lange mehr auf sich warten.
Schon im Jahre 1664 hören wir daher zum erstenmal wieder von solchen,
die natürlich, wie immer, wiederum als völlig gelungene ausgegeben wurden. Ein
Pariser 2') Töpfer, Claude Reverend mit Namen, der vorgab, im Auslande, be-
sonders in Holland, seine Kunst vervollkommnet zu haben, gab damals vor, sowohl
Fayence machen, wie auch Porzellan nachmachen zu können und bereits schöner
als das ostasiatische Porzellan. Er bat gleichzeitig um ein königliches Privileg,
12 Die ersten Erfmdungs versuche.
damit er seine neue Erfindung fabrikmäßig ausnutzen könne. Unzweifelhaft kann
es sich hier, wo Fayence und Porzellan deutlich zueinander in den Gegensatz ge-
stellt werden, nur um ein Produkt gehandelt haben, das gegenüber der Fayence
schon einen gewissen Fortschritt bedeutet hat. Auch behauptete der Antragsteller,
daß in Holland bereits eine große Menge der von ihm hergestellten Fabrikate vor-
handen sei, um deren Einfuhrgewährung er bei dieser Gelegenheit gleichfalls nach-
suchte. Doch hört man dann, gerade wie bei den ersten Anfängen der Porzellan-
erfindung in Venedig im 15. Jahrhundert nicht das Geringste wieder von dieser
angeblichen Erfindung; auch Erzeugnisse derselben haben sich nicht gefunden,
und so ist diese Erfindung, falls damals wirklich eine derartige gemacht worden
ist, für die Weiterentwicklung dieser Bestrebungen durchaus bedeutungslos ge-
blieben und wird wohl auch kein anderes Schicksal verdient haben.
Erst etwa zehn Jahre später, im Jahre 1673, erfahren wir in Frankreich von
neuen Versuchen. Ein Töpfer in Ronen ^s)^, der wiederum angab, im Auslande
gewesen zu sein und dort sein Können bereichert zu haben, Louis Poterat, der
Sohn des berühmten Rouener Töpfers Edmonde Poterat, der eine jener damals
so hochberühmten Fayencefabriken in dieser Stadt leitete, behauptete von neuem,
das Geheimnis des wirklichen Porzellans gefunden zu haben, indem er gleichfalls
mittels eines königlichen Privilegs eine Porzellanfabrik zu errichten wünschte,
freilich wiederum in Verbindung mit einer Fabrik zur Herstellung ,, holländischer
Fayencen", da er, wie er angab, zum Brennen des Porzellans Fayenceöfen be-
dürfe. Doch diese Erfindung verschwindet nicht wieder so schnell wie die des
Pariser Töpfers. Noch etwa zwanzig Jahre später, spätestens im Jahre 1694, ist
von diesen Porzellanversuchen die Rede, aber es scheint sich auch damals immer
noch mehr um Versuche, als um eine wirkliche Fabrikation gehandelt zu haben.
Louis Poterat scheint, seinen eigenen Angaben nach zu urteilen, so töricht eifer-
süchtig auf seine Erfindung gewesen zu sein,^daß er nicht einmal seinen eigenen
Bruder, der inzwischen nach dem Tode des Vaters dessen Fayencefabrik über-
nommen hatte, an der Ausnutzung seines Geheimnisses teilnehmen lassen wollte,
ja, sogar jedes Stück Porzellan, das gemacht wurde, selber fabrizierte, damit auch
keiner seiner Arbeiter hinter das Geheimnis käme. Als er daher kurz darauf starb,
nahm er dasselbe mit sich ins Grab, und damit ist auch diese Erfindung allem An-
scheine nach für die Weiterentwicklung der französischen Porzellanerfindungs-
versuche völlig bedeutungslos geworden.
Doch hat auch das Verschwinden dieser ^^rfindung für die wirkliche Porzellan-
erfindung nicht den geringsten Verlust bedeutet. Beweist schon die von dem
Erfinder selber berichtete Tatsache, daß er seine „Porzellane" in Fayenceöfen zu
brennen pflegte, da diese niemals zum Garbrennen des echten Porzellans aus-
reichen können, zur Genüge, daß mit diesem Produkt das echte Porzellan in keiner
Weise erfunden war, so bestätigen es im vollsten Maße die Erzeugnisse selber,
die, wie es scheint, mit vollem Rechte dem Louis Poterat heute zugeschrieben
werden, daß man hier in Frankreich der Erfindung des wirklichen Porzellans
Frankreich. 13
noch um keinen Schritt näher gekommen war, daß man sich vielmehr noch auf
genau derselben Stufe befand, wie zu den Zeiten der italienischen Porzellan-
erfmdungsversuche. Mit anderen Worten: auch hier hatte man, zu eihg allein
die äußerliche Erscheinung des nachzuerfmdenden Produktes berücksichtigend,
von jenen beiden Wegen, die zur Erfindung des Porzellans zu führen schienen,
denjenigen eingeschlagen, der am verlockendsten schien; man war in dieselbe
Sackgasse wie damals geraten, hatte wiederum ein Frittenporzellan gewonnen,
das sich zwar töpfermäßig bearbeiten ließ, mit dem wirklichen Porzellan aber
gleichfalls nicht das geringste zu tun hatte. Und auch diesmal ward wieder dieser
Irrtum, da die Zeit keramisch noch immer nicht reif genug war^^), ihn einzusehen,
vielmehr an ihre Erfindung gleichfalls wieder mit felsenfester Sicherheit glaubte,
für die ganze Weiterentwicklung der Bestrebungen in Frankreich von den aller-
verderblichsten Folgen: auch alle diese Bestrebungen sind nun kein erneutes Suchen
mehr nach dem Geheimnis des noch immer nicht wirklich entdeckten Porzellans
gewesen, galten vielmehr einzig und allein der Verbesserung und weiteren Aus-
nutzung dieser jetzt erfundenen oder wenigstens ganz verwandten Masse, ja, dieser
Irrtum war von so nachhaltiger Kraft, daß selbst, als das echte Porzellan schließ-
lich an anderer Stelle erfunden ward und hier bereits ganz allgemein schon aus-
genutzt wurde, in Frankreich man noch immer mit seinem Pseudoporzellane so
zufrieden war, daß die Einführung des echten sich ganz erstaunlich lange verzö-
gerte. Und so ist es gekommen, daß das berühmte Porzellan Frankreichs des
18. Jahrhunderts, das heute noch seinen ganzen künstlerischen Stolz ausmacht,
niemals wirklich echtes Porzellan gewesen ist ^'^), daß es niemals dessen innere
Vorzüge besessen hat, dafür aber freilich seine äußeren so stark zu erhöhen ge-
wußt hat, daß ihm sein großer Ruhm in künstlerischer Hinsicht in keiner Weise
genommen werden kann.
Zum erstenmal fabrikmäßig ausgenutzt ward eine derartige Masse in einer
Fayencefabrik zu St. Cloud durch die Familie Chicanneaux^^). Sie beruhte aller
Wahrscheinlichkeit nach auf einer ganz eigenen neuen Erfindung, in diesem Falle
ein klarer Beweis, wie ganz allgemein man in Frankreich damals das Porzellan
auf demselben Wege zu gewinnen suchte, wie einst in Italien. Freilich geschah
diese fabrikmäßige Ausnutzung nicht vor dem Jahre 1702, in welchem Jahre diese
Familie ein königliches Dekret für diese Zwecke erhielt, obwohl die Erfindung
selber ganz beträchtlich früher von dem Stammvater, der zugleich wieder Be-
gründer einer Fayencefabrik war, gemacht sein muß ^^). Aber sie erfolgte dann in
einer solchen Vollendung, daß alles darüber in Erstaunen geriet und man sich
natürlich bereits wieder beeilte, die gewonnenen Erzeugnisse weit höher als ihre
chinesischen Vorbilder zu stellen. Und nun begann hier in Frankreich alsbald
jenes Gründungsfieber, daß sich später in Deutschland bald nach der Erfindung
des wirklichen Porzellans nur wiederholen sollte: unzählige Fabriken wurden im
Laufe dieses Jahrhunderts in Frankreich begründet, die nichts als dieses falsche
Porzellan herstellten, als nächste nach der Fabrik von St. Cloud im Jahre 1725
14 Die ersten Erfindungsversuche.
die von Chantilly, die bald eines noch größeren Ruhms genoß als jene, weiter die
von Lille, von Mennecy-Villeroy, dann aber im Jahre 1738 die von Vincennes, die
eigentliche Hauptmanufaktur dieser Zeit, die, später nach Sevres verlegt und zur
königlichen Manufaktur erhoben, bald alle ihre Nebenbuhlerinnen weit überflügelte
und in erster Linie diesem Surrogat des Porzellans infolge seiner meisterhaften
künstlerischen Ausnutzung jene hohe Bedeutung verschaffte, die seine praktische
Verwendbarkeit ihm niemals hätte zuteil werden lassen.
Il$ Doch auch in den übrigen Kulturländern Europas war inzwischen gleichfalls
infolge der allgemeinen keramischen Fortschritte die Sehnsucht nach dem Ge-
heimnis des echten Porzellans erwacht, freilich anscheinend nirgends mit solcher
Leidenschaftlichkeit wie in Frankreich. Letzteres mag am meisten erstaunlich
sein für Holland, das mit seiner vor allem jetzt in Delft fabrizierten, von ganz
Europa begehrten, damals unübertroffenen Fayence bereits einen Höhepunkt
erreicht hat, der wohl den keramischen Ehrgeiz hier zu höheren Zielen hätte an-
reizen können. Doch gerade die Konkurrenzlosigkeit dieses Erzeugnisses und die
damit sich einstellende Mühelosigkeit eines sicheren Gewinns dürfen wohl die
Ursachen gewesen sein, die hier bei diesem so ruhigen, phlegmatischen Volke den
satten Stillstand an die Stelle rastlosen Weiterstrebens treten ließen. Von ernsteren
Versuchen, das Porzellan zu erfinden, hört man daher hier kaum. Doch darf nicht
ganz vergessen werden, daß, als im Jahre 1664 der Pariser Töpfer Reverend, wie
oben erwähnt, um ein königliches Privileg zur Errichtung einer Porzellanfabrik
eingekommen war, er vorgegeben hatte, seine Kunst, Porzellan zu machen, bereits
in Holland ausgeübt zu haben^^). Dagegen hat man sich hier aufs allereifrigste
bemüht, ein anderes keramisches Produkt, das damals gleichfalls aus China mit
dem Porzellan nach Europa gelangte und ganz allgemein für Porzellan gehalten
wurde, nachzuerfmden, das bekannte, in der Regel rote Steinzeug, das später
noch einmal eine so große Rolle in der Entwicklung der wirklichen Nacherfmdung
des Porzellans spielen sollte, ohne indessen selbst bei dieser bedeutend leichteren
Aufgabe, und obwohl sich eine ganz beträchtliche Anzahl von Töpfern sich ihr
widmeten, zu irgendwie befriedigenden Resultaten zu gelangen. Die ausschließ-
lichen Fayencetöpfer waren allem Anscheine nach nicht gewohnt, mit jenen Hitze-
graden umzugehen, die ein festeres keramisches Produkt, wie es das Steinzeug
ist, zu seinem Garbrennen erfordert^^). Im übrigen aber hatten wohl auch des-
halb schon die Holländer am wenigsten Interesse daran, das chinesische Porzellan
nachzuahmen, da es vor allem damals ihre Kaufleute waren, die dieses Produkt
nach Europa brachten und damit ein gutes Stück Geld verdienten, das ihrem
ganzen Lande zugute kam. Und so schied für die Erfindung des Porzellans auch
dieses Land aus, von dem man sie damals dank seines keramischen Könnens wohl
am ehesten erwartet hätte.
Dafür scheinen in England desto ernsthaftere Versuche nach dieser Rich-
tung hin gemacht worden zu sein. In England, das bisher unter den Ländern
Europas so herzlich wenig in keramischer Beziehung bedeutet hatte, erstand plötz-
Holland und England. 15
lieh in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in John Dwight, der eigentlich
kein Töpfer von Beruf, vielmehr ein studierter Mann war, ein Keramiker, der für
die englische Töpferkunst dieses Jahrhunderts das gewesen ist, was für das folgende
der noch berühmtere Joshiah Wedgewood werden sollte. Eine ganze Reihe völlig
neuer keramischer Typen ward durch ihn geschaffen, dann ging er auch auf die
Nachbildung auswärtiger Fabrikate aus. In diesem Sinne glückte es ihm zunächst,
das rheinische Steinzeug in England, ,, Kölnerware" genannt, nachzuahmen.
Im Jahre 1671 aber rühmte er sich gar, eine Irdenware erfunden zu haben, wie
sie gemeiniglich unter dem Namen ,, Porzellan oder Chinesische oder Persische
Ware" bekannt wäre^^), ja es wird weiter einige Jahre später ausdrücklich von
diesem Produkt gerühmt, daß es weiß und durchsichtig und für das Auge
nicht unterscheidbar von Porzellan wäre, trotz der Proben, die ausdrücklich
zu diesem Zwecke angestellt worden wären. Sieben Jahre später ist dann
auch noch von Nachahmungen jenes roten chinesischen Steinzeugs die Rede,
an denen sich um dieselbe Zeit auch die Holländer versuchten. Auch an
die Nacherfmdung dieses Produktes hatte sich demnach der unermüdliche
Töpfer herangewagt.
Wir sind über die angebliche Porzellanerfindung Dwights heute leider ebenso
wenig genauer unterrichtet, wie über so viele andere der vorhergenannten. Von
Dwight haben sich in englischen Sammlungen eine ganze Reihe gut beglaubigter
Werke erhalten, die, alle von steinzeugartigem Charakter, an den ganz dünnen
Stellen 3^) sich durchscheinend zeigen, wie es viele Erzeugnisse Wedgewoods,
die aber alle nur Steinzeuge sind, in gleicher Weise tun. Desgleichen sind
im Jahre 1869 eine ganze Reihe Rezeptbücher dieses bedeutenden Töpfers auf-
gefunden worden, mittels deren Angaben jedoch nichts anderes als Steinzeug hat
hergestellt werden können^'), aus denen aber doch hervorging, daß er danach
strebte, seinen Erzeugnissen ,, Verglasung" zu geben. Auf keinen Fall jedoch war
er imstande, mit ihrer Hilfe wirkliches Porzellan zu gewinnen, und so wird wohl
auch Dwights ,, Porzellanerfindung", wie alle übrigen dieser und der vorangegan-
genen Zeit, mit der des wirklichen nichts zu tun gehabt haben und ist darum,
weil sie sich auf die Dauer nicht bewähren konnte, gleich jenen bald wieder in Ver-
gessenheit geraten.
Dagegen hat noch von einer anderen in diese Zeit fallenden, in England ge-
machten ,, Porzellanerfindung" sich eine flüchtige Kunde erhalten. Prinz Ruprecht
von der Pfalz, der streitbare Sohn des unglücklichen Winterkönigs, der sich daneben
auch eifrig für die Naturwissenschaften, ganz besonders aber für Physik und
Chemie, interessierte, soll, als er in England sich aufhielt — aller Wahrscheinlichkeit
nach während der Restauration — sich einen Hafner, einen Töpfer, aus Ungarn
haben kommen lassen, ,,der dort eine Mixtur aus Erden" fand, welche so weiß wie
,,Kreyden war, die gebrannt, halb durchscheinend ist, wie der Ostindische Barcel-
lan", und sollen Erzeugnisse aus dieser Masse damals in London öffentlich ver-
kauft worden sein^^). Doch ist auch über diese angeblichen Porzellanerzeugnisse
16 Die ersten Erfindungsversuche.
nichts weiter bekannt geworden, und damit sind für uns auch die Porzellanver-
suche Englands dieser Zeit zu Ende, die auch hier wie überall nur Enttäuschungen
gebracht, die wirkliche Erfindung aber in keiner Weise angebahnt haben.
So aber blieb die Erfindung des Porzellans, die alle Länder damals so eifrig
erstrebten, nach der gar viele Hände sich damals streckten, fast allein nur noch einem
Lande überlassen, von dem man sie in dieser Zeit wohl am wenigsten erwartet
hat, einem Lande, das keramisch damals keineswegs an der Spitze marschierte,
ja in dieser Beziehung nicht einmal eine sehr hohe Stufe einnahm: Deutschland.
Dennoch begannen auch hier bald dieselben Bestrebungen wie bei den Nachbarvöl-
kern. Das Land der Denker und Grübler sollte in diesem Ringen um die Lösung
eines Problems, die doch wohl in erster Linie eine Aufgabe des Verstandes war, keines-
wegs zurückbleiben, und gerade hier sollten bezeichnenderweise nicht wie bisher fast
ausschließlich Keramiker, sondern Gelehrte, Männer der Forschung und des wissen-
schaftlichen Experiments, die Versuche in die Hand nehmen und in diesen Kreisen
die Erfindung schließlich auch wirklich gelingen. Denn hier zum erstenmal, wenig-
stens soweit wir es heute noch feststellen können, ward schließlich, da kein fachliches
Wissen und Können die Unbefangenheit des Blickes trübte, da man in jeder Be-
ziehung freier an dieses Problem herantrat, die Lösung desselben nicht mehr
auf den bisherigen Irrwegen aufgesucht, sondern auf dem Gebiet, auf dem allein
sie zu finden war, auf dem der reinen Keramik, und sie ward dann, sobald hier der
richtige Boden zu seiner Lösung erst einmal betreten, mit wirklich erstaunlicher
Schnelligkeit aufgefunden, fast als wäre sie nun an sich gar keine so schwierige mehr,
als ergebe sie nun sich wie ganz von selber.
Indessen Lehrgelder und Enttäuschungen sollten auch diesem Lande zunächst
nicht erspart bleiben. Auch hier kam man keineswegs sogleich zum erhofften Ziel.
Freilich die ersten Versuche nach dieser Richtung hin, von denen wir hören, sind noch
keine unmittelbaren Erfmdungs-, sondern nur Nachahmungsversuche gewesen. Der
berühmte Chemiker und Alchimist Joh. Kunckel, der Entdecker des Phosphors und Er-
finder der bekannten, nach ihm benannten Rubinglaseser, fand noch am Ende des
17. Jahrhunderts ein Porzellanglas, das auf verschiedene Arten, immer aber mit Blei
und Zinn als Hauptbestandteile^^) hergestellt sein soll. Ein anderer Chemiker und
Alchimist und Nationalökonom dazu, Becher mit Namen, ein unruhiger, aber höchst
bedeutender Geist, der an verschiedenen Stellen Deutschlands nach dem Beispiele
Frankreichs Manufakturen ins Leben zu rufen suchte, wußte gleichfalls ein Porzellan
imitierendes Glas aus „Bein- Aschen" zu gewinnen, das wie ein Opal spielte und
siedendes Wasser halten konnte^"). Derartige Gläser, vor allem aber Milchgläser,
wurden damals überhaupt vielfach und nicht allein in Deutschland als ein Ersatz für
Porzellan hergestellt. Die Fabrikation derselben blühte aus diesem Grunde gerade-
zu überall auf ^^).
Dann aber werden auch in Deutschland die Versuche kühner, und bald glaubt
man auch hier, wie in den andern Ländern am Ziel zu sein, obgleich man gleichfalls
von diesem noch soweit als irgend möglich entfernt war. Es sollte eben die Selbst-
Deutschland. 17
täuchung in dieser Hinsicht keinem Lande erspart bleiben, das sich an das Problem
der Porzellanerfindung herangetraute.
Es ist der sächsische Gelehrte und Edelmann Ehrenfried Walther von Tschirn-
hausen gewesen, der, soviel wir heute noch feststellen können, in Deutschland zum
erstenmal sich ernsthaft an diese Erfindung gemacht und dann auch fest geglaubt
hat, dieselbe wirklich vollzogen zu haben. Tschirnhausen war ein Gelehrter von
Weltruf, ein ebenso berühmter Mathematiker wie Physiker, der mit den berühm-
testen Gelehrten seiner Zeit im Briefwechsel stand und seine Wissenschaften um
manchen nützlichen Beitrag bereichert hat. Er war aber auch zugleich ein Mann
der Praxis, als solcher einer der Ersten in Deutschland, der nach dem Muster des
Merkantilsystems seinem engeren Vaterlande Sachsen mit Unterstützung seines
damaligen Kurfürsten, des späteren Königs August des Starken, eine eigene große
Industrie verschaffen wollte, die sich zugleich möglichst auf die eigenen Boden-
schätze stützen sollte. Zu diesem Zweck durchforschte er zunächst aufs allergründ-
lichste Sachsen in mineralogischer Beziehung, durchsuchte dieses Land nach edleren
Gesteinen, für deren Veredelung er eine Schleif- und Poliermühle anlegen ließ. In
gleichem Sinne errichtete er, um Sachsen eine eigene Glasindustrie zu verschaffen
und es dadurch namentlich von seinen Nachbarländern Schlesien und Böhmen
und ihrer reich entwickelten Glasindustrie unabhängig zu machen, mehrere Glas-
hütten, in denen gewöhnliches Glas, wie auch die damals so beliebten
geschliffenen und geschnittenen Gläser hergestellt wurden. Auch mit der
Verbesserung des in Sachsen eine so große Rolle spielenden Brauwesens
sowie auch der hier gleichfalls so bedeutenden Blaufarbenwerke, in denen die
damals noch allein in Sachsen gefundenen Kobalterze zu jener jetzt wie auch
später namentlich in der Keramik eine so große Rolle spielenden blauen Farbe
verarbeitet wurden, machte er sich zu schaffen. So wagte er sich auch in gleichem
Sinne im Jahre 1699 an das kunsttechnische Hauptproblem dieser Zeit, das, wenn
gelöst, die größte Einnahmequelle für das Land, in dem dies geschehen, zu werden
versprach^^).
Hauptmittel, dieses zu suchen, waren seine berühmten großen Brenngläser,
Spiegel wie Linsen, wie sie in dieser Größe bisher noch niemand herzustellen gewußt
hatte (Abb. No. 4 und 5). Wie er selber berichtet, hat er mit der von ihnen er-
zeugten Glut die mannigfachsten Stoffe geschmolzen und hierbei auch über ihr Ver-
halten hinsichtlich der Durchscheinbarkeit die verschiedensten Beobachtungen
gemacht. Auch Porzellan will er auf diese Weise geschmolzen haben^^). Endlich
glaubte er am Ziel zu sein und das Geheimnis des echten Porzellans entdeckt zu haben.
Als er im Jahre 1701 Paris — zum vierten Male — besuchte, teilte er seine Erfin-
dung seinem Freunde Homberg, einem berühmten Chemiker dieser Zeit, mit, doch
mußte ihm dieser geloben, bis zu seinem Tode nie jemandem etwas von seiner
Erfindung mitzuteilen, und nur soviel erfuhren später weitere Kreise, daß Tschirn-
hausen nicht mehr an die alten Fabeln hinsichtlich dieses Stoffes geglaubt, auch
nicht mehr an die besondere Porzellanmasse, die nur in China sich finden solle,
Zimmermann, Meißner Porzellan. 2
18 Die ersten Erfindungsversuche.
daß er vielmehr das Porzellan als ein Gemisch verschiedener Erden bezeichnet
hatte, die sich für gewöhnlich überall in der Natur fänden.
Tschirnhausen hat auch wirklich auf Grund dieser Theorie eine „Porzellan-
masse" und aus ihr kleinere, weiße, unglasierte Gefäße hergestellt, die er bei Töpfern
in Dresden und in den von ihm angelegten Glashütten brennen ließ. Auch scheint
er tatsächlich dem König von Polen, August dem Starken, den Vorschlag gemacht
zu haben, auf seine Erfindung hin eine ,, Porzellanmanufaktur" ins Leben zu rufen.
Doch dann hört man auch hier wieder gar nichts weiteres von dieser Erfindung und
ihrer geplanten Ausnutzung, und als einmal im Jahre 1703 Tschirnhausen über
seine bisherigen industriellen Bestrebungen und Unternehmungen dem König Bericht
abstatten muß, da weiß er über sein Porzellanunternehmen nicht das geringste zu
berichten, ja, man merkt deutlich, daß in dieser Angelegenheit damals noch gar nichts
getan ist, obwohl doch keine seiner andern Unternehmungen so wie dieses, wenn es
wirklich damals ausführbar gewesen wäre, seine ganzen Bemühungen verdient
hätte. Schließhch aber wird dann ausdrücklich berichtet, daß Tschirnhausen
weitere Versuche auf diesem Gebiete aufgegeben hätte, vermutlich weil er mit
der Glasur für seine Gefäße nicht zurecht gekommen wäre.
Wir sind heute nicht weiter über Tschirnhausens Porzellanversuche unter-
richtet. Aber schon allein die Tatsache, daß er, der Sachsen neue einträgliche
Industrien verschaffen wollte, seine angebliche Erfindung in keiner Weise aus-
genutzt hat, läßt zur Genüge vermuten, daß es ihm schwerlich besser ergangen
ist, als allen seinen Vorgängern und noch gar manchem seiner Nachfolger. Er,
der so viel sich mit der Glastechnik beschäftigt, der jene großen Brenngläser her-
gestellt und Glashütten errichtet hatte, der auch einen Teil seiner Porzellane in
diesen Glashütten hatte brennen lassen, er war sicherlich wiederum auch nur zur Her-
stellung eines Frittenporzellans gelangt, auf keinen Fall schon zur Gewinnung
des echten Porzellans, das sich niemals in den Öfen einfacher Töpfer, die es allein
damals in Dresden gab, oder denen von Glashütten hätte garbrennen lassen. Auch
sein angeblich neues Prinzip des Porzellans, das er Homberg so geheimnisvoll mit-
geteilt hatte, ist in keiner Weise für diese Zeit ein neues gewesen: mögen damals
auch noch so viel Fabeln über die Zusammensetzung des chinesischen Porzellans
oder über eine bestimmte Porzellanerde herumgeschwirrt und geglaubt worden
sein: die Praktiker, d. h. diejenigen, die bisher versucht hatten, das Porzellan
wirklich herzustellen, hatten sie alle nicht geglaubt, sie hatten schon alle ihr
Porzellan, wie sie es auch gar nicht anders hatten tun können, durch Zusammen-
mischen der verschiedensten Bestandteile gefunden, die sie dem eigenen Lande
entnahmen. Nicht darauf kam es daher damals bei der Feststellung des Prinzips
des echten Porzellans an, herauszubekommen, daß es aus verschiedenen Stoffen
bestände: wie sich diese verschiedenen Bestandteile im Feuer verhielten, nämlich
völlig entgegengesetzt, das mußte herausfinden, wer das Porzellan methodisch er-
finden wollte. Daß aber Tschirnhausen eine solche Feststellung gemacht hätte,
davon ist nicht das geringste bekannt**).
Tschirnhausen. 19
Und so kann nach allem, was hier gesagt ist, kein Zweifel mehr bestehen,
daß auch Tschirnhausen zu den vielen Getäuschten gehört hat, die die Geschichte
der Porzellanerfmdungsversuche gesehen hat, zu jenen, die lange, vielleicht ihr
ganzes Leben hindurch geglaubt haben, das Porzellan wirklich erfunden, ohne auch
nur jemals eine Ahnung gehabt zu haben, was Porzellan wirklich ist und wodurch
es sich von ihrem eigenen Produkt unterscheidet. Aber in einem Punkte haben
doch seine Versuche eine größere Bedeutung gewonnen, als alle, die ihnen voran-
gegangen waren : sie sind die alleinige Ursache gewesen, daß hier in Sachsen die
Versuche zur Porzellanerfindung bald darauf noch einmal wieder aufgenommen
und mit aller Energie durchgeführt worden sind, um endlich nach vielem Bemühen
nun wirklich zu jenem bedeutenden Ziele zu führen, das allen übrigen Versuchen
bisher vorgeschwebt hatte, nach dessen Erreichung aber zwei volle Jahrhunderte
vergeblich gestrebt hatten. Dadurch haben sie in der Geschichte der Erfindung
des Porzellans ihre ganz besondere Stellung gewonnen.
Abb. I. Joh. Friedr. Böttger.
Medaillon in Böttg-ersteinzeug-, wahrschein-
lich nach dessen Tode angefertigt.'*^] Gotha,
Herzogliches Museum.
IL Die Erfindung.
Im Jahre 1709 ist das europäische Porzellan
von Johann Friedrich Böttger ^^) in Dresden ent-
gültig erfunden worden.
Die Tradition will, daß diese Erfindung nur
ein Werk des Zufalls war: ein bloßes Ungefähr
in Form einer Handvoll Puder, die zufällig dem
Glücklichen in die Hände geriet und zufällig ge-
rade der Hauptbestandteil des Porzellans, das
Kaolin, war*^), soll ihn ohne große Mühe das haben
erreichen lassen, wonach andere mit heißem Be-
mühen durch Jahrhunderte hindurch vergebens
gestrebt hatten. Man raubt dadurch Böttger
eigentlich alles Verdienst: man macht aus einem
verdienstvollen Erfinder einen glücklichen Finder,
aus einem Genie einen Glückspilz. Die ganze Erfindung wird dadurch degradiert.
Zum Glück für Böttger wissen wir jetzt genau, daß diese Erfindung durchaus
eine Tat des Geistes gewesen ist, das Endresultat längerer, wissenschaftlich experi-
menteller Untersuchungen, die zwar zunächst zu ganz anderen Zwecken unter-
nommen, schließlich dennoch zu diesem Ziele führten, indem sie endlich jenes
keramische Prinzip aufdeckten, auf Grund dessen allein die Gewinnung des Por-
zellans zu ermöglichen war. Daß ihm hierbei gelegentlich auch einmal der Zufall
die Hand gereicht hat, ihm vielleicht die Erfindung dadurch erleichtert hat, daß
er ihm schließlich den wichtigsten Grundstoff des Porzellans in die Hand spielte,
braucht durchaus nicht ganz ausgeschlossen zu sein. Bei wie vielen Erfindungen
hat nicht in dieser Weise der Zufall seine Mitwirkung gehabt ? Das Besondere
des Genies aber ist es, den Wert dieses Zufalls und seine Bedeutung zu erkennen,
die Kraft in sich zu besitzen, seine Folgen bis in seine letzten Konsequenzen zu
überschauen und auszunutzen. Und dann darf weiter nicht vergessen werden,
daß die Erfindung des Porzellans durchaus nicht bloß die seiner Masse dar-
stellt, daß es vielmehr noch einer zweiten Erfindung bedurfte, der Auffindung
der Glasur, die kaum weniger schwierig war als jene erste, und daß dann der
Versuch der praktischen Ausnutzung dieser beiden Erfindungen, die eigent-
Böttger. 21
liehe Fabrikation des Porzellans, bei der Schwierigkeit einer solchen ein
solches Maß von geistiger Überlegenheit erforderte, daß nur eine wirklich ganz
bedeutende Persönlichkeit mit wirklich praktischer Begabung ihr gerecht werden
konnte.
Wie war diese Erfindung vor sich gegangen?
Johann Friedrich Böttger, der glückliche Erfinder, war im Jahre 1682 zu Schleiz
als Sohn des dortigen Münzkassierers geboren und hatte nach dessen frühem Tode
durch seinen Stiefvater, den königlich preußischen Stadtmajor, Ingenieur und
Konduktor Tiemann, mit dem seine Mutter sich wieder verheiratet hatte, eine
recht gute Erziehung genossen, hierbei namentlich Sprachen und Wissenschaften
erlernt. Früh jedoch zeigte der aufgeweckte, leidenschaftliche Knabe ganz be-
sondere Neigung zur Chemie. So beschloß man, ihn Medizin studieren zu lassen,
und schickte ihn zu diesem Zwecke nach Berlin, in die Lehre zum Apotheker Zorn.
Böttger war, als er im Jahre 1698 in diese Stadt kam, kaum sechzehn Jahre
alt, dazu lebhaften Geistes, voller Phantasie und Regsamkeit, vielleicht auch ein
wenig ehrgeizig und nach Reichtum und Wohlleben verlangend. Er hat zunächst
ernst und fleißig in der Apotheke gearbeitet, daneben gelesen, was immer ihm in
die Hände fiel. Aber die Umgebung, das Milieu, in dem er lebte, scheint bald für
ihn verhängnisvoll geworden zu sein. Mehr und mehr geriet er ab von dem Studium
der natürlichen Dinge und wandte sich dem Reich des Mystischen zu. Bald ging
er aus, den Stein der Weisen zu suchen, der seinem Entdecker fast mühelos uner-
meßliche Schätze in den Schoß zu schütten versprach. Scheint er doch zu der-
artigen Neigungen gleichsam erblich belastet gewesen zu sein, da schon sein Vater,
der Münzwardein, ähnlichen Bestrebungen gehuldigt haben soll*^).
Die Alchimie war damals trotz aller mystischen Umkleidungen und aller
unserer heutigen Vorurteile ihr gegenüber, im Grunde genommen, doch eine durch-
aus ernste Sache, genau so ernst, wie eine jede andere Wissenschaft, da sie auf
einer ganz bestimmten und damals allgemein geglaubten Überzeugung beruhte.
Seit den ältesten Zeiten herrschte bei allen ihren Vertretern der feste Glaube, daß
alle Metalle zusammengesetzte Stoffe wären, d. h. aus zwei Grundstoffen beständen,
dem damals Merkur genannten Quecksilber und dem Schwefel ^^), die ursprüng-
lich diese Stoffe selber bedeutet, dann aber zu ihnen verwandten, völlig
mystischen Begriffen sich erweitert hatten und daß alle diese Stoffe nur durch
das Verhältnis der Mischung dieser beiden Grundstoffe sich voneinander unter-
schieden. Paracelsus hatte diesen im 16. Jahrhundert dann noch das Salz als
dritten Grundstoff hinzugefügt und diese Theorie dann auf alle Körper, lebende
wie leblose ausgedehnt ^"). Diese Theorie bestand zu Böttgers Zeiten bei allen
Alchimisten noch in voller Kraft, obwohl schon seit Jahrzehnten des berühmten
englischen Chemikers Boyles allerdings gleichfalls irrige Lehre von dem gemein-
samen Verbrennungsstoff Phlogiston, dem Vorläufer unseres heutigen Sauerstoffs,
diese Theorie aufs kräftigste erschüttert hatte^^). Alle Anstrengungen der Alchi-
misten, die auf das Hauptziel ihrer Bestrebungen, die künstliche Gold-
22 Die Erfindung.
gewinnung, ausgingen, galt daher zu allen Zeiten, die Körper, in erster Linie die
Metalle, in ihre vermeintlichen Grundstoffe zu zerlegen, um hinter das Geheimnis
ihrer Zusammensetzung zu gelangen und dann mit Hilfe dieser Grundstoffe sie
nach jenem Verhältnis wieder zusammenzusetzen, das man als das der Edelmetalle
erkannt hatte. Es ist dies eine Hoffnung gewesen völlig konsequent in Anbetracht
des festen Glaubens an die Theorie von den gemeinsamen Grundstoffen, ebenso
wissenschaftlich für jene Zeit, wie sie für die unsrige, die zu ganz anderen An-
schauungen und Erkenntnissen gelangt ist, nur als das Gegenteil bezeichnet werden
kann. Es ist auch darum eine Ansicht gewesen, die die klügsten und aufgeklärtesten
Geister zu allen diesen Zeiten beschäftigt hat und selbst damals zu Böttgers Zeit noch
von Männern wie Glauber, Homberg, Boyle, Stahl, Boerhave und vielen anderen ge-
glaubtward; ja erst von der Mitte des 18. Jahrhunderts an, d.h. viele Jahrzehnte nach
Böttgers Tode, kann von einem wirklichen Verfall der Alchimie geredet werden ^^).
Freilich nicht ohne, daß es noch im 19. Jahrhundert Menschen gegeben hat, die
sich von ihren Wahnvorspiegelungen haben täuschen lassen ^^). So kann man
auch Böttger seine alchimistischen Träumereien in keiner Weise als persönliche
Torheit anrechnen.
Nur freilich die Mittel, die man zur Erreichung dieses Zieles anwandte, waren
nicht immer dieselben und blieben nicht immer im Bereiche der Wissenschaft.
Mystisch sollte dies geschehen, durch die fabelhafte ,,rote Tinktur", so benannt, da
sie gleichsam die Metalle umfärbte ^^), auch als Stein der Weisen oder das große
oder kleine Elixier bezeichnet, je nachdem sie die Fähigkeit besaß, Gold oder nur
Silber zu tingieren, d. h. aus unedleren Stoffen zu verwandeln. Nur ,, Auserwählten"
sollte diese Tinktur durch eine ganz besondere Gnade Gottes zuteil werden. Auch
glaubte man, daß sie daneben noch die geheimnisvolle Kraft besäße, das Leben
des Menschen zu verlängern, kurzum, sie war ein Ding, nach dem es sich gar wohl
schon lohnte, wofern man nur an dessen Existenz wirklich glaubte, einen Teil
seines Lebens hindurch zu suchen. Aufgeklärtere schlugen hierbei freilich den Weg
der Empirie, des Experimentes, ein, wie ihn für die Naturwissenschaft zuerst der
große englische Philosoph des 13. Jahrhunderts Roger Baco gewiesen hatte: sie
suchten die Materien vor allem auf chemiphysikalischem Wege zu zerlegen, in erster
Linie durch die Kraft des Feuers. Der Schmelztiegel und die Kapelle, dies unentbehr*
liehe Gefäß für alle Golduntersuchungen, sind daher die wichtigsten Arbeitsinstru-
mente aller gediegeneren Alchimisten gewesen. Besonderes Augenmerk aber
legte man hierbei, da man ja damals noch nicht tiefer in das wirkliche Wesen
der Stoffe eingedrungen war, auf ihre Äußerlichkeiten, vor allem ihre Farben
und die Farbveränderungen. Haben doch wohl gerade Beobachtungen, daß
unter Umständen gewisse Metallegierungen die Farbe von Gold oder Silber an-
zunehmen pflegen, den ganzen alchimistischen Wahn ins Leben gerufen oder ihn
wenigstens immer wieder trotz aller gemachten Enttäuschungen von neuem bestärkt.
Hauptsitz dieser Bestrebungen war seit den Tagen des Paracelsus, da dieser
zuerst die Chemie, die bis dahin lediglich nur Alchimie gewesen war, in den Dienst
Die Alchimie. 23
der Heilkunde gestellt hatte, neben dem ärztlichen der Apothekerstand ^^), der
erste überhaupt, der sich eifrig mit dieser Chemie beschäftigte und darin auch
zu selbständigen Entdeckungen gelangte. Die Apotheke war daher der Platz,
wo die praktische Chemie, soviel man von ihr damals wußte, nicht unschwer zu
erlernen war. Sie war aber zugleich auch der Ort, wo man schon im Hinblick auf
die enge Verbindung, die in alchimistischer Beziehung zwischen dem Suchen
nach dem künstlichen Golde und der Sehnsucht nach Verlängerung des Lebens
bestand, nur allzuleicht in das magische Reich der Alchimie geriet, in der man
dann Gefahr lief, bald jeglichen wissenschaftlichen Boden unter den Füßen zu
verlieren.
So war auch Böttger, der junge Apothekerlehrling, unter die Alchimisten
geraten.
Will man den Berichten, die wir über Böitgers alchimistische Bestrebungen
besitzen, Glauben schenken, so hat Böttger den Stein der Weisen auf beiderlei Art
zu finden versucht, auf exaktem, wie auf mystischem Wege ^^), ja, er soll die rote
Tinktur sogar wirklich besessen haben, wie er denn in den Augen der Alchimisten
in der Geschichte der Alchimie eine ganz hervorragende Rolle eingenommen hat.
Er gilt allerdings dort nicht als einer jener wenigen Auserwählten, die diesen wunder-
baren Stoff selber gefunden, aber doch zu den nicht weniger seltenen, die wenig-
stens seines Besitzes gewürdigt worden sind ^'). Ein griechischer Mönch, Laskari
mit Namen, eine schon damals äußerst mystische Persönlichkeit, die aber doch
wirklich existiert zu haben scheint, soll, als er durch Berlin reiste, ihm, da er
ihn wegen seines aufgeweckten Geistes liebgewonnen hatte, die Tinktur über-
geben haben ^^). Mit ihr hat Böttger dann in einem eigenen Laboratorium^^) ge-
arbeitet und schließlich auch vor mehreren Zeugen in Berlin fast urkundlich be-
glaubigte Proben seiner Kunst abgelegt, die das größte Aufsehen hervorriefen^").
Da ward die Sache ruchbar, sie kam auch zu den Ohren des erst seit kurzem König
gewordenen Kurfürsten Friedrich von Preußen, und da Gefahr vorhanden schien,
daß dieser prunkliebende und darum geldbedürftige Monarch sich seiner bemäch-
tigen könnte, um sich zu seinem eigenen Vorteile seiner geheimen Künste zu be-
dienen, £0 verließ Böttger, der inzwischen in der Apotheke Geselle geworden war,
heimlich Berlin und das preußische Gebiet und wandte sich nach der damals zu
Sachsen gehörenden Universitätstadt Wittenberg, um dort, "vvie er angab, seine
wissenschaftlichen Studien fortzusetzen. Doch, als er bis hierher von Preußen
aus verfolgt wurde und sich darum in seiner Not unter den Schutz des Königs
von Polen und Kurfürsten von Sachsen, August des Starken, stellte, ward ihm
gerade dasjenige Schicksal zuteil, dem er durch seine Flucht soeben hatte entgehen
wollen. Auf des Königs Befehl ward er unter militärischer Bedeckung nach Dresden
überführt, hier in Gewahrsam gebracht und aufgefordert, seine geheime Kunst
dem Könige zum Vorteil zur Ausübung zu bringen.
König August der Starke hatte gleichfalls allen Grund, sich dieses vermeint-
lichen Goldmachers auf diese Weise zu versichern. Als prunkliebender Monarch,
24 Die Erfindung.
wie Deutschland damals keinen größeren kannte, brauchte er Geld und immer
wieder Geld, um seine kostspieligen Neigungen befriedigen zu können, die bald in
der Anlage großer, prächtiger Bauten, bald in der Abhaltung prunkender Festlich-
keiten, kurz, in allen jenen Dingen bestanden, die damals der tonangebende Hof
von Versailles unter dem Könige Ludwig XIV. über ganz Europa verbreitet
hatte. Zugleich war damals die Zeit des schwedischen Erbfolgekrieges, der
König mehr denn je großer Summen benötigt, zumal nach jenen enormen Ver-
lusten, die ihm die unglücklichen Schlachten von Clissow und Putolsk zugefügt
hatten. Schien da ihm nicht jener Wundermann, der alles, was ihm damals fehlte,
in unbegrenzter Fülle zu verschaffen versprach, wie ein Geschenk des Himmels,
wie ein Kleinodium, das man auf alle Weise halten und auszunutzen trachten
müsse ? Leichtgläubig und optimistisch, wie er war, trug er auch nicht die geringsten
Bedenken, an die Wunderkraft dieses Mannes zu glauben, ja, ganz beträchtliche
Summen herzugeben, in dem festen Glauben, sie einst mit unermeßlichen Zinsen
wieder zurückerstattet zu bekommen, und er legte hierbei, als dieser Fall niemals
recht eintreffen wollte, eine Geduld an den Tag, die wirklich in Erstaunen setzt.
Denn Böttgers große Kunst versagte in Dresden völlig, wie sie naturgemäß
versagen mußte. Zwar werden uns auch hier wieder mehrere scheinbar geglückte
Tingierungsversuche berichtet ®^) : von einem derselben, der freilich erst bedeutend
später erfolgte, haben sich sogar die gewonnenen Edelmetalle nebst dem Proto-
kolle, das ihr Entstehen aus unedlen beglaubigt, bis auf den heutigen Tag er-
halten ®^). Im übrigen jedoch wollte Böttger gar nichts gelingen, angeblich weil
ihm die rote Tinktur abhanden gekommen wäre, die er nun, wie er vorgab, von
neuem zu finden versuchen müsse, eine geschickte Ausrede, um ebenso leicht-
gläubige, wie ungeduldige Gemüter beruhigen zu können. Fest steht, daß Böttger,
trotz alles mystischen Gebahrens, das er wohl in erster Linie anwandte, um
in der ihm aufgezwungenen Rolle als königlicher Goldmacher immer wieder
neue Entschuldigungen für das gänzliche Mißlingen seiner vermeintlichen Kunst
zu haben, daneben mit allem Ernste und voller Wissenschaftlichkeit sich an die
Lösung des Problems machte, indem er auf Grundlage der alchimistisch-chemischen
Anschauungen seiner Zeit von den gemeinsamen Grundstoffen aller Dinge hinter
das Wesen, d. h. die Zusammensetzung der einzelnen Stoffe, zu gelangen suchte.
Denn Böttger, der sich ja nicht freiwillig in den Dienst des Königs begeben hatte,
vielmehr mit allen Kräften damals aus demselben wieder herauszugelangen trach-
tete, gehörte — das wissen wir heute ganz genau ^^) — nicht zu jenen Goldmachern,
die als Schmarotzer damals, wie vor und nachher, sich an den Höfen Europas
einnisteten, um hier von der Leichtgläubigkeit und der Geldgier ihrer Herren zu
leben — wofür ihrer freilich oftmals ein plötzliches trauriges Ende harrte — , mag er
auch die Rolle, die ihm so ganz wider Willen aufgezwungen ward, mit noch so großem
Geschick und oft erstaunlicher Beherrschung der Situation durchgeführt haben.
Wir wissen es heute ganz genau, daß er in keiner Weise eine unbedeutende Persön-
lichkeit gewesen ist, die nur durch eine seltsame Laune des Schicksals ganz wider
Abb. 2. Ehrenfried Walther von Tschirnhausen. Stich von Bernigeroth.
26 Die Erfindung. i
Verdienst berufen war, eine bedeutende Rolle in der Geschichte der Keramik
zu spielen: er war vielmehr ein ungewöhnlich kluger und gewandter Mensch, ja,,
geradezu ein Vorläufer jenes modernen Typus, den man Erfmdernatur zu nennen
pflegt ^^), wie ihn Deutschland vor diesem Mann wohl überhaupt noch nicht
gesehen hatte, und 9S hat erst die ganze Verachtung gegen die Alchimie und ihre
Vertreter, namentlich seit dem Anfange des vergangenen Jahrhunderts, dazu gehört,
um Böttger zu jenem Schwindler und Scharlatan zu stempeln, als welcher er von
da an in den Augen der meisten Menschen weitergelebt hat. Tatsache ist, daß unter
den vielen Leuten, mit denen Böttger zusammengelebt hat — und es waren
darunter recht bedeutende Leute und auch viele, die ihm, wie sich zeigen wird, in
keiner Weise wohl wollten — es keine irgendwie maßgebende Persönlichkeit gegeben
hat, die über ihn als geistige Potenz verächtlich gedacht und sich in diesem Sinne ge-
äußert hätte. Hochachtung, ja, unleugbare Bewunderung, die nicht allein seinem
vermeintlichen Können, seiner mystischen Gabe, Gold zu machen galt, dringen
überall merklich durch, wo immer nur von ihm die Rede ist. Er wird einmal sogar
von einer Seite, die ihn ganz genau kannte, als ein Mensch bezeichnet, wie er höch-
stens nur alle hundert Jahre vorkäme ^^), hierbei zugleich seine ungewöhnliche
Klugheit und Anstelligkeit sowie sein rasches Begreifen alles Neuen gerühmt,
die selbst bedeutende Leute fesselten ^^). Und nur auf diese Weise, nur unter
dieser Voraussetzung werden auch seine späteren Taten verständlich, vor allem
die alle anderen krönende der Erfindung des Porzellans, die, nachdem viele be-
deutende Leute sie vorher vergeblich versucht hatten, nun nicht durch einen ihrer
völlig Unwürdigen gelingen konnte.
Der König tat bei allen diesen Versuchen alles, was nur irgendwie in seiner
Macht lag, um Böttger die Erreichung seines Zieles zu erleichtern. Er gab ihm Geld
in überreichem Maße, suchte sein Leben, um ihn nur immer bei bester Laune zu
erhalten, so angenehm wie möglich zu gestalten, befriedigte oft selbst wunderliche
Launen. Nur freilich die Freiheit mußte er ihm vorenthalten, daß nicht ein anderer
hoher Herr ihm diesen Wundermann entziehen möchte. Böttger war hierbei anfangs
in Dresden im sogenannten Goldhause untergebracht, dann in einem Hinterhause
des Palais des Fürsten von Fürstenberg, des Statthalters von Sachsen in des Königs/
Abwesenheit. Es wurden ihm mit der Zeit eine ganze Reihe von Bergleuten und
Knappen, die man aus Freiberg berief, übergeben, daneben aber auch einige der
bedeutendsten Persönlichkeiten Dresdens und Umgebung als Mitarbeiter
wie auch gleichzeitig als Kontrolleure zur Seite gestellt, darunter der Arzt
Dr. Nehmitz^''), der Bergrat Pahst aus Freiberg und als einer der be-
deutendsten Gelehrten, die ihm zur Verfügung standen, jener Ehrenfried
Walther von Tschirnhausen, der, wie erwähnt, gerade damals mitten in
dem eifrigsten Bestreben begriffen war, dem Lande gleichfalls neue Einnahme-
quellen zu verschaffen, freilich auf ganz andere Weise, durch Begründung neue
Industrien, und der damals auch seit mehreren Jahren schon der festen
Überzeugung lebte, das Porzellan erfunden zu haben. Er war sicherhch
Böttgers alchimistische Versuche.
27
Abb. 3. Die Jungfer oder Venusbastei in Dresden nach Merian.
die bedeutendste wissenschaftliche Persönlichkeit in Dresden, die der König
Böttger als Beihilfe zu Verfügung stellen konnte.
Durch das Hinzukommen dieses so bedeutenden Mannes trat Böttger in
eine Verbindung, die für den ganzen Gang seiner Arbeiten von der größten Be-
deutung werden sollte. Anfangs freilich scheinen er und Tschirnhausen
nicht allzuviel zusammen gekommen zu sein; vom Jahre 1705®^) an jedoch ist
ihr Verkehr, wenn beide Persönlichkeiten sich an demselben Orte befanden,
ein stetiger gewesen, ja, es scheint fast, als ob Tschirnhausen, bezwungen durch
Böttgers ganze Persönlichkeit und wirkliches Wissen, ihn geradezu lieb gewonnen
hat^^). Vielleicht sah Tschirnhausen in seinen Beziehungen zu Böttger eine Art
Verwirklichung jenes schönen Verhältnisses, das er in einer deiner philosophischen
Schriften als allgemeines Mittel zur Beförderung von Studien und Erfindungen
angibt, nach welchem unter anderm gelehrte Männer junge Leute, welche solche
zu leisten versprächen, mit allen ihren Kräften fördern und unterstützen sollten"').
Anfangs freilich scheint Tschirnhausen sich Böttgers alchimistischen Bestre-
bungen gegenüber recht skeptisch verhalten, dann aber sich doch wenigstens
zu der Ansicht bekannt zu haben, daß, wenn es auch nicht möglich wäre, eine Trans-
mutation der Metalle vorzunehmen, so doch wenigstens eine Multiplikation'^).
So begannen sie gemeinsam auf das große Ziel hinzusteuern und, so oft sich wenig-
stens die Gelegenheit bot, ihre Ansichten über die gewonnen Resultate und Be-
obachtungen auszutauschen. Denn Tschirnhausen hielt sich nicht immer in Dresden
auf, Böttger aber, das kostbare Kleinod, das der König um keinen Preis verlieren
wollte, mußte als der Gefangene, der er war, in den unruhigen Zeiten, die der nor-
dische Krieg heraufbeschwor, vielfach seinen Aufenthalt wechseln. Er lebte auf diese
Weise eine Zeitlang auf der damals für uneinnehmbar geltenden Festung Königstein
in der Sächsischen Schweiz, dem sichersten Gewahrsam, das man damals in Sachsen
28 Die Erfindung.
besaß, dann auf der Albrechtsburg in Meißen und schließlich wieder auf dem König-
stein. Auch hatte er im Jahre 1703 von Dresden aus einen — freilich völlig miß-
glückten — Fluchtversuch unternommen, um endlich aus der ihm so unfreiwillig auf-
gezwungenen Rolle eines königlichen Goldmachers herauszukommen. Endlich jedoch,
nach Abschluß des Friedens von Altranstädt im Jahre 1706, ward er auf sein eigenes
inständiges Bitten wieder nach Dresden gebracht, wo ihm auf der damals die Jungfer
genannten Venusbastei (Abb, 3), d. h. demjenigen Teile der Brühischen Terrasse, wo
heute das Belvedere steht, ein Laboratorium errichtet ward, während Tschirnhausen
im sog. Fürstenbergischen Hause sein eigenes, ihm gleichfalls vom Könige eingerich-
tetes Laboratorium für seine zum Nutzen der heimischen Industrie unternommenen
Bestrebungen schon seit langem besaß. Hier fuhren sie mit ihren Arbeiten und
Untersuchungen fort, die, da ein jeder sein eigenes Laboratorium und auch seine
eigenen Arbeiter besaß, jeder zunächst wohl für sich allein angestellt haben
wird '2), wenn auch wohl auf gemeinsam festgestellte Anschauungen und Metho-
den hin und unter beständigem gegenseitigem Gedankenaustausch.
Wie aber diese Arbeiten vor sich gingen, auf Grund welcher Ansichten und
Methoden und mittels welcher Hilfsmittel, das ist uns heute wenigstens in der
Hauptsache bekannt "). Darnach war diese Arbeit in der Tat eine durchaus konse-
quente und wissenschaftlich überlegte, wenn auch vielleicht noch nicht immer
ganz frei von aller Phantastik und Unklarheit. So suchten sie z. B. die ,, durch die
Sonnenstrahlen in Bewegung gebrachten brennlichen Teile der Luft", d. h. doch
wohl die die ganze Luft erfüllenden, im scharf einfallenden Sonnenlicht sichtbar
werdenden Staubteilchen, durch Erhitzung zu konzentrieren, sicherlich in der Über-
zeugung, in diesen ,, Teilen" einen der gesuchten drei Grundstoffe vor sich zu
haben. Dann aber machten sie sich, den damals üblichen Ansichten von diesen
Grundstoffen weiter folgend, an das methodisch geregelte Zersetzen der verschie-
densten Stoffe, zunächst natürlich der Edel-, dann der minderwertigeren Metalle,
schließlich auch anderer Stoffe, in der sicheren Erwartung auf diese Weise ihre
jedesmalige Zusammensetzung feststellen zu können.
Bei allen diesen Experimenten waren wiederum die wichtigsten Hilfsmittel
jene großen Brenngläser, die Tschirnhausen erfunden und selber dann bei allen
ähnlichen Untersuchungen benutzt hatte (Abb. 4 und 5). Sie waren in der Tat
sehr wichtige Hilfsmittel, da sie unter anderm die nicht zu unterschätzende Möglich-
keit boten, die durch die Hitze erfolgenden Zersetzungsprozesse der in Untersuchung
gezogenen Stoffe aus nächster Nähe zu beobachten. Die Gewalt dieser Brenngläser war
hierbei tatsächlich ungeheuer. Wie Tschirnhausen selber berichtet hat '^), schmolzen
unter ihrer Glut Blei und Zinn sofort, Kupfer und Messingblech wurden ebenso
schnell flüssig, Dachziegel, Schiefer, Bimsteine, Kieselsteine, Kalk und Asbest
glühten auf der Stelle und verglasten, Fichtenholz ward unter Wasser zu Kohle
verwandelt. Man hatte hier in der Tat ein unschätzbares Hilfsmittel für wissen-
schaftliche Untersuchungen zur Verfügung, so vielversprechend, daß Tschirn-
hausen, der nach Gelehrtenart etwas eifersüchtig gewesen zu sein scheint, es nicht
29
Abb."4.'i. Brennspiegel Tschimhausens, Höhe 2.26 Meter. Dresden, Kgl. Mathematisch-Physikalischer Salon.
30 Die Erfindung.
gern „in anderer Leute Hände" sah, weil sie ihm dadurch leicht „hinter einige
Wissenschaft kommen könnten" '^). Freilich über die wirklichen Wirkungen
dieser Brenngläser waren Böttger und Tschirnhausen anscheinend durchaus nicht
gleicher Ansicht. Tschirnhausen sah in ihrer Glut eine Kraft, die alle Körper in
ihre Bestandteile aufzulösen vermochte, während Böttger dagegen behauptete,
daß sie durch ihr Schmelzen eine Sache durchaus nicht in ihrem ,,esse" ließen,
vielmehr sie ,,destruierten und endlich ein neues Produktum hervorbrächten"'^),
eine Anschauung, die, wie wir heute wissen, die allein richtige ist, die darum Böttger
— wenigstens auf chemischem Gebiete — Tschirnhausen bei weitem überlegen
erscheinen läßt. Vielleicht, daß damals Böttger schon etwas von der neuen Lehre
vom Phlogiston, dem Vorläufer unseres Sauerstoffes, wußte. Dennoch bediente
auch er sich fleißig dieser Brennspiegel"), wenn auch wohl unter ganz anderen
Voraussetzungen als jener.
Nachdem man nun mittels dieses Hilfsmittels zunächst die Metalle — wie
natürlich, völlig resultatlos — durchprobiert hatte und sich hierauf zur Untersuchung
anderer Stoffe wandte, machte man sich zunächst an die sogenannten ,, farbigen
Erden", sicherlich in der Hoffnung, nun wenigstens in den Farben, die in den alchi-
mistischen Anschauungen immer eine so große Rolle gespielt haben '^), ein Leitseil
zu haben, das zum erwünschten Ziele führen könnte. Doch nun trat bald infolge
dieser neuen Untersuchungen eine Schwenkung in diesen ganzen Arbeiten ein, ein
wenigstens für Böttger gänzlich neues Bestreben, das plötzlich diese von der Bahn
der Alchimie hinweg auf gänzlich neue Wege führen sollten, die mit den bis-
herigen Bestrebungen Böttgers nicht das geringste mehr zu tun hatten, dann
aber am Ende zu jenem Resultate, das allen diesen Arbeiten erst ihren vollen
Wert gegeben hat.
Wie war diese Wendung vor sich gegangen ?
Durch die Unruhen der Zeit, den häufigen Wechsel des Orts, sicherlich auch
durch die zeitraubende Beschaffung aller der bisher zur Untersuchung heran-
gezogenen Materien waren Jahre vergangen: man stand jetzt im Jahre 1707.
Der König hatte trotz der schlimmen Zeiten Unsummen vorgeschossen, um Böttger,
wie er hoffte, in den Stand zu setzen, das Hundert-, ja das Tausendfache ihm dafür
zurückzuerstatten. Er hatte sich, als dieser Moment immer noch nicht sich ein-
stellen wollte, von Jahr zu Jahr vertrösten lassen, sich aber wohl in der Aufregung
über die so unerwartet mißlichen Ereignisse des nordischen Krieges, da es sich
schließlich für ihn um nichts Geringeres als um den Verlust seines mit so großen Opfern
erkauften polnischen Thrones handelte, nicht allzuviel um die Taten seines
Goldmachers kümmern können. So hatte sich ihm Böttgers alchimistische Un-
fähigkeit wohl weniger offenbart, als es in friedlicheren Zeiten geschehen wäre,
und Böttger war vor dem Lose bewahrt worden, das schon so vielen Goldmachern,
wenn sie am Ende ihrer Weisheit angelangt waren, schließlich geblüht hatte. Die
Vorsehung schien ihn sichtbar zu höheren Zwecken aufzusparen. Nun aber war
im Jahre 1706 der Friede zu Altranstädt geschlossen, die Ruhe dem Lande wieder
31
Abb. 5. Brennlinsen Tschirnhausens. Höhe 2.14 Meter. Dresden, Kgl. Mathematisch-Physikalischer Salon.
32 Die Erfindung.
zurückgegeben worden, doch das Land selber verwüstet und der König ärmer
denn je. Da mochte er mit einer ganz anderen Sehnsucht als vordem seine Blicke
auf seinen Goldmacher richten, der noch immer nicht die in ihn gesetzten großen
Hoffnungen erfüllt hatte. Schon im folgenden Jahre scheint er Böttger auf der
Jungfer besucht zu haben und seinen Unwillen durch mehr oder weniger deut-
liche Drohungen an den Tag gelegt zu haben'*'). Da hört man hier plötzlich von
gänzlich neuen Plänen, von denen bisher, so weit es wenigstens Böttger betraf,
noch nicht das geringste verlautet war : Manufakturen ^°) sollen durch ihn ge-
gründet, die Industrie Sachsens gehoben werden, kurz alles, was Tschirnhausen
bisher schon vor dem Kriege versuchte und was vor allem zur Hebung der sächsischen
Glasindustrie geführt hatte, dann aber durch den Krieg zum größten Teil wieder
vernichtet worden war, das sollte nun von neuem hier versucht werden, in be-
deutend erweitertem Maßstabe und für noch viel wichtigere Dinge. Es lebte das
Merkantilsystem Frankreichs hier in Sachsen zum zweiten Male auf.
Unzweifelhaft ist Anreger auch zu diesen neuen Unternehmungen wieder
Tschirnhausen gewesen, der sicherlich damals in dem begabten, anstelligen, jungen
Böttger eine Kraft erblickte, die seine früheren Liebhngspläne, zu deren eigener
Durchführung dem vielbeschäftigten Gelehrten sicherlich die Zeit fehlte, zur Aus-
führung bringen konnte ^^). Böttger selber aber wird diese gänzliche Verschiebung
seiner bisherigen Tätigkeit nur mehr als willkommen gewesen sein. Stellte sie
doch ihm, der schon so lange den König in seinen schönsten Erwartungen getäuscht
hatte, auf einmal ein Ziel vor Augen, das mit einer ganz anderen Wahrschein-
lichkeit erreichbar schien als sein bisheriges und das, wenn erreicht, wohl auch
seine bisherigen Mißerfolge in Vergessenheit zu bringen vermochte. Es war sicher-
lich ein Rettungsanker, der sich ihm da darbot, wie er ihn sich vor kurzem wohl
kaum noch erträumt hatte.
Indessen steht gleichfalls fest, daß diese plötzliche Arbeitsschwenkung nicht
zum wenigsten auch auf Grund von Anregungen erfolgte, die aus den bisherigen
alchimistischen Arbeiten hervorgegangen waren: die Untersuchungen der verschie-
densten Stoffe und gewisse Beobachtungen, die hierbei gemacht worden waren,
scheinen langsam oder plötzhch Gedanken hinsichtlich ihrer industriellen Aus-
nutzung eingegeben haben ^^^ yor allem war es jetzt die Prüfung der ,, farbigen
Erden", die denen der Metalle und ,, mittleren Erden" gefolgt war, die zu dem
Entschluß führte, sich in der Keramik zu versuchen, in der Sachsen damals trotz
günstiger Tonlager eigentlich noch gar nichts Bedeutendes geleistet hatte. Da
ward aus dem Alchimisten plötzlich ein Keramiker und es erfolgte alsbald jener
Schritt, der Böttger auf die eigentUche Bahn seines Lebens führen sollte, auf dieser
dann zu jenem Ziele, das schließlich das eigentliche Endziel seines Lebens ge-
worden ist.
Freilich, ob hier gleich am Anfange schon in erster Linie an eine keramische
Produktion gedacht ward und nicht vielleicht infolge der soeben gemachten früheren
Untersuchungen der Metalle zunächst an irgendeine besondere Ausnutzung oder Be-
Böttger und Tschirnhausen. 33
handlung dieser, läßt sich heute nicht mehr mit voller Bestimmtheit sagen. In
der ersten Nachricht, die wir überhaupt über diese Aufnahme der früheren in-
dustriellen Unternehmungen Tschirnhausens durch Böttger besitzen^^), spielen Erze
unter den dort erwähnten Materialien eine große Rolle, ja, allem Anscheine nach
eine viel größere als Tone, die zu einer keramischen Tätigkeit hätten benutzt
werden können, wenn wir freilich auch in keiner Weise heute mehr feststellen können,
zu welchen Zwecken diese Erze damals gebraucht werden sollten. Später, ja, bald
darauf hat Böttger sich in der Tat häufiger mit Problemen beschäftigt, die Metalle
betrafen und die für das erzereiche Sachsen damals eine große Bedeutung haben
mußten. Namentlich auf rationellere Ausschmelzungsverfahren, die dem Lande
viele Gelder ersparen sollten, ist er später ausgegangen. Damals aber waren kera-
mische Bestrebungen bereits schon lange in den Vordergrund getreten: die erste
Manufaktur, deren Aufgabe uns wirklich genannt wird, ist eine Fliesenfabrik ge-
wesen, eine Fabrik zur Herstellung von Fayencefliesen, wie sie damals vor allem
in Delft in Unmassen und unübertrefflicher Güte fabriziert und als „Delfter Gut"
über ganz Europa verbreitet wurden ^^). Fayencefabriken nach Delfter Muster
wurden damals vielfach in Deutschland angelegt, nachdem auch dieses Land der
allgemeine Trieb dieser Zeit erreicht hatte, das chinesische Porzellan wenigstens
durch dieses Produkt nachzuahmen und ihm dadurch einigermaßen Konkurrenz
zu machen. Sie wurden selbst noch nach der Erfindung des Porzellans unab-
lässig weiter gegründet, da die Fayence als billigeres Erzeugnis selbst dann noch
immer ihre Abnehmer fand, und erst das Steingut, das zuerst in England als ein
neues und besseres Surrogat des Porzellans erfunden und dann als solches überall
auf dem Kontinente nachgeahmt ward, hat diesem Produkte schließlich ein Ende
bereitet, indem es sich einfach an dessen Stelle setzte.
Nicht allzuschwer mochte Böttger die Begründung einer solchen Fayence-
fabrik erscheinen. War schon der Umstand, daß jetzt an vielen Stellen in Deutsch-
land derartige Fabriken entstanden oder wenigstens zu entstehen schienen, Beweis
genug, daß ihre Errichtung nicht allzuviel Schwierigkeiten bereiten konnte, so
waren auch bereits, den Neigungen der Zeit entgegenkommend, mehrere bedeutende
Werke erschienen, in denen, wie über alles, was damals die Praktiker interessierte,
so auch über die Fayencefabrikation, mehr oder weniger ausführliche und brauch-
bare Rezepte sich vorfanden. So war im Jahre 1705 ein derartiges Werk herausgekom-
men, betitelt ,,K. J. Wieder Neuaufgerichtet in zwey Theilen, ausgewiesene Kunst und
Werck-Schul", das Böttger aller Wahrscheinlichkeit nach gekannt hat^^), vor allem
aber stand für solche Versuche des damals so hochangesehenen Chemikers Kunckels
schon 1689 erschienene Ars vitraria zu Gebote, in deren zweitem Teil ein Kapitel
handelte ,,von der Holländischen kunstreichen weissen und bunten Töppfer-Glasur
und Mahlwerck", ein Buch, das jeder Chemiker und Alchimist damals kannte, mit
dessen Verfasser Böttger sogar in persönlicher Verbindung gestanden hat^®). So
fehlte denn, um anfangen zu können, eigentlich nur noch der Ton, das Material
zu dieser Arbeit. Daß man aber auch diesen damals bereits zu haben geglaubt
Zim m er mann, Meißner Porzellan. 3
34 Die Erfindung.
hat, darüber kann kaum ein Zweifel bestehen, bedenkt man, daß Tschirnhausen
schon früher für seine eigenen Unternehmungen ganz Sachsen mineralogisch unter-
sucht hatte, bedenkt man ferner, daß beide, Tschirnhausen wie Böttger, bei ihren
alchimistischen Untersuchungen nach der vergeblichen Prüfung der Metalle sich auch
an die Prüfung der Erden gemacht hatten. Auch gab es in Sachsen damals schon
bekannte und durchaus in Benutzung gezogene Tonlager, so z. B. zu Waiden-
burg und Colditz^''), die auch dort schon zur Begründung einfacherer Töpfer-
betriebe geführt hatten, und so schritt man denn im Anfang des Jahres 1708
mutig an die Begründung der ,, Steinbäckerei", wie diese Fliesenfabrik damals
genannt ward.
Der König hatte inzwischen wieder alles getan, um Böttger bei diesen neuen
Unternehmungen zu unterstützen. Schon für diese Zwecke hatte er ihm durch
die Rentkammer am Ende des vorigen Jahres Holz, so viel er nur gebrauche, sowie
auch durch die Generalakziskasse sofort 200 Taler, vom 1. Oktober an monatlich
400 Taler anweisen lassen. Am 20. November erließ er sogar ein Dekret ,,zur Sicher-
stellung Johann Friedrich Böttgers wegen der zu seiner freien Disposition bei Ein-
richtung verschiedener Manufakturen demselben assignierten Gelder", d. h. eine
Verwahrung Böttgers gegen ein etwaiges späteres Rechtfertigungsverlangen der
beiden obigen Behörden, die die damaligen geldbeschaffenden Mächte des Staates
darstellten. In diesem Dekret wird ausdrücklich betont, daß Böttger über diese
ihm angewiesenen Gelder ganz frei verfügen könne, ein sicherer Beweis, daß das
Vertrauen des Königs gegenüber ihm und seinen Arbeiten damals noch in keiner
Weise erschüttert war, daß Böttger vielmehr in ihm damals neue und große Hoff-
nungen zu erwecken gewußt hatte. Auch sorgte der König wieder, wie bisher, aufs
angelegentlichste für sein persönliches Wohlbefinden. Zugleich wurde sein
Arbeitspersonal vermehrt, das jetzt aus vier Arbeitern bestand ^^), während Tschirn-
hausen sich in seinem Laboratorium im Fürstenbergischen Hause mit zweien be-
gnügen mußte. Vor allem aber war jetzt auch für eine neue wissenschaftlich durch-
gebildete Hilfskraft gesorgt worden: auf des Königs Befehl ward um die Wende
des Jahres 1707 der Leibmedikus Dr. Bartelmei, dem man bisher nur die kostbare
Gesundheit Böttgers anvertraut hatte, durch einen feierlichen Eid verpflichtet,
sich nach Kräften auch der neuen Unternehmungen anzunehmen, dabei aber über
alles, was er erfahren würde, die strengste Verschwiegenheit zu bewahren. Und
dann berief man schließlich im Februar dieses Jahres mittelst des sächsischen
Residenten im Haag einen Meister aus Holland ^^) namens Rüllener, der freilich,
wie sich später herausstellte, nur aus der Stadt Brandenburg gebürtig war, des-
gleichen als ,,porcellain-Mahler" oder „Schilderer" zur Bemalung der Fliesen seinen
Schwiegersohn. Gleichzeitig ward in der damaligen Altstadt, der jetzigen Neustadt,
ein Haus gemietet, das sogenannte ,, Böhmische", und bald darauf für 700 Taler
daneben ein eigenes Gebäude zur Aufnahme der Brennöfen errichtet. Auch der
richtige Ton schien bereits gefunden zu sein und Böttger versuchte hierbei tat-
sächlich an die bestehende Töpferkunst Sachsens anzuknüpfen. Bereits im März
Vorbereitungen. 35
dieses Jahres ward befohlen, von dem Städtchen Colditz, das etwa neun Meilen
von Dresden an der Mulde liegt, 2000 Zentner reinen Ton ,,so nicht mit Erde
oder Sand vermischt" nach Dresden schaffen zu lassen ^°).
Dann ging man daran, sich auch auswärts umzusehen, um sich auch die Erfahrun-
gen, die an anderen Stellen gemacht worden waren, zunutze zu machen. Dr. Bartel-
mei ward auf Reisen geschickt. Zunächst ^i) Anfang Mai begab er sich freiUch nur
erst nach Colditz, um hier vor allem Erkundigungen über die dortigen Tone sowie
auch über die Art, dieselben zu reinigen, einzuziehen. Auch über die Preise suchte
er sich zu informieren. Von hier ging er weiter nach Leipzig, wo damals gerade
Messe war. Auch in Leipzig suchte er bei den Händlern, von denen mehrere von
auswärts gekommen waren, nach Tonen, namentlich nach weißfarbigen. Doch fand
er dabei auch einen gelben und — was vielleicht für die Zukunft von Bedeutung
werden sollte — auch einen roten. Von allen brauchbaren Sorten bestellte er Proben,
die wenige Tage danach auch in Dresden eintrafen. Dann suchte er hier vor
allem die ,, Berliner Porcellainkrämer" auf, die Vertreter jener Fayencefabrik, die
1678 durch den Großen Kurfürsten mit Hilfe eines holländischen Töpfers in Berlin
begründet worden war ^^), die nun mit deren Erzeugnissen diese Messe besuchten.
Bei ihnen besah er sich eingehend das Geschirr, an dem ihm die Nachahmung chine-
sischer Formen auffiel. Hierauf kehrte er nach Dresden zurück, um Bericht abzu-
statten, zog dann Anfang Mai noch einmal nach Colditz, um auch mit dem dortigen
Amtsschreiber, den er während seiner ersten Reise dort nicht angetroffen, wegen
Sendung und Reinigung von Ton zuverhandeln. Dieser versprach ihm 40 — 50 Zentner
von den dortigen Töpfern oder anderen reinigen zu lassen und dann nach Dresden
zu senden.
Nur wenige Monate später aber begab er sich von neuem auf Reisen und zog
nun seine Kreise bedeutend weiter. Das ganze nordwestliche Deutschland ward
abgesucht und alles dort in Erkundigung gezogen, was Böttger bei seinen industriellen
Unternehmen nur irgendwie nützen konnte. Schon am 27. Mai war er hierbei
über Leipzig nach Halle gelangt, wo er jedoch nichts für seine Zwecke Wichtiges
erfuhr. Dann war er weiter nach Mansfeld gezogen, wo ihn die dortige Kupfer-
schmelze interessierte, hierauf nach Nordhausen, um die dortigen Alabaster-
brüche zu besichtigen. Er fand hier vor allem einen ,,über alle Maßen rein weißen
und zarten" Alabaster, von dem er Proben mitnahm und 12 — 24 Zentner bestellte.
Dann aber wandte er sich nach Braunschweig, wo im Jahre vorher ^^) eine Fayence-
fabrik ,,als Porcellainfabrick nach delftischer Art" durch den Herzog Anton Ulrich
angelegt worden war, von der er viel zu profitieren hoffte. Doch er erlebte eine
starke Enttäuschung: man war dort noch nicht einmal im Besitz einer guten Erde
und mit der Glasur haperte es vollends. So zog er über Lüneburg nach Hamburg ^*),
wo es ihm bei weitem besser ergehen sollte, ja wo er anscheinend seine größte Aus-
beute auf dieser Reise fand. Er traf hier, wie er berichtet, mit einem ,,curiösen"
Töpfer zu sammen, der ihm die Masse zu einer sehr schönen und weißen, glän-
zenden Glasur zu weisen vermochte, von der er wiederum Proben mitnahm, von
3*
36 Die Erfindung.
dem er aber auch sonst noch merkwürdige Dinge erfuhr, so namentlich nichts
Geringeres als ein Rezept, Porzellan zu machen. Dies merkwürdige Rezept enthielt
hinsichtlich der Porzellanmasse die ganz richtige Angabe, daß sie ein Gemisch von
einem Tone und einem Flusse darstelle, nur wurde freilich nicht gesagt, wie dieser
Ton, nämlich feuerfest, beschaffen sein müsse, und vollends die Angaben über die
Glasur des Porzellans waren barer Unsinn. Dennoch wird Bartelmei aufmerksam
genug diesen Offenbarungen gelauscht haben. Darüber vergaß er aber nicht, auch
die Brennöfen zu studieren und — vielleicht heimlich — sich Skizzen von ihnen
zu machen.
Dann zog er weiter nach Lübeck, wo er jedoch nichts weiter kennen lernte,
als eine „gemeine schwarze Glasur" und kehrte schließlich über Rostock nach
Dresden zurück, wo er am 17. Juni wieder eintraf. Er konnte wohl im allge-
meinen mit den Ergebnissen zufrieden sein, wenn freilich solche im Fluge aufge-
nommenen Kenntnisse auf dem Gebiet der Keramik in keiner Weise die selbst-
gemachte Erfahrung ersetzen können. Er hat dann aber doch damals auf Grund
dieser Erfahrung zunächst die Administration der Fliesenfabrik ^^) erhalten, die er
freilich bald an andere wieder abtreten mußte. Gewiß wird er damals mit voller
Zuversicht an sein Werk gegangen sein, nicht ahnend, wie große Schwierigkeiten
selbst die Errichtung einer Fayencefabrik noch machen sollte. Für Böttger und
Tschirnhausen freilich wird dieses Unternehmen damals schon stark in den Hinter-
grund getreten sein.
Denn bald nach der Begründung der Fayencefabrik erfahren wir, daß beide
nun ganz anderen und viel bedeutenderen Zielen zustrebten, Zielen, gegenüber denen
die Begründung einer Fayencefabrik, deren es damals ja schon so viele gab, als kein
allzu großes Unternehmen mehr erschien: Jetzt warf man alle bisherige Bescheiden-
heit bei Seite und ging mit festen Schritten auf jenes Problem zu, das schon so lange
das eigentliche Hauptproblem der Keramik gewesen war: das Porzellan, das wirklich
echte Porzellan sollte erfunden werden. Neben diesem Streben mußten alle andern
in der Tat in den Hintergrund treten.
Wir wissen nicht genau, wann dieser Entschluß hier zuerst aufgetaucht ist ^^).
Er lag an sich nahe genug, wofern Böttger wirklich als der Fortsetzer der industriellen
Bestrebungen Tschirnhausens gelten sollte, er lag auch nahe genug, sobald man
überhaupt nur das Gebiet der Keramik betreten hatte, ja kann vielleicht von Anfang
an, wenn wir es auch nicht wissen, das Hauptziel der ganzen industriellen Be-
strebungen dieser beiden Männer gewesen sein"'). Sicher ist, daß Böttger schon
mehrere Jahre vorher sich wenigstens theoretisch mit diesem Problem befaßt,
daß er sich allem Anscheine nach wenigstens theoretisch über dasselbe zu informieren
gestrebt hat. Unter Rezepten, die sich von ihm aus dieser Zeit erhalten haben "^),
die sich auf die verschiedensten, z. T. recht entlegene Materien beziehen und so
zum ersten Male für uns ein sichtbares Zeugnis sind für die Vielseitigkeit und geistige
Gelenkigkeit dieses Mannes, die sich in der Weiterentwicklung seiner keramischen
Arbeiten nur immer wiederholen sollte, befinden sich auch einige, die sich auf die
Aufkommen der Erfindungsidee.
37
Abb. 6. Chinesisches Porzellan, aus der Zeit der Erfindung- des Porzellans. Dresden, Kg-1. Porzellansaramlung-.
Herstellung von Porzellan beziehen. Da ist eins, geschrieben in Meißen im März des
Jahres 1706, auf dem sich unter der Überschrift ,,Barcelin" zunächst ein Hinweis
auf das bereits früher erwähnte, damals hochberühmte, 1649 in der zweiten Auf-
lage erschienene Werk des Humanisten Jo. Ludw. Gotofredi Merkers Archonto-
logia cosmica ^^) befindet, und dann folgt, angeblich als hätte er sie in diesem
Werke gefunden, die Angabe, nach der Porzellan aus dem ,, subtilsten rein ge-
schlemmten Tone, Muscheln oder Austerschalen und gebrannten Knochen" be-
stände, und es wird auch gleich hinzugefügt, daß es erzsonderlich" wäre, daß
Ton im Feuer nicht allein, sobald man aber nur den tausendsten Teil Knochen
hinzutäte, „wie Wachs flösse" ^°°). Diese Angabe findet sich indessen in dem angege-
benen Buche keineswegs. Vielmehr gibt dieses, wie früher gezeigt worden ist, wenn
auch mit einigem Vorbehalt, noch die alten Fabeln von den Muscheln und Eier-
schalen und dem langen Eingraben der Porzellanmasse wieder^"!). Gegenüber
diesen Ansichten scheint das hier angeführte Rezept einen bedeutenden Fortschritt
darzustellen, ja, man könnte fast sagen, es erscheint wie eine Art Vorahnung des
wirklichen Geheimnisses des Porzellans, dadurch, daß hier ein Ton mit einem Fluß-
mittel, als welches die Kalk enthaltenden Muscheln und Knochen anzusehen sind,
zusammengetan wird, wäre nur auch hier wieder der Ton als ein feuerbeständiger,
mithin als ein voller Gegensatz zu den Flußmitteln erwähnt. Doch gerade von
diesem Gegensatz, der das eigentliche Prinzip des Porzellans ausmacht, ist auch hier
noch in keiner Weise die Rede. Im Gegenteil, ausdrücklich werden Knochen als ein
Mittel den Ton zum Fließen zu bringen genannt. Und so stellt dies Rezept doch
wohl nur eine Erweiterung zu den Angaben des Buches dar, in dem Sinne, daß
hier Knochen an die Stelle jener ,, gewissen andern Bestandteile" gesetzt sind, die
38 Die Erfindung.
in den Angaben dieses Buches noch neben den Muscheln erwähnt werden, ohne
daß sie jedoch besonders bezeichnet werden. Und wie wenig Böttger selber von
der Brauchbarkeit diesesRezepts überzeugt gewesen sein muß, das geht gleich aus
einem andern dicht dabei befindlichen hervor, das da besagt i^^^) „die Chinesen
machen ihr Barcelin aus nichts andrem als Kiesel calciniert und geschlemmt, auch
wohl mit etwas sehr feinem geschlemmten Thon vermischt, wie denn der bloße, feine
Thon mit sehr wenig Nitro" — d. i. Salpeter — (,, sonst reißt er") vermischt oder
noch besser mit Wasser, worinnen Nitrum solviret, angemacht, in Feuer durch-
sichtigwird. NB am allerbesten ist es, wenn unter den calcinirten und geschlemm-
ten Kiesel zarte Kreide gemengt nach behöriger Dosi, so fließt es leicht, wird
durchsichtig und reißt nicht" und ziemlich selbstbewußt fügt er hinzu: ,, welches
das ganze Arcanum". In der Tat finden wir hier zunächst alle Bestandteile bei-
sammen, aus denen das Porzellan in der Regel zu bestehen pflegt, Ton, Quarz
(Kiesel) und Kreide als Flußmittel, aber wie ist hier das Verhältnis aller dieser
Bestandteile im Vergleich zum wirklichen Porzellan verschoben! Der Quarz,
sonst, wie oben erwähnt, ein durchaus entbehrliches, die Fabrikation des Porzellans
nur erleichterndes Ingredienz, erscheint hier als Hauptbestandteil, der Ton aber
als nicht unbedingt nötige, durchaus geringfügige Beigabe. Salpeter tritt hinzu,
ein Hauptbestandteil des Glases, und soll gar den Ton durchsichtig machen. Das
ist kein keramisches Rezept mehr ! Mittelst dieses war höchstens wieder ein Fritten-
porzellan zu erlangen. Das Geheimnis des Porzellans jedoch war Böttger — das
ergibt sich aus diesen Angaben mit Sicherheit — damals so unbekannt, wie allen
seinen Vorgängern, die sich mit diesem Problem befaßt hatten, ja, letzteres Rezept
war durchaus geeignet, auch Böttger auf völlig falsche Wege zu locken, auf jene,
von denen es so schwer ein Zurück gab. Ein Glück für ihn und uns, daß er sich
damals, wenigstens soviel wir wissen, mit praktischen Herstellungsversuchen auf
diesem Gebiete noch nicht abgegeben! Vielleicht daß er sonst den richtigen Weg
zum Porzellan niemals gefunden hätte !
Fest steht jedoch, daß jetzt im Jahre 1708 die Idee, das Porzellan zu erfinden,
genau wie die der Begründung der Fliesenfabril^ eine Folge der alchimistischen
Untersuchungen Böttgers und Tschirnhausens war, und zwar der intimeren Beschäf-
tigung mit den „farbigen Erden", zu denen damals sicherlich auch die ausgesprochen
weiß gefärbten gezählt sein werden i"^, und es kann zugleich wohl kein Zweifel
darüber bestehen, daß es namentlich Beobachtungen, die man betreffs ihres ver-
schiedenartigen Verhaltens im Feuer, ihres Flüssigwerdens oder ihres Festbleibens
machte, waren, die zu weiteren keramischen Taten reizten. Denn gerade darauf,
auf die Einwirkung einer hohen Glut auf die verschiedenen Stoffe, hatte sich ja
bisher der größte Teil der alchimistischen Untersuchungen beider gerichtet. Dennoch
ist es nicht vor dem März des Jahres 1708, daß wir die erste Nachricht besitzen,
die eine vielleicht schon damalige Beschäftigung mit diesem Problem vermuten
läßt. Damals ist davon die Rede, daß Kreide zu Böttgers Experimenten nach
Dresden eingeführt werden soll, und man zerbricht sich gar sehr den Kopf darüber,
Beginn der Erfindungsversuche.
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Abb. 7. Japanisches Porzellan, aus der Zeit der Erfindung des Porzellans. Dresden, Kgl. Porzellansammlung-.
wie dies so heimlich als nur irgend möglich geschehen kann. Es wird da unter
anderm vorgeschlagen, daß man sie als Ton einführen soll, daß Vorräte von Kreide
bei verschiedenen Kaufleuten gekauft werden, aber dort, bis man sie brauche, be-
lassen werden sollen^"*). Die starke Geheimnistuerei fällt auf und läßt darauf
schließen, daß dieser Stoff zu etwas ganz Besonderem verwandt werden soll. Tat-
sächlich hat man Kreide später sehr viel zur Porzellanherstellung benutzt ^°^), wie
auch jenen Alabaster, für den sich ja bald darauf, wie bereits erwähnt, Dr. Bartelmei
auf seiner großen keramischen Informierungsreise in Nordhausen so sehr inter-
essierte. Genau um dieselbe Zeit aber hatte es Böttger auch ungemein wichtig mit
der Anlegung einer großen Grube, die weit über 1000 Taler kosten sollte ^°^) und zu
der Böttger sogar selber Geld vorstrecken wollte, wenn er auf andere Weise keines
erlangen könne, die aber, wie ausdrücklich berichtet wird, ausschließlich
deshalb angelegt werden sollte, weil selbst Böttger damals noch der alten, oben
berichteten Sage Glauben schenkte, nach der die Chinesen ihre Porzellanmasse
hundert Jahre und mehr unter der Erde vergrüben, bevor sie dieselbe verwandten^"^).
Sie scheint freilich niemals fertig geworden zu sein, obgleich sie bereits über 400 Taler
gekostet hatte. Endlich aber im Juli dieses Jahres wird dann Dr. Bartelmei ge-
zwungen, an entlegener Stelle in Gegenwart mehrerer Zeugen einen neuen Eid
zu schwören, des Inhalts, daß er gelobt, alles völlig geheimzuhalten, was Böttger ihm
hinsichtlich ,, unterschiedener dem Ostindischen sich zur durchsichtigkeit gleich
40 Die Erfindung.
brennender porcellain massen" als auch deren Brennen, Glasuren und Farben
mitteilen wird. Und in einem zweiten Eide, verspricht er weiter, alles, was Böttger
ihm über das Porzellan sowie über andere Arcana mitteilen werde, auf seine Brauch-
barkeit hin zu untersuchen und über das Ergebnis dem Könige gewissenhaft Bericht
abzustatten^"'). Es ist das erste Mal, daß in den Nachrichten dieser Zeit das
keramische Produkt, das Böttger- damals suchte, wirklich so bezeichnet wird, daß
wir nicht mehr zweifeln können, daß es sich nun wirklich um die Auffindung des
Geheimnisses des echten Porzellans gehandelt hat. Daß aber diese damals bereits er-
folgt wäre, oder daß man diesem Ziel überhaupt schon nahe gewesen wäre, ja auch
nur schon berechtigte Hoffnungen dazu gehabt hätte, das geht aus allen diesen
Angaben durchaus nicht hervor, erscheint auch in Anbetracht dessen, was man weiter
über diese Angelegenheit hört, in keiner Weise wahrscheinlich. Man war damals
eben in der Umgebung Böttgers vorsichtig und ließ derartige Eide lieber
schwören, bevor die bedeutenden Erfindungen, auf die sie sich bezogen, gemacht
waren.
Tatsächlich sollte die Erreichung dieses großen Zieles, um das sich bereits Jahr-
hunderte abgemüht hatten, dem Tschirnhausen schon einmal, aber vergeblich,
zugestrebt hatte, auch dem endlichen Erfinder nicht ohne weiteres und in allzu kurzer
Zeit gelingen. Ein Umweg mußte erst noch gemacht werden, der zunächst wie ein
völliger Abweg von der eigentlichen Hauptbahn erscheint, da er zunächst zur Er-
findung einiger neuer keramischer Produkte führte, die mit dem Porzellan kaum
irgend etwas zu tun zu haben schienen, doch aber dem Erfinder gerade dasjenige in die
Hand geben sollten, wonach bisher alle Gleichstrebenden sich vergeblich gesehnt
hatten, ohne dessen Auffindung aber, wie die Vergangenheit deutlich genug bewiesen
zuhaben schien, das wirkliche Porzellan zu gewinnennichtmöglich war: sein Prinzip,
das Prinzip der Zusammensetzung seiner Masse. Damit aber ward der eigentliche
Hauptschritt zur Erfindung des Porzellans getan. Zugleich aber wurde dadurch,
daß Böttger dies Prinzip lediglich vom Boden der Keramik aus entdeckte, er nun
an dieser Stelle völlig davor bewahrt, dies Prinzip, wie alle seine Vorgänger, im
Bereich der Glasfabrikation zu suchen: so viel wir wissen, ist Böttger praktisch
niemals darauf ausgegangen, die Herstellung des Porzellans mittelst einer Fritte
zu suchen, auf die seine früheren Rezepte allem Anscheine nach noch hinaus-
gelaufen waren. Er hat vielmehr, mitten in seinen übrigen keramischen Arbeiten
begriffen, auch das Geheimnis des Porzellans im Bereich der Keramik zu finden
gesucht und es hier dann auch endlich, eben weil er es hier suchte, glücklich
gefunden.
Doch auch diese neuen keramischen Erfindungen, die für die ganze Weiter-
entwicklung der Böttgerschen keramischen Arbeiten eine so große Bedeutung
gewinnen sollten, sind, wie alle seine bisherigen keramischen Bestrebungen ^°^),
eine Folge der bis dahin gemachten alchimistischen Untersuchungen und Beob-
achtungen gewesen ^"^). Sie gingen gleichfalls aus von der Prüfung der farbigen
Erden, in diesem Falle wohl, wie sich später zeigen wird, in erster Linie von der der
Marmorierte Fliesen. 41
roten, die schon um ihrer Farbe ^^°) willen, da gerade sie um ihrer Verwandtschaft
mit der des Goldes willen in der Alchimie eine bedeutende Stellung einnimmt,
bei derartigen Untersuchungen eine ganz besondere Rolle gespielt zu haben scheinen.
Indem man jetzt auch diese unter die großen Brenngläser nahm und sie dort, wie alle
anderen Materien, die zur Untersuchung gezogen wurden, zu schmelzen ver-
suchte, machte man hier die an sich wohl nicht gerade auffällige Beobachtung, daß
„immer eine vor der anderen flüssig als die andere, auch aus denen geflossenen
gesehen, daß immer eine andere Koleur als die andere im Flusse gebe", d. h. mit an-
deren Worten, daß die verschiedenen Erden dieser Art bei ganz verschiedenen Hitze-
graden zu schmelzen begannen, auch hinsichtlich ihrer Farbe sich hierbei durchaus
verschieden verhielten. Es handelte sich hier um Beobachtungen farbiger Verände-
rungen unter dem Einflüsse von Hitze, wie sie ähnlich Tschirnhausen schon früher bei
seinen eigenen Experimenten gemacht zu haben scheint ^^^). Aber den nun mitten im
keramischen Fahrwasser Befindlichen gaben sie eine neue keramische Idee ein :
man beschloß, diese farbigen Erden miteinander zu vermengen und aus ihnen,
wie es heißt, ,,auf Art deren Holländischen blauen Delfter" Fliesen herzustellen,
Fliesen, wie man sie ja gerade damals auch durch die Steinbäckerei zu fabrizieren
strebte, die sicherlich auch zum Aufkämmen dieser neuen keramischen Idee die
Anregung gegeben haben werden.
In Wirklichkeit scheint es sich hier um die Herstellung eines künstlichen ^^^j
Edelgesteins, einer Art Kunstmarmor, gehandelt zu haben und damit um die Ge-
winnung eines sich äußerlich prächtig und wertvoll gebenden Produktes aus
an sich wertlosen und unansehnlichen Stoffen. Versuche dieser Art lagen damals
in der Luft, ja sie scheinen, wenn sie sich auch vor diesen Versuchen Böttgers
in Sachsen nicht nachweisen lassen i^^), doch für diese Zeit geradezu typisch ge-
wesen zu sein, für diese Zeit des Barocks, die den äußeren Glanz und Prunk liebte,
mehr als wohl irgendeine Epoche vor oder nachher. Die Rezeptbücher und
technischen Anweisungen dieser Zeit sind voll von derartigen Rezepten, die freilich
in der Regel zunächst auf das noch lohnendere Ziel hinwiesen, die noch kostbare-
ren Edelsteine wie Rubine, Smaragde, Saphire usw. nachzubilden, und wenn man
ihnen Glauben schenkt, so war dies Streben auch schon vielfach aufs allerbeste
geglückt. Doch hier in Sachsen war man damals keineswegs mit diesen verwandten
Bestrebungen gleich so glücklich. Sei es, daß das Gemenge verschiedenfarbiger
Erden — wie es sehr wahrscheinlich ist — nach dem Brande stumpf und unan-
sehnlich ausfiel, oder sei es, daß man ihm nur jenen Glanz zu geben strebte, den
ihr Vorbild, die Delfter Fliesen durch ihre prächtige Glasur zu empfangen pflegten:
als man, da für das neue Produkt keine Glasur zur Verfügung stand, auf
die Idee kam, an Stelle einer solchen ein Mittel anzuwenden, das an sich der
Keramik damals so fremd wie nur irgendeines war, das aber gerade dem Kreise,
in dem sich Böttger bewegte, ungemein nahe lag, da es die Haupttechnik Tschirn-
hausens bei allen seinen bisherigen industriellen und selbst optischen Unterneh-
mungen gewesen war, kurz als man zu diesem Zwecke die der Glas- und Edel-
42 Die Erfindung.
stein-Industrie entnommene Technik des Schleifens anwenden wollte, mißlang dies
vollkommen. Es stellte sich naturgemäß heraus, daß die verschiedenfarbigen, nun
zusammengemischten Erden nach dem Brande, je nachdem sie im Feuer flüssig
geworden waren, auch die durch das Schleifen bewirkte Politur ganz verschieden
annahmen, in der Weise, daß die strengflüssigeren, die nach dem Brande weniger
zusammengesintert und darum poröser ausfielen, sich weniger gut schleifen ließen
als die leichtflüssigeren, aber nach dem Brande in ihrer Struktur geschlosse-
neren. Die Oberfläche eines solchen Stückes gab sich nach dem Schleifen gänzlich
verschieden, ihre Einheitlichkeit ging verloren, sie ward nicht gleichmäßig glatt.
Mit diesem Resultate war noch nicht allzuviel anzufangen.
Doch gerade dieser Mißerfolg, so bedrückend er auch für den Augenblick
gewirkt haben mag, und so leicht er diese ganzen keramischen Bestrebungen damals
zum völligen Stillstand hätte bringen können, er ward der eigentliche Anlaß zu
einem ganz bedeutenden technischen Fortschritt, zu jenem, der dann am Ende
dieser ganzen Entwicklung wirklich zur Erfindung des so heiß ersehnten Por-
zellans geführt hat. Not macht erfinderisch, und so betrat man nun hier,
um aus diesem unerwarteten Dilemma herauszukommen, einen Weg, der für die
Keramik gänzlich neu war, der aber schließlich, wenn konsequent befolgt, zur
Erkenntnis jenes Prinzips, das das des Porzellans darstellt, führen mußte: man kam
auf die Idee des Mischens, des Zusammenmengens verschiedener Massen, die sich
im Feuer hinsichtlich des Fließens durchaus verschieden verhielten, man ver-
mengte mit den strengflüssigeren Erden leichtflüssigere, sogenannte Flüsse,
die für sich allein in der Hitze zu schmelzen und dann nach der Erkaltung eine
geschlossene Masse zu bilden pflegten, nun aber in Verbindung mit den streng-
flüssigeren, nach dem Brande porösen Stoffen in deren Poren drangen und
sie ausfüllten, so daß ihr Gemenge gleichfalls kompakt und geschlossen ausfiel.
Und so kam man schließlich dahin — jedenfalls aber erst nach vielem Probieren
— , für die verschieden gefärbten, aber zu einem Stücke vereinigten Erden,
die gleiche Leichtigkeit des Flüssigwerdens im Brande wie denselben Grad des
Geschlossenseins nach demselben zu erreichen. Und hierauf ließ sich dann auch
die Politur mittels Schleifens an allen Teilen in gleicher Weise anbringen. Damit
aber war das Ziel, das bei diesen Versuchen zunächst vorgeschwebt hatte, völlig
erreicht: man hatte die Möglichkeit gewonnen, ein mehrfarbiges keramisches
Produkt zu erzielen mit glänzender Oberfläche, ein Produkt, das, wenn wirklich
gut ausgeführt, für die Keramik eine ebenso neue, wie glänzende Bereicherung
bedeutete.
Doch war damit nun nicht auch wirklich zugleich der Weg zur Erkenntnis des
Prinzips des Porzellans gefunden ? Was war bisher geschehen ? Man hatte — soweit
wir es heute noch feststellen können — zum erstenmal in der Keramik eine Masse
aus verschieden fließenden Materien, aus leicht- und strengflüssigen, zusammen-
gestellt, man hatte letztere in ihrer Gegensätzlichkeit in diesem Punkte einander
gegenübergestellt. Jetzt brauchte man nur in dieser Weise noch weiter zu gehen,
Annäherung aus Prinzip.
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Abb. 8. Böttgersteinzeug, Probeplatten mit Schleif versuchen. Länge 14 cm. Dresden, Kgl. Porzellansammlung.
man brauchte nur den Gegensatz der beiden Stoffe hinsichtlich ihrer Schmelzbarkeit
bis zu seinem äußersten Extrem zu führen, d. h. einen völlig unschmelzbaren
Stoff mit einem schmelzbaren zu verbinden, und das Prinzip des Porzellans war in
der Tat gefunden, damit die Möglichkeit gegeben, jetzt jene keramische Materie
zu gewinnen, die auf der einen Seite durch ihre Masse sich kompakt gibt, wie sie
auf der anderen Seite durch ihre Durchscheinbarkeit den Anschein von etwas
Lockerem und Unfestem erweckt.
So war zum erstenmal für uns noch heute erkennbar in der Geschichte der
Porzellanerfindung wirklich der Augenblick gekommen, da es möglich war, das
echte Porzellan zu erfinden, und er sollte nun auch in der Tat nicht ungenutzt vor-
übergehen. Es ist das große Verdienst des endlichen Erfinders des Porzellans ge-
wesen, daß er die Bedeutung des für ein ganz anderes keramisches Produkt auf-
gefundenen Prinzips damals auch für dies große Problem wirklich erkannt, daß
er aus ihm die richtigen Schlüsse gezogen und mit aller Konsequenz durchgeführt
hat. Dadurch allein, durch die weitere geistige Arbeit des Entdeckers dieses
Prinzips nach dieser Richtung hin, ist dann die bedeutende Tat auch wirklich
zustande gekommen.
Doch noch immer nicht allsogleich. Auf den Umweg, der zur Feststellung
des neuen keramischen Prinzips geführt hatte, sollte noch ein kleiner Abweg folgen,
ein kleines Abschweifen, das zwar durchaus im Bereich der Keramik blieb und
hier wiederum mit einer Tat schloß, die ihrem Urheber alle Ehre machte und für
die Keramik gleichfalls wiederum eine wirkliche Bereicherung bedeutete, die Er-
findung des Porzellans jedoch, wie wir heute wissen, kaum nennenswert gefördert
hat, wenn man hierüber auch damals zu den Zeiten der Erfindung ganz anders
gedacht hat. Auch diese neue Erfindung ging wieder, wie alle die bisherigen kerami-
schen Bestrebungen Böttgers, von den Untersuchungen der gefärbten Erden und den
44 Die Erfindung.
hierbei gemachten Beobachtungen aus, sie war gleichfalls die Folge der nun einmal er-
weckten keramischen Lust, die zu immer neuen Projekten antrieb, zu immer neuen
Erzeugnissen, von deren industrieller Ausnutzung man sich einigen Vorteil für
Sachsen versprechen konnte. Man hatte unter den farbigen Erden — aller Wahr-
scheinlichkeit nach, wie oben bereits angedeutet, schon aus alchimistischen Gründen —
auch die roten Erden vorgenommen, war hierbei auch auf jene durch Eisenoxyde
rot gefärbte, damals ,, Nürnberger Rot" oder ,, Nürnberger Erde", auch Bolus
oder Terra sigillata genannte Erde gestoßen, die seit dem 16. Jahrhundert
bereits in den Arzneischatz eingeführt war^^^) und darum sicherlich Böttger, dem
ehemaligen Apotheker, schon lange vorher bekannt gewesen sein muß. Auch Dr.
Bartelmei hatte ja auf seiner Informationsreise nach Leipzig einen solchen roten
Ton bei den dortigen Händlern gefunden und Proben von ihm mit den ebenfalls
dort aufgefundenen weißen Erden nach Dresden senden lassen^^^). Auch war viel-
leicht schon damals eine solche Erde in Dresden bei einem gewissen Kaufmann
Böhme zu erlangen, von dem sie Böttger später nachweislich lange Zeit bezogen
hat^^^). Nun aber stellte es sich heraus, daß wenn man diese Erde mit einem
Lehm als Flußmittel vermischte, den man sich ganz nahe von Dresden aus dem
südwestlich von dieser Stadt gelegenen sogenannten Plauenschen Grunde holte
und der sich als besonders leichtflüssig im Feuer herausgestellt hatte, diese Mischung,
da der Lehm die an sich porös ausfallende rote Erde völlig durchdrang, eine
Masse ergab, die nach dem Brande ganz ,, kompakt" oder, wie man damals auch
sagte, ,,porcellainhaft" ausfiel, und zugleich, wenn hart gebrannt, die Politur durch
Schleifen in höchst erfreulichem Maße annahm. So schien sie sich ganz besonders
gut zur Herstellung der gewünschten Fliesen zu eignen. (Abb. 8.)
Doch jetzt war die Zeit gekommen, wo man sich hier auf dem Gebiet der
Keramik keineswegs mit der Herstellung solcher einfachen Sachen begnügen, wo
man seinen keramischen Wirkungskreis vielmehr beträchlich erweitern wollte. Schon
um diese Zeit wird es gewesen sein, daß man auch der in Alt-Dresden begründeten
Steinbäckerei eine sogenannte ,, Rundbäckerei" hinzuzufügen suchte, eine Anstalt,
in der, wie es in fast allen Fayencefabriken zu geschehen pflegte, in erster Linie
Hohlgefäße, d, h. auf der Töpferscheibe gedrehte oder sonstwie geformte Gefäße,
hergestellt werden sollten ^^^). Eine solche Fabrikation bot, wenn siegelang, noch
ganz andere Aussichten auf Einnahmen, als die von Fliesen, mit deren Herstel-
lung man hier bescheiden genug angefangen hatte. Um sie durchzuführen, reichten
freilich die Kenntnisse des Meisters der Steinbäckerei, der inzwischen nicht einmal
mit seinen Fliesen zustande gekommen war, nicht aus. So hatte Böttger seine Blicke
von neuem nach auswärts schweifen lassen müssen und einen gewissen Peter Egge-
brecht aus Berlin herbeigeholt^^^), den er wahrscheinlich der dort gegründeten,
bereits oben erwähnten ^^^) Fayencefabrik, die damals von einem gewissen Funke
geleitet wurde, entzog. Ihm wurden noch einige sächsische ^2°) Töpfergesellen bei-
gegeben. Nun beschloß man, auch die neu erfundene rote Masse zu gleichen Zwecken
zu verwenden, auch aus ihr Gefäße zu bilden.
Das rote Steinzeug.
45
Abb. 9. Chinesisches rotes Steinzeug aus der Zeit der Erfindung des Büttj;ersteinzeug-s. Dresden, Kgl. Porzellansammlung.
Es kann kein Zweifel sein, daß Böttger zu diesem Entschluß starke Anregungen
von außen empfangen hat. Vielleicht schon durch jenes bereits oben erwähnte
Buch, betitelt: „Wieder Neuaufgerichtete und vergrößerte in zwey Theilen an-
gewiesene erwiesene Kunst und Werkschule" ^2^), indem sich ein Kapitel aus dem
gleichfalls bereits erwähnten „Weise Narrheit und närrische Weisheit" betitelten
Buche des Chemikers und Nationalökonomen Becher befindet, das bei Erwähnung
der oben angeführten Porzellanversuche in England bereits als Rezept für das
dort damals gleichfalls gemachte rote Steinzeug Bolus, vermischt mit Lehm, angibt,
also genau jenes, das auch Böttger befolgt hat. Sicher aber ist ^2^), daß Böttger bei der
Herstellung und Ausnutzung dieser Masse genau wie bei seinem Suchen nach dem Ge-
heimnis des Porzellans, ein chinesisches Erzeugnis vor den Augen stand, jenes schon
mehrfach erwähnte, damals gleichzeitig mit dem chinesischen Porzellan in größeren
Mengen aus China nach Europa gelangende Steinzeug, das dort in der Provinz Ji-
shing seit dem 16. Jahrhundert hergestellt wurde ^^^) und anfangs unter dem Namen
boccaro von den Portugiesen nach Europa gebracht worden war, jenes keramische
Produkt, das, wie erwähnt, bereits in den Kreisen, wo man wie Böttger nach der
Erfindung oder Nachahmung des Porzellan strebte, in Holland wie in England zu
mehrfachen Nachahmungen geführt hatte. Es v/ar in der Tat ein recht hübsches
Produkt, in der Regel von schöner roter Farbe; doch gab es daneben auch Spiel-
arten in gelben, grauen, braunen und schwarzen Tönen, ja, es war den Chinesen
sogar gelungen, verschieden gefärbte Tone an einem und demselben Stücke zu
vereinen ^24^ l^ China selber erfreute sich dieses Produkt einer ganz besonderen
Beliebtheit, da man der Ansicht war, daß es das Leibgetränk der Chinesen, den
Tee, ganz besonders lange warmzuhalten vermöchte. Es wurden daher aus diesem
Stoffe in erster Linie Geschirre zum Teetrinken hergestellt, Teetöpfe und Tee-
46 Die Erfindung.
lassen, erstere oft in merkwürdig phantastisch-naturalistischen Formen, da sie,
fast ausschheßlich plastisch verziert, durchaus jener eigenartigen Formensprache
verfielen, die die chinesische dekorative Plastik von je ausgezeichnet hat (Abb. 9).
Auch in Europa standen diese Erzeugnisse in ganz besonderem Ansehen, weil die
keramische Unkenntnis der Zeit sie durchaus für Porzellan hielt. Denn der Begriff
Porzellan war damals bei dem noch völligen Mangel einer keramischen Nomen-
klatur und Systematik ein ganz erstaunlich weiter. Fayencen wie Steinzeug ward
dieser Name ganz ohne Bedenken beigelegt, ersteren wohl in der Regel, um durch
möglichst klangvolle Bezeichnung ihren Wert zu erhöhen. Wollte man dann das
wirkliche Porzellan im Gegensatz zu diesen wirklich klar als solches bezeichnen,
dann blieb kaum etwas anderes übrig, als auf seine hervorstechendste, von keinem an-
deren keramischen Produkt geteilte Eigenschaft der Durchscheinbarkeit hinzuweisen
und es kurzer Hand das durchscheinende Porzellan zu nennen ^^s^ §q j^g^jj^ gg^
daß sicherlich damals keiner eine Ahnung hatte, daß dieses chinesische Steinzeug
viel eher den festen, steinharten Produkten verwandt war, die namentlich in
Deutschland, am Rhein, in Franken und andern Orten schon seit Jahrhunderten
hergestellt wurden und heute ganz allgemein als Steinzeug bezeichnet werden,
als jenem delikaten Erzeugnis, das heute allein noch Porzellan heißt und ein so
gänzlich andersgeartetes keramisches Erzeugnis ist.
Auch von Böttger und seiner Umgebung ist dies chinesische Erzeugnis mit voller
Überzeugung für Porzellan gehalten worden, es hieß dort „rotes Porzellan". Darum
erhielt auch seine Nachahmung diese Bezeichnung: stolz ward sie jetzt ,, Jaspispor-
zellan" genannt, nach jenem schönen, in der Regel roten Edelgestein, das gerade in
Sachsen, im Erzgebirge, sich an mehreren Stellen vorfand und wahrscheinlich der
erste ,, Landedelstein" gewesen ist, den T^cÄtmÄaM^e^i künstlerisch hatte bearbeiten
lassen^^^). Gewiß spielte auch wieder bei dieser Benennung, wie bei der Herstellung
der marmorierten Fliesen die damals so beliebte Nachahmung edleren Gesteins mit
hinein, der ja dann auch die auch an diesem Stoffe bald angewandte Technik
des Schleifens entsprach.
Indessen, was ßö/^ger jetzt erstrebte, die Ausnutzung dieser Masse zur Gewin-
nung von Gefäßen, gelang zunächst ebensowenig, wie dies bisher in der neugegrün-
deten Rundbäckerei mit der Fayence glücken wollte. Die Schuld lag freilich in
keiner Weise an dem Erfinder, vielmehr allein an der Schwierigkeit, so plötzlich
in Dresden, das bisher in der Töpferkunst nicht die geringste Rolle gespielt hatte,
einen höheren keramischen Betrieb einzurichten. Böttger selber war ja auf diesem
Gebiet kein Fachmann. Auch die Bücher, die ihm für dies Gebiet zur Verfügung
standen, konnten die fehlende Praxis ebensowenig ersetzen wie die Erkundigungen,
die Dr. Bartelmei hierüber auf seinen Informierungsreisen eingezogen hatte. So
war Böttger durchaus auf die simplen Praktiker dieses Gebiets, die Töpfer, ange-
wiesen. Aber gerade diese zu gewinnen, hielt damals schwer genug. Ganz Deutsch-
land war ja damals ein Land, in dem die Keramik, verglichen mit der anderer
Länder, nicht allzu hoch stand; die Fayencefabriken, die jetzt, der Mode der Zeit
Technische Hindernisse. 47
folgend, an vielen Stellen entstanden, waren damals fast alle im Stadium des An-
fanges, mühten sich zum Teil ebenso ab, etwas Brauchbares zustande zu bringen,
wie es die Stein- und Rundbäckerei Böttgers tat. Wirklich geschulte Kräfte
von auswärts zu bekommen, hielt daher ungemein schwer. In Sachsen selber aber
vor allem stand ja die Keramik damals nicht sehr hoch. Es wurde dort allem
Anscheine nach an einer Stelle ein mäßiges Steinzeug hergestellt, sonst gab es,
soweit wir wissen, nur Töpfereien, in denen die einfachsten Produkte aus schwach
gebrannten Massen mit einfachen Glasuren hergestellt wurden^^?) p^r die Rund-
und Steinbäckerei hatte Böttger daher von vornherein, wie gezeigt, Töpfer von
auswärts zu bekommen sich bemüht, für die rote Masse jedoch versuchte es
Böttger, wohl weil dies bisher doch nicht allzuviel genutzt hatte, mit einheimischen
Kräften, zunächst mit dem Dresdner Hoftöpfer Fischer^^^). Dieser drehte, nachdem
die Arbeiter Böttgers vorher die Materialien gestoßen und auf Marmorplatten
gerieben, dann auf einer Maschine dieses Töpfers gemahlen hatten, und die Masse
dann auch im übrigen fertiggestellt worden war, die ersten Stücke aus derselben
auf. Da er jedoch, allem Anscheine nach die Notlage, in der sich Böttger be-
fand, ausnutzend, für einige wenige Proben, die er ihm aufdrehte, täglich nicht
weniger als einen Dukaten verlangte, so sah Böttger sich bald nach billigeren Hilfs-
kräften um. Doch es hielt schwer genug, solche zu bekommen, obwohl am
Rathause zu Dresden ein königliches Patent angeschlagen ward, des Inhalts,
daß einige Töpfer angenommen und gut bezahlt werden sollten: es meldete sich
einfach niemand, da merkwürdigerweise allgemein an dem dauernden Bestand des
neuen Unternehmens gezweifelt wurde und daher wohl keiner gewillt schien, seine
bisherigen festen Positionen freiwillig aufzugeben. In seiner Not wandte man sich
da nach Pirna, wo schon damals wie später die Töpferei lebhaft betrieben wurde i^^),
ja, man schickte eigene Deputierte dorthin, unter denen sicherlich wieder
Dr. Bartelmei gewesen sein wird, denen es auch endlich gelang, einen dortigen
Meister und Bürger namens Peter Geitner zu überreden, mit nach Dresden zu
kommen. Doch auch dieser scheint nicht allzuviel von seiner Kunst verstanden
zu haben. Denn es mußte ihm erst ein Goldschmied, der „Hofsilberarbeiter" Johann
Jakob Irminger, ein tüchtiger, geschickter Mann, der bald noch die engste Verbin-
dung mit Böttgers keramischen Unternehmungen gewinnen sollte, im Hause des
Dr. Bartelmei auf Grund seiner Kunst, in Silber zu drehen, diese Technik in dem
ihm an sich ganz fremden Materiale beibringen, was schließlich auch gelang, nicht
ohne daß jedoch auch noch Peter Eggebrecht, der Berliner Meister der Altdresdner
Steinbäckerei einige Belehrungen dazu gab, die wirkliche Verbesserungen waren.
Sobald aber dann die Gefäße glücklich aufgedreht und gebrannt waren, wurde
gleich versucht, auch ihnen Verfeinerung durch jenes Schleifen zu geben, das
man bisher bei den marmorierten Fliesen zur Anwendung gebracht hatte. Böttger
hatte vielleicht für dieses schon damals einen Glasschleifer engagiert ^^°). Es gelang
völlig, sobald die Masse so fest zusammengebrannt war, daß sie nicht mehr an der
Zunge klebte, d. h. nicht mehr porös war^'^), und damit war auch diese Masse in
48 Die Erfindung.
jeder Beziehung keramisch brauchbar geworden. Aber es muß eine aufregende
Zeit gewesen sein. Tag und Nacht, so wird berichtet, mußten die Arbeiter die
Materialien stoßen, auf den Marmorplatten reiben und der Maschine des Hoftöpfers
mahlen. Vor Eifer kamen Böttger und seine Gehilfen verschiedene Nächte
hintereinander nicht ins Bett, so daß sie zuletzt über der Arbeit einschliefen.
Unaufhörlich brannten fünf Laborieröfen ; man machte immer neue Versuche im
Brennen, endlich bekam das neue Produkt eine solche Vortrefflichkeit, daß Böttger
damit völlig zufrieden war. Man war am Ziele seiner Wünsche ^^2).
Als aber dann Eggebrecht sich an die Arbeit gemacht hatte und es ihm gelang,
in wenigen Stunden soviel Gefäße zu verfertigen, als zuvor kaum in 14 Tagen zu-
stande gekommen waren, da ließ Böttger größere Öfen bauen, die — wohl aus
Vorsicht, d. h. um einer langsamer steigenden Erhitzung |der Produkte willen —
fünf Tage und fünf Nächte brannten. Böttger selber kam hierbei wieder nicht
vom Platze, er leitete selber den Brand, nur dann und wann kühlte er sich in
einer Kohlenkammer ab und ruhte ein wenig, und auch dieser Brand gelang voll-
kommen. In seiner Freude scheint er dann damals bereits auch dem König
hiervon Nachricht gegeben zu haben. Er kam selber zum nächsten Brande mit
seinem Statthalter, dem Fürsten von Fürstenberg, und Böttger soll ihm die Güte
seines neuen Erzeugnisses durch das recht drastische Mittel dargetan haben, daß
er eine Teekanne aus der Glut herausnahm und in ein Gefäß voll Wasser warf,
ohne daß sie zersprang oder auch nur einen Riß bekam. Man kann sich den
Beifall des Königs denken. ► Er soll Böttger damals mit Ehrungen überhäuft
haben^33).
Wir wissen heute leider in keiner Weise, in welchem Monat des Jahres 1708
Böttger auf diesem Gebiete seine ersten Erfolge hatte, wann überhaupt die Er-
findung dieser roten Masse gelang, ebensowenig, wann zuerst der Plan auftauchte,
sie zu erfinden, und wann sie wirklich erfunden ward^^^). Vielleicht, daß
eines dieser Ereignisse es gewesen war, das Anlaß zu jenem neuen Eide gab, den
Dr. Bartelmei im Juli des Jahres 1708 hatte schwören müssen, zumal sich auch aus
dieser Zeit zum erstenmal eine Rechnung für Ausgaben findet, die für die ,, feine
Porzellanmanufaktur", worunter nach dem damaligen Sprachgebrauch durchaus
die Herstellung des roten Steinzeugs verstanden werden kann, gemacht worden
waren^^^). Vielleicht auch, daß die Erfindung erst im September geschah,
von welchem Monat an sich die ersten Lohnzahlungen für Töpfer und Glasschneider
nachweisen lassen ^3^). Nach der einzigen, wenn auch wiederum durchaus nicht
ganz genauen Zeitangabe, die wir aus dieser Zeit selber über diese Erfindung be-
sitzen, könnte sie freilich erst nach dem Oktober dieses Jahres erfolgt sein^^').
Böttger aber scheint nun, nachdem er soweit gelangt war, mit allem Eifer daran-
gegangen zu sein, diese neue Masse auch wirklich auszunutzen^ 2^), damit er dem
König endlich einmal etwas Positives und wirklichen Gewinn Versprechendes für
seine vielen bisherigen Opfer überreichen könnte. Neue Öfen sollen damals
wiederum gebaut, mehr Arbeiter angenommen worden sein, in der Neujahrsnacht
Fortgang der Porzellanerfindungsversuche. 49
aber wäre dabei durch unvorsichtiges Heizen dieser Öfen beinahe das ganze Labora-
torium Böttgers sowie das daneben befindliche Haus, in welchem er wohnte, ab-
gebrannt. Doch glückte es noch rechtzeitig, den ausgebrochenen Brand zu
löschen ^^^).
Doch inzwischen hatte man hier trotz der Erfindung der marmorierten Fliesen,
trotz des Abwegs, den dann die keramischen Bestrebungen nach dem roten Stein-
zeug hin genommen, das keramische Hauptziel dieser ganzen Bestrebungen, die
Gewinnung des echten Porzellans nicht aus den Augen verloren. Vor allem hatte
man, da die weiße Farbe für diese Untersuchungen immer der Ausgangspunkt
bleiben mußte, aufs allereifrigste nach weißen Erden gesucht und hierbei naturge-
mäß nach solchen, die auch im starken Feuer sich durch Beimengungen und
Unreinlichkeiten nicht verfärbten, vielmehr ihre weiße Farbe unverändert bei-
behielten, von denen es freilich nicht allzuviele in der Natur gibt. Von allen Himmels-
gegenden trafen damals um die Mitte dieses Jahres Tonproben ein, da auf des Königs
Befehl an alle Ämter hierauf bezügliche Weisungen ergangen waren, so aus Waiden-
burg, aus Wittenberg, aus den Alaunwerken von Belgiern, Nordhausen usw.^*°).
Auch auf der Leipziger Oktobermesse dieses Jahres hatte Böttger derartige Sachen
einkaufen, ja sich zu diesem Zwecke in des Königs Abwesenheit vom Statt-
halter, dem Fürsten von Fürstenberg, 600 Taler von seinem Gehalte abziehen
lassen, da sonst dem Könige, wie er sagte, unermeßlicher Schaden erwachsen
würde^*^)* Alle diese Tone verhielten sich unter dem Einflüsse der Glut der
Brenngläser sehr verschieden, doch wenn man jetzt eine Beobachtung wieder-
holte, die schon früher Tschirnhausen bei seinen Untersuchungen gemacht haben
wollte, nämlich, daß weiße Substanzen, die auch beim Schmelzen weiß bleiben,
am schwersten von der Hitze angegriffen würden, viel schwerer als solche, die ihre
Farbe veränderten ^^^^^ dann wurde man wie von selber zur Bevorzugung der
schwer schmelzbaren Erden geführt, und damit gerade solcher, die um dieser
Eigenschaft willen dem festen Bestandteile des Porzellans, dem Kaolin, nahe-
standen oder ihn selber schon darstellten.
Doch waren alle diese Untersuchungen der neu hinzugesandten Erden, im
Grunde genommen, damals kaum noch vonnöten. Denn das, was man jetzt, mehr
oder weniger bewußt, so eifrig suchte, das Kaolin, das besaß man, da man das
besondere Glück hatte, in einem Lande zu leben, das bis auf den heutigen Tag
ganz besonders reich ist an jenem Grundstoff, ohne den die Gewinnung des Por-
zellans gänzlich unmöglich ist, schon geraume Zeit, besaß man sogar schon vom
ersten Beginn der ganzen keramischen Tätigkeit an, ohne es freilich damals, wenn
nicht alles trügt, schon geahnt zu haben : der Colditzer Ton, den Dr. Bartelmei im Mai
dieses Jahres an Ort und Stelle ausgesucht hatte, der dann das Fabrikationsmaterial
der Stein- und Rundbäckerei geworden war, er stellte schon jenes Kaolin dar,
er war schon jene feuerfeste Materie, die man so unbedingt zur Herstellung des
Porzellans benötigte. Mittels seiner ist denn auch in der Tat hernach das Porzellan
erfunden worden, ja, er ist längere Zeit dann der Hauptbestandteil des neu erfun-
Zimmermanii, Meißner Porzellan. 4
50 Die Erfindung.
denen Produktes geblieben. Und so ist schließlich auch die Begründung
der Steinbäckerei, die Böttger zuerst diesen Ton in die Hand gab, nicht ganz
bedeutungslos für die Porzellanerfindung gewesen. Nur freilich konnte Böttger
dessen Bedeutung für das Porzellan in keiner Weise erkennen, bevor eben
nicht das Prinzip des Porzellans völlig feststand, bevor er nicht völlig sicher
begriff, in welcher Weise dieser Stoff zur Porzellangewinnung verwandt werden
müßte.
Jetzt aber war der Moment gekommen, wo man infolge der Herstellung
der marmorierten Fliesen wie auch des Steinzeugs dies Prinzip wenigstens ahnen,
wo man vermuten konnte, wie man, wenn man das Porzellan gewinnen wollte,
einen solchen Stoff zu verwenden hätte. Und nun bedurfte es tatsächlich nur noch
zweier Überlegungen, um zum Ziele zu gelangen, d. h. zunächst wenigstens zur
Erfindung der Porzellanmasse. Man mußte auf der einen Seite, wie bereits erwähnt,
das neu entdeckte keramische Prinzip bis an sein Extrem führen, indem man an die
Stelle des strengflüssigen Bestandteiles einen ganz oder fast unschmelzbaren setzte,
auf der anderen aber als Fluß eine Materie nehmen, die nicht bloß leicht ins
Fließen geriet, sondern hierbei auch schließlich durchsichtig oder durchscheinend
ausfiel, und dann, wenn es gelang, diese beiden Materien in der richtigen Weise zu-
sammenzumischen und zusammenzubrennen, dann war es sicher, daß sich eine
Masse ergab, die schon als Porzellanmasse aufgefaßt werden konnte, als solche sich
auch erkenntlich geben mußte. Damit aber war dann der größte Teil der Er-
findung des Porzellans getan.
Es ist leicht möglich, daß zur Bevorzugung ganz oder fast unschmelzbarerweißer
Erden nun in der Tat jene von Tschirnhausen bei früherer Gelegenheit scheinbar
gemachte Beobachtung trieb, daß weiße Erden, die auch im Feuer weiß bleiben,
schwer schmelzbar wären. In diesem Punkte hätte dann die Natur selber das
Finden erleichtert. Das Suchen nach einem Fluß aber, der nach dem Brande
mehr oder weniger durchsichtig ausfiel, erschien in Anbetracht der Durchscheinbar-
keit des Porzellans, welche Eigenschaft doch von mindestens einem seiner Be-
standteile geteilt werden mußte, wie völlig selbstverständlich, und als man nun
auf der einen Seite einige der leichtflüssigeren ,, Erden", wie Kreide, auch
,, Steine", wie Alabaster, Marmor und ,,Spat", kurz, kieselsäurehaltige Mineralien
und Flüsse, von denen ja mehrere, wie namentlich Kreide und Alabaster, allem
Anscheine nach schon seit längerer Zeit zur Untersuchung herangezogen worden
waren, auf der anderen Seite schwer schmelzbare Erden, in erster Linie aber den
Ton von Golditz, nachdem man sie alle durch Kalzinieren, Schlemmen u. dergl.
vorher gehörig vorbereitet hatte, miteinander zu einer ,, Masse" vereinigte und diese
dann in kräftigem Feuer in Fluß trieb, da war man in der Tat an dem so
langersehnten Ziele angekommen, da ergab sich eine halbdurchsichtige, milch-
weiße Masse, die dem Porzellane sehr nahe zu kommen schien und es auch
wirklich tat. Und in der Freude seines Herzens ward man poetisch und gab
diesem neuen Produkt in der phantastisch-mystischen Weise, in der sich die Alchi-
Die Erfindung des Porzellans. 51
misten immer gefielen, die schöne Bezeichnung: Semidiaphanum tremuli Narcissuli
ideam lacteam, d. h. halb durchsichtig und milchweiß wie die Narzisse. Von diesem
Erzeugnisse aber ausgehend, ist man dann durch ewiges Weiterprobieren, Mischen
und Brennen, wobei namentlich die zum Garbrennen solcher Massen erforderlichen
hohen Temperaturen eine Haupterschwerung der Arbeit dargestellt haben
werden, zu einer Masse gelangt, die dem, was die Chinesen Porzellan nennen,
immer ähnlicher ward und schließlich auch als durchaus verarbeitungsfähig
erschien.
Wir wissen heute leider wiederum nicht, zu welcher Zeit man damals soweit
gelangt ist, zu welcher Zeit vor allem die Herstellung jener ersten porzellanartigen
Masse gelang, die man wohl als die der Erfindung der Porzellanmasse bezeichnen
muß und die man damals sicherlich auch als solche angesehen hat. Ein^ tiefes
Schweigen ruht über diesem ganzen damaligen Suchen und Arbeiten, das freilich nicht
weiter verwunderlich erscheint, bedenkt man, daß damals alle diese Bestrebungen
noch absichtlich in das tiefste Geheimnis gehüllt wurden, wie ja Böttger selber
nach wie vor der streng bewachte Gefangene auf der Jungfer blieb, der mit
niemandem außerhalb seines Festungsbezirkes verkehren durfte. So hat niemand
den genauen Tag und die genaue Stunde dieser so wichtigen Erfindung festgelegt,
so ist es möglich geworden, daß sich, wenn auch keineswegs zu Böttgers Leb-
zeiten, und auch noch nicht in dem Jahrhundert, dem er selber angehört hat, so
doch später der Zweifel über das Jahr derselben hat erheben können. Heute
freilich darf man wohl mit einiger Sicherheit annehmen, daß die Erfindung des
wichtigsten Bestandteiles des Porzellans, der Porzellanmasse, frühestens noch im
Jahre 1708 gelang. Noch in diesem Jahre soll Böttger, wie er verpflichtet war,
Dr. Bartelmei nach dessen eigener Aussage das Geheimnis sowohl der Masse des
roten Steinzeugs wie auch des weißen Porzellans mitgeteilt und ihm die Her-
stellung derselben gelehrt haben. Aber freilich die Glasur konnte Böttger ihm
damals noch nicht lehren, da er ihre Zusammensetzung, wie sich später heraus-
stellen wird, aller Wahrscheinlichkeit nach selber noch nicht kannte, ja, vielleicht
noch nicht einmal eine Ahnung von derselben besaß ^*^).
Wer aber war, so erhebt sich dann hier weiter die Frage, von den beiden
Männern, die damals beide ausgegangen waren, das Porzellan zu erfinden und die
auch sicherlich damals manches in gemeinsamer Arbeit oder wenigstens durch
gegenseitigen Austausch ihrer Beobachtungen und Ideen erreichten, der eigentliche
Erfinder dieser Masse ? Ist es Böttger gewesen, der damals sich gänzlich neu
an diese Sache gemacht hat, oder Tschirnhausen, der früher schon einmal geglaubt
hatte, dies wichtige keramische Erzeugnis erfunden zu haben, dann aber, als sich
diese Ansicht als völliger Irrtum herausgestellt hatte, aller Wahrscheinlichkeit nach
die treibende Kraft gewesen ist, daß diese Versuche damals von neuem und nun
auch von Böttger aufgenommen wurden ?
Wir haben heute nicht den geringsten Anlaß, den Ruhm dieser Erfindung
demjenigen zu rauben, der ihn durch zwei Jahrhunderte^^*) hindurch trotz mehr-
52 • Die Erfindung.
facher Anfechtungen sich immer zu bewahren gewußt hat, den darum auch die
ganze Welt als den Erfinder kennt. Gewiß mögen damals Tschirnhausen und Böttger
gemeinsam ausgegangen sein, das Geheimnis des Porzellans zu suchen, gewiß
mögen sie, trotzdem jeder sein Laboratorium für sich besaß, vielfach gemein-
sam gearbeitet haben. Aber wäre es dann Tschirnhausen gewesen, der das Por-
zellan oder wenigstens seine Masse entdeckt hätte, ja, hätte er überhaupt nur irgend
einen wesentlichen Anteil an dieser Erfindung gehabt, dann hätte er, der keines-
wegs eine so bescheidene, selbstlose Natur gewesen ist, als wie er so oft dargestellt
wird, dem sogar kein Geringerer als Leihniz'^'^^) etwas mehr Vorsicht und Auf-
richtigkeit in seinen Urteilen und Angaben gewünscht hat, in Anbetracht der
Wichtigkeit einer solchen Entdeckung dies sicherlich auch seiner Umgebung irgendwie
zur Kenntnis gebracht, und dann wäre es für Böttger, der diese ganze Zeit doch
unausgesetzt unter Bewachung stand, der, wie sich später herausstellen wird ^^^),
in seiner nächsten Umgebung viele Gegner hatte, die ihm in keiner Weise wohl-
wollten, vielmehr oft genug aus selbstsüchtigen Absichten über ihn falsche Gerüchte
verbreiteten, doch gänzlich unmöglich gewesen, sein ganzes Leben lang als der
alleinige Erfinder dieses Produktes zu gelten, neben dem Tschirnhausens Namen zu
seinen Lebzeiten in dieser Angelegenheit so gut wio nie erwähnt wird. Tatsache ist,
daß man von wirklichen Arbeiten Tschirnhausens auf diesem Gebiet in dieser Zeit
auch nicht das geringste hört, daß aber Böttger in allen Nachrichten, die sich aus
dieser Zeit erhalten haben, durchaus als der alleinige Mittelpunkt aller dieser Unter-
nehmungen, aller dieser Untersuchungen und aller dieser Arbeiten erscheint. Von
ihm allein erwartet man damals alles, die Gründungen wie die Erfindungen, mit
ihm verhandelt man hierbei ganz allein, auf ihn auch richten sich die Augen aller,
die damals schon von diesen Unternehmungen etwas wußten, und als dann wirklich
die bedeutende Erfindung des Porzellans gelingt, als er dem Könige und den sonst
hierbei beteiligten Leuten die ersten Proben jener festen, aber durchscheinenden
Masse vorweisen konnte, die vor ihm keiner herzustellen gewußt hatte, da gilt er
in der Tat als der alleinige Erfinder derselben, da wird er zu jenem ,,Inventor",
von dem noch die bedeutendsten anderen Erfindungen erwartet werden, da behält
er diesen Ruhm und diesen Titel bis an sein Lebensende, und keiner, auch nicht
einmal von seinen Gegnern, wagt je, denselben ihm zu rauben. Und erst als Böttger
die Augen geschlossen hat, als er sich nicht selber mehr verteidigen konnte und
auch keine rechten Fürsprecher mehr besaß, da erst haben vor allem Tschirnhausen
nahestehende Persönlichkeiten auch diesem einen Anteil an der Erfindung, und
zwar so ziemlich den allergrößten, zuzuwenden versucht, da hat man scheinbar
nur allzusehr die erste mißglückte Erfindung dieses Mannes und die spätere end-
gültige Böttgers miteinander zu vermengen gesucht und dadurch das bisher so klare
Bild dieser Erfindung arg in Verwirrung gebracht. Böttgers ganze Begabung aber,
das steht für uns heute völlig fest, war für eine solche bedeutende Tat durchaus
ausreichend und mehr als das. Denn er ist in keiner Weise, wie bereits oben an-
gedeutet^*''), der Scharlatan und Nichtsnutz gewesen, als welchen ihn allein das
Der Erfinder. 53
19. Jahrhundert angesehen hat, er war vielmehr von Haus aus als Apotheker ein
gelernter Chemiker, als geistige Persönlichkeit aber — das wird die ganze Weiter-
entwicklung dieser Dinge zeigen — ein ungewöhnlich scharfsinniger, rühriger
Geist, der auch, als Tschirnhausen starb und er nun ganz allein auf sich selber
angewiesen war, die wunderbarsten Dinge, die noch heute das Staunen aller Fach-
leute bilden, aus eigener Kraft zuwege gebracht hat, ja, sich in dieser Beziehung, von
einem inneren Drange getrieben, nie genug hat tun können. Und auch die Tat-
sache darf keineswegs außer acht gelassen werden, daß die Erfindung des Porzellans
in keiner Weise gelingen wollte, ja, daß aller Wahrscheinlichkeit nach auch noch
nicht entfernt die richtige Bahn hierzu beschritten war, so lange Tschirnhausen
allein mit derselben beschäftigt war, daß sie aber gelang, und zwar in ganz er-
staunlich kurzer Zeit, sobald Böttger hinzutrat und sich nun auch seinerseits mit
diesem Problem befaßte. Da kann es kaum noch zweifelhaft sein, wer hier von
beiden den richtigen Weg einschlug.
Es ist sogar nicht ausgeschlossen, daß Tschirnhausen die erste Herstellung
der Porzellanmasse gar nicht einmal erlebt hat. Er starb plötzlich nach kurzem
Krankenlager am 11. Oktober des Jahres 1708, zu großer Bestürzung Böttgers^^^),
der in ihm einen wirklichen Freund und gerechten Beurteiler seines wirklichen
Könnens und damit auch einen warmen Fürsprecher beim König verloren zu haben
scheint. Dennoch erlitten dadurch die Arbeiten, die begonnenwaren, keine Verzögerung.
Böttger machte sich getrost allein ans Werk, arbeitete durch Monate hindurch
unverdrossen weiter, und als das Jahr 1709 herankam, da endlich — doch erst im
März desselben — glaubte er mit seinen Arbeiten so weit zu sein, daß er dem
König Mitteilung machen könne über alles, was er bisher im Interesse der neu
zu errichtenden Manufakturen getan hätte. So reichte er am 28. dieses Monats
an ihn ein alleruntertänigstesMemoriale ein^*^), in dem er ihm bereits nicht weniger
als sechs verschiedene Dinge zu ,, bewerkstelligen" versprach. Zunächst als die Haupt-
sache „den guten, weissen Porcellain, sammt der allerfeinsten Glasur und allem zuge-
hörigen Mahlwerk, welcher dem Ostindianischen wo nicht vor, doch wenigstens gleich
kommen soll", weiter „ein Gefäß von allerhand Farben, welches die Härte des Por-
phyrs übertreffen und noch ganz etwas neues in der Welt sein würde, sowohl wegen
der hellen Politur, als auch sonst seiner immerwährenden Beständigkeit halber",
weiter „ein rotes sehr feines Gefäß, welches dem Ostindianischen sogenannten roten
Porcellain in allem die Wege halten würde", weiter „eine Art von Steinen, welche
nach eines Liebhabers Gefälligkeit von Farben zugerichtet werden könnten, so
allem Porphyr und Marmor in Härte und Schönheit vorgehen sollten und sich so
hoffentlich in ziemlicher Grösse würden praeparieren lassen", weiter „eine ganz neue
Art von massiven Glasstücken, aus welchen hochschätzbare Sachen könnten ge-
macht werden, so aller Welt Admirirung verdienen sollten und bis anhero nur
wegen Ermangelung guter Gefässe und Formen hatte unterbleiben müssen, welche
er aber aus seiner erfundenen ganz neuen Masse gut und beständig zu praepariren
wisse", schließlich ,,die Zubereitung des Boraxes, welcher in allen Proben und
54 Die Erfindung.
Nutzungen dem im Ruf gehenden Venetianischen gleichkommen solle". Gleich-
zeitig berichtet er, daß er die „sogenannte holländische Steinbäckerei" in ziemlich
gangbaren Stand gebracht hätte, und verspricht auch „die Manufaktur, worinnen
allerhand große und kleine Gefässe von dieser Art könnten zurecht gemacht werden"
zustande zu bringen. Auch spricht er die Absicht aus, ,,gute und tüchtige Schmelz-
tiegel, auch andere chemische Gefäße" zu verfertigen, ,, welche von eben der Güte
als die berufenen hessischen Tiegel sein würden". Dann aber betonte er mit ganz
besonderem Nachdrucke, wie er es auch später immer wieder von neuem tat, daß
er alle diese Erzeugnisse von den in ,,den Landen selber befindlichen Materi-
alien, die als ein toter Schatz zeither unbrauchbar liegen blieben, oder zu unnützen
Sachen angewendet, wo nicht gar von Fremden fast ohne Bezahlung verführet
worden", herstellen wolle. Erst dadurch stellte er diese Unternehmungen in ihrer
ganzen Bedeutung für das Land dar: es war der Merkantilismus, das ökonomische
Idealprinzip dieser Zeit, das hier in seiner äußersten Konsequenz durchgeführt
werden sollte und dem Lande durch möglichste Reduzierung der Materialkosten
die reichlichsten Einnahmequellen zu eröffnen versprach. Es war zugleich eine
glänzende Perspektive, die Böttger da vor den Augen des Königs eröffnete, die er
dadurch noch verlockender zu gestalten suchte, daß er alles bisher Aufgezählte nur
als ,,eine Schale, worinnen der beste Kern noch verborgen läge", bezeichnete und
damit noch auf neue, glänzende Aussichten hinwies.
Indessen, was Böttger hier schon an bereits gemachten Erfindungen angab, war
eine recht stattliche Liste und zugleich, wenn sie sich wirklich alle bewährten, ein
starker Beweis von der Rührigkeit dieses Mannes. Man ersieht aus ihr, daß Böttger sich
inzwischen nicht nur mit der Herstellung der vier vorher schon erwähnten keramischen
Erzeugnisse befaßt hatte, sondern daneben auch noch eine ganze Reihe anderer Dinge
erfunden zu haben glaubte. Doch alle diese Erfindungen blieben im Gebiet der
Keramik oder des diesem verwandten Glases; auch die angebliche des Borax, jenes
Minerals, das damals, durch Holländer und Venezianer aus Indien und noch von
weiter hergebracht^^") in der Glasfabrikation filr Glasuren, Emailfarben, als letztere
auch beim Porzellan gebraucht wurde und j etzt noch gebraucht wird, gehörte durchaus
hierher. Auf dies Gebiet allein hatten sich demnach alle bisherigen Versuche,
die Böttger auf Tschirnhausens Veranlassung zur Hebung der einheimischen In-
dustrie unternommen hatte, erstreckt. Die Keramik und die Glasindustrie waren
damit völlig in den Mittelpunkt dieser ursprünglich gewiß ganz allgemein beab-
sichtigten Bestrebungen getreten, in dem erstere von nun an trotz vieler anderer
Untersuchungen und Versuche Böttger s auch verbleiben sollte.
Doch mit der Anzeige seiner Erfindungen hatte Böttger sich in diesem Memo-
riale nicht begnügt. Seiner Sache allem Anscheine nach sicher, bat er gleichzeitig
den König, eine ,, verpflichtete Kommission" einzusetzen, die ,, seine vorzu-
stellenden Wissenschaften" gründlich untersuchen möchte, „ob nämlich dieselben
dero Landen nützlich und nötig, oder aber schädlich und vor impracticable zu
halten wären". Er unterwarf sich damit freiwilhg der Kritik. Vielleicht aber wandte
Anzeige der Erfindung. 55
er sich auch deshalb in dieser Weise an den König, weil seit dem Tode Tschirn-
hausens kein wirklicher Fachmann ihm mehr zur Seite stand und darum auch nie-
mand in seiner nächsten Umgebung den Wert und die Bedeutung seiner vielen
Erfindungen zu ermessen verstand.
Nur ungemein erfreut kann der König damals über diese stattliche Summe
von Erfindungen gewesen sein, die Böttger ihm auf diese Weise auf einmal zur
Verfügung stellte und die ihm nun endlich wenigstens etwas von den vielen Auf-
wendungen, die er für ihn und seineArbeiten bisher gemacht hatte, zurückzuerstatten
versprach. Er zögerte daher in keiner Weise, dem Wunsche Böttgers zu willfahren.
Schon am 11. April ^^^) setze er die gewünschte Kommission ein, zu der der Geheimrat
Zech als Vorsitzender, der Kammerpräsident vonLöwenthal, der Kammerrat Nehmitz,
ein Bruder des Arztes, der Geheime Kriegsrat i^on HoUzbrinck, der Hofrat i^on Döring
und der bisherige Beirat Böttgers Bergrat Pabst aus Freiberg ernannt wurden. Er üeß
ihr auch sogleich den Inhalt des Böttgerschen Memorials zugehen und forderte sie auf,
die Böttgerschen Angaben aufs genaueste zu prüfen. Schon sechs Tage später ^^^^^ am
17. April trat diese Kommission im sogen. Berggemache im Kurfürstlichen Schlosse zu
Dresden zusammen und hielt dort ihre erste Session ab. Böttger seiher freilich war nicht
zugegen, unzweifelhaft weil ihm als Gefangenen, von dem man damals noch immer
trotz aller dieser andersartigen Unternehmungen die so oft versprochenen Berge künst-
lichen Goldes erwartete, das persönliche Erscheinen vor diesen fremden Leuten nicht ge-
stattet worden war. An seiner Stelle erschien der Sekretär und spätere Kommer-
zienTRt Christoph Matthis, mit Instruktionen von ßöf ige/* reichlich versehen. Dieser
teilte gleich am Anfange im Auftrage Böttgers den Anwesenden mit, daß Böttger das
Brennen und die Herstellung der Glasuren an seinen Erfindungen durchaus durch-
führen könne, wofern ihm nur alles dazu Nötige angeschafft würde, auch daß dies er
ersuche — jedenfalls damit alle seine Erfindungen einer wirklich ernsten Prüfung
unterzogen würden — , daß in jeder Sitzung nur eine einzige Materie vorgenommen
würde. Dennoch fiel die Beurteilung von Seiten dieser Kommission durchaus nicht
günstig aus. Die Kommission hatte, vielleicht um dem König, an den sie berichten
sollte, zu schmeicheln, von 5ö«ger verlangt, daß er auf ein ,, neues Porcellainstück"
das kursächsische Wappen anbrächte. Da aber dies Verlangen noch nicht zu be-
friedigen war und überdies die Kommission wegen so vieler gleichzeitiger Vor-
schläge, die in ihrer Vielheit wohl wirklich etwas überraschen konnten, wohl
etwas mißtrauisch ward, so ging sie unverrichteter Sache auseinander und ließ
auch an den König keinen Bericht abgehen. Vielleicht daß man auch auf Grund
der Böttgerschen Angaben mit zu großen Erwartungen an die Erfindungen heran-
getreten war und nun, wo diese nicht in jeder Beziehung befriedigt wurden, gleich
so enttäuscht war, daß man von dem, was man wirklich vorfand, nichts Ausreichendes
erwarten zu können meinte. Wenn es z. B.Tatsache ist, daß, wie berichtet wird ^^^),
die ersten Stücke aus Porzellan nur fliesenartige Quadrate, etwas stärker als Fayence-
fliesen, waren, wenn man ferner bedenkt, daß damals Böttger selbst mit seinen Fayen-
cen, sowohl den Fliesen wie den Hohlgefäßen, in keiner Weise schon wirklich zustande
56 Die Erfindung.
kam^^^) und also auch auf diesem an sich nicht allzu schwierigen Gebiete
nur recht unvollkommene Proben vorlegen konnte, dann wird man es der
Kommission, deren Mitglieder ja in der Hauptsache keine Fachleute waren,
nicht weiter übelnehmen, daß sie noch daran zweifelte, daß Böttgers Er-
findungen damals wirklich schon alle gebrauchsfähig waren. Sie konnte den
Optimismus, den ein Erfinder selber in der Regel zu besitzen pflegt, damals
in keiner Weise schon teilen.
Und fast acht Monate vergingen, bis die Kommission wieder zusammentrat
und ihre zweite Sitzung abhielt. Böttger hatte inzwischen unverdrossen weiter
gearbeitet und jetzt erst — das geht aus dem Folgenden unzweifelhaft hervor —
war es ihm gelungen, auch jene zweite Erfindung wirklich zu Ende zu führen,
ohne die das Porzellan, wenigstens wie man es damals allein sich vorzustellen
vermochte, noch garnicht als wirkliches Porzellan gelten konnte: die Erfindung
der Glasur. Wir wissen leider heute nicht, auf welche Weise Böttger auch die Zu-
sammensetzung dieser fand, vor allem, wie er hier wieder das Prinzip entdeckte,
das ja ein für die damalige Keramik kaum minder originelles darstellte, als das
der Porzellanmasse. Aber jetzt war sie gelungen, nun erst in den Augen der
damaligen Menschen die Erfindung des Porzellans wirklich vollendet und dieses
damit soweit gewonnen, daß man es nun zu allen jenen Dingen verwenden konnte,
zu denen man es damals zu verwenden pflegte. Und so darf man sich keines-
wegs wundern, wenn man damals, wie überhaupt dieses ganze Jahrhundert hin-
durch, die Erfindung des Porzellans allem Anscheine nach erst von diesem Zeit-
punkte, d. h. von der Erfindung der Glasur an, datierte, wenn man sie damals
ganz allgemein erst in das Jahr 1709 setzte und auch wir müssen darum wohl
dies Jahr als das der wirklich vollendeten Erfindung ansehen.
Am 19. Oktober dieses Jahres schrieb Böttger an den König: ,,Ich verstehe
unter dem, was fertig ist, erstlich den weißen, durchsichtigen Porzellan, zweitens
den roten in unterschiedenen Sorten, drittens den Borax, viertens die schönen
Steine auf Porphyr und andere schöne Arten, fünftens das sogenannte holländische
Gut, sowohl in Platgen als runden Gefäßen, welche beiden letzteren auch von
solcher Schönheit sein, daß sie nicht allein den Delfter, sondern außer der Pelluci-
dität gar den ostindianischen an Schönheit übergehen." Er läßt in dieser Auf-
zählung merkwürdigerweise mehrere der Erfindungen aus, die er dem Könige in
seinem früheren Memoriale vom 28. März angezeigt hatte, auch meldet er ihm
hier noch nicht, wie er es bald gegenüber der Kommission tat, daß ihm nun auch
die beabsichtigte Nachahmung der hessischen Schmelztiegel gelungen sei ^^^). Am
auffallendsten jedoch erscheint, daß er hier gar nicht von der Porzellanglasur
redet, wie er es gleichfalls bald gegenüber der Kommission tun sollte. Doch hatte
er wohl nicht vergessen, daß er in seinem früheren Memoriale an den König sich
bereits der Erfindung ,,des guten weißen Porcellains samt der allerfeinsten Glasur"
gerühmt hatte. Da mochte er Bedenken tragen, von dieser Erfindung jetzt
noch als von einer neuen, erst jetzt erfolgten zu reden.
Die erste Kommission. 57
Endlich, am 10. November^^"), trat auch die Kommission von neuem zusammen,
aller Wahrscheinlichkeit nach als Folge dieses Briefes. Wiederum erschien Böttger
nicht selber, aber durch seinen Bevollmächtigen ließ er erklären, daß er jetzt fertig
sei mit dem ,, roten feinen Porzellan", dem ,, holländischen schlechten", den Ge-
schirren von ,, allerhand bunten Farben", dem Borax, den Schmelztiegeln und der
weißen Glasur, während die Erfindung der eigentlichen Porzellanmasse hier charakte-
ristischerweise von ihm garnicht mehr erwähnt ward, mithin damals sicherlich
schon als etwas Selbstverständliches galt. Alles übrige jedoch, was er versprochen,
hoffe er gleichfalls in aller Kürze zustande bringen zu können. Gleichzeitig ließ
er Proben von einigen seiner Erfindungen vorlegen, vom Borax, den bunten Ge-
fäßen und vor allem dem Porzellan und seiner Glasur, die aber noch etwas gelb-
lich ausgefallen war, hierbei aber bemerken, daß er zurzeit letztere infolge seiner
in keiner Weise ausreichenden Öfen und der niedrigen Gewölbe der Festung,
die den Bau größerer Öfen verhinderten, nicht besser herstellen könne. Wäre
aber erst ein tüchtiger Ofen gebaut, dann getraue er sich, rohe weiße Geschirre,
die die Herren Kommissäre vorher signieren könnten — wofern man nur den gelb-
lichen Ton der Glasur nicht für einen,, Hauptfehler" ansehen würde — zu ihrer vollen
Zufriedenheit zu glasieren und zu brennen. Man sieht, es sind vor allem die Öfen
gewesen, das nach der Erfindung selber sch^\^erigste Problem des Porzellans, die
Böttger damals noch große Mühe bereitet haben. Um aber dann dieser Behauptung
noch mehr Nachdruck zu geben, vielleicht auch, weil er wieder einen ungünstigen
Ausgang dieser Sitzung fürchtete, erbot er sich gegen jeden zu einer Wette von
50000 gegen 20000 Taler, daß er jetzt das Porzellan ,,so guth als der Indianische
ist" herstellen könne, und ließ auch gleich, um dieser Forderung mehr Nachdruck
zu geben, eine eigenhändig geschriebene und mit seinem Siegel versehene, hierauf be-
züghche Herausforderung überreichen i^'). Doch hatte die Kommission natürlich
keine Neigung, auf die Überschwenglichkeit dieses durch ihr früheres laues Ver-
halten anscheinend stark gereizten Mannes einzugehen, zumal Böttger, wenn er
seine Wette verloren hätte, ja doch in keiner Weise die Mittel besessen hätte,
sie zu bezahlen.
Im übrigen jedoch versuchte Böttger schriftlich vor der Kommission seine
Sache zu verfechten. In einer besonderen Schrift gab er ausführlich Nachricht
von der „Fabrique" des roten Porzellans, welcher Ausdruck vielleicht beweist,
daß schon damals, obwohl noch keine wirkHche Fabrik begründet worden
war, das rote Steinzeug in größeren Mengen hergestellt ward, auch bat er
darin etwaige Bedenken, die man hinsichtlich einer solchen haben möchte, ihm
anzugeben. Vor allem aber legte er jetzt eine andere ,, weitläufige", d. h.
weit ausholende Schrift vor, betitelt ,,Unvorgreifliche Gedanken über meine
teils den Ausländern nachgeahmte, teils durch mich selbst neu erfundene Manu-
facturen", in der er anfänglich ganz allgemein von ,, gewissen Kaufmannsregeln,
dann von den Manufakturen selber und dem von ihnen zu erwartenden Nutzen"
redete, vor allem aber darzustellen suchte, daß es den in jenen zu fabrizierenden
58 Die Erfindung.
Waren auf keinen Fall an Absatz fehlen könne. Damit aber hatte Böttger mit
wahrem Feuereifer alles getan, was seinen Erfindungen und Bestrebungen vor
der Kommission die günstigste Aufnahme verschaffen konnte.
Dennoch war wiederum alle seine Mühe vergeblich. Die Kommission scheint
damals noch immer ernstlich daran gezweifelt zu haben, daß sich das Porzellan
aus den sächsischen Landesmaterialien, sowie — merkwürdigerweise — auch
mittels des sächsischen Wassers herstellen ließe^^^). Sie trat nicht wieder zu-
sammen und berichtete auch diesmal noch nicht an ihren Auftraggeber über das
Resultat ihrer Untersuchungen.
Dies laue Verhalten der Kommission diesen doch hochbedeutenden Erfindungen
Böttgers gegenüber, erscheint selbst, wenn diese damals noch keineswegs so ge-
lungen erschienen, wie jener es ihr darzustellen suchte, auf den ersten Blick recht
seltsam, ja fast unerklärlich. Doch darf man nicht übersehen, daß die Kommission
sich damals doch wohl in keiner sehr angenehmen Lage befand; von ihrem Votum
hing es zunächst allein ab, ob nun neue Fabriken und gleich eine ganze Reihe
begründet werden sollten, die zunächst dem durch den Krieg schrecklich ver-
armten und ausgesogenen Lande große Unkosten bereiten mußten, ohne daß
man entfernt auch nur zu ahnen vermochte, wann sie durch ihre Erträgnisse
wieder eingebracht werden könnten. Waren doch auch die hierfür nötigen Summen
zunächst gerade von der Kammer zu beschaffen, deren eigener Präsident Mit-
glied dieser Kommission war. Auch mochte das bisherige Schicksal der Tschirn-
hausenschen industriellen Gründungen eher abschreckend als ermutigend wirken,
da sie so gut wie alle — freilich zunächst infolge des Krieges — wieder ein-
gegangen waren, obwohl sie dem Staat viel Geld gekostet hatten. So wird
man damals zurückgeschreckt sein vor der großen Verantwortung, die man
übernahm, wenn man vorschnell ein zu günstiges Urteil über Böttgers Erfindungen
fällte, und wird lieber eine Vertagung dieser Angelegenheit gewünscht haben,
die entweder Böttgers Arbeiten noch reifer und dadurch aussichtsreicher machen
ließ oder sie, die Kommission, auf irgendeine Weise von dieser Verantwortung
befreite. Kommissionen haben sich ja immer als schwerfällig erwiesen.
Aber wenn diese wirklich, damals jene Bedenken gehabt hat, dann hat
ihr die Zukunft, d. h. wenigstens der nächste Ausgang der Böttgerschen
Unternehmungen, doch einigermaßen recht gegeben, insofern als diese in
der Tat dem Land zunächst genug Kosten verursachen sollten, ohne sie
gleich wieder einzubringen. Man kann ihr flaues Verhalten damals nicht ohne
weiteres tadeln.
Böttger selber aber wird damals an seinen Erfindungen und den günstigen
Ausgang seiner Unternehmungen nicht im geringsten gezweifelt haben. Denn
jeder Erfinder ist Optimist, nur als solcher begibt er sich auf den unsicheren
Pfad des Erfindens, und er sieht dann, fest vertrauend auf sein Können und
sein Glück, oftmals sein Ziel schon erreicht, da der Ausgang noch völlig im
Nebel verborgen ist. Der Zuschauer aber erkennt nur das Reale, das wirklich Vor-
Mißtrauen. 59
handene. Er ahnt, da er selber solch geheimnisvoll schöpferische Kräfte in
seinem Innern nicht kennt, nicht die Kraft, die in der Brust des anderen sich regt,
er bleibt kleingläubig, wo jener schon frohlockt und des Sieges gewiß scheint, und
wird verzagt, wenn das kleinste Hindernis sich einstellt, die jener, da er die
Kraft in sich spürt, es zu beseitigen, kaum beachtet. Und so wird sich bald
zwischen beiden eine Kluft einstellen, die unüberbrückbar erscheint und beide
nur immer weiter voneinander trennt.
So scheint es auch hier gewesen zu sein.
III. Die Meißner Manufaktur als Steinzeugfabrik.
Trotzdem die Kommission sich Böttgers Erfindungen
gegenüber so ungemein kühl verhalten und niemals einen
Bericht über die Ergebnisse ihrer Untersuchungen an den
König gesandt hatte, nahm doch das Unternehmen, das
Böttger mit Hilfe Tschirnhausens in die Wege geleitet
hatte, nun einen Fortgang, wie jener ihn sich nur immer
wünschen konnte. Er hatte sich, wie so oft schon und
wie ihm auch vom König ausdrücklich gestattet war,
wiederum persönlich an diesen gewandt und ihm den
ganzen Stand der Dinge noch einmal dargestellt. Da
war sogleich der Optimismus des Königs, den dieser
Böttger gegenüber noch niemals verloren hatte, von
neuem erwacht, und schon am 23. Januar 1710 erfolgte
zu Dresden der Erlaß eines königlichen Patents, durch
welches, wie Böttger es aufs lebhafteste gewünscht
hatte, eine Porzellanmanufaktur begründet ward, damit
jene Anstalt, die dann als königliche Porzellan-
manufaktur zu Meißen, wie sie bald hieß, sich bald
ihren Weltruf erwerben und immer zu den stolzesten Gründungen des säch-
sischen Staates gehören sollte.
,,Wir Friedrich Augustus von Gottes Gnaden, König in Pohlen und Chur-
fürst von Sachsen u. s. w.^^^)", so heißt es in diesem Dekret, ,,thun hiermit kund
und fügen männiglich zu wissen: Demnach Wir Unsers getreuen Churfürsten-
thums und dahin incorporirter, auch anderer Lande bekümmerter Zustand, darin
dieselbe durch mancherley Unglück, insonderheit durch die vor vier Jahren be-
schehene Schwedische Invasion gesetzt worden, mitleidend beherziget und wie
solchen aufs Beste und Nachdrücklichste wieder aufgeholfen werden möge, Unsere
einzige und höchste Sorge seyn lassen wollen; So haben wir unter andern aus-
gefundenen Mitteln, daß die Wiederbringung einer geseegneten Nahrung und
Gewerbes im Lande hauptsächlich durch Manufakturn und Commercia befördert
werden könne, vornehmlich in Consideration gezogen und Unsere Landes- Väter-
liche Sorgfalt dahin gerichtet, wie die von Gott Unseren Landen besonders reich-
lich mitgetheilten unterirdischen Schätze eifriger, als in vorigen Zeiten nachgesuchet
Abb. lo. Böttgersteinzeug.
Leuchter
in Form eines Bergmannes.
Kgfl. Porzellansaramlung. Dresden.
Begründung der Manufaktur. 61
und diejenigen Materialien so als todt und unbrauchbar gelegen, zu ein oder
andern Nutzen gebracht werden mögen." Es folgt dann die Mitteilung, daß
„einigen, in dergleichen Wissenschaften vor andern wohl geübten Personen"
derartige ,, Nachforschung" aufgetragen wäre und daß mit Gottes Hilfe ,,aus denen
in Unsern Landen häufig und überflüssig befindlichen Materialien" bereits jene
Erfindungen gemacht seien, die Böttger in seinen Eingaben an den König bezeichnet
hatte, unter denen aber nur die keramischen und darunter natürlich mit ganz be-
sonderm Nachdruck die des echten Porzellan, ,, sowohl glasurt, als unverglasurt",
aus dem ,,ein dem Ost-Indianischen Porzellans, sowohl an Durchsichtigkeit als
anderen dabey erforderten Eigenschaften gleichkommendes Gefässe könne und
möge fabriciret werden" gerühmt werden. Es folgt weiter ein Hinweis auf das
was alles aus letzterem Materiale gewonnen werden könne, weiter auf die gewesene
Kommission und deren Arbeiten, auf die damals bereits erfolgte Einsetzung eines
besonderen Manufakturdirektoriums, und auf die geschäftlichen Prinzipien, die hin-
sichtlich der Fabrikation befolgt werden sollen. Dann aber wendet sich das Patent
in lebhaften Worten an das Land: es wird aufgefordert, für die ,, Etablierung so
vieler und wichtiger Manufacturen" einen ,, leidlichen" Beitrag zu leisten, Künst-
lern und Handwerkern aber, die sich an dem Werke beteiligen wollten, ganz be-
sondere Vergünstigungen und voller Schutz gegen etwaige Ansprüche von selten der
Zünfte oder der Jurisdiktion der Magistrate oder der Amtsleute in Aussicht gestellt.
Schließlich sieht das Dekret gar in weiterer Ferne durch das Herbeiziehen von
,, guten Künstlern und Handwerkern" bereits ein allgemeines Aufblühen von Künsten
und Wissenschaften in Sachsen, das dem ganzen Lande zum Nutzen gereichen würde.
So stellt dies königliche Dekret noch einmal vor aller Augen, aus welchen
Gesichtspunkten diese ganzen Unternehmungen Böttgers ins Leben gerufen worden
waren. Es ist in dieser Beziehung ein unwiderleglicher Beweis für die beständige
ernstliche Sorge des Königs, sein Land wirtschaftlich zu heben, die diesem niemand
trotz seines im übrigen wohl nicht gerade als musterhaft zu bezeichnenden Regierens
wird wegleugnen können,^^°) mochte er dabei aus der wirtschaftlichen Blüte
derselben auch noch so viel Vorteil für sich selber erhoffen. Es stellt sich aber
zugleich auch als ein klares Programm für die Zukunft dar, ein Programm, nach dem
nun wirklich gearbeitet werden konnte. Aber daneben enthüllt es einen Optimis-
mus, der seltsam absticht von dem lauen Verhalten der Kommission des ver-
gangenen Jahres, eine Hoffnungsfreudigkeit und ein Vertrauen in die Zukunft,
die ganz allein der Ausfluß der Temperamente des Königs wie Böttgers gewesen
sein müssen, die sich hier in seltener Weise zusammenfanden und ergänzten.
Nur diesem glücklichen Zusammentreffen dürfte damals in der Tat die Gründung
der Manufaktur zu verdanken sein ! Wie stolz man aber damals hier auf die neuen
Erfindungen war, das geht aus jener Tatsache hervor, daß man das Patent in nicht
weniger als vier Sprachen erscheinen ließ, in Deutsch, Holländisch, Französisch und
sogar in Lateinisch. Ersteres geschah aus kommerziellen Gründen, zur lateinischen
Sprache jedoch griff man wohl, um ihr durch Anwendung der Sprache der Gelehrten
62 I>ie Steinzeugfabrik.
ein ganz besonderes Ansehen zu geben und sie namentlich auch in den Kreisen
dieser, aus denen sie ja auch hervorgegangen war, bekannt zu machen. Auch ver-
öffenthchte man das Patent in mehreren angesehenen Zeitungen, wie es scheint,
sogar auch in auswärtigen. Sicherhch war bisher noch niemals für eine Erfindung
soviel Reklame gemacht worden, wie es jetzt für die Böttgers geschah. Doch
verdienten sie es auch sicherlich.
Schnell schritt man dann auch zur Ausführung des nun bekannt gegebenen
umfangreichen Unternehmens, bei dem man sich zunächst, wie es das könig-
liche Patent selber getan hatte, durchaus an die keramischen Erfindungen
hielt. Schon vor dem Erlaß des Patents hatte der König, für die neu
zu begründenden Fabriken ein eigenes Direktorium ernannt, zu dem das eine
Mitglied der gewesenen Kommission, der Kammerrat Nehmitz, der schon seit
langem die Oberaufsicht über Böttger geführt hatte, und der Sekretär Matthis, der
Böttgers Verkehr mit dieser Kommission vermittelt hatte, jetzt aber auf Böttgers
Wunsch den Kommerzienratstitel erhielt, berufen worden waren. Die Ernennung
dieses Direktoriums war auf 5ö^fger5 eigenen Wunsch erfolgt ^^^), nachdem ihm frei-
lich dazu Matthis, der wohl hierbei nicht ganz selbstlose Absichten hatte, überredet
zu haben scheint. Böttger mochte dadurch wirklich glauben, entlastet zu werden
und ungestörter seinen sonstigen auf neue Erfindungen gerichteten Arbeiten sich
hingeben zu können. Andererseits aber schien ein solches Direktorium für die neue
Fabrik schon deshalb unumgänglich notwendig zu sein, weil Böttger auch nach
seinen bisherigen Erfindungen noch immer der Gefangene auf der Jungfer blieb,
der mit der übrigen Welt nicht verkehren dürfte. Er konnte darum in der Tat
ein in der breiten Öffentlichkeit stehendes Institut nicht selber oder wenigstens
nicht ganz allein leiten.
Schon einen Tag nach Erlaß des Patents erhielt das Direktorium seine In-
struktion, nach welcher es direkt dem Könige und seinem Statthalter unterstellt
ward, in wichtigen Fragen sich auch an diese wenden, im übrigen aber freie Hand
haben solle, namentlich hinsichtlich der Anstellung, Entlassung und Bestrafung
der Angestellten der Fabrik. Auch sollte die Verwendung der ihm zur Verfügung
gestellten Gelder nicht der Prüfung durch die Rechnungskammer unterliegen und ein
bei der Fabrik etwa eintretendes Defizit ihm nicht zur Last gelegt werden. Dafür
aber hatte es die Fabrik nach „guter Kauffmannsarth und Gewohnheit" einzurichten
und ganz besonders dafür zu Sorge tragen, daß das Geheimnis der ^ö^^gerschen
Erfindungen auf alle erdenkliche Weise gewahrt bliebe ^^2)_ Jmv Ausführung
aller dieser Verrichtungen nahm sich das Direktorium einen Sekretär, einen
Kommissär und einen Aufwärter. Auch mietete es sich ein eigenes Haus, das so-
genannte Bosische in der Wilsdruffergasse. Von dieser Seite konnte es dem-
nach an nichts fehlen.
' i| • Dann aber suchte man für die Manufaktur selber eine neue Hilfskraft Zugewinnen.
Zwar hatte schon Böttger im Mai des vergangenen Jahres sich aus dem intimen
Kreise des verstorbenen Tschirnhausen, einen gewissen Johann Melchior Steinbrück
Einrichtung der Manufaktur, 63
herbeigeholt, einen tüchtigen und sohden Mann, der, aus Frankenhausen in Thüringen
gebürtig, anfangs als Informator der Söhne Tschirnhausens, dann als Gehilfe
bei seinen wissenschaftlichen Arbeiten 15 Jahre in dessen Diensten gestanden hatte,
nun aber bald aufs engste mit der neuen Manufaktur und Böttgers sonstigen
Unternehmungen verwachsen und sich dauernde Verdienste um diese erwerben
sollte. Er hatte ihn zunächst nur als seinen ,,Domestiquen" angenommen, hatte
aber schon damals größere Dinge mit ihm vor. Doch dem Direktorium scheinen
diese Absichten Böttgers nicht sehr genehm gewesen zu sein. Sei es, daß es durch
eine ihm ganz ergebene Persönlichkeit unmittelbarer mit diesem Unternehmen
und mit Böttger selber in Verbindung zu bleiben wünschte, oder daß nur der Kammer-
rat Nehmitz seinem inzwischen nach Hamburg verzogenen Bruder eine Versorgung
zu verschaffen strebte, man berief Dr. Nehmitz nach Dresden zurück, wies ihn
dort in das Laboratorium Böttgers und forderte diesen auf, ihn auf des Königs
Befehl die Komposition der endlich gefundenen Glasur des Porzellans und die
Erbauung der Öfen zu lehren^^^), nachdem er die Zusammensetzung der Porzellan-
masse schon im Jahre 1708 dem Dr. Bartelmei angegeben hatte^^*).
Gleichzeitig machte man sich an die Einrichtung der Fabrik selber, die freilich
zunächst für längere Zeit nur eine Fabrik von Steinzeug sein konnte. Denn mit dem
Porzellan, das ja an sich schon vollständig erfunden war und auch in jeder Be-
ziehung ausnutzbar erschien, kam Böttger doch wegen seiner so unendlich
viel schwierigeren fabrikmäßigen Herstellung damals und auch noch mehrere
Jahre später durchaus noch nicht zurecht. Für dieses mußten erst die mannig-
fachsten Enttäuschungen durchlebt, die reichsten Erfahrungen gesammelt sein,
es mußte experimentiert und immer wieder experimentiert werden, bevor Böttger
es in technischer Beziehung so weit in seiner Gewalt hatte, daß an seine
rationelle Ausnutzung auch nur gedacht werden konnte. Doch auch die melierten
Fhesen, die erste keramische und für die ganze Weiterentwicklung der Arbeiten
Böttgers so wichtige Erfindung, ließ man ganz außer acht und hat ihre fabrik-
mäßige Herstellung — es ist nicht recht klar, aus welchem Grunde — auch später
niemals in Angriff genommen ^^s). Um so mutiger und entschlossener aber ging
man jetzt mit dem roten Steinzeug ans Werk, das man mit Recht schon für ein recht
kostbares Produkt hielt, auf das man die größten Hoffnungen setzte. Und so
ist die im Jahre 1709 gegründete ,, Porzellanmanufaktur", streng genommen,
anfangs nur eine Steinzeugfabrik gewesen, die erst seit dem Jahre 1713 sich endlich
den Namen einer „Porzellanmanufaktur" mit Recht erwarb. Das darf in der Ge-
schichte dieser Anstalt nicht vergessen werden.
Zunächst galt es hierbei, der neuen Gründung eine passende Stätte zuzuweisen,
an der sie sich in voller Freiheit entwickeln konnte. Anfangs freilich glaubte man,
sie in Dresden belassen zu können, auf jener Jungferbastei, auf der Böttger selber
sich als Gefangener aufhielt. Bereits wurden hier neue Arbeiter angenommen
und neue Öfen gebaut. Doch, obwohl man einen Teil der Arbeit außerhalb ver-
richtete, z. B. in Dr. Bartelmeis Haus auf der Schloßgasse das Stoßen und Sieben
64 Die Steinzeugfabrik.
der Materialien, die dann in Schachteln nach der Bastei getragen wurden ^^^), so er-
wiesen sich doch bald die Räumlichkeiten, die hier für diese Zwecke zur Verfügung
standen, als viel zu eng. Auch mochte die Feuergefährlichkeit eines solchen Be-
triebes starke Bedenken erregen, zumal ja schon einmal hier durch Funken ein
beträchlicher Brand entstanden war^^^). So sah man sich bald nach einem neuen
Lokal für die Fabrik um. Anfangs scheint man hierbei an einen Eisenhammer, den
Tschirnhausen einst an der Weißeritz angelegt hatte, gedacht zu haben i®^), dann
an verschiedene der königlichen Schlösser. Doch überall hatte man Bedenken:
dieser Ort lag zu entfernt — jener zu einsam und unsicher, für andere gab es wieder
andere Gründe, und nur die Albrechtsburg bei Meißen, das feste, auf einem isolierten
steilen Felsen gelegene, gewölbte und darum feuerfeste Schloß, das nur durch eine
einzige Brücke mit der Stadt in Verbindung stand, schien keine Hindernisse darzu-
bieten. Hatte es doch Böttger selber schon früher um dieser seiner günstigen
Lage willen für einige Zeit beherbergt. Auch hatte die Stadt Meißen selber seit dem
30jährigen Kriege die traurigsten Schicksale durchmachen müssen, war entsetz-
lich herabgekommen, verarmt und entvölkert und darum einer Auffrischung
dringend bedürftig ^^^). Schon am 7. März ward daher durch königliche Ver-
ordnung die Verlegung der ,, Porzellanmanufaktur" nach Meißen beschlossen, am
6. Mai von Warschau aus dem Kammerrat Nehmitz die Übernahme der Burg ,,von
der Küche bis an die Kirche" und die dortige Aufrichtung der Fabrik anbefohlen.
Am 6. Juni 1710 erschien dann in Meißen eine königliche Kommission, bestehend
aus dem Geheimen Rate und Kreishauptmann von Meißen Karl Gottfried von Böse
auf Gamig, dem Hof- und Justizrat Ernst Friedrich von Döring auf Berlen, und
dem Sekretär der Manufaktur Jacob i, um Nehmitz, dem Direktor der Manufaktur,
die neue Stätte zu übergeben. Diese Übergabe fand nicht ohne eine gewisse
Feierlichkeit statt. Vormittags um 11 Uhr begab man sich auf die Burg, be-
sah zunächst die Gemächer des Schlosses, trat dann im Zimmer des ehemaligen
Kufürsten Johann Georg II. zu einer Sitzung zusammen. Hier hielt der Herr
von Böse eine feierliche Rede und übergab dann dem Direktor die Teile der Burg,
die für ihre Aufnahme bestimmt worden waren, worauf dieser eine Gegenrede
hielt und feierlich die ihm überwiesenen Gebiete übernahm. Damit war die
Feier beendet und die neue Manufaktur hatte nun ihre Stätte gefunden, auf der
sie nun über anderthalb Jahrhunderte verbleiben und sich ihren Weltruhm er-
werben sollte.
Die neue Stätte der Manufaktur, die Albrechtsburg, bestand damals wie heute
noch in der Hauptsache aus dem an der nordöstlichen Kante des Burgfelsens ge-
legenen eigentlichen Schloß und der daran anstoßenden, tief in den Innenhof sich
hineinziehenden Domkirche, weiter aus einer geschlossenen Reihe von Häusern an
der der Stadt zugekehrten südlichen sowie einem einzelnen größeren Hause, dem so-
genannten „Korn- oder Provianthaus", an der nordwestlichen Langseite. Sie bildeten
alle die Umfassung eines weiten, geräumigen Hofes ^'^°). Der Ausgang desselben, das
Burgtor, befand sich an dem spitzen Westende des Burgfelsens, dort, wo der Aufstieg
r
?
g-. — -^
Zimmermann, Meißner Porzellan.
66 Die Steinzeugfabrik.
von der Stadt heraufkam und sich mit dem mittels einer mächtigen Überbrückung
bewerkstelligten Zugange von der hochgelegenen St. Afrarkirche aus vereinigte. Das
Schloß selber stellte damals jener stattliche Bau dar, den am Ende des 15. Jahr-
hunderts der westfälische Meister Arnold auf Grund einer älteren Burg für die da-
mals in Eintracht zusammen regierenden Kurfürsten Ernst und Herzog Albrecht
aufgerichtet hatte. Es erhob sich dreistöckig mit vielen Gewölben und zeigte nach der
Hofseite zu jenen reizenden, reichverzierten Treppenturm, der noch heute das Ent-
zücken aller Besucher dieser Burg ausmacht, ward aber damals, da die sächsischen
Fürsten, dem Zuge der Zeit folgend, längst ihre stehende Residenz in der Haupt-
stadt des Landes aufgeschlagen hatten, vom Hofe nur noch selten bewohnt. Es
konnte daher der Fabrik ohne große Mühe eingeräumt werden. Nur scheinen
gewisse Räume, namentlich der große Bankettsaal, dem Hofe noch reserviert
geblieben zu sein, da noch Jahrzehnte später hier große Feierlichkeiten statt-
gefunden haben, desgleichen auch einige Wohnräume für den König^'^). Dagegen
befanden sich in den Häusern an der Südseite verschiedene Behörden, darunter
das Domstift mit der Kapitelstube, Archiv und Kurien, die sogenannte Domschenke,
sowie das Kreis- und Prokuraturamt. Auch der Dom ward noch benutzt: alle
vierzehn Tage fand in ihm des Sonntags Gottesdienst statt. Allen diesen Be-
hörden kam das plötzliche, unvermutete Eindringen der Manufaktur in ihre
zum Teil durch alte Privilegien gesicherten Gebiete keineswegs gelegen, um so
mehr, da bereits vor der feierlichen Übergabe der Burg an die Manufaktur, damit
dieselbe von vornherein vor allen fremden Eindringlingen bewahrt bliebe, ihre so-
fortige Räumung energisch anbefohlen worden war. Man setzte sich daher mit aller
Kraft zu Wehr: das Domstift machte Eingabe über Eingabe an den König, pochte auf
seine alten Privilegien und hatte an allen Tauschvorschlägen etwas auszusetzen.
Auch für das Kreisamt war es nicht leicht, in der Stadt ein neues Lokal ausfindig zu
machen. Doch es half alles nichts. Erneute königliche Befehle folgten im Oktober
dieses Jahres, und so mußte schließlich doch alles wider Willen die Burg verlassen.
Nur das Archiv, die Kirche und die Kapitelstube beließ man dem Stift, da Böttger
auf diese Räumlichkeiten verzichten zu können glaubte ^'2), in diesen sich ja
auch keine Leute ständig aufzuhalten pflegten. Doch erfolgte allem Anscheine
nach die Räumung der Burg sehr langsam, da noch im August des Jahres 1711
Böttger sich beklagte, daß sich dort noch immer die Domschenke befände, in der
sich „allerhand frembdeLeuthe" zum Schaden der Manufaktur verbergen könnten ^''^).
Das ganze Gebiet der Burg aber wurde unter eine militärische Wache von 20 — 30
Mann gestellt^'*), die niemanden ohne Erlaubnis ein- und auspassieren lassen
durfte. Auch wurde nächtliche Beleuchtung durch brennende Laternen ,,wie beim
Residenzschloß in Dresden" eingeführt *^'^) und auch sonst alle nur erdenklichen Maß-
regeln zur Wahrung des großen Geheimnisses, das hier oben seine Früchte tragen
sollte, getroffen!'^), die freilich oft ans Lächerliche gestreift zu haben scheinen.
Und so konnte die Arbeit endlich — wie es scheint im Oktober des Jahres
1710 — ernstlich beginnen. Böttger selber freilich blieb nach wie vor in Dresden,
Die Albrechtsburg.
67
nr^ck'i (^uf^c/ci[f/4f/i<-^i zu ^^a/i( /) i< '! r'/u-// . / lA '/// .'. ( 'ou///:-'degrdvn.,i. tJ^>nf/.f^a^uß^. Crir^/^.K'/^rnMrruru^o.c/(i/t,i=c7mi:.
Abb. II. Das Innere der Albrechtsburg nach einem Stich von Werner, Mitte des i8. Jahrhunderts.
(Das rauchende Gebäude zur Linken stellt das erst bald nach Böttg^ers Tode errichtete Brennhaus dar.)
als der Gefangene auf der Jungfer von allem Verkehr mit der Außenwelt ab-
geschlossen. Er ist nur dann und wann, wenn seine Anwesenheit dort dringend
erforderlich war, nach Meißen gekommen, freilich immer in Begleitung. Als eigent-
liche technische Leiter der Fabrik wurden damals die beiden Doktoren angesehen,
denen 5ö«ger auf Befehl des Königs die Geheimnisse seiner Erfindungen hatte an-
vertrauen müssen. Denn wenn es auch von Anfang an der feste Wille des Königs
gewesen war, daß alle Erfindungen Böttgers, damit sie allein seinem Lande Vorteil
brächten, vor jedermann, soweit es nur irgend ging, als vollstes Geheimnis bewahrt
blieben, und hierfür von Anfang an alle nur irgend erdenkliche Maßregeln getroffen
worden waren, so war man eben dennoch, wie bereits oben gezeigt, gezwungen ge-
wesen, einerseits, um den so stark mit anderen Dingen belasteten Böttger nicht ganz
allein mit der technischen Leitung der neuen Manufaktur zu beladen, anderer-
seits, um die Erfindungen Böttgers nicht mit dessen Tode völlig untergehen zu
lassen, sie wenigstens einer oder einigen völlig zuverlässigen Personen mitzuteilen,
aber man hatte sich damals längst dafür entschieden, damit niemand außer Böttger
die ganzen Geheimnisse oder, wie man damals zu sagen pflegte, Arcana der Fabrika-
tion kannte, jede Mitwisser nur eines Teils derselben sein zu lassen, mit dem
allerstrengsten Verbote, sich auch um den anderen zu kümmern. Auf diese Weise
hatte, wie bereits erwähnt, Böttger dem Dr. Bartelmei die Herstellung der Massen,
dem Dr. Nehmitz die Komposition der Glasuren und den Prozeß des Brennens
mitgeteilt. Beiden ward nun, als die Manufaktur begründet ward, die Leitung
ihrer Abteilung aufgetragen, zu welchem Zwecke ihnen gleich von Anfang an aufs
68 Die Steinzeugfabrik.
schärfste anbefohlen worden war, sich aufs genaueste mit ihren Arcana zu be-
schäftigen, vor allem aber selber auf ihrem Gebiete zu experimentieren, damit
sie auch wirklich imstande wären, die Manufaktur gänzlich ohne Böttgers Beihilfe
zu leiten. Sie hatten jetzt beide in Meißen ihre vier Arbeiter zugewiesen bekommen,
von denen die einen die Glasuren stampfen und Öfen bauen, die anderen die Massen
bereiten sollten. Dr. Nehmitz ist dann auch bald nach Verlegung der Manufaktur
auf die Albrechtsburg nach Meißen übergesiedelt. Dr. Bartelmei dagegen zog es
vor, in Dresden zubleiben, er soll nie lange in Meißen gewesen, ja eigentlich nur mit
Böttger zusammen dahin ^'') gekommen sein. Die eigentliche Aufsicht aber über
die Fabrik, namentlich über die Arbeiter, führte seit 1711 Steinbrück, Böttgers da-
maliges Faktotum, den er in diesem Jahre zum Inspektor derselben gemacht hatte.
Er wohnte in Meißen, war aber durchaus kein Mitwisser der Arcana, jedoch in
erster Linie dafür verantwortlich, daß diese geheim blieben und namentlich kein
Arbeiter, der etwas von den Arcana wußte, die Fabrik heimlich verließ, um seine
wertvollen Kenntnisse etwa an anderer Stelle zu verwerten.
Alle wirkliche Weiterarbeit, jeder Fortschritt auf keramischem Gebiete ist
jedoch damals auf der Jungfer erfolgt durch Böttger selber, der als die einzige wirk-
lich bedeutende schöpferische Kraft in diesem Kreise nach wie vor die Seele der
ganzen Unternehmungen blieb. Er arbeitete hier in seinem Laboratorium, über
dessen Eingang er den mehr launigen als poetischen Vers setzen ließ:
,,Gott unser Schöpfer
hat gemacht aus einem Goldmacher einen Töpfer."
Er behielt hier seine eigenen Öfen und seine eigenen Arbeiter, darunter nament-
lich David Köhler und Johann Georg Schubert, die tüchtigsten, die die Meißner
Manufaktur in dieser ganzen Zeit überhaupt besaß, von denen er den ersteren
schon als kleinen Bergjungen aufgezogen hatte, der andere ihm auch schon seit
Jahren diente. Sie mußten zumeist die Gedanken und Versuche Böttgers im
Feuer probieren und haben sich dabei in der Tat um das Zustandekommen der
Böttger&Ghen Unternehmungen sehr verdient gemacht. Hier auf der Jungfer
hatte Böttger auch gleich nach Begründung der Manufaktur, ja, wahrscheinlich
auch schon lange vorher, alles daran gesetzt, um seine erste bedeutende kerami-
sche Erfindung, für die in erster Linie die Manufaktur nun begründet war, das
rote Steinzeug industriell nutzbar zu machen. Mußte ihm doch selber, der bisher
dem Könige immer so viel versprochen, aber bisher so herzlich wenig ge-
halten hatte, gar viel daran liegen, daß nun endlich zu dessen Beruhigung etwas
scheinbar recht Einträgliches zustande käme, zumal auch die ersten von
ihm gegründeten keramischen Fabriken, die Rund- und die Steinbäckerei, obwohl
ihre Aufrichtung gar nicht so schwer erschienen war, durchaus noch nicht
recht zustande kommen wollten. So war damals in der Tat, wie berichtet wird, hier
seine ,, einzige Sorge", die neue Materie so viel wie möglich nach jeglicher Richtung
hin auszunutzen, vor allem aber ihre Massenfabrikation in die richtigen Wege
Beginn des Fabrikbetriebes.
69
zu leiten: der wirkliche Fabrikbetrieb, der etwas ganz anderes darstellt als die
Herstellung einiger weniger Objekte, mußte begründet werden. Und so ,, ungemein
fleißig und eifrig" hat Böttger damals in der Tat gearbeitete'^), daß schon zu Ostern
dieses Jahres ein unglaublicher Vorrat der verschiedenartigsten Gegenstände
fertig war, der völlig ver-
kaufbar schien.
Freilich Anstrengungen
genug muß es damals Böttger
gekostet haben, das neue ke-
ramische Produkt in dieser
Weise technisch bewältigen
zu lernen. Es ist niemals
eine leichte Sache, selbst
nicht für den Fachmann,
eine neue keramische Indu-
strie, deren glückliches Ge-
lingen meist nur das Resul-
tat langer Erfahrungen sein
kann, so ohne weiteres aus
dem Boden zu stampfen, es
ist doppelt schwer für je-
manden der, wie Böttger, auf
diesem Gebiet völliger Laie
war. Zwar hatte sich ja
Dr. Bartelmei, wie es von
ihm gewünscht worden war,
mit unleugbarem Eifer der
neuen Unternehmungen an-
genommen, er hatte seine
große keramische Orientie-
rungsreise unternommen und
hierbei aufmerksam auf alles
geachtet, was irgendwie mit
Töpferei zusammenhing. Auch
waren ja sowohl für die Stein-
und Rundbäckerei als auch
für die anderen keramischen
Versuche Böttgers allerhand Töpfermeister und Gesellen aus nah und fern herbei-
gezogen gekommen. Aber auch diese, die sich vielleicht nur deshalb eingestellt
hatten, weil sie an anderer Stelle mit ihrem Können nicht weiterkamen, hatten
sich ja so gut wie alle als völlig unfähig erwiesen. In den Rund- und Stein-
bäckereien gelang es damals nicht einmal, eine haltbare Glasur herzustellen oder
Abb. 12. Böttgersteinzeug. Statuette König August des Starken.
Sammlung: Gumprecht, Berlin. Höhe ii,s cm.
70 Die Steinzeugfabrik.
Rundgefäße richtig aufzudrehen. Bei einer im Juni dieses Jahres vorgenom-
menen Untersuchung letzterer Anstalt stellte sich heraus, daß dort nicht weniger
als 20000 Fliesen umherlagen, die nach der eigenen Angabe der Leiter dieses Be-
triebes die Glasur nicht trugen^'^). Wie konnten da diese Hilfskräfte Böttger hei dem
behilflich sein, was er nun mit dem weit schwierigeren Produkte des roten Stein-
zeugs in künstlerischer wie technischer Hinsicht beabsichtigte! So ruhte damals
die ganze Last dieses Unternehmens fast allein auf Böttgers Schultern, er
mußte alles Neue, was erforderlich war, aussinnen und zu seiner Durchführung
die richtigen Wege weisen, er mußte alle Schwierigkeiten, die sich hierbei in
den Weg stellten, selber prüfen und die Mittel zu ihrer Abstellung suchen. Daß aber
Böttger, dem keramischen Laien, dies alles wirklich gelang, und zwar in so erstaun-
lich kurzer Zeit, daß er fast spielend alle Hindernisse, auf die er stieß, auch wirk-
lich zu beseitigen wußte, das ist namentlich in Anbetracht des doch immerhin
schwierigeren keramischen Objektes, um dessen Bewältigung es sich hier jetzt
handelte, ein neuer Beweis für Böttgers glänzende Begabung, für sein ungewöhnlich
technisches Geschick und die Vielseitigkeit seines Geistes, die freilich nur der wirk-
liche Fachmann ganz zu würdigen verstehen wird. Es ist ein neues Blatt in dem
Ruhmeskranze dieses Erfinders.
Zunächst nach der Erfindung des Steinzeugs wird es Böttgers erste Sorge
gewesen sein, größere Lager der roten Erde in Sachsen aufzufinden, wenn er auch
noch längere Zeit hindurch diese von dem Kaufmann Böhme in Dresden bezogen
zu haben scheint i^^). Doch wird bereits im Jahre 1711 eine rote, hinter Zwickau
brechende Erde genannt^^^), die später nachweislich zu dieser Masse verwandt
ward ^^2), und die auch heute dort noch keramische Verwendung findet; später
mag auch eine rote Erde, die bei Okrilla^^^) in der Nähe von Meißen gefunden
ward, in Benutzung gezogen worden sein. Diese Erden wurden mit 12 % des zweiten
Bestandteiles dieser keramischen Masse, dem Lehm, zusammengesetzt, den man
wahrscheinlich die ganze Zeit, wie am Anfange, dem Plauenschen Grunde bei
Dresden entnahm, beide Bestandteile dann, bevor sie zusammengefügt wurden,
sorgfältig geschlemmt, auf dem Ofen getrocknet, durchgesiebt und miteinander
vermengt, hierauf der Länge und der Quere nach durchgerührt, was doppelt so
oft geschehen mußte, als es nachher für die Porzellannaasse sich als nötig erwies.
Damit war die Präparierung der Masse zu Ende^^*).
Nun konnte die Formung, die Gestaltung derselben beginnen, die in der Regel,
wie in aller Keramik, mit dem Aufdrehen auf der Töpferscheibe begann. Hierbei
war vor allem darauf zu achten, daß die Masse nicht zu trocken war, daß sich nicht
etwa kleine Bläschen durch Ablockerung der oberen Schicht von der unteren
bildeten, die beim Brennen ihre sehr verderbliche Wirkung tun konnten. Dann
aber folgte der schwierigste Teil dieser ganzen Arbeit, wie aller Keramik über-
haupt, derjenige, auf den die ganze übrige keramische Tätigkeit in erster Linie
hinzielt, das Brennen. Das Brennen hat in der Tat Böttger schon bei diesem Stein-
zeug viele Mühe bereitet, wenn natürlich auch nicht entfernt so viel, wie später
Technische Bewältigung. 71
beim Porzellan. Handelte es sich doch auch schon hier um Erzeugung und
Beherrschung einer Hitze, an die die damalige Keramik durchaus noch nicht
gewöhnt war, wohingegen freilich diese Masse dem Porzellan gegenüber noch
immmer den großen Vorteil darbot, im Brande nicht weich zu werden, vielmehr
nur fest zusammenzutrocknen, zu versintern. Die Gefahr des Schiefwerdens, des
Sichziehens, des Reißens war daher bei diesem Steinzeug lange nicht so groß,
wie beim Porzellan, wenn auch durchaus nicht ausgeschlossen.
Böttger war natürlich auch auf dem Gebiet des Brennens zunächst durchaus
Laie. Wer weiß, ob er, bevor er als löjähriger Jüngling in Dresden zu so langer
Abgeschlossenheit von aller Welt durch den Machtspruch des Königs verurteilt
ward, überhaupt jemals einen Töpferofen gesehen hatte? Doch Dr. Bartelmei
hatte ja auf seinen Orientierungsreisen ganz besonders auf derartige Brennöfen
geachtet und sogar Zeichnungen von ihnen mit nach Hause gebracht; auch die
Töpfer, die Böttger bisher engagiert hatte, mochten wenigstens auf diesem Gebiete
einige Erfahrung besitzen- Vor allem aber, Brennprobleme, Ofenprojekte lagen
hier in dem Tschirnhausen-Böttgerschen Kreise damals durchaus in der Luft. Zu den
technisch-industriellen Bestrebungen, zu denen der Merkantilismus Frankreichs in
Sachsen Anlaß gegeben hatte, gehörte, wie bereits oben gezeigt, in erster Linie
die bessere Ausnutzung des Feuers, die Verbesserung der Öfen, die zu industriellen
Zwecken verwandt wurden. Man ging vor allem darauf aus, durch besseres Aus-
nutzen des Brennmaterials, das damals ausschließlich Holz zu sein pflegte, die
Kosten der Herstellung eines Produktes zu verringern. Gerade nach dieser Rich-
tung hin war ja auch schon Tschirnhausen besonders eifrig gewesen, er hatte neue
Öfen für Salzwerke, für Brauereien konstruiert, die sich auch bewährt hatten; auch
den für Sachsen so wichtigen Blaufarbenwerken hatte er ja auf gleiche Weise ab-
helfen wollen ^^^). Böttger hat alle diese Bestrebungen in vollem Umfange nach
Tschirnhausens Tode wieder aufgenommen ; sie begleiten seine ganze weitere
Tätigkeit bis an sein Lebensende, indem er bald, wie schon erwähnt, darauf aus-
ging, das Schmelzen von Erzen, an denen das sächsische Erzgebirge so reich war, ra-
tioneller zu gestalten, bald, wie Tschirnhausen neue Brennöfen erfand, sie probieren
ließ und ihr Prinzip dann auf alle möglichen anderen Industrien auszudehnen
versuchte ^"^). Hierbei können ihm auch seine alchimistischen Untersuchungen,
die ja vorzugsweise mit dem Feuer arbeiteten, von einigem Nutzen gewesen sein.
So ging Böttger getrost ans Werk. Die ersten Öfen freilich, die Böttger für das
Garbrennen seiner keramischen Produkte schon im Jahre 1709 auf der Jungfer
gebaut hatte, erwiesen sich als nicht ausreichend. Es waren, wie anscheinend alle
keramischen Öfen Böttger s, und wie sie auch Dr. Bartelmei in seinen Zeichnungen
angegeben hatte, liegende, halbzylindrische Öfen, die aber viel zu klein und der
Gewölbe der Festung wegen viel zu niedrig waren, worüber sich Böttger ja schon im
November dieses Jahres gegenüber seiner Kommission beklagt hatte. Nur andert-
halb Reihen der in dieselben gesetzten Gefäße, die hinten an der Stirnmauer gerade
unter der Feueresse aufgesetzt wurden, konnten auf einmal gut gebrannt werden,
72 Die Steinzeugfabrik.
die vorderen Plätze mußten dagegen völlig unausgenutzt gelassen werden und
auch von jenen zog sich vieles schief oder fiel blättrig aus, so daß es für unbrauch-
bar gelten mußte^^'). In Dresden scheinen hierbei Böttger mehr Öfen zur Verfügung
gestanden zu haben ^^^), als in Meißen, wahrscheinlich, weil er für seine vielen, ganz
verschiedenartigen Untersuchungen dort mehrerer zu gleicher Zeit bedurfte. In
Meißen dagegen hört man in dieser Zeit nur von einem einzigen, der aber kaum
besser gewesen zu sein scheint als die zu Dresden. Ein größeres Stück füllte
ihn fast gänzlich aus, so daß der Zug des Feuers völlig gehemmt und dadurch nach
der einen Seite zu viel Hitze gelenkt wurde ^^^). Er war hier in der sogenannten
Küche aufgestellt^^"), einem anscheinend kleineren Hause am Nordrande der
Burg scheinbar dicht am sogenannten ,, Kornhause", das zum Brennhause
eingerichtet war^^^). Doch der Raum erwies sich als viel zu klein zur Auf-
nahme mehrerer Öfen, auch viel zu niedrig zur Aufnahme eines größeren. Daher
beschloß Böttger schon im August des Jahres 1711 ein neues Brennhaus auf der
Burg errichten zu lassen und hatte für dasselbe auch bereits einen Platz ausersehen,
eine wüst gelegene Stelle auf dem Platz der Domkirche gegenüber zwischen dem
Schloß und jener Küche, indes diese zu der Fabrikation des künstlichen Borax,
den Böttger damals erfunden zu haben glaubte und mit dem er es damals sehr
wichtig hatte, verwandt werden sollte. Auch hatte der König, die Berechti-
gung dieses Bedürfnisses völlig einsehend, sofort 6000 Taler für den Neubau
bewilligt und Anweisungen zur Auszahlung dieser Summe erteilt, und es wurde
auch wirklich mit Hilfe der damals noch üblichen Frondienste der ,,Ambts-Unter-
thanen" in Meißen mit dem Bau desselben im August des Jahres 1712 der Anfang
gemacht. Bauholz und Steine wurden herbeigeschafft und auch bereits die Grund-
mauern gelegt. Da stockte das ganze Unternehmen, da das Geld ausblieb und auch
die Frondienste aufhörten. Wie es Böttger später zu seinem großen Ärger noch so
oft ergehen sollte, zahlte die Kammer das ihm vom Könige angewiesene Geld,
entweder weil sie es nicht wollte oder auch gar nicht konnte, einfach nicht aus,
und damit blieb dieses wichtige Werk dauernd liegen. Das bereits angefahrene
Holz ward später zum Heizen der Öfen verwandt, die am Wasser lagernden Steine
schwemmte zum größten Teil ein Hochwasser der Elbe weg und Böttger war wieder
soweit wie vordem. Es war das erste wirkliche Hindernis, auf das Böttger wäh-
rend seiner Arbeiten stieß, der Geldmangel, der eine Folge war der gänzlich un-
zulänglichen finanziellen Kräfte, mit denen alle diese Unternehmungen Böttgers
begonnen wurden, doch es war ein Hindernis, das bald nur zu sehr ein dauern-
des werden sollte ^^2) und Böttger dann mehr in allen seinen Arbeiten gelähmt hat,
als irgend etwas anderes.
Alle die eben genannten Öfen Böttgers waren aus feuerfesten Tonziegeln
errichtet, aus einer Masse, deren Zusammensetzung er vielleicht bei seinen Unter-
suchungen anläßlich des Porzellanerfindens'gefunden hatte, die er aber anfangs
von weither kommen lassen mußte, weswegen sie nicht gerade billig waren ^^^).
Diese Ziegel, die wir heute Schamotteziegel zu nennen pflegen, stellten gleichsam
Das Brennen.
73
eine neue keramische Erfindung Böttgers dar, die er so ganz nebenher gemacht
hatte. Sie wurden später auch von anderen zum Bau von Öfen verwandt.
In die aus ihnen konstruierten Öfen wurde das rote Steinzeug ganz, wie
€s damals mit den Fayencen zu geschehen pflegte und auch für das Porzellan
erforderlich war, in Kapseln eingesetzt, dann ward die aus Holz bestehende
Feuerung angezündet und der Garbrand vollzogen. Um aber zu erkennen,^
wann dieser vollendet war, hatte Böttger
,, Probelöcher" an den Öfen anbringen,
lassen, durch die man in dieselben hinein-
schauen konnte, und dicht bei diesen
,, kleine Kegelchen" aus dem Lehm des
Plauenschen Grundes auf die Kapseln setzen
lassen. Fingen diese Kegelchen an glänzend
zu werden und zu fließen, dann war es
Zeit, den Ofen ausgehen zu lassen^^*).
Böttger aber hatte damit jene Erfindung
gemacht, die in unserer Zeit zu der des
jedem Keramiker bekannten sogenannten
Segerkegels führen sollte, des wichtigsten
Hilfsmittels das die Keramik unserer Zeit
zu gleichen Zwecken besitzt. Er ist so-
mit auch hier der Vater dieses Gedankens
gewesen.
Trotz alledem aber war es bei der
Primitivität dieser Öfen kein Wunder, daß
noch immer manches schief und verbrannt
oder infolge mangelhaften Aufdrehens blätt-
rig aus dem Ofen herauskam, ja sogar zer-
sprang und somit in keiner Weise den ge-
hegten Erwartungen entsprach'^'^). Na-
mentlich ward es als sehr ärgerlich empfunden,
daß, hatte man sich mit der Komposition
der Massen auch noch so sehr dem jedes-
maligen Grad des Feuers angepaßt, viele
Stücke dennoch ein unschönes graues oder aschfarbenes Äußere erhielten, als Folge
einer zu starken Erhitzung i^^). Doch entdeckte Böttger bald, daß diese graue Farbe
meist nur der äußeren Schicht anhaftete und daß unter dieser, sobald sie
durch Schleifen entfernt wurde, der übliche rote Ton wieder zum Vorschein
kam, so daß ein derartig verbranntes Stück dann wieder wie ein gewöhn-
liches rotes behandelt werden konnte. Dennoch ist schließlich Böttger
durch unermüdhches Probieren über alle diese Schwierigkeiten Herr ge-
worden und hat diese Masse in tadellosester Weise herzustellen gelernt. Ja, er
Abb. 13. Pokal in Silber. Arbeit J. J. Irmingers.
(Eigentum der Dresdner Bog-enschützengesellschaft.)
Aus Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens, Bd. 23.
74 Die Steinzeugfabrik.
ward bald so eingenommen von ihr, daß er sie in echtem Erfmderstolze ohne Be-
denken über die ihres ursprüngHchen Vorbildes, des chinesischen Steinzeugs, stellte.
Namentlich wäre sie, so gab er an, viel ,, zarter" als jene und dabei doch viel
„kompakter", so daß sie sich viel leichter schleifen und doch beim Aufdrehen
„modulieren und poussieren" ließe wie Wachs ^^'). Er war allem Anscheine nach
mit seiner Erfindung durchaus zufrieden.
Nach der rein technischen Behandlung der neuen Masse hatte dann Böttger
in erster Linie an ihre künstlerische Ausgestaltung zu denken. Denn von vorn-
herein stand es fest, dieses ,, neuerfundene Porzellain" zur Erhöhung seines materi-
ellen, wie ideellen Wertes in den Dienst einer höheren Kunst zu stellen, es auf alle
mögliche Weise zu veredeln und zu verfeinern. Stellte es doch an sich nicht nur
eine für die damalige europäische Keramik ungewöhnlich feine Masse dar, die wie von
selber zu einer solchen Veredelung herausforderte, sondern war auch, wie später das
ganze europäische Porzellan des 18. Jahrhunderts, in der Sphäre des Hofes ent-
standen, dadurch von vornherein zu einer Feinheit und Delikatesse bestimmt,
die die bisherige ausschließlich bürgerliche oder gar bäuerische Keramik Deutsch-
lands, die in der Hauptsache ein Ausfluß des biederen Handwerks gewesen war,
bisher noch niemals gekannt hatte. Schon gleich in jenem Patent, mit dem
der König im Januar des Jahres 1710 die Porzellanmanufaktur begründet hatte,
hatte er ja — gleichsam in vier Sprachen — „gute Künstler und Handwerker" her-
beizuziehen versucht und zu diesem Zwecke weitgehende Privilegien und sonstige
Vergünstigungen in Aussicht gestellt, hierbei auch hinsichtlich der künstlerischen
Verwendung der neuen Massen Erwartungen ausgesprochen, die die Keramik
überhaupt kaum je hat erfüllen können. Sah er doch schon im Geiste ganze
,, Statuen und Columnen" in ihnen entstehen ^^^), und es äußerte sich demnach schon
damals ganz am Anfange jenes allgemeine Streben des Barocks nach dem Großen,
Mächtigen und Verblüffenden, das so merkwürdig die ganze Keramik, die dieser
König schuf, durchzog und im Porzellan schließlich auch zu Schöpfungen führen
sollte, die von diesen Bestrebungen noch heute beredte Kunde geben.
Vor allem aber hoffte man damals, in voller Unkenntnis aller jener stilistisch-
technischen Grundsätze, die heute das Abc alles kunsthandwerklichen Schaffens dar-
stellen, aus diesem Materiale wie dann später auch aus dem des Porzellans alles zu
„effektuieren", was sonst aus Marmor oder gar aus den Metallen hergestellt zu werden
pflegte. Hatte man es doch auch etwas kühn Jaspisporzellan getauft und damit
weniger als ein selbständiges Material, denn als das Surrogat eines edleren Stoffes
hingestellt, als ein Produkt, das, wie Böttger selber angab, „den Namen eines durch
Kunst verfertigten Edelsteins wohl meritiret". Diese seltsamen Ansichten, die dies
Material seinem eigenen Gebiete gänzlich zu entfremden versuchte, hat dann auch in
der Tat seiner künstlerischen Behandlung stark die Wege gewiesen: ein Goldschmied
hat in der Hauptsache seine künstlerische Ausgestaltung in die Hand genommen,
ja die hierbei erforderlichen Modelle sogar oftmals in Silber und Kupfer ge-
trieben^^^). Seine schönste Veredlung aber erfuhr es dann durch jene Techniken,
Künstlerische Gestaltung.
75
die der Keramik bisher völlig ferngelegen hatten und zu ihr auch kaum jemals
wieder zurückgekehrt sind, für Edelsteine und Halbedelsteine jedoch die fast
allein gebräuchlichen darstellen: durch die des Schleifens und Schneidens.
FreiUch die Goldschmiedekunst war bei dem damaligen allgemeinen Tiefstande
der Keramik in Sachsen wohl die Kunst, an die man bei einer \sdrkHch feineren
künstlerischen Bearbeitung dieses Stoffes wohl zunächst denken mußte. Sie war
die edelste, feinste und angesehenste unter allen handwerklichen Künsten dieser
Zeit, sie ist dieses,
da das feine, wert-
volle Material immer
eine feinere, kostspie-
ligere Arbeit heraus-
gefordert hat, auch
zu allen Zeiten ge-
wesen. Ihre Vertre-
ter genossen daher
immer eines ganz be-
sonderen Ansehens,
sie standen gleich-
sam an erster Stelle
unter den Kunst-
handwerkern dieser
Zeit. Daneben aber
gab es auch in tech-
nischer Beziehung
Berührungspunkte :
gleich dem Töpferge-
staltet auch der Gold-
schmied in erster
Linie Hohlgefäße und
er bedient sich gleich-
falls hierbei vielfach
der Technik des
„Aufdrehens", die für den Töpfer die eigentliche Grundlage seiner Kunst
ist. So war es denn in der Tat nicht allzu verwunderlich, daß, als man nun
ernstlich an die künstlerische Ausgestaltung des roten Steinzeugs schritt, der Hof-
goldschmied Irminger mit dieser Aufgabe betraut wurde, jener geschickte Gold-
schmied, der ganz am Anfange der keramischen Versuchen Böttgers, bei der Be-
gründung der Rundbäckerei den so unfähigen einheimischen und fremden Gesellen
erst das Aufdrehen der Gefäße hatte beibringen müssen. Er hatte sich dadurch
Böttger gegenüber als eine sehr brauchbare Kraft dokumentiert, die sich nicht
bloß in seinem eigenen, sondern auch in einem fremden Gebiet mit großem tech-
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Abb. 14.
Böttgersteinzeug. Große Schale, glatt geschliffen.
Dresden, König!. Porzellansammlun^. H. 36.
76 Die Steinzeugfabrik.
nischem Geschick zurechtzufinden schien ^o"). So ward ihm jetzt, jedenfalls auf
Böttgers Betreiben, durch den König zunächst mündlich, später durch besondere
Instruktion anempfohlen, ,,der Porzellanfabrik hülfreiche Hand zu leisten und
auf ,, solche Inventionen zu denken, damit außerordentlich große, teils andere
Sorten sauberer und künstlerischer Geschirre möchten erzeuget werden", und
Irminger begann hierauf in der Tat ,, unterschiedliche Arten verzierter und un-
verzierter Modelle" auszusinnen und die Modelle dazu, wie bereits erwähnt,
sogar in Silber und Kupfer zu treiben, bei welcher Arbeit ihm wohl jene Gold-
schmiedegesellen geholfen haben, die nachweislich in dieser Zeit für die Manufaktur
beschäftigt wurden, ein deutliches Zeichen, wie ratlos man damals noch diesem
neuen Produkte gegenüberstand, doch auch, wie hoch seine Wertschätzung ging.
Irminger ist dann oft Woche für Woche nach Meißen gefahren, um hier
die Ausführung seiner Modelle im Steinzeug zu überwachen und den Ar-
beitern die dazu nötigen Handgriffe zu lehren ^oi). Er muß ein in jeder
Beziehung gewissenhafter und fleißiger Mann gewesen sein, einer jener wenigen,
deren Wahl für die Zwecke der Manufaktur der König und Böttger nie bereut
haben werden^"^).
Von vornherein durch seine ganze Entstehungsgeschichte gegeben war aber
als Hauptveredlungsmittel des roten Steinzeugs der Schliff, das alte Verzierungsmittel
Tschirnhausens, das ja allein zur Auffindung des Prinzips des Porzellans und damit
dieses selber geführt hatte.
Er sollte hier nach wie vor die Glasur ersetzen, zu der schönen, tiefen, rotbraunen
Farbe dieses Materials auch noch den festlichen Glanz hinzufügen, vor allem aber
dies Surrogat eines edlen Naturprodukts diesem annähern, soweit es nur irgend
möglich war. Diese Bestrebungen Böttgers hingen aufs engste mit der ganzen
Geschmacksrichtung dieser Zeit des Barocks zusammen, die immer ein ganz be-
sonderes Gefallen an nicht bloß materiell, sondern auch ästhetisch wertvollen
Materialien gefunden hat, wie kaum eine Zeit vor- oder nachher. .Mit Leidenschaft
griff man damals zum Elfenbein, zum Bergkristall, zu Edel- und Halbedelsteinen,
Korallen u. dgl., verschleuderte Unsummen, um sie zu erwerben und ließ sie
in die wertvollsten Materialien mit der höchsten Kunst, die zur Verfügung stand,
fassen. Ganze Kabinette wurden von solchen kostbar verarbeiteten Materialien
angelegt, man suchte sich in der Vermehrung derselben gegenseitig nur zu über-
bieten. Man hat eine solche Leidenschaft für derartig wertvolle Materialien vielfach
als ein Zeichen künstlerischen Verfalls angesehen und jenen Zeiten, die ihr erlagen,
wohl das wahre, selbstlose Kunstempfinden absprechen wollen; wohl mit
Unrecht. Warum soll sich der Mensch nicht freuen an jenen edlen Produkten,
die die Natur hervorbringt, warum durch sie nicht einen Genuß empfinden, dem
ähnlich, den seine eigenen Werke, seine künstlerischen Arbeiten in ihm hervor-
zurufen pflegen ? Eine wirklich verfeinerte Welt mit offenen Augen für alles Schöne
kann nicht an derartigen Dingen vorübergehen: sie müssen sie reizen, müssen ihr
gefallen und ihr begehrenswert erscheinen, und es ist nur ein trauriges Zeichen
Das Schleifen.
77
von der Oberflächlichkeit des Kunstempfindens unserer Zeit, wenn diese jene
nicht nur kaum beachtet, sondern gar noch über jene Zeiten, die sie liebten und
begehrten, spöttisch zu Gerichte sitzt.
Wie es damals hinsichtlich dieser Leidenschaft in Dresden stand, davon haben
wir noch heutzutage ein so sicheres Zeugnis, daß jedes andere sich daneben er-
übrigt: im weltbekannten ,, Grünen Gewölbe" des königlichen Schlosses zu Dresden
hat diese Leidenschaft der Zeit für kostbare Materialien wohl ihren stärksten und
dauerhaftesten Niederschlag gefunden, hier ist, was damals alles an wertvollen
Materialien Schätzung gefunden hat, in überwältigender Fülle zusammengebracht
worden. Es ist der Geist des prunkliebenden, aber auch so kunstverständigen
Königs August
des Starken,
der hier noch
immer lebt, des-
selben, der von
Böttger das glei-
ßende künst-
liche Gold er-
hoffte, dann
aber gleichfalls
das prächtig
schimmernde
Porzellan, und
der nun auch
ganz naturge-
mäß das neue
Produkt des ro-
ten Steinzeugs
so edel und so
hoch erhoben
haben wollte,
wie es nur irgend möglich war. So ward die Brücke zwischen der Keramik und
der künstlerischen Behandlung der Edelsteine geschlagen, und das BöUger^ch.Q
Steinzeug hat hiervon wohl nur seinen Vorteil gezogen.
Auch noch einem dritten Materiale wurde dieser neue vielseitige Stoff
nahe gebracht, dem Glase : zum Schliff gesellte sich der Schnitt. Er war für dieses
damals die Modetechnik der Zeit, die an dem damals gebräuchlichen dickwan-
digen ,, Kristallinglas" ganz allgemein zur Anwendung kam, besonders in den Nach-
barländern Sachsens, in Böhmen und Schlesien, und die ja auch Tschirnhausen
in einer der von ihm angelegten Glashütten eingeführt hatte. Diese Technik wurde
am Steinzeug in reichem Maße angewandt. Man unterschied dabei zwischen
„Schneiden" und ,, Muscheln". Ersteres war das Eingravieren von Ornamenten,
Abb. 15. Böttgersteinzeug. Pastetennapf, geschliffen.
Königl. Porzellansammlungf, Dresden. Höhe 24 cm.
78 Die Steinzeugfabrik.
letzteres das von Facetten^o^). Die mannigfachsten Wirkungen konnten dadurch
erzielt werden.
Die Anwendung aber dieser beiden Techniken, des Schneidens wie des Schleifens,
hatte für Böttger das Angenehme, daß er sich zu ihrer Bewältigung, da er sie
anderen Gebieten entlehnte, keine Kräfte erst heranzuziehen brauchte. Schon im
September des Jahres 1708, wohl unmittelbar nachdem Böttger darauf ausging,
seinen melierten Fliesen durch den Schliff jenen Glanz zu geben, der bisher in der
Keramik nur durch Glasuren erreicht worden war, hatte Böttger Glasschleifer
engagiert. Jetzt mußte für das rote Steinzeug ihre Zahl stark vermehrt werden
und so scheinen schon in den Jahren 1710 — 1711 10 — 12 Glas- und Steinschleifer von
der Fabrik aus beschäftigt gewesen zu sein^"*), im Jahre 1712 dagegen schon 19,
von denen jedoch nur 3 in Meißen, 6 dagegen in Dresden und 10 sogar in Böhmen
wohnten. Der kleinste Teil war demnach in Meißen selber beschäftigt. Den in
Böhmen lebenden Glasschleifern wurden die Waren dorthin gesandt, nachdem
die Muster vorher in Dresden aufgezeichnet worden waren. Ganz im Anfange
hatte Böttger sogar gewünscht, daß alle in Sachsen lebenden Glasschleifer gezwungen
werden sollten, für die neue Manufaktur zu arbeitendes). Er hatte damals wohl
auf einen weit größeren Betrieb gerechnet, als sich nachher einstellte, und mochte
vielleicht auch hoffen, daß eine solche zwangsweise Arbeit für ihn billiger ausfiele, wo-
bei zugleich auch noch das Geld, das für sie ausgegeben werden mußte^ dem eigenen
Lande erhalten blieb. Doch ward ihm dieser Wunsch von Seiten des Königs nicht
bewilligt. Später dagegen wurden — ganz im Gegensatz zu diesem Bestreben —
nur noch Glasschleifer in Böhmen beschäftigt, da sie fleißiger und wohlfeiler
arbeiteten als die in Sachsen wohnenden^^ß). Daneben aber ward auch beab-
sichtigt, jene Schleif- und Poliermühle, die Tschirnhausen am Anfang des 18. Jahr-
hunderts zum Schleifen der in Sachsen von ihm aufgefundenen Landedelsteine
auf der ,, Osterwiese" bei Dresden an der Weißeritz hatte anlegen lassen, zu
gleichen Zwecken zu benutzen. Man wollte sichtbar die billigere Maschinen-
arbeit an die Stelle der kostspieligeren Handarbeit treten lassen. Doch diese
Mühle war in den Zeiten der schwedischen Invasion vom Kommandanten
von Dresden zerstört worden, damit sich der Feind nicht derselben bedienen
könne, ward aber gerade damals in den Jahren 1712 und 1713 durch Böttger,
der auch hier wieder die Erbschaft Tschirnhausens antrat, sie aber wie immer ver-
mehrte, mit vieler Mühe und unter Einführung mannigfacher Verbesserungen auf
dem Eisenhammer an der Weißeritz unterhalb Plauens bei Dresden wieder auf-
gerichtet 2°'). Doch ist es niemals zum Schleifen des Steinzeugs an dieser Stelle
gekommen, da die hierzu nötigen Maschinen fehlten und auch wegen Geldmangels
nicht beschafft werden konnten ^"S).
Daneben aber verzichtete Böttger trotz des Glanz verleihenden Schliffs doch
durchaus nicht ganz auf das sonst in der Keramik zu diesen Zwecken so
übliche Mittel einer Glasur. Sein reger Geist erfand mittelst Zutaten von
Kobalt oder Braunstein ^o») eine schwarze Glasur, mit der er das ganze Steinzeug
Die Glasur. 79
von oben bis unten überzog 2^°). Böttger scheint auf die Erfindung dieser Glasur,
die er schon sehr früh, d. h. am Anfang des Jahres 1710 zur Anwendung brachte^ii),
ganz besonders stolz gewesen zu sein, schon deshalb, weil eine solche Spezialität,
wie er selber sagte, noch niemals aus ,, Indien" gekommen wäre. Ihre Anwendung
erfolgte freilich zunächst aus rein praktischen Gründen: sie sollte jene Gefäße,
die infolge der mangelhaften Öfen, wie oben gezeigt ^i^)^ nicht garbrennen wollten
und daher porös blieben, wasserdicht machen, und sie ist damit wiederum ein Be-
weis jener über alle Schwierigkeiten triumphierenden genialen Kraft Böttger s, die
bei seinen Arbeiten uns auf Schritt und Tritt entgegentritt. Schließlich aber
sorgte Böttger dann auch noch für die koloristische Belebung seiner Erzeugnisse
durch Anwendung von Lack- und Emailfarben ^^2) sowie Vergoldungen 2^*) und ließ
auch viele Stücke in Gold und Silber fassen, ja wohl auch mit Steinchen, Gra-
naten und Silberfiligran besetzen. Die künstlerische Ausgestaltung dieses neuen
keramischen Erzeugnisses fiel damit reich genug aus. Sie hat damals sicherlich
alle, die sie zu bemerken Gelegenheit hatten, in Erstaunen setzen und von der
Regsamkeit seines Geistes einen neuen günstigen Begriff geben müssen. Böttgers
Ansehen kann dadurch nur gestiegen sein.
Und diese Regsamkeit wiederholte sich nur in der praktischen Ausnutzung
des neuen Materials: auch hier offenbarte sich, um diesem möglichst viele Freunde
und damit Käufer zu erwerben, das gleiche Streben, es so vielen Zwecken, als
es nur irgend erlauben wollte, dienstbar zu machen. Zwar das am Anfange jeden-
falls vom König angeregte oder doch von ihm stark unterstützte Streben nach dem
Großen, Monumentalen und Phantastischen, das in dem Gründungspatent der
Manufaktur so deutlich zum Ausdruck gekommen war, wird wohl recht bald an
den technischen Schwierigkeiten seine Grenzen gefunden haben. Doch auch der
eigentliche Ausgangspunkt der ganzen keramischen Tätigkeit Böttgers, die Her-
stellung von Fliesen, muß bald vergessen gewesen sein, da Erzeugnisse dieser Art
in rotem Steinzeug später niemals mehr erwähnt werden 2^^). Desto besser aber wußte
man sich an die wirklichen Bedürfnisse, Wünsche und Liebhabereien der Zeit zu
halten. In erster Linie natürlich ward, da man in dieser Beziehung den Chinesen
und Japanern so arg tributpflichtig geworden war, vor allem die junge Sitte des
Tee-, Schokolade- und Kaffeetrinkens berücksichtigt: Tee- und Kaffeekannen,
Teebüchsen, Zuckerdosen, Spülschalen und vor allem Tassen, damals Kopgen ge-
nannt, wurden daher in großen Mengen angefertigt. Zusammengestellt bildeten
sie die üblichen Tee- und Kaffeegarnituren dieser Zeit. Es folgten Geräte für
den Mittagstisch : Konfektschalen, Salzfäßchen, Griffe für Messer und Gabeln, Löffel,
„Bouteillen", Pastetennäpfe, Messerschalen, Butterbüchsen u. dgl. m. Ganze Speise-
service aus diesem Stoffe konnten dagegen noch nicht hergestellt werden. Dagegen
ward die gute alte deutsche Sitte des Biertrinkens durch Herstellung von Bierkrügen
nur um so mehr berücksichtigt, desgleichen die gleichfalls noch junge des Tabak-
rauchens durch Anfertigung von Pfeifenköpfen, die aber in einer von Böttger um
diese Zeit angelegten Pfeifenfabrik besonders hergestellt wurden^^*). Anderen Zwecken
80 Die Steinzeugfabrik.
dienten dann wieder „Bmnnen", Weihkessel, Stockknöpfe, Gießkännchen mit
Gießbecken, wie man sie damals zum Abspülen der Hände nach dem Essen
gebrauchte, Glocken, Toilettengarnituren usw. Auch Apothekergefäße wurden
aus diesem Stoffe wie früher aus Majolika und Fayence hergestellt, und
damals auch die Hofapotheke in Dresden mit derartigen Erzeugnissen aus-
gestattet^i'). Dann aber kamen die eigentlichen Kinder des Luxus an die Reihe 2^®),
diejenigen Erzeugnisse, deren alleiniger Zweck es war, das Leben zu verschönern:
in erster Linie „Aufsätze für Kamine", an die das ostasiatische Porzellan, da es
in Europa mit seinen ganz anderen Bedürfnissen zum Teil praktisch nicht recht
verwendbar war, die feinere Welt gewöhnt hatte, dann manches, das wohl nur als
Kuriosität anzusehen war, wie „Baumäste", Schnecken, Eichelblätter, reine Nipp-
sachen, wie sie eine Zeit, der es gut geht, zu lieben pflegt. Von besonderer Be-
deutung aber war, daß das neue Material, in dem Streben, sein Gebiet soweit als
nur irgend möglich zu erweitern, auch in den Dienst der hohen Kunst gestellt ward :
es ward damit ein neues Material für die Plastik, aus dem Vitellius-, Apollo- und
Kinderköpfe, ,, kleine römische" Bonifatiusstatuen, auch Basreliefs, Bilder, Kruzifixe
und dergl. hergestellt wurden.
Damit aber war der Wunsch der möglichst vielseitigen Verwendung dieses
Materials durchaus in Erfüllung gegangen. Fast alles, was später das 18. Jahrhundert
in Porzellan hergestellt hat, das ward hier jetzt schon in dem Material des roten
Steinzeugs vorweg gebildet 2^^). Es ist in dieser Beziehung ein ausgesprochener
Vorläufer des europäischen Porzellans geworden, das diesem die Arbeit stark
erleichtert hat. Doch was am meisten bei seiner ganzen Durchbildung und
Ausnutzung in Erstaunen setzt, das ist die erstaunliche Schnelligkeit, mit
der sie damals erfolgt ist, die nur verständlich wird, wofern man annimmt, daß
bereits vor der Begründung der Manufaktur die Hauptverzierungsarten des neuen
Produktes feststanden und erprobt waren. Schon im Jahre 1710, da die Manu-
faktur kaum eben erst gegründet war, waren, als Böttger zum erstenmal auf der
Leipziger Ostermesse seine neuen Erzeugnisse zum Verkaufe ausbot, fast alle oben
angeführten Verzierungsarten vorhanden. Auch unter den Steinzeugen, die Böttger
im April desselben Jahres an den König sandte, befanden sich schon die wunder-
barsten und kompliziertesten Sachen, Krüge mit Granaten verziert, mit Silber-
beschlägen, Schmelzwerk (Emailfarben) u. dgl. m.^^oj Später, im Jahre 1711 ^^i),
hat er als neues Verzierungsmittel allem Anscheine nach nur noch das Ätzen
vorschlagen können, wiederum ein Versuch, die Handarbeit durch eine mechanisch
wirkende Kraft zu ersetzen, auf die er wahrscheinlich dadurch kam, daß er als
Apotheker am Beginn seiner Lehrzeit sich viel mit der Ätzkunst beschäftigt
hatte ^2^). Auch finden sich in diesen Jahren zum erstenmal ,, marmorierte" Ge-
fäße erwähnt, bei denen er sicherlich Erfahrungen, die er bei dem Versuch, me-
lierte Fliesen herzustellen, gesammelt hatte, beim roten Steinzeug anzuwenden
versuchte 2^^). Neue praktische Verwendungsmöglichkeiten aber schienen dadurch
gegeben, daß er, wie es z. B. im Anfang des Jahres 1712 geschah, die Herstellung
Verwendung des Steinzeugs.
81
Abb. i6. Böttgersteinzeug. Schwenkkessel, geschliffen, mit kalter Goldmalerei.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Hohe 21 cm.
ganzer Tafelservice, ferner Gartentöpfe, Bilderrahmen, selbst Schränke u. dgl.
in Aussicht stellte, ja gelegentlich selbst daran dachte, das Material seiner Dauer-
haftigkeit wegen in die Architektur einzuführen ^^4^^ [^v welcher Absicht er wohl
Balustraden, Kragsteine usw. versprach, was natürlich alles damals um der tech-
nischen Schwierigkeiten willen nicht zur Ausführung kommen konnte. Seine Haupt-
bestrebungen in der eigentlichen Fabrikation jedoch war in diesen Zeiten ersicht-
lich, ihre Herstellungskosten zu verringern, um die Fabrikate billiger verkaufen zu
können. Im Januar des Jahres 1712 rühmte er sich, daß nun die Stücke schon
durch die ,, sich täglich perfektionierenden Arbeiter" mit weniger Kosten hergestellt
werden könnten, daß er aber sonst zur Verbesserung dieser Fabrikation fast nichts
mehr zu kontribuieren wisse 2^^). Man hat dann von weiteren Verbesserungen auf
diesem Gebiete auch in der Tat nichts mehr vernommen.
Diese rege Tätigkeit Böttgers hatte natürlich inzwischen ein starkes Anwachsen
des Fabrikbetriebes zur Folge gehabt. Dennoch ist er für die Begriffe, die wir uns
Zimmermann, Meißner Porzellan.
82 Die Steinzeugfabrik.
heute von einer keramischen Anstalt zu machen pflegen, damals recht klein gewesen
und ist es zu hehzeiien Böttgers auch immer geblieben. Ein einziger Brennofen stand,
wie bereits erwähnt, in diesen Zeiten der Fabrik zur Verfügung. Die Zahl der
Arbeiter soll in den Jahren 1710 und 1711 zwischen 33 — 40 geschwankt ^s«) haben,
unter denen sich 8 — 10 Massenbereiter und Brenner, 9 — 12 Töpfer, 2 Kapselmacher
befanden, weiter 10 — 12 Glasschneider und Schleifer, von denen freilich, wie erwähnt,
nur ein kleiner Teil in Meißen selber arbeitete, 1 Zeichner, 2 Vergolder, 2 Email-
lierer und 1 Lackierer, die gleichfalls nicht in Meißen wohnten. Am Ende des Jahres
1712 betrug die Zahl der Arbeiter 43. Es gab damals u. a. 1 Lackierer, 1 Gold-
arbeiter, 1 Maler, 1 Filigranarbeiter, welch letztere drei jedoch nur nach Bedarf
beschäftigt wurden, dann 6 Glasschleifer in Dresden, 3 in Meißen, 10 in Böhmen,
weiter 4 Massenbereiter, 3 Brenner, 6 Töpfer, 3 Kapselmacher, 2 Schlemmer des
Kapseltons und 2 Schilderer des ,, guten Porzellans", die wohl bereits für das wirk-
liche Porzellan arbeiteten 2^'). Mehrere der Arbeiter hatte Böttger schon bei seinen
früheren alchimistischen Arbeiten beschäftigt gehabt, wie die Arbeiter Görhig^
Wieden, Wildenstein, Gelbrich, vor allem aber die beiden tüchtigsten unter ihnen,
die bereits oben erwähnten David Köhler und Johann Schubert, die mit ihm
bereits auf dem Königstein gewesen waren, und die dann in dieser Zeit, wie er-
wähnt, in der Regel die Gedanken und Experimente Böttgers im Feuer durchzu-
probieren hatten ^^^).
Hinsichtlich der Größe der Bestände, die mittels dieses Arbeitspersonals herge-
stellt wurden, erfahren wir, daß, als im Frühjahr des Jahres 1710 das neue Produkt
auf der Leipziger Ostermesse zum erstenmal dem Publikum zum Verkauf angeboten
wurde, der Wert der dorthin gesandten fertigen Waren auf fast 4000 Taler taxiert
wurde ^^^), während ungefähr der gleiche Bestand noch in Meißen zurückgeblieben
sein soll 2^"). Im Oktober desselben Jahres wird, während die damalige Michaelis-
messe mit Waren im Wert von 4000 Talern beschickt ward, der in Meißen vor-
handene Vorrat auf 6000 Taler taxiert ^^i). Im September des folgenden Jahres
befanden sich auf dem Dresdner Lager 2000 Stück ^32)^ für Meißen dagegen werden
in der zweiten Hälfte dieses Jahres 12 — 13 000 rohe und gebrannte Geschirre
angegeben, neben 270 Zentner roher Materiahen und Massen ^^^). Um die Mitte
des Jahres 1713 schätzte Böttger das Inventar seiner Fabrik auf 60 000 Taler 23*).
Eine Steigerung des Betriebes war unverkennbar.
Der Betrieb selber aber ward fortdauernd so geheimnisvoll wie möghch
betrieben. Von Anfang an wob sich um die Tätigkeit der neuen Manufaktur ein
Schleier der Verschwiegenheit, wie von Anfang an ja um die Person ihres Be-
gründers. Alle wichtigeren und inteUigenteren Personen, die mit der Manufaktur
in Verbindung standen, wie die beiden Nehmitz, Pabst, Bartelmei hatten heilige
Eide schwören müssen, nie bis an ihr Lebensende über das, was hier getrieben
würde, zu sprechen oder anderen Mitteilungen zu machen. Zwar hatte man ja, wie
schon erwähnt, das Geheimnis der Erfindungen Böttgers, um es nicht mit seinem
Tode für immer verschwinden zu lassen und so seine ganze reiche, vielversprechende
Fabrikationsbetrieb.
83
Tätigkeit zunichte zu machen, wohl oder übel zweien Menschen mitteilen lassen,
aber es doch, damit keiner die ganzen Geheimnisse wisse und beherrsche, geteilt
und den Dr. Bartelmei nur das Brennen, den Dr. Nehmitz nur die Präparation der
Massen erlernen lassen. Auch sollte, damit diese beiden Besitzer des Arkanums
nicht in unnötige Versuchung geführt würden, niemand erfahren, wer diese
Besitzer wären ^s^). Weiter ward auch, damit außerhalb der Fabrik niemand auch
nur eine Ahnung bekäme, aus welchen Materialien sich die neuerfundenen Massen,
sowohl die des roten Steinzeugs wie auch des Por-
zellans zusammensetzten, durch die Instruktion
für das Direktorium vom 24. Januar 1710 das
Böttger bereits schon für seine alchimistischen Ar-
beiten zuerteilte Privileg erneuert, daß alle zu
seinen Arbeiten notwendigen Materialien nach
Vorzeigung eines Passes oder Attestes von Seiten
des Direktoriums „unter den Thoren oder auf
Posten und Landkutschen weder angehalten, noch
an Accise etwas davon verlanget, oder die An-
gebung pretendiret, am wenigsten aber eröffnet
oder visitiret werden mögen" ^s«). Gleichzeitig ward,
wie schon erwähnt, die Albrechtsburg militärisch
bewacht und sogar — was für damalige Zeiten
etwas ganz Besonderes war — nächtliche Beleuch-
tung eingeführt. Kein Unbefugter durfte sie be-
treten. Selbst dem Bettmeister der Burg, der
die Schlüssel derselben hatte, ward der Haupt-
schlüssel abgefordert und ihm derselbe versiegelt
wieder zugestellt mit der Weisung, sich desselben
nur in der äußersten Not zu bedienen ^37)^ Ganz
besonders aber suchte man sich der Arbeiter zu
versichern, hierbei vor allem zu verhindern, daß sich
durch ihren etwaigen heimlichen Weggang von der
Manufaktur auch die Kenntnis über ihren Betrieb
verbreiten möchte. Anfangs hatte in dieser Be-
ziehung der Statthalter von Fürstenberg dem Könige den Vorschlag gemacht, die Ar-
beiter fast wie Gefangene festzuhalten oder sogar zu Arbeitern Übeltäter zu nehmen,
die zum Festungsbau verurteilt wären ^»s). Doch hatte man davon Abstand ge-
nommen und die Arbeiter zunächst in Pflicht genommen und ihnen ihre Stellung in
der Fabrik dadurch angenehm zu machen gesucht, daß man ihnen eine ganze Reihe
von Vergünstigungen und Privilegien gewährte, dies aber wieder für so wichtig gehal-
ten, daß man das königliche Edikt, das diese festsetzte, schon vor dem die Be-
gründung der Manufaktur anzeigenden Patent erließ. Die auf diese Weise ge-
währten „Immunitäten und Freiheiten" bestanden vor allem in der Befreiung
Abb. 17. Böttgersteinzeug. Vase,
geschliffen, mit kalter Vergoldung.
Königl. Porzellansammlungf, Dresden.
Höhe 31 cm.
84 Die Steinzeugfabrik.
von allen in solchen Fällen sonst üblichen Personallasten, in der Befreiung von den
Zünften und in der Gewährung eigener Jurisdiktion ^»s), letzteres wohl zu dem
Zwecke, daß keiner von dem Personal gezwungen werden konnte, vor fremden
Gerichten auszusagen, wobei leicht irgendein Geheimnis hätte ausgeplaudert werden
können. Dann aber vor allem durch ausreichende Bezahlung, die man sich be-
mühte, wenn es nur irgend die Umstände gestatteten, stets auch zur rechten Zeit
erfolgen zu lassen ^^o). Ganz besonders aber sorgte man dafür, daß keiner, der in
der Fabrik arbeitete, von der Fabrikation mehr erfuhr, als unbedingt nötig war.
So hatten die Massenbereiter keine Ahnung vom Brennen, die Brenner keine von
der Bereitung der Masse und alle zusammen wieder nicht von der Glasur. Trotz-
dem behandelte man die Massenbereiter wie auch die Brenner mit ganz besonderer
Nachsicht. Sie schienen fürs Weglaufen noch immer zuviel zu wissen.
Und so kam wirklich mit Aufbieten aller Kräfte und vieler Umsicht unter
Böttgers eigentlicher, wenn auch nicht amtlicher Oberleitung das erste brauchbare
Produkt der vielen Manufakturen, die Böttger gründete oder gründen sollte,
zustande, und es galt nun dasselbe in die Welt hinauszutragen und ihr anzubieten,
um nun endlich neben den vielen bisherigen Ausgaben auch Einnahmen zu haben
und seine ganzen Unternehmungen auch als wirklich nutzbringend zu erweisen.
Böttger scheint in dieser Beziehung, wie immer, sehr optimistisch gedacht oder
jedenfalls zur Beruhigung des Königs alle Gründe hervorgesucht zu haben, die
einen glänzenden Absatz seines neuen Erzeugnisses mit voller Sicherheit zu prophe-
zeien schienen. Vor allem scheint er hierbei etwas allgemein seine Hoffnung darauf
gestützt zu haben, daß dieses ,, Porzellan", schon deshalb allen anderen künst-
lerischen Erzeugnissen der damaligen Zeit, wie Gold- und Silberarbeiten, Lack-
arbeit und Samt, hinsichtlich seines Absatzes weit überlegen wäre, weil es, von
dem Chinas und Japans abgesehen, in Europa gänzlich konkurrenzlos dastände,
den ostasiatischen Erzeugnissen aber dadurch weit überlegen wäre, daß man seins
ganz nach Belieben bestellen und, wenn esz. B. zerbrochen, sofort wieder nachverlangen
könnte. Auch wäre es ja an sich ein sehr schönes Erzeugnis, das, da es am Anfang
auch noch den Reiz des Neuen haben würde, und es nun einmal in der Natur des
Menschen läge, durch solche Neuheit gereizt zu werden, viele zum Kaufen ver-
leiten würde ^^i). Schon im November des Jahres 1709 hatte daher Böttger, als
die zur Untersuchung seiner Erfindungen eingesetzte Kommission zum zweiten
Male zusammentrat, einen ausführlichen Bericht, betitelt ,,Unvorgreifliche Ge-
danken über meine Joh. Friedr. Böttgers theils denen Ausländern nachgeahmten,
theils durch mich selbst neuerfundenen Manufakturen" vorgelegt, in dem er
sich über den Absatz seiner Erzeugnisse ausführlich verbreitet und den
sichersten Erfolg in Aussicht gestellt hatte 2^^). Man erwartete damals nichts weniger
als jährlich für 40 000 Taler Ware abzusetzen und dadurch gleich im ersten Jahre
der Fabrikation schon alle geleisteten Vorschüsse zurückerstatten zu können^*^). Ja,
Böttger verstieg sich sogar so weit — kaum sollte man dies für möglich halten ! — ,
seinen neuen Erfindungen eine gewisse politische Macht beizulegen, indem er die
. Absatzversuche. 85
seltsame Ansicht aussprach, die ostindische Kolonie müsse sich künftig, um des
Porzellanhandels nicht ganz verlustig zu gehen, Sachsens annehmen und es —
wohl durch Geldbeiträge — gegen äußere Feinde schützen, eine Ansicht, mit der
er wohl wiederum stark an die Leichtgläubigkeit des Königs, die ihn bisher durch
alle Fährnisse so glücklich gerettet hatte, appellierte, die aber auch, wie so manches
andere, was Böttger später getan und geraten hat, bewies, daß seine geniale,
weitschauende Erfindernatur sich auch bisweilen etwas arg ins Gebiet des Phan-
tastischen zu verlieren drohte.
Als dann der Verkauf der angefertigten Sachen wirklich seinen Anfang nahm,
richtete man naturgemäß sein erstes Augenmerk auf jene großen, allgemeinen
Kaufmärkte des Jahres, die Messen, die damals in der Tat die günstigsten Verkaufs-
gelegenheiten darstellten, zugleich auch die Hauptmöglichkeit, etwas Neues schnell
und ganz allgemein bekannt zu machen. Die wichtigsten und berühmtesten Messen
dieser Art fanden damals, wie bekannt, — zum nicht geringen Vorteil für diese ganz
neue Produktion 5ö^iger5, — in Sachsen selber statt, in Leipzig, und diese Leipziger
Messen, die von alters her dreimal im Jahre abgehalten zu werden pflegten, zu
Neujahr, Ostern und Michaelis, sind in der Tat jahrhundertelang die Konzentra-
tionspunkte des deutschen Handels gewesen, die selbst für das Ausland von der
größten Bedeutung waren. Zu ihnen strömten aus ganz Deutschland und dem
Auslande die Kaufleute zusammen, um ihre Abrechnungen zu halten und neue
Ware anzubieten oder zu kaufen. Auf ihnen aber kam durch den Frohsinn und
Feste liebenden König August den Starken jetzt auch alles zusammen, was Geld
und Rang hatte, um sich hier zu vergnügen. Sie waren damals zum Rendezvous-
platz der vornehmen Welt geworden, zu dem sich selbst die Fürsten von nah und
fern mit ihrem Gefolge einfanden 24*). Mit fieberhafter Eile hatte daher Böttger,
um ja nicht die erste günstige Gelegenheit zu verlieren, sein neues Produkt abzu-
setzen, sobald die Manufaktur begründet worden war, die künstlerische Ausbildung
desselben in die Hand genommen, so daß er tatsächlich imstande war, schon
auf die im Mai stattfindende Ostermesse des Jahres 1710 Waren hinzusenden,
deren Wert er auf 3857 Taler 9 Groschen taxierte, denen er aber auch zugleich
einige Proben des neuerfundenen Porzellans sowie eine Schachtel mit 10 Pfund
des von ihm damals bereits gewonnenen künstlichen Borax mitgab. Auch
wurden ihnen Abdrücke des Manufakturpatentes in holländischer, französischer
und lateinischer Sprache beigelegt. Die Waren, die aber meist nur einzelne
Stücke, noch keine kompletten Service oder Garnituren waren, unter
denen sich jedoch schon Stücke von ganz ungewöhnlicher Schönheit
befanden, wurden in Leipzig auf der Petersstraße zum Verkauf ausgeboten.
Das Direktorium selber, das ganz besonders sich der „Verdebitirung"
der Böttger^GhBii Erzeugnisse annehmen sollte, war vollzählig mit zwei Kaufdienern
und einem Aufwärter erschienen. Auch hatte es einige Glasschleifer mitge-
nommen, die jedem, was er wünschte, z. B. sein Wappen oder seinen Namenszug,
sofort in das Steinzeug einschneiden sollte. Man suchte eben dem Publikum
86 Die Steinzeugfabrik.
so sehr, wie nur irgend möglich, entgegenzukommen ^^) und für das neue Produkt
zu gewinnen. Auch zur Michaelismesse desselben Jahres wurden Waren, diesmal im
Werte von 4000Talern gesandt und auch noch die nächsten beschickt; dann allerdings
trat eine Lücke ein, und erst die Messe zu Ostern 1712, für die man dem Oberfaktor
der von Tschirnhausen gegründeten Dresdner Glashütte, der dort wohl zunächst
die Erzeugnisse dieser anbieten sollte, eine Partie mitgegeben hatte, wurde wiederum
besucht, dann die Michaelismesse 1712 sowie die Neujahrsmesse 1713, für die eine
Kaufmannswitwe einige Stücke in Kommission mitnahm ^^^).
Doch mit dem Besuche dieser Messen begnügte man sich nicht. Man suchte
seine Kreise weiterzuziehen, noch weitere Verkaufsmöglichkeiten aufzusuchen.
So ließ Böttger schon im Jahre 1710 mit der im Juni stattfindenden Peter- und
Paulsmesse zu Naumburg einen Versuch machen, indem er sich dazu des dorthin
eigener Geschäfte wegen reisenden Buchhalters Ebischen bediente. Dieser nahm
für etwa 300 Taler mit 24'). Dann dachte man aber auch an die größeren
Handelsstädte Deutschlands. Im Juli dieses Jahres wurden durch den Kaufdiener
Stürzel nach Berlin und Hamburg Waren im Werte von fast 1000 Talern überbracht,
dem auch bereits für 200 Taler Fliesen und Gefäße aus der Rund- und
Steinbäckerei beigegeben werden konnten ^^s). Dann schienen sich als wichtige
Verkaufsstellen noch die Modebäder darzubieten, an denen sich die vornehme
Welt in der guten Zeit des Jahres zur Kur oder nur zum Vergnügen ihr Stelldichein
gab und, wie man wohl richtig kalkulierte, ans Geldausgeben dort gewöhnt, sich
auch nicht lange scheuen würde, neue und ,, kuriose" Sachen zu erwerben.
Daher ward schon gleich nach der ersten Leipziger Ostermesse ein Teil der übrig-
gebliebenen Waren durch den ebengenannten Stürzel, nach dem nahegelegenen
Badeort Karlsbad oder, wie man damals zu sagen pflegte, König-Karls-Bad
gesandt 249), ein Versuch, der freihch, da er nicht wiederholt ward, kaum geglückt
sein dürfte. An Dresden selber jedoch, in dem diese Erfindung doch gemacht
worden war, scheint man damals noch weniger gedacht zu haben. Hier ward
eine öffentliche Verkaufsstelle erst im Jahre 1715 errichtet, da für ein festes Lager
einerseits die hergestellten Waren noch nicht ausreichten, andererseits die Unkosten
zu hoch erschienen ^^o).
Indessen so planvoll auch die Auswahl aller der Orte erfolgte, an denen
Böttger seine Erzeugnisse als neue Ware einführen wollte, so schwankend und
unsicher erfolgte die Durchführung derselben, da man nicht im Besitz irgend-
wie umfassender Geldmittel bald alle größeren Unkosten zu vermeiden suchte.
Zwar hatte man ja anfangs den Verkauf durch die Angestellten der Manufaktur
selber zu bewerkstelligen versucht. Da aber sich die Unkosten dieses Verfahrens —
nach der ersten Leipziger Ostermesse hatten sie 700 Taler betragen ! ^ßi) —
als viel zu hoch herausgestellt hatten, so versuchte Böttger nun seine Waren zu-
nächst kommissionsweise loszuwerden.. Freilich auch hier ohne größeren Erfolg.
Die Geschäftswelt dieser Zeit verhielt sich merkwürdig spröde gegen die neue
Erfindung, Nur kleinere Geschäfte konnten auf diese Weise durchgeführt werden.
Der Verkauf. 87
So hatte Böttger schon 1710 jemandem Waren in Kommission nach der Lausitz
gegeben, auch auf den Leipziger Messen besorgten fremde Leute den Verkauf
so nebenher ^^^). Schließlich ward jede nur einigermaßen günstig erscheinende und
nicht viel Kosten verursachende Gelegenheit aufgegriffen, um die neue Ware los-
zuwerden. Selbst das an der Fabrik tätige Personal und deren Famihenbeziehungen
wurden ausgenutzt. So ward z. B. im Jahre 1711 einem Goldschmiede in
Augsburg, Tobias Bauer mit Namen, dessen Sohn bei Böttger gearbeitet hatte,
eine Partie Waren in Kommission gegeben, desgleichen einem Sekretär /. Ph.
Schmidt in Wien ^^s), dessen Bruder Inspektor der von Böttger gegründeten Schleif-
und Poliermühle werden sollte, was freilich der Fabrik keinen großen
Vorteil brachte, dafür aber doch wenigstens die neue Erfindung an weiteren Stellen
bekannt machte, namentlich nun auch in der alten Kaiserstadt Wien, die damals
mit ihrem reichen Adel durchaus als der Mittelpunkt des vornehmen Lebens
Deutschlands gelten konnte. Doch kamen auch gelegentlich — wie es scheint,
bereits in diesen Jahren — Bestellungen, selbst aus dem Auslande vor, gewiß zur
nicht geringen Befriedigung Böttgers. Darunter war wohl die merkwürdigste die
eines gewissen Portugiesen Almeida, der für 300 Taler Waren ankaufte, um sie, wie
man später erfuhr, in Portugal mit Leichtigkeit wieder für 900 Taler an den
Mann zu bringen, freilich nur polierte, da solche aus ,, Indien" nicht zu kommen
pflegten und darum eine ganz besondere Ware darstellten ^^*).
Trotz aller dieser Bemühungen und dem vielseitigen Ausbieten entsprach je-
doch merkwürdigerweise die Aufnahme dieses ersten keramischen Erzeugnisses
Böttgers wie seiner Erfindungen überhaupt in der Öffenthchkeit durchaus
nicht den Erwartungen, die man in allen beteihgten-; Kreisen gehegt hatte.
Zunächst scheint man ihnen schon gleich nach ihrer in^vier Sprachen etwas
pomphaft erfolgten Bekanntmachung ein ziemlich deutliches Mißtrauen entgegen-
gebracht zu haben: man wollte einfach nicht glauben, daß das, was bisher schon
so lange und so vielfach versucht worden war, d. h. die Erfindung des Porzellans,
nun endlich gelungen sein sollte, noch dazu an einer Stelle, von der es damals wohl
niemand erwartet hatte. Die ganze Geheimtuerei, mit der diese Erfindungen
gemacht worden war, tat nun ihren Schaden. Auf die Aufforderung hin, die in
jener Bekanntmachung enthalten war, Geld oder künstlerisches und technisches
Können in den Dienst der neuen Manufaktur zu stellen, war nicht das Geringste
erfolgt. Kein Kapitalist, kein Künstler, kein Handwerker stellte sich freiwillig
zur Verfügung, ebensowenig wie vorher die biederen Töpfermeister trotz unmittel-
barer Aufforderung sich zur Übernahme der technischen Arbeit hatten gewinnen
lassen wollen. Erst die Beschickung der ersten Leipziger Ostermesse, d. h. das
unmittelbare Vorzeigen der gewonnenen Resultate, verschaffte ihnen Glauben und den
Erzeugnissen dem entsprechenden Absatz. Die neuen Erfindungen erregten sogar hier
eine gewisse Sensation ^55) Dennoch wurde damals nur etwas über die Hälfte der
angebotenen Waren, d. h. für 1993 Taler verkauft, da man sich allgemein über die
hohen Preise beklagte 2^*), und auch dies war mehr eine Folge des Beifalls, den das
88
Die Steinzeugfabrik.
neue Produkt des Steinzeugs bei den die Messe besuchenden Fremden als bei den
Einheimischen fand. Die einheimische Kauf mannsweit scheint sich vielmehr so
gut wie ganz ablehnend gegen die neuen Erfindungen verhalten zu haben, ja, wenn
man dem Bericht des Direktoriums an den König über diese Messe, an der es ja per-
sönlich teilgenommen hatte, trauen will ^s')^ so hat es damals sogar nicht an Intrigen
gefehlt, um den Verkauf des neuen Produktes möglichst zu erschweren. Wahr-
scheinlich war den Kaufleuten, die den Vertrieb des ostasiatischen Porzellans in
festen Händen hatten, das Aufkommen dieser neuen Artikel, die, wenn sie so
ausfielen, wie man
in Dresden erhoffte,
fast konkurrenzlos
wurden, gar nicht
sosehr willkommen.
Auch scheinen die
neuen Erfindungen
trotz der vorheri-
gen allgemeinen
Publikation damals
noch gar nicht so
bekannt geworden
zu sein, wie man es
wohl hätte erwarten
können^ss). Eswar,
wie wir heute sagen
würden, für dieselbe
nicht früh genug
Reklame gemacht
worden. Und dann
darf man nicht
ganz vergessen —
wenigstens empfand
man dies später in
Böttgers Umgebung selber ^^s) — ^ daß man den Mund doch wohl gleich etwas zu voll
genommen hatte. Man hatte in der Bekanntmachung bereits von der Erfindung
des wirklichen Porzellans geredet, als würde es nun bald völlig brauchbar sein, und
nun konnte man als Verkaufsobjekt nur das rote Steinzeug darbieten, vom Porzellan
dagegen nur einige wenige Probestücke, deren Aussehen bei dem Laien wohl eher
gegen als für die neue Erfindung sprach. Dadurch wird aber dann auch das
rote Steinzeug an Ansehen und Wertschätzung stark verloren haben.
Auf den folgenden Messen scheint es in dieser Beziehung sogar noch ungünstiger
gegangen zu sein ^ßo). Auch die Verkaufsversuche außerhalb Sachsens brachten
nur wenig ein. Der größte Teil der Waren mußte in Kommission zurückbleiben.
Abb. i8. Böttgersteinzeug. Schwenkkessel, geschliffen, mit kalter Vergoldung,
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Höhe 22 cm.
Geringer Absatz.
89
Nur der Ruf der neuen Erfindungen drang dadurch in immer weitere Kreise.
Dies allgemeine Mißtrauen gegen die neuen Erfindungen, das freilich zunächst
das ja auch an sich weniger wertvolle Produkt des roten Steinzeugs betraf,
sich aber bei allen, die irgend etwas bei einer Unterstützung derselben zu ris-
kieren hatten, in merkwürdiger Weise wiederholte, ist eine seltsame Tatsache.
Wenn man aber hierbei den einfachen Töpfermeistern Dresdens verzeihen mag,
daß sie sich ganz am Anfange, als sich die Resultate der neuen Erfindungen noch
in ihrer kümmerlichsten Form darboten, nicht gern mit ihr einlassen
wollten, so ist das Fernhalten
der deutschen Kaufmannschaft
von diesen neuen Erfindungen,
sowie Böttgers späteres fast ganz
vergebliches Bemühen, von Fi-
nanzleuten größere Kapitalien
für seine Manufakturen zu ge-
winnen oder eine Kompanie zu
begründen, ein Zeichen von der
SchwerfäUigkeit und ÄngstHch-
keit des damaligen deutschen
Kapitals, das nur zu gut be-
weist, wie wenig dieses damals
noch an industrielle Gründungen
größeren Stils und weiterer
Sicht gewöhnt war, und nur
das mag hierfür einigermaßen
zur Entschuldigung dienen —
wie es auch tatsächlich damals
als solche angeführt worden
ist 2") — , daß man es den da-
mahgen Kaufleuten nicht ganz
verdenken konnte, ihr Geld in
Erfindungen und industrielle
Anlagen zu stecken, die, wenn man das ganze Geheimnis derselben nicht aufs Spiel
setzen wollte, auch für sie noch in starkem Dunkel belassen werden mußten. Das
ergab allerdings für sie ein Risiko, das ihrem ängstlichen Verhalten zur Er-
klärung dienen kann.
Hauptabnehmer der erzeugten Waren aber blieb unter diesen Umständen der
König selber, der ja von Anfang an für diese Erfindung Böttgers so großes
Interesse gezeigt und ihr auch das größte Vertrauen entgegengebracht hatte.
Schon vor der ersten Leipziger Messe, auf der das rote Steinzeug dem Publikum
zum erstenmal zum Verkauf dargeboten wurde, soll der König zur
Neujahrsmesse unter der Hand eine ganze Menge der damals bereits
Abb. 19. Schwenkkessel in Silber getrieben. Grünes Gewölbe,
Dresden. Höhe 21 cm.
90 Die Steinzeugfabrik.
fertiggestellten Stücke nach Leipzig haben schaffen lassen, um sie voll Stolz
den damals dort anwesenden Fürsten als Erzeugnis seines Landes vorzulegen ^^^).
Mehrfache Sendungen an den König werden dann in der Folgezeit erwähnt, so
schon am 20. April 1710 jene oben erwähnte Auswahl besonders schöner und reich
verzierter Stücke, deren Liste die damals schon so weit vorgerückte
künstlerische Ausbildung des neuen Produktes beweist ^^^). Wieviel der König
im ganzen dann aber von diesem neuen Produkte im Laufe der Jahre entnommen
haben muß, das beweist am besten der heute noch an derartigen Stücken so reiche
Bestand der Königlichen Porzellansammlung zu Dresden. Erbeläuft sich noch immer
auf weit über 800 Stücke, von denen viele von einer Größe und Pracht sich zeigen,
wie sie sonst kaum wieder vorkommen. Vor allem aber sollte ihm das neue Er-
zeugnis zu Geschenken dienen, die nicht nur den Ruhm seiner Freigebigkeit, sondern
auch den der neuen in seinen Landen gemachten Erfindungen durch alle Länder
tragen sollte, ja er hatte wohl sogar gelegentlich die Absicht, dasselbe zum Zwecke
solcher Geschenke ganz für sich reservieren zu lassen. In diesem Sinne übernahm
er auf der Leipziger Ostermesse des Jahres 1711 für 350 Taler ,, Manufakturwaren",
um sie durch den damaligen Kammerpräsidenten Baron von Löwendal dem König
von Dänemark ,,präsentiren" zu lassen; so erhielt der päpstliche Nuntius Piazza ein
großes Kruzifix aus poliertem Steinzeug u. dgl. m. -®*), und es ist damals auch ge-
rühmt worden, daß alle diese Stücke vom König auch wirklich bar bezahlt worden
sind. Durch keine Tat aber hat der König wohl deutlicher seinen Stolz auf die
neue Erfindung dokumentiert, als dadurch, daß er nachweislich gleich am Anfang
dieser Zeit durch seinen Residenten Bertry aus Amsterdam mehrere Stücke nach
,, Ostindien", d. h. nach China oder Japan senden ließ, damit die Leute dort nicht
weiter glaubten, sie wären „die Klügsten auf der Welt". Er wollte den Chinesen und
Japanern zeigen, daß nun endlich die Europäer auch auf diesem Gebiete nicht mehr
ihnen gegenüber zurückstehen müßten ^^^). Doch auch im übrigen zeigte der König
das größte Interesse für seine neuen Manufakturen und ihren Begründer. Er fuhr
fort, wenn er in Dresden anwesend war, letzteren auf der Festung aufzusuchen oder
ihn zu sich zu befehlen. War er abwesend, so gingen eigenhändige Handschreiben
an Böttger ab, wie er ja auch Böttger gestattet hatte, so oft er wollte, sich an ihn
persönlich zu wenden ^e«). Auch seine Geliebte, die Gräfin Kosel, besuchte ihn
im Oktober des Jahres 1711, Wieb bei ihm bis ,, späten Abend", versprach sich
für ihn in einer bestimmten Angelegenheit zu verwenden und häufiger
wiederzukommen 287). Zweimal war der König in dieser Zeit auch in Meißen, um die
Manufaktur persönlich zu besichtigen; zuerst am Dreikönigstage des Jahres 1711,
in Begleitung des Fürsten von Radziwill und des Grafen von Legnasco. Er besah
die bisher bei der Manufaktur gemachten Anstalten, schrieb seinen Namen,
ganz wie es heutzutage zu geschehen pflegt, in ein großes Buch ein und
übernachtete auch auf der Burg. Dann kam er noch einmal am
11. Juli 1712 268). Ina übrigen sorgte der König nach wie vor dafür, Böttger
„mancherley Ergötzlichkeit" zu verschaffen und ihn bei guter Laune und
Abb. 20. Böttgersteinzeug. Große Deckelvase, geschliffen, mit kalter Vergoldung.
Künigfl. Por^ellansammlung, Dresden. Hohe 55 cm.
92 Die Steinzeugfabrik.
dadurch arbeitsfreudig zu erhalten ^ß»). Er ließ es von seiner Seite an nichts
fehlen.
Wichtiger jedoch als diese persönliche Anteilnahme des Königs an den neuen
Erfindungen und dem Erfinder selber war, daß der König trotz des soeben erst
beendigten unglücklichen Krieges von Anfang an, soweit es in seinen Kräften
stand, alles tat, um jene Mittel zu gewähren, deren sie zu ihrer Begründung und
Weiterführung bedurften, ja daß er sich damals immer bereitfinden ließ, neue zu
bewilligen, so oft die Unternehmungen solche zu erfordern schienen, ja hierbei
schließlich selbst vor persönlichen Opfern nicht zurückschreckte. Er glich damals
einem Kaufmann, der, wenn er die feste Überzeugung von der Rentabilität eines
Unternehmens gewonnen hat, unentwegt an seinen Stern glaubt und sich in keiner
Weise durch anfängliche Mißerfolge oder anderer Abraten zurückschrecken läßt.
Schon gleich, nachdem er den Plan, die Manufakturgründungen Tschirnhausens
diMVch. Böttger wieder aufzunehmen genehmigt hatte, hatte er ja der General-Akzis-
kasse die Anweisung erteilt, sogleich 200 Taler und vom 1. Oktober ab bis zu
fernerer Verordnung alle Monate deren 400 an den Geheimkämmerer Starke
auszahlen zu lassen, ,,zur Versorgung des vom Königstein nach der Vestung zu
Dresden gebrachten Bötticher'"'' 2'°). Doch da sich bald herausgestellt hatte, daß
diese Summe in keiner Weise ausreichte, so war ja schon am 20. Januar des
Jahres 1708 der Befehl an die General-Akziskasse gegangen, vom 1. Februar an
diese Summe um 150 Taler zu erhöhen, daneben auch noch einmal 450 Taler ,,zu
einer gewissen extraordinaire Bedürfniß" zu bewilligend'^), ja diese Summe ward
durch Verordnung vom 21. April dieses Jahres um noch 200 Taler monatlich er-
höht ^'^'^), so daß jetzt Böttger, da er daneben auch aus der Rentkammer monatlich
100 Taler erhielt — man weiß nicht genau seit wann^'^ — , jeden Monat 850 Taler em-
pfing, freilich für seine gesamten Unternehmungen und Experimente. Der alljährliche
Zuschuß des Königs für die Böttgerschen Unternehmungen betrug demnach, noch
bevor die eigentliche Hauptmanufaktur begründet war, zumindesten 8000 Taler,
eine für diese Zeit ganz ansehnliche Summe, wofern sie nur immer auch wirklich
ausgezahlt ward. Sie ist denn auch nach der Begründung derselben nicht mehr
erhöht worden. Nur gelegentliche Zuschüsse wurden noch bewilligt, so namentlich
die ansehnliche Summe von 6000 Talern, die für das im Jahre 1711 für Meißen pro-
jektierte Brennhaus verwandt werden sollten, von denen Böttger allerdings zunächst
nur 1000 Taler ausgezahlt erhielt, wodurch dieses für die ganze Fortentwicklung
der Manufaktur so wichtige Gebäude, wie oben bereits geschildert, dann gar nicht
zustande kam 2'*). Daneben versuchte der König die Fabrikunkosten
bedeutend zu vermindern, vor allem dadurch, daß er den Manufakturen Holz,
Ton und dergleichen Dinge unentgeltlich oder gegen eine geringe Vergütung anwies
und auch alles zur Fabrikation nötige Material akzisefrei nach Meißen gelangen
ließ 2'^). Der König tat damit in der Tat alles, was damals in seinen Kräften stand.
Dennoch wollte die neue, mit so vielen Hoffnungen begründete Manufaktur
in Meißen in keiner Weise so emporblühen, wie man es damals von ihr ganz
Ungünstige Lage der Fabrik.
93
allgemein erwartet hatte, in keiner Weise sich zu jenem lebhaft produzierenden,
geldspendenden Institut erweitern, als welches es vor allem vom König und
Böttger begründet worden war. Es machten sich hier gleich am Anfange jene
Übelstände in empfindlichster Weise bemerkbar, die dann, so lange wenigstens
Böttger lebte, diese Manufaktur zu ihrem größten Schaden nicht wieder verlassen
sollten und ihre gesunde Entwicklung am Anfange so stark behindert haben. Die
ganze Anlage dieser Fabrik war von vornherein verfehlt.
Zunächst fehlte es ihr von Anfang an an einer wirklich geschäfts- und sach-
kundigen Leitung, die es verstanden hätte, das neue Produkt technisch wie kauf-
männisch rationell auszunutzen. Weder Böttger noch die
beiden Nehmitz noch Dr. Bartelmei hatten jemals weder
einen industriellen noch einen kaufmännischen Betrieb
kennen gelernt, sie waren auf diesem Gebiete reine Di-
lettanten, ohne irgendwelche Erfahrung und Routine,
die sonst in diesen Dingen Sicherheit und Zielbewußtheit
zu verleihen pflegt. Unstetigkeit des Betriebes, nament-
lich in kaufmännischer Beziehung ein ewiges Tasten und
Versuchen war daher hier die Signatur des Tages; es
mußten erst viele Erfahrungen gemacht, viele Ent-
täuschungen erlebt sein, bevor man wußte, was zu tun
und zu lassen war, und diese alle kosteten Lehrgeld und
kosteten Zeit, was beides einem schnellen Aufblühen
des Unternehmens sehr entgegen war.
Dann aber war es gewiß ein großer Übelstand, daß
nicht einmal derjenige, der der eigentliche Mittelpunkt
und die treibende Kraft dieser ganzen Unternehmungen
war, der Erfinder selber, der sicherlich durch natürliche
Begabung manches ersetzt hätte, was den übrigen an
Routine abging, sich mit ganzer Kraft diesen neuen Unter-
nehmungen widmen konnte. Böttger blieb während
dieser ganzen Zeit der Gefangene auf der Venusbastei,
der mit der Außenwelt so gut wie gar nicht verkehren
durfte, darum auch gar nicht in irgendeiner Weise auf diese wirken konnte.
Man hätte ihn am liebsten anfangs der Sicherheit wegen nicht einmal
nach Meißen gelassen; doch war die persönliche Gegenwart des eigentlichen An-
stifters der dortigen Manufaktur bisweilen doch so nötig, daß man ihn unmöglich
ganz von dort hätte fernhalten können. So mußte man ihn schon gleich nach der
Verlegung der Manufaktur auf die Albrechtsburg dorthin für fast eine Woche
lassen, da außer ihm selbst niemand die Orte zur Anlegung der Öfen und zur
Präparierung der Massen richtig anzuweisen vermochte ^'^). Weitere Besuche
folgten am 10. November 1710 und am 4. Januar 1711 2"). Dann erhielt er auf
seinen ausdrücklichen Wunsch vom Könige die Erlaubnis, häufiger als bisher
Abb. 21. Böttgersteinzeug.
Geschliffen, mit freihändig auf-
gelegten Blumen.
Königl. Porzellansammlung',
Dresden.
Höhe 24 cm.
94 Die Steinzeugfabrik.
nach Meißen fahren zu dürfen, zugleich mit der Vergünstigung, dort mit seinem
Gefolge auf Kosten des Königs speisen zu dürfen ^^s). Allzuviel Gebrauch hat er
jedoch dann nicht von dieser Erlaubnis gemacht. Er ist in diesem Jahre nur
noch zwei, im folgenden nur dreimal auf der Albrechtsburg gewesen ^'s). Das
war für die Einrichtung und Leitung einer so schwierigen Fabrik, wie es die des
Steinzeugs war, nicht allzuviel.
Noch schlimmer für das neue Unternehmen jedoch war es, daß es für
Böttger durchaus Nebensache bleiben mußte, daß Böttger daneben derartig mit
anderen Arbeiten und Verpflichtungen überhäuft war, daß er, auch wenn er es
gewollt hätte, doch in keiner Weise die Zeit gefunden hätte, sich seiner mit seiner
ganzen Kraft anzunehmen. In Böttger summierte sich jetzt sowohl seine ganze
bisherige eigene Tätigkeit wie auch die Tschirnhausens, soweit sie dessen industrielle
Bestrebungen betraf: er blieb zunächst nach wie vor der Alchimist, der Gold-
macher, als der er zuerst nach Dresden gebracht worden war, von dem man trotz
seiner Erfindungen noch immer die goldenen Berge erhoffte, die man von ihm
von Anfang an erwartet hatte, daneben aber auch der große ,,Inventor", als der
er sich soeben dokumentiert hatte, dessen Hauptaufgabe es war, alle bisherigen indu-
striellen Unternehmungen sowohl Tschirnhausens wie seine eigenen in Gang zu
halten und zu verbessern, sowie möglichst viele neue auf Grund neuer Erfindungen
ins Leben zu rufen und er hat sich aller dieser Aufgaben damals auch mit allem
Fleiße und großer Unermüdlichkeit unterzogen. Wieviel allerdings Böttger damals
noch an seinen alchimistischen Bestrebungen gearbeitet, und ob er damals noch
selber gehofft hat, die großen Erwartungen des Königs, die er in dieser Beziehung
erweckt hatte, wirklich erfüllen zu können, läßt sich heute nicht mehr feststellen.
Fest steht, daß 5öifger5 Rolle als Alchimist nach Erfindung des Porzellans noch keines-
wegs ausgespielt war. daß vielmehr der König von ihm in dieser Beziehung noch immer
die größten Dinge erhoffte, ja noch im September des Jahres 1709, als Böttger bereits
das Porzellan erfunden hatte, die Kleinigkeit von etwa 60 Millionen Talern,
die Universaltinktur und dergleichen Dinge mehr ^so), Böttger scheint freilich
gerade damals, vielleicht nur um die goldige Freiheit endlich wieder zu erlangen,
oder weil er sich nun nach seinen doch ziemlich bedeutenden Erfindungen
so ziemlich sicher fühlte, dem Könige sein Unvermögen in dieser Sache einge-
standen, ihn auch um Gnade wegen der bisherigen Täuschungen gebeten und ihm
dabei auch ein sehr wehmütiges, hierauf bezügliches Gedicht eingesandt zu haben^^^).
Doch dürfte dies Selbstbekenntnis, als es ihm doch nicht die Pforten zur
Freiheit zu öffnen vermochte, bald wieder vergessen worden sein, und noch vier
Jahre später, im Jahre 1713, hdii Böttger in Gegenwart des Königs und vieler Zeugen
einen scheinbar durchaus erfolgreichen Tingierungsversuch gemacht, bei dem vor
aller Augen Gold und Silber aus Kupfer und Blei hervorzugehen schienen, das
einzige derartige Experiment Böttger's, von dem wir noch die Dokumente sowie
auch die Resultate selber besitzen ^82). Auch später, noch kurz vor seinem Tode,
hat er mit dem König über diese Dinge wieder verhandelt und ihm wieder
I
Böttgeüs übrige Verpflichtungen.
95
Abb. 23. Böttgersteinzeug. Thee- und Kaffeekannen mit eingeschnittener Ornamentik.
König-l. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der Kaffeekanne 15,5 cm.
Großes versprochen ^83)^ ja, so lange Böttger lebte, ist er stets der Goldmacher
geblieben, als welcher er zuerst in der Geschichte auftauchte. Man hat seine Fähig-
keit, künstlich Gold und Silber zu erzeugen, damals niemals ganz anzuzweifeln
gewagt, und erst mit ihm selber dürfte der König die letzten Hoffnungen begraben
haben.
Doch, mag Böttger die Fortführung dieser seiner ersten Rolle vielleicht auch
nicht allzuviel Zeit gekostet haben, vielmehr er nur dann darauf zurückgekommen
sein, wenn es sein hoher Herr und Gebieter einmal wieder von ihm verlangte,
so hat er doch in dieser Zeit eine erstaunliche Tätigkeit und Unternehmungs-
lust als Inventor und Organisator der industriellen Bestrebungen entfaltet, neben
der seine Beschäftigung mit der Manufaktur tatsächlich nur als eine Nebenaufgabe
erscheinen kann. Es ist ihm damals in der Tat völlig Ernst mit dieser Tätigkeit
gewesen: er ging mit gleichem Eifer darauf aus, die Manufakturen, die sich schon
einrichten ließen, auch wirklich einzurichten, wie auch, den vielen Eingebungen
seines unruhigen, unermüdlichen Geistes folgend, neue Erfindungen zu machen,
um jenen Unternehmungen neue hinzuzufügen, und fast die ganze Last und
Verantwortung dieser ausgedehnten Arbeiten lag auf seinen Schultern
allein. Zunächst bemühte er sich hierbei, das alte von Tschirnhausen übernommene
Erbe wieder aufzurichten. So war er vom Jahre 1709 an dem Pächter der von
■Tschirnhausen eingerichteten Glashütten, die unter der schwedischen Invasion
stark gelitten hatten ^^^), behilflich, dieselben wieder in Stand zu bringen.
Dann ging er seit dem Januar 1710 an die Wiederaufrichtung der Schleif- und
Poliermühle, die an die Weißeritz unterhalb Plauens bei Dresden verlegt ward^^^),
wobei jedoch, um sie vor Hochwassergefahr zu schützen, große kostspielige Be-
96 Die Steinzeugfabrik.
festigungsarbeiten ausgeführt werden mußten, die viel Geld kosteten, später
aber auch völlig ihre Pflicht taten. Dann gab sich Böttger alle Mühe, seine erste
industrielle Gründung, die Steinbäckerei, mit der es gar nicht vorangehen wollte,
auf den Damm zu bringen, indem er zunächst die beiden ,, Holländer", da sie es
durchaus nicht verstanden, die Fliesen zu glasieren, entließ, dann, als sie sich nach
kurzer Zeit mit einem Dreher, den sie aus der bereits früher erwähnten
ßraunschweiger Fayencefabrik mitgebracht hatten, wieder bei ihm meldeten,
in Meißen Hohlgefäße arbeiten ließ. Die Rundbäckerei aber, die auch
bisher nichts Rechtes zuwege gebracht hatte, verpachtete er Johanni 1712 an ihren
bisherigen Meister Eggebrecht, wobei er ihm freilich für die nächsten Jahre die
Pacht noch erließ, ihm auch einen kleinen Vorschuß gewährte, wodurch sie
dann auch ganz erfreulich in Gang kam ^^^). Dann kamen völlige Neugründungen an
die Reihe: zunächst ward auf Veranlassung eines zufällig in Sachsen befindlichen
Pfeifenmachers aus Magdeburg im Juni 1710 zu Meißen in einem in der Stadt
eigens dafür gemieteten Hause 2^') eine Tabakspfeifenfabrik angelegt, deren Betrieb
so groß ward, daß 8 — 9 Gehilfen erforderlich waren, ein ganz neues Unternehmen
Böttger s, mit dem er der holländischen Pfeifenindustrie Konkurrenz machen wollte ^®^).
Hierauf ging er ernstlich daran, auch jene Schmelztiegelfabrik zu errichten, die
er bereits im November des Jahres 1709 in Aussicht gestellt hatte "^*). Sie sollte den
Kampf mit den damals als unübertrefflich geltenden „hessischen Schmelztiegeln"
aufnehmen, die, da sie Böttger sicher selber sehr viel bei seinen Experimenten ge-
braucht haben wird, seine Nachahmungslust wohl ganz besonders herausgefordert
haben werden, sobald er das Gebiet der Keramik betrat. Schon im November 1710
hatte er zu diesem Zweck einen Tiegelmacher aus Hessen kommen lassen, der
mit sächsischen Materialien hatte Versuche machen müssen, die günstig ausgefallen
waren, ihn aber dann wieder, weil seine vielen übrigen Unternehmungen zur
weiteren Verfolgung dieser Sache ihm noch keine Zeit ließen, entlassen müssen.
Im Jahre 1712 jedoch ließ er ihn wieder zurückkommen und neue Versuche an-
stellen, die wieder vielversprechend ausfielen. Als man aber hierauf die Sache
überkalkulierte, stellte es sich heraus, daß nicht viel damit zu gewinnen sei. So
ließ Böttger kurz entschlossen diese Unternehmung wieder eingehen 2^°). Um so
mehr aber schien ihm daran gelegen zu sein, die schon im März des Jahres 1709 dem
König mitsamt seinen hauptsächlichsten keramischen Erfindungen angezeigte künst-
liche Gewinnung des Borax fabrikmäßig auszunutzen ^»i). Er kam auf die Begründung
einer derartigen Fabrik immer wieder zurück, hatte auch seinen Gehilfen Steinbrück
bereits zu ihrem Leiter und die Küche auf der Albrechtsburg nebst dem darunter
liegenden Gewölbe als Herstellungslokal ausersehen, und nur, weil das neue Brenn-
haus für das rote Steinzeug dort, wie oben gezeigt, nicht zustande kam und so
jene Räumlichkeit nicht frei wurde, mußte die Begründung dieser Fabrik vor
der Hand unterbleiben ^^^). Aber immerhin gab es auf diese Weise Zeiten, in
denen Böttger nicht weniger als acht Fabriken unter sich hatte.
Neue Projekte.
97
Abb. 24. Böttgersteinzeng:. Nachbildnng chinesischer Gelitte.
Herzogliches Museum, Gotha. Höhe der Tasse in der Mitte 5 cm.
Daneben aber tauchten in dieser Zeit gänzlich neue Projekte auf, die sicherHch
auf wirklichen Versuchen beruht haben werden, die aber wiederum einen Teil
von Böttgers Kraft und Zeit in Anspruch genommen haben müssen. Bereits im
Jahre 1711, also erst zwei Jahrenach der Vollendung der Erfindung des Porzellans,
wußte er einer im März tagenden neuen Kommission ^^^) eine ganze Reihe derartiger
neuer Bestrebungen mitzuteilen. Da will er vor allem Öfen konstruieren,
um Erze mit zwei drittel Ersparung des bisher verwandten Holzes ausschmelzen
zu können. Diese Öfen sollten dabei nicht so gesundheitsgefährdend auf Menschen
und Umgebung wirken, wie die bisher üblichen, sie sollten auch das Seigern, Ab-
treiben, Feinbrennen und ,, alles, was sonst bei Bergwerken erfordert würde", mit
weniger Kosten, als bisher dazu erforderlich war, durchführen. Da will er weiter
mittelst dieser Öfen ,,Aqua fortis, Aqua regis, Spiritus Nitri, Salis Vitriolis Sul-
phuris" aus Landesmaterialien gleichfalls mit geringeren Kosten als bisher
üblich herstellen, ferner sie bei der Herstellung der Blaufarben, beim Sieden des
Vitriols und Salpeters, beim Brauen, Salzsieden usw. verwenden. Dann gab er
vor, aus Landesmaterialien Farben herstellen, die durchaus dem be-
rühmten Ultramarin gleichkämen, einen künstlichen Bernstein erzeugen und schließ-
lich gar einen Liquoren bereiten zu wollen, durch den tote Körper konserviert
werden konnten -^^), kurz, Böttgers Erfindungen fingen damals an, sich ins Grenzen-
lose zu verlieren, und drohten, wenn sie wirklich gemacht und ausgenutzt werden
sollten, so ziemlich seine ganze Kraft in Anspruch zu nehmen. Und dabei hatte
Böttger noch die Verpflichtung, die damals als die allerwichtigste erscheinen mußte,
deren Erfüllung daher auch wohl jetzt am gebieterischsten von ihm verlangt
worden ist, die fabrikmäßige Herstellung des echten Porzellans in die Wege zu
leiten!
Bei dieser Überfülle von Arbeiten und Verpflichtungen, die sich noch dazu
auf den verschiedensten Gebieten bewegten, konnte in der Tat von einem kon-
sequenten Arbeiten desjenigen, der alle diese Sachen angeregt hatte, in diesen
Jahren kaum die Rede sein, und man kann darum wirklich nur erstaunt sein und
muß vor der Arbeitskraft und Arbeitslust Böttgers alle Hochachtung bekommen,
daß er trotz alledem sein rotes Steinzeug damals und in so erstaunlich kurzer Zeit
Zimmermann MeüSner Porzellan.
98 Die Steinzeugfabrik.
so weit gebracht hat. Doch noch andere Übelstände und Mißlichkeiten
kamen hinzu, den gesunden Fortgang der jungen Manufaktur in Meißen in jeder
Weise zu hemmen. Zunächst war die Organisation derselben die denkbar schlechtste,
die Leitung eine durchaus unstete und zu steten Reibereien führende. Der König hatte
ja zwar am Anfange, wie bereits gezeigt, ddi Böttger nicht mit der Außenweltver-
kehren konnte, im übrigen auch seinen neuen Erfindungen und sonstigen Dingen nach-
gehen sollte, ein besonderes Direktorium, bestehend aus dem Kammerrat Nehmitz
und dem Sekretär Matthis, eingesetzt, dem die eigentliche Leitung der Manufaktur
anvertraut worden war. Aber schon nach der Beschickung der ersten Ostermesse
im Jahre 1710 brach der Konflikt zwischen dem Direktorium und Böttger
aus. Böttger war damals aufs äußerste entrüstet über die Höhe der Meß-
unkosten, die, wie erwähnt, 700 Taler betragen hatten, sowie über die willkürliche
Erhöhung seiner Taxen, wodurch die neuen Waren so teuer geworden waren, daß
jeder sich über ihren enormen Preis beklagt hatte. Auch behauptete er, daß man
bei der Abrechnung diese Erhöhung gar nicht in Betracht gezogen und die
auf der Messe eingegangenen Gelder dergestalt repartiert hätte, daß weder, wie
verabredet gewesen wäre, seine Schulden, die er wegen Geldmangels für die Manu-
faktur schon damals hatte machen müssen, bezahlt worden wären, noch
er für sich und seine Fabriken auch nur das Geringste erhalten hätte ^^^).
Es waren dies Beschuldigungen, die man, nach dem späteren Verhalten
des Direktoriums zu schließen, wohl nicht als ganz ungerechtfertigt
bezeichnen kann. Die Folge war, daß Böttger dem Direktorium die Abgabe
weiterer Waren verweigerte, dafür aber ihren Vertrieb auf eigene Faust
versuchte 2^^). Doch die Reue kam bald: der Erfolg blieb aus, und schon
wenige Monate später, am 4. August, ließ Böttger, da ihm alle Gelder zur Weiter-
führung der Fabrik fehlten, dem Direktorium die völlige Übernahme der Admini-
stration der Fabrik antragen. Er erbot sich hierbei, dem Direktorium nicht
nur für mehr als 6000 Taler Waren zu übergeben, auch in Zukunft ihm mit ,, gutem
Rat" zur Seite stehen zu wollen, ja er versprach sogar, monatlich 800 Taler von
den ihm vom König zur Unterhaltung und Aufrichtung seiner Manufakturen
übergebenen Geldern zuzuschießen, wofür er nur die Übernahme der bisher für
die Werke gemachten Schulden verlangte. Dem Direktorium scheint dies An-
erbieten durchaus genehm, ja wohl mehr als willkommen gewesen zu sein, doch
suchte es sich zunächst durch allerhand Anfragen Böttger gegenüber für die Zukunft
sicher zu stellen. Es fragte u. a. an, ob mit der Übernahme der bereits instand
gesetzten Steinzeugfabrik zu Meißen auch die aller übrigen bereits begründeten
oder in nächster Zeit zu begründenden verbunden sein sollte, ob ihm, dem Direk-
torium, die Arbeiter ganz allein unterstellt würden und es dieselben bei Bedarf
entlassen dürfte, ob ihm ferner mit den Waren auch eine gewisse Quantität Masse
übergeben würde u. dergl. m. Als es aber auch noch einen Reservefonds zur Unter-
stützung der Manufakturen, sowie — angeblich, um nach einem etwaigen Tode
Böttgers sein Werk fortsetzen zu können — sich auch der Arbeiter zu versichern
Reibereien.
99
suchte, die durch ihre Arbeit um die Arkana wußten, zerschlug sich die ganze An-
gelegenheit, und Böttger ward aufgefordert, das „Manufakturnegotium" wenigstens
so lange zu behalten, bis auch die Borax- und die Schmelztiegelfabrik inGang gebracht
wären und die Arkanisten ihre Arkana so weit beherrschten, daß auch nach
Böttgers Tode die Manufakturen weiter betrieben werden könnten 297). So blieb
zunächst alles beim alten und auch ein Versuch des Direktoriums, das zu diesem Zwecke
einen Abgesandten nach dem damals in der Nähe von Danzig sich aufhaltenden
König abgeschickt hatte, Böttger zur Abtretung aller Manufakturen zu be-
wegen, scheiterte, obwohl es ihm gelungen war, einen ausdrücklichen
Befehl des Königs zu seinen Gunsten zu erlangen ^»s). Doch erst, nachdem
Böttger selber Steinbrück zum König gesandt hatte, führte der König
um die Wende des
Jahres diejenige
Scheidung der
Machtbefugnisse
herbei, die hinsicht-
lich dieser Ver-
hältnisse als die
einzig richtige gel-
ten konnte und
allein eine gewisse
Garantie für eine
ruhige Weiterent-
wicklung der Un-
ternehmungen ge-
währte : durch ein
Dekret vom 28. De-
zember 1710 ward
Böttger die Administration der Meißner Manufaktur für einige Zeit recht-
lich übertragen ^a»). Böttger sollte darnach die ganze Arbeit in der Fabrik
selber in die Hand nehmen, für Anschaffung der Materialien und Besoldung der
Arbeiter Sorge tragen und den Verkauf der Waren besorgen. Das Direktorium
aber erhielt nur wenige Tage darauf, am 5. Januar des folgenden Jahres, eine
Verordnung, nach der es sich mit der Jurisdiktion und dem Engagement der Arbeiter
begnügen, im übrigen sich aber in keine Sachen ,, melieren" solle, die Böttger allein
etwas angingen. Auch sollte es ihm alle Konzepte der die Manufaktur betreffenden
Schriftstücke zur Signatur vorlegen. Damit h.a.tte Böttger vor der Hand völlig gesiegt
und fast die ganze Leitung seiner Manufakturen in Händen, das Verhältnis
zwischen Direktor und Verwalter aber sich fast in sein Gegenteil umgewandelt.
Diese Verordnung ist dann bis zu Michaelis verlängert worden, nachdem Nehmitz,
da der Kommerzienrat Matthis inzwischen gestorben war, schon am 25. Januar
1711, durch ein königliches Dekret zumal einigen Generaldirektor aller ge-
Abb. 2$. BSttgfersteinzeofT. Große, geschliffene Schale.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Durchmesser 47,5 cm.
100 Die Steinzeugfabrik.
gründeten und noch zu begründenden Manufakturen Böttgers ernannt worden
war
3C0\
Doch auch hiermit waren die Schwierigkeiten hinsichtlich der Verwaltung
der neuen Manufakturen durchaus nicht beseitigt, die gegenseitigen Reibereien nicht
aus der Welt geschafft. Böttger scheint jetzt darauf ausgegangen zu sein, den König
zu bewegen, ihm für eine Zeitlang die ganze Verwaltung zu überlassen ^oi). Auch
die damals gerade tagende, später weiter erwähnte zweite Kommission suchte sich
dieser Angelegenheit anzunehmen, aber ohne Erfolg. Doch da Matthis,
der auf Seiten des Direktoriums die eigentlich treibende Kraft bei allen
diesen Reibereien gewesen zu sein scheint, gestorben war, ist damals zunächst
etwas mehr Ruhe und Frieden in diese Angelegenheit gekommen.
Doch bald darauf trat eine neue Erschütterung ein, die man damals
wohl nach allem, was vorangegangen war, am allerwenigsten erwartet
hat. Schon im Februar des Jahres 1712 bat Böttger den König, dem er noch kurz
vorher im Januar einen ausführlichen, sehr optimistischen Bericht über seine ganze
bisherige industrielle Tätigkeit nebst dem untertänigsten Danke für die aufgetragene
Administration der acht bisher von ihm in Angriff genommenen Fabriken zu-
gesandt hatte, diese Administration niederlegen zu dürfen. Doch sollte dies erst
zu Pfingsten geschehen, damit er denjenigen, den der König zu seinem Nachfolger
ernennen würde, vorher noch genügend anlernen könnte ^°2). Man vermag heute
nicht mehr recht zu erkennen, was Böttger damals zu diesem Schritt bewogen hat.
Vielleicht, daß es nur ein Schachzug, eine reine Komödie war, um seine Unent-
behrlichkeit in helleres Licht zu stellen und dadurch seine bisherige Stellung zu
befestigen, wenn nicht noch zu erweitern ^"^^^ vielleicht auch, daß es sich nur um eine
vorübergehende Laune handelte. Er selbst gab damals als Grund seines Ent-
schlusses die vielen Hindernisse an, auf die er bei der Aufrichtung seiner Manu-
fakturen gestoßen wäre, sowie die vielen und mächtigen Feinde, die er sich
hierbei zugezogen hätte, mit denen er sicherlich den Generaldirektor sowie auch
die Hüter der Arkana, die beiden Doktoren, meinte, die in der Ta.i Böttger schon
damals nicht entfernt so unterstützt zu haben scheinen, wie sie es nach des Königs
Befehl hätten tun müssen. Auch würde er, durch Niederlegung der Administration
mehr Zeit gewinnen, seinen übrigen Erfindungen nachzugehen, es würden gleich-
zeitig auch die Arkanisten eifriger in der Erlernung ihrer Arkana werden, als jetzt,
wo sie sich doch nur allzusehr noch auf ihn verließen. Zu gleicher Zeit legte Böttger
einer damals tagenden dritten Kommission einen Entwurf vor, in dem er in
nicht weniger als 40 Artikeln zeigte, was alles ein guter Administrator zu beachten
hätte, und bat sie auch, sein Abschiedsgesuch beim Könige beantragen zu wollen.
Der König willigte durchaus ein. Als aber dann Böttger einen Nachfolger an-
geben sollte und als diesen Steinbrück bezeichnete, der immer mehr sein Vertrauter
geworden war, da geriet diese ganze Angelegenheit ins Stocken, anscheinend, weil
sich ganz andere Persönlichkeiten, die man wohl nicht mit Unrecht, unter jenen
von Böttger damals als seine Feinde bezeichneten Personen sucht, auf diese
I
Schwankungen in der Verwaltung. 101
Nachfolgerschaft Hoffnung gemacht hatte. Man verlangte von Steinbrück eine
hohe Kaution, die dieser arme Teufel nicht zu leisten vermochte ^°*), und da ist
denn auch bald von dieser ganzen Sache nicht mehr die Rede, und es blieb
wieder alles beim alten.
Durch dieses ewige Schwanken in der obersten Leitung der Fabriken aber
konnte in ihren Betrieb durchaus nicht jene Stetigkeit und Sicherheit gelangen,
die ein jedes derartige Unternehmen und namentlich, wenn es, wie hier diese,
noch jung ist, ganz unbedingt erfordert. Dieses Schwanken hatte vor allem wohl
darin seine Ursache, daß das Direktorium, sei es aus Ehrsucht, sei es aus rein selbst-
süchtigen Gründen, allem Anscheine nach Böttger gar zu gern von der Leitung
seiner Manufakturen, nachdem er sie begründet und eingerichtet, abgeschoben
hätte, um sie dann selber in die Hand zu nehmen, wohl in dem festen Glauben,
daß sie, richtig geleitet, eine stattliche Einnahmequelle darstellen würden.
Namentlich der Kommerzienrat Matthis, ein undankbarer Geselle, der
Böttger, wie erwähnt, allein seine Beförderung zu verdanken hatte, scheint in
dieser Beziehung ganz feste Absichten gehabt zu haben. Er war es ja, wie er-
wähnt, zunächst gewesen, der Böttger, angeblich um ihn in seinen vielen
Arbeiten zu erleichtern, auf die Idee gebracht hatte, eine besondere Direktion für
seine Manufakturen einsetzen zu lassen. Dann aber im September des Jahres 1710,
zu der Zeit, da der Streit um die Leitung der Manufakturen so ziemlich am
heftigsten tobte, hatte er, um von Böttger wieder Waren zum Verkauf zu bekommen —
wohl wissend, daß dieser sie nach den Erfahrungen der ersten Messe nicht wieder
freiwillig herausgeben würde — zu einem bedenklichen Mittel gegriffen: er
hatte, ohne daß Böttger damals auch nur eine Ahnung von diesen Machenschaften
hatte, mit Hilfe eines Kaufmannes, namens Joh. Gottlieh Schwartze, der aber nur
ein Strohmann war, eine Gesellschaft unter der Firma Schwartze & Co. gegründet
mit einem Kapital von 4000 Talern, zu dem Dr. Nehmitz zwei Drittel, ein anderer
Arzt Dr. Bussius, dem man Hoffnung auf den Kommerzienrattitel gemacht
hatte, den Rest hergegeben hatte ^°^). Mit dieser Gesellschaft schloß das Direk-
torium nun einen regelrechten ausführlichen Kaufvertrag ab, dessen 15 Paragraphen
ihr zunächst eine Provision von 6% auf alle übernommenen Waren
zusicherte, daneben aber auch hinsichtlich des Verkaufes des Steinzeuges
wie auch des Porzellans, sobald dessen wirkliche Fabrikation beginnen würde,
ein völliges Monopol in die Hände gab. Dieser Vertrag ward zunächst nur bis zur
Ostermesse des folgenden Jahres geschlossen, dann aber bis Michaelis verlängert,
gleichzeitig in ihm aber bestimmt, daß die Kompanie wegen Abnahme von Waren
nur mit dem Direktorium verhandeln solle, wodurch Böttger gezwungen ward, nun
doch diesem seine Waren wieder auszuliefern. Auch ward in den Zeitungen be-
kannt gemacht, daß künftig das „neue sächsische Porzellan" nur bei dieser Firma
in Leipzig zu haben wäre.
Auf diese Weise wurden in der Tat, ohne daß Böttger damals das geringste geahnt
zu haben scheint, die Michaelismesse des Jahres 1710, dann die Neujahrs- und
102 Die Steinzeugfabrik.
Ostermesse des folgenden Jahres beschickt. Wie weit jedoch das Direktorium
hierbei mit seinen Absichten reüssiert, und ob es damals überhaupt auf seine
Kosten gekommen ist, ist nicht bekannt. Daß aber hier in der Tat unerlaubte
Nebenabsichten vorlagen und nicht etwa eine wirklich gut gemeinte Unter-
stützung der Manufaktur lediglich aus Interesse für dieselbe, darüber
kann wohl kein Zweifel bestehen. Bei einer aufrichtigen Unterstützung mit barem
Gelde seitens des Direktoriums hätte es eines solchen Geheimbundes sicherlich
nicht bedurft, da Böttger dann, wie mit Sicherheit anzunehmen, allen Argwohn ver-
gessen, vielmehr mit beiden Händen eine Gelegenheit ergriffen haben würde, die
ihm das reichte, dessen er damals am meisten bedurfte : Kapital. So wird man das
Mißtrauen, das Böttger damals gegen das Direktorium und nach Matthis Ahlehen gegen
Nehmitz und die ihm Nahestehenden gehabt und das bald immer größere Formen
annahm, durchaus nicht für ganz unbegründet halten dürfen. Er hatte es hier
entschieden nicht mit so ganz ehrlichen Leuten zu tun, denen gegenüber es wohl gut
war, etwas auf der Hut zu sein. Der Hof August des Starken war damals ja, wie
jeder, an dem der Absolutismus herrscht, ein nur zu günstiger Nähr-
boden für alle möglichen Intriguen und selbstsüchtige Bestrebungen, die durch
die häufige, lange Abwesenheit des Königs von seinem Stammlande nur zu
sehr erleichtert wurden. Andererseits aber darf man nicht ganz übersehen,
daß Böttger, der lebhafte Geist, der in seinen jungen Jahren so lange ein Gefangener
war, als solcher beständig scharf bewacht wurde und dabei jahrelang gezwungen
ward, um jeden Preis etwas zu machen, was er nicht machen konnte, auch
mit der Zeit wohl ein wenig arg mißtrauisch geworden war, auch reizbar und nervös,
und darum Dinge witterte, namentlich solche, die ihm schaden konnten, die
aber gar nicht da waren. Es war dies psychologisch nur zu leicht erklärlich.
Auch gehörte er zu jenen Leuten, die stolz auf ihr wirkliches Können — Böttger
hatte auf diesen Stolz nach seinen keramischen Erfindungen wohl auch einigen
Anspruch — , sich ,, nicht gern drein reden lassen" 3°^) und stark ,, eifersüchtig"
auf ihr Wissen sind. Es war klar, daß es nicht immer leicht war, mit einer
derartig veranlagten Persönlichkeit zusammen zu arbeiten.
Auf alle Fälle aber waren diese Reibereien zwischen Böttger und der Gegen-
partei nun einmal da und sie haben den weiteren Gang dieser Unternehmungen
nun unausgesetzt begleitet, nicht gerade zu ihrem Vorteil. Weit schlimmer für die
Fortentwicklung der Manufakturen jedoch war, daß auch die materiellen Unter-
stützungen, die der König ihnen angedeihen lassen wollte, ihnen vielfach nicht in
dem von ihm beabsichtigten Maße zuteil wurden. Es war leicht für den König,
Böttger durch die Rentkammer und das Akzisekollegium, Geld anweisen zu
lassen, schwerer jedoch für diese, die alle Mühe hatten, des Königs eigene Ver-
schwendungs- und Prunksucht nach den traurigen Zeiten, die Sachsen soeben
durcherlebt hatte, nur einigermaßen zu befriedigen, diese Summen auch wirklich
herbeizuschaffen, zumal sie, allem Anscheine nach, in keiner Weise so wie der
König selber von der Nützlichkeit dieser zunächst nur Gelder verschlingenden
Traurige finanzielle Lage.
103
Neugründungen überzeugt waren. Der Kleinmut, den gegenüber diesen bisher
alle, die mit ihnen in Berührung gekommen waren und durch ihre Unterstützung
etwas hatten riskieren sollen, gezeigt hatten, wiederholte sich auch hier. Die
Böttger vom König zugewiesenen Summen liefen daher keineswegs glatt ein oder
bheben einfach ganz aus, desgleichen die zur Fabrikation nötigen Materialien, vor
allem der Ton und das Brennholz, deren kostenlose Anlieferung der König ja
gleichfalls befohlen hatte ^o'). Böttger hat sich hierüber oft genug beklagt, darüber
dem Könige wie auch dem Direktorium bewegliche Briefe geschrieben, ohne daß
sich aber dadurch die Sache ernstlich gebessert hätte. Wie sollte dies aber auch
geschehen ? Woher sollte man Geld beschaffen, das nicht da war ?
Dies Ausblei-
ben der regelmäßi-
gen Unterstützun-
gen des Königs
aber zusammen mit
dem Ausbleiben je-
ner großen Ver-
kaufserträgnisse,
auf die man so op-
timistisch von vorn-
herein mit voller
Sicherheit gerech-
net hatte, brachten
die ganzen Böttger-
schen Unterneh-
mungen und damit
auch die Meißner
Manufaktur von
vornherein in eine
äußerst fatale finanzielle Lage, zumal sie von vornherein auf eine völlig un-
zureichende finanzielle Basis gestellt worden waren. Es fehlte -ihnen, um es kurz
zu sagen, von Anfang an vöUig jegHches eigentliche Anlagekapital, auf das sich
jede derartige industrielle Gründung zu stützen pflegt und das ihr dann auch viel-
fach verbleibt, indem sie es nur mehr oder weniger hoch zu verzinsen hat, ja
überhaupt jegliches Kapital, um ein etwaiges Schwanken in der Bilanz, wie es sich
bei jedem derartigen Unternehmen und namentlich an seinem Anfange ereignen
kann, mit aller Ruhe ertragen zu können. Gerade aber die Böttgerschen Unter-
nehmungen hätten solche Unterstützungen in erster Linie nötig gehabt, da ihre
ganze Einrichtung und ihr ganzer Betrieb von vornherein ein ganz ungewöhnlich
komplizierter und darum kostspieliger war. Zwar ersparte die Hauptmanufaktur
dadurch eine ganz beträchtliche Summe und war sonstigen Fabrikgründungen
gegenüber ganz besonders glücklich gestellt, daß sie, da ihr das königliche Schloß
Abb. 26. BSttgersteinzengr. Gefäß in Nantilusform mit Emailfarbe bemalt.
Königl, Porzellansammlung-, Dresden. Höhe 13 cm.
104 Die Steinzeugfabrik.
der Albrechtsburg kostenfrei zugewiesen worden war, ein eigentliches Fabrik-
gebäude weder zu erbauen noch zu verzinsen brauchte. Dafür aber mußte Böttger
in Dresden zurückbleiben, und dadurch der Betrieb vielfach ein doppelter werden:
es mußten mehr Arbeiter gehalten, es mußten doppelte Öfen gebaut werden.
Und dann der zeit- und geldraubende unablässige Verkehr zwischen Dresden und
Meißen und umgekehrt, um diese beiden getrennten Arbeitsstätten in
beständiger Verbindung miteinander zu erhalten! Dazu kamen die unge-
wöhnlich hohen Löhne für die Arbeiter, die man anfangs bezahlen
mußte, um überhaupt nur welche für die Fabrik zu gewinnen ^^^), sowie die hohen
Besoldungen für Persönlichkeiten, die an sich mit dem Fabrikbetriebe nichts zu
tun hatten, in anderen derartigen Betrieben sich auch nicht zu wiederholen pflegen :
für das Direktorium der Fabrik, das ja eigentlich nur eine Ersatzbehörde für den
in seiner Tätigkeit nach außen hin beschränkten eigentlichen Leiter Böttger
war, dessen Direktor aber allein jeden Monat 150 Taler außer Reisespesen erhielt,
für die beiden Arkanisten Dr. Nehmitz und Dr. Bartelmei, sowie auch für die Be-
wachungen Böttgers wie der Meißner Manufaktur. Weiter dann die kauf-
männische Unkenntnis aller derjenigen Personen, die an der Leitung der Manu-
faktur irgendwie beteiligt waren, eine Unkenntnis, die der Manufaktur in der That
sehr viel Lehrgeld gekostet hat, wie ja gleich die Unkosten der Beschickung der
ersten Leipziger Messe den dritten Teil des ganzen dort erzielten Ertrages verzehrt
hatten^*'^). Dann weiter war es für keine der Neugründungen ein Glück, daß bei
so schwachen finanziellen Kräften von Anfang an so viele derartige Gründungen
fast auf einmal vorgenommen und immer noch wieder neue geplant wurden, ohne
daß man sich auch nur im entferntesten darüber klar war, woher die Deckung der
Unkosten genommen werden sollte, ja nicht einmal immer sich vorher — man
denke an die Schmelztiegelf abrik ^^°) — überlegt hatte, ob eine jede auch wirklich ren-
tabel sein könne. Und schheßlich scheint die Seele aller dieser Unternehmungen der
Inventor selber, der schheßlich ja auch ganz ihr geschäftlicher Leiter geworden
war, zu seinem Unglücke durchaus kein Finanzgenie gewesen zu sein, das mit
den Summen, die ihm zur Verfügung standen, gut hauszuhalten und sie gerade
immer an diejenige Stelle seiner vielen Unternehmungen zu dirigieren gewußt
hätte, wo sie zur Zeit am meisten gebraucht wurden oder die besten Früchte
tragen konnten. Böttger war durchaus nicht das, was man einen Verschwender ^i^)
nennt, er war kein Mensch, der das Geld nur so ausstreute und vertat, weil ihn
Großmannsucht, krankhafte Energielosigkeit oder was sonst bei derartigen Ver-
irrungen sich als unnormale, verderbhche Triebkraft erweist, ihn dazu veranlaßte,
aber er war auch durchaus kein sparsamer Mensch. ,, Indifferent und sorglos für
das Künftige", so hat ihn derjenige geschildert, dem wir allein von allen seinen
Zeitgenossen eine ausführliche Charakterisierung von ihm verdanken ^i^)^ als einen,
,,dem es nicht fehlen könne und deswegen das Geld nicht achtet als soweit er es
täghch vonnöten hat". Dazu war er ,,Depenseur in Experimenten", ,, guttätig
und hberal" und auch hierbei wenig „econom". Schheßhch noch ziemhch unbeständig,
Geldmangel. 105
da er leicht von einer Sache auf die andere verfiel, immer etwas Neues vorhatte
und nur solange in einer Sache eifrig war, solange diese wirklich etwas
Neues war. Das aber waren gewiß alles Eigenschaften, die ihn auch unter
gewöhnlichen Umständen zu keinem guten Haushalter gemacht hätten, in der
Lage aber, in der er sich befand, in der er zu gleicher Zeit für eine ganze Reihe der
verschiedensten Unternehmungen zu sorgen hatte, ihn nur zu leicht dazu verführen
mußten, die relativ geringen und durchaus unzureichenden Summen so zu zer-
splittern, daß sie schließlich an keiner Stelle ausreichten und jene Zinsen trugen,
die von ihnen so dringend erwartet wurden.
Daß aber unter diesen Umständen die Böttgerschen Fabriken und somit auch
die Meißner Manufaktur nur allzubald an starkem Geldmangel litten, und daß
dieser Übelstand dann, da unausgesetzt die Mittel fehlten, ihm abzuhelfen, bald
chronisch und darum für ihr Bestehen immer gefährlicher wurde, kann nicht als
Wunder erscheinen. Schon am 2. November 1710, also bereits im ersten Jahre
der Begründung der Fabrik, schrieb Böttger dem König einen bewegten Brief, in
dem er ihm den , .bevorstehenden Ruin" der Fabrik anzeigte, falls er nicht besser
mit Geld unterstützt würde ^^^). Klagen dieser Art ziehen sich dann durch alle
weiteren Briefe Böttgers, oft in der verzweifeisten Form, da durch den Geldmangel
oft der ganze Bestand der jungen Unternehmungen ernstlich in Frage gestellt ward
und so Böttgers ganze bisherige Tätigkeit ganz ohne sein Verschulden völlig resul-
los zu verlaufen drohte. Er behinderte in der Tat oft genug die Weiterarbeit in den
Manufakturen, oft genug die Weiterarbeit Böttgers in seinem Laboratorium, er
bewirkte allein dadurch, daß es, wie oben gezeigt, wegen fehlender Gelder nicht
möghch war, ein dem ganzen Betriebe angemessenes Brennhaus in Meißen zu er-
richten, daß weder die Steinzeugfabrik vergrößert, noch die Boraxfabrik, mit der
es Böttger so wichtig hatte, eingerichtet ward. Die größte Gefahr jedoch drohte
der Manufaktur zu Meißen dadurch, daß man einen Teil der Arbeiter, die man
anfangs aus der Kasse der Generalakzise besoldet hatte, dann aber nach der
ersten Messe aus der der Manufaktur bezahlt werden sollten ^i«), falls man sie
nicht bezahlen konnte, schheßhch entlassen mußte, oder daß sie von selber ent-
liefen. Das aber hieß die ganzen Geheimnisse der neuen Erfindungen preisgeben,
den König und sein Land völHg um den aus ihnen erhofften Gewinn bringen.
Böttger ist sich dieser großen Gefahr von Anfang an bewußt gewesen, nicht minder
der König. Er hat daher alles getan, um einem derartigen Unglück vorzubeugen:
es scheint immer seine größte Sorge gewesen zu sein, an erster Stelle die
Arbeiter zu bezahlen ^is) er hat damals, wie er ausdrücklich betont hat,
keinen entlassen, von dem er annehmen konnte, daß er durch seine Tätig-
keit etwas von den Arkanis der Fabrik wußte und sich auch immer aufs
heftigste gegen derartige Anschuldigungen, wenn solche, wie es scheint, von
Seiten des Direktoriums dem König überbracht wurden, gewehrt ^^^). Nur einige
Dreher und Former, denen die eigenthchen Geheimnisse fremd waren, gelegent-
lich entlassen ^1'), aber zum Teil nachher wieder angenommen worden, ja, wenn
1.
106 Die Steinzeugfabrik.
es von ihm allein abgehangen hätte, so wären eher noch mehr Arbeiter einge-
stellt worden.
Daneben aber gab man sich alle Mühe, um die Übelstände selber, die diese
Gefahren hervorriefen, möglichst zu beseitigen und namentlich die Manufaktur zu
Meißen auf eine gesunde Grundlage zu stellen. Böttger selber, dem das Schick-
sal seiner Gründungen in dieser Zeit schon um seiner selbst willen ganz sichtbar
am Herzen gelegen hat, tat in dieser Beziehung alles, was er nur irgend konnte.
Er schrieb Briefe über Briefe an den König, bat und flehte um Geld und sonstige
Unterstützungen, schickte herzzerreißende oder ganz rosige Berichte, je nachdem
es die Lage erforderte, verhandelte mit dem Direktorium und brachte Vorschläge auf
Vorschläge. Am Anfange der Begründung der Meißner Manufaktur hatte er seine
ganzen ihm vom König bewilligten Gelder dazu verwandt, um diese erst einmal in
Gang zu bringen 2^^). Auch zu rein persönlichen Opfern zeigte er sich bereit, wenn
er, wie er es im Jahre 1712 angibt, um Geld für seine Unternehmungen zu sparen,
seine Abendmahlzeiten einzog und erklärte, lieber Brot und Salz essen, als den
Untergang seiner Fabrik mit ansehen zu wollen ^^^). Auch das Direktorium sann,
wie es seine Pflicht war, auf Abhilfe; aber es bewies dabei einen ziemlichen Klein-
mut, der seltsam absticht von dem unermüdlichen Wagemut Böttger s, wenn es
im August 1710, als es m\i Böttger wegen Abgabe der Administration verhandelte,
vorschlug, den König zur Unterstützung der Manufakturen zwar um einen ,, zu-
länglichen Fond" anzugehen, so lange dieser aber noch nicht festgesetzt wäre, die
Arbeiterzahl der Manufaktur zu reduzieren ^^o)^ ein Vorschlag, der natürlich aus
den oben angeführten Gründen die allerwenigste Aussicht auf die Billigung des
Königs hatte.
Vor allem aber griff man jetzt auf Böttgers Anregung hin wieder zu dem Uni-
versalmittel aller verzweifelten Situationen, zu dem einer Kommission. Als daher
Böttger im Jahre 1711 dem Könige zu diesem Zwecke einen ausführlichen Be-
richt über die Lage der Manufakturen eingesandt hatte, beschloß dieser, da die
frühere Kommission, die Böttgers erste Erfindungen hatte prüfen müssen, wegen
Abwesenheit oder sonstiger Behinderung ihrer Mitglieder sanft entschlafen war, auf
Böttgers ausdrücklichen Wunsch, eine neue, jene bereits mehrfach erwähnte zweite
Kommission ins Leben zu rufen, zu der jetzt mit Ausnahme des Bergrats Pahst
und des Hof- und Justizienrat von Döring, ganz neue Mitglieder ernannt wurden,
der General Graf von Wackerbarth, Geheimer Rat Seebach, der Kammerbergrat
Graf von Löschgewandt (auch Leschgewanx geschrieben) Diese Kommission, die
am 12. März 1711 berufen und am 23. März in Böttgers Wohnung auf der
Fest-ung zusammentrat, nahm ihre Aufgabe weit ernster als die erste. Sie hielt bis
zum Mai Sitzungen ab, fuhr mit Böttger nach Meißen hinaus, um die Zustände in
der Fabrik selber an Ort und Stelle kennen zu lernen, und suchte sich mit allen
Fragen ernsthaft zu befassen, die damals für die Manufaktur und ihr Weiterbe-
stehen sowie die ganzen übrigen Arbeiten Böttgers in Betracht kamen. ^^^) Sie
hatte sich hierbei zunächst mit einer ganzen Reihe von Instruktionen zu befassen,
Die zweite Kommission. 107
die Böttger als damals ernannter Administrator der Manufaktur entworfen hatte,
und die einen ganz energischen Versuch Böttgers darstellten, seine Macht gegenüber
den ihm beigegebenen Personen zu wahren und eine regelrechte Organisation in
seine Gründungen hineinzubringen. Sie bezogen sich auf Dr. Nehmitz, auf Dr.
Bartelmei wie auch auf Steinbrück, der in diesem Jahre zum Inspektor der
Manufaktur ernannt worden war, dann auf den Buchhalter und Baumaterialien-
schreiber und waren vorher dem König vorgelegt worden. Die Arbeiter, die
Massenbereiter, Brenner, Dreher und Former hatten schon früher, d. h. am
16. August 1710^22)^ iiipe Instruktionen im Namen des Direktoriums erhalten.
Dann ward die Kommission weiter auf eine Eingabe des Direktoriums hin be-
auftragt, auch das Verhältnis zwischen ihm und Böttger zu prüfen und so zu
regeln, daß nicht daraus für das Werk Verwirrung, vielmehr eine wirkliche Unter-
stützung erfolge, ferner festzustellen, wieviel Personen zum Direktorium nötig
seien, woher es bezahlt werden sollte u. dergl. m. Auch die noch immer nicht be-
endeten Differenzen mit dem Domkapitel zu Meißen sollten einer neuen Prüfung
unterzogen, schließlich auch etwaige persönliche Differenzen zwischen Böttger und
dem Direktorium geschlichtet werden. Und nicht eher sollte die Kommission aus-
einandergehen, bis alle diese Punkte in Ordnung gebracht, hierüber an den König
berichtet und ihr die Genehmigung zur Auflösung zugegangen wäre.
Dann aber hatte die Kommission sich vor allem mit Böttgers ganzer Tätigkeit,
seinen bereits erfolgten Gründungen und seinen Versprechungen zu beschäftigen.
Es handelte sich hier noch einmal um eine gründliche Prüfung der ganzen bisherigen
industriellen Unternehmungen Böttgers, namentlich hinsichtlich ihrer Rentabilität
und ihrer Bestandsfähigkeit, auf Grund derer wohl noch einmal erwogen werden
sollte, ob diese wirklich alle aufzurichten, beziehungsweise fortzusetzen sich lohne.
Zunächst wurden zu diesem Zwecke die beiden Inhaber der Arkana, Dr. Bartelmei
und Dr. Nehmitz hinsichtlich ihrer Kenntnis dieser befragt, welche beide durch be-
sondere Attestate sie als durchaus vorhanden erklärten. Dann suchte man sich
über das Vorhandensein der für die ^öMgerschen Unternehmungen notwendigen
Materialien in Sachsen selber zu vergewissern, auf welche Anfrage Böttger mehrfach
versicherte, daß diese mit Ausnahme der spanischen Soda, welche er zur Glasur
der ,, holländischen Gefäße" gebrauche, sich dort in so großen Mengen befänden,
daß sie nicht zu ,, konsumieren" wären, und er versprach dann auch für die Soda
ein ,, Surrogat" aus Landesmaterialien zu erfinden. Auch seien diese Materialien in
keiner Weise an sich wertvoll, so daß ihr Bezug ohne große Kosten erfolgen,
ihre Verarbeitung aber um so größeren Gewinn einbringen könne. Dann war
von der Borax-, der Schmelztiegel- und den anderen Fabriken die Rede, es
wurden Proben vom roten Steinzeug, vom Delfter Gut, vom Borax, der Masse
für die Schmelztiegel sowie auch vom Porzellan vorgelegt, hierauf in Gegenwart
des Dresdner Münzmeisters eine von Böttger angegebene Erzausschmelzungs-
probe vorgenommen, die allgemeinen Beifall fand! Dann aber brachte Böttger dÄB
Verhandlungen auf diejenige Angelegenheit, die damals als die für die Manu-
108 Die Steinzeugfabrik.
fakturen wichtigste zu gelten hatte, auf die Beschaffung der für ihre Weiter-
entwicklung nötigen Fonds, auf ihre weitere Finanzierung, und hier überschüttete
Böttger förmlich die Kommission mit Vorschlägen, die zwar seiner Erfindungsgabe
alle Ehre machten, zum Teil aber ihn doch wieder als einen ziemhch phantastischen
Kopf hinstellten, der nur zu leicht sich Träumen hingab, die sich über alle
Möglichkeiten hinweg zu setzen drohten.
Er machte hier zunächst der Kommission drei Vorschläge: es sollte auf alle
„alchymistischenlabores"in Sachsen ein, ,impost"gelegtwerden, ein Beweis, wie allge-
mein damals diese mit dem Goldsuchen so eng verbundenen Bestrebungen in Sachsen
gewesen sein müssen. Es sollte ferner aller Colditzer und Waldenburger Ton, der
außerhalb seiner eigenen Manufakturen verarbeitet würde, im Preise erhöht, der
Überschuß aber der Manufakturkasse zugeführt werden, es sollte von den ,, Stuhl-
zinsen", die auf die Webstühle zu Zittau, deren es wohl 1500 gäbe, gelegt seien,
entweder alljährlich oder ein für allemal eine gewisse Summe an die Manufaktur-
kasse gezahlt werden. Inzwischen jedoch sollte, so schlug er weiter vor, da die
Ausführung dieser Vorschläge wohl einige Zeit beanspruchen würde, der König
3000 Taler Silber vorschießen, und zwar mit Hilfe jenes alten Silbergeschirres,
das auf dem Dresdener Laboratorium befindlich wäre und wohl von Böttger
selber dort benutzt wurde, dann auch des Silbers, so in Freiberg die ,, Zehende-
kasse" unter dem Namen des ,, Wiegenbandes" in Rechnung führte und schließ-
lich auch durch Silber aus der Münzkasse. Weiter sollte die Rentkammer
4000 Taler, teils bar, teils an Colditzer Ton, Zwickauer roter Erde, Holz
usw. vorstrecken, wofür sie seine monatlichen 100 Taler, wahrscheinlich da er
sie doch nicht regelmäßig ausbezahlt erhielt, behalten könne, dann aber
auch die Generalakziskasse auf Böttgers monatliche 750 Taler 6000 Taler auf
einmal vorschießen. Weitere Vorschüsse wären dann zu verlangen von der
Steuer, der Kriegskasse wegen Lieferung , .polnischen Bleies", auch Salpeters,
von den Magistraten zu Dresden, Leipzig und Zittau, der Zehendenkasse zu
Freiberg wegen Lieferung von Kobalt, Silbei glätte, Braunstein, weißer Erde
u. dergl. m. Auch ging Böttger geradezu schon auf einen Zwangsabsatz seiner
Erzeugnisse aus, wenn er weiter vorschlug, daß alle diejenigen, ,,so da neu
anbauen und dafür aus der Generalakziskasse ein Gewisses zu genießen haben",
eine Partie der in der Steinbäckerei hergestellten Fliesen mit verwenden und
natürlich auch bezahlen sollten." Man sieht, Böttger suchte damals Himmel und
Erde in Bewegung zu setzen und das halbe Sachsen aufzustören, nur um seine
industriellen Anlagen zu retten und ihnen ein neues Anlagekapital zu verschaffen.
Er schätzte damals das Kapital, das ihm zur rationellen Fortführung seiner
Unternehmungen nötig schien, auf etwa 18 000 Taler, und zwar berechnete er für
Aufrichtung eines Gebäudes für die Brennöfen sowohl zum weißen als auch roten
Porzellan 1500 Taler, für ein gleiches Gebäude für die Boraxmanufaktur 1500 Taler,
für die Schmelztiegelfabrik 500 Taler, weiter an Instrumenten für die Fabriken
des weißen und roten Porzellans 400 Taler, für die des Borax 1500 Taler, der
Die dritte Kommission. 109
Schmelztiegel 200 Taler, an solchen für Maler, Töpfer und andere Arbeiter
200 Taler, dann an Materialien zum weißen Porzellan 200 Zentner Colditzer Ton,
zum roten Porzellan 1000 Zentner hinter Zwickau brechender Erde, zu Glasuren
und ungenannten Ingredienzien 2000 Taler, zu Kapseln für die roten und weißen
Geschirre 1000 Taler, zum Borax 1000 Taler, wie schließlich zu den Schmelztiegeln
1000 Taler. Es war gewiß eine ganz richtige Berechnung, die Böttger hier vorge-
nommen hatte, die den thatsächlichen Bedürfnissen seiner Anstalten durchaus
entsprochen haben wird Als aber dann die Kommission hierüber dem König
Bericht abgestattet und wahrscheinlich von diesem eine vöUig abschlägige Antwort
erhalten hatte, ließ er sich doch dazu herbei, diese Summe auf ein Drittel, d. h.
auf 6000 Taler, zu reduzieren. Diese Summe ließ ihm der König dann auch in der
Tat durch die Rentkammer anweisen, die sie ihm allerdings nicht auf einmal,
sondern nur ganz allmählich ausgezahlt hat. Es ist dies jene Summe, mit der
Böttger damals vergeblich versucht hat, das neue Brennhaus in Meißen aufzu-
richten.
Mit der Befürwortung dieser Summe aber war die Arbeit dieser Kommission
zu Ende. Sie faßte im Mai dieses Jahres einen Bericht an den König ab, in welchem
zunächst diejenigen Vorschläge Böttgers angegeben wurden, welche „praktikabel"
wären, denen dann aber auch eigene hinzugefügt wurden, darunter vor allem der
sehr zweckdienliche, auch von Böttger gebilligte, daß künftig die Gelder für seinen
eigenen Unterhalt von denen für die Manufakturen bestimmten streng getrennt
würden. ^^3) Dann aber scheint dies alles hier ruhig ad acta gelegt und auf alle
diese Vorschläge nicht die geringsten Maßnahmen getroffen worden zu sein.
So war auch diese Kommission in der Hauptsache resultatlos verlaufen.
Doch Böttger vermochte sich hierbei nicht zu beruhigen. Von neuem bat er
nur wenige Monate später um eine neue Kommission, und schon am 25. Juli des-
selben Jahres ward diese, die sog. dritte Kommission, zusammenberufen, die mit
Ausnahme zweier Räte, an deren Stelle der Geheime Kriegsrat Holzbrinck getreten
war, aus den Mitgliedern der vorangegangenen bestand ^24^ Ihre Aufgabe war dies-
mal vor allem, die Verhältnisse in der Meißner Manufaktur genau zu untersuchen.
Sie hatte den Auftrag, ein vollständiges Inventar der in Meißen befindlichen Sachen
aufzunehmen, weiter festzustellen, ob alle Angestellten der Fabrik regelmäßig
ihre Löhne erhalten hätten, dann zu prüfen, wie Böttger die neuen Manufakturen
des Borax, der Schmelztiegel, der Tabakspfeifen aufrichten wolle, hierauf eine
Übersicht der Unterhaltungskosten und der Einnahmen der Meißner Fabrik zu
geben und schließlich auch Pläne wegen des Absatzes der fabrizierten Waren aus-
zuarbeiten. Wenn dieses geschehen wäre, dann sollte dieselbe Untersuchung auch
mit den übrigen industriellen Anlagen Böttger^ vorgenommen werden.
Schon am 2. August 1711 fuhren von dieser Kommission der Geheime Rat
von Seebach, der Kriegsrat ifon Holtzbrinck und Hofrat von Döring mit Böttger nach
Meißen, um die Fabrik dort in Augenschein zu nehmen und aufs eingehendste durchzu-
prüfen. Der Befund war nach einem Bericht an den König folgender: es befänden
110 Die Steinzeugfabrik.
sich dort zurzeit 12 000 — 13 000 Stück roher und gebrannter Geschirre und 270
Zentner an rohen Materialien und Massen. Die Arbeiter hätten „nach ihrem eigenen
Geständnis ihre Löhnungen alle richtig und völlig erhalten". Des Administrators
Vorschläge zur Einrichtung der neuen Fabrik und Aufführung der Gebäude wären
gut und praktikabel. Es war mithin ein glänzendes Zeugnis, das diese durchaus
unparteiischen Leute damals der bisherigen Tätigkeit Böttgers ausstellten, das
klar beweist, daß Böttger in dieser Beziehung bisher völlig seine Pflicht getan, in
dieser Beziehung in keiner Weise das Vertrauen, das in ihn vom König gesetzt
war, getäuscht hatte. Böttger konnte mit diesem Teil der Ergebnisse der Kommission
durchaus zufrieden sein. Aber gleichzeitig mußte die Kommission hinzufügen, daß
die Böttger seit der vorigen Kommission angewiesenen 6000 Taler durchaus nicht
von der Kammer vollständig ausgezahlt worden wären, und im übrigen konnte
auch sie nur die früheren Vorschläge Böttgers betreffs einer ausreichenderen
finanziellen Unterstützung der Fabrik wiederholen und ihr Gutachten über die-
selben abgeben ^^5). sie ist dann fast ein halbes Jahr lang nicht wieder zusammen-
getreten, bis sie im Februar des folgenden Jahres eine neue Sitzung abhielt, in der
sie auf Böttgers Wunsch alle ,, Oberbedienten" der Manufakturen aufforderte, einen
Bericht abzufassen über alle ,, Gebrechen", die sie an den Manufakturen bisher
beobachtet hätten, und Vorschläge über deren Beseitigung sowie auch über eine
günstige Verkaufsmethode der angefertigten Waren zu machen. Doch als darauf
im März Böttger durch die Kommission auch die Niederlegung seiner Administration,
wie oben bemerkt, versuchte, hat sie sich dieser Sache zwar durchaus mit Eifer
angenommen, ist dann aber, als aus dieser Angelegenheit nichts wurde, gleichfalls
wieder, ohne einen Schlußbericht abgefaßt zu haben oder vom König auf-
gehoben zu sein, sanft entschlummert, und es hat dann Jahre gedauert, bis wieder
ein derartiges Institut ins Leben gerufen ward. Zunächst hatte das an sich so
wohlfeile Mittel einer Kommission für Böttger völlig versagt.
Erreicht hatte Böttger durch dieselben eigentlich weiter nichts, als daß
eine gewisse Regelung des Verhältnisses zwischen ihm und seinen Mitarbeitern ein-
getreten war, die ein ruhigeres Weiterarbeiten zu verheißen schien, daß ihm als
Abschlagssumme für seine großen Bedürfnisse 6000 Taler zugewiesen worden
waren, die er aber noch nicht einmal alle erhalten hatte, und daß schließlich der
letzte Kommissionsbericht über die an sich günstige Lage seiner Manufakturen
die Wahrheit seiner früheren eigenen Angaben über sie bestätigt hatte, die sicher-
lich auch dem König neuen Mut gemacht haben wird, das angefangene Werk
weiter mit Geduld und Zuversicht fortzusetzen. Das eigentliche Grundübel
jedoch der ganzen Anlage, dasjenige, das sich von Jahr zu Jahr, ja von Monat zu
Monat mehr und mehr bemerkbar machte, der Geldmangel, der Mangel an Kapital,
war nicht behoben worden. Hier war Böttger nach allen Sitzungen, Untersuchungen
und Verhören damals ebenso weit wie vordem und starrte in eine ziemlich
hoffnungslose Zukunft. Fast wie Verzweiflung sieht es daher schon damals aus,
wenn er um diese Zeit den Vorschlag machte, die Manufaktur, um ihr das kostspielige
Gefährliche Abhilf mittel. Hl
Hin- und Rücktransportieren der Waren von Dresden nach Meißen und um-
gekehrt zu ersparen, wieder nach Dresden zu verlegen ^^*), oder wenn man im
Jahre 1712 ernstlich daran dachte, zur Verminderung des Etats den ganzen Betrieb
einzuschränken und deswegen auch schon umfassende Untersuchungen anstellte ^^7).
Vernünftiger war es da schon, wenn jetzt zu Böttgers nicht geringer Freude ernst-
lich der Vorschlag erwogen ward, für das ganze Land, in dem jetzt durch des Königs
Wille eine ausgedehnte Industrie festen Fuß fassen sollte, eine ,,Kommerzien-
deputation" ins Leben zu rufen, die, mit wirklichen Sachverständigen besetzt, sich
der neuen industriellen Gründungen annehmen, sie beaufsichtigen und unterstützen
sollte. Doch war auch dieses wiederum nur eine Anweisung auf eine fernere Zukunft,
da damals diese Deputation noch nicht zustande kam.
Was aber jetzt die ganze Lage Böttgers und seiner Manufakturen so ganz be-
sonders schlimm machte, das war, daß nun auch der König, der für alle
diese bisher ein so unerschütterlich großes Interesse gezeigt hatte, in
keiner Weise mehr in der Lage war, ihnen mit dem zu helfen, was ihnen damals
am allermeisten not tat, ja was bereits anfing, zum schi'eiendsten Bedürfnis zu werden.
Der König hatte bereits Unsummen an Böttger abgegeben, als er noch seinen rein
alchymistischen Arbeiten nachging, er hatte dann zu allgemeinem Erstaunen ^^)
seine Manufakturen zu einer Zeit gegründet, da das Land durch den eben erst
beendigten Krieg gänzlich darniederlag, freilich ja in der Absicht, eben die Wunden,
die er geschlagen, dadurch zu heilen, er hatte ihnen Gelder angewiesen, soviel er
nur konnte, und auch beständig auf ihre Auszahlung gedrungen, daneben auch
Sorge dafür getragen, daß alle Erzeugnisse, die er für sich selber den 5ö«gerschen
Fabriken entnahm, bar bezahlt wurden ^^s). Aber er war dagegen nicht immer
fähig gewesen, in der Ungunst der damaligen Zeiten durchzusetzen, daß seine
Anweisungen an die öffentlichen Kassen damals auch immer ausgezahlt wurden.
Neue und größere Anweisungen an diese wären daher so gut wie nutzlos gewesen,
ja hätten fast den Schein der Lächerlichkeit an sich gehabt. Da ließ er sich um die
Mitte dieses Jahres, am 27. Juh 1712, herbei, ein von Böttger in seiner Not selbst
entworfenes Dekret zu erlassen, durch welches er allen „denjenigen, so mit dem
Administrator Böttger derer Manufakturen halber kontrahieren und ihm kreditieren
würden, alles genehm zu halten, auch auf den Fall, daß 5ö«ger vor der Wieder-
bezahlung mit dem Tode abgehen sollte, vor derselben Manufakturschulden zu
stehen und solche zu bezahlen" 33°) . Er setzte Versprechungen, Anweisungen für die
Zukunft an die Stelle von wirklichen, augenblicklichen Taten. Damit war Böttger
zurzeit nur wenig geholfen. Aber, was schlimmer war, er erhielt dadurch nun von
Königs Gnaden ein Instrument in die Hände, das ihm wohl in der Tat gelegenthch
einige Hilfe bringen konnte, das aber im übrigen nur zu leicht zu mißbrauchen
war, und, wenn mißbraucht, dann zu den verzweifeltsten Situationen führen
konnte. Man bedenke, daß Böttger kein Geschäftsmann war, daß Geldverwalten
überhaupt immer seine schwache Seite gewesen zu sein scheint, die ihm auch
unter gewöhnhchen Verhältnissen schon Schaden genug zufügen konnte, und
112 Die Steinzeugfabrik.
man wird begreifen, welchen Versuchungen nun Böttger auf diesem Gebiete
ausgesetzt war und welchen (gefahren er entgegenging. Von nun an, da er
gleichsam auch die finanzielle Leitung seiner Unternehmungen in die Hände
bekommen hatte und Geld in dieselben stecken durfte, so viel er nur wollte
und konnte, von nun an beginnt die finanzielle Zerrüttung der kaum erst be-
gründeten Manufakturen und es traten bald Zustände ein, die alle Tatkraft be-
denklich lähmen und die Weiterentwicklung der Unternehmungen stark beein-
trächtigen, ja vielleicht sogar ganz in Frage stellen mußten. Es war in der
Tat eine böse Zeit, die begann, wie sie sicherlich keiner erwartet hatte, der
die Begründung dieser Manufakturen beschlossen oder gefördert hatte.
Gerade in dieser Zeit begann die fabrikmäßige Herstellung des Porzellans.
IV. Das Böttgersteinzeug.
Abb. 27. Böttgersteinzeug. Medaille mit
dem Bildnis Papst Clemens XI.
Herzogliches Museum, Gotha.
Kein Geringerer als Gottfried Semper hat das
Verdienst Böttgers, das rote Steinzeug erfunden zu
haben, fast ebenso hoch gestellt, wie das seiner
Erfindung des Porzellans 3^^), und einer unserer
bedeutendsten, jetzt lebenden keramischen Kenner
hat einmal beim Anbhck des größten erhaltenen
Bestandes dieses Produktes seine Erfindung und
seine künstlerische Durcharbeitung als das viel-
leicht ruhmreichste Blatt der Geschichte der
deutschen Keramik bezeichnet. Damit mag die
Bedeutung der Erfindung dieses Produktes hin-
reichend charakterisiert sein. Dennoch wird das
Urteil dieser beiden Männer vielen überraschend
erscheinen. Denn gerade so wie das Böttger-
steinzeug zur Zeit seiner Erfindung und ersten Herstellung durch die des Porzellans
stark in den Hintergrund gedrängt worden ist, und zwar so stark, daß es, sobald
das Porzellan wirklich fabrikmäßig hergestellt wurde, zum größten Teil fast un-
mittelbar wieder vom Schauplatz verschwand, gerade so hat es dann auch später
in keiner Weise jene allgemeine Beachtung gefunden, die es seinem ganzen Innern
wie äußern Werte nach verdient. Es ist eben das Bessere immer der Feind des
Guten. Und doch kann darüber nicht der geringste Zweifel herrschen, daß dies
Produkt vor der Ausnutzung des Porzellans das edelste keramische Erzeugnis
dargestellt hat, das die gesamte europäische Keramik bisher erfunden oder auch
nur hergestellt hat, daß es sich, trotzdem es von Haus aus die Nachahmung eines
ganz exotischen Produktes darstellte, dennoch als eines der selbständigsten Er-
zeugnisse der europäischen Keramik gegeben hat und daß es schließlich eine
künstlerische wie technische Ausgestaltung erfuhr, so mannigfaltig und so edel,
so materialgemäß und erschöpfend, wie sie selbst dem Porzellan, das ihm ja sonst
in so vielen Punkten überlegen ist, oder sonst irgend einem anderen keramischen
Produkt in Europa niemals zuteil geworden ist. So liegt in der Tat in der
Erfindung und Durchgestaltung des Böttgersteinzeugs eins der ruhmreichsten
Kapitel aller Keramik vor, und wir haben daher allen Grund darauf stolz zu
sein, daß dies Kapitel wie ja in der Hauptsache auch das des Porzellans bei uns in
Deutschland sich abgespielt hat.
8
Zimmermann, Meißner Porzellan.
114 Das Böttgersteinzeug.
Hierbei kann es kein Zweifel sein, daß für diese glänzende und reiche Aus-
gestaltung dieses Produktes in erster Linie der eigentliche Urheber, der Erfinder
desselben, der Begründer aller der damaligen keramischen Unternehmungen in
Betracht kommt. Tschirnhausen, der Mitarbeiter und Berater Böttgers, war schon
im Jahre 1708 gestorben, wahrscheinhch ja unmittelbar, nachdem dasselbe erfunden
war 3^2) j ijj^ übrigen sind alle Ausgangspunkte dieser Ausgestaltung so rein
technische gewesen und war die durch die Gefangenschaft Böttgers beträchtlich
eingeengte Umgebung so arm an wirklich bedeutenden oder auch nur sachver-
ständigen Persönlichkeiten, Böttger selber dagegen eine so bedeutende und er-
finderische Kraft, daß man, wenn man absieht von den rein künstlerischen
Formungen, der Erfindung der Modelle und dergleichen von diesem großen Ver-
dienste auch nicht das Geringste ihm abzuziehen Veranlassung hat. Es ist dies
auch niemals versucht worden, weder in neuerer Zeit noch in den Berichten seiner
Zeitgenossen, die Böttger überall in dem Mittelpunkt des ganzen Betriebes wirkend
sehen lassen, ohne den man überhaupt bei allen diesen Angelegenheiten kaum das
Geringste zu tun vermochte. Dies schnelle Hineinfinden aber in ein für ihn doch
gänzlich unbekanntes Gebiet, dieser, man möchte sagen, eingeborene künstlerische
Instinkt, der, ohne eigentlich künstlerisch produktiv zu sein, doch überall und
namentlich in technischer Beziehung die richtige Grundlage zur künstlerischen
Ausgestaltung Ues neuen Produktes herauszufinden verstand, die völlig souveräne
Selbständigkeit, mit der er diesem ganzen Stoffgebiet gegenübertrat, sind ein
neuer Beweis für die bedeutende Persönlichkeit dieses Mannes, für die Rührigkeit
und Gewandtheit seines Geistes wie vor allem für sein spezifisches Erfindungs-
vermögen, das ihm eine besondere Stellung in der Geschichte des menschlichen
Geistes verschaffen muß. Sie bestätigen völlig, was Steinbrück, der ihn so genau
kannte, über ihn damals gesagt hat, daß sein Verstand von ,, ungemeiner Pene-
tration" sei, daß er sich ,,in alles finden könnte", daß er immer etwas Neues will,
,,inventieux" wäre und auf Dinge gedenke, ,,die anderen Leuten nicht in den Sinn
kommen" ^33) u^d go reden noch heute diese Taten deutlich genug von seinem
wirklichen Können und lassen erkennen, wie stark der Eindruck seiner Persön-
lichkeit gewesen sein muß, als sie noch in voller Kraft das vollbrachte, was heute
als etwas Vergangenes, aber Fertiges vor uns liegt.
Erhalten hat sich sein erstes Erzeugnis noch an vielen Stellen und in großer
Anzahl, am meisten jedoch trotz des alles durcheinander werfenden Kunsthandels
in Deutschland. Hier befindet sich der weitaus größte Bestand in der Kgl. Porzellan-
sammlung zu Dresden, der mit wenigen Ausnahmen sicherlich jene Erzeugnisse
darstellt, die schon zu Böttgers Lebzeiten in den Besitz des Königs gelangten und
dann dauernd dort gebheben sind. Dieser Bestand, der fast 800 Stücke um-
faßt, ist so reich und mannigfaltig, daß man mittelst seiner schon fast die ganze
Ausbildung, die dieses erste keramische Erzeugnis Böttgers gewonnen hat, erkennen
kann. Den zweitgrößten, doch schon bedeutend kleineren Bestand, der aber
immerhin noch etwa 300 Stück umfaßt, besitzt das Herzoghche Museum zu Gotha,
Die Masse. ij^
darunter einige der allerinteressantesten Stücke, die man kennt. Der Rest ist
über deutsche Schlösser und öffentliche und private Sammlungen verteilt. Jedoch
ist zu bemerken, daß man vielfach noch immer mit dem Böttgersteinzeuge verwandte,
aber meist bedeutend minderwertigere Produkte verwechselt, obgleich die Tren-
nung dieser von dem wirklichen Böttgersteinzeug für den, der die an sich
sehr deutlichen Unterschiede einmal erkannt hat 3^*), gar nicht schwer
ist. Diese Trennung aber ist durchaus nötig; denn nur dann, wenn
das Böttgersteinzeug völlig von diesen Schlacken befreit ist, wird man
die volle technische und künstlerische Bedeutung dieses Produktes erkennen
können.
Darnach stellt sich das Böttgersteinzeug in rein keramischer Beziehung als
ein Produkt aus einer eisenhaltigen Erde dar, der noch ein Flußmittel hinzuge-
setzt ist. Diesem Eisengehalt verdankt es seine schöne rote oder rotbraune Farbe,
da die der Erde beigemischten Eisenteile im oxydierenden, d. h. Sauerstoff ent-
haltendem Feuer des Brennofens sich mit diesem Sauerstoff verbinden. Diese Ver-
bindung ändert sich nach der Stärke und Länge des Brandes, indem zunächst als ein-
fachste Verbindung Eisenoxydul (Fe 0) entsteht, um schließlich bei noch stärkerer
Erhitzung im oxydierenden Feuer durch weitere Aufnahme von Sauerstoff als
Eisenoxyduloxyd {Fe^ O3) zu enden, in welchem Stadium freilich die Masse bereits
die Grenze der Verschlackung erreicht hat. Gleichzeitig mit dieser chemischen
Zusammensetzung ändert sich aber auch die Farbe, die von einem hellen gelblichen
Rotbraun zu einem immer dunkleren übergeht, bis sie schließlich ein immer unan-
sehnlicheres, schmutziges, schwärzliches oder graues Aussehen bekommt, das durch
nichts mehr an die früheren warmen, rötlichen Töne dieses Stoffes erinnert ^^^),
Doch vollzieht sich dieser Umwandlungsprozeß zunächst nur an der Oberfläche,
erfaßt nicht sogleich die ganze Masse, so daß die äußere Schicht schon durchaus
schwärzlich oder grau erscheinen kann, indes der eigentliche Kern noch völlig
die alte rote Farbe zeigt.
Alle diese Stadien finden sich im Böttgersteinzeug vertreten, sie mußten sich
dort vorfinden, da Böttger infolge seiner primitiven Brennöfen, wie oben gezeigt,
durchaus nicht allen Stücken in einem und demselben Brande die gleiche Hitze
zu geben vermochte. So gibt es hier mit vielen Übergängen eine helle und eine
dunklere Gattung und schließlich noch jene gänzlich oder nur gefleckt schwärzlich-
graue, die lange Zeit, wohl um ihres Aussehens willen, den völlig sinnlosen, leider
noch immer viel gebrauchten Namen des ,, Eisenporzellans" erhalten hat. Es ist
jenes Steinzeug, über dessen Entstehen im Brande, wie oben erwähnt ^^^), Böttger
anfangs nicht wenig betrübt war, bis sein alle Zeit erfinderischer Geist auch hier
wieder aus der Not eine Tugend zu machen wußte und diesem Übelstande Reize
entlockte, die den künstlerischen Wert seiner Produkte um ein bedeutendes hoben.
Die häufigste Gattung jedoch ist die mittlere, die dunkelrote; sie scheint damals
auch die bevorzugte gewesen zu sein, da fast alle reicheren und veredelten Stücke
ihr angehören. Dennoch üben auch die helleren Stücke, namentlich, wenn sie ge-
116
Das Böttgersteinzeug.
schliffen sind, einen ganz besonderen Reiz aus, wobei freilich wohl ihre Seltenheit
auch ein wenig mitsprechen dürfte.
Ganz allgemein genommen, ist jedoch die Herstellung eines keramischen Pro-
duktes aus einer derartigen eisenhaltigen Erde wohl keine besondere Tat gewesen.
Die Natur liefert diese Erde an vielen Stellen der Erdoberfläche, und an den ver-
schiedensten Stellen hat man sie daher auch zur keramischen Verarbeitung heran-
gezogen, auch lange Zeit schon, hevor Böttger es versuchte. Schon die alten Römer
hatten ihre schwach gebrannte, aber schön rot gefärbte sog. samische Ware, auch
terra sigillata genannt, die zu den erfreulichsten keramischen Erzeugnissen
des Altertumes gehört ^^'). In China läßt sich das rote Steinzeug, das B öttger Ani.a.Q
zu seiner Nacherfmdung gegeben hat, bis ins 16. Jahrhundert ^^^) verfolgen. Auch
die japanische Keramik kennt in dem sog. Bizen-
yaki ein sehr schönes verwandtes Produkt 2^^), und
daß die holländische und englische Keramik schon
vor Böttger, wie dieser angeregt durch die Erzeug-
nisse Chinas, sich in gleichen Nachahmungen ver-
sucht hat, ist bereits früher erwähnt worden 3*°).
Auch in Deutschland gab es bereits vor Böttger im
17. Jahrhundert ein gleichfalls rot gefärbtes aber
sonst keramisch sehr minderwertiges, bisher frei-
lich noch gar nicht beachtetes Produkt, das in
Anlehnung an die ebengenannten, in dieser Zeit
schon mehrfach ausgegrabenen römischen Ton-
waren den Namen Terra sigillata führte, eine Be-
zeichnung, die man später vielfach allen roten ke-
ramischen Erzeugnissen, ja gelegentlich selbst dem
Böttgersteinzeug beilegte ^^^). Nach Böttger haben
sich die Versuche bis in unsere Zeit hinein nur ver-
doppelt, die Erzeugnisse derselben sind heute zum
Teil kaum noch auseinander zu halten. Aber der rein
keramische Wert aller dieser Produkte ist sehr ver-
schieden, je nach der Güte der Masse und ihrer Festig-
keit nach dem Brande. Ein großer Teil derselben, z. B. fast alle holländischen Pro-
dukte, verdienen, da sie nur ganz leicht gebrannt sind, durchaus nicht den Namen
Steinzeug, den man ihnen so oft gibt. Man darf sie daher nur als schwach gebrannte
Tonwaren bezeichnen. Das Erzeugnis Böttger s jedoch — und dies hebt seine Er-
findung um ein ganz beträchtliches — kann als ein ganz besonders feines und festes
bezeichnet werden, ja als eins der allerbesten, die überhaupt je in diesem Stoffe
gemacht worden sind, als das allerbeste auf jeden Fall, das bis dahin
aus ihm hergestellt worden war. Es stellt sich in seiner Zusammensetzung als
sehr feinkörnig heraus, so sehr, daß seine Oberfläche im Gegensatz zu dem gleich-
falls vorzüglichen chinesischen Steinzeug mit seiner rauheren Oberfläche glatt, ja fast
Abb. 28. Böttgersteinzeug. Krug,
marmoriert und geschliffen.
Königl. Porzellansammlung', Dresden.
Höhe 22,5 cm.
Vergleich mit verwandten Produkten.
117
wie fettig glänzend erscheint, wodurch es freilich, wenn nicht geschUffen, auch nicht
so warm in dem Ton erscheint wie jenes. Es ist ferner ungemein fest und kom-
pakt, daher es im Bruch auch vielfach auffallend scharfkantig wird. Freilich
gibt es daneben eine ganze Anzahl Stücke, vor allem in der Dresdner Porzellan-
sammlung, die äußerst schwach gebrannt erscheinen und darum gleichfalls auf
den Namen Steinzeug keinen Anspruch machen dürfen. Doch hat hier
allein die Schuld an den primitiven Öfen
Böttgers gelegen, die, wie sie bald viele
Stücke zu scharf, so andere viel zu
schwach brannten. Die Masse an sich
war immer fähig, ein wirklich festes
Steinzeug abzugeben.
In der Färbung erscheint die Masse
in der Regel durchaus gleichmäßig, doch
finden sich mehrfach auch dunklere
Flecke und Streifen, die zunächst, da sie
von einer nicht völlig ausreichenden
Durcharbeitung derselben vordem Brande
zeugen, als technische Fehler angesehen
werden könnten. Doch Böttgers genialer
Blick hat auch hier wieder sofort schein-
bare Schwächen in wirkliche Vorzüge
umgewandelt. Diese Abschattierungen
dienten ihm dazu, durch ihre Verstär-
kung seinem Produkt, das er ja Jaspis-
porzellan genannt hatte, weil er es als
die Nachahmung eines Edelgesteines be-
zeichnen wollte, diesen Charakter nur noch
zu erhöhen. Doch bleibt die Wirkung
dieser Abschattierungen durchaus dezent,
ja kommt eigentlich nur erst durch den
Schliff, der den Grundton der ganzen Masse
vertieft, richtig heraus. Auf alle Fälle ist diese aus dem Stoffe selber heraus-
genommene Belebung ungemein reizvoll. Sie hat eine neue Nuance geschaffen
in diesem an Nuancen an sich schon so reichen Stoffe.
Doch ist Böttger in diesem Streben, die Masse durch Abschattierungen
zu beleben, noch bedeutend weiter gegangen. Im Jahre 1711 hatte er, wie oben
gezeigt, der 2. Kommission gemeldet, daß er jetzt auch ,, marmorierte" Gegen-
stände hergestellt hätte und Erzeugnisse, die auf diese Bezeichnung allen Anspruch
machen, haben sich in der Tat auch in einigen Exemplaren erhalten. Die Porzellan-
sammlung zu Dresden, das Kunstgewerbemuseum zu Köln, das Germanische
Museum in Nürnberg ^*^) besitzen u. a. Bierkrüge, erstere auch noch eine
Abb. 29. Böttgersteinzeng:. Krug, marmoriert und
geschliffen, mit in hellerer Muse eingelegter
Landschaft.
Sammlung: Oppenheim, Berlin.
,j[?i3 ^^ Böttgersteinzeug.
Teekanne, die eine ziemlich lebhafte, durchaus regellos beieinander befindliche
Abschattierung von braunen, an dem Nürnberger Krug selbst grauen und schwärz-
lichen Tönungen zeigen und so in der Tat die Bezeichnung ,, marmoriert" gar wohl
verdienen. Die Technik derselben ist freilich nicht ganz klar. Es scheint sich
hier nicht um ein Durcheinanderkneten verschiedenfarbiger Massen zu
handeln, wie es die Japaner z. B. bei ihrem bekannten Ise-Banko - yaki
genannten Produkte zu tun pflegen. Es scheint vielmehr, daß, da die Ab-
schattierungen der Massen nicht bis zu den inneren Wandungen durchgehen, auf
irgend eine Weise unregelmäßige Vertiefungen in die äußere Oberfläche hineinge-
graben zu sein, die dann mit Tonen von anderer Farbe wieder ausgefüllt wurden
(Abb. 28). Für diese Technik spricht auch ein seltsames Stück der Sammlung Oppen-
heim in Berlin (Abb. 29) wiederum ein Bierkrug, in dem eine ganze Landschaft
mit Palmen, Häusern und Chinesen in hellerer Tönung auf dunklerem Grunde
erscheint, die gleichfalls durch
verschiedenfarbige Tonarten her-
vorgerufen ist, die aber hier na-
türlich nur eingelegt sein können,
eine höchst merkwürdige und
^0m^ ^m^ •— * 1 «-^ ^^s. X eine uounsi iiieiKwuruige uiiu
Lt f ^ J\ \ i A ^^^ jetzt ganz vereinzelt da-
J^ \^ O c/V.o' K^OK stehende Snielerei. durch die
(Tl. JB
stehende Spielerei, durch die
Böttger wohl wieder einmal sein
ganzes Können dokumentieren
wollte.
Häufig findet sich dann noch
Abb. 30. Beispiele von Markierungen für den Brand anf Bottgersteinzeng. die Oberfläche dcS Böttgersteiu-
Königl. PorzellansammlunE:, Dresden. • ..i •_ _ „r
* ^' zeugs, wie man es übrigens auch
am chinesischen vielfach sehen
kann, mit kleinen schwarzen Pünktchen übersät, die bei richtigem Einfall des
Lichtes leicht zu schimmern anfangen. Es sind Eisenausscheidungen des eisen-
haltigen Tons, die im Brande entstanden sind. Sie tragen freilich zur künstle-
rischen Erscheinung dieses Produktes nicht weiter bei.
Ein anerkannter Vorzug jedes richtigen Steinzeugs ist, was weiter die Formung
dieses Erzeugnisses anbetrifft, seine große Plastizität, d. h. seine Fähigkeit, im
feuchten Zustande bis zu einer gewissen Grenze jede Form die man ihm zu
geben beliebt, anzunehmen und gewisse Zeit zu bewahren. Es kommt in dieser
Beziehung ganz dem Modellierton der Künstler gleich ^*^). Die geeignetste Tech-
nik der Formung ' desselben ist daher das Aufdrehen, weniger das Pressen in
Formen ^*). Auch die Masse des Böttgersteinzeugs ist, obwohl sie als künstliche
Vermengung zunächst nicht das darstellt, was man für gewöhnlich einen
Steinzeugton zu nennen pflegt, eine äußerst plastische gewesen, ja sie
scheint oft eher zu zäh als zu weich gewesen zu sein. Denn erscheint
seine Oberfläche auch gegenüber der des chinesischen roten Steinzeugs
Eigenarten der Masse.
119
Abb. 3f. Böttgersteinzeag. Gefäße mit den in Abb. 30 wiedergegebenen Markierungen.
König-1. Porzellansammlung-, Dresden. Hohe des Leuchters 19 cm.
glatt und glänzend, so fällt sie dagegen doch oft durch streifenartige
Unebenheiten auf, die bei den aufgedrehten Gegenständen vielfach eine wagerechte,
sehr oft aber auch eine spiralförmig aufsteigende Richtung aufweisen und um so
stärker auftreten, je gewölbter die Flächen sind, an denen sie sich zeigen, bei den
geformten dagegen eine senkrechte Tendenz annehmen, ein sicherer Beweis, daß
nur ein relativ starker Druck hier eine zähe Masse zu formen vermocht hat. Ebenso
auffallend ist auch das starke Sichtbarbleiben der Nähte bei allen Formungen,
die selbst an ganz geschliffenen Gegenständen noch als dunkel gefärbte Streifen
auftreten. Diese starke Plastizität der Masse verrät sich auch in den
Resultaten der plastisch-künstlerischen Behandlung. Alle durch Formung, d. h.
durch senkrecht auf die Fläche der Masse erfolgten Druck hergestellten
plastischen Verzierungen erweisen sich als nicht allzu scharf,
namentlich neben der erstaunlich plastischen Klarheit des auf
diese Weise verzierten, an sich doch grobkörnigeren chinesischen
Steinzeugs. Dagegen fallen alle auf der Drehscheibe unter größerem
Drucke resp. durch direktes Einschneiden entstandenen Profilie-
rungen durch eine ganz erstaunliche Schärfe und Kantigkeit auf, wie
man sie so leicht wohl an keinem anderen keramischen Produkte wieder finden
wird. Man hat diese besondere Eigenart dieses Produktes damals auch gar
wohl erkannt und sie sichtbar ausgenutzt, indem man den in diesem Materiale
hergestellten Gegenständen mit Hilfe der Drehscheibe eine kräftige, ausdrucks-
volle, markante Silhouette gab, mit reich gegliederten Füßen, reich profilierten
Bäuchen und Einfassungen und vor allem hochgezogenen und gleichfalls sehr reich
profilierten oberen Endungen, wie Knöpfen oder Spitzen, so daß die Erzeugnisse
in diesem Materiale vielfach, und namenthch wenn sie auf der ganzen Fläche
geschliffen sind, eher das Aussehen von Drechslerarbeiten, als von rein keramischen
Abb. 32.
Schwerter-
marke.
120
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 33. Böttgersteinzeug: im Stil getriebener Silberarbeiten.
König^l. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der Vase in der Mitte 26 cm.
Produkten erhielten(Abb.40 u. 42). Dadurch aber hat dies Material einen sehr graziösen
und eleganten Charakter erhalten, wie ihn bisher — man denke nur an das dagegen
so plump erscheinende rheinische Steinzeug der Renaissancezeit — kein Steinzeug
und auch nachher wohl nur selten gezeigt hat. Es ist dadurch ein wirklich höheres
Kulturprodukt entstanden, in einer höfischen Sphäre und auch durchaus für deren
Ansprüche und Neigungen geschaffen. Der Garbrand dieser Masse kann dann aber an
sich durchaus nicht so leicht gewesen sein, wie man nach Böttgers schneller Be-
herrschung desselben, namentlich gegenüber dem des Porzellans, wohl vermuten
könnte. Die Hitze zu ihrer Garbrennung braucht freilich nicht allzu hoch zu
sein — es genügt hierfür schon die Goldschmelzhitze ^^) — aber das Produkt darf auf
keinen Fall zu scharf gebrannt werden, da es infolge von stets vorhandenen Un-
reinlichkeiten des Tons gar leicht zu schmelzen und zu verschlacken beginnt^*')
und dadurch jenes unschöne, schwärzliche Aussehen erhält, das bereits oben
charakterisiert worden ist. Man kann daher wohl begreifen, was für Mühe
Böttger mit dem Brennen auch dieses Produktes in Anbetracht seiner primitiven
Öfen gehabt, wie viel Ausfall sich namentlich anfangs nach j edem Garbrand heraus-
gestellt hat und wie sehr es damals in seinem Interesse gelegen haben muß, diesen
Ausfall dann doch noch auf irgend eine Weise zu verwerten. Im übrigen ist aber
auch beim Brande dieses Produktes sehr darauf zu achten, daß die Masse bei ihrer
Schwindung im Ofen infolge mangelnder Homogenität, schlechten Aufdrehens oder
ungleicher Hitzeverteilung sich nicht zieht, spaltet oder reißt. Wie die erhaltenen
Stücke, namentlich in der Dresdner Porzellansammlung beweisen, hat Böttger diese
Marken.
121
mär "^ .
1
^: '«■■1
Abb. 34. BSttgersteinzeag, von chinesischem Porzellan und Steinzeng abgeformt.
Künigl. Porzellansammlung- Dresden. Höhe der Flasche links 19 cm.
Gefahren nur zur genüge kennen gelernt: es gibt ihrer genug, die sich arg verzogen,
oder Rissein den Wandungen, an den oberen Rändern oder den Füßen erhalten haben.
Auch Formungsnäte sind wieder aufgeplatzt, aufgesetzte plastische Verzierungen
wieder abgesprungen, selbst blasenartige Gebilde, die von Luftbeimengungen des
Tons herrühren, kommen vor. Überhaupt lassen viele Stücke der Dresdner
Porzellansammlung, die wohl zum Teil die ersten an den König gesandten Proben
dieses neuen Produktes darstellen, auch sonst noch stark die Sauberkeit der
Arbeit vermissen : Fingerabdrücke, schlechte Rundungen fallen auf, und so sieht
man allen diesen Erzeugnissen oft genug das schwere Ringen Böttgers mit diesem
Material selbst noch lange nach der Erfindung desselben an, jenes Ringen, bei
dem ihn ja, wie oben gezeigt worden ist, nicht einmal die Fachleute, d. h. die
Töpfer, genügend haben unterstützen können.
Als dauernde Zeugen dieser Mühen dürfen aber wohl jene mehrfach am Boden
der Gefäße sich befindenden, in der Regel mittelst eines Stempels eingedrückten
Marken angesehen werden, die bald aus verschieden sich kreuzenden, bisweilen
an unsere früheren Hausmarken erinnernden Linien bestehen, die aber mit der späteren
bekannten „Schwertermarke" des Meißner Porzellans noch nichts zu tun haben,
bald Buchstaben und Zahlen, unter denen sich namentlich der Buchstabe C und
die Zahl 13 häufiger finden, zeigen. Auch kommt bisweilen ein B vor, das jedoch
mit dem Namen Böttger nichts zu tun hat (Abb. 30). In allen diesen Fällen
handelt es sich noch keineswegs um sogenannte Fabrikmarken, die die Stücke, die
sie tragen, als Erzeugnisse derjenigen Fabrik erkennbar machen sollten, die
diese Marken als die ihrige führt. Die berühmte ,, Schwertermarke" des Meißner
Porzellans, so benannt nach den beiden, dem sächsischen Wappen entnommenen
Kurschwertern ist bekanntlich erst mehrere Jahre nach Böttgers Tode aufge-
kommen, als die Begründung der ersten Konkurrenzanstalt zu Wien,
122
Das Böttgersteinzeug.
die Anwendung einer solchen kennzeichnenden Marke nötig machte ^*'). Bei obigen
Marken handelt es sich dagegen ausschließlich um Fabrikationsmarkierungen, um
Zeichen, durch die Stücke, mit denen man Versuche machte, nach dem Brande
wiedererkennbar waren. Sie finden sich daher auch ganz besonders häufig an
weniger geglückten Exemplaren 3*^) (Abb. 31), Daß aber ihr Vorkommen gar
nicht so selten ist, das ist ein neuer Beweis für das viele Probieren, dem Böttger sich
unterziehen mußte, bevor ihm die Fabrikation selbst dieses leichteren Produktes
wirklich gelang. Daneben freilich erblickt man bisweilen, wenn auch recht
selten, auch auf Böttgersteinzeugen die eben beschriebene Schwertermarke
(Abb. 32). Sie stellt sich aber entweder als eine spätere Zutat dar an Stücken, die,
obwohl früher fa-
briziert, zu einer
Zeit verkauft wur-
den, da jedes Stück
Meißner Porzellan
schon das Meißner
Abzeichen erhielt,
oder auch als ein
späteres Fabrikat
in diesem Mate-
riale, das aller-
dings nach Bött-
gers Tode, wie
weiter unten ge-
zeigt werden wird,
nur noch sehr
selten verarbei-
tet worden sein
kann 349).
Die künstle-
risch formale Aus-
gestaltung dieser Masse ist aber dann nach der technischen Durcharbeitung
mit dem größten keramischen Verständnis und dem erstaunlichsten künst-
lerischen Geschmacke erfolgt. Als Haupturheber derselben kann nur der
Goldschmied Irminger angesehen werden, von dem Böttger selber gesagt
hat, daß er aus schlechten Töpfern gute gemacht hätte ^^^). Doch darf
man wohl durchaus annehmen, daß auch auf diesem Gebiete Böttger, der doch
der eigentliche Mittelpunkt aller seiner Unternehmungen gewesen ist, ihm für
die Hauptrichtungen, nach denen sich die Kunst in seinem neuen Material ent-
falten sollte und die Techniken, deren er sich dabei bedienen könnte, Weisungen
angegeben haben wird. Irminger war ja vom Könige zur künstlerischen Ausge-
staltung dieser neuen keramischen Masse ausdrücklich berufen worden, er ist die
Abb. 35. Chinesische Teekanne in rotem chinesischem Steinzeug (rechts) mit ihrer
Abformung in Böttgersteinzeug (links).
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Hohe der chinesischen Kanne i6 cm.
Künstlerische Gestaltung.
123
Abb. 36. Chinesische Porzellanfigur mit ihrer Abformnng in Böttgersteinzeng.
Königl. Porzellansammlungf, Dresden. Hölie der Steinzeug-figur 37 cm.
einzige künstlerische Persönlichkeit, die schon am Anfange und dann dauernd mit der
Manufaktur in Verbindung gestanden hat, neben der der erst später und viel seltener
erwähnte Hofarchitekt Leplat keine irgendwie maßgebende Rolle mehr gespielt
haben kann. Irminger aber hat dann seine gar nicht so leichte Aufgabe mit gerade-
124 Das Böttgersteinzeug.
zu glänzendem Geschicke gelöst. Obwohl lediglich Goldschmied und, als solcher
gewohnt, mit einem ganz anderen Materiale zu arbeiten, hat er, der ja auch den
für die Manufaktur gewonnenen Töpfern erst das richtige Aufdrehen ihres eigenen
Materials hat beibringen müssen ^^*), sich mit erstaunlichem Geschick in diesen
neuen Stoff hineingearbeitet und ihn schließlich beherrscht, wie ein gelernter Ver-
treter dieses Faches, Trotzdem er sogar die Modelle, wie bereits berichtet ^^^),
vorher in die Materialien seiner eigenen Kunst, in Kupfer und Silber, getrieben hat,
finden sich doch verhältnismäßig nur wenige Formungen im Böttgersteinzeug, denen
man ihren Ursprung aus der Kunst des Goldschmiedes heraus anzusehen vermag.
Es sind dies z. B. die Modelle der dann für das Meißner Porzellan noch so
lange typisch bleibenden Zuckerdose, wie auch mehrerer Leuchter, die durchaus
die typischen, eckigen, scharfkantigen Formen damaliger im Barockstil gehaltener
Silberarbeiten zeigen (Abb. 33. Vgl. auch Abb. 18 mit 19). Auch die bereits er-
wähnte Vorliebe für hochgezogene und reich profilierte Knöpfe und Spitzen findet
ihre Analogien in der gleichzeitigen Goldschmiedekunst, doch kam ihr ja hier auch
das Material in so überraschender Weise entgegen. Auch finden sich einige Formen,
die stark an die wenigen noch erhaltenen Goldschmiedearbeiten Irmingers erinnern
(vgl. Abb. 13 mit 42). Doch sind dies alles nur Ausnahmen gegenüber der großen
Menge der den eigentlichen Typus dieses Steinzeugs darstellenden Modelle, in
denen ein Zusammenhang mit der Goldschmiedekunst sich kaum wird nach-
weisen lassen.
In diesen aber hat Irminger eine wirklich erstaunliche Selbständigkeit an
den Tag gelegt, die ihn als einen durchaus schöpferischen Künstler kennzeichnet,
mögen sie sich auch noch so sehr in der Formenwelt des damaligen Barocks be-
wegen, über die naturgemäß damals kein Künstler hinausgekommen ist. Soviel
wie möglich aber hat sich Irminger ferngehalten von der Formensprache der
Vorbilder dieses Steinzeugs, der des chinesischen roten Steinzeugs, ja auch von der
des Porzellans, Denn warum auch? Genau wie später das Porzellan Böttgers, sollte
auch sein erstes keramisches Erzeugnis durchaus keine getreue Kopie des
chinesischen sein. Es sollte dieses nicht bloß nachahmen, es sollte dasselbe auch
verbessern, und Böttger hat sich ja von Anfang an und in gewisser Beziehung wohl
mit Recht gerühmt, daß er es übertroffen hätte. So hatte man damals in der
Tat nicht die geringste Veranlassung, am eigenen Erzeugnis die fremde Formen-
sprache des chinesischen zu imitieren, zumal dieses vielfach wie früher erwähnt,
einen auch der chinesischen Keramik sonst ziemlich fremden, stark grotesken
und naturalistischen Charakter zeigte, der damals sicherlich nicht jedermanns Ge-
schmack gewesen ist, vor allem aber auch nicht Böttgers selber. Denn Böttgers
Ansicht über den ästhetischen Wert der damaligen chinesischen Porzellane hat
sich noch völlig erhalten in jenem schon angeführten Memoriale, betitelt ,,un-
vorgreif liehe Gedanken", das er im November des Jahres 1709 der ersten
Kommission zur Empfehlung seiner neuen Erfindungen vorgelegt hatte. Hier hat
er wörtlich gesagt: „Ob wohin die Indianer sich eine große Klugheit und be-
Selbständigkeit der Formen.
125
sondere Geschicklichkeit in Wissenschaften und Künsten vor allen anderen Na-
tionen beymessen und aus solcher Arroganz keinen Scheu tragen sich selbst in
hoc passu zwey, denen Europäern aber nur ein Auge zuzuschreiben. So will
doch solches aus ihren Porcellain Fabriquen, wen man die schlechten Erfin-
dungen, die meist plumpen Fagons und die absurden Desseins ihrer Mahlerey
an denen Indianischen weissen und rothen Gefässen betrachtet, nicht erhellen.
Das einzige, welchem sie durch die sehr lange Uebung endtl. eine zieml. guthe
Arth zu geben gelernet sind die zum Thee- Caffe und Chocolate-Trinken
benöthigten Geschirre; fast alle anderen Gefässe und Figuren aber sind wahr-
hafftig so ungeschickt und irregulair, dass man oft, was dieses oder jenes be-
deuten solle, darüber zu schreiben nöthig hätte." So woUte man gar nicht
das eigene Erzeugnis mit dem fremden verwechselt haben, man war viel zu
stolz auf die eigene Tat. Auch war damals noch nicht die Zeit gekommen, da
China und seine Kunst in Europa so allgemein Mode war, wie es vor kurzem bei
uns Japan gewe-
senist. Die China-
mode ist bekannt-
lich erst im Ro-
koko Frankreichs
zu ihrer vollenEnt-
faltung gekom-
men und hat sich
mit diesem dann
über die ganze da-
malige Kulturwelt
verbreitet.
Indessen gibt
es von dieser Regel eine Ausnahme, eine kleine Gruppe von Steinzeugen, die
sich als völlig getreue Nachbildungen chinesischer Vorbilder darstellen.
Es sind in der Hauptsache kleinere Teekannen mit naturalistischen Blumen-
zweigen, chinesischen Symbolen, kleinen landschaftlichen Szenerien, Ranken
mit nackten Kindern in flachem Relief, deren Henkel und Ausgüsse Drachen-
formen u. dergl. zeigen (Abb. 34), dann weiter chinesische Figuren wie die Göttin
der Barmherzigkeit Kuan-nin und der heilige Laot-se. Zu ihnen gehören noch eine
höchst seltsame Teekanne, um deren zylindrische Form sich in freiem Abstände
Molche schlingen, eine kugelige Flasche mit langem Hals u. dergl. m. Alle
diese Stücke geben sich auf den ersten Blick als rein mechanische Abformungen
chinesischer Vorbilder, und in der Tat besitzt die Kgl. Porzellansammlung in
Dresden die meisten dieser Vorbilder noch heute unter ihren chinesischen Stein-
zeugen und Porzellanen, oder sie lassen sich wenigstens als noch in jetzigem oder
früherem könighch sächsischen Besitz befindlich nachweisen 3^^) (Abb. 35). So ist
die oben genannte Göttin der Barmherzigkeit von einer der zahlreichen Kuan-
Abb. 37. Bottgersteinzeng. Tassenformen.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der großen Tasse in der Mitte lo cm.
126 ■ Ds^s Böttgersteinzeug.
ninfiguren der oben genannten Sammlung abgeformt (Abb. 36), der heilige
Laot-se von einer im königlichen Schloß zu Moritzburg befindlichen Porzellan-
figur, die mit Molchen besetzte Kanne von einem jetzt im Britischen
Museum befindlichen, nachweislich aber früher dem alten Bestände der Dresdner
Porzellansammlung zugehörigen Stücke, während die übrigen fast alle hier ihre Vor-
bilder im chinesischen roten Steinzeug haben. Unzweifelhaft haben wir es hier
mit Verlegenheitsarbeiten zu tun, mit Versuchen Böttgers, seinem neuen Material
bald nach seiner Erfindung eine künstlerische Form zu geben, zu einer Zeit, da ihm
noch kein Künstler, noch kein Irminger zur Seite stand, der selbständige Erfindungen
machen konnte. Diese Notlage wiederholte sich dann wohl für ihn, da Irminger
kein Plastiker war, als er in seinem Material auch rein plastische Sachen ausführen
lassen wollte, eine Vermutung, die schon dadurch ihre Bestätigung finden dürfte,
daß auch fast alle figürlichen Erzeugnisse, die rein europäischen Charakter zeigen,
Abformungen irgendwelcher Vorbilder sind. Man darf daher wohl mit Recht in
dem größten Teil jener auf diese Weise abgeformten Gefäße die frühesten
künstlerischen Erzeugnisse in der neu erfundenen Masse erblicken, ja vielleicht
in der oben beschriebenen kugeligen Flasche mit langem Hals, da sie sich in
der Dresdner Porzellansammlung noch heute in zahllosen und gänzlich verschieden
ausgefallenen, ja zum Teil ziemlich mißglückten Exemplaren befindet, das
eigentliche Versuchsstück von noch einfacher und darum bequemer Form, mit
dem Böttger seine ersten Experimente ausgeführt hat (Abb. 31 u. 34).
Im übrigen jedoch sind Böttger wie Irminger bewußt der chinesischen Formen-
gebung aus dem Wege gegangen. Selbst die Gegenstände, die mit den chinesischen
Gebräuchen selber von China herübergekommen sind, erscheinen im Böttgerstein-
zeug selten in der reinen ursprünglichen Form. Die Teetasse entlehnt vielfach
ihre Gestalt demjenigen Trinkgefäß, das vor der Einführung der Tasse das inEuropa
gebräuchlichste gewesen ist: dem Becher (Abb. 37), und der Teetopf erscheint
zwar in der Regel in der gedrückt kugeligen Gestalt, die ihm in China allmählich
die Praxis verliehen hat, aber er wird fast immer mit plastischen Ornamenten in
rein europäischem Stil so sehr belebt, daß seine chinesische Grundform stark
verschleiert erscheint (Abb. 40). Und auch das beweist zur Genüge, daß Böttger
bei den genannten Abformungen und den freieren Nachbildungen chinesischer Ori-
ginale durchaus gar nichts an der spezifisch chinesischen Formensprache gelegen
war, daß die Formen seiner Kaifeekannen wieder türkischen Vorbildern nachge-
bildet sind, von denen namentlich die eine, die als Deckel eine Art Turban mit
einem Halbmond in schwachem Relief zeigt, wieder als eine mechanische Ab-
formung einer orientalischen Metallarbeit erscheint (Abb. 38). Böttger hat eben
die Geschirre, die ursprünglich fremdländischen Gebräuchen dienen sollten, zu-
nächst jenen nachgebildet, die in jenen fremden Ländern diesen Gebräuchen
gewidmet und darum mit diesen zusammen nach Europa gelangt waren.
Alle diese unmittelbaren Nachbildungen fremder Vorbilder konnten jedoch
auch deshalb nur als Vorläufer betrachtet werden, da sie in der Regel zu unbe-
Anlehnungen.
127
friedigend, zu nichtssagend, ja selbst zu unpraktisch ausfielen, als ddiQ Böttger sich
bei seinem eifrigen Bestreben, in diesem seinem neuen Materiale etwas durchaus
Gefälliges, die Käufer Anlockendes zu schaffen, damit hätte begnügen können. Sie
verschwinden daher oder treten fast ganz in den Hintergrund, sobald Irminger in
der Manufaktur auftaucht und nun sein Gestaltungswerk mit so viel technischem
Geschick und so erstaunlich gutem Geschmack beginnt, daß es nicht zum wenig-
sten ihm zu verdanken ist, wenn das rote Steinzeug Böttgers zu einem der künst-
lerisch reizvollsten keramischen Produkte geworden ist, ja man kann geradezu
sagen, Irminger ist fast die einzige Persönlichkeit in der ganzen Umgebung Böttgers
gewesen, die ihm wirklich eine Stütze, eine Förderung bei der Ausbildung seiner
keramischen Arbeiten bedeutet und zu ihrer Vervollkommnung beigetragen hat.
Es ist daher für Böttger ein ganz besonderer Glücksfall gewesen, daß der Zufall ge-
rade diese Persön-
lichkeit ihm zur
Seite gestellt hat,
und er ist sich
dessen, wie die
große Wertschät-
zung, die er diesem
Künstler immer ge-
zeigt hat, ersehen
läßt, auch immer
bewußt gewesen^^*).
Der Stil des
Böttgersteinzeugs
aber, wie er nun
durch Irminger ge-
schaffen ward, be-
ruhte sowohl auf der Aufdrehung, wie auf der Formung und deren beider
Vermischung. Die ganz in Formen hergestellten Gegenstände zeigen noch am
stärksten den Stil des Goldschmiedes oder gehören geradezu zu jenen bereits
genannten Arbeiten, die ganz wie Nachbildungen, ja wie Ab formungen von
Silberarbeiten erscheinen (Abb. 33). Sicherlich sind diese es gewesen, für die
Irminger, wie oben erwähnt, die Modelle in Silber und Kupfer getrieben hat,
ja man darf sie wohl auch, da es durchaus natürlich erscheint, daß man am
Anfange einer neuen Technik sich am wenigstens weit von seiner früheren zu
entfernen wagt, als seine frühesten Entwürfe ansehen. Dann wäre vielleicht
eine kleine Flasche in der bekannten, damals auch in Silber sehr
beliebten Form der flachgedrückten Pilgerflasche, da sie sich in der königlichen
Porzellansammlung in auffallend vielen und ganz verschieden ausgefallenen Exem-
plaren befindet, als das erste Versuchsstück anzusehen, mit dem Irminger sich in
das ihm ganz neue Material hineinzuarbeiten versucht hat (Abb. 33). Zu dieser Gruppe
Abb. 38. BSttgersteinzeag:. Formen von Kaffeekannen.
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der Kanne in der Mitte i6 cm.
128
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 39. Böttgersteinzeug mit durchbrochener Arbeit.
Königl. Porzellansammlung, Dresden, Höhe der Schale in der Mitte 22,5 cm.
geformten Gegenstände gehören vor allem die oben genannte Zuckerbüchse, die
Leuchter, ferner ein in der Porzellansammlung zu Dresden befindlicher flacher
Korb mit durchbrochenem, flechtwerkartigem Rande und schwachem Relief in
der Mitte (Abb. 39 rechts) ein Pokal, ein Becher, Salzfässer u. dergl. m.
Freilich war das Ergebnis dieser Ausformungen infolge der früher erwähnten
Zähigkeit der Masse kein allzu günstiges. Nur an den Kanten, an den Profilierungen
war eine gewisse Schärfe der Formen zu erreichen, Ornamente jedoch, die mittelst
der Metallform in die Fläche gedrückt wurden, kamen in der Abformung
nicht scharf heraus, hoben sich vor allem nicht klar vom Grunde ab. Deshalb
ist man gewiß bald von dieser Methode des Abformens im Ganzen wieder
abgegangen und hat, sobald dieTöpfer durch. Irminger das Aufdrehen gelernt hatten,
in der Hauptsache jenen Typus desBöttgersteinzeugs geschaffen, dessen technische
Grundlage das Aufdrehen auf der Drehscheibe war. Hier kam die starke
Plastizität der Masse desBöttgersteinzeugs den Absichten gar sehr entgegen: eine
scharfe, ausdrucksvolle ProfiHerung ließ sich ermöghchen, die Wirkung genug
tat, um jeden eigentlichen Schmuck, jede Ornamentik entbehren zu können. Viele
derartige Gefäße sind daher durchaus glatt gehalten worden, namenthch Pokale,
Bierkrüge, Tassen, Schalenu. dergl., die einen ganz besonderen Reiz und etwas wunder-
bar Einheithches erhielten, falls nachher die ganze Oberfläche glatt geschliffen ward
(Abb. 42). Sie gehören unbestreitbar zu den schönsten und vornehmsten Erzeugnissen
in diesem Material. An einigen wenigen Stücken, z. B. Schalen und einem einer
chinesischen Porzellanlaterne nachgebildeten Gefäße der Dresdner Porzellan-
sammlung finden sich aber auch Durchbrechungen, die gleichfaUs der zähe
plastische Ton in großer Schärfe gestattete (Abb. 39). Böttger wollte hier jedenfalls
beweisen, daß er in seinem Material auch, wie die Chinesen Gefäße mit durch-
Aufgelegte Verzierungen.
129
Abb. 40. BSttgersteinzeng- mit anfgeleg^ten, geformten Verzierungen.
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der Vase in der Mitte 39 cm.
brochenen Wandungen herzustellen wüßte. Dann aber schritt man weiter zu
reicherer plastischer Bildung, zur Ornamentierung. Doch die Mittel, die man
hierbei anwandte, waren die bisher am Steinzeug, sowohl dem deutschen, wie
auch dem chinesischen ganz allgemein üblichen : die Ornamente wurden für sich
in kleinen Hohlformen geformt und dann an die Wandungen der aufgedrehten
Hohlgefäße nach einem ganz bestimmten Rythmus angesetzt. Hierbei fiel zwar
wiederum die Detaillierung der einzelnen Abformungen nicht gerade scharf aus,
auf keinen Fall so auffallend scharf, wie beim chinesischen Steinzeug, aber die
aufgelegten Ornamente hoben sich jetzt infolge ihrer natürlichen Dicke wenigstens
als Ganzes scharf von der Wandung der Gefäße ab, so daß sie dennoch bedeutend
dekorativer wirkten, als Reliefs, die mit der ganzen Wandung zugleich geformt
wurden, ja man konnte dieses Sichabheben vom Grunde durch leichtes Aufbiegen
oder Unterschneiden der Ränder der aufgesetzten Reliefs noch verstärken und
erhielt so in der Tat für diese Erzeugnisse einen sehr reizvollen Schmuck,
der, da er immer noch halbwegs mechanisch war, sich leicht ermög-
hchen ließ und auch nicht viel kostete. Freilich war eine gewisse Sorg-
falt und Sauberkeit der Arbeit auch hier durchaus erforderlich. Man durfte
vor allem beim Auflegen der für sich geformten Rehefs auf die Wandung
weder einen zu starken Druck ausüben, da, wie viele erhaltene Stücke zeigen,
die Wandung leicht nachgab, noch auch einen zu schwachen, da die Reliefs
dann leicht, wie es vielfach geschehen, im Feuer statt sich festzubrennen
Zimmerm»nn, Meifiner Forzell*n. 9
130
Das Böttgersteinzeug.
wieder absprangen. Für gewöhnlich jedoch hat man die richtige Mitte zu
treffen gewußt (Abb. 40 u. 43).
Die auf diese Weise geformten Ornamente halten sich durchaus im Stil des
damaligen Barocks: sie zeigen in der Regel das senkrecht emporsteigende oder
sich zur Seite drehende starkgelappte Akanthusblatt dieser Zeit. Daneben findet
sich auch ein langgezogenes schilfblattartiges Gebilde. Auch knospenartige Formen
kommen vor. Sie alle wurden in Reihungen um die
Gefäße gelegt, meist als Belebung und Markierung
der Ränder oder sonst zu betonender Stellen. Da-
neben gab es Maskerons, Satyr- und Löwenköpfe,
auch^ Blumenbuketts, die einzeln, aber in bestimm-
ten Rhythmen mitten auf die Wandungen gesetzt
wurden (Abb. 43). Ganz in Formen wurden die reicher
gestalteten, mit Tierköpfen u. dergl. versehenen Henkel
und Ausgüsse hergestellt (Abb. 33). Bisweilen jedoch
hat man mit dieser mechanischen Formung doch noch
eine gewisse Freihändigkeit der Arbeit zu verbinden
gesucht. Man hat einzelne Blätter für sich geformt und
in Verbindung mit frei modellierten oder auch wieder
geformten Blumen,''^wie Rosen und Vergißmeinnicht,
dann auch Knospen [und Früchten zu kleinen Sträußen
und Ranken auf den Wandungen zusammengesetzt
(Abb. 21 u. 41). Doch ist diese Technik, die nachher
für das Porzellan Böttgers eine sehr gebräuchliche ge-
worden ] ist, im Steinzeug noch ziemlich selten ange-
wandt; sie scheint, wie auch schon ihr Vorkommen
fast] nur [an geschliffenen Stücken beweist, erst im
Porzellan aufgekommen und von diesem auf das
Steinzeug übertragen worden zu sein.
[*>. Immer jedoch ist von aller dieser Ornamentik
ein durchaus bescheidener Gebrauch gemacht worden.
Sie drängt sich niemals auf, bedeckt nie die ganzen
Wandungen, zerstört nie den Gesamteindruck der
Form. Es hat auch in dieser Beziehung hier wie-
der ein seiner selbst sicherer Geschmack geherrscht, der nicht etwa aus
Freude über eine Technik oder ein Schmuckmittel in seiner Anwendung sich
nie hat genug tun können und so aus einem Verschönerungsmittel sein volles Gegen-
teil gemacht hat. Erstaunlich jedoch wird immer die Mannigfaltigkeit und Ab-
wechslung der Formen und Modelle bleiben, die damals in so kurzer Zeit in diesem
neuen Materiale geschaffen worden sind, bedenkt man, wie gleichbleibend und
stereotyp sonst in der Regel die Formen in der Keramik bis dahin zu sein pflegten,
wie wenig Abwechslung in der Formensprache auch das deutsche Steinzeug bisher
Abb. 41. Böttgersteinzeug.
Vase, geschliffen, mit freihändig
aufgelegten Ranken.
KBnigl. Porzellansammlung, Dresden.
Höhe 34 cm.
Das Schleifen.
131
Abb. 42. Böttgersteinzengf, g^latt geschliffen.
K6nigl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe des Pokals in Mitte 31 cm.
gezeigt hatte. Ja, man kann geradezu sagen, die Keramik hatte bis dahin einen
solchen Reichtum in einem und demselben Materiale überhaupt noch nicht und
auch später kaum wieder gesehen. Und auch hier blickt wohl wieder der rastlos
vorwärtstrebende, nach den verschiedensten Richtungen hin sich bewegende Geist
Böttgers durch, der auch andere in gleicher Weise zu beleben und anzufeuern
wußte, hier wieder in dem Streben, seine neuen Erzeugnisse mögUchst vielen
Neigungen anzupassen und ihnen dadurch Liebhaber und Käufer so viel als nur
irgend möglich zu gewinnen.
Die originellste Ta.i Böttgers in der künstlerischen Ausgestaltung seines Produktes
aber wird dann immer die Oberflächenbehandlung desselben bleiben: vor allem
das Schleifen. Das Schleifen, d. h. das vöUige Glätten der Oberfläche bis zur
Glanzerzeugung hat erst seinem Steinzeug jene wunderbare Veredlung gegeben, die
das in stofflicher Beziehung mit an die Spitze der deutschen, ja überhaupt aller
Keramik stellt; es hat ihm erst jene Qualitätserhöhung verliehen, die es fähig ge-
macht hat, sich als rein menscUiches Erzeugnis an die Seite jener Naturgebilde zu
stellen, die zu den allerschönsten, den allerb egehrtesten gerechnet werden: den Edel-
gesteinen, so daß es damals seinen stolzen Namen „Jaspisporzellan" mit vollem
Rechte trug. Und in der Tat, man vergißt dann gar leicht vor ihm den Eindruck
des reinen Kunstproduktes. Durch diesen Schliff erhielt erst das Steinzeug seinen
tiefen, satten Ton, seinen lebhaften Glanz und seine ganze Delikatesse; es erhielt
dies alles aus sich selber, aus seinem eigenen Stoff heraus, nicht mittelst irgend
einer fremden Zutat, wie sie immer eine mit der Masse selber meist gar nicht
organisch verwachsende Glasur darstellt, und durch kein anderes Mittel hätte
132
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 43. Böttgersteinzeug, geschliffen, mit aufgelegten, geformten Verzierungen.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der Deckelvase 26 cm.
Böttger je die gleichen Wirkungen erreichen können. So ist unstreitig das Schleifen
die schönste Veredlung gewesen, die diesem Stoffe widerfahren konnte.
Auf welche Weise Böttger damals dazu gekommen ist, diese ursprünglich ledig-
lich der Stein- und Glaskunst angehörende Technik auch auf die Keramik zu
übertragen, daß dieses sich für ihn fast wie von selber aus seinen früheren keramischen
Arbeiten und denen Tschirnhausens ergab, ist früher schon dargestellt worden.
Auf alle Fälle führte er auf diese Weise eine ganz neue Kunsttechnik in die Keramik
ein, die für dieselbe eine große Bereicherung bedeutete, von der er selber freilich
den reichsten Gebrauch gemacht hat. Der Schliff als Kunstmittel hat nach ihm hier
nur noch gelegentlich wieder Anwendung gefunden ^^^). Er ist, da er in der Haupt-
sache Handarbeit ist, doch wohl für gewöhnlich, besonders aber heute, da diese ganz
allgemein als die teuerste Arbeitsweise gelten kann, ein zu teures Verschönerungs-
mittel, als daß es auf die Dauer im großen angewandt werden könnte, zumal in
unserer Zeit, die Dank den vielen Surrogaten, die sie erfunden, so wenig Sinn mehr
für die stoffliche Qualität besitzt. So werden diese Erzeugnisse Böttgers, ganz
abgesehen von ihren rein künstlerischen Vorzügen, schon um dieser Technik
willen immer eine ganz besondere Stellung in der Keramik einnehmen.
Der Anfang mit dem Schliff wurde, wie oben gezeigt, gemacht, um Fliesen
in diesem Material nach Art der „Delfter" den schönen Glanz dieser zu verleihen,
ohne sich hierbei wie bei jenen einer Glasur zu bedienen. Probestücke nach dieser
Richtung hin, die seinerzeit wohl dem Könige vorgelegt sind, haben sich in der
Dresdner Porzellansammlung erhalten (Abb. 8). Es sind mehrere 10 — 12 cm
lange Platten von eigenartig ausgeschweiften Begrenzungen aus einer noch un-
reinen, zum Teil schmutzig braunroten oder gelbroten Masse, die, unsauber hinge-
Geschliffene Stücke.
133
Abb. 44. Böttg^ersteinzeng:, gemnschelt.
Künig-l. Porzellansammlung, Dresden, Höhe der Deckelvase 21,5 cm.
strichen, meist streifig erscheint, zum Teil auch noch recht schwach gebrannt ist, so
daß sie noch gar nicht für Steinzeug gelten kann. Auf mehreren derselben finden
sich Schleif versuche in verschiedenen Stadien dieses Prozesses. Auch tragen
zwei derselben auf der Rückseite eingegrabene Zeichen, einmal den Buchstaben B,
das andere Mal die Zahl 6, wiederum Wiedererkennungszeichen nach dem Brande^').
Daneben haben sich in der Porzellansammlung und auch sonst noch vielfach
Stücke erhalten, namentlich Schalen, die gleichfalls nur angeschliffen sind und
darum wohl ebenfalls nur als Probestücke angesehen werden dürfen.
Geschliffen aber wurde, wie die noch erhaltenen Gegenstände zeigen, sicherlich
der größte Teil der angefertigten Stücke, schließlich sogar dann jedes Stück.
Damit ward angezeigt, daß damals kein Stück Böttgersteinzeug für ganz vollendet
galt, das nicht diese Verfeinerung der Oberfläche erhalten, dessen Masse nicht ihre
ganze Veredlung empfangen hatte. Hierbei wurden die Gegenstände entweder
ganz oder nur teilweise geschliffen. Ersteres geschah in der Regel nur mit den
allein durch Aufdrehung entstandenen, für deren Form sich eben diese Technik
ganz besonders eignete. Für viele derselben gab diese Technik den einzigen
Schmuck ab, der aber infolge der dadurch erfolgenden Verfeinerung der Masse
völlig ausreichte, um ihnen den Charakter des Kostbaren und Edlen zu geben
(Abb. 42). Waren aber Ornamente aufgelegt, so mußte man diese natürlich, da deren
plastischer Bewegung der Schliff nicht nachkommen konnte, ungeschliffen lassen, wo-
durch ein Gegensatz des Ungeschliffenen und Geschliffenen, entstand, der durchaus
nicht schlecht wirkte (Abb. 43). Nur war es freilich, wenn man den Grund schliff,
vielfach nicht möglich, mit dem Rade bis an die Kante dieser Ornamente zu ge-
langen, wodurch deren nächste Umgebung gleichfalls ungeschliffen bheb, was kaum
als ein Vorzug ihrer Erscheinung anzusehen war (Abb. 15). Geformte Gegenstände je-
doch wurden gleich den aufgesetzten Reliefs fast niemals ganz geschliffen. Dagegen
hat man bisweilen versucht, selbst plastisch verzierte Henkel, Ausgüsse, Knöpfe,
134
Das Böttgersteinzeug.
Figuren u. dergl. auf diese Weise zu behandeln, doch ohne daß hier diese Arbeit
immer befriedigend ausgefallen wäre.
Der teilweise Schliff jedoch erstreckte sich meist auf Kanten und Bänder.
Hier jedoch berührte sich diese Technik bereits mit der Technik des Schneidens
d. h. des Eingrabens vertiefter Verzierungen in die Masse, die gleichfalls der Glas-
technik entnommen, ja gerade damals, wie erwähnt, in Böhmen, Schlesien und
durch Tschirnhausen diuch. in Sachsen die Modetechnik der Zeit geworden war. Diese
Technik führte zunächst zu Grundmusterungen, mit denen man die Gegenstände
ganz oder teilweise versah. Hierbei fand
eine sehr häufige Anwendung das so-
genannte ,, Muscheln", das Einschneiden
sich gleichmäßig aneinanderreihender,
rundlicher, eckiger, selbst bienenzellen-
artiger Vertiefungen, durch die der
Glanz und die Reflexe an den betreffen-
den Gegenständen stark vermehrt wur-
den. Eine derartige Verzierung bedeckte
oft den ganzen Grund. Daneben
pflegte man sie auch mit sich kreu-
zenden Linien zu versehen, in der
Mitte jeder Raute eine kreisrunde Ver-
tiefung anzubringen und ähnliche Dinge
mehr vorzunehmen (Abb. 44). Dann
aber ging man zur eigentlichen Orna-
mentik über, die man dem Stil des Ba-
rocks entnahm und grub Verzierungen
im Stil des damaligen Laub- und Ban-
delwerks oder Berninische Grotesken
ein, die oft sehr zierlich und graziös
ausfielen und einen gewissen Reichtum
zeigten (Abb. 23 u. 45). Auch Wappen
und Monogramme entstanden so, da
man ja schon auf die erste Leipziger Ostermesse des Jahres 1710 zu diesem
Zwecke mehrere Glasschleifer nach dort hinübergenommen hatte ^^''), so na-
mentlich auch für den König das verschlungene A. R. (Augustus Rex). Da-
neben gab es auch kleine figürliche Darstellungen in Medaillons, die an
Kameen erinnern (Abb. 45), und ähnliche Dinge mehr. Doch ist im allge-
meinen die Auswahl der hier angewandten Ornamente nicht allzu reich gewesen.
Es fehlte vielleicht an Vorlagen. Immer aber hat auch auf diesem Gebiete
Mäßigung gewaltet: man hat die an sich leichte Technik niemals durch allzu
reiche Ornamentik mißbraucht. Bereichert aber wurde sie noch dadurch, daß
man vielfach einen Teil der herausgeschliffenen Ornamentik matt ließ, währenp
Abb. 45. Böttgersteinzeug, geschnitten.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden, Höhe 17 cm.
Schleifen und Schneiden.
135
man den übrigen blank polierte, wodurch man drei verschiedene Abtönungen
an einem Stücke gewann, die von diesem unzertrennbar waren.
Eine ganz hervorragende Bedeutung aber erhielten beide Techniken, das
Schleifen wie das Schneiden, für die im Feuer schwarz gewordenen Stücke des
„Eisenporzellans" ^^). Durch deren geistvolle Anwendung ward hier nicht
nur etwas anscheinend Verdorbenes wieder brauchbar gemacht, sondern gerade-
zu ungewöhnlich reizvoll gestaltet und das Böttgersteinzeug damit um eine neue
interessante Abart bereichert. Denn durch das Schleifen erhielt die an sich so
trübe und schmutzige Oberfläche dieser Stücke einen äußerst angenehmen,
schwärzlichen oder grauen glänzenden Ton, schliff man aber
weiter und kam die alte, schöne, rote Farbe in mehr oder
weniger starker Lebhaftigkeit wieder zutage, so lag vor
Böttgers Augen die ganze Möglichkeit des Kameenschnittes
und der Überfanggläser, und er hat sie auch reichhch aus-
nutzen lassen, indem er derartige Stücke zum Teil bis zur
roten Masse durchschleifen ließ, indes der übrige Teil ent-
weder zu glänzendem Grauschwarz geschhffen oder auch
stellenweise stumpf gelassen ward. Hierdurch erhielt
Böttger wiederum an einem und demselben Stücke drei
verschiedene, diesmal aber sich noch schärfer voneinander
absetzende Tönungen, die, völlig aus dem Stücke selber
herausgewachsen, von diesem unzertrennbar waren. Das
Raffinement der technisch - künstlerischen Behandlung
dieser Masse konnte in der Tat nicht weiter getrieben
werden.
Dieses Entfernen der schwärzlichen Schale' erfolgte oft
durch den Schliff der ganzen Flächen, wodurch ihre Ober-
fläche vielfach, da der Schwärzungsprozeß nicht immer
gleich tief in die Masse gedrungen war, wieder etwas
Marmoriertes erhielt, oder durch das Einschneiden von
Ornamenten, die sich dann hell vom dunkleren Grunde
abhoben. Die Porzellansammlung zu Dresden . besitzt
zwei Stücke, an denen letztere Technik ihre höchste Steigerung erfahren und
zu Wirkungen geführt hat, die für gewöhnhch kaum von einem künstlich her-
gestellten Produkt erwartet werden. Das eine stellt eine zylindrische Vase mit auf-
gelegten Masken und Blättchen dar, an der die Wandung wie die Blätter stumpf grau-
braun gelassen worden, dagegen die aufgelegten Masken noch in demselben Ton,
die vertieften Ornamente aber bis zur roten Masse durchgeschliffen sind (Abb. 46).
Das zweite ist ein reich geformter Teetopf, an dem der Grund durch tiefes Weg-
schleifen wundervoll braun marmoriert ausgefallen ist, indes die erhabenen Orna-
mente zum Teil stumpf, zum Teil geschliffen, in der ursprünglich schwärzlich-
braunen Farbe belassen sind. Es sind dies sicher Stücke, in denen Böttger dem
Abb. 46. Schwarz gebranntes
Bottgersteinzeog („Eisenpor-
zellan") z. T. bis zum roten
Kern dnrchgeschliffen.
König-1. Porzellansammlung',
Dresden. Höhe 24,5 cm.
136 Das Böttgersteinzeug.
Könige sein höchstes Geschick in der kunsttechnischen Behandlung seiner Masse
hat zeigen wollen, und dieser wird sie damals ebenso bewundert haben, wie wir
es heute tun müssen. Tatsächlich wird sich kaum wieder ein keramisches Produkt
finden, das nur entfernt an diese Ausnutzung rein keramischer Verzierungs-
möglichkeiten herankommt.
Doch selbst mit dieser genialen Anwendung des Schliffes und des Schnittes,
die seinem Produkt schon so viele Spielarten gab, ist Böttgers lebhafter Geist noch
nicht zufrieden gewesen. Er erfand noch ein anderes Verschönerungsmittel, das
gleichfalls denjenigen Reiz gab, nachdem sich die den starken Effekten zuneigende
Barockkunst immer so ganz besonders gesehnt hat: den Glanz. Dieses Mittel ist
die schwarze Glasur gewesen, mit der er einen Teil seiner Stücke bereits auf jener
ersten Ostermesse im Jahre 1710, auf die sie zum ersten Male zum Verkauf ausge-
boten wurden, versehen hatte. Mit dieser schwarzen Glasur erfand Böttger für
sein Steinzeug wiederum eine neue Abart, auf die er, wie erwähnt, ziemlich stolz
war, schon deshalb, weil die Chinesen diese nicht besäßen, und er hatte in der
Tat einigen Grund dazu : es war in der Regel eine ziemlich dick aufliegende
Glasur von einer tiefen bläulich- oder bräunlich schwarzen Farbe ^^^), die oft
wunderbar lüstrierte, bisweilen so stark, daß man manche der mit ihr versehenen
Stücke im übrigen gänzlich undekoriert lassen konnte. Sie hatten ihre Farben-
pracht dann schon durch sich selber empfangen. Hergestellt wurde sie wie die
noch erhaltenen Rezepte besagen, aus Braunstein oder Kobalt ^^°). Darnach
ist dann eben auch ihre Farbe verschieden ausgefallen.
Der Grund ihrer ersten Anwendung scheint jedoch zunächst keineswegs ein
künstlerischer, vielmehr in der Hauptsache ein rein praktischer gewesen zu sein.
Bei genauerer Prüfung der auf diese Weise glasierten Stücke wird man bald ent-
decken, daß ein großer Teil derselben äußerst schwach gebrannt ist und stark porös
erscheint, so daß sie auf den Namen Steinzeug schon gar keinen Anspruch mehr
machen können. Wir haben hier eben zum größten Teil jene früher erwähnten
Stücke vor uns, die infolge der primitiven Öfen Böttgers nicht zum vollen Garbrande
gelangten und darum so porös blieben, daß an ein Schleifen ihrer Oberfläche nicht
zu denken war, sie auch durchaus durchlässig für Flüssigkeiten blieben. Auch war
das Aussehen infolge der geringen Geschlossenheit ihrer Masse kein allzu schönes.
Für alles diese sollte, wie ausdrücklich berichtet wird 3*^), die Glasur das Aushilfs-
mittel sein, das Böttger hier mit derselben Genialität, mit der er sich immer aus
derartigen Verlegenheiten herauszuhelfen wußte, anwandte, und das dann wieder
aus einem Notbehelf ein wunderbares, in seiner Art einziges Schmuckmittel ward.
Ganz konsequent war es dabei, daß diese Stücke fast immer ganz glasiert
wurden, auch der Boden, die Standfläche, weshalb man vielfach nach dem Brande,
da die weich gewordene Glasur das Gefäß am Boden der Kapsel hatte festkleben
lassen, dieses gewaltsam wieder abreißen mußte, wovon sich noch heute Spuren er-
halten haben. Auch ist bezeichnend, daß gerade die von den chinesischen Stücken
abgeformten Steinzeuge, die sicherlich als die allerfrühesten anzusehen sind und
Die schwarze Glasur.
137
Abb. 47. Böttgersteinzeug, schwarz glasiert mit bunter LackmalereL
Künig^l. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der mittleren Vase 41,5 cm.
darum wohl auch am wenigsten im Brande geglückt sind, mit dieser Glasur ver-
sehen sind. Und schließlich finden sich bisweilen, so in der Porzellansammlung
zu Dresden, ganz festgebrannte, aber leicht gesprungene Stücke, die, damit sie den-
noch Flüssigkeiten zu halten imstande wären, mit dieser schwarzen Glasur im
Innern ganz ausgegossen worden sind, wobei bisweilen die Glasur zum Spalt hinaus-
drang und außen einen zunächst nicht gleich erklärlichen schwarzen Fleck gebildet
hat. Dann aber freilich ist diese unverkennbar auch ein reines Schmuckmittel
geworden, lediglich dazu bestimmt, dem Steinzeug eine neue Abart zu geben und
neue Käufer für dasselbe anzulocken.
Hierbei aber ist es merkwürdig, wie das glasierte rote Steinzeug für kurze Zeit
unter den Einfluß zweier Techniken gerät, mit denen es sonst nicht das Geringste
zu tun gehabt hat. Zunächst wird die Formengebung für eine ganze Gruppe größerer
Stücke gänzlich abhängig von der Delfter Fayence, so sehr, daß viele schwarz
glasierte Stücke sich als direkte Nachbildungen jener Gefäßformen darstellen, zu
denen die Delfter Töpfer die Formen ihrer Vorbilder, der chinesischen Porzellane,
umgebildet hatten, in der Hauptsache wohl schon, weil sie in dieser Veränderung
unter der schweren Fayenceglasur besser zum Ausdruck kamen. Abgesehen von
zylindrischen sogenannten Stangenvasen, die sich noch ganz an die chinesischen
Vorbilder halten, handelt es sich hier um einfache, bauchige, rundliche Formen
mit verhältnismäßig weiten Ausladungen, so namentlich kröpf artigen Gebilden
138
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 48. Böttg^ersteinzeug, schwarz glasiert, mit Lackmalerei vorwiegend in Qold.
Königl, Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Flasche 19 cm.
am Halse, wie sie so ganz besonders charakteristisch für die Delfter Fayencen
dieser Zeit sind (Abb. 47). Unzweifelhaft haben derartige Stücke die Vorbilder
abgegeben, damit auch hier unter einer dickeren Glasur die Formengebung noch
zur Geltung gelangte. Sehr wahrscheinlich aber ist es, daß ihre Formen hier ein-
geführt wurden durch jenen Töpfer Eggebrecht aus Berlin, der dort in der Fayence-
fabrik gearbeitet und dann die Dresdner Töpfer, die zuerst das neuerfundene
Steinzeug Böttgers formen sollten, wie oben erwähnt, in der Kunst des Auf-
drehens zu vervollkommnen gesucht hatte ^^2). Es lag nahe genug, daß er sich
hierbei zunächst an die ihm von früher her geläufigen Formen hielt.
Der andere fremde Einfluß aber erfolgte, sobald Böttger darauf ausging,
seine schwarze Glasur farbig zu beleben. Böttger hat hierbei allerdings die Farben
nicht einbrennen, sondern als einen allerdings bedeutend weniger dauerhaften
Schmuck nur mittelst Lackfarben oder kalter Vergoldung auftragen lassen, ein
Schmuck, der allerdings heute, da diese Farben auf die Dauer ihre Frische nicht
beibehalten konnten, meist trübe und schmutzig und darum nicht immer sehr er-
freulich wirkt, früher jedoch, wie heute einige noch besser erhaltene Stücke zeigen,
jedenfalls sehr zum festlichen Gesamteindruck dieser glänzenden Erzeugnisse
beigetragen haben wird. Nach diesen muß daher auch der ästhetische Wert dieser
Verzierungsart beurteilt werden, dahingegen sich ihr technischer von selber durch
ihre Unhaltbarkeit verurteilt hat.
Unverkennbar jedoch hat hier die schwarze Farbe der Glasur Böttger an
die bekannten gleichfarbigen japanischen Lackarbeiten erinnert, die damals gleich-
falls mit dem Porzellan in größeren Mengen aus Ostasien nach Europa gelangten,
von denen der König damals auch eine recht stattliche Anzahl besaß, die freilich
später fast ganz zugrunde gegangen ist. Auf einmal taucht hier ein unverkennbar
ostasiatisches Element auf, wie es in dieser Treue sonst kaum in dieser ganzen
Malereien auf der schwarzen Glasur.
139
Kunst vorkommt. Graziöse Blatt- und Blütenzweige, kleine Landschaftsausschnitte,
Häusergruppen, Figuren, Hausgeräte u. dergl. finden sich vielfach leicht über die
größeren Flächen der Glasur hingestreut, die unmittelbare Kopien nach derartigen
Lackarbeiten zu sein scheinen. Auch ist die Farbenstimmung diesen sehr verwandt,
wo nicht dieselbe (Abb. 47 u. 48). Die Grundfarbe der Zeichnung ist Gold, entweder
als geschlossener Farbenauftrag oder als breitere Konturierung, dazu kommen be-
scheidene farbige Zutaten in rötlichen, weißlichen, bräunlichen, früher wohl auch
grünlichen Tönen. Es ist eine Malerei von einem Charakter, wie er sich sonst
nirgends wieder auf den keramischen Erzeugnissen Böttgers findet, wie er sich auch
sonst in der gleichen Treue der Nachbildung chinesischer Vorbilder damals in
der Kunst nur selten wiederholt hat. Dieselben Farben aber werden dann vielfach
noch benutzt, um an den von chinesischen abgeformten Stücken die durch das
Aufliegen der dicken
Glasur ganz unklar ge-
wordenen Reliefs wie-
der klar vom Grunde
zu lösen (Abb. 48).
Daneben freilich
kommt in diesen Male-
reien auch die freie
Phantasie und das
europäische Kunstele-
ment zur vollen Gel-
tung. Es beginnen
hier schon jene freie-
ren, zum Teil etwas
grotesken Dichtungen
über das Leben und
Treiben der Chinesen
und Japaner, die man allgemein als ,,Chinoiserien" zu bezeichnen pflegt und die
vor allem unmittelbar nach Böttgers Tode durch den Emailmaler und späteren
künstlerischen Leiter der Manufaktur Herold im Meißner Porzellan noch eine so
große Rolle spielen sollten. Doch verschwindet oft auch jedes fremdländische
Element, und nun füllen die Flächen naturalistisch gehaltene Blumenstücke, Aus-
schnitte aus Grotesken im Stile Berninis oder das sogenannte Laub- und Bandel-
werk usw. aus, kurz jene ganze Ornamentik, die für diese Zeit des Barocks
charakteristisch ist. Alle aber sind sie sehr farbig 'gehalten, dagegen tritt das
Gold hier stark zurück. Die Gesamterscheinung dieser Stücke ist dadurch nicht so
glänzend, wie die der früheren Gruppe, dafür aber war sie sicherlich farbig lustiger,
wenn freilich auch gerade diese Gattung infolge des Trübwerdens der vielfach sehr
breiten Färb flächen jetzt von allen wohl den am wenigsten günstigen Eindruck
macht.
Abb. 49. Bottgersteinzeng, schwarz glasiert, mit bis znr roten Masse dnrcfageschliffener
Ornamentik. König-1. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der Flasche 17 cm.
140
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 50. Böttgersteinzeug:, mit Emailfarben bemalt.
Königl. Porzellansammlung, Dresden, Höhe der Kaffeekanne 15,5 cm.
Doch Böttger wäre nicht der vielseitige, rastlos Neues kombinierende Geist
gewesen, als welcher ihn seine ganze übrige Tätigkeit zeigt, hätte er nicht diese
schwarze Glasur auch noch zu mancherlei anderen dekorativen Wirkungen be-
nutzt. So findet sich einmal im Berliner Kunstgewerbemuseum ein vorzüglich
erhaltener Bierkrug, dessen Grund auf der Glasur eine gesprenkelte, aventurin-
artige Zeichnung erhalten hat, so in der Dresdner Porzellansammlung eine kleine
plastische Schöpfung, eine Kindergruppe, die schwarz glasiert und mit bunten
Lackfarben bemalt ist (Abb. 67). Die schönste Bereicherung jedoch erfuhr diese
Gattung dadurch, daß Böttger gelegentlich auch noch das Glasieren und Schneiden
miteinander verband, indem er gerade, wie beim schwarzgewordenen Steinzeug
Ornamente durch die Glasur bis in die rote Masse hineinschneiden ließ, so daß
nun ein roter Schmuck auf schwarzem Grunde stand, eine Polychromie, die
wiederum nur mit dem Gefäße selber zugrunde gehen konnte, zu ganz besonders
reizvoller Harmonie aber sich an Stücken aus dunkler getönter Masse erhob (Abb. 49).
Bei allen diesen Bestrebungen, das schwarz glasierte Steinzeug künstlerisch
reicher auszugestalten, war Böttger vor allem auf die Erhöhung der koloristischen
Wirkung seines Steinzeugs ausgegangen. Er hat dies auch vielfach beim unglasierten
versucht, wenn auch hier immer die plastische Wirkung die Hauptsache geblieben
ist. Namentlich Vergoldungen kommen häufig vor, die freilich noch nicht ein-
gebrannt werden konnten, dafür jedoch vortrefflich auf dem braunen Grunde
standen. Sie erscheinen hier entweder als Ornamente für sich (Abb. 16), oder als Er-
höhungen und Belebungen der plastischen Ornamente, namentlich der aufgesetzten
Reliefs. Ihre Verwendung ist hierbei wieder sehr zurückhaltend und mit großem Ge-
Weitere Ausschmückung.
141
schmack erfolgt (Abb. 16). Daneben aber finden sich auch gerade wie bei den chine-
sischen Steinzeugen eingebrannte Emailfarben in gelb, grün, blau und weiß, diese alle
von heller lichter Tönung^^^). Sie sind fast immer an geformten Gegenständen an-
gewandt und dienen hier gleichfalls meist zur Betonung der nicht sehr heraustreten-
den Reliefs. Doch kommen gelegenthch auch ornamentale Malereien unmittel-
bar auf dem flachen Grunde vor. Schheßlich aber ging Böttger so weit,
nach der Sitte der Zeit, die, wie das Grüne Gewölbe in Dresden zur Genüge
zeigt, gern kostbare Materiaüen miteinander verband, um dadurch ihren gegen-
seitigen Wert zu erhöhen, sein keramisches Material gleichfalls mit edleren Materi-
alien in Verbindung zu bringen. Daß man hierbei die Gefäße montierte, d. h. daß
man ihnen Einfassungen und Verzierungen von Metall, namentlich von ver-
goldetem Silber gab, ist
selbstverständlich. Einige
sehr schöne Stücke dieserArt
in Verbindung mit Schmelz-
arbeiten haben sich im Grü-
nen Gewölbe erhalten (Abb.
51). Origineller war schon,
daß man vielfach Filigran-
arbeiten aus Silberdraht, die
die Gefäße meist als Bänder
umziehen, anbrachte. Dann
aber hat man die Gefäße
auch mit Edelsteinen besetzt,
mit Türkisen, vor allem
aber mit böhmischen Gra-
naten, die man meist recht
reizvoll in der Mitte der
aufgesetzten Blumen an-
brachte 2**). Doch mit allen diesen Verschönerungsmitteln verließ Böttger schon
den eigentlichen Boden der Keramik, deren Reich ausschließlich das im Feuer
Geborene zu sein pflegt, wenn er auch seiner eigenen Zeit eine sicherlich sehr
interessante und willkommene Spezialität damit schuf. Es war aber auch sicher-
lich auf rein keramischem Wege nach so vielen anderen Verzierungsarten für sein
neues Material nichts Neues mehr aufzufinden.
Unerschöpflich erwies sich dagegen in der Tat die rein praktische Verwendungs-
möglichkeit desselben. Die Fülle der aus ihm geschaffenen, den verschiedensten
Zwecken dienenden Gegenstände ist in der Tat erstaunlich. Man erkennt auch
hier wieder aus den uns heute noch erhaltenen Gegenständen deutlich genug,
wie sehr Böttger es am Herzen gelegen haben muß, das Anwendungsgebiet seines
neuen Materials nach allen Seiten zu erweitern. Da sind Tassen, Teetöpfe, Tee-
dosen und Kaffeekannen in den verschiedensten Formen, da gibt es Schalen,
Abb. 51. Böttgersteinzeng:, geschliffen, mit Qoldschmiedearbeit verziert.
(Aus einem Aufsatze Dingling-ers).
Grünes Gewölbe, Dresden. Höhe 15 cm.
Abb. 52. BSttgersteinzeug;. Große Deckelvase, geschliffen, mit Lackmalerei in Qold.
Königl. Porzellansammlun^, Dresden. Höhe 62,5 cm.
Gegenstände.
143
Zuckerdosen, Löffel, Messergriffe, Salzfässer, Bierseidel, Leuchter, Flaschen, Becher,
Schenkkannen, Petschafte und Flakons. Dann große mörserartige Gebilde,
die damals Schwenkkessel genannt wurden und wohl zum Ausspülen von Gläsern
dienten (Abb. 16 u. 18), ferner große Deckelschalen, die als Pastetennäpfe gedient
haben (Abb. 15). Ganz besonders zahlreich aber stellt sich das eigentliche
Luxus- und Ziergerät dar, jene Vasen, Aufsätze und Pokale, mit denen
man damals in dem prunkliebenden Zeitalter des Barocks Kamine,
Schränke, Tische und Konsolen zu besetzen liebte. An ihnen ist die ganze Kunst,
die diesem Material durch Böttger zuteil geworden ist, am reichsten und
vollendetsten zur Durchführung gekommen, und so sind sie vielfach Schöpfungen
geworden, denen an Qualität und Delikatesse nicht viel andere keramische Dinge
zur Seite zu stel-
len sind. Bewun-
derswert ist aber
an vielen Stücken
die Größe. Ist es
ja auch Böttger in
dieser Beziehung,
wie bereits er-
wähnt, nie gelun-
gen, die aufs höch-
ste gespannten
Erwartungen des
Königs, die in
dem Gründungs-
patente der Ma-
nufaktur so deut-
lich zum Ausdruck
gekommen waren,
vollauf zu befrie-
digen, so hat er
doch immerhin in dieser Beziehung keramisch sehr Achtbares geleistet, wenn
er Vasen von 62 cm Höhe (Abb. 20 u. 52) und Schalen von 48 cm Breite (Abb. 25)
tadellos zu Wege zu bringen gewußt hat. Sie werden ihm freilich bei der Klein-
heit seiner Brennöfen genug Mühe bereitet haben.
Ein ganz besonderes Interesse aber hat dann Böttger sichtbar daran gehabt,
sein Material auch in den Dienst der reinen, zwecklosen Kunst zu stellen, einmal
um dadurch sein Anwendungsgebiet wieder um ein Beträchtliches zu erweitern,
dann auch wohl, um das Ansehen desselben dadurch zu steigern, daß er es mit
den sonstigen edleren Materialien der Plastik, wie Marmor, Bronze usw. auf eine
Stufe stellte. Dadurch aber hat Böttger auch eine bedeutende Tat für die Plastik
getan: denn zum ersten Male seit der Antike gab es nun wieder eine spezifisch
Abb. 53. BSttgersteinzeug. Fig^nren, von chinesischen Arbeiten abgeformt
König-1. Porzellansammlung-, Dresden. Hohe der mittleren Figfur lo cm.
144
Das Böttgersteinzeug.
keramische Skulptur und, wenn sie auch damals noch ziemlich gering
geblieben ist, so ist sie es doch in erster Linie gewesen, die bald den Anstoß gab
zu einer anderen keramischen Plastik, die eine ganz andere Bedeutung gewinnen
und eine Entwicklung finden sollte, die sich bis auf unsere Tage erstreckt hat und
wohl auch niemals ganz wieder aufhören wird: zur Porzellanplastik. Die Plastik
in Böttgersteinzeug muß tatsächhch als die Vorläuferin dieser betrachtet werden,
sie ist zum Teil auch, wie sich später herausstellen wird, unmittelbar aus dieser
herausgewachsen. Und so
ist Böttger auch Begründer
der neueren keramischen
Plastik geworden und hat
dadurch die europäische
Kunst um ein beträcht-
liches und sehr reizvolles
Gebiet erweitert.
Anregung zu dieser
neuen Kunst empfing frei-
lich Böttger unzweifelhaft
wiederum von der chine-
sischen Kunst. Allerdings
hat es hier im roten Stein-
zeug, wie es scheint, nie
eine eigentliche Plastik ge-
geben, obwohl das an sich
so plastische Material sich
dazu gar wohl geeignet
hätte, um so reicher da-
gegen im Porzellan, das
zwar in China für gewöhn-
lich eine mehr auf rein
koloristische Wirkungen
ausgehende Kunst gewesen
ist, dennoch aber in der Pro-
vinz Fuchien eine ganz besondere Speziahtät geschaffen hat, die infolge einer unge-
wöhnhch schönen Masse gänzhch auf farbige Ausschmückung verzichtete, sich viel-
mehr allein zur Ausschmückung von Gefäßen der Plastik bedient hat. Zahllose große
und kleine Götterbilder und symboMsche Gebilde sind auf diese Weise ge-
schaffen worden; realistische Darstellungen des täglichen Lebens, Menschen wie
Tiere, schlössen sich ihnen an. Es findet sich viel Dutzendware darunter, die
kaum auf den Namen einer höheren Kunst Anspruch machen kann, doch auch
manches erstaunhche Werk, in dem die chinesische Kunst ihr höchstes Können
entfaltet hat. Auch jetzt werden derartige Schöpfungen noch sehr geschätzt.
Abb. 54. Böttgersteinzeug. Großer Kinderkopf.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Hübe 15 cm.
Plastik.
145
Es war klar, daß Böttger, der ja sein neues, schon Porzellan genanntes Material
dem der Chinesen zum mindesten gleichstellen, wenn nicht dasselbe beständig über-
treffen lassen wollte, diese Plastik nicht allein ihrem Porzellan überlassen konnte.
Er mußte zeigen, daß auch sein Material, sollte es wirklich dem chinesischen gleich-
kommen, zu diesen Dingen geeignet wäre. Mit unmittelbaren Abformungen
chinesischer Werke begann er daher wohl, als ihm noch keine europäische Kunst
und noch kein eigener Künstler für diese Zwecke zur Verfügung standen, und so
stammen aus dieser Zeit wohl jene schon früher erwähnten Kuaninbilder^^^), deren
chinesisches Porzellanvorbild sich noch heute in der Dresdner Porzellansamm-
lung erhalten hat (Abb. 36). Ihnen schlössen sich kleinere Figürchen an, so
namentlich ein häufig vorkommender, niederhockender Chinese (Abb. 53), dann
stehende Figürchen, von denen einige fast
wie Abformungen jener kleinen bekannten
chinesischen Specksteinfigürchen aus-
schauen, die damals gleichfalls häufig mit
dem Porzellan und den Lackarbeiten aus
China nach Europa gelangten und hier
vielfach gesammelt und zur dekorativen
Aufstellung verwandt wurden (Abb. 53).
Dann aber hat man sich auch auf diesem
Gebiete, gerade wie bei den Gefäßen,
vom chinesischen Geschmacke losgesagt
und sich durchaus dem rein europäischen
ergeben. Allem Anscheine nach handelt
es sich jedoch auch hier meistens wieder
um Abformungen von anderen Werken,
die Böttger irgendwie in die Hände ge-
fallen sind. Hierfür spricht schon die
Verschiedenheit des Stils dieser Werke
sowie auch ihrer Motive. Auch stellt
sich in der Tat ein kleiner Apollokopf als eine getreue Nachbildung nach Lorenzo
Berninis berühmter Marmorgruppe Apollo und Daphne dar, die sich in der Villa
Borghese zu Rom befindet (Abb. 63), während ein anderer Kopf die Züge des
Kaiser Vitellius zeigt, die gleichfalls nur einem antiken Vorbilde nachgebildet sein
können (Abb. 55). Neben diesen kleineren Köpfen findet sich dann noch eine
größere Kinderbüste mit seitwärts geneigtem Kopfe (Abb. 54) 3^^), ein Putto, der
sich eine Muschel hinters Haupt hält (Abb. 66), ein Bergmann, der als Leuchter
gedient zu haben scheint (Abb. 10) usw. Vor allem aber sind dann noch jene kleinen
Statuetten zu erwähnen, in denen Böttger den eigentlichen Urheber und Förderer
aller seiner Arbeiten in diesem Materiale zu verewigen getrachtet hat, den König
August den Starken selber. Zwei Entwürfe dieser Art scheinen damals gemacht
zu sein. Für gewöhnlich erscheint der König in pomphaft-heroischer Haltung,
Abb. 55. Böttgersteinzeug. Kopf des Kaisers Vitellias.
Königl. Porzellansammlung, Dresden, Höhe lo cm.
Zim mermann, Meißner Porzellan.
10
146
Das Böttgersteinzeug.
Abb. 56. Böttgersteinzeug. Figuren aus der „italienischen Komödie", fast ganz geschliffen.
Herzog-1. Museum, Gotha. Höhe der mittleren Fig-ur 19 cm.
mit, stolz zurückgeworfenem Kopf, angetan mit Panzer und lang herabwallendem
Mantel, auf dem Haupt meist ein Lorbeerkranz (Abb. 12), somit jeder Zoll ein
König der absolutistischen Zeit ^^'). Daneben findet sich jedoch auch 'einmal —
im Zähringer Museum zu Karlsruhe — eine etwas größere, schwarz glasierte
Statuette mit kalter Vergoldung, die etwas weniger heroisch und pomphaft er-
scheint. Der König trägt hier auch eine Allongeperücke.
' ! Alle diese genannten Figuren wurden geformt, wie, ganz abgesehen von
ihrem häufigeren Vorkommen, schon die Formennähte beweisen, die an vielen der-
selben ziemlich störend hervortreten. Die Formung fiel meistens wieder etwas matt
aus, so daß Augen, Fingernägel, Falten u. dergl. noch nachträglich nachbossiert
werden mußten. Einige Male wurden die Figuren auch, wie erwähnt, mit schwarzer
Glasur überzogen und auch die Kinderköpfe, die große Flächen darboten,
vielfach ganz geschliffen. Daneben gibt es aber noch eine ganze Reihe
von Arbeiten, die, da sie keine Formnähte zeigen und sich bisher auch
so gut wie immer ^^^) nur in einem einzigen Exemplare haben nachweisen
lassen, durchaus als Einzelarbeiten in diesem Materiale anzusehen sind. Die
Zahl der Werke dieser Art ist freilich nicht groß, aber es handelt sich hier
immer um ausgezeichnete künstlerische Arbeiten, an denen das Material des Stein-
zeugs wieder mit dem höchsten technischen Raffinement behandelt worden ist.
Einzelwerke.
147
Abb. 57. Böttg^ersteinzens:. Pig^nren ans der „italienischen Komödie", fast ganz geschliffen.
Herzogl. Museum, Gotha. Höhe der mittleren Figur 16 cm.
Die schönsten Stücke dieser Art befinden sich im Herzoglichen Museum zu Gotha.
Hauptwerk ist hier ein 40 cm hohes, auf einem Barocksockel sich erhebendes
Kruzifix, ein edles, ruhiges Werk von einem unbekannten, nicht unbedeutenden
Künstler modelliert, zugleich eine keramische Arbeit, deren technische Verfeine-
rung nicht mehr zu überbieten war. Denn Sockel wie Figuren sind hier aus
dunkelbrauner, leicht marmorierter Masse hergestellt, indes das Kreuz die hellere
zeigt, dann aber ist alles, mit Ausnahme des Lendenschurzes des Heilandes, poliert,
so daß das Ganze wie aus kostbarem, edlem Gestein gefertigt erscheint. Es ist
eine ganz hervorragende Tat der Kunst wie der Technik (Abb. 58).
Daneben gibt es hier im Böttger-Steinzeugschonsechs Figuren jener italienischen
Komödie, die später im Porzellan noch eine so große Rolle spielen soUte. Alle sind
sie lebhaft grotesk bewegt mit dem erregten Gestenspiel und dem phantastischen
Kostüm, das zu ihren Rollen gehört. In technischer Beziehung jedoch sind sie
gerade umgekehrt behandelt wie das genannte Kruzifix: hier sind die Kleider ge-
schliffen, indes das Fleisch ungeschliffen geblieben ist. So erkennt man in dieser
abweichenden Behandlung das Bestreben, Körper wie Gewandung durch verschieden-
artige Oberflächenbehandlung deutlich voneinander abzuheben, dabei aber in
jedem Falle doch der Technik des Schleif ens, als der das Material veredelnden das
10*
Abb. 58. BSttgersteinzeug. Kruzifix, znm größten Teil geschliffen.
Herzogl. Museum, Gotha. Höhe 40 cm.
Medaillons. 149
Übergewicht zugeben. Rein künstlerisch genommen, stellen sich auch diese Arbeiten
als recht achtbare Leistungen dar^^^) (Abb. 56 u. 57). Verwandte Figuren haben sich
dagegen bisher nur an wenigen Stellen nachweisen lassen. Ein vornehmer Mann in
stolzer Haltung, angetan mit kurzem Pelzmantel und der Pelzmütze auf dem Kopf,
sicherlich ein Woywode, der auf die durch den König damals so eng gewordenen
Beziehungen zwischen Sachsen und Polen hinweist, befindet sich im Herzog-
lichen Museum in Braunschweig (Abb. 64), ein nackter Jüngling mit pathetisch
erhobenen Händen, der sich an einen Baumstamm lehnt, im Berliner Kunst-
gewerbemuseum, ein Bauer mit seltsam verzerrter Grimasse und übereinander
gelegten Händen in der Sammlung Heidelbach zu Paris (Abb. 69)^'°). Sehr häufig
können derartige Einzelschöpfungen demnach nicht gemacht worden sein. Es
handelt sich ja aber hier auch in der Tat um Arbeiten, die nicht mehr als Fabrikr
wäre, sondern schon als reine Kunstwerke anzu-
sehen sind.
Neben diesen plastischen Rundschöpfungen lag es
dann aber für Böttger, der ja so vielfach seine Gefäße
durch Relief Zieraten ausschmücken ließ, ungemein
nahe, die reine Kunst in seinem Materiale auch durch
Herstellung von Reliefs zu erweitern, deren Her-
stellungstechnik naturgemäß wieder die Formung
war, bei der man sich hier Gipsformen bediente ^'^).
Ausdrücklich hat Böttger unter den Dingen, die er
aus seinem Steinzeug machen ließ, auch „Basreliefs"
erwähnt. Eine ganze Reihe solcher Rehefs hat sich ^"^^^ s^-,.»»"»"*'''"." "l" ^'?°"1.°"
'=' ... °"t "B"! Bildnis Maria der Katholischen
erhalten, unter denen als typische Spezialität kleine von England.
Medaillons erscheinen, die in schwach erhabenen (Nach einer Medaiiie von xrezzo.)
Kunigl. Porzellansammlung, Dresden.
Reliefs die Porträts bekannter Persönlichkeiten, vor Durchmesser $,$ cm.
allem von Zeitgenossen, zeigen. So erblickt man auf
derartigen Arbeiten in der Königlichen Porzellansammlung zu Dresden den Zar
Peter den Großen (Abb. 65), den Vater König August des Starken Johann
Georg IV. (Abb. 62), auf gleichen Arbeiten des Herzoglichen Museums in Gotha:
den damaligen Papst Clemens XI. (Abb. 27), weiter vermutlich den Herzog
Friedrich II. von Gotha und das Porträt Böttgers selber 3'2) (Abb. 1). Ob es sich
hier aber um originale Arbeiten oder in der Hauptsache um Abförmungen von
Medaillen handelt, hat sich zurzeit noch nicht feststellen lassen. Als sichere Ab-
formung nach einer solchen kann bisher nur ein kleines, im Besitz der Dresdner
Porzellansammlung befindhches Medaillon mit dem Bildnis Maria der Katholischen
bezeichnet werden : es ist von einer bekannten Medaille des italienischen Medailleurs
Jac. Trezzo aus dem Jahre 1555 abgeformt worden (Abb. 59.) Doch ist auch für
alle übrigen Stücke ein derartiges Herstellungsverfahren, da sie Medaillen durch-
aus ähnlich erscheinen, wohl anzunehmen. Auch eigneten sich diese durch ihre
relativ schwache Erhebung recht gut für die Abformung in dem etwas zähen
-150
Das Böttgersteinzeug.
Material. Technisch sind sie fast alle gleich behandelt, es ist auch hier wieder
wie bei den freihändigen Figuren der Gegensatz zwischen Geschhffenem und Nicht-
geschliffenem ausgenutzt worden. Der Grund dieser Medaillen erscheint dabei
fast immer geschliffen, wobei auch der Gegensatz zwischen der geschwärzten und
der rot gebhebenen Masse gelegenthch ausgenutzt worden ist. So stellen sich
diese Gegenstände in der Tat als sehr reizvolle und delikate Erzeugnisse dar,
die das allgemeine Kunst-
niveau dieses Materials
wiederum um ein be-
trächtliches erhöhen.
Daneben aber kom-
men bisweilen auch
größere Reliefs vor, wie
es scheint ausschließlich
religiösen Inhalts, die
sämtlich, soweit sie bis-
her bekannt sind, in
der Porzellansammlung
zu Dresden vertretensind.
Das größte Relief dieser
Art, das 20 cm in der
Höhe und 16 cm in der
Breite mißt, stellt in
starker Erhebung den
schmerzvoll erhobenen
Kopf eines alten Heiligen
dar im pathetischen Stil
der Barockkunst (Abb.
60). Ein bedeutend klei-
neres Relief zeigt gleich-
falls in stärkerer Erhe-
bung als Bruststück
Judith mit dem Kopf
des Holofernes in ver-
wandter Kunstauffassung
(Abb. 61) während ein anderes, nur sehr schwach erhabenes die Madonna mit dem
Jesusknaben, dem heiligen Joseph und dem Johannesknaben vorführt (Abb. 68).
Letzteres hat sich wegen seiner Dünnheit stark im Brande gezogen und ist
auch sonst noch ziemlich mäßig ausgefallen. Geschliffen ist an allen
diesen Stücken nur der Grund des Judithreliefs. Geradezu auffallend jedoch
erscheint der katholische Inhalt aller dieser Reliefs. Bedenkt man aber,
daß unter den Medaillons sich auch der damalige Papst wie die schon längst
Abb. 6o. Böttgersteinzeug. Großes Relief mit dem Kopf eines Märtyrers.
König^l. Porzellansammlung-, Dresden. Hohe 20 cm.
Reliefs.
151
verstorbene Maria die Katholische von England befinden, so wird man wohl zu
der Vermutung gedrängt, daß entweder der so ganz gegen den Willen seines
Volkes katholisch gewordene König sie selber bestellt hat oder daß diesem durch
ihren Inhalt in diesem Zeitalter höfischer Schmeichelei eine ganz besondere Auf-
merksamkeit erwiesen werden sollte. Für das große Publikum können sie kaum
bestimmt gewesen sein.
Damit jedoch war Böttger, nachdem er nun sein künstlich erzeugtes kera-
misches Material auch der reinen Kunst übergeben
hatte, mit dessen Ausnutzung in künstlerischer
wie technischer Beziehung zu Ende, und er hatte
damit auch wahrlich genug getan. In der Tat,
es wird nach allem dem, was gesagt worden, wohl
niemand im Zweifel sein, daß es niemals ein kera-
misches, ja überhaupt nur ein Kunstmaterial ge-
geben hat, das in so kurzer Zeit zu solcher
Durchbildung, zu solcher Mannigfaltigkeit, zu sol-
cher Veredlung gelangt ist wie dieses. Überreich
in den Spielarten, edel und einfach in den For-
men und in der mannigfachsten praktischen Ver-
wendung, bietet es sich in der Tat dar als eine
der glänzendsten Taten der bisherigen Keramik,
der auch wohl in Zukunft diese nicht allzuviel
gleiche noch wird zur Seite setzen können. Zu-
gleich aber tritt wohl in ihr der so ungemein rege,
immer erfinderische und niemals in Verlegenheit
geratene Geist Böttgers, des Urhebers aller dieser
Dinge, uns heute noch am sichtbarsten vor die Augen, viel klarer und deuthcher
als durch alles das, was man über ihn aus dem Moder der Akten und sonstigen
Dokumente seiner Zeit wieder herauszuheben und zu neuem Leben zurückzuführen
vermag, und wir gewinnen ihr gegenüber das Gefühl, daß auch, wenn Böttger
die größte Tat seines Lebens, die Erfindung des Porzellans und seine wirkliche
Ausnutzung nicht gelungen wäre, dennoch sein Name niemals vergessen worden
wäre, vielmehr sein Träger immer als einer der bedeutendsten Keramiker aller
Zeiten dagestanden hätte, der die Keramik um ein wirklich bedeutendes Kapitel
bereichert hat. Das ist schon des Ruhmes genug für einen !
Abb. 6i. Bottgfersteinzeug. Relief mit der
Darstellung der Judith.
Künigl. Porzellansammlungf, Dresden.
Höhe II cm.
V. Die Meißner Manufaktur als Porzellanfabrik (1713-1719).
Abb. 62. Bötfgersteinzeug. Medaillon
mit dem Bildnis des Kurfürsten
Johann Georg IV. von Sachsen.
Königl. Porzellansammlung, Dresden.
Höhe 9 cm.
Die Erfindung der farbig gefleckten Fliesen sowie
die im Anschlüsse daran erfolgte des roten Steinzeugs
hatte für die des Porzellans keine Verzögerung und
keinen nutzlosen Kräfteaufwand bedeutet. Im Gegen-
teil, sie war der eigentliche Wegweiser zu diesem Ziele
gewesen, ohne den Böttger vielleicht niemals dasselbe er-
reicht hätte, ja nur zu leicht wieder auf jene Abwege
geraten wäre, die alle seine Vorgänger bisher so völlig
weit vom eigentlichen Ziele abgeführt hatten. Für die
Brauchbarmachung des Porzellans, für seine fabrik-
mäßige Herstellung jedoch stellte sich namentlich
letztere Erfindung als der Hemmschuh dar, der sie weit
langsamer zur wirklichen Ausreifung brachte, als es
wohl ohne jene ersten Erfindungen geschehen wäre.
In dem sichtbaren Bestreben, möglichst schnell dem
Könige, den er bisher so lange schon durch seine alchi-
mistischen Mißerfolge in seinen schönsten Hoffnungen
betrogen hatte, endlich etwas wirklich Brauchbares und finanziell .Verwertbares
in die Hände zu geben, hatte er die an sich minderwertigere, aber viel leichter aus-
nutzbare Erfindung des roten Steinzeugs der bedeutend kostbareren, aber auch
viel schwerer zu verwertenden des Porzellans vorgezogen, ihr zunächst seine ganze
Zeit, seine ganze Kraft, seine ganzen Mittel zur Verfügung gestellt und darüber
die weitere Ausbildung des Porzellans stark vernachlässigt, sie auf freiere Tage
verschiebend, war aber auch dann noch durch alle seine vielen Nebenbeschäfti-
gungen und sein rastloses Weiterstreben nach allen möglichen Zielen hin in
dieser Tätigkeit durchaus behemmt worden.
Und doch verlangte gerade das Porzellan, ebenso wie zu seiner Erfindung,
die ja eigentlich eine doppelte war, auch zu seiner weiteren Durchbildung, zu seiner
Herrichtung für eine fabrikmäßige Ausnutzung eine ganze Kraft, die wiederum mit
scharfem Geist, vieler Umsicht und niemals in Verlegenheit geratender Gewandheit
gepaart sein mußte. Denn nicht umsonst, d.h. nicht ohne Aufwand großer geistiger
Mittel, kann das edelste Produkt der Keramik gewonnen werden : nicht nur seine
einmalige Erfindung war eine große Tat, auch seine regelmäßige Herstellung, seine
Erzeugung und Ausnutzung im großen eine schwierige Sache, und daß auch diese
Schwierigkeiten der Porzellanfabrikation.
153
Böttger gelang, ganz ohne irgendwelche Beihilfe und in verhältnismäßig so kurzer,
noch dazu auch von anderen Dingen so stark in Anspruch genommener
Zeit, das ist ein neues Verdienst des Erfinders des Porzellans, das neben dem
seiner eigentlichen Erfindung bisher wohl noch niemals genügend betont worden
ist, das ist ein Verdienst, das Böttgers große und ganz ungewöhnUche Begabung
noch einmal in der glänzendsten Beleuchtung zeigt, noch einmal ihn in die erste
Reihe der Keramiker, ja der Techniker überhaupt stellt, ja das allein genügen würde,
Böttgers Name für alle Zeiten in der Geschichte der Techniken zu einem der ange-
sehensten zu machen. Er hat damit würdig und wahrhaft glänzend die keramische
Mission, die ihm das Schicksal gestellt hat, zu Ende geführt.
Diese besonderen Schwierigkeiten des
Porzellans, die es so weit abrücken von allen
übrigen keramischen Erzeugnissen der Welt,
beruhen in erster Linie auf seinem ganz be-
sonderen und äußerst kapriziösen Verhalten
im Brande: das Porzellan, d.h. die Porzellan-
masse, ist vor dem Brande, wie alle kerami-
schen Tone, ein sogenannter plastischer Stoff,
d. h. ein Stoff, der innerhalb gewisser, durch
die Schwerkraft seiner Masse bestimmter Gren-
zen jegliche Form und Gestalt annimmt, die
ihm des Menschen Hand zu geben beliebt.
Es gehört in dieser Beziehung nicht zu den ke-
ramisch dankbarsten Stoffen, da die meisten
rein keramischen Tone diese Eigenschaft in
noch weit höherem Grade besitzen, immerhin
aber ist sie auch ihm in durchaus genügender
Weise eigen. Doch im Scharffeuer des Gar-
brandes, in jener gewaltigen Glut, die, wenn
sie ihm gegenüber ihre vollen Dienste tun soll, sich bis zur gewaltigen Höhe von fast
1500 •* erheben muß, welche Veränderung seines ganzen Wesens ! In dieser Glut ver-
liert es völlig seine innere Festigkeit im Gegensatz zu so gut wie allen übrigen
keramischen Materien, die in der ihnen zugebenden, bedeutend geringeren Glut
des Garbrandes nur zusammentrocknen, hier erweicht es durch seine glas-
artigen Bestandteile, die Flußmittel, die Glasur fängt an zu schmelzen, zugleich
beginnt auch die Verdampfung seiner wässerigen Bestandteile, damit der Zu-
sammentrocknungsprozeß, die ,, Schwindung". Die ganze Porzellanmasse gerät
in eine innere und äußere Bewegung, und es hebt bald ein Zerren und Ziehen
an, das durch die nun in ihrer Macht gestärkte Schwerkraft eine starke
Neigung nach unten zu annimmt und nur zu leicht, wenn dieser nicht von
vornherein entgegengearbeitet ist, auch wirklich bis zu ihrer letzten Konsequenz
durchführt.
Abb. 63. Bottgersteinzeng. Apollokopf
(nach Bernini).
Künig-1. Porzellansammlung, Dresden. Höhe 10 cm.
154 Die Porzellanfabrik.
Auf diese Veränderungen im Garbrand hat daher die ganze Behandlung des
Porzellans von vornherein die größte Rücksicht zu nehmen, soweit dies überhaupt
im voraus möglich ist. Die Masse muß vorher aufs allersorgfältigste durch-
gearbeitet, sie muß völlig homogen sein, damit das Erweichen wie auch die Schwin-
dung überall in gleichem Maße vor sich geht. Dann muß die Masse so aus ihren ver-
schiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sein, daß ihr Erweichen, die das Gar-
brennen herbeiführt, zur richtigen Zeit, d. h. bei dem gewünschten Hitzegrade
erfolgt, und schließHch ist es nötig, die formale Gestaltung des Porzellans so vor-
zunehmen, daß sie gleichfalls beide Veränderungen erträgt, daß sie in der Glut
des Feuers die Masse nicht verzerren und nicht zerreißen läßt oder sie zu gänzlichem
Um- oder Zusammenfallen bringt. Hauptschwierigkeit aber bleibt dann immer
noch der Garbrand selber, seine richtige Leitung von Anfang bis zu Ende, sowie
die Konstruktion der dazu verwandten Öfen.
Da ist zunächst darauf zu achten, daß seine Temperatur nur langsam, aber
dabei durchaus stetig steigt, damit sich die einzelnen Massenteilchen nicht sprung-
weise nähern, vielmehr in aller Ruhe und Gleichmäßigkeit jenes kristallinische
Gefüge bilden, das für das echte Porzellan so charakteristisch ist. Zu hohe Tempe-
raturen führen zum Verziehen oder zum Fließen, die Kapseln, die die Porzellan-
gegenstände vor der unmittelbaren Einwirkung des Feuers schützen, verändern
ihren Schwerpunkt, stürzen ein und begraben unter ihren Trümmern die ganze
Hoffnung, die in ihnen steckte. Zu niedrige Temperaturen verhindern dagegen
das völlige Schmelzen der Glasur, so daß sie nach dem Brande leicht rissig wird.
Feuchtes Feuerungsmaterial kann wieder leicht die Farbe des Porzellans
verändern, und so drohen dem Porzellan im Brennofen die mannigfachsten Gefahren,
die man zunächst gar nicht vorhersehen, wenn ihre Wirkungen erfolgt sind, in
ihren Ursachen kaum immer erkennen kann, und alle diese Schwierigkeiten
werden nur verdoppelt dadurch, daß die zur Verfügung stehende Masse sich nicht
. immer gleich bleibt, sich nicht immer gleich bleiben kann, da schon die Rohmate-
rialien, vor allem das Kaolin, von Haus aus, und wenn es auch derselben Lager-
stätte entstammt, sich verändern. Und so ist alles im Brennprozeß des Por-
zellans eitel Laune und Zufall, die der Mensch durchaus nicht ganz in seiner Hand
hat, die nur erst unsere Zeit mit ihrer entwickelten Wissenschaft und Technik so
ziemlich zu bändigen verstanden hat ^'^).
Es ist darum in der Tat kein Wunder, daß Böttger mit der praktischen Ausnutzung
der Porzellanerfmdung nicht gleich zustande kam, daß er eher ein Steinzeug- als
ein Porzellanfabrikant ward. Er stand nach seiner Porzellanerfmdung noch immer
vor den schwierigsten Problemen der Keramik, er stand vor solchen, die der ganzen
bisherigen europäischen Keramik gänzlich ferngelegen, für die er sich nirgends in
ihrem Bereich auch nur die geringsten Anregungen oder Erfahrungen holen konnte.
So mußte er wieder selber suchen und forschen, experimentieren und pro-
bieren, prüfen und kritisieren und immer neue Wege einschlagen, wenn die bis-
herigen nicht zum Zißle führen wollten. Er mußte ganz allein und aus eigener Kraft
Die ersten Porzellane.
155
jene reiche Erfahrung sammeln, die zum Betriebe der Porzellanfabrikation
durchaus nötig ist, für die aber eines unbedingt nötig war: Zeit und wieder Zeit.
Auch konnte er sich hierbei wieder nur auf die Beihilfe jener beiden, allerdings
wirklich tüchtigen und zuverlässigen Arbeiter stützen, den David Köhler und den
Joh. Georg Schuberth, die schon von Anfang an in Böttgers Diensten standen, durch
die er schon immer alle seine Gedanken durchs Feuer hatte probieren lassen *'*).
Kein Wunder daher, daß Böttger, der inzwischen noch eine ganze Reihe neuer
Fabriken ein- oder wieder einzurichten, daneben noch auf alle möglichen neuen
Erfindungen zu sinnen hatte, und selbst in seiner Por-
zellanarbeit mehrfach durch Geld- und Materialmangel
arg behindert ward 3'^), erst vier Jahre nach der vollen-
deten Erfindung des Porzellans auch seine fabrik-
mäßige Herstellung wirklich gelang. Erst von .dem
Jahre 1713 an kann die königliche Porzellanmanu-
faktur zu Meißen auch wirklich als eine Porzellan-
manufaktur betrachtet werden 3'^).
Die ersten Porzellanproben, mit denen Böttger
an die ÖffentUchkeit trat, sind nur ungeformte Por-
zellanstücke gewesen. Böttger rühmte sich daher in
jener Anzeige vom 28. März 1709, in der er zum ersten
Male dem König ein Verzeichnis der ihm bis dahin ge-
lungenen Erfindungen überreichte, auch durchaus nicht,
in Porzellan damals schon Gefäße, wie er es gleichzeitig
bei seinen übrigen keramischen Erfindungen tat, son-
dern nur den ,, guten, weißen Porcellain" herstellen zu
können 3"). Über diesen Standpunkt scheint dann aber
Böttger, wahrscheinlich weil er in dieser Zeit unermüd-
hch an der Durchbildung des roten Steinzeuges zu ar-
beiten, auf dem Gebiet des Porzellans aber zunächst
mit der Verbesserung der Glasur zu tun hatte, fast
ein ganzes Jahr lang nicht hinausgekommen zu sein.
Noch das Gründungspatent der Porzellanmanufaktur
vom 23. Januar 1710 redet nur von ,, bereits ziemhchen
Probestücken von dem weißen Porzellan, sowohl glasurt
als unglasurt, welche genugsam Anzeigung geben, daß aus denen in Unseren Landen
befindlichen Materiahen ein dem Ost-Indianischen Porzellan sowohl an Durchsichtig-
keit als anderen dabey erforderlichen Eigenschaften gleichkommendes Gefäße können
und mögen fabriziert werden", und spricht dann in jenem Optimismus, der diese ganze
Anfangszeit der Böttgerschen Industriegründungen wie überhaupt sein ganzes Tun
charakterisiert hat, immer nur noch die Hoffnung aus, daß ,,in Zukunft bey
rechter Einrichtung und Veranstaltung dergleichen weißes Porzellan, wie bereits
bei dem rothen erweisUch gemacht worden, dem Indianischen an Schönheit und
Abb. 64. Böttgersteinzeag;. Figur eines
Woywoden.
Herzogfl. Museum, Braunschweigf.
Höhe 9 cm.
156 Die Porzellanfabrik.
Tugend, noch mehr aber an allerhand Facons und großen, auch massiven Stücken,
als Statuen, Columnen, Servicen usw. weit übergehen möchte" ^'^). Auch dem
König weiß er am 20. April dieses Jahres in jener Sendung, die hinsichtlich seines
roten Steinzeugs schon eine wahre Musterkarte der feinsten, bisher in diesem Ma-
teriale hergestellten Erzeugnisse darstellt, und auch bereits sechs Stück ,,blattgen",
d. h. Fliesen aus der Steinbäckerei enthielt, nur „ein Paketgen mit 4 Stücken weißen
porcellain" vorzulegend'^). Aber als man es dann nur ganz kurze Zeit darauf wagt,
der Öffentlichkeit mit den ersten Erzeugnissen des roten Steinzeugs auch die Re-
sultate der Porzellanerfmdung vorzuführen, auf der Leipziger Ostermesse im Mai
dieses Jahres, da bestanden die Proben des ,, weißen durchsichtigen Porcellains" be-
reits aus neun Stück Eichelblättern, einem Tabakspfeifenkopf, einem kleinen
Schüsselchen und einem achtpassigen Schälchen,die alle glasiert waren, zu denen dann
noch fünf unglasierte Schälchen kamen ^^°). Böttger muß daher kurz vorher, sicher-
lich um schon auf dieser Messe einigermaßen ansehnliche Resultate seiner Erfindung
vorzeigen zu können, mit aller Gewalt sich daran gemacht haben, auch diesen
Stoff in künstleriche und praktische Form zu bringen, wobei er ersichtlich die leichter
zu bewerkstelligende Herstellung von flachen Gebilden der schwierigeren von rund-
lichen, d. h. von Rundgefäßen, vorzog.
Er hatte damit eine neue Stufe erreicht, die neue Hoffnungen erwecken mußte.
Von da an klingen die Nachrichten über die technische Verbesserung und praktische
Ausnutzung des Porzellans nun auch immer günstiger. Schon am 28. Juni 1710 ließ
Böttger an den König ,,zwei Gefäße von weißem Porcellain" senden, von denen das
eine glasiert, das andere unglasiert, beide aber bemalt waren und, zwar auf Grund
einer ,, ungewöhnlichen" Zeichnung, in mehreren Farben. Böttger hatte demnach
in seiner unermüdlichen Neuerungslust, nachdem es ihm kaum erst gelungen
war, aus seiner Porzellanmasse Gefäße herzustellen, sich damals bereits schon an
die farbige Bemalung derselben gewagt. Freilich noch ohne Erfolg; denn er muß
damals selber gestehen, daß auf dem glasierten Porzellan noch nicht alle Farben
„recht geflossen" sind, und gibt als Entschuldigung hierfür an, daß sie nicht alle
dasselbe ,,hohe" Feuer auszuhalten vermöchten. Doch würde, wenn die blaue
Farbe allein angewendet würde, etwas durchaus Zufriedenstellendes zustande
kommen. Wenn aber die Glasur an diesen Stücken auch ,,ein wenig bestäubt"
erschiene, so käme dies allein durch einen Unglücksfall her, durch das Zerspringen
einer Kapsel. Für gewöhnlich wäre die Glasur seiner Porzellane, wie auch von
anderer Seite bezeugt worden, schneeweiß ^^^).
Am 1. September desselben Jahres weiß dann der Kriegsrat von Holzbrinck
dem Könige zu berichten, daß er ,,von Porzellan ohne Farbe" so schöne Gefäße
und von so zarter Glasur gesehen, daß es von keinem indianischen, ,, zum wenigsten
so viel mir vorkommen" zu unterscheiden ist. Böttger war demnach damals mit
Sicherheit bereits imstande, wenigstens einen Teil seiner Porzellane in tadellosem Zu-
stande aus dem Brennofen hervorgehen zu lassen. Als dann auf ^ö^gers Wunsch 1711
die zweite Kommission zusammentrat ^^^j^ legte er ihr gleich am Anfange ,,rohe", d.h.
Verbesserungen. j[57
unbemalte Gefäße vor, die ihm zu bemalen freilich damals noch immer nicht recht
gelingen wollte. Doch bezeichnete er damals seine Porzellane bereits als „Kauf-
mannsgiit", das er freilich sehr verbessern würde, sobald ihm ein tüchtiger Ofen
zur Verfügung stände. Auch forderte er die Kommission auf ihr Befragen, was
sie dem Könige über das Porzellan melden sollte, auf, mit ihm in das „Gewölbe" zu
kommen, in dem er am Porzellan arbeitete, und hier weitere Proben in Augen-
schein zu nehmen, die er in den ganz ,, unvollkommenen" Öfen gebrannt hätte.
Am 15. April konnte daraufhin die Kommission an den König berichten, daß
Böttger ihr Proben von weißem Porzellan vorgezeigt habe, von denen „einige"
hinsichtlich der Glasur und auch sonst wohlgeraten wären^^^). Die Möglichkeit,
brauchbare Porzellangefäße herzustellen, stand demnach damals fest.
Im August desselben Jahres aber sprach Böttger dann die feste Hoffnung aus,
daß die Fabrik des weißen Porzellans in zwei Mo-
naten gegründet sein soUe^^*), und tatsächlich
konnte er im Januar des folgenden Jahres dem
König in einem jener ausführlichen Berichte, die
dem Ersuchen um Niederlegung seiner Administra-
tion vorausgingen, berichten, daß die Fabrik des
weißen Porzellans bereits instand sein würde, wo-
fern es nicht an einem Platze zur Erbauung der
nötigen Öfen gemangelt hätte, auch seien ,, durch
einige Töpfer weiße Porcellain-Geschirre verfertigt,
davon bereits eine Anzahl von 2 — 300 Stück parat"
wären^^^), wobei freilich nicht gesagt wurde, von ^^^- ^^- Böttgersieinzeag. Medaiuon
., ,. - Ti-i "•' •'*™ Bildnis Peter des Großen.
Wie vielen diese die geglückten waren. Im Apnl Konigi. Porzeiiansammiung, Dresden.
vermochte er dann der dritten Kommission weitere Durchmesser 7 cm.
Proben vorzulegen, die nun auch von ihr für wirk-
liches ,, Kaufmannsgut" erklärt wurden^^^). Damit schien Böttger jetzt wirklich
am Ziel einer Sehnsucht zu sein und wirklich ein praktisch verwertbares Por-
zellan liefern zu können.
Doch immer noch nicht allsogleich. Denn erst im folgenden Jahre gelang es
Böttger nach neuen großen Verbesserungen, „eine solche Quantität von Porzellanen
herzustellen, daß man damit ein Gewölbe garnieren", d. h. einen Verkaufsstand
errichten konnte^^'). Die Ostermesse des Jahres 1713, auf der das Porzellan
zum ersten Male wieder seit der des Jahres 1710 in der Öffentlichkeit erschien, ist
aber dann in der Tat die erste gewesen, auf der das in Europa neu erfundene Por-
zellan zum ersten Male zum Verkaufe kam, wenn auch nur noch erst in Form von
kleineren Gegenständen, da eben die Öfen, die Böttger damals allein zur Verfügung
standen, für größere viel zu klein waren. Damit aber war man nun wirklich end-
lich am heißersehnten Ziel dieser ganzen Arbeit angelangt: man besaß endlich
ein in Europa gefertigtes, wirklich verkaufbares Porzellan, man konnte jetzt wirk-
lich, wie man es von Anfang an gewollt hatte, den seltsamen Völkern im fernen Osten
158 I^iß Porzellanfabrik.
auf einem ihnen bisher ganz allein gehörenden Gebiete Konkurrenz machen. Ein
Gefühl berechtigten Stolzes muß sicherlich damals alle hierbei beteihgten Kreise
durchzogen haben und Böttgers Ansehen damals bedeutend gestiegen sein
Am 25. Juni 1713 konnte nun Steinbrück in der Tat melden, daß die Fabrik
des „weißen feinen Porcellains" jetzt ihre Vollkommenheit erhalten habe, ,,so daß
daran fast nichts mehr zu fehlen scheinet und nur noch blos auf deren Gonservation
zu gedenken sei" ^^^). Bald darauf teilte Böttger dem Direktor Nehmitz mit, daß
der König jetzt mehr Porzellan befehlen könne, da die Werke dazu imstande
wären^^^). Man war jetzt völlig mutig geworden.
Unermüdlich muß Böttger daran gearbeitet haben, um trotz seiner vielen
Nebenbeschäftigungen und sonstigen Verpflichtungen damals so weit zu gelangen,
daß er mit solcher Zuversichtlichkeit eine derartige Aufforderung an den König
richten durfte, um so mehr, da jene Masse, mittelst der er zuerst das Porzellan
erfunden und die er zuerst als solche seiner Umgebung gezeigt hatte, als es dann
an die Praxis gehen sollte, sich doch in jeder Beziehung verbesserungsbedürftig
erzeigt hatte. Die erste Masse, deren wichtigster Bestandteil der Colditzer Ton
war, als deren Flüsse Kreide, Alabaster, Marmor oder auch Spat, mithin für ge-
wöhnlich eine kalkhaltige Materie zu gelten hatten, bewährte sich nicht auf die
Dauer. Sie erwies sich für die Massenfabrikation durchaus nicht als geeignet. Ihre
Schwindungstendenz war zu groß. Die aus ihr gefertigten Gegenstände zeigten
eine starke Neigung, sich zu krümmen, sich zu senken oder ganz umzustürzen^'*'),
so daß das meiste, was aus ihr gefertigt ward, im Feuer verdarb, ohne daß man
die richtigen Mittel zu dauernder Abhilfe zu finden wußte. Es war der reinste
Zufall, was und wieviel jedesmal im Brande gelang, und nicht umsonst nannte
der Inspektor Steinbrück den Ofen, in dem das Porzellan gebrannt ward, einen
„Glückstopf" ^'^). So machte sich Böttger von neuem wieder ans Experimentieren,
er änderte an der Zusammensetzung der Masse, er änderte an den Öfen, er
änderte an dem Brande. Vor allem aber sah er sich nach neuen Erden um. Noch
im Jahre 1711 erging ein Befehl an das sächsische Oberbergamt, von ,, allen in
den erzgebirgischen Kreisen befindlichen weißen Erden oder Letten" Proben ein-
zusenden^^^). Es war klar, Böttger ging darauf aus, den Colditzer Ton durch einen
anderen sich gleichfalls weißbrennenden und zugleich feuerbeständigen zu ersetzen.
Da fiel Böttger durch dieses konsequente, gleichsam geologische Absuchen
des Landes jenes Material in die Hände, das dann für die ganze folgende Zeit, ja
für fast ganze 150 Jahre der eigentliche Hauptbestandteil des Meißner Porzellans
werden sollte: die sogenannte „Schnorrsche Erde" von Aue, einem kleinen Örtchen
dicht bei Schneeberg gelegen, im westlichen Erzgebirge. Er war damit auf eins der
berühmtesten Kaolinlager Europas gestoßen und hatte nun endlich gefunden,
was er so sehr suchte und dessen er auch wirklich dringend bedurfte. Er war
wieder einen Schritt vorwärts gekommen.
Diese ,, weiße Erde" von Aue war hier überhaupt erst vor kurzer Zeit ent-
deckt worden, zu Beginn des Jahres 1700, als man am dortigen Heidelberg Eisen-
Die Schnorrsche Erde.
159
steine abbauen wollte. Sie lag dort freilich — alten Nachrichten zufolge — nir-
gends frei zutage, war vielmehr auf einer hohen Granitkuppe durch eine mehrere
Meter mächtige Schieferhülle verdeckt und mußte daher bergmännisch bearbeitet
vrerden^^^), was anfangs im Raubbau geschehen sein solP"*), dann aber mit wirk-
licher Methodik erfolgte. So entstand hier die berühmte „Weiße Erden -Zeche
St. Andreas", die erst seit wenigen Jahren wie so vieles andere Bergmännische
im Erzgebirge, wieder eingegangen ist. Sie bietet jetzt ein Bild vollkommensten
Verfalls dar.^'^). Der Besitzer dieser Lage war Veit Hans
Schnorr, einer der reichsten und wohlhabendsten Fabrikanten
des Erzgebirges^^*). Böttger hat diese Erde vielleicht, wie
berichtet wird, schon im Jahre 1710 zu Gesichte bekommen
und durchprobiert ^^'). Doch erst im folgenden Jahre
scheint ihm ihre ganze Bedeutung für sein Porzellanwerk
aufgegangen zu sein. In diesem bittet er in einem Memoriale
vom 30. Mai die damals tagende zweite Kommission, da-
für einzutreten, daß in Zukunft die ,, sogenannte Schnorr-
sche Erde" nur für seine Manufaktur abgegeben und sonst
niemandem etwas davon verkauft werden dürfe^^^). Auch zog
er damals durch das Schneeberger Oberbergamt weitere
Erkundigungen über diese Erde ein^^^). Man sieht, welchen
Wert er damals bereits auf sie legte.
Diese Schnorrsche Erde ward jetzt der wesentliche Be-
standteil seines Porzellans und wohl die Ursache, daß jetzt
die Herstellung der Porzellangefäße weit besser gelang als
vorher, wenn auch freilich noch immer nicht in zufrieden-
stellender Weise. Noch im Jahre 1713, also zur Zeit, da
man bereits die fabrikmäßige Herstellung des Porzellans
begann, hatte man die Porzellanmasse im Brande tatsäch-
lich noch so wenig in seiner Gewalt, daß man, wenn die Ge-
schirre in den Ofen gesetzt waren, sie, wie man sagte, noch
immer ,,dem Glücke überlassen" und abwarten mußte, ob
etwas oder nichts geraten und gut wieder herauskommen
würde*"®). Der einzige Unterschied gegen früher war daher wohl, daß jetzt überhaupt
immer etwas in jedem Brand oder mehr als vordem gelang. EndUch jedoch im Jahre
1715 kam man durch ,, fleißiges Nachsinnen und Observieren" so weit, daß nicht mehr
so viel ,, ungeratenes" Gut aus dem Ofen herauskam *°^). Doch noch immer befrie-
digte die Masse nicht ganz. Böttger experimentierte daher unverdrossen weiter. Da
gelang es ihm endlich im folgenden Jahre, eine Masse herzusstellen, die die un-
schätzbare Eigenschaft besaß, „fast gar nicht" zu schwinden. Und nun gerieten
auch in der Tat im Brande beinahe alle Geschirre, wofern sie „von den Drehern
oder Formern, ehe sie ins Feuer kamen, nicht bereits zuvor verwahrlost ge-
wesen" -»0*).
Abb. 66. Böttgersteinzeu;.
Pntto mit Mnschel.
König-]. Porzellansammlung',
Dresden.
Höhe 19 cm.
160 Die Porzellanfabrik.
Die Herstellung dieser Masse gelang Böttger dadurch, daß er damals merk-
würdigerweise die Schnorrsche Erde wieder aufgab und an deren Stelle wiederum
eine neue setzte, die — wir wissen leider nicht genau, an welcher Stelle — „ein
paar kleine Meilen" von Dresden gefunden wurde. Diese Erde war ihm gleichsam
ins Haus getragen worden: der Pächter des Orts, wo sie gefunden ward, hatte ihn
benachrichtigt, ,,daß daselbst schöne Letten und Erden anzutreffen seien", und
Böttger hatte alsbald einen Angestellten der Fabrik, namens Johann Georg Mehlhorn,
dort hingesandt, einen ehemaligen Tischler, der früher, wohl durch Böttger s Beispiel
angeregt, gleichfalls auf Porzellan ,, laboriert" hatte, dabei aber so herunter-
gekommen war, daß er Böttger um Dienstanstellung bitten mußte, der aber
doch wohl einige Sachkenntnisse auf diesem Gebiet besessen zu haben scheint.
Er sollte Proben von den bezeichneten Erden holen^"^). Diese Masse ist dann
nachweisbar bis Mitte Mai des Jahres 1717 verwendet worden und soll sich auch
weiter glänzend bewährt haben*^*). Dann aber ist man doch zur Schnorrschen
Erde wieder reumütig zurückgekehrt und bei ihr geblieben. Im Jahre 1718 zwang
man daher sogar Schnorr, den Besitzer derselben, sich verbindlich zu machen,
der Meißner Manufaktur immer so viel Erde zu liefern, als sie bedurfte und
auf die Barzahlung wenigstens ein Jahr warten zu wollen. Er soll dafür freilich
den Preis derselben beträchtlich erhöht haben *°^). Trotzdem aber war Böttger
durchaus der ganz richtigen Meinung, daß die zum Porzellan nötige Erde an vielen
Stellen zu finden wäre, wenn er auch freilich stark übertrieb, wenn er behauptete,
daß sie in Sachsen, im Gegensatz zu China, das in dieser Beziehung an eine ganz
bestimmte, nur an einer Stelle sich findende Masse gebunden wäre, an hundert
Orten anzutreffen wäre. Neben diesen das Kaolin darstellenden Erden bedurfte
Böttger zu seinem Porzellan aber damals merkwürdigerweise immer noch des früheren,
durch jene als Hauptbestandteil der Porzellanmasse verdrängten Colditzer Tons"®),
doch nur zu dem Zwecke, die Plastizität der neuen, an sich nicht sehr plastischen
Massen zu erhöhen*^'). Dieser Colditzer Ton ist sogar auch nach Böttgers Tode
noch Jahrzehnte lang ein Hauptbestandteil der Meißner Masse geblieben"^). Auch
dieses Material suchte Böttger daher damals ebenso wie die Schnorrsche Erde in
festere Hände zu bekommen, wobei er sich derselben Mittel bediente "^).
Als Flußmittel hatte Böttger zu seinem Porzellan, wie gezeigt, von Anfang an
kalkhaltige Materien benutzt, wenn er auch daneben schon gleich am Anfange,
wie erwähnt, mit Spaten Versuche gemacht hatte. Bei diesen kalkhaltigen Fluß-
mitteln ist es zu seinen Lebzeiten auch durchaus geblieben, und noch lange nachher
ist Alabaster das immer bevorzugte Flußmittel des Meißner Porzellans gewesen*^").
Daneben wurde bisweilen, wenn auch scheinbar sehr selten, Kreide verwandt.
Den Alabaster bezog man die ganze Zeit, wie gleichfalls noch lange Zeit nachher,
noch immer von Nordhausen, aus einem Bruche, der etwa IV2 Stunden von dieser
Stadt gelegen war*"). So aber ist es gekommen, daß Böttger, wie auch die ganze
folgende Zeit, über ein sogenanntes Kalkporzellan nicht hinausgekommen ist,
ein Porzellan, das in seiner Masse mehr jenem für England so typischen Knochen-
Die Masse.
161
porzellan ähnelt, das heute noch immer das eigenthche Porzellan Englands dar-
stellt, als dem späteren und jetzigen Meißner Porzellan, aber freilich eine ganz
andere, weit härtere Glasur besaß als jenes. Er hat demnach von dem jetzigen,
ganz allgemein bei uns gebräuchlichen Feldspatporzellan noch kaum etwas ge-
ahnt "^). Ebensowenig enthielt seine Masse Quarz, jenen durch seine Leicht-
flüssigkeit die Fabrikation des Porzellans so erleichternden Zusatz, der heute von
so vielen Porzellanfabriken verwandt wird*^^). Er hat bekanntlich im Meißner Por-
zellan niemals Eingang gefunden, und gerade seiner Abwesenheit hat dieses immer
seine ganz besondere Güte, namentlich hinsichtlich seiner Härte, zu verdanken
gehabt.
Was die Zusammenmischung der drei Bestandteile des Porzellans anbetrifft, so
besaß man schon damals, wie es auch später ganz allgemein üblich war, eine ganze
Reihe verschieden zusammengesetzter Massen. Die beste derselben war „um
zwei Grade härter" als das chine-
sische Porzellan. Für größere Gegen-
stände, die schwerer garbrannten,
ward, wie es gleichfalls später ganz
allgemein üblich ward, eine gröbere
Mischung verwandt*^*). Gemischt
wurden die Massen, wie die erhaltenen
Rezepte dieser Zeit zeigen, schon da-
mals nach Gewicht. Solche Mischun-
gen waren z. B.: 10 Pfund weiße
Schnorrsche Erde, 5 Pfund Colditzer
Ton, 3 Pfund Alabaster; eine andere,
die als ,, weiße ordinäre" Masse be-
zeichnet ward: 20 Pfund weiße
Schnorrsche Erde, 10 Pfund Colditzer Ton, 3 Pfund Kreide. Bei allen
Mischungen blieb das Verhältnis von Schnorrscher Erde und Colditzer Ton wie
2:1. Nur die Quantität des Flußmittels veränderte sich, damit dann auch die
Härte des Porzellans und die Gradhöhe seines Garbrandes. Von der Glasur, die
Böttger verwandte, wissen wir leider weniger. Nach einem noch dem Jahre 1719
angehörenden Rezepte waren ihre Bestandteile folgende: 24 Pfund Colditzer
Ton, 12 Pfund Kiesel, 6 Pfund Kreide"^). Gemahlen wurden die Bestandteile schon
damals, wie es später immer üblich war, auf einer „Reib- und Glasurmaschine".
Doch besaß die Manufaktur zu Meißen keine eigene. Der Ersparnis der Anschaffungs-
kosten halber ward hierzu die im ,, Böhmischen Haus" zu Alt-Dresden für die Rund-
bäckerei aufgestellte verwendet, die diese Arbeit gar wohl mit vollziehen konnte.
Diese ward damals, da sie durch einen besonderen Zufall zerstört worden war,
erneuert und bedeutend verbessert. Sie bestand aus Holz und Eisen und besaß
acht Gänge. Sie war wiederum eine eigene Erfindung Böttgers, über die er wieder
einigen Stolz empfand *^^).
Abb. 67
BSttgersteinzeag. Kinderg^rnppe, schwarz g^lasiert und
mit Lackfarben bemalt.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe 8 cm.
Zimmermann, Meißner Porzellan.
11
162 Die Porzellanfabrik.
So war das Porzellan beschaffen, das Böttger schließlich nach endlosem Hin-
und Herprobieren und vielen Enttäuschungen gewonnen hatte und das er dann
als die wichtigste Tat seines kurzen, aber erfolgreichen Lebens der Nachwelt hinter-
lassen hat, das Porzellan, auf das sich nicht nur das ganze Meißner, sondern auch
das ganze übrige europäische Porzellan dann weiter aufgebaut hat. Böttger war
nicht wenig stolz auf sein Produkt und seine Vorzüge. Vielfach hat er — mit vollem
Rechte — seine besondere Härte gerühmt"^); er bezeichnete es, wie erwähnt, im
günstigsten Falle als zwei Grade härter als das „ostindische". So rühmte er sich
auch hier wieder, wie früher bei seinem roten Steinzeug, sein Vorbild, das chinesi-
sche Porzellan nicht nur nachgeahmt, sondern sogar übertroffen zu haben. Auch
galt es damals in der Substanz für viel kompakter als das porösere chinesische,
welcher Unterschied sich namentlich im Bruche zeigte *^8). Aber freilich gerade
dadurch, daß sein Pozellan so hart war und zu einem Garbrande einen ganz
ungewöhnlichen Hitzegrad erforderte*"), hatte Böttger auch hinsichtlich seiner
technischen Bewältigung mit ganz besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen, hatte
er eine Arbeit zu leisten, die eine weichere Masse ihm zum größten Teile erspart
hätte. Er ist sich dieses Unterschiedes zwischen seiner Masse und dem der Chinesen
damals auch durchaus bewußt gewesen und hat ihn gelegentlich als Entschuldigung
verwandt, wenn ihm einmal wieder etwas im Feuer nicht gelingen wollte.
Mit diesen Massen konnte dann, nachdem vor ihrer Zusammensetzung die
einzelnen Bestandteile gut präpariert waren, d. h. der kaolinhaltige Ton gut ge-
schlemmt, die den Fluß liefernden Stoffe kalizniert und gemahlen waren *20), die
eigentliche Töpferarbeit beginnen. Hierbei hat sich Böttger zunächst durchaus
auf die Erfahrungen stützen können, die er bereits mit dem roten Steinzeug ge-
macht hatte. Nur daß freilich auch hier wieder die Arbeit der Formung eine be-
deutend schwierigere war als bei jenem, da das Porzellan gegenüber dem Stein-
zeug immer einen bedeutend schlechteren plastischen Stoff darstellt, ja wohl einen
der schlechtesten, die es in der Keramik überhaupt gibt. Doch sind über besondere
Schwierigkeiten dieses Teils der Arbeit damals keine Klagen laut geworden.
Die Schwierigkeiten des Garbrandes seiner Porzellanmassen aber hat dann
Böttger nur um so stärker kennen gelernt: sie waren in der Tat gewaltige, bedenkt
man die außerordentlichen Hitzegrade, die zu diesem das Porzellan verlangt,
Hitzegrade, wie sie die ganze Technik damals kaum noch kannte. Das Brenn-
problem war ja überhaupt nach dem der eigentlichen Erfindungen das wichtigste
in der ganzen keramischen wie sonstigen Tätigkeit Böttgers. Es hat ihn sein ganzes
Leben hindurch unablässig beschäftigt, gerade wie seinen Vorgänger Tschirn-
hausen. Es hat ihn auch gerade in dieser Zeit, da er sich mühte, das Porzellan
fertigzustellen, ganz besonders stark in Anspruch genommen, wobei er vor allem
wieder — vielleicht schon, weil es ihm oft genug an Brennmaterial oder dem
Gelde, um solches zu kaufen, fehlte — auf die möglichst rationelle Ausnutzung des
Brennmaterials ausging, auf die Herstellung von Sparöfen, wie wir heute sagen
würden, deren Nutzanwendung er dann auf so viele Gebiete, wie nur irgend mög-
Das Brennproblem.
163
lieh, zu erweitern trachtete. So glaubte er schon im Jahre 1711*2i) der damals
tagenden zweiten Kommission „schlichte, jedoch der Natur konforme" Öfen ver-
sprechen zu können, durch die, obwohl ^k des Holzes und des Gebläses erspart,
auch weniger Leute gebraucht würden, doch weit mehr Erze geschmolzen
und weniger Schlacken erzeugt werden sollten, als durch alle bisher üblichen.
Auch sollten sie nicht so gesundheitsgefährdend sein und auch auf die Umgegend
nicht so abtötend wirken*22). Und daß es ihm mit diesen Bestrebungen Ernst
war, beweist eine in Gegenwart mehrerer Minister mittelst dieser Erfindung auf
der Festung zu Dresden abgehaltenen Schmelzprobe mit nicht mehr als sechs
neuerbauten Öfen, die ihn nicht weniger als 1000 Taler kostete^^s) ÄhnHche
Brennproben wurden mit Öfen vorgenommen, die Böttger für das Bierbrauen er-
fand, ein für Sachsen ungemein
wichtiges Gewerbe, dem um diese
Zeit nachweislich nicht weniger
als 3000 Menschen angehörten*^*).
Diese Probe ward zuerst im Jahre
1714 auf dem Gute des Direktor
Nehmitz Roßthal bei Dresden,
vorgenommen*25)^ dann aber vor
allem im Jahre 1716, angeregt
durch verwandte Versuche, die
von anderer Seite gemacht worden
waren, Sie führten zu glänzenden
Resultaten*^«), die allgemeinen
Beifall fanden und Böttger auch
als Meister auf diesem Gebiete
hinstellten.
Mit den Porzellanöfen jedoch,
die ein weit schwierigeres Problem
als alle ebengenannten darstellten, kam 5öifgerkeineswegs so schnell zustande. Mit den
für den Garbrand des roten Steinzeugs konstruierten Öfen war hier, wo ganz andere
Hitzegrade erzielt werden mußten, zunächst wohl noch nicht allzuviel anzufangen.
Reichten sie doch — namentlich infolge ihrer so ungleich verteilten Hitze — selbst
für dieses einfachere Produkt noch nicht aus. Während daher in Meißen die fabrik-
mäßige Herstellung des Steinzeugs schon durchaus im Gang war, war Böttger mit
dem Porzellan in dieser Beziehung noch nicht über das Stadium des Experiments
hinausgekommen, und nicht umsonst häuften sich auf der Jungfer die Schutt-
haufen der aufgebauten und wieder eingerissenen Öfen^^'), als ein deutliches Zeichen
von Böttgers unablässigem Ringen auf diesem Gebiete. Erst in dem für die Ent-
wicklung des Porzellans so wichtigen Jahre 1713 kam Böttger endhch auch hier
so weit, Öfen zu konstruieren, die allen Anforderungen zu entsprechen schienen,
und er war dann wiederum so stolz darauf, daß er dem Könige ihre Risse vorlegen
11*
Abb. 68. Bött^ersteinzeng;. Relief mit Madonna und heil. Joseph.
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Höhe ii cm.
j[64 I^ic Porzellanfabrik.
ließ. Sie müssen aber auch nach der Beschreibung, die Steinbrück hinterlassen
hat, wahre Wunderwerke gewesen sein^^s). ,,Was sotane Öfen betrifft, so berichtet
er, so sind solche von gantz neuer und besonderer invention, ja, aus der innersten
Natur des Feuers, der Luft und beyder Combination herausgenommen, sintemahl
die Luft hier mit dem Feuer sich gleichsam vereiniget und es durch einen unglaub-
lichen Zug dermaßen subtiliret, daß es eher eine feurige Luft, als dem ordinairen
elementarischen Feuer ähnlich siehet, den sonst bei allen Oefen gewöhnlichen
und sehr incommoden Rauch verzehret es gäntzlich und läßt sogar von dem Holtz
kaum so viel zurück, daß man sehen könne, womit gefeuert werde. Die Structur
dieser Oefen .... ist so avantageuse, daß dadurch alle Hitze menagiret und davon
keine (wie sonst geschiehet) unnützlich verjaget wird. Uebrigens ist dieses herr-
liche inventum universal und dienet zu allen laboribus, wo etwas gebrandt, ge-
schmolzen oder abgedünstet werden soll. Die Arbeith aber wird dabey verrichtet
1) in weniger Zeit, 2) mit weniger Holtz, 3) mit weniger Personen und 4) ohne in-
commoditet beydes des Rauchs und der fatiganten Hitze welche sonst den Leuten
bey der gleichen Arbeith auszustehen haben."
Dieser Ofen scheint darnach durchaus die Lösung aller jene Probleme ge-
geben zu haben, die Böttger bei seinen gesamten Brennversuchen erstrebt hat.
Daher es wohl auch kein Zufall war, daß gerade in dem Jahre, in dem Böttger diese
Öfen errichtete, auch zuerst die fabrikmäßige Herstellung von Porzellangeschirr
einigermaßen gelang. Freilich den vollen Nutzen hat Böttger aus dieser Erfindung
leider niemals ganz ziehen können. Das Brennhaus, das er schon im Jahre 1711
für das rote Steinzeug auf der Albrechtsburg hatte errichten wollen*^^), es kam auch
jetzt nicht zustande, es ist überhaupt nicht mehr zu Böttgers Lebzeiten errichtet
worden. Die Brennöfen blieben daher in dem völlig unzureichenden Raum der
,, Küche" des Schlosses und waren viel zu klein, um das Porzellan in ausreichender
Fülle, viel zu niedrig, um es in größerer Form brennen zu können. Das Bau-
material aber, das bereits für das neue Gebäude angefahren worden war, soweit
es das Hochwasser der Elbe verschont hatte, ward jetzt im Jahre 1716 zum Bau
der Landesschule in Meißen oder zum Heizen der Öfen verwandt^^"). Damit war
dieses traurige Kapitel für Böttger endgültig beendet.
Doch die Klagen über diese mißlichen Zustände sind bis zu Böttgers Tode
nicht verstummt. Es bheb für ihn völlig unmöglich, größere Quantitäten Porzellan
auf einmal oder überhaupt nur ein größeres Stück zu brennen. Als er letzteres
einmal versuchte — es handelte sich um eine größere Vase, die man vorsichts-
halber schon vorher in dreiTeile zerlegt hatte — gelang nur der Fuß; der Körper hatte
sich nach der Seite hin gesenkt, auf der das Feuer immer angeschlagen hatte,
und war auch stark gerissen; überdies hatte der Ofen oben zu schmelzen ange-
fangen, und es war ein großer Tropfen auf die Vase gefallen und daran kleben ge-
blieben, was, wie man berichtete, sehr ,,rar" anzusehen gewesen wäre. Der
Deckel aber war schließlich völhg mißraten^^^). Es war ein voller Mißerfolg, für
den aber niemand etwas konnte. Und so kann es in der Tat keine Frage sein, daß
Die Öfen.
165
dieser Mangel eines wirklich brauchbaren und ausreichenden Ofens damals in der
Tat, wie Böttger und sein Inspektor es immer angegeben haben, eine der Ursachen
innerhalb des eigentlichen Fabrikbetriebes gewesen ist, daß sich trotz allen
technischen Gelingens ein größeres finanzielles Ergebnis aus der Porzellanfabrikation
zu Böttgers Zeiten niemals hat einstellen wollen.
Wie im einzelnen jedoch die Porzellanöfen Böttgers ausgesehen haben, darüber
sind wir leider nur wenig unterrichtet. Auf alle Fälle^^^) benutzte man auch jetzt
noch immer mäßig große, liegende, halbzylindrische Öfen, an deren Stirnseite
die Feuerung angebracht war, die mit langen Scheiten trockenen Holzes beschickt
wurde. Dies wird bestätigt durch die noch erhaltene
Beschreibung eines Böttgerschen Ofens, die freiUch noch
der Zeit vor den großen Verbesserungen stammt ^^^).
Darnach war ein solcher Ofen 8 Ellen lang, von denen
vorne eine Elle für den Feuer ungsplatz, hinten eine für
den ,,Turm", d. h. den Rauchabzug verwandt ward,
so daß für den eigentlichen Garbrandraum 5 Ellen
Länge blieben. Die Breite betrug 1%, die Höhe
2 — 214 Ellen. Er war oben gewölbt. In der Mitte
befand sich ein großer Bogen mit einem eingemauerten
und verankerten Eisen, das das Platzen des Ofens bei
zu starker Erhitzung verhindern sollte. Es war dies
in der Tat noch ein ziemhch primitiver Ofen. Viel
größer jedoch werden sie, nach Böttgers Klagen zu
schließen, später auch nicht gewesen sein.
Erbaut wurden anfangs diese Öfen wieder aus jenen
feuerfesten, weißen Ziegeln, aus denen auch die Stein-
zeugöfen errichtet worden waren. Anfangs hatte ja
Böttger diese von weither beziehen müssen, wodurch
sie ziemlich teuer ausgefallen waren*^^). Dann aber war
es ja Böttger, dem dies Beziehen aus der Ferne gegen sein
ganzes ökonomisches Prinzip ging, gelungen, derartige Ziegel auch aus sächsischen
Materialien herzustellen, die nun in der Rundbäckerei gebrannt wurden. Damit
hatte Böttger so nebenbei noch eine neue wichtige keramische Erfindung gemacht,
die von feuerfesten Ziegeln, die heute als Chamotteziegel bezeichnet werden.
Sein unermüdlich erfinderischer Geist erlahmte nie.
In diese Öfen wurden die Porzellane dann, wie es schon mit dem roten
Steinzeug und den Fayencen geschehen war, in Kapseln eingesetzt, die aus weißem,
feuerfestem Ton hergestellt wurden, vielleicht demselben, der auch den Ziegeln
der Brennöfen zum Materiale diente. Anfangs warf man diese Kapseln nach dem
Brande einfach fort, später zerstampfte man sie und verwandte sie zu neuen, wo-
durch, wie Böttger zu betonen nicht unterließ, viel Geld erspart*^^) und wiederum
die Fabrikation um ein gutes Stück rationeller eingerichtet ward.
Abb. £9. BSttgersteinzeug. Figur
eines Bauern.
Sammlung Heidelbach, Paris.
Höhe 10 cm.
166 Die Porzellanfabrik.
Über das Brennen selber sind wir dann leider nicht weiter orientiert. Die
Höhe der zum Garbrennen nötigen Temperatur ist nicht bekannt. Doch steht
es fest, daß das Porzellan nicht gleich das erstemal schon völlig gargebrannt wurde,
sondern von Anfang an zuerst nur einen sogenannten Verglühbrand erhielt, der die
Gefäße nur austrocknete und ihnen die erste Festigkeit verlieh*^^), ein Verfahren,
das die Chinesen nicht kannten, das Böttger darum als eine völlige Neuheit in die
Porzellanfabrikation eingeführt hat, das aber dann, wie bekannt, der europäi-
schen, da es bei der Fabrikation manches erleichtert, z. B. das Glasieren, bis auf
den heutigen Tag verblieben ist. Nicht unwahrscheinlich ist, daß Böttger auf
diesen ersten Brand dadurch gekommen ist, daß er am Anfange versucht hatte,
seine Porzellane in jenem schwächeren Feuer zu brennen, in dem er seine Stein-
zeuge garbrannte, und dabei die Vorteile eines solchen ersten schwächeren Brandes
entdeckte*^'). Dann aber, wenn dieser erfolgt war, wurden die Porzellane im soge-
nannten „Gutbrande" der richtigen, zu ihrem Garbrennen erforderlichen Glut aus-
gesetzt, die für die damalige Technik in der Tat eine recht beträchtliche wai. Doch
wurde jetzt auch mit den Porzellanen zugleich, sobald diese fabrikmäßig herge-
stellt wurden, in dieser Glut der Brand des roten Steinzeugs vollzogen, bei dem
immer, um für dieses die Glut des Feuers zu mildern, die Kapseln, in denen sieh ^
diese Stücke befanden, sehr zweckmäßig in noch größere gesetzt und zwischen
beide Sand und Wasser geschüttet wurden, so daß die starke Hitze nicht sogleich an
die inneren Kapseln schlagen konnte, ein Verfahren, das wiederum von Böttgers er-
staunlich rationellem Sinne Zeugnis gibt. Diese Kapseln wurden an den
Seiten zu dreien, in der Mitte zu vieren übereinander hinten an die Stirnmauer
des Ofens gestellt, dort, wo unter der Feueresse die Hitze am mildesten war. Dann
ward der gemeinsame Garbrand vollzogen *3^).
Nach diesen rein technischen Bemühungen galt es dann aber für Böttger, sich
auch um die künstleiische Durchbildung seines Porzellans zu bekümmern. Auch
für das Porzellan, das so mühsam erworbene und darum so kostbare Produkt,
stand von vornherein fest, daß es ein besonders feines, künstlerisches Erzeugnis
werden sollte, damit es auch in dieser Beziehung mit seinen so reizvollen Vor-
bildern aus China und Japan konkurrieren konnte. Freilich über seine formale
Ausgestaltung erfahren wir aus den Dokumenten der Zeit merkwürdig wenig,
obwohl Böttger anfangs die Absicht bekundet hatte, für diesen Stoff, sobald er wirk-
lich praktisch zu verwenden wäre, eine ganze Reihe neuer Muster erfinden zu
lassen. Doch als dann später das Porzellan wirklich so weit war und man ernst-
haft an seine künstlerische Ausgestaltung schreiten mußte, ist davon in keiner
Weise mehr die Rede, allein aus dem Grunde, weil das Geld fehlte, um neue Foimen
erfinden zu lassen. Jrminger, der Goldschmied, an den man in dieser Beziehung
wieder in erster Linie zu denken hatte, war gerade in dieser Zeit über die Zustände
in der Fabrik sehr ungehalten: er beklagte sich gegen Ende dieses Jahres in einem
persönlichen Brief an den König bitter darüber, daß wegen der ,, Zustände in der
Fabrik" alles „unvollkommen verblieben wäre", bat, ihn in besseren Stand zu setzen
Künstlerische Ausgestaltung. 167
oder ihn für seine Bemühungen und Auslagen zu bezahlen und dann seines Amtes
zu entlassen*^^), was freilich nicht geschehen ist. Er hat aber auch dafür für die
Fabrik nicht mehr viel getan. Nach wie vor aber wurden etwaige neue Modelle
von ihm in Kupfer und Silber ausgeführt^*"). Daneben scheint jetzt aber noch ein
anderer Künstler bisweilen für die Manufaktur gearbeitet zu haben**^), der da-
malige Oberarchitekt des Königs Leplat, ein Mann, den der König zu mancherlei
künstlerischen Dingen verwandt zu haben scheint, z. B. auch zur Vermehrung
seiner Antikensammlung**^). Er hat unter anderem mit Jrminger zusammen jene
ganz besonders große, mit dem Wappen der Orleans belegte Vase entworfen, die
wegen der Kleinheit der damaligen Öfen nicht gelingen wollte**^), an welches
Werk übrigens beide Künstler, da es als Geschenk nach Frankreich gehen sollte,
selber mit Hand angelegt haben. Weiteres über Leplats Tätigkeit erfahren wir
freilich nicht.
Auch über die Verzierungsarten des Porzellans wird wenig berichtet, vor allem
nur das, daß jetzt bisweilen Ornamente auch in die Masse eingedrückt wurden
und vor allem die Gefäße jetzt vielfach mit erhabenen Blumen, Blättern und
Figuren belegt wurden, was als besonders wirkungsvoll empfunden ward***).
Übrigens wurden die Gefäße, die nach den Entwürfen Jrmingers und Leplats
verziert werden sollten, als rohe Gefäße von Meißen nach Dresden transportiert,
was schließlich solchen Umfang annahm, daß Böttger schon aus diesem Grunde
später noch einmal die Absicht hatte, einen Teil der Manufaktur wieder nach
Dresden zurückzuverlegen**^).
Vor allem aber stand fest, daß das neue Porzellan auch darin dem chinesischen
ebenbürtig und konkurrenzfähig werden sollte, daß man es farbig dekorieren, daß
man es zum Träger eines prächtigen Farbenkleides machen wollte. Ohne Farbe
konnte man sich damals, da so gut wie alles Porzellan, das aus Ostasien nach
Europa gelangte, bemalt war oder, wenn nicht, in Europa noch von spekula-
tiven Leuten nachdekoriert ward, Porzellan anfangs nicht recht denken.
Böttger hatte daher ja schon am 28. Mai 1709, als er sein Porzellan kaum fertig hatte,
versprochen, dasselbe auch zu bemalen und dazu blaue, rote, grüne, schwarze und
andere Farben aufzufinden und zwar gleich solche, die sich im Scharffeuer, in dem
das Porzellan gargebrannt wird, mit einbrennen ließen**^). Er stellte mithin gleich
ein halbes Dutzend sogenannter ,, Scharf f euer- oder Unterglasurfarben" in Aus-
sicht, ohne damals freilich auch nur entfernt zu ahnen, was er damit versprach
und wie wenig von diesem Versprechen er später halten sollte. Er ahnte nicht,
daß er damit eines der schwierigsten Probleme der gesamten Keramik berührte,
ein Problem, an dem ja zum Teil selbst unsere technisch so vorgeschrittene Zeit
noch immer laboriert. Dagegen ließ er schon, wie bereits früher erwähnt, am 21. Juni
1710 zwei „Gefäße von weißem Porzellan" an den König schicken, von denen das
eine glasiert, das andere, wie es ja auch ein Teil der Porzellane gewesen war, mit
denen er soeben die erste Leipziger Messe beschickt hatte, nicht glasiert war. Beide
aber waren bereits mit mehreren Farben bemalt auf Grund einer „ungewöhnlichen
168 Die Porzellanfabrik.
Zeichnung". Doch diese Farben waren mit Flüssen gemischt, mithin Email- oder
Überglasurfarben, die erst nach dem Garbrande in schwächerem Feuer aufgebrannt
zu werden pflegen, mithin eine viel leichtere Technik darstellteti. Sie scheinen sich
übrigens heute noch beide in der Porzellansammlung zu Dresden erhalten zu haben
(Abb. 70)**^). Böttger beschäftigte sich demnach schon damals ernstlich mit dem
Farbenproblem, wenn auch einem bedeutend leichtern, bei dem er sich noch dazu
stark, wenn auch natürlich nicht gänzlich, auf die Technik der Emaillierung von
Gläsern oder die damals so stark geübte Emailmalerei stützen konnte. Doch konnte
der damalige Versuch noch durchaus nicht als gelungen betrachtet werden:
auf dem glasierten Stücke waren die Farben nicht alle gleich gut herausgekommen,
sie hatten nicht alle den richtigen Emailglanz erhalten, weil, wie Böttger sich dem
Könige gegenüber ganz richtig entschuldigte, ,, einige nicht so hartes Feuer als die
anderen ausstehen können". Doch meinte er, wenn man sich allein der blauen Farbe
bedienen würde, so könnte alles nach seiner ,, Vollkommenheit tractiret und ge-
handhabt" werden**^). Es ist demnach die blaue Überglasurfarbe gewesen, die
Böttger damals noch nicht gelungen war. Mit ihrer Verbesserung hat er sich dann
auch in der Tat in der nächsten Zeit ernstlich abgegeben. Wenigstens rühmte er
sich im folgenden Jahre einer neuerfundenen blauen Farbe oder Smalte, von der
er sich wieder wie so oft Wunderdinge versprach, da sie besser wäre, als die ,, ge-
meine blaue Farbe oder Smalte", sich auch zum Malen in Öl, in Leimfarbe, als
Fresko und als Email eignete, ganz unveränderlich in der Luft, im Winde und
Wasser wäre, im übrigen aber alle Qualitäten des Ultramarin besäße**^). Doch
von einer wirklichen Beherrschung der Emailmalerei konnte auch damals noch
keine Rede sein. Als die zweite Kommission im März 1711 tagte, zeigte ihr
Böttger, wie erwähnt*^"), eine Reihe von ,, rohen" Porzellangefäßen vor und forderte
sie auf, daß ein jeder sich ein Stück aussuchen und ein Wappen, einen Wahlspruch
oder dergl. angebe, den er in drei bis vier Tagen in das betreffende Stück ein-
brennen lassen wolle. Doch war er nach Ablauf dieser Zeit noch nicht damit zu-
stande gekommen und bald mußte er erklären, daß er es überhaupt noch nicht
vermöchte. *^^) Später sind dann freilich diese Emailfarben besser gelungen, wenn
auch, wie sich später herausstellen wird*^^), niemals in gänzlich zufriedenstellender
Weise, wie es doch schon so bald nach seinem Tode gelingen sollte. Zu Böttger?,
Lebzeiten hat man daher die Porzellane vielfach gerade wie auch die Steinzeuge
mit den wenig haltbaren Lackfarben bemalt, daneben freilich auch mit Gold
und Silber ^53)
Ernstlicher bemüht aber hat sich dann ^ö/fger, wenigstens eine der in Aussicht ge-
stelltenUnterglasurfarben für das Porzellan zu gewinnen, die wichtigste, die es über-
haupt für dasselbe gibt und die im allgemeinen auch am leichtesten hier zu er-
zielen ist : das aus Kobalterzen hergestellte Blau. Diese Farbe war darum auch die erste
gewesen, mit der die Chinesen seit dem 15. Jahrhundert ihr Porzellan bemalt hatten,
und die dort immer eine ganz besonders große Rolle gespielt hatte, indem sie nicht
bloß dazu diente, das gewöhnliche Gebrauchsgeschirr zu beleben, sondern auch
Das Kobaltblau.
169
zur Entfaltung bedeutender künstlerischer Reize J)enutzt ward, wie sie in diesem
Maße kein Volk wieder mit Hilfe dieser Farbe erreicht hat. Mit Kobaltblau deko-
rierte Porzellane sind es denn auch gewesen, die zuerst in größeren Mengen aus
China nach Europa seit dem Anfange des 17. Jahrhunderts gelangten; sie bildeten
noch zu Böttgers Zeiten, nachdem in China schon lange das Bemalen mit Email-
farben begonnen hatte, den Hauptschmuck des für Europa bestimmten Export-
porzellans. Daneben hatte diese Farbe auch in der europäischen Keramik längst
eine bedeutende Stellung eingenommen. Mit Kobaltblau schmückte man die
Bierkrüge und -kannen des rheinischen Steinzeugs, mit Kobaltblau hatte man
vielfach auch die italienischen Majoliken und die Fayencen der anderen Länder ver-
ziert. Es bildete gleichfalls ein Hauptschmuckmittel der gerade zu Böttgers Zeiten
so beliebten Delfter Fayencen, die sich hierin stark an ihre Vorbilder, die chine-
sischen Porzellane, hiel-
ten. Die kobaltblaue
Farbe war demnach da-
mals unzertrennlich mit
einer höheren Keramik
verbunden. Ohne sie vor
allem schien ein richtiges
Porzellan kaum denkbar,
damit auch die Nach-
ahmung des chinesischen
Porzellans erst halb ge-
lungen zu sein. Es mußte
Böttger geradezu wie eine
Pflicht erscheinen, diese
Farbe auch an seinen
Porzellanen zur Anwen-
dung zu bringen.
Es kam hinzu, daß gerade Sachsen hinsichtlich des Kobalts damals eine ganz
besondere Stellung einnahm: es besaß in dem erzreichen Erzgebirge die berühm-
testen und am frühesten angebauten Kobaltbergwerke, die es überhaupt in Deutsch-
land gegeben hat, vor allem in der Gegend von Schneeberg, die, so viel man weiß,
hier zuerst vom 16. Jahrhundert an ausgenutzt worden waren, nachdem man
lange dies Metall für wertlos, ja, weil giftig, sogar für schädlich gehalten hatte.
Dann aber war seine Ausbeutung eine Quelle großen Reichtums geworden,
namentUch seitdem man vom 17. Jahrhundert an damit einen lebhaften
Handel auch nach dem Auslande begonnen hatte*^*). Seine Verwendung im
Porzellan bedeut«te demnach für Böttger wiederum eine neue Ausnutzung
von Landesmaterialien, damit eine weitere Befolgung des Prinzips, auf das
sich Böttgers ganze industriellen Unternehmungen von Anfang an gestützt
hatten.
Abb. 70. Glasiertes (links) nnd nnglasiertes (rechts) BSttgerporzellan
mit Versnchen in Emailmalerei, 1710 dem König von Polen von Böttger vorgelegt
Künigl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe 7V2 cm.
170 Die Porzellanfabrik.
Es ist daher kein Wunder, daß Böttger diese blaue Farbe auf seinem Porzellan
schon gleich nach dessen Erfindung in Aussicht stellen zu müssen glaubte und sich
dann auch allen Ernstes an ihre Herstellung gemacht hat. Auch der König scheint
für diese Farbe ein ganz besonderes Interesse gehabt zu haben. Hat er doch sogar
einige Jahre später einen Preis von 1000 Talern darauf gesetzt, eine für seine da-
malige Geldknappheit gewiß ganz anständige Summe*^^). Selbst die Maitresse des
Königs, die Gräfin Cosel, schien sich für dieselbe zu interessieren*^^). Schheßlich
suchten sich auch nach Böttgers Tode alle, die sich um seine Nachfolgerschaft be-
warben, vor allem dadurch beim König zu empfehlen, daß sie die Herstellung
dieser Farbe in sichere Aussicht stellten*^'). Entweder war demnach der König ein
ganz besonderer Liebhaber derselben — wie er denn auch unter jenen jetzt Inder
Porzellansammlung zu Dresden befindlichen ungeheuren Mengen von Porzellanen,
die er bekanntlich für die Ausschmückung des sogenannten japanischen Palais
in Dresden-Neustadt zusammengebracht hat, das chinesische blaue Porzellan
in ganz auf fälliger Weise bevorzugt hat — oder er versprach sich aus der Anbringung
dieser Farbe und der dadurch erfolgenden Verschönerung der Porzellane einen
großen pekuniären Vorteil. ,
Schon im Mai des Jahres 1710 hatte daher Böttger, der von vornherein das
an den chinesischen Porzellanen zur Anwendung gebrachte Unterglasurblau als
das in Sachsen gewonnene Kobaltblau erkannt haben muß, um % Zentner des
allerbesten und allerfeinsten „„Handstein von der Kobaltminera" gebeten, hatte
deswegen auch nach Schneeberg geschickt, wo, wie eben erwähnt, dergleichen am
besten und reinsten zu erhalten war*^^). Schon in diesem Jahre wurden von ihm
Versuche mit diesen Erzen unternommen; doch wollten sie noch nicht recht ge-
lingen, da nach Böttgers Angabe der Kobalt, den er aus dem Gebirge früher besser
bekommen hätte, diesmal nicht gut gewesen wäre. Die Malerei war ,, inwendig
und wenn man die Gefäße gegen das Licht hielt, ganz deutlich zu sehen"; außer-
halb aber waren die Farben noch nicht recht deutlich,, durchgebrochen". Böttger wdigte
diese Resultate noch nicht an den König zu senden*^^). Vielleicht waren aber diese
Versuche damals überhaupt noch etwas verfrüht, da zu dieser Zeit auch die Masse
und die Glasur des Porzellans erst ,, ziemlich" geraten war. Im April des Jahres 1712
erbot sich dann Böttger, in seinen Öfen die blaue Farbe „auf seine eigenen Kosten" herzu-
stellen*^") und versprach dann auch einmal, bis Michaelis 1713 mit der Herstellung
dieser Farbe fertig zu sein*^^). Doch in den folgenden Jahren hört man dann wieder
von immer neuen Bestellungen des Minerals, dessen Anwendung auf das Porzellan
noch immer nicht gelingen wollte, und wiederum wird die Schuld des Mißlingens
auf das Erz selber geschoben: es sei zu verschieden hinsichtlich seiner Güte und
sonstigen Eigenschaften und könne zum Teil auch wegen zu viel Arsens das zum
Garbrand des Porzellans nötige Feuer nicht bestehen*^^) Yqh neuem erging daher
im Jahre 1715 an das Oberbergamt in Freiberg der Befehl, sämtliche Sorten von
Kobalterzen, die es in Sachsen gäbe, die Böttger jedoch alle schon einmal erhalten
hatte, an diesen zu senden*^^), ohne daß dadurch freihch die Sache besser wurde.
Mißlingen des Kobaltblaus. 171
Wie Steinbrück zwei Jahre später angab, lag die Ursache dieses ewigen Mißlingens
vor allem an der großen Geheimniskrämerei innerhalb der Fabrik selber, die ein ver-
nünftiges Zusammenarbeiten der einzelnen streng voneinander getrennten Ab-
teilungen, das für die Anbringung des Kobaltblaus im Porzellan unbedingt nötig
war, nicht zuließ. Auch darf nicht vergessen werden, daß das Meißner Porzellan,
weil es härter war als das chinesische, zu seinem Garbrande eine bedeutend höhere
Temperatur erforderte, der also auch die Kobaltfarbe gewachsen sein mußte.
Und schließlich war die Erzielung dieser jetzt so gewöhnlichen Unterglasurfarbe
damals noch gar nicht so leicht, da man dazu nicht Kobalt allein, sondern eine
Mischung mit anderen Stoffen nehmen muß, eine Methode, die doch nur durch
vieles Experimentieren und Nachdenken herausgefunden werden konnte, was
neue Kraft und neue Zeit erforderte. Böttger ist daher auch mit dieser Angelegen-
heit, obwohl er versichert hat, daß er diese Farbe wohl kenne, niemals zustande^**)
gekommen, und so ist das Kobaltblau fast das einzige keramische Problem geblieben
unter den vielen, die ihm am Herzen gelegen haben, das er trotz aller Anstrengungen
nicht zu bewältigen gewußt hat*^^).
Daß aber unter diesen Umständen, wo der Herr und Meister versagte, auch
keiner seiner Untergebenen, die durch die vom Könige ausgesetzte Prämie zu
gleichen Versuchen gereizt werden mochten, besser mit dieser Sache zustande kam,
war nur natürlich. Zwar rühmte sich damals jener oben genannte ehemalige Tischler
Mehlhorn, der, wie erwähnt, früher selber in Porzellan laboriert hatte*^^), und dem
Böttger nachher, wohl weil er an sich ein geschickter, anstelliger, wenn auch ziem-
lich großmäuliger Mann war, verschiedene wichtigere Missionen auftrug, die Wissen-
schaft zu besitzen, das ,, blaue auf porcellain so gut als das indianische ist" ver-
fertigen zu können. Nur müsse man ihm dazu ,, einen Ofen und die anderen nötigen
Requisiten" zur Verfügung stellen. Auch ging er so weit, diese Behauptung in
einer Zeitung öffentlich bekannt zu machen. Als aber Böttger dann auf seinen Vor-
schlag einging und ihm das Gewünschte zur Verfügung stellte, da ward es in dieser
Sache ganz still, trotz jener Tausend Taler, die jenem, wenn er jene Wissenschaft
wirklich gehabt hätte, doch sicher zugefallen wären*^'), und so wird es auch mit
seinem Können wohl nicht allzu weit hergewesen sein. Die Darstellung der blauen
Unterglasurfarbe aber ist auf diese Weise erst nach Böttger^ Tode wirklich gelungen,
dann aber auch erstaunlich schnell. Es ist vor allem damals Böttgers bester Ar-
beiter gewesen, der mehrfach erwähnte David Köhler, derjenige, der von allen
Persönlichkeiten um Böttger schheßlich am tiefsten in seine Porzellanarbeit ein-
drang, der nun endlich im Jahre 1720 auch mit dieser Farbe glücklich zurecht kam^^^).
Freilich so wundervoll wie auf dem chinesischen ist das Blau auf dem Meißner
Porzellan niemals gelungen : es hat hier niemals die gleiche Tiefe, das gleiche Feuer
erreicht, auch ist es hier nie zu so künstlerischen Wirkungen benutzt worden. Das
Meißner Porzellan hat in dieser Beziehung niemals seine Vorbilder erreicht.
Doch noch eine ganz besondere Farbe gelang Böttger, auf die er nicht wenig
stolz gewesen ist: die sogenannte „Perlmutter- oder Opalglasur", die aber keine
172 Die Porzellan f ab rik.
Glasur, sondern nur eine Farbe war, nichts destoweniger dem Porzellan ein ,, neues
und sehr schönes Ansehen" gab^^^), wie sich später herausstellen wird, eine metal-
lisch glänzende Farbe von violetter Färbung, auf die er vielleicht schon früher durch
seine alchimistischen Studien, als er noch die Metalle durchprüfte, gestoßen sein
mag. Sie bedeutete in der Tat eine eigenartige Bereicherung seiner keramischen
Palette und stellt zugleich Böttger auch als den Einführer der Lüsterfarben in das
Porzellan dar, deren Verwendung in diesem später noch so oft versucht werden sollte.
Wenn aber im übrigen Böttger mit allen Versuchen, sein Porzellan farbig zu
beleben, nicht recht zustande kam, so wenig, daß noch im Jahre 1717 Steinbrück
,,die Farben oder die Malerey auf das weiße ,, Porzellan" unter diejenigen Proposi-
tionen Böttgers rechnete, die er versprochen, aber bis zu diesem Jahre noch nicht
durchgeführt hatte *^°), so darf man ihm dies Mißlingen durchaus nicht allein als
Unvermögen anrechnen. Vielmehr lag die Sache so, daß zu dieser Ver-
schönerung seines Porzellans damals auch gar kein zwingender Anlaß vorlag, da
dieses, sobald es auf den Markt kam, sofort auch unbemalt so stark verkauft
ward, daß die Fabrik, die ja freilich in ihrer Weiterentwicklung durch das Fehlen
ausreichender Öfen völlig gehemmt war, die Nachfrage in keiner Weise befriedigen
konnte. Auch hatte Böttger gleich am Anfange, als die fabrikmäßige Herstellung
des Porzellans begann, es für eine Ersparnis im Fabrikationsbetriebe angesehen,
wenn von einer Bemalung des fast durchgehends plastisch verzierten Porzellans
abgesehen wurde. Er hielt eine solche, wofern nicht einer oder der andere es auf
,, Japanische Arth" nachgemalt zu haben verlangte, für durchaus nicht erforder-
lich *'^). Kein Wunder also, daß Böttger, der in dieser Zeit noch genug anderes
zu tun hatte und noch immer mit neuen, aussichtsreichen Plänen umging, damals
durchaus keinen großen Zwang empfand, sich mit einer Sache zu beschäftigen,
die ihm nur Zeit und Geld gekostet hätte, ohne daß irgend jemand nach ihr be-
sonders dringend verlangte. Sie konnte ruhig auf spätere, freiere Zeiten aufgeschoben
werden, zumal Böttger damals sicher geglaubt haben wird, dies ja nicht allzu-
schwierige Problem, wenn wirklich nötig, in kürzester Zeit lösen zu können.
Zur Durchführung der Malereien, die aber dennoch ausgeführt wurden,
hatte Böttger zunächst etliche Knaben abrichten lassen, die vielleicht mit den
Malern /. D. Stechmann und Anselm Bader identisch sind, deren Tätigkeit für die
Manufaktur sich vom Oktober des Jahres 1712 an nachweisen läßt *'2). ihre Ver-
mehrung erschien damals Böttger, wohl weil das Porzellan immer besser gelang,
durchaus erforderlich. Seit dem Jahre 1713 ist daher vor allem der Maler und
Goldarbeiter Funke als ,, Emaillemaler" für die Manufaktur tätig gewesen und
hat hier nachweislich mit Schwarz, Grün, Purpur, Blau, Dunkelpurpur und Rot
gemalt, und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach mit denselben Farben, mit denen er
seine Goldarbeiten zu emaillieren pflegte*'^). Neben ihm wurden später noch ein
gewisser Joh. Chr. Schaff ler und Jonathan Pappelbaum genannt*^*) sowie vor
allem Joh. Gottfried Mehlhorn, ein Sohn des öfters genannten Vertrauten Böttgers.
Sie alle lebten jedoch nicht in Meißen, sondern blieben in Dresden, wohin von
Die Arbeiter. 173
dort aus demnach die zu bemalenden Gegenstände wieder hingesandt werden
mußten. Unter allen diesen scheint, weil am häufigsten genannt, Funke am
meisten für die Manufaktur tätig gewesen zu sein.
Über die mit allen diesen Mitteln hergestellten Gegenstände erfahren wir aus
den Dokumenten der Zeit leider nur recht wenig. Eine Preisliste hat sich hier,
wie beim roten Steinzeug*'^), nicht erhalten. DeutHch geht nur aus allem, was uns in
dieser Beziehung überliefert worden, hervor, daß man damals im Porzellan nicht ent-
fernt das hat erreichen können, was man anfangs von ihm, wie vom roten Steinzeug,
namentlich beim Erlaß des Gründungspatents der Manufaktur im Jahre 1710 er-
hofft hatte, daß man durchaus weder große ,, Statuen" gebildet noch ,,Columnen"^"*)
errichtet hat. War es doch, wie oben bereits erwähnt, nicht einmal möglich
gewesen, die von Irminger und Leplat entworfene große Vase, obgleich sie in drei
Stücke zerlegt worden war, in den primitiven Öfen, die zur Verfügung standen,
zu brennen *''). So mußte auch noch im Jahre 1717 die Herstellung von Tafel-
servicen, Statuen, Basreliefs, Spiegeln, Bilderrahmen, Gueridons, Büsten, Ofen-
füßen, Wandleuchtern als eine Hoffnung ausgesprochen werden, deren Erfüllung
man erst von der Zukunft erwarten konnte ^'^) und somit das ganze Streben nach
dem Großen und Monumentalen, das so recht ein'Ausfluß der Barockzeit war, auf
eine bedeutend spätere Zeit verschoben werdtn, wo es dann freilich, wie die
wunderbaren Schätze der Königlichen Porzellansammlung zu Dresden es noch
heute beweisen, in überraschender Weise zur Durchführung gelangt ist.
Diese ganze Arbeit der praktischen Ausnutzung der Porzellanerfmdung aber
erfolgte damals, ohne daß, wie es doch hätte sein müssen, das Personal vermehrt
wurde; im Gegenteil, es ward wegen der schlechten finanziellen Lage, in der sich
die Fabrik damals befand, die sich beim Beginn der Fabrikation des Porzellans
nur noch vermehrte, eher vermindert. Im Jahre 1716 zählte die Fabrik daher nur
noch 18 eigentliche Arbeiter, darunter 4 Brenner, 4 Dreher, 5 Former und 1 Hand-
langer, zu denen dann noch die eigentlichen Verzierer des Porzellans, die Maler,
hinzukamen *'^). Im folgenden Jahre finden wir etwa 20 Arbeiter ^^°) und auch
bei Böttgers Tode betrug ihre Zahl nur noch 20, unter denen sich 3 Massenbereiter,
3 Brenner, zum Teil auch Maurer genannt, 5 Töpfer oder Dreher, 1 Kapsel-
dreher und 4 Former befanden ^^i). Der Betrieb der Meißner Manufaktur ist also,
solange Böttger lebte, ein recht kleiner gewesen, er hat mit dem späteren Groß-
betriebe dieser Anstalt noch gar nichts zu tun gehabt.
Die Arbeiter selber aber sind im großen und ganzen dieselben geblieben wie
am Anfange. Als bester Arbeiter galt immer noch David Köhler, den Böttger damals
so hoch schätzte, daß er ihn gelegentlich sogar dem Könige empfahl. Er scheint
ihm auch in der Tat bei allen seinen Bestrebungen recht viel zu verdanken gehabt
zu haben. Für den besten Töpfer galt dagegen bis zu Böttgers Tode Peter Geithner,
jener Töpfer, den Böttger ganz am Anfange seiner keramischen Tätigkeit, nachdem
die Dresdner Töpfer völlig versagt hatten, aus Pirna hatte holen müssen, der aber
damals selber noch so wenig sein eigenes Handwerk kannte ^^^). Inspektor der
174 Die Perlmutterglasur.
Fabrik aber blieb nach wie vor Steinbrück. Doch bUeb dieser, da Böttger vorgab,
ihn in Dresden dringend nötig zu haben, nicht mehr wie früher ständig in Meißen,
so daß er sich nicht mehr viel um die Fabrik kümmern konnte. Dafür aber
trat er in dieser Zeit Böttger dadurch noch näher, daß er sich mit seiner Schwester
verehelichte. Denn Böttger hatte in dieser Zeit einen großen Teil seiner Familie
nach Dresden kommen lassen, darunter auch seine verwitwete Mutter, für die
er in jeder Beziehung sorgte.
Als eigentliche Leiter des inneren Betriebes der Fabrik galten jedoch auch
in dieser Zeit noch immer die beiden Arkanisten Dr. Nehmitz und Dr. Bartelmei.
Beiden waren ja die Geheimnisse des echten Porzellans, natürlich wieder einem je-
den nur zu seinem Teil, schon lange vor dessen wirklicher Ausnutzung mitgeteilt
worden, Dr. Bartelmei das Geheimnis der Masse ja aller Wahrscheinlichkeit nach
schon spätestens am Ende des Jahres 1708 *^^). Auch in der selbständigen Her-
stellung dieses Produktes hatten sie sich, nachdem Böttger ihnen die dazu nötigen
Handgriffe gezeigt hatte, geübt. Mehrfach hatte man auch auf Befehl des Königs
Erkundigungen über den Stand ihrer Kenntnisse und ihres wirklichen Könnens
auf den ihnen zugewiesenen Gebieten eingezogen, vor allem durch die im Jahre
1711 und 1712 tagenden, ihre Sache überall sehr ernst nehmenden Kommissionen *ä*),
die ihnen ja auch zum ersten Male ihre durch Böttger ausgearbeitete, vom Könige
bestätigte, sehr ausführliche Instruktionen einhändigten. Aber merkwürdig, mit
der Ausführung dieser Aufträge ging es nicht so glatt vonstatten, wie man bei
der Wichtigkeit dieser ganzen Angelegenheit wohl hätte erwarten können. Böttger
hat sich mehrfach, so noch im März des Jahres 1712 vor der zweiten Kommission
darüber beklagt, daß die „den Arcanis zugeordneten Personen" nicht genügend
Fleiß in der Ausübung ihrer Wissenschaften an den Tag legten, daß vielmehr noch
immer die ganze Arbeit in der Fabrik sich auf ihn selber stützen müsse *^^). Nament-
lich scheint es bei Dr. Nehmitz mit der Herstellung der Glasur des Porzellans ge-
hapert zu haben. Böttger hatte ihn zwar schon vor November des Jahres 1710
mehrfach in seiner Gegenwart ihre Präparation vornehmen lassen, sie war aber
noch nicht ganz befriedigend ausgefallen, was Böttger allerdings zum Teil selber
auf die Mangelhaftigkeit der dabei benutzten Öfen schieben mußte *^^). Noch im
Januar des Jahres 1712 meinte dann Böttger, daß Nehmitz sich auf diesem Gebiete
noch etwas „perfektionieren" müsse, dann freilich würde er in kurzer Zeit mit der
Glasur wirklich zustande kommen. Andererseits aber scheint Böttger diese beiden
Leute auch gar nicht sonderUch in ihrer Arbeit unterstützt zu haben. Noch am
Ende des Jahres 1710 vermischte Böttger die Materialien zur Porzellanglasur selber
in seiner Behausung, so daß Dr. Nehmitz damals noch nicht zu bekennen wagte,
daß er ihre Herstellung wie die der schwarzen Glasur des Steinzeugs schon be-
herrsche ^^'). Im April des folgenden Jahres berichteten dann beide Arkanisten
vor der Kommission, daß sie die Materialien, die sie für die ihnen aufgetragenen
Experimente brauchten, sich bei ,, Materialisten", wo ,,sie auch allesamt zu be-
kommen wären", selber gekauft und mit diesen experimentiert hätten. Allem
mm
Die Arkanisten. 175
Anscheine nach hatte Böttger ihnen die zu ihren Versuchen nötigen Stoffe gar nicht
ausgehändigt ^^^). Als sie dann aber beide vor dieser Kommission verlangten,
auch an die Orte reisen zu dürfen, wo die zu den keramischen Arbeiten Böttgers
erforderlichen Stoffe sich befänden und für diese Reisen wie auch für ihre Experi-
mente, einerlei, ob sie erfolgreich ausfielen oder nicht, eine gewisse Entschädigung
verlangten, ja auch den Wunsch aussprachen, daß die ihren Abteilungen zu-
gewiesenen Arbeiter auch nur für diese und nicht auch für andere arbeiten sollten,
widersetzte sich Böttger diesen an sich doch durchaus billigen Forderungen, deren
Erfüllung sicherhch auch im Interesse des Werks gelegen hätte *^^).
Grund für dieses eigenartige Vorgehen Böttgers war wohl, daß er mißtrauisch
geworden war durch die früher angedeuteten, scheinbar selbstsüchtigen Absichten
des Direktoriums und ihres Kreises und — vielleicht auch nicht ganz ohne
Grund — befürchtend, daß man ihm seine Manufakturen gänzlich entziehen wolle,
durchaus keine Neigung hatte, sich aller seiner Arkana zu entledigen und Mitwisser
heranzuziehen, die ihn dann ohne große Mühe hätten ersetzen können. Anderer-
seits aber hatten Dr. Bartelmei und Dr. Nekmitz auch wohl ihrerseits gar kein be-
sonderes Interesse daran, sich der ihnen übertragenen Aufgaben mit wirklicher
Lust und Liebe zu unterziehen, einerseits, da bei dem damals schon eingeris-
senen großen Geldmangel nur zu oft die ihnen ausgesetzten Besoldungen ausblieben,
andererseits, da sie in der Tat Böttger nicht sehr günstig gesinnt gewesen zu sein
scheinen und wohl auch heimliche Mithelfer jener Bestrebungen gewesen sind —
wenn tatsächlich damals solche vorgelegen haben — Böttger als unfähig, seine
Fabriken zu leiten, hinzustellen und sie ihm zu entziehen.
Daß aber unter diesen Umständen beide keine allzu große Lust bezeugten,
sich den ihnen übertragenen Aufgaben zu unterziehen und Böttgers Manufak-
turen ernsthaft zu unterstützen, liegt auf der Hand. Immer seltener sind daher
beider Besuche in Meißen geworden. Dr. Bartelmei reiste in manchem Jahre kaum
einmal nach dort. Dr. Nehmitz war oft ein halbes Jahr nicht da. Da nun auch
der Inspektor Steinbrück, obwohl dieser ein äußerst gewissenhafter, selbstloser Mann
war, der der Fabrik gern mit allen Kräften geholfen hätte, gerade von der Zeit
an, da die eigentliche Fabrikation des Porzellans begann, von Böttger in Dresden
zurückgehalten wurde *^"), so hätte der Fabrikationsbetrieb in Meißen bald vöUig
zusammenbrechen müssen, hätten sich hier nicht jene beiden trefflichen Arbeiter,
denen Böttger so vieles verdankte, David Köhler und Georg Schuberth, vor allem
aber der erstere dieser Sache mit ganzem Eifer und vielem Geschick angenom-
men. Beide waren durch die Praxis, d. h. dadurch, daß sie früher in Dresden alle
Experimente Böttgers durchs Feuer probiert hatten, längst Mitwisser der gesamten
Arcana geworden. Nun kümmerten sie sich, die an sich ja nur einfache Massenbe-
reiter waren, da die „Oberbedienten" sie so im Stiche ließen, auch Böttger selbst
jetzt selten nach Meißen kam, auch um die Abteilung des Brennens und der Glasur,
und bald konnten jene gänzlich entbehrt werden. So handelten sie nun gänzlich
selbständig, vergrößerten oder änderten auf eigene Hand die Öfen, und nur
j^76 ^^^ Porzellanfabrik.
wegen der Glasuren mußten sie bisweilen noch Dr. Nehmitz angehen, da dieser die
Materialien dazu in seinem Verschluß hatte. Auf diese Weise aber ging durch
Jahre hindurch die Arbeit in Meißen eigentlich wie von selber, und sind dort zwei
einfache Arbeiter, von denen der eine, Köhler, damals sogar kaum erst 30 Jahre
alt war, die eigentlichen Betriebsleiter der Manufaktur gewesen *^'^), ein seltsames
Schauspiel, wenn man bedenkt, wie groß die Zahl derjenigen Personen war, die
an der eigentlichen Leitung der Fabrik teilnehmen sollten und welche Kosten
diese der Fabrik fortdauernd verursachten. Doch war die Aufrechterhaltung des
Betriebes auf diese Weise nur dadurch möglich, daß innerhalb desselben alles so
ziemlich beim alten blieb : es wurden keine neuen technischen Versuche mehr ge-
macht und eben auch kaum neue Modelle mehr erfunden. Ein jeder arbeitete
hier weiter nach der alten bisherigen Methode, jahraus, jahrein. Ein Fort-
schritt in der Fabrikation aber war damit so gut wie ausgeschlossen.
Im übrigen jedoch blieb die Geheimtuerei in der Fabrik nach wie vor dieselbe,
wurde vielmehr jetzt, wo es sich um das Porzellan handelte, nur noch mit
um so größerer Strenge durchgeführt. Das Schlemmhaus, in dem die Massen
präpariert, und das Brennhaus, in dem die Öfen standen, blieben völlig voneinander
getrennt. Die Arbeiter jenes sollten dieses und umgekehrt auf keinen Fall be-
treten, die eigenthchen Töpfer hatten zu keinem von beiden Zutritt. Fremde
aber durften die Fabrik um keinen Preis besehen, es wären denn sehr hochgestellte
gewesen, denen man eine derartige Bitte nicht gut hätte abschlagen können. Ver-
antwortlich für alles dieses war zunächst der Inspektor Steinbrück, dessen wich-
tigste Aufgabe es war, auf die Geheimhaltung der Arkana zu achten, ein etwaiges
heimliches Entfernen der Arbeiter, zu dem Zwecke, ihre in Meißen gesammelten
praktischen Erfahrungen an anderer Stelle für höheren Lohn zu verwerten, zu
verhindern. Es ward alles getan, um die Erfindungen Böttgers, die dem Lande
bereits so viel Geld gekostet hatten, dafür aber auch große Einnahmequellen für
dasselbe zu werden versprachen, dem Lande zu erhalten. Aber freilich, erleichtert
ward dadurch der Betrieb innerhalb der Fabrik nicht. Es war schwer und äußerst
umständlich, die einzelnen so hermetisch voneinander getrennten Abteilungen der
Fabrikation zu einem wirklich harmonischen Zusammenarbeiten zusammenzu-
bringen, so daß die Massenbereiter ihre Masse herstellten mit Rücksicht auf den
folgenden Brand, die Brenner ihren Brand nach der Zubereitung der Masse rich-
teten, und doch erfordert gerade das so schwierige und launenhafte Material des
Pjorzellans wie kaum ein anderer von Menschen bearbeiteter Stoff zu einem nur
einigermaßen sicheren Gelingen ein derartiges harmonisches Zusammenarbeiten,
eine Berücksichtigung aller Phasen seines Entstehens von einem Gesichtspunkte
aus im höchsten Maße, ganz abgesehen davon, daß alle Verbesserungen doch nur
auf diese Weise vorgenommen werden konnten. Klagen über diese Zustände, über
diese Zerteilung der Manufaktur in lauter einzelne sich schroff gegenüberstehende
Betriebe sind daher damals auch keineswegs selten gewesen. Das Unwesen des
Arkanistentums, das die Meißner Manufaktur lange, selbst bis tief ins 19. Jahr-
Der Absatz. 177
hundert hinein, begleitet und selbst damals ihr noch so sehr geschadet hat**^)^ (j^ es
gar zu leicht zu Verknöcherungen oder auch Bequemtuerei führte, machte sich schon
gleich an ihrem ersten Anfange bemerkbar, nur war diese Geheimtuerei damals, wo die
Erfindungen Böttgers und seine ganze Fabrikation wirklich noch ein volles, von nieman-
dem ganz aufgedecktes Geheimnis war, durchaus eine Notwendigkeit, ein notwendiges
Übel, bei dem die Vorteile zugleich mit den Nachteilen ertragen werden mußten.
Daß aber unter allen diesen erschwerenden Umständen die Fabrikation des
Porzellans auf der Albrechtsburg wirklich zustande kam und auch ihre niemals
gestörte Fortsetzung fand, erscheint fast wie ein Wunder und spricht für die Güte
der Fabrikationsmethode, sowie für den Fleiß und das ernste Wollen der Ar-
beiter. Es ist ein Verdienst Böttgers gewesen und zugleich ein besonderes Glück
für ihn, das nicht zu gering angeschlagen werden darf. Ohne das Zusammentreffen
beider wäre Böttger entschieden nicht so weit mit seinen keramischen Bestrebungen
gelangt und hätte sicherlich seinen Nachfolgern nicht ein so großes und sicheres
Erbe hinterlassen können, wie er es nun getan hat. Sie konnten wirklich auf diesen
Resultaten weiter bauen, durch diese zu einer wirklich rationellen Fabrikations-
methode gelangen.
Hinsichthch des Absatzes der auf diese Weise hergestellten Fabrikate besaß
man wiederum von Anfang an, wie beim Steinzeug, den größten Optimismus,
in diesem Falle wohl mit größerem Rechte, da es sich hier doch um ein viel reiz-
volleres und auch brauchbareres Produkt handelte. Auch verstand man es jetzt,
belehrt durch die üblen Erfahrungen, die man durch das ziemlich zerfahrene Aus-
bieten des roten Steinzeugs an allen möglichen Plätzen gemacht hatte, den Verkauf
in bessere Form zu bringen. Böttger beauftragte seit Neujahr 1713 damit aus-
schließlich seine eigenen Leute, und zwar anfangs seinen damaligen Faktor, den
Dresdner Schneider Gottfried Lesch, der ihm auch Geld auf seine Waren vorge-
schossen hatte, später jedoch seinen Buchhalter. Der Verkauf erfolgte zunächst
wieder auf der günstigsten Kaufgelegenheit der Zeit, der Leipziger Messe. Auf
der Ostermesse des Jahres 1713 war es daher auch, wie berichtet, daß das neue
Porzellan zum ersten Male zum Verkaufe ausgeboten ward. Wiederum hatte man
hier seinen Stand auf der Peterstraße aufgeschlagen, dann nahm man sich aber
auch ein „Gewölbe" im Auerbachshofe, wo bis zum Jahre 1717 zehn Messen ab-
gehalten wurden. Doch fand in diesem Gewölbe der Verkauf, der teils ein Detail-,
teils ein Engrosverkauf war — namentlich ein Berliner und ein Magdeburger Kauf-
mann pflegten hierbei große Partien zu bestellen — , nur während der Messen statt.
Für einen Verkauf das ganze Jahr hindurch fehlte das Geld und wegen der geringen
Produktion auch die Ware. Böttger selber nahm sich hierbei der Sache mit größtem
Eifer an. Er ist in der Zeit von Michaelis 1714 bis Michaelis 1715 nicht weniger
als fünfmal nach Leipzig hinüber gefahren, wobei er das letzte Mal auch Stein-
brück mitnahm ^^^).
Zugleich begann jetzt der Verkauf auch in der Hauptstadt selber: von Micha-
elis 1715 an wurde auf dem Neumarkt in Dresden ein offenes Gewölbe bezogen.
Zimmermann, Meißner Porzellan. 1^
178 Die Porzellanfabrik.
Auch für Meißen war das gleiche beabsichtigt, doch unterblieb dies, wie in
Leipzig, aus Mangel an Mitteln wie Waren *^*). Dagegen hatte man schon seit
1711 in 6 Zimmern der unteren Etage des Albrechtschlosses ein kostbares
Warenlager eingerichtet, mit Spiegelwänden und dergleichen, das sich aber als
ziemlich nutzlos herausstellte und viele nun völlig nutzlose Kosten verursacht
hatte ^»5).
Mit einer weiteren Verbreitung des Porzellans, mit dem Hinaustragen des-
selben in das übrige Deutschland oder gar ins Ausland, scheint sich dagegen die
Fabrik damals nicht mehr befaßt zu haben. Man überließ dies dem Zufall oder
den Wiederverkäufern. Im Jahre 1717 jedoch schien Böttger endlich, wie eres zur
Vereinfachung des Geschäftes von Anfang an gewünscht hatte, Aussicht zu haben,
den Gesamtverkauf der erzeugten Waren einem einzigen Kaufmann oder einer
einzigen Gesellschaft übertragen zu können ^^^). Doch scheint der Kontrakt nicht
zustande gekommen zu sein. Etwas mißtrauisch stand man übrigens auf Seiten
der Manufaktur einer solchen Verbindung von Anfang an gegenüber, da man —
wohl nicht ohne Grund — besorgte, daß jemand, der bei einem solchen Vertrage
soviel von seinem Gelde daranwagte, auch Einfluß auf die Manufaktur zu ge-
winnen hoffte und dabei leicht hinter ihre Arkana gelangen könnte ^^^). Das aber
wäre ein Nachteil für die ganze Unternehmung gewesen, den der Vorteil einer
kaufmännischen Vereinfachung, den ein solcher Kontrakt bedeutet hätte, in keiner
Weise aufgewogen hätte.
Der Absatz aber, den das Porzellan dann an den genannten Verkaufsstätten
fand, entsprach durchaus den großen Erwartungen, die man von Anfang an in dieser
Beziehung gehabt hatte. Was früher bereits vom roten Steinzeug erhofft worden
war, das traf beim Porzellan jetzt wirklich ein: schon auf der ersten Leipziger
Ostermesse im Jahre 1713 ward es stark verkauft ^^^); dann stieg der Absatz von
Messe zu Messe — man hatte in dieser Beziehung niemals zu klagen *^^) — und
bald war der Begehr nach diesem neuen Erzeugnis so groß, daß die Nachfrage
das Angebot überstieg. Mehrfach mußten Besteller wegen Mangel an Waren ab-
gewiesen werden, zum großen Schaden der Fabrik, da sie sich daraufhin dauernd
von ihr abwandten. So erging es z. B dem Pariser ,,Glastrafiquanten" Launoy,
der weder für Geld noch gute Worte, nicht einmal gegen Barzahlung, das geringste
erlangen konnte ^^^). Man durfte in dieser Beziehung vollauf zufrieden sein. Doch
darf man hierbei nicht übersehen, daß der völlige Ausverkauf der Manufaktur
nicht zum wenigsten die Folge ihrer relativ sehr geringen Produktion war, die ihre
Ursache in den mangelhaften Brennöfen hatte. Man kam einfach mit dem Brennen
der Porzellane der immer lebhafteren Nachfrage und selbst der Produktion nicht
nach. Ganze Zimmer befanden sich noch im Jahre 1717 in der unteren Etage des
Meißner Schlosses voll ,, roher" Gefäße, die einfach nicht gebrannt werden konnten^"^).
Böttger hatte deshalb bisweilen, erfinderisch wie immer, die Absicht, aus dieser Not
eine Tugend zu machen, indem er durch Einstellung des gesamten Verkaufs der
Waren für eine gewisse Zeit das Publikum immer begehrlicher nach ihnen machen
Ungünstige Lage der Fabrik. 179
wollte, wodurch er dann die Preise für sie erhöhen zu dürfen glaubte. Doch hat
er dies Experiment niemals auszuführen gewagt.
Daneben trat freilich das Interesse für Böttgers erstes keramisches Produkt,
das rote Steinzeug, das niemals allzu groß gewesen zu sein scheint, nun stark in
den Hintergrund. Schon auf der Ostermesse, auf der das Porzellan zum ersten
Male zum Verkauf ausgeboten wurde, wollte man vom ,, roten" nichts Rechtes mehr
wissen ^^^), auf der im Jahre 1715, die Böttger selber besuchte, blieb er bereits mit
ethchen tausend Stück sitzen ^^^). Endlich im Jahre 1717 mußte man gestehen,
daß von dem roten Steinzeug immer viel auf Lager geblieben sei, da einerseits
das Porzellan den Verkauf desselben gehemmt hätte, dann auch, weil man zu oft
mit den Formen gewechselt hätte, wodurch manches zu rasch antiquiert wäre, schließ-
lich aber auch, weil aus den übrig gebliebenen Stücken nichts Komplettes zusammen-
gestellt werden könne. Bisweilen aber würde doch noch nach dem roten gefragt
und dann ginge auch wohl ab, was man loszuwerden kaum noch erwartet hätte,
darunter sogar Stücke, die wegen irgend eines Fehlers niemals als wirkliches Kauf-
mannsgut angesehen worden wären ^^^). Neu hergestellt wurde daher seit dem
Jahre 1717 nur noch poliertes: nur noch das verfeinerte und künstlerisch durch-
geführte konnte von da an infolge seiner besonderen Reize neben dem weißen
Porzellan auf Liebhaber und Abnehmer hoffen. Doch waren für dasselbe im Jahre
1717 nur noch vier Glasschleifer tätig, und zwar ausschließlich in Böhmen, die man
um ihrer Wohlfeilheit und ihres Fleißes willen den einheimischen vorzog ^^''). Alles
übrige jedoch, alles einfachere ward damals schon nicht mehr fabriziert und ge-
hörte demnach bereits der Vergangenheit an.
Dennoch trotz dieses ziemlich unerwarteten Ausfalls hätte die Meißner Manu-
faktur als Porzellanfabrik infolge des so regen Absatzes seines neuen Fabrikates
vielleicht bald einen bedeutenden Aufschwung genommen und wäre wirklich —
wie es der König anfangs so lebhaft erwartet hatte — ein industrielles Unternehmen
geworden, das sich selbst getragen, ja vielleicht sogar wirkliche Überschüsse erbracht
hätte, wäre eben nicht die ganze Basis, auf die sich jetzt die Fabrik in ihrer zweiten
Phase aufbaute, von vornherein gänzlich morsch, ja gänzlich hoffnungslos ge-
wesen, und hätten die Verhältnisse, die sie zu einer solchen gemacht hatten, nicht
ungestört und hoffnungslos weiter gedauert, ja sich eher verschlimmert als ver-
bessert. Jetzt rächte sich die ganze bisherige Vergangenheit der jungen Fabrik als
Steinzeugfabrik, so kurz sie auch immer gewesen war, jetzt ihre, man möchte sagen,
leichtfertige Begründung ohne ausreichendes Anlagekapital, das ein derartiges,
anfangs so kostspieliges Unternehmen wenigstens über die ersten Gründungs jähre
hätte hinweghelfen können, jetzt auch die völlig zersplitterte, stets Neues beginnende.
Neues planende Tätigkeit5öifger5, sein wenig ökonomischer Sinn, sowie die schlechte
Organisation der Fabrik und das Verhalten vieler ihr gegenüber, die helfen sollten und
doch aus vielerlei Gründen nicht helfen konnten und wollten. Es war eine böse Zeit.
Zunächst mußte sich aus der nun eintretenden Unabsetzbarkeit des roten
Steinzeugs ergeben, daß so gut wie alle Mühen und Kosten, die bisher auf dieses
12*
I
180 Die Porzellanfabrik.
verwandt worden waren, sich als völlig vergeblich herausstellten, daß sie einem
Kapital glichen, das kaum noch die geringsten Zinsen mehr trug. Verloren waren
damit alle bisherigen und zum Teil recht kostspieligen Erfahrungen, alle jene
Methoden, die sich nur auf die Herstellung dieses keramischen Produktes bezogen
hatten, und es stellte sich jetzt als ganz besonders verhängnisvoll heraus, daß
man so unmittelbar hintereinander zwei Produkte hergestellt und auf den Markt
geworfen hatte, die so eng miteinander verwandt waren, daß der Absatz des besseren
den des minder guten naturgemäß völlig verdrängen mußte. Mit anderen Worten:
Böttger, der vor allem den fernen Völkern des Ostens hatte Konkurrenz machen
wollen, war sein eigener Konkurrent geworden und mußte nun selber erfahren,
wie sehr ein solcher Konkurrenzkampf schädigen kann.
Daneben konnten auch die übrigen Unternehmungen Böttgers, die einen so
großen Teil der ihm zur Verfügung gestellten Gelder verschlungen hatten,
nur als noch völlig gewinnlose, ja, wenn sie weiter bestehen sollten, stets nur neue
Unterstützungen verlangende Anlagen angesehen werden. Mehrere derselben waren
damals ja sogar bereits wieder eingegangen, das in sie gesteckte Kapital demnach
völlig verloren, so die Schmelztiegel-, die Pfeifenfabrik und die Steinbäckerei.
Hinsichtlich der ersteren hatte sich bereits im vergangenen Jahre ^°^), als mit
sächsischen Erden Versuche gemacht worden waren, herausgestellt, daß sie, trotz-
dem diese Versuche sehr gut gelungen waren, wegen der geringen Absatzmöglichkeit
der erzeugten Produkte in keiner Weise rentabel sein würde. Man hatte hier dem-
nach aufs Geradewohl ein Werk begonnen, ohne sich auch nur im geringsten über
seine Rentabilität vorher informiert zu haben. Die Tabakpfeifenfabrikation war
gleichfalls an sich recht gut vonstatten gegangen ^o'). 10 000 Stück konnte Böttger
auf die Leipziger Michaelismesse des Jahres 1713 senden. Doch schon vorher
hatte sich der Meister, der freilich ein unordentlicher Geselle gewesen sein soll,
da er sich keinen weiteren Profit von dieser Fabrikation versprach, zurückgezogen,
und damit war, da Böttger keinen Ersatz für ihn fand, auch diese Fabrik an ihr
Ende gelangt. Böttgers erste industrielle Gründung aber, die Steinbäckerei, die
inzwischen sogar nach Meißen verlegt worden war und dort Rundgefäße herstellen
sollte, ging an der Unfähigkeit ihrer Arbeiter zugrunde. Im März des Jahres 1713
mußte der sogenannte ,, holländische" Meister und sein Geselle zum zweiten Male
entlassen werden, und damit war es auch mit dieser Fabrik zu Ende ^°^). Dagegen
entwickelte sich freilich die Rundbäckerei, die ja seit 17^12 ab. Peter Eggebrecht verpach-
tet war, bedeutend besser. Es gelang hier, wirklich brauchbare Rundgefäße herzu-
stellen. Doch Böttger hatte für die beiden ersten Jahre keine Pacht verlangt und
noch dazu 300 Taler Vorschaß zugesagt. Von Rentabilität dieses Unternehmens
konnte daher für ihn gleichfalls noch keine Rede sein.^°^) Die Schleif- und Polier-
mühle aber, die Böttger gleichsam als ein Vermächtnis Tschirnhausens damals sehr
am Herzen gelegen zu haben scheint, war eben erst unter sehr vielen Kosten
wieder aufgerichtet, worden ^^°), und vollends die Boraxfabrik, sie stand noch ganz
auf dem Papier, da für sie wegen des nicht erbauten neuen Brennhauses noch
Drohende Krisis. 181
immer kein passendes Lokal gefunden worden war. Böttger hatte demnach mit allen
seinen bisherigen Unternehmungen finanziell noch gar nichts erreicht.
So war es denn in der Tat kein Wunder, daß gerade damals, als die fabrik-
mäßige Herstellung des Porzellans gelang und man die ersten in Europa herge-
stellten Porzellanwaren auf den Markt brachte, die Manufaktur zu Meißen ungünstiger,
denn je dastand, ja geradezu vor einer Krisis, wie sie eine solche wohl kaum je wieder
erlebt hat: ihre ganze Existenz, die kaum begonnen, war schon wieder ernsthch
in Frage gestellt. Denn es fehlte in dieser Zeit einfach völlig an Geld, an Geld, um
die bisherige Fabrik weiter fortzuführen, an Geld, um die jetzt neu zu begründende
einzurichten. Gleich das Jahr 1713 setzte mit einem für Böttger äußerst schweren
Verlust ein: die gefährUche Vollmacht, die der König ihm. im Jahre 1712 erteilt
hatte, Geld aufnehmen zu dürfen, wofür er selber einstehen wollte ^'^), trug ihre
ersten verderblichen Früchte. Böttger hatte sich in seiner Not mit den wichtigsten
Geldleuten der Zeit, den Juden, eingelassen und war, geschäftsunkundig und auch
gleichgültig in Geldsachen wie er war, natürlich tüchtig von diesen übers Ohr
gehauen worden. Auf 2000 Taler gab er dem Könige gegenüber den Schaden an,
der ihm — wir wissen nicht genau, auf welche Weise — durch diese Wucherer erwachsen
wäre, ein Verlust, der, wenn er sich wirklich bis zu dieser Höhe erhoben hat, für
Böttger in dieser Zeit, da er bereits so arg in der Klemme saß und noch dazu eine
so besonders wichtige Aufgabe vor sich hatte, tatsächlich ein recht fataler gewesen
sein muß. Zumal er dadurch — wohl durch das Betreiben seiner nächsten Um-
gebung — auch noch in den Verdacht geriet, die Vollmacht des Königs mißbraucht
zu haben, ein Vorwurf, der selbst bis zu den Ohren des Königs gelangte und dort
auch wirklich einige Verstimmung erregt zu haben scheint, so daß Böttger sich
genötigt sah, sich vor dem Könige zu verteidigen und ihm zwei Kreditbriefe zu-
rückzugeben. Gleichzeitig hatte Böttger die große Enttäuschung erleben
müssen, daß auch eine Anweisung, die der König dem Hofjuden Jonas Meyer
betreffs eines Darlehens für Böttger während seiner Anwesenheit in Dresden ge-
geben hatte, ihm nicht das geringste nützte; denn sobald der König Dresden den
Rücken gewandt hatte, hatte sich jener nicht mehr um sein Versprechen ge-
kümmert 512)^ und so wollte sich auch diese Geldquelle, die an sich schon für Böttger
so ziemlich ein letztes Mittel bedeutet hatte, nicht auftun, und er war auch hier
wieder so weit wie zuvor.
Dabei verschlang die Fabrik damals jeden Monat ungefähr das Doppelte von
dem, was ihr zur Verfügung stand "'), und es fehlte für die Fabrikation an den
wichtigsten Materiahen: es fehlte das Brennholz, es fehlte der Colditzer Ton, selbst
das Material für die Kapseln "*), und so drohte der kostbare Sommer, wo, wie
Böttger angab, alles billiger zu haben wäre, gänzlich ungenutzt vorüberzugehen, ohne
daß man das neu gewonnene und so aussichtsreiche Produkt nun auch wirküch
hätte ausnutzen können. Dabei harrte auch alles noch seiner Bezahlung, die Ar-
beiter wie die ,, Oberbedienten". Und schon drohte eine allgemeine Fahnenflucht
zu beginnen, die Ratten das sinkende Schiff zu verlassen. Schon im Juni dieses
182 Die Porzellanfabrik.
Jahres reichte Steinbrück, sonst ein so ruhiger Mann, da er keine Bezahlung mehr
erhielt und darum lieber eine andere Stellung annehmen wollte, seine Entlassung
ein ^1^), zu gleicher Zeit auch der Direktor der eben erst wieder aufgerichteten
Schleif- und Poliermühle ^^^). Im November endlich verlor sogar auch Irminger,
der Goldschmied, die Lust an der Weiterarbeit, ^i') Allen vorangegangen
aber war der Inventor selber: schon am 4. Juni hatte auch dieser den Wunsch
seiner Entlassung ausgesprochen. "^) Es war sein zweiter freiwilliger Abdankungs-
versuch. Damit schien alles für die Fabrik verloren zu sein.
Böttger selber war in dieser Zeit in der traurigsten, niedergeschlagensten, ja
selbst in verzweifelter Stimmung, ein Beweis, wie sehr ihm das Schicksal seiner
Manufakturen wirklich am Herzen gelegen hat. Er schien, wie Steinbrück damals
berichtete ^^^), seiner bisherigen Verrichtungen, seiner Administration, ja des Lebens
selbst überdrüssig zu sein. ,,Da gehet er den ganzen Tag allein herum in seinen
Meditationen, da ist keine Lust, noch Munterkeit mehr in ihm: er ist zu allen
Dingen verdrießlich und darf man ihm öfters von vorfallenden Affairen nichts ge-
denken, bis der .allzugroße Chagrin wieder vorüber: In Summa es jammert einen
becht, wenn man sieht, wie er sich unaufhörlich martert und ängstiget, ohne daß
er dadurch etwas ausrichten kann." Und Steinbrück sprach dann gar die Befürch-
tung aus, ddiß> Böttger vielleicht, ,,wie wohl eher geschehen", seinen ,, Chagrin wieder
vertrinken möchte, wodurch er vor der Zeit alt und grau werde und eher sein Leben
erschließen müßte", eine Befürchtung, die, wie der spätere Ausgang dieser Ent-
wicklung zeigen wird, durchaus nicht ohne Begründung war.
Um das Unglück voll zu machen, verfiel Böttger nun auch noch in eine schwere
Krankheit, so schwer, daß damals an seinem Aufkommen ernstlich gezweifelt wurde.
Böttger war anfangs, als er nach Dresden kam, von stahlfe^ter Gesundheit und
großer Körperkraft gewesen. Aber das beschränkte Leben als Gefangener
durch so viele Jahre hindurch, der Verdruß über den Verlust seiner Freiheit in
so jungen Jahren, dazu die ihm immer mangelnde Fähigkeit, sich selber irgendwie
zu schonen, und schließlich die starke Neigung zu Spirituosen und Tabak, die er
sich, wie es so leicht zu geschehen pflegt, in seiner Gefangenschaft angewöhnt hatte,
hatten seine Gesundheit stark untergraben. Jetzt, da er so krank ward, fürchtete
man stark, daß er das Fleckfieber bekäme, was jedoch glücklicherweise nicht eintrat.
Aber er blieb mehrere Wochen in großer Hitze und Mattigkeit im Bett liegen,
und als er wieder aufstand, waren seine Augen dermaßen schwach geworden, daß er
nicht mehr schreiben und lesen konnte ^2°) und Steinbrück aus Meißen nach Dresden
berief, damit er ihm vorlese und für ihn schreibe, wodurch eben, wie erwähnt,
Steinbrücks guter Wille und Tatkraft für die Manufaktur fast völlig verloren ging.
Böttger hat sich von dieser Krankheit, wenn seine Augen mit der Zeit auch wieder etwas
besser wurden, nie wieder ganz erholt, vielmehr ging es von nun an mit seiner Gesund-
heit beständig bergab. Er hatte den Höhepunkt seiner Arbeitskraft überschritten.
Dennoch schrieb Böttger, kaum wieder hergestellt, Briefe über Briefe an den
König und an Nehmitz, als den Direktor der Fabrik, die beide damals in Warschau
Verschlimmerung der Lage. 183
waren, in denen er die ganze Lage seiner Manufakturen schilderte und dringend
um Abhilfe bat. An einem Tage schickten sogar Böttger und Steinbrück zugleich an
Nehmitz Briefe ab *2i). Davon war der sehr ausführhche Brief Steinbruchs sehr
sachlich und verständig gehalten. Er schilderte darin mit jener Klarheit und
Ge\Nissenhaftigkeit, die Steinbrück immer auszeichneten, die ganze damalige traurige
Lage der Fabrik sowie die Ursachen, die zu dieser geführt hatten, die natürhch
alle auf den chronischen Geldmangel hinausliefen. Böttgers Brief war dagegen sehr
erregt: ,,Bis anhero", so beginnt er, „habe nach Inhalt Ihrer Briefe die Manu-
facturiers mit guthen Worten bezahlet. Nunmehro aber, da vermöge Ihres letzten
Schreibens die 1000 Thaler in sehr harter Species empfangen, so werde mich be-
mühen, selbige damit auszuzahlen. Dieweilen mir aber die Münze ganz fremd
vorkombt, so werde sehen, wie weit sie solche acceptiren wollen. Es seynd bis dato
keine Kinder sondern lauter erwachsene Männer bey den Werken employirt ge-
wesen, welche schon vor langer Zeit von Selbsten gehen gelernt. Ich muß also
abwarten, was selbige nach meiner Vorstellung thun oder lassen werden." Längst
glaubte ja Böttger vollen Grund zu der Annahme zu haben, daß Nehmitz absicht-
hch nicht alles täte, um die Fabrik, so lange Böttger sie leitete, in Flor zu bringen.
Dies Mißtrauen gegen ihn zieht sich von jetzt ab fast durch alle seine Briefe hin-
durch, und Böttger hatte daher auch bereits, um wenigstens einen unparteiischen
Zeugen zu haben, den Rat Seebach, der, wie erwähnt, Mitglied der beiden letzten
Kommissionen gewesen war, nach Meißen gebeten, damit er den sicher bevor-
stehenden Untergang der Fabrik bezeugen könne ^^2). xjm aber der Not selber zu
steuern, hatte Böttger zunächst mindestens 1000 Taler verlangt, dann aber auch
eine gänzlich neue Organisation, d. h. die bisherige Leitung der Fabrik entweder
durch eine Sozietät oder eine einflußreiche Persönlichkeit zu ersetzen. Durchaus aber
war er gegen eine Direktion, wie sie bisher bestand: ,,So viel Köpfe, so viel Sinne",
das war für seine Ablehnung die Motivierung. Er hatte in dieser Beziehung
mit seinem Direktorium und den beiden Doktoren üble Erfahrungen genug ge-
macht 523).
In dieser Not konnte der König wieder als der einzige gelten, der helfen konnte.
Denn Böttgers Kredit, den der König ihm so weitherzig durch sein Dekret besiegelt
hatte, hatte sich als durchaus nicht genügend herausgestellt. Böttger selber
klagte, daß seine Obligationen und Wechselbriefe nicht angenommen würden
und sandte hierbei sogar jenes Dekret, das der König ihm im Juli des vergangenen
Jahres für den Hofjuden Jonas Meyer ausgestellt hatte, da es ihm ja doch nichts
genützt hatte, an diesen wieder zurück. Von der Kammer und der Generalakzise
aber war für ihn, nachdem sie schon bisher so widerwiUig ihm die vom Könige an-
gewiesenen Gelder herausgerückt hatten, eine Extrabewilhgung nicht mehr zu er-
warten. Rechnete sich doch erstere aus, daß sie allein bis zum November dieses
Jahres für Böttgers sämtliche Manufakturen bereits die statthche Summe von
31 346 Talern ausgegeben hätte, wofür Böttger freilich den Wert des Inventars
und des Warenvorrats in seinen Fabriken auf 60 000 Taler taxierte. Unglücklicher-
184 Die Porzellanfabrik.
weise war der König damals nicht in Dresden. Er hielt sich in Warschau auf. So
verging viel Zeit, bis ihn die Briefe, die ihm die traurige Lage der Fabrik schil-
dern sollten, erreichten und die Antwort zurückkommen konnte. Und dann schien
unglücklicherweise jetzt auch die Zeit gekommen zu sein, da der König, nach-
dem er zu diesen Manufakturen, die er ursprünglich als große und sichere Ein-
nahmequellen für seinen Staat zu gründen gemeint hatte, bisher nichts als Geld
hatte vorschießen müssen, die Geduld verlor, Anfangs wollte er daher die Antwort
auf Böttgers Bitten aufschieben bis zu seiner Rückkehr nach Dresden ^^4). Dann
aber, auf Böttgers unablässige Klagen hin gab er, nachdem er vorher anscheinend
zu gleichem Zwecke bei der Manufaktur eine größere Menge bar zu bezahlenden
Porzellans bestellt hatte, wenigstens eine Verfügung wegen — natürlich wieder kosten-
freier — Lieferung des damals so fehlenden Colditzer Tons ^^^), damit wenigstens
die Arbeit nicht länger stockte und nicht gänzlich zwecklos soviel Menschen be-
soldet würden. Bares Geld freilich wollte oder konnte auch er damals der Fabrik
nicht anweisen ^^6)^ und es war dem König vielleicht auch wirklich nicht ganz zu
verdenken, wenn er jetzt sich endlich scheute, in ein Unternehmen, das bisher so
wenig Aussichten auf Erträgnisse gezeigt hatte, noch weiteres Kapital hinein-
zustecken. So verfiel er auf einen Ausweg, der einer Gewaltmaßregel gleichkam:
er befahl — wahrscheinlich dem königlichen Leihamte — , daß Böttgern seine für
2100 Taler versetzten Juwelen ohne Entgelt ^^7) — der König entnahm dafür nur
eine Partie Porzellan — wieder herausgegeben werden sollten, damit er sie wieder
von neuem versetzen könnte, ein Finanzkunststückchen, das bezeichnend genug
ist für diese Zeit, da der absolutistische Wille eines Herrschers noch so ziemlich
alles vermochte. Hiermit war diese Krisis zunächst zu Ende. Böttger erhielt im
Juli vom Geheimen Kämmerer Steinhausen die Jawelen ausgeliefert und versetzte
sie in der beabsichtigten Weise, freilich nicht ohne einige Mühe und nicht ohne
daß er, der hierbei auf 2500 Taler gehofft hatte, sich wieder übervorteilt
glaubte 528).
Auf alle Fälle jedoch hatte Böttger auf diese Weise wieder etwas bares Geld
in die Hände bekommen, um wenigstens den allerwichtigsten Anforderungen des
Augenblicks Genüge leisten zu können. Im gleichen Monat schrieb er an Nehmitz
einen ruhigen, versöhnlichen Brief , in dem er ihm wieder Frieden anbot und gelobte,
seinen Feinden ,, durch Wohlthun feurige Kohlen aufs Haupt zu laden" ^^s). Von
einer Änderung in der Leitung der Manufaktur oder gar einer Abdankung Böttgers
war aber dann wieder nicht weiter die Rede. Der König selber scheint auch auf
den damaligen Wunsch Böttgers niemals recht eingegangen zu sein, und auch Böttger
sprach sich jetzt selbst gegen die Begründung einer Sozietät aus, obwohl es an sich
jetzt nicht schwer sein könne, eine solche zu finden 5^°). Nur scheint man damals
ernstlich an die Einrichtung jener bereits erwähnten Kommerziendeputation
gedacht zu haben, der alle Manufakturen des Landes unterstellt werden sollten.
Es sollten dadurch wirkliche Fachleute mit der Beaufsichtigung derartiger Anstalten
beauftragt werden, worüber Böttger große Freude empfand. Doch meinte er, dürften
Ungenügende Abhilfe. 185
derselben nicht allzu viele angehören, „denn mit vielen hält man Haus, mit wenigen
kommt man aus" ^^^). Er zeigte auch hier wieder die Furcht vor einer zu viel-
köpfigen Regierung, die er so gründlich kennen gelernt hatte.
Gleichzeitig aber erhielt nun Böttger im Frühling des Jahres 1714 etwas, was
ihm zunächst höher dünken mußte als alle Unterstützungen durch Geld und sonstige
schöne Dinge: am 19. April ward ihm vom König nach 13 jähriger Gefangenschaft
die Freiheit wieder geschenkt ^^^). Wir wissen nicht genau, was den König dazu
bewogen hat, Böttger gerade damals das zu geben, wonach er schon so lange
und so lebhaft, aber bisher immer vergeblich verlangt hatte. Wahrscheinlich hing
dieser Entschluß mit der damaligen Lage der Fabrik zusammen: die wieder-
gewonnene Freiheit sollte wohl auf der einen Seite Böttger Mut zu weiterer Arbeit,
andererseits ihm aber auch als eigentlichem Leiter seiner Anstalten mehr Bewegungs-
freiheit geben, ihn hierbei vor allem unabhängiger von dem Direktorium machen,
das ihm bisher ja doch nicht allzuviel genützt hatte. Auch war der König damals
wieder in Dresden und konnte sich so persönlich von den Leistungen und der
Tätigkeit Böttgers überzeugen, wie er denn auch 2 Tage nach jener Freilassung
noch einmal nach Meißen — wie es scheint zum letzten Male zu Böttgers Leb-
zeiten — hinausgefahren ist und dort die Fabrik aufs eingehendste untersucht
hat ^^3). Auf alle Fälle war dieser Akt der Freilassung von selten des
Königs damals Böttger gegenüber ein großes Vertrauensvotum. Er beweist,
daß seine Stellung beim König trotz der damals so mißlichen Lage der
Fabriken und trotz der Intrigen, die gegen ihn anscheinend im Gange waren,
damals in keiner Weise erschüttert war, daß der König sich vielmehr durchaus
schon auf seinen Charakter verheß und keineswegs befürchtete, daß Böttger, wie
es damals durchaus nicht ausgeschlossen zu sein brauchte, wegen des mißlichen
finanziellen Standes seiner Unternehmungen sich aus dem Machtbereiche des-
jenigen entfernen möchte, dem er hierfür allein verantwortlich war. Böttger war
vielmehr damals dem Könige noch immer der große Mann, von dem er so viel er-
hoffte, und dem er zugleich dankbar war für alles, was er ihm bereits geleistet hatte.
Er hat diesen Glauben an Böttger nie verloren.
Wenige Monate nach jener besonderen Gunstbezeugung befahl dann 'der König
seinem Statthalter, dem Fürsten von Fürstenberg, sowie seinem Geheimen Konsilium,
sich in seiner so häufig erfolgenden Abwesenheit von Dresden und Sachsen über-
haupt der neuen Manufakturen aufs eifrigste anzunehmen und ihnen ihren
vollen Schutz zuzuwenden.s34) Einen Monat später erhielt darauf Böttger vom Ge-
heimen Kabinett auf seinen eigenen Wunsch ein Dekret, laut dessen ihm die Admini-
stration der Manufaktur bis auf weiteres von neuem übertragen wurde mit der
ausdrücklichen Machtbefugnis, alles in ihr nach seinem Willen zu ordnen. Bediente
und Arbeiter nach seinem Ermessen anzunehmen und abzudanken u. dergl. m. ^^^).
Es ist dies, wie es scheint, das letzte Dekret gewesen, durch das Böttgers Stellung
zur Manufaktur geregelt worden ist. Er war nun frei und fast unumschränkter
Leiter seiner Gründungen.
186 Die Porzellanfabrik.
Doch freilich mit Wohltaten und Vergünstigungen und selbst der erneuten
Befestigung seiner Stellung war Böttger jetzt in seiner unglücklichen Lage nicht
mehr zu helfen. Immermehr machte sich die Unsolidität der ersten Anlage seiner
Fabriken für ihn fühlbar, die ganze Zerfahrenheit ihrer Leitung, die Eifersüchteleien
und Intrigen, die um sie gesponnen wurden. Unablässig forderten die aufgenommenen
Gelder ihre Zinsen, forderten die Fabriken ihre Zuschüsse und, da der König kein
Geld herausrückte und auch die für die Bezahlung der von ihm der Manufaktur
entnommenen Porzellane angewiesene Summe bei Böttger nicht eintraf, so blieb
diesem, sollten seine Unternehmungen nicht dem sicheren Bankrott verfallen,
in der Tat nichts weiter übrig, als weiter und immer weiter Schulden zu machen,
nur um mit dem einen Loch das andere verstopfen zu können. Damals, im Jahre 1714,
gelang es ihm, vor allem durch die Vermittlung eines Advokaten namens Vollhardt,
den er jetzt nach seiner Freilassung kennen gelernt hatte ^^^), den Kammerherrn
Baron von Gersdorff zur Hergabe von 2000 Talern gegen das Versprechen der Wieder-
gabe schon am 1. Februar des folgenden Jahres zu bewegen, wofür er ihm die ge-
samten Bestände der Fabriken sowie sein eigenes Vermögen verpfändete ^^').
Vollhardt scheint zu diesem Liebesdienst vor allem durch das Versprechen Böttgers
bewogen zu sein, an Stelle Steinbruchs, der einen Dienst in der Oberlausitz be-
kommen sollte, Inspektor der Meißner Manufaktur zu werden, ^^s) go hatte Böttger
wenigstens wieder etwas Geld in Händen und konnte für einige Zeit aufatmen.
Da aber traf Böttger und seine Manufakturen ein Schlag, wie er ihn damals wohl am
wenigsten erwartet hatte, und wie er auch damals für die Manufakturen kaum weniger
schlimm kommen konnte: am 29. Dezember dieses Jahres ließ der König Böttger
von Warschau aus melden, er wolle für die Manufakturen künftig kein Geld mehr
hergeben, sie sollten sich von nun an selber erhalten ^^^), und am 1. Januar 1715
wurde dieser Beschluß des Königs förmlich zum Dekret erhoben ^^°). In der Tat
sind vom 1. Januar des Jahres 1715 die regelmäßigen Besoldungen Böttgers so
gut wie ganz eingestellt worden. Nur die 100 Taler, die er jeden Monat aus der
Rentkammer empfangen hatte, sind ihm auch weiter noch zugestellt worden ^*^).
Was aber sollte ihm diese kleine Summe nützen gegenüber den vielen finanziellen An-
forderungen, die damals an ihn gestellt wurden, und dem fast gänzlichen Versiegen
aller übrigen Hilfsmittel ? Es war in der Tat ein herber Schlag für ihn.
Wir wissen nicht, wodurch der König damals so plötzlich zu diesem für Böttger
so grausamen und auch ihm selber so schweren Schaden drohenden Entschluß
gelangt ist, der seinem ganzen bisherigen und auch seinem späteren Verhalten den
j5öifgerschen Gründungen gegenüber so gar nicht entsprach. War ihm wirklich damals
Böttger und seinen ununterbrochenen Geldforderungen gegenüber die Geduld ge-
rissen, oder hatten jene Leute — der Kammerrat Nehmitz war ja gerade damals
in Warschau — , jene ,, Antagonisten", wie Böttger sie damals zu nennen pflegte,
die Böttger nicht wohlwollten und ihm in seinen Unternehmungen absichtlich
nicht zu unterstützen schienen, endlich beim König ihm gegenüber den Sieg
davongetragen. Denn Böttger und seine Gründungen scheinen nun wirk-
Die Vollhardtsche Sendung. 187
lieh ganz in das Intrigenspiel des Hofes geraten zu sein, an dem bei einem durch
Schmeicheleien und große Versprechungen nur zu leicht zu gewinnenden Ober-
haupt auf krummen und versteckten Wegen gar leicht zu erreichen war, was offene
und gerade nicht zu gewähren vermochten, und wo die Selbstsucht und der Ehr-
geiz daher nur zu oft ein leichtes Spiel fanden. In der Tat fehlt es jetzt nicht an
sicheren Anzeichen, daß damals irgend etwas Schlimmes gegen Böttger im Gange
war: sein Petschaft, mit dem er seine persönlichen Briefe, darunter auch seine
,, Handbriefe", an den König zu siegeln pflegte, war ihm abhanden gekommen^^^),
und gleichzeitig erfolgte auf seine sämtlichen Briefe an den König nach Warschau,
worin er ihm vielerlei wichtige Mitteilungen gemacht hatte, u. a. auch, daß sich
jetzt einige Kaufleute bereit erklärt hatten, gegen gewisse vom König zu appro-
bierende Bedingungen die Manufakturen zu übernehmen ^^^), ferner auch um Er-
stattung von Vorschüssen gegen Porzellanlieferungen gebeten ^^*) hatte, nicht die
geringste Antwort. Es war Böttger daher bei seinem nun einmal vorhandenen und
wohl nicht gerade unbegründeten Mißtrauen durchaus nicht übel zu nehmen, wenn
er jetzt die starke Vermutung hatte, es sei mit seinen Briefen mittelst des ver-
schwundenen Petschafts beim König Mißbrauch getrieben worden und er durch
diese wie auch durch andere Machenschaften seiner Gegner beim Könige, seinem
bisherigen Gönner, völlig in Ungnade gefallen.
In dieser Not beschloß Böttger, um das ganze Netz dieser vermeintlichen
Intrigen auf einmal zu durchbrechen, mit aller Energie vorzugehen und dasjenige
Mittel anzuwenden, das ihn in dieser Angelegenheit am sichersten zum Ziele zu
führen schien: er beschloß, einen Vertrauten direkt nach Warschau an den König
zu senden und ihn durch diesen über die ganzen Verhältnisse der Manufakturen
und ihre traurige Notlage aufzuklären. Zu diesem Vertrauten aber ward der eben
genannte Advokat Vollhardt ernannt, der, da er sich bei der Vermittlung der
von Gersdorffschen Gelder selber stark verpflichtet hatte, wohl selber ein großes
Interesse an der Weiterentwicklung der Manufakturen gehabt haben wird. Diesem
gab Böttger im Februar eine ganze Reihe von Briefen, Berichten und Vorschlägen
an den König mit, nebst genauester Instruktion für einen eventuellen mündlichen
Vortrag beim Könige ^^^), und schon wenige Wochen später traf Vollhardt in Warschau
mit Pferden und Bedienung ein ^*^).
In diesen Schriftstücken hatte Böttger zunächst ausführhch den Grund der
Sendung Vollhardts angegeben, er hatte die Entwendung seines Petschafts mit-
geteilt, auf die Intrigen seiner Feinde hingewiesen, dann auf den drohenden Ruin
der Fabriken aufmerksam gemacht, durch den mit Sicherheit unermeßlicher
Schaden für den König zu erwarten wäre, da dadurch nicht nur seine ,,Gloire"
sinken, sondern auch sein Land die schwerste finanzielle Einbuße erleiden
würde. Denn nicht nur würde alles bisher aufgewandte Kapital verloren sein,
die sich verlaufenden Arbeiter würden Veranlassung geben zur Aufrichtung gleicher
Fabriken an anderer Stelle, das ganze bisher so sorgsam behütete Geheimnis des
Porzellans stände demnach ernstlich in Gefahr u. dergl. m. Zur Verbesserung und
188 Die Porzellanfabrik.
Weiterführung der Fabrik hatte er dann drei Vorschläge gemacht : es sollte ent-
weder die Fabrik ihm, Böttger, auf Lebenszeit als Eigentum überlassen oder Kauf-
leuten übergeben werden oder auch schließlich dem Könige verbleiben. Im übrigen
aber betonte Böttger mit ganz besonderem Nachdruck, daß an sich die Fabriken
durchaus in gutem Stande wären, daß ihr Wert an Waren, Inventar und Gebäuden
sich auf nicht weniger als 150 000 Taler beliefe, wodurch die bisherigen Zuschüsse
des Königs bei weitem übertroffen würden, und gab schließlich dann als Ursache
ihrer bisherigen Unrentabilität eine ganze Reihe von Gründen an, die alle den
beständigen Geldmangel und die vielen Nebenausgaben zur Grundlage hatten.
Käme es aber zu einer persönlichen Audienz beim Könige, dann sollte Voll-
hardt ihm mitteilen, daß Böttger zwar schon Quittungen für das ihm, dem Könige,
zugesandte Porzellan erhalten habe, aber noch durchaus kein Geld, vor allem aber
ihn darum bitten, die so plötzlich ausgefallenen Monatsgelder ihm wieder anzuweisen,
desgleichen wenigstens die dringendsten Schulden zu bezahlen; dafür wolle
er für die von ihm selber mittelst der aufgenommenen Gelder gemachten Vorschüsse
kein bares Geld vom Könige verlangen, sondern ihm wiederum Porzellan liefern,
das er dann zu bezahlen hätte. Würde dann aber derjenige von seinen drei Vor-
schlägen angenommen, der ihm die Fabrik nehmen würde, dann sollte Vollhardt
dafür Sorge tragen, daß ihm eine Pension ausgesetzt würde, wofür er sich ver-
pflichte, auch weiter im Interesse des Königs zu arbeiten und neue Erfindungen
zu machen.
In Warschau hatte Vollhardt nur zu bald Gelegenheit, zu erkennen, daß Böttgers
Vermutungen hinsichtlich der Machenschaften seiner Gegner nicht so ganz un-
richtig gewesen waren: Monate lang mußte er warten, ohne daß er beim Könige
vorgelassen wurde. Böttger geriet darüber in Verzweiflung. An sich schon in schlech-
tester Stimmung, da er sich seinen einen Arm stark verletzt hatte und zeitweilig
auch bettlägerig war, schrieb er Briefe über Briefe an Vollhardt, den er zu weiterem
Ausharren ermahnte und richtete am 18. April ein erneutes Schreiben an den König
in so kläglichem Tone, wie er wohl wenige an ihn abgefaßt hat. ,,Ich weiß wohl, daß
ich ein^Mensch bin, welcher Fehlern und Schwachheiten unterworfen ist, so daß es
leicht hätte mögen seyn können, entweder durch den Trunk oder aus anderen
Uhrsachen Fehler zu begehen, welche man dann zu exaggeriren nicht würde er-
mangelt haben", so beginnt dieses Schriftstück. Dann spricht er die Vermutung
aus, daß der König ihm allen Anscheine nach jegliche Subsistenz benehmen wolle,
obwohl er seit dem Ausgang des Jahres 1714 keine weitere Beihilfe vom Könige
verlangt hätte ; aber er hätte doch gehofft, daß er die getanen Vorschüsse, die sich
auf über 9000 Taler beliefen, durch Porzellanlieferungen hätte wieder ausgleichen
dürfen. Statt dessen hätte er sich, völlig ohne Unterstützung gelassen, wieder
mit fremden Leuten einlassen müssen, und nun sei er in der schlimmsten Lage.
„Meine Eltern"^*'), so fährt er fort, „fangen bereits an zu weinen und zu winseln und
zu wehklagen, meine Freunde aber werden traurig, betrübt und lassen allmählich
die Hände sinken. Meine Feinde werden hingegen aufgeblasen, fangen schon an
Die VoUhardtsche Sendung. 139
über mein Unglück zu frohlocken, und mögen gedenken, durch diese Gelegenheit
mich dahin zu verleithen, etwas zu begehen, welches meinem Gewissen und meiner
Seele nachtheilig, meiner Ehre aber höchst schädlich sein könnte." Und er bittet
dann schließlich, zu bedenken, daß er seine neuen Werke sonder Vorlag und Vor-
schuß aufzurichten gehabt hätte und daß diese trotzdem in gutem Stand wären
und ihr Gesamtwert 150 000 Taler betrüge, daß demnach ihre anscheinend so un-
günstige Lage durchaus nicht zu verwundern wäre.
Doch auch dieser Brief, so wehmütig und eindringlich er war, verfehlte, wenn
er wirklich dem Könige zu Gesichte kam, völlig seine Wirkung. Plötzlich im Mai
erhielt Vollhardt, ohne die geringste ,,allergnädigste Resolution" vom König er-
halten zu haben, den Befehl, von Warschau abzureisen. Doch gelang es ihm trotz-
dem, noch eine allerdings ergebnislos verlaufene Audienz beim Könige zu erlangen.
Als er hierauf aber beim Grafen von Werthern sich verabschiedete und seine ihm
von Böttger übergebenen Papiere zurückverlangte, die er dem Kammerrat Nehmitz
und dem Kriegsrat Holzbrinck, als er einmal krank darniederlag, auf einen
angebhchen Befehl des Königs ausgehändigt hatte, da stellte sich zu seinem
nicht geringen Erstaunen heraus, daß eins der allerwichtigsten Schriftstücke Böttgers
fehlte, dagegen sich unter ihnen das angeblich von Böttger selber entworfene Kon-
zept zu einer „allergnädigsten Resolution" befand, die den Interessen Böttgers
schnurstracks zuwiderlief, um so mehr aber den Privatinteressen gewisser anderer
günstig war. Damit schien der Beweis für ein Intrigenspiel gegen Böttger erbracht
zu sein, und Vollhardt verfehlte nicht, dem Könige die Feststellung dieser Tatsachen
in einem Briefe mitzuteilen und ihm gleichzeitig, nachdem er nun bereits
seit 20 Wochen in Warschau sich aufhalte, nun doch noch um eine Resolution zu
bitten. Auch wollte ihm der Graf von Werthern damals eine neue Audienz beim
Könige verschaffen.
Es ist indessen nicht bekannt, ob diese Audienz damals wirklich statt-
gefunden und wie weit sie in diesem Falle Erfolg gehabt hat. Sicher ist nur, daß
Böttger wenigstens das Geld für das Porzellan, das er dem König geUefert hatte,
nun wirklich erhielt und daß er von nun an wieder häufiger an den König schrieb,
wobei er sich aber jetzt — wohl aus Mißtrauen — merkwürdigerweise der franzö-
sischen Sprache bediente. In allen diesen Briefen aber hielt er es für nötig, sich
aufs neue gegen eine ganze Reihe von Anschuldigungen zu verteidigen, die, wie
er wieder angab, nur ersonnen wären, um ihn als Leiter der Fabrik um allen Kredit zu
bringen. Denn er wäre niemals schroff gegen die Arbeiter gewesen und hätte auch
nie die besten, wie man ihm vorgeworfen, abgedankt, auch hätte er niemals Geld
für sich vertan, um ein üppiges Leben zu führen, wie er ja auch nichts Eigenes
besäße. Sollte er aber etwa am Anfange seiner wiedergewonnenen Freiheit einen
oder den anderen Fehler — ,, daran ich mich doch keineswegs zu erinnern weiß" —
begangen haben, so lebe er der alleruntertänigsten Zuversicht, Seine Majestät
würden mit Rücksicht auf seine lange Einsamkeit ihm dies ,,pardonniren". Dagegen
sei ihm aber in der schlimmsten Weise von seinen Gegnern mitgespielt worden. Denn
190 Die Porzellanfabrik.
Dr. Bartelmei hätte nicht die Massen bereitet, Dr. Nehmiiz nicht die Glasuren,
damit in der Fabrik nicht weiter gearbeitet werden könne; man suche zu verbreiten,
er wolle den König verlassen und sich zu einer anderen ,, Macht" begeben, und auch
die Arbeiter würden gegen ihn aufgehetzt, indem man ihnen mitteilte, er würde
bald seines Amtes entsetzt werden. Auch wüßte er, daß man dem Könige ein ganzes
Register von Schulden vorgelegt hätte, die er nie gemacht, desgleichen auch
eine ganze Reihe vonProjekten, die er nie beabsichtigt hätte, u.dergl. m. ^^^). Gleich-
zeitig scheint er dann aber neue Vorschläge betreffs der Fortführung der Manu-
fakturen gemacht zu haben. Darnach sollte der König ihm die Direktion der Manu-
fakturen zwar noch weiter überlassen, ihm aber dafür die letzten Vorschüsse in
der Höhe von 3000 — 4000 Taler wieder vergüten, die dann in Form von Porzellan-
waren zurückerstattet werden sollten, dann aber zugleich irgendeine Person er-
nennen, die dem Werke mit beistehen und berichten sollte, wozu die ihm zur Ver-
fügung gestellten Gelder verwandt würden. Sie sollte auch die Schlüssel zu den
Kassen haben ^*^). Es scheint, daß Böttger so am besten zu verhindern hoffte,
daß seine Gegner von neuem ihn beschuldigen könnten, daß er die für die Manu-
fakturen ausgesetzten Gelder für seine eigene Person verwende.
Wir wissen nicht genau, was schließlich der Enderfolg aller dieser fast leiden-
schaftlichen Bemühungen Böttgers gewesen ist, wie weit sie den Einfluß seiner
Gegner beim König lahmgelegt haben, und ob er damals gleich die volle Gunst bei
ihm wieder gewann. Nicht unmöglich ist es, daß der König vorübergehend
die Absicht gehabt hat, Böttger, der bisher ja nur Administrator seiner
Fabriken war, auch an Stelle von Nehmitz zum Generaldirektor derselben zu machen,
die man ihm dann ,,wie bishero" — so lautet merkwürdigerweise der Ausdruck —
„gäntzlich und eigentümlich" bis an sein Lebensende überlassen wollte. Gleich-
zeitig sollte er zum Bergrat ernannt werden ^^°). Inspektor aber sollte dann,
damit 5ö^^ger in seinen Arbeiten erleichtert würde und sich seinen vielen anderen Ver-
pflichtungen ungestörter hingeben könne, der Advokat Vollhardt werden. Er würde
damit Steinbrück bei Böttger verdrängt haben ^^^). In Wirklichkeit aber scheint
der König schließlich nur das bereits im Jahre 1714 vom Statthalter und dem
geheimen Konsilium ausgestellte Dekret, nach dem Böttger bis auf weiteres die ganze
Administration der Porzellanmanufaktur behalten sollte, erneuert zu haben, jetzt
aber mit der Gültigkeitsdauer bis zu seinem Tode. Dafür sollte er sich nur ver-
pflichten, die Arcana nicht zu verbreiten, die Mitwisser derselben richtig zu be-
zahlen, vom Inventar der Fabriken nichts zu ruinieren oder abhanden kommen zu
lassen, dem Könige Porzellan gegen Barzahlung zu liefern und von allen verfertigten
Waren zwei Proben bei der Manufaktur zu belassen, im übrigen aber den Fabrik-
betrieb nach Kräften zu verbessern und auch die Arkanisten richtig anzuleiten.
Für die Schleif- und Poliermühle dagegen wollte der König merkwürdigerweise
damals noch weiter jeden Monat einen Zuschuß von 100 Talern leisten. Es ward
mithin schließlich von Böttgers drei durch Vollhardt dem König in Warschau über-
mittelten Vorschlägen derjenige angenommen, durch den die Porzellanfabrik, auf
Die erste Konkurrenzfabrik. 191
die der König, weil er dadurch allen übrigen Fürsten überlegen war, so besonders
stolz war, ihm und seinem Lande erhalten blieb, ohne daß sie diesem scheinbar
noch Kosten verursachte.
Inzwischen jedoch hatte sich außerhalb Meißens und Sachsens etwas ereignet,
das für die ganze Weiterentwicklung der Meißner Manufaktur die schlimmsten
Folgen haben konnte: Plötzlich im März dieses Jahres hatte sich der Ruf verbreitet,
es sei in Preußen, dem Nachbarlande Sachsens, dem man einst die so wertvolle
Person des Erfinders entzogen hatte, in dem Orte Plane an der Havel, auf dem
Schlosse des preußischen Ministers von Görne eine Fabrik angelegt worden, die
imstande wäre, gleichfalls Porzellan herzustellen und sich anschickte, der Meißner
Manufaktur ernsthafte Konkurrenz zu machen. Ja, das Gerücht ging sogar noch
weiter und behauptete, daß die zur Herstellung des Porzellans nötigen Materialien
für diese Fabrik viel billiger zu haben wären, als für die Meißner, und daß auch
die Arbeitslöhne dort viel niedriger wären, daß mithin diese Fabrik von vornherein
auf einer viel besseren Basis stände als jene und ihr daher in der Tat wohl die
empfindlichste Konkurrenz würde machen können ^^2).
Diese beunruhigende Nachricht war inzwischen auch dem Könige nach
Warschau durch den sächsischen Gesandten in Berlin gesandt worden, und dieser
hatte hierauf höchst erregt diese Mitteilungen an Böttger senden lassen mit der Auf-
forderung, sich hierüber zu erklären. Vor allem sollte er angeben, ob er jemanden
aus der Fabrik entlassen oder ob jemand von dort entwichen sei. In der Tat war
auch Grund zu solcher Aufregung genug vorhanden: denn etwas Schlimmeres
konnte der jungen Fabrik in ihrer damaligen Lage wohl kaum zustoßen, als die
Begründung einer Konkurrenzfabrik, die sie mit einem Schlage um ihren Haupt-
vorzug hinsichtlich ihrer Rentabilität zu bringen drohte : um ihre, von China und
Japan abgesehen, völlige Konkurrenzlosigkeit in Europa.
Tatsächlich stellte sich nur zu bald heraus, daß hier der, wenn auch nicht
an sich erste, so doch der erste anscheinend wirklich geglückte Versuch vorlag,
eine der Böttgerschen Erfindungen nachzumachen. Denn es hatten allerdings schon
vorher im Jahre 1713 ^^^) zwei Arbeiter Böttgers, die aber nicht einmal in der Por-
zellanfabrik, sondern nur in der Rund- und Steinbäckerei, hier freilich zum
Teil in Meißen gearbeitet hatten, sich heimlich dort einen Ofen gebaut und Por-
zellan nachzumachen versucht. Als sie dann aber auch einen Massenbereiter und
Brenner aus der Manufaktur hatten an sich locken wollen, war die Sache ans Licht
gekommen, die Leute waren verhaftet worden, dann aber, da sich bald heraus-
stellte, daß ihre Versuche durchaus lächerlicher Art gewesen waren und sie vom
Porzellan auch nicht die geringste Ahnung besaßen, wieder entlassen worden. Dies-
mal jedoch lag die Sache bedeutend ernster. Ein ehemahger Arbeiter Böttgers,
Samuel Kempe mit Namen, der aber niemals in der Manufaktur zu Meißen ge-
arbeitet, vielmehr nur ,, Handarbeit" in Böttgers Laboratorium auf der Jungfer
geleistet hatte, hatte dem Minister Görne in Berlin seine Dienste angeboten, indem
er vor allem angab, für die Porzellanfabrikation vortreffliche neue Öfen erfunden
192 Die Porzellanfabrik.
zu haben. Dies hatte dann zur Begründung der Fabrik in Plane Veranlassung
gegeben. Dieser Kempe hatte übrigens immer für ein höchst verdächtiges Indi-
viduum gegolten. Er war ursprünglich Bergmann in Freiberg gewesen, von dort
Diebereien wegen entwichen; dann hatte ihn Tschirnhausen in sein Laboratorium
aufgenommen. Aber nach dessen Tode war er von neuem des Diebstahls über-
führt ^^*) und auf 5ö«ger5 Veranlassung zwei Jahre lang auf der Festungswache ge-
fangen gehalten worden. Da aber hier seine Gesundheit stark litt, er allem
Anscheine nach auch große Reue an den Tag legte, so hatte Böttger, der immer
ein gutmütiger Mensch gewesen ist, sich seiner erbarmt, ihn unter dem festen Ver-
sprechen völliger Besserung wieder in Gnaden aufgenommen und ihn in der oben
bezeichneten Weise in seinem Laboratorium beschäftigt. Dann war er, nachdem
er inzwischen bei Böttger wieder in Ungnade gefallen war, plötzlich unsichtbar
geworden. Doch Böttger hatte hierauf nicht allzuviel acht gegeben. Selbst als er
erfuhr, daß er in Brandenburg wäre und dort Böses vor hätte, gab er sich doch
keine große Mühe, obwohl sich Gelegenheit dazu bot, ihn zurückzuholen, entweder
weil er ihm doch nicht allzuviel zutraute, oder weil es ihm an Geld fehlte, ihn wieder
zurückzugewinnen. Auch scheint Böttger hinsichtlich der Bewahrung seiner Arkana
überhaupt immer etwas leichtfertig gedacht und in dieser Beziehung bei weitem
nicht alle Vorsicht angewandt zu haben, die man wohl von ihm hätte er-
warten können. Denn stolz darauf, so viel Bedeutendes und Nützliches, von andern
bisher nie Gefundenes aus eigener Kraft aufgefunden und fertiggestellt zu haben,
glaubte er nun auch ganz allein derartiges zuwege bringen zu können, und zu
Steinbruchs nicht geringem Schrecken hatte er oftmals sich gerühmt, er wollte
ruhig die Materialien, die Öfen und alles übrige zu seinen keramischen Erzeugnissen
Erforderliche jedermann zeigen, es würde doch niemand mit diesen Dingen reüs-
sieren. Nun aber, als die so beunruhigenden Nachrichten aus Plane eintrafen
und als eigentlicher Urheber der dortigen gefährlichen Unternehmungen sein
früherer Arbeiter Kempe sich herausstellte, mußte er doch einsehen, daß er sich
betreffs dieses bedenklich geirrt hatte, mußte er erkennen, daß der Spitzbube doch
auf irgendeine Weise sich Kenntnis von den Arkanis verschafft hatte und allem
Anscheine nach wirklich imstande war, von seinen Erfindungen Gebrauch zu machen
und seiner Manufaktur ernstlichen Schaden zuzufügen. Die ganze Sache war jetzt,
im Jahre 1715, da sie allgemeiner bekannt ward, für Böttger fatal genug, nament-
lich in Anbetracht seiner damaligen äußerst traurigen Lage und des ziemlich
dreisten Gebarens seiner Gegner, die, wie er fürchtete, sicherlich auch dies Ereignis
wieder zu seinen Ungunsten auszunutzen trachten würden. Er mußte in der Tat
befürchten, daß dadurch sein gerade damals allem Anscheine nach beim König
stark erschüttertes Ansehen nun noch mehr leiden würde.
Für Böttger war daher die wichtigste Aufgabe, zunächst einmal festzustellen,
was diese Fabrik, von der jetzt soviel Aufhebens gemacht wurde, nun eigentlich
wirklich zu leisten vermöchte. Hierzu reichte ihm diese bald selber die Hand.
Es waren von dort Briefe an einen der Töpfer der Rundbäckerei in Altdresden
Die erste Konkurrenzfabrik.
193
Abb. 71. BStt^erporzellan. Formen von Theekannen.
König-l. Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Theekanne in der Mitte zi cm.
gesandt worden, mit der Aufforderung, heimlich ethche gute Dreher und Former
für Plane zu gewinnen, welche Briefe jedoch in Böttgers Hände gerieten. Böttger
freilich, der in dieser Zeit wieder einmal besonders argwöhnisch war, hielt diese
Briefe zunächst wieder für eine Intrige, allem Anscheine nach dazu bestimmt,
ihm die besten Arbeiter der Fabrik zu ,, korrumpieren". Er sandte sie deshalb dem
Könige nach Warschau, zugleich mit der Versicherung, daß man sich vor der neuen
Fabrik nicht allzusehr zu fürchten habe. Gleichzeitig jedoch bediente er sich ihrer
mit großem Geschick, um mit ihrer Hilfe einen Spion direkt ins feindliche Lager
zu senden. Der schon mehrfach genannte Mehlhorn, dem damals Böttger in der
Tat viel Zutrauen geschenkt haben muß, mußte der Fabrik in Flaue auf diese
Briefe hin seine Dienste anbieten, auch gleich Porzellanproben, als angeblich von
ihm selbst fabriziert, hinsenden, und schon am 15. April traf er in Plane ein.
Er spielte hier seine Rolle mit großer Umsicht. Vier Tage lang konnte er ungestört
Umschau halten, nach welcher Zeit er seiner Verpflichtung gemäß wieder nach
Dresden zurückkehrte*"). Sein Bericht kann freilich damals ßö^iger nur halbe Freude
bereitet haben: die rote Masse und die Öfen dazu, alles war hier bereits vorhanden
und recht gut ; es fehlte nur die schwarze Glasur und dann glücklicherweise völlig
das Porzellan. Dagegen schien auch hier die finanzielle Lage der Fabrik durchaus
nicht erfreulich, ja, der Herr von Görne sogar gar nicht abgeneigt zu sein,
gegen eine bestimmte Summe die kaum begründete Fabrik dem Könige von
Polen abzutreten. Tatsächlich war bereits der Kammerrat Nehmitz, der gleich-
falls in dieser Zeit nach Plane gefahren war, mit Herrn von Görne über diesen Punkt
in Verbindung getreten und hatte auch ein Projekt ausgearbeitet, demzufolge beide
Fabriken vereinigt werden sollten, wofür freilich Görne die gesamten Unkosten in
Gestalt vieler Tausende von Talern zurückerstattet haben wollte. Er hoffte auf
diese Weise die Konkurrenz, die von dieser Fabrik aus drohte, völlig beseitigen
zu können.
Zimmermann, Meißner Porzellan.
13
194 Die Porzellanfabrik.
Doch Böttger vermochte eine wirkliche Gefahr für die eigene Manufaktur
in der Begründung dieser Konkurrenzanstalt nicht zu erblicken. Von dem Plan,
beide Fabriken zu vereinigen und dafür eine Unsumme Geldes auszugeben, wollte
er nicht das geringste wissen. Vielmehr schickte er einen weitläufigen Bericht
an den König, in dem er von neuem versicherte, daß die neue Fabrik in keiner
Weise der Meißner Manufaktur schaden könnte; denn diese sei ja schon viel zu weit
voraus und arbeite viel besser und billiger als jene, auch hätte man in Sachsen
die Materialien im Lande selber, während man in Flaue sie erst aus Sachsen holen
müsse, was man ja mit Leichtigkeit verbieten könne. Viel vernünftiger würde es
dagegen sein, das Geld, das man zum Ankauf jener Fabrik verwenden wolle, zur
Unterstützung der eigenen zu benutzen, die dann vollends imstande sein würde,
das Aufkommen der andern zu verhindern. Man sieht, Böttger suchte mit ziemlicher
Schlauheit, aus der Anlage der Konkurrenzanstalt sogar noch Kapital für die eigene
zu gewinnen. Dagegen führte er freilich den wichtigsten Grund, der gegen den
Ankauf dieser Fabrik damals sprach, in keiner Weise an, daß nämlich das rote
Steinzeug ja nach der Herstellung des wirklichen Porzellans, wie alle bisherigen
Messen und sonstigen Verkaufsgelegenheiten zur Genüge gezeigt hatten, damals
als gar kein irgendwie kuranter Artikel mehr aufzufassen war, daß demnach eine
Fabrik, die sich allein auf diesen zu stützen hatte, bald genug von selber zugrunde
gehen mußte. Wahrscheinlich trug Böttger deshalb Bedenken, dies Argument dem
Könige mitzuteilen, weil er dadurch ja gleichzeitig einen großen Teil seiner
eigenen bisherigen Tätigkeit als ziemlich nutzlos dargestellt haben würde, was gerade
damals dem Könige mitzuteilen, doch wohl durchaus nicht zweckmäßig gewesen wäre.
Glücklicherweise drang Böttgers vernünftige und ruhige Meinung damals beim
König durch, wahrscheinlich schon, weil sie weniger kostspielig war als Nehmitz'
Vorschlag. Man ließ die Fabrik in Plane ruhig weiter arbeiten und kümmerte sich
nicht mehr allzuviel um sie. Nur fuhr Böttger zur Michaelismesse dieses Jahres mit
Steinbrück zusammen nach Leipzig, um dort die etwa 60 Stücke der Fabrik, die
dort bereits ausgestellt waren, zu besichtigen, die sich aber alle als viel schlechter,
namentlich hinsichtlich ihrer Schwere, ihrer Formen und ihrer Ausführung, daneben
aber auch noch viel teurer als seine eigenen Erzeugnisse herausstellten. Doch auch
das Geld, das Böttger bei dieser Gelegenheit erbeten hatte, um seine Manufaktur
konkurrenzfähiger gegenüber der neuen zu machen, traf nicht ein. Es blieb alles
beim alten, und Böttger hatte so auch aus dieser an sich so fatalen Angelegenheit
keinen weiteren Nutzen für seine Fabrik erlangen können.
Inzwischen aber hatte der ewige Geldmangel und das plötzliche Stocken der
bisherigen Zuschüsse des Königs für die Fabrik die übelsten Früchte getragen: es
war endlich doch der immer so sehr gefürchtete Moment da, wo Böttger die Arbeiter
der Manufaktur für längere Zeit nicht mehr hatte bezahlen können. Im allgemeinen
hatten sich freilich diese Arbeiter als fleißige und ruhige Leute erwiesen, die, weil
sie arm und meist verheiratet und mit Kindern versehen waren, dazu auch ver-
hältnismäßig hohen Lohn erhielten, zunächst auch kaum irgendeine Veranlassung ge-
Verhalten der Arbeiter.
195
habt hätten, sich ungebührlich zu benehmen, Sie arbeiteten fleißig in der Manu-
faktur, obwohl sie dort eigentüch, wie Böttger in Anspielung auf die mangelhafte
Leitung der Fabrik selber sagte: doch ,, Schafe ohne Hirten" wären. Nur ent-
standen jetzt immer häufiger Reibereien und Eifersüchteleien durch die scharfe
Trennung der einzelnen fast hermetisch voneinander abgetrennten Abteilungen
der Massenbereitung und der des Brennens. Auch war es für die Disziphn dieser
Leute natürlich durchaus nicht günstig, daß, da Bv.Bartelmei und Nehmitz sich jetzt
fast gar nicht mehr um die Leitung der Fabrik kümmerten, ihr Betrieb nur noch
durch zwei Arbeiter, wenn auch durch die erfahrensten und von Böttger am meisten in-
struierten, aufrecht erhalten wurde. Denn es
liegt in der Natur des Menschen, daß man wilhger
seinem wirkUchen Vorgesetzten, als Seines-
gleichen gehorcht. Dann aber scheinen
auch die Widersacher Böttgers bisweilen ab-
sichtlich die Arbeiter aufgehetzt zu haben, um
durch eine Störung oder Hemmung des Betriebes
Böttger beim König in Mißkredit zu bringen ^^ß).
Dennoch konnte Steinbrück noch im Jahre
1717 dem Könige berichten, daß man bisher
noch gar keinen Gebrauch von der der Ma-
nufaktur verliehenen höheren Jurisdiktion zu
machen gehabt hätte. Von kleinen Strafen
abgesehen, hätte sich alles so ziemlich von
selber reguliert ^^'). Gefährlich aber konnten
alle diese Leute dann werden, wenn ihnen ihr
Lohn, auf den sie und die Ihrigen völlig ange-
wiesen waren, gar nicht oder wenigstens nicht
zur richtigen Zeit ausgezahlt wurde. Darum
hatte man hierfür bisher stets die größte
Sorge getragen : der König, die Kommissionen,
alle hatten sie über diesen Punkt immer die
eingehendsten Nachforschungen angestellt,
und tatsächlich war die Ablohnung der Arbeiter immer allem anderen vor-
gegangen. Böttger war daher durchaus berechtigt, wie er es auch oft getan
hat, diese Tatsache mit ganz besonderem Nachdrucke zu betonen. Nur
während der ersten großen Krisis im Jahre 1713, als die Löhnung eine ge-
raume Zeit völlig ausblieb, waren daher die ,,Manufakturier", wie die Arbeiter
damals hießen, unwillig geworden: „Desorders und Uneinigkeiten" waren ent-
standen, Mißachtung gegen die Vorgesetzten hatte sich eingestellt, und es waren
auch bereits böse Worte gegen sie gefallen ^^^). Man konnte dies Benehmen den
in großen Nöten sich befindenden Leuten wohl in der Tat nicht ganz übelnehmen.
Aber dann war nach Erstattung des Lohnes alles wieder zur Ruhe zurückgekehrt.
13*
Abb. 72. Böttg:erporzelIan. Bierkrag mit dem anf-
gesetzten Monogramm König Angnst des Starken.
Sammlung- List, Magdeburg-. Höhe i6 cm.
196 Die Porzellanfabrik.
Nun aber, nachdem der König Böttger seit dem Beginn des Jahres 1715 so plötzlich
und so unvermutet aller bisherigen Unterstützungen, auf die mit Sicherheit
zu rechnen er wohl ein gewisses Recht gehabt hatte, beraubt hatte, als er neben
den geringen Erträgnissen seiner Fabrik nichts anderes als Schulden und Wechsel
besaß, die zu bestimmten Zeiten ausgelöst werden mußten: wie sollte da Böttger
mit der Auslöhnung fortfahren, wie sollte er den Arbeitern auch nur dasjenige geben,
was ihnen zum täglichen Unterhalt ganz unumgänglich nötig war ? Zwei Monate
lang blieb nun der Lohn aus. Und so von allen Mitteln entblößt, durch den drohen-
den Hunger zur Verzweiflung gebracht, sahen sich die Arbeiter zur Selbsthilfe ge-
zwungen. Im April dieses Jahres sind sie auf den eigenen Rat Böttgers, der wohl
selber nicht mehr aus noch ein wußte, nachdem er sie freilich anfangs als Pflicht-
vergessene und Rebellen zu behandeln versucht hatte, in hellem Haufen nach
Dresden gezogen, um hier ihr gutes Recht zu fordern. Hier ist ihnen dann durch
Dr. Bartelmei, dem die Sache doch wohl etwas zu bunt ward, ihr Lohn in der Höhe
von mehreren 1000 Talern, die er sich dann von den Erträgnissen der Michaelismesse
dieses Jahres hat wieder zurückerstatten lassen, richtig ausgezahlt worden. Doch
reizte dieser Erfolg dann freilich zu Wiederholungen, die auch nicht ausblieben.
Inzwischen jedoch war diese Sache dem Könige hinterbracht worden. Energisch
befahl er, wohl wissend, was hier auf dem Spiele stand, dem Kammerrat Neh-
mitz, die damals wieder fälligen Löhne sofort richtig auszahlen zu lassen. Dies
geschah für die Monate Juli und August; dann freilich hielt Nehmitz wieder mit
den Zahlungen ein, ein neues ,,Lauffen" nach Dresden begann, und Nehmitz er-
stattete den Lohn wieder bis zum Februar des folgenden Jahres. Hierauf ließ
der König die weiteren Löhnungen durch seinen geheimen Kämmerer Starke aus-
zahlen. Damit war diese fatale Angelegenheit, die eine ernste Gefahr für die
Manufaktur und ihre Geheimnisse bedeutet hatte, erledigt, und die Arbeiter gingen
wieder wie vorher fleißig und ohne Murren ihrer Arbeit nach ^^®). Der König aber
hatte damit seinen Entschluß, die Manufaktur nicht mehr mit Geld zu unter-
stützen, doch, durch die Umstände gezwungen, wohl oder übel wieder aufgeben
müssen.
Der traurige Zustand aber, in den die Manufaktur durch den ewigen Geld-
mangel geraten war, war durch diese kleinen Abhilfen nicht aus der Welt
zu schaffen. Die 3000 Taler, die der König auf der Michaelismesse für Porzellan
Böttger hatte auszahlen lassen, von denen aber vorher noch die von Dr. Bartelmei
vorgestreckten Arbeitslöhne abgingen, scheinen in dieser Zeit das einzige bare Geld
gewesen zu sein, das Böttger von seilen des Königs empfing. So mußte die Lage
der Fabrik, da die Hauptursache, die sie herbeigeführt hatte, in keiner Weise be-
seitigt war, nur immer schlimmer werden, nur immer drückender auf dem Urheber
aller dieser Unternehmungen lasten, ohne daß dieser auch nur im entferntesten ahnte,
wie er sich ohne anderer Leute Hilfe aus ihr befreien könne. Selbst Betrügereien
scheinen jetzt, da Böttger mehr und mehr die Kontrolle über seine Unternehmungen
verlor, in seiner unmittelbaren Umgebung vorgekommen zu sein, die seine ganze
Verschlimmerung der Lage. 197
finanzielle Lage noch mißlicher gestalteten ^^°). Und nun ist die weitere Geschichte
der Meißner Manufaktur bis zu Böttgers nahem Ende nichts als eine unablässige
Folge von Klagen und Beschuldigungen, von Projekten und Untersuchungen, aus
denen, da das einzige, was allein diesen traurigen Zuständen ein schnelles Ende
hätte bereiten und zugleich die Manufaktur wieder auf eine gesunde Basis hätte
stellen können, nicht erfolgte : eine reichliche Unterstützung mit Geld und eine rich-
tige Organisation, für die Böttgerschen Unternehmungen nicht das geringste wirklich
Nützliche hervorging. So blieb die Meißner Manufaktur bis zu Böttgers Tode
ein äußerst schlecht fundiertes und völlig unzureichend organisiertes Unternehmen,
das in keiner Weise wirkliche Einnahmen erzielen, in keiner Weise dem Lande
jenen Nutzen bringen konnte, um dessentwillen der König anfangs diese ganzen in-
dustriellen Unternehmungen ins Leben gerufen hatte. In dieser Beziehung ist
daher Böttgers ganze Tätigkeit, wenigstens so lange er selber lebte, eine völlig
verfehlte gewesen.
Zunächst ward nun zur Abwechselung einmal auch Dr. Bartelmei noch im
November des für die Fabrik und Böttger so ganz besonders traurigen Jahres 1715
beauftragt, Vorschläge betreffs Weiterführung der Fabrik zu machen. Er gab
deren nicht weniger als achtzehn an, unter denen die interessantesten waren, Böttger,
wie dieser selbst es wünschte, aus der Administration zu entlassen, alle Arkana einem
einzigen Menschen anzuvertrauen, kurante Sachen billiger zu verkaufen, größere
dagegen desto teurer, vor allem aber die Manufaktur, da der Transport des
Holzes nach Meißen und der Warentransport nach Dresden sich zu teuer stellte,
,, sobald die Einwohner es tragen könnten", wieder nach Dresden zurückzu-
verlegen ^^^), welche Vorschläge jedoch eben alle nur wieder Vorschläge blieben.
Dann aber spitzten sich die unglücklichen finanziellen Verhältnisse der
Fabrik für Böttger derartig zu, daß selbst seine eigene Person nun nicht mehr sicher
zu sein schien: am 4. Januar des Jahres 1716 wurde Böttger wegen Wechselschuld
verklagt und auch sogleich verhaftet. Damit ward sogar das eigentliche Oberhaupt
der Fabrik ihr für einen Augenblick entzogen. Doch dies Ereignis war dem König
sofort nach Polen gemeldet worden, und schon traf der Befehl ein, Böttger sofort
des Arrestes zu entheben ^^^■). Auch scheint es, daß der König sich jetzt seiner
Manufakturen wieder etwas liebevoller angenommen hat; denn aus diesem Jahre
liegen — gewiß ein gutes Zeichen für die damaligen Zustände in der Fabrik —
fast gar keine weiteren Nachrichten über sie vor. Gewiß war diese Ruhe die
Folge, daß nun der König wenigstens für die Bezahlung der Arbeiter volle Sorge
getragen hatte. Die zunächst schwierigste Frage für die Fabrik war dadurch ge-
löst und damit ein Anlaß zu unmittelbarer Beunruhigung beseitigt.
Bald darauf jedoch wurde Böttger wieder krank und flößte ernstliche Be-
sorgnisse ein. Unverzüglich befahl da der König dem Kriegsrat von Holzbrinck
nach Meißen zu gehen und dort sich mit den Arcanis der Fabrik vertraut zu
machen ^^^), ein deutliches Zeichen, daß der König den eigentlichen Arkanisten
damals durchaus nicht traute. Dann freilich erholte sich 5öffger wieder merkwürdig
198 Die Porzellanfabrik.
schnell, ja es schien sogar, als ob seine Gesundheit wieder bedeutend fester werden
wollte, als sie es seit langem gewesen war. Aber an eine Möglichkeit, von seiner Seite aus
energisch in die so arg verfahrenen Verhältnisse seiner Fabriken einzugreifen, war
nicht zu denken, so lange nicht auch von anderer Seite wirklich wirkungsvolle
und ernst gemeinte Hilfe kam. An sich war allerdings der Stand der Manufakturen
auch jetzt noch durchaus nicht übel. Es war alles zu ihrem Betriebe vorhanden,
und dieser Betrieb lief trotz des Fehlens der eigentlichen Oberleitung, auch jetzt
noch wie von selber. Alle Arbeiter hatten sich völlig eingelebt, ja sich sogar durch
die nun schon mehrjährige Übung stark vervollkommt^^*). Aber freilich der Betrieb
blieb nach wie vor viel zu klein, um sich irgendwie rentieren zu können. Es fehlte
eben das Geld, um mehr Arbeiter einstellen zu können, es war ja noch immer nicht
vorhanden, um das immer so ersehnte Brennhaus zu errichten, das größere
Brände und damit eine Steigerung der Produktion gestattet hätte. Auch die Pro-
duktion selber blieb so umständlich und kostspielig, daß selbst Böttger damals
wieder daran gedacht zu haben scheint, die Manufaktur oder wenigstens einen
Teil derselben nach Dresden zurüokzuverlegen und sie dann vielleicht nur noch
für den König arbeiten zu lassen ^^^). Auch rächte sich immer mehr die fehlende
Organisation des Ganzen, das Fehlen der eigentlichen Oberleitung. Selbst Böttgers
Autorität hatte, wie er selbst damals gestand, den Arbeitern gegenüber stark
gelitten, seitdem er ihnen nicht selber mehr ihren Lohn auszahlte. Doch scheint
es Böttger, wie Steinbrück angedeutet hat ^^^), auch sonst nicht immer verstanden
zu haben, trotz der Dekrete, die ihn zum alleinigen Leiter der Manufakturen ge-
macht hatten, seine Autorität genügend durchzusetzen und überhaupt das ganze
Unternehmen in eine richtige Organisation zu bringen. Auch ließ er auch jetzt
noch nicht den rechtmäßig eingesetzten Inspektor der Manufaktur Steinbrück,
wie dieser es in seiner Gewissenhaftigkeit und seinem wirklichen Interesse für die
Manufaktur aufs lebhafteste wünschte ^"), für längere Zeit nach Meißen, obwohl
er jetzt seiner, da er seine Korrespondenz jetzt meistens durch andere führen ließ,
kaum noch in Dresden selber bedurfte, ja Böttger scheint ihn, der damals einer der
wenigen war, die ihm wirklich hätten helfen können, wohl aus irgendeiner jetzt
entstandenen Abneigung gegen ihn, oder weil andere sich hei Böttger einzuschmeicheln
und gegen ihn, den so ehrlichen und biederen Charakter zu intrigieren wußten,
bald geradezu launenhaft behandelt zu haben, so daß der arme Steinbrück, da
Böttger nichts mehr recht war, was er tat, bald nicht mehr wußte, ob er noch für
die Manufaktur arbeiten sollte oder nicht ^^^). Böttger war wohl von Haus aus
immer ein etwas launenhafter Mensch, der, wie es genialen Leuten zu gehen pflegt,
leicht momentanen Eingebungen folgte und nur das tat, was ihm gefiel. Auch war
er durch seine Krankheiten ernstlich geschwächt, wie nicht minder durch die schon
mehrfach erwähnte Vorliebe für geistige Getränke und starkes Tabakrauchen,
die gerade dann am stärksten auszubrechen pflegte, wenn es ihm am schlechtesten
ging. Seine Energie und seine geistige Behendigkeit waren daher damals schon
sichtbar erlahmt, und so war es nicht weiter verwunderlich, daß unter den an sich
Weitere Verschlimmerung der Lage.
199
doch braven Arbeitern
in Meißen nun doch
so manches einriß,
was stark nach Des-
organisation und Un-
botmäßigkeit aussah
und eine gewisse Ge-
fahr für die Manu-
faktur zu werden
drohte. Es bildeten
sich unter ihnen Par-
teien und Cliquen ;
man verleumdete und
schikanierte sich ge-
gensei tig,weigerte sich,
wohl gar miteinander
zu arbeiten, verlangte,
drohend, daß man
sonst fortgehen würde,
sein eigenes Zimmer
und wollte sich dann
schließlich auch von
gar keinem mehr et-
was sagen lassen, son-
dern ganz für sich
allein und nach eige-
nem Gutdünken ar-
beiten, ein Arbeits-
system, das dem einer
Fabrik nicht ge-
rade zu entsprechen
schien, kurz, es war
alles, wie Steinbrück
sich damals aus-
drückte, in eine ,,hon-
teuse Confusion" ge-
raten 569).
Diese Zustände
waren im Jahre 1717
so schlimm und für die
Manufaktur so gefahr-
drohendgeworden, daß
Abb. 73. BSttgerporzellan. Große Deckelvase mit freihändig; aufgelegten Blumen.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe 54 cm.
200 Die Porzellanfabrik.
«
Steinbrück, sicherlich der gewissenhafteste Mann, der damals mit der Manu-
faktur in Verbindung stand, es nun nicht mehr länger ausgehalten zu
haben scheint und in aller Stille mit Hilfe aller ihm damals zur Verfügung
stehenden Mitteln unter dem Titel ,,Allerunterthänigste Nachrichten von
dero neuen Manufakturen, wie solche angefangen und bis zu Ihro Majestät
jetzigen allerhöchsten Gegenwärtigkeit in dero hiesigen Erblanden fortgetrieben
worden", einen Bericht zusammenstellte, der in Buchform auf fast 306 Seiten ein
vollständiges Bild der ganzen bisherigen Entwicklung der industriellen Gründungen
Tschirnhausens und Böttgers gab und hieraufgestützt, Verbesserungsvorschläge
für die Zukunft zu geben suchte. Dieses Buch wollte er dem Könige, der damals
endlich einmal wieder in Dresden anwesend war, überreichen; doch ist es dazu,
allem Anscheine nach, nicht gekommen, so daß in dem zunächst beabsichtigten
Sinne Steinbruchs Arbeit ganz vergeblich gewesen ist ^^°). Dafür aber ist Stein-
brück durch dieses Werk, ohne es gewollt zu haben, der eigentliche Geschicht-
schreiber Böttgers und seiner Manufakturen geworden, derjenige, dem allein wir es
zu danken haben, wenn wir heutzutage wirklich imstande sind, uns ein klares Bild
von dieser Persönlichkeit und seiner ganzen Tätigkeit zu machen, wie dies im vor-
liegenden Buch versucht worden ist. Er hat sich dadurch um die Erkenntnis dieser
ganzen Zeit ein ganz unberechenbares, bleibendes Verdienst erworben, zumal dies
Werk mit einer Klarheit und Sachlichkeit geschrieben ist, die für die damalige Zeit
nur in Erstaunen setzen können. In diesem ausführlichen Berichte gab Steinbrück
zunächst die Entwicklung der einzelnen Unternehmungen Böttgers wie Tschirn-
hausens an und schilderte ihren damaligen Stand. Für die Meißner Manufaktur
lautete diese Schilderung durchaus nicht ungünstig: Steinbrück betonte mehrfach,
daß sie in durchaus gutem Zustande sich befände und 'auf ,,dem poinct" wäre,
sich selbst zu erhalten ^^^). Er sprach dann in ruhiger Weise von den ,, Fatali-
täten", die die Manufakturen in ihrer bisherigen Entwicklung gefunden hätten,
von den vielen Fehlern, die gemacht wären, und auch von dem Entstehen
der Konkurrenzfabrik in Flaue, die freilich auch ihm, wie schon vor zwei Jahren
Böttger, keine Gefahr für die Meißner Manufaktur zu bedeuten schien. Dann aber
kam er auf die vorzunehmenden Verbesserungen zu sprechen, und hier verlangte
er charakteristischerweise vom Könige schon keineswegs große Unterstützungs-
geldermehr— wohl in der Hoffnung, daß die Arbeiter nach wie vor vom König regel-
mäßig besoldet würden, im übrigen aber die Manufaktur bei richtiger Leitung sich
selbst erhalten könne — sondern allein die Mittel zur Errichtung des nun seit sechs
Jahren von Böttger immer so heiß ersehnten Brennhauses. Er bestätigte damit
das Fehlen dieses als die unleugbare Hauptursache des sich nicht weiter ausdehnen-
den Betriebs der Fabrik und ihrer dadurch ausbleibenden Rentabilität. Dann aber
verlangte er vor allem eine straffere Organisation, indem er vorschlug, daß nur eine ein-
zige Persönlichkeit alle Arkana kennen und beherrschen solle ^'2) , und zugleich ein Ober-
aufseher ernannt würde, dem das gesamte Personal unterstellt würde ^'^). Er hatte da-
mit die Grundübel, an denen die Manufaktur damals litt, durchaus richtig erkannt.
. Abhilf s versuche. 201
Wir wissen heute leider nicht, warum dieses mit so viel Liebe und Ehr-
lichkeit und in der edelsten Absicht geschriebene Buch dem Könige allem Anscheine
nach damals nicht vorgelegt worden ist; doch kann man wohl mit Recht vermuten,
daß, wenn es vorgelegt worden wäre, es wohl schwerlich eine größere Wirkung
getan hätte, als alle jene vielen anderen Untersuchungen, Klagen und Projekte
von Seiten Böttgers, der Kommissionen und der sonst an den W^erken beteiligten
Personen, die ihm vorangegangen waren. Und doch lagen die Verhältnisse gerade
in diesem Jahre, wie oben angegeben, derart, daß es nicht mehr so weiterging,
daß notwendig Böttger Hilfe und Unterstützung von anderer Seite bedurfte.
So mußte Böttger, der wenige Jahre vorher noch nichts wieder von einer Kom-
mission hatte wissen wollen, weil er, vöUig mißtrauisch geworden, niemanden
mehr für unabhängig, für unparteiisch hielt ^'*), doch wieder an dieses an sich so
wohlfeile Hilfsmittel denken, und so stellte er im Herbst dieses Jahres dem
Könige vor, wie infolge seiner Krankheit und der Abwesenheit des Königs ,, ver-
schiedene Mängel" in den Manufakturen eingerissen wären und bat dringend um
die Wiedereinsetzung einer Kommission.
Daraufhin erging am 20. Oktober 1717 an die Herren cow Löwendahl, Watz-
dorf, Alemann und Kriegsrat Holtzbrinck der Befehl, sich zu einer Kommission zu-
sammenzutun und Böttgers Angaben näher zu untersuchen ^'^^). Böttger scheint
dieser Kommission zunächst einen ausführlichen Bericht über den damaligen
Zustand seiner Fabriken vorgelegt zu haben, wobei er einmal sein Herz gründhch
ausgeschüttet zu haben scheint. Er wies zunächst darauf hin, daß sich infolge
seiner Krankheit die Disziplin in der Fabrik stark gelockert hätte, daß Neid und
Mißhelligkeiten dadurch entstanden wären, daß jeder weiter herrschen wolle, als
ihm angewiesen sei. Dann kam er auf die alten Anschuldigungen zurück, daß
,, dieser oder jener" die gesamten W^erke hätte an sich reißen wollen, und machte
hier jetzt geradezu den Kammerrat Nehmitz und seinen Bruder namhaft. Auch
wiederholte er, daß weder letzterer noch Dr. Bartelmei sich, wie ihnen doch auf-
getragen sei, der Arkana wirklich angenommen hätten. Dr. Bartelmei wäre sogar
drei Jahre lang gar nicht mehr zur Fabrik gekommen, dafür sollte er seinen Stall-
knecht dort hingeschickt haben, der hier,, Stänkereien" gemacht hätte, u. dergl. m.
Diese Pflichtvergessenheit aber sei Ursache, daß auf ihm allein, obwohl er krank
sei und immer sein baldiges Ende vorhersehen könne, die ganze Last der Manu-
fakturen ruhe. Als Zeugen für alle diese Angaben führte er den vielgenannten
Mehlhorn an; auch solle man die Arbeiter vernehmen, die alle bekunden würden,
daß Böttger an allen diesen Dingen keine Schuld trüge. Dann aber kam er zu den
Verbesserungsvorschlägen: es solle eine Person ernannt werden, die, damit er selber
nicht von der Last der Arbeit erdrückt würde, alle Streitigkeiten erledigen solle. Einer
anderen aber, die er später namhaft machen wolle, die ihn in seinen Arbeiten unter-
stützen solle, wolle er Mitteilung von allen seinen Arkanis machen. Über die für
die Manufaktur bestimmten Gelder jedoch könnten gern andere disponieren,
doch freilich, wie es nur naturgemäß wäre, nicht ohne sein Vorwissen ^"•). Hierauf
202 Die Porzellan fabrik.
scheint Böttger Rechenschaft über das an der Manufaktur arbeitende Personal
und seine Notwendigkeit für dieselbe abgelegt zu haben, wobei es in seiner Gesamt-
heit durchaus als unentbehrlich hingestellt und hinsichtlich seines Fleißes auch
belobt wurde, selbst gegen die Belassung von Dr. Nehmitz schien er merkwürdiger-
weise damals nichts zu haben. Aber, wie immer, betonte er, daß der eigentlichen
Arbeiter, der Massenbereiter, Porzellanbrenner und Dreher, wenn das Werk wirk-
lich etwas abwerfen solle, eher zu wenig seien. Damit bezeichnete Böttger, gerade
wie durch sein beständiges Verlangen nach einem neuen und größeren Brennhaus,
durchaus wieder die Kleinheit des Betriebes der Manufaktur als das Haupthindernis
ihrer Rentabilität.
Doch auch die Einberufung dieser Kommission scheint wieder gänzlich ohne
Erfolg geblieben zu sein und die Kommission auch nicht lange getagt zu haben.
Nach wie vor blieb Böttger der Leiter seiner Fabrik, nach wie vor schoß der König
die allernotwendigsten Summen zu. Sie betrugen im Jahre 1718 wiederum 3144
Taler, d. h. 262 Taler monatlich, die das Akzisekollegium bezahlte ^''). Aber ein
größeres Kapital zur völligen Sanierung der gänzlich verfahrenen Verhältnisse
bekam Böttger auch jetzt nicht in die Hände, und so konnte er selber keine wesent-
lichen Verbesserungen treffen, da fast alles Geld, was er in die Hände bekam, für
die aufgenommenen Schulden verwandt werden mußte, ja für diese nicht ein-
mal ausreichte.
Doch mit Böttgers Kraft ging es nun langsam zu Ende. Krank, wie er
schon seit Jahren war, wie es scheint, infolge einer starken Herzlähmung ^^^) und
noch dazu oft genug geschwächt durch einen Lebenswandel, der für ein solches
Leiden nicht gerade der zuträglichste war, dem er sich aber, je schlimmer die Ver-
hältnisse in seiner Fabrik wurden, nur desto leidenschaftlicher hingab, dazu, allem
Anscheine nach, einer von jenen, die nur fähig sind zur Arbeit, wenn ihnen diese
leicht vonstatten geht, wenn sich keine Hindernisse ernstlich ihnen in den Weg
stellen, scheint jetzt, wo er an der Möglichkeit einer Weiterentwicklung seiner
Manufakturen nahezu verzweifelte, auch sein Interesse für seine Gründungen
mehr und mehr erlahmt zu sein und damit auch seine Willenskraft und sein reger
Geist, die früher, .als er noch voller Hoffnung in die Zukunft blickte, sich in so
wunderbarer Weise betätigt hatten. Über seine Beziehungen zu seinen Manu-
fakturen, über Arbeiten für dieselben in dieser Zeit erfährt man fast gar nichts.
Dagegen erwacht jetzt merkwürdigerweise ganz auffällig noch einmal wieder die
Experimentierlust, ja die alchimistische Tätigkeit seiner früheren Zeit beginnt
damals scheinbar von neuem, und Böttger wird wieder der Goldsucher, als
welcher er zuerst in dieser ganzen Entwicklung aufgetaucht ist. Sogar ein ganz
neuer Vertrag mit zahlreichen Paragraphen wird damals im Jahre 1718 von ihm
mit dem Könige hierüber abgeschlossen, in dem er genau mit derselben Zuversicht
wie am Anfange die baldigste Erfüllung seiner großen Bestrebungen in sichere
Aussicht stellte, für welche Arbeiten sogar der König, der doch für seine Manufak-
turen so wenig Geld übrig hatte, nicht nur eine nach allen bisherigen Mißerfolgen auf
Letzte Arbeiten Böttgers.
203
diesem Gebiete erstaunlich große Summe, nämlich nicht weniger als 2400 Taler
jährlich versprach ^'^), sondern ihm auch eine neue Persönlichkeit, den früheren
Kommerzienkommissarius Meerheim, zur Seite stellte, einen Mann, der, so viel
wir erfahren, früher in Bergwerksachen gearbeitet, vor allem aber sich dann ähn-
lichen chemischen und alchimistischen Studien und Experimenten wie Böttger
hingegeben hatte ^^°), im allgemeinen aber ein Nichtswisser und Prahlhans, der
später der Fabrik, da er sein früheres Zusammenarbeiten mit Böttger stark aus-
zunutzen trachtete, noch recht viel zu schaffen machen sollte. Mit ihm hat Böttger
in den letzten Jahren seines Lebens, soweit ihm hierzu noch die Kraft und die
Lust blieb, scheinbar aufs engste zusammengearbeitet, mit einer Heimlichkeit
und Abgeschlossenheit, die wieder an die ersten Jahre seiner Tätigkeit
erinnert. Ihm sollte jetzt aber Böttger auch alle seine bisher noch nicht zur Aus-
führung gelangten Arkana offenbaren. Damit war Meerheim gleichsam zum
Nachfolger Böttgers bei seinem allem Anscheine nach jetzt nahe bevorstehenden
Tode ernannt worden. Ob freilich diese Wiederaufnahme der früheren Arbeiten
von Böttger selber ausging,
dürfte zweifelhaft sein.
Wahrscheinlicher ist da-
gegen, daß der König, be-
vor es zu spät war, aus
ihm noch so viel als irgend
möglich herauslocken, ja
ihm die Möglichkeit geben
wollte, noch einmal seine
Kraft als Goldmacher zu
erproben, in der Hoffnung,
sie doch noch zum Ziele gelangen zu sehen. Er konnte allem Anscheine nach
in dieser Beziehung seinen früheren Glauben an ihn durchaus noch nicht völlig
aufgeben.
Doch auch jetzt war alles Hoffen vergeblich. Man erfährt nicht, daß Böttger
mit Meerheim zusammen damals auch nur das geringste Brauchbare zustande
gebracht hätte. Es war auch kaum noch zu erwarten. Denn Böttger verlor, von
seiner Krankheit mehr und mehr geschwächt und immer verzweifelter über die Ver-
hältnisse, die ihn umgaben, jetzt immer mehr seinen moralischen Halt und gab
sich jetzt völlig jenem Laster hin, zu dem er schon immer Neigung gehabt
hatte, so oft ihm etwas in die Quere ging: er verfiel völlig dem Trünke, ja
bald scheint er „fast täglich betrunken" und meist nicht recht ,,bei Verstände"
gewesen zu sein ^^^).
Damit aber war alles verloren, sowohl für ihn selber wie für seine Fabriken.
In diesen war nun bald an eine Ordnung der Dinge, so lange er lebte, nicht mehr zu
denken. Es konnte hier so ziemlich jeder tun und lassen, was ihm beliebte. Dazu
kam, daß Böttger die Arbeiter nicht mehr verpflichtete und daß sich an ihn, den
Abb. 74. Böttgerporzellan mit eingestempelten Verzierungen.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der linken Tasse s cm.
204 Die Porzellanfabrik.
jetzt völlig willenschwachen, kranken Mann alle möglichen Individuen drängten,
die ihn über seine Arkana auszuhorchen suchten, vor denen er auch, wenn er im
Rausche war, ungeniert, wie selbst vor Dienern und gänzlich Fremden, über diese
geredet haben soll ^^^). Selbst Steinbrück, der freilich damals von Böttger ganz
besonders schlecht behandelt zu werden glaubte, riß jetzt die Geduld, und aus einem
bisher aufrichtigen Bewunderer dieses Mannes ward jetzt ein lebhafter Ankläger,
der erstaunlich harte Worte über ihn fallen ließ und dringend nach Abhilfe in der
Manufaktur verlangte. ,,Wer siehet also nicht", ließ er sich einmal in einem im
Januar 1719 geschriebenen, die damaligen Zustände der Fabrik ausführlich
schildernden Berichte vernehmen, ,,daß der gute Herr die Welt nur zu amüsieren
suche und dadurch, daß er bey der Manufactur mit Fleiß alles in Confusion geraten
läßt und andere, die ihre Pflicht gern beobachteten, daran hindert, nichts
besseres intendire, als glauben zu machen, er habe bei dieser Manufaktur bereits
so viel zu schaffen, daß man ihn mit mehrerer Arbeit verschonen müsse. Dabei
er jedoch so unbillig verfährt daß er alle Fehler auf andere schiebet, sich aber mit
seiner nun über 5 Jahre anhaltenden Krankheit schützet, wie wohl noch in heftigem
Zweifel stehet, ob er ebenso krank sey oder recht gesund zu sein begehre ?" ^^^)
Es ist in der Tat ein trauriges Bild, das Steinbrück uns da von dem einst so tätigen
und energischen 5öffger sehen läßt, das wohl beweist, daß es nun bald mit ihm zu
Ende ging. Und noch einmal versuchte Steinbrück damals, wohl weil ihn die Ent-
rüstung so blind machte, daß er nicht recht an Böttgers Krankheit glauben wollte,
die traurigen Verhältnisse in der Manufaktur zu ändern, indem er im Februar
dieses Jahres, ganz kurz vor dessen Tode, ein Projekt entwarf, durch das er u. a.
den König veranlassen wollte, damit wenigstens alle Arbeiter bezahlt und alle
Bedürfnisse des Werks befriedigt würden, die für die Manufaktur damals noch
zur Verfügung gestellten Summen zu verdoppeln und gleichzeitig eine andere
Persönlichkeit an ihre Spitze zu setzen ^^^). Es war das letzte Projekt, das für die
Manufaktur zu Böttgers Lebzeiten gemacht wurde. Denn von nun an ging es mit
ihm unwiderruflich zu Ende. Schon von Oktober des vergangenen Jahres an
soll er beständig bettlägerig und unfähig, wieder aufzustehen, gewesen
sein. ^85) Jetzt verschlimmerte sich sein Zustand von Tag zu Tag mehr, und im März
des folgenden Jahres gab es dann für ihn selber keinen Zweifel mehr, daß sein Tod
nahe bevorstände. Daher verlangte er am 8. d. Mts. das Abendmahl, bat Stein-
brück, seinen Schwager, für ein ehrliches Begräbnis zu sorgen und seiner
Mutter und Schwestern sich anzunehmen, und übertrug dann Steinbrück und Meer-
heim die Administration der Fabrik, bis der König anderes befehlen würde, wobei
er noch eindringlich riet, „das Porcellain-Werk nicht von den aparten Arbeiten
Meerheims trennen zu lassen" ^^®). Dann war es zu Ende: am 13. d. Mts. hatte er
ausgelitten.
Doch ^ noch wenige Monate vor seinem Tode hatte er es erleben müssen,
daß das Geheimnis seiner großen Erfindung nun doch ernstlich gefährdet ward:
am 5. Januar war aus Meißen die Schreckenskunde nach Dresden gelangt, daß
Böttgers Ende. 205
einer der besten Arbeiter der Fabrik, der Massenbereiter und Brenner Stöltzel,
ein Arkanist, der, seit 6 Jahren an der Manufaktur tätig, fast alle ihre Geheim-
nisse kennen konnte, ganz plötzlich desertiert sei, anscheinend doch aus keinem
anderen Grunde, als um in einem anderen Lande eine Konkurrenzfabrik begründen
zu helfen. Und bald genug erfuhr man denn auch, daß er sich nach Wien gewandt
habe, wo sich ein gewisser Du Pasquier, ein Holländer von Geburt, schon seit ge-
raumer Zeit vergeblich abmühte, mit Hilfe einer anderen aus Böttgers Um-
gebung stammenden, doch weit weniger erfahrenen Persönlichkeit eine Kon-
kurrenzfabrik ins Leben zu rufen ^®'). Diese Nachricht verdiente durchaus die
Aufregung, die sie hervorrief. Denn tatsächhch bedeutete die Entweichung dieses
Mannes, da er in Wien mit seinen Absichten bald völlig zustande kam, die erste
Preisgebung des so ängstlich gehüteten Geheimnisses des Porzellans, und so ist das
Ende Böttgers zeitlich, freilich ganz ohne sein Wollen und wohl auch eigentlich
ohne sein Verschulden ^^^) auch der Anfang der Weiterverbreitung seiner Haupt-
erfindung geworden. Damit schien diese für Sachsen und seinen König stark
entwertet und beide um ihr bisher so ängstlich verteidigtes kostbares Monopol
gekommen zu sein. Es war in der Tat kein angenehmer Abschluß der Böttger-
schen Zeit.
VI. Das Böttgerporzellan.
Abb. 75. Böttgerporzellan. Abformnng:
einer chinesischen Qötzenfigur, mit Email-
farben bemalt.
Sammlung v. Dallwitz, Berlin.
Höhe 10 cm.
Es kann kein Zweifel darüber bestehen: nicht
ganz dieselbe glänzende und reiche Ausbildung, die
Böttgers erstes brauchbares keramisches Erzeugnis,
das rote Steinzeug, wie die noch heute erhaltenen
Stücke zeigen, gefunden hat, ist auch dem Pro-
dukt seiner edelsten und wertvollsten Erfindung,
dem Porzellan, zuteil geworden. Man findet hier
nicht jene Fülle von Gattungen und Spielarten, die
dort so sehr überraschen muß, nicht jene technische
und künstlerische Erschöpfung dieses Materials, die
bei jenem kaum noch einen Weg zu neuen Taten
übrig ließ. Es erscheint gleichmäßiger, eintöniger,
es läßt noch viele und wichtige Möglichkeiten für
die Zukunft offen. Es hat den technischen wie künst-
lerischen Reichtum dieses Stoffes noch in keiner
Weise erschöpft.
Grund hierfür war vor allem, daß die künstlerische wie technische Durch-
bildung des Porzellans in jeder Beziehung viel schwieriger ist, als die des anderen
keramischen Produktes Böttgers, dann aber sicherlich auch, daß, als Böttger glück-
lich im Jahre 1713 nach endlosen Mühen so weit mit seinem neuen Produkt ge-
kommen war, daß man zur Not an eine fabrikmäßige Herstellung desselben denken
konnte, Böttger sich durch die früher erwähnten mißlichen Verhältnisse, in die er
durch seine früheren Gründungen geraten war, bereits in einer so üblen Lage befand,
daß seine Tatkraft und die Behendigkeit seines Geistes damals entschieden arg
gelitten hatten. Es fehlte der Mut zu neuen Taten, zu neuen Versuchen und neuem
Spekulieren. Dazu kam jedoch auch, daß das neue Produkt, sobald es wirklich
zum Verkauf kam, schon in der Form, in der es zuerst dargeboten ward, ganz
außerordentlich gefiel, ja, man kann wohl sagen, reißend abging, so sehr, daß die
Fabrik schon damals gleich der Nachfrage nicht mehr genügen konnte, in
Anbetracht der an sich so geringen Produktion, die die geringe Zahl der vor-
handenen Öfen verursachte. Wozu sollte da Böttger, dem ja bereits damals nur zu
oft zu allem und selbst dem Notwendigsten das Geld fehlte, wenn nicht aus reiner
Experimentierlust, auch hier, wie bei seinem Steinzeug, sich Arbeiten und Ver-
Ausbildung des Böttgerporzellans.
207
Abb. 76. BSttg^erporzellan mit glatten Wandungen.
Königl. Porzellinsammlung-, Dresden. Höhe der Kanne 25 cm.
suchen unterziehen, nach denen damals zunächst kein Mensch verlangte ? Wozu
hier Zeit und Geld verlieren, da noch so viele andere und lebhafter verlangte Arbeiten,
die wirkliche Einnahmequellen zu werden versprachen, seiner harrten. Dennoch
war das Porzellan ein zu bedeutender und auch zu interessanter Stoff, als daß er
Böttger, den Erfinder, den Experimentator, nicht doch zu den mannigfachsten
und verschiedenartigsten Versuchen angeregt hätte, daß nicht durch ihn seine
alte Experimentier- und Erfinderlust erwacht wäre, und so ist das Gesamtbild,
das sein Porzellan heute uns darbietet, doch wiederum ein durch den Reichtum
der Versuche und Ausgestaltungsmethoden so überraschend reiches und mannig-
faltiges geworden, namentlich wenn man es mit dem vergleicht, was sonst die
europäische Kunst und Technik auf diesem Gebiet versucht hat, daß wir in ihm
gleichfalls ein zu den Augen redendes Zeugnis seines erfinderischen, reichen
Geistes besitzen, von dem sein ganzes Leben und alle seine Taten uns Kunde geben.
Nur ist freilich auf diesem Gebiete vieles Versuch geblieben und nicht zu jener wunder-
baren, nicht weiter zu treibenden Reife gelangt, wie auf dem des Steinzeugs: es
ist noch nicht alles Harmonie und Vollendung, was uns hier entgegentritt und uns,
wie bei jenem, ganz ungetrübt erfreuen kann. Aber dafür hat es mannigfache
Anregungen für künftige Zeiten gegeben, die dann vollendeten, was Böttger hier
erst erstrebt hat, ja es hat sogar vielfach dem europäischen Porzellan für seine
ganze weitere Zukunft die Wege gewiesen, und vor allem, es ist als Stoff selber in
der kurzen Zeit, in jenen wenigen Jahren, in denen Böttger an seiner Erfindung
und deren Durchgestaltung gearbeitet hat, zu einem Grad der Vollendung gelangt,
wie es vielleicht nie wieder jejjiandem — man vergleiche damit nur, wie sich später
noch alle weiteren Porzellangründungen, die Böttgers Erfindung haben nachmachen
wollen, haben quälen müssen, bis sie zu nur einigermaßen befriedigenden Resultaten
208
Das Böttgerporzellan.
Abb. 77. BSttgerporzellan. Theegfeschirr.
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Theedose 13,5 cm.
ZU kommen vermochten — in so kurzer und außerdem noch so arbeitserfüUter
Zeit geglückt ist. Der keramische Techniker wird immer vor dieser Tatsache allein
die größte Bewunderung Böttger gegenüber hegen müssen.
Erhalten hat sich von diesen Inkunabeln des Meißner wie des europäischen
Porzellans trotz der verhältnismäßig geringen Produktion genügend, um sich von
ihnen noch heute ein klares Bild machen zu können. Es ist namentlich die König-
liche Porzellansammlung zu Dresden, die noch aus den Tagen der Entstehung
dieses Produktes einen fast lückenlosen Bestand desselben von etwa 370 Stücke
mit allen seinen Spielarten besitzt. In diese Sammlung muß daher jeder gehen,
der diese Erzeugnisse wirklich kennen lernen will. Ein anderer größerer Bestand
hat sich dagegen nirgends erhalten. Nur vereinzelte Stücke finden sich in den
übrigen sächsischen Schlössern, dann in vielen öffentlichen und Privatsammlungen ^^^)
Sie kommen aber gegenüber dem oben genannten Bestände kaum in Betracht.
Auf Grund dieses Materials stellen sich die Meißner Porzellane der Böttger-
schen Zeit als Erzeugnisse von ganz besonderem Charakter dar, so sehr, daß sie
sich deutlich abheben von allem, was sonst in Porzellan geschaffen, und sich zu
einer scharf umgrenzten Gruppe zusammenschließen, die als solche schon auf
den ersten Blick erkennbar ist. Diesen besonderen Charakter verdanken sie in erster
Linie ihrer Entstehungsgeschichte, jener eigenartigen Entwicklung, die die Porzellan-
erfindung Böttgers bis zu ihrem schließlichen Abschluß genommen hat: sie
haben in dieser Beziehung ihren Ursprung und ihr frühes Entstehen nie ver-
leugnen können.
Zunächst ist die Masse der Böttger&Qh.Qn Porzellane immer gelblich, genauer
gesagt creme- oder elfenbeinfarbig. Böttger hat bekanntlich diesen Mangel seines
Porzellans selber im Jahre 1711 vor einer der Kommissionen, die seine Erzeugnisse
damals untersuchten, eingestanden ^^"). Nur schob er damals die Schuld auf die
Glasur, da doch sichtbar die darunterliegende Masse die gelbe Farbe zeigt. Ganz
weißes Porzellan herzustellen, wie es die heutige Porzellanindustrie merkwürdiger-
Die Masse. 209
Abb. 78. BSttgerporzellan mit doppelten, durchbrochenen Wandnng:en.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Hühe des Deckelnapfs 17 cm.
weise für ihre unumgängliche Pflicht hält und wie es der Meißner Manufaktur
auch bald nach Böttgers Tode gelang, ist Böttger, nach den erhaltenen Stücken
zu urteilen, nie geglückt, obwohl Steinbrück im Jahre 1717 seltsamerweise be-
hauptete ^^^), daß das Porzellan Böttgers weißer wäre, als das chinesische. Wenn sich
daher dennoch bisweilen Porzellane, im Charakter der Böttgerschen Zeit finden, die
eine durchaus weiße Masse zeigen — die Königliche Porzellansammlung zu Dresden
besitzt deren eine ganze Reihe — so können diese getrost als spätere Nachbildungen
und Ausformungen der Böttgerschen Modelle angesehen werden, da nachweislich,
d. h. wie die erhaltenen Porzellane selber zeigen, auch nach Böttgers Tode die Masse
des Meißner Porzellans die gelbe Farbe noch für eine geraume Zeit nicht verloren
hat. Ursache dieser gelben Tönung sind fremde Beimengungen der Grundstoffe
des Porzellans gewesen ^^'^), die Böttger noch nicht zu entfernen wußte, deren Ein-
wirkung auf seine Masse er daher wohl oder übel mit in den Kauf nehmen mußte,
ohne sich darüber Rechenschaft geben zu können.
Doch ist, im Grunde genommen, diese gelbliche Tönung des Böttgerschen
Porzellans durchaus kein so großes Unglück für dasselbe gewesen: sie wirkt warm
und durchaus sympathisch. Sie vermeidet in gewisser Weise den Eindruck des
Kalten, den Porzellan nur zu leicht hervorruft. Böttger hatte daher völlig Recht,
sie nicht unbedingt als Fehler anzuerkennen, wohingegen die durchgehend weiße
Farbe unseres heutigen Porzellans eine Einseitigkeit ist, die dieser Stoff durchaus
nicht verlangt, und die der Chinese daher auch nicht kennt. Vielmehr besitzt er in
einem auch bei uns noch heute sehr geschätzten Porzellan, das in der Provinz Fuchien
schon seit Jahrhunderten hergestellt wird, und das auch damals zu Böttgers Zeiten
häufig nach Europa gelangte, eine Spezialität, die einen ganz verwandten warm
gelblichen Ton zeigt, der dort immer für so reizvoll gegolten hat, daß man ihm gegen-
über auf eine weitere farbige Ausschmückung verzichtet und sich nur einer rein
plastischen bedient hat. Auch das Böttgersche Porzellan blieb ja, wie bereits er-
wähnt, meist ohne Farbe und, wenn es daher trotzdem in seiner Art immer >recht
Zimmermann, Meißner Porzellan. 14
210
Das Böttgerporzellan.
Abb. 79. Böttgerporzellan. Frühes Versuchstfick mit aufgelegten, geformten Verzierungen.
Königfl. Porzellansammlung, Dresden. Durchmesser 27,5 cm.
reizvoll gewirkt hat, so ist dies wohl eben nicht zum wenigsten dieser gelblichen
Tönung seiner Masse zuzuschreiben.
Eigenartig ist weiter an der Porzellanmasse Böttgers, daß sie weniger durch-
sichtig, weniger kristallinisch erscheint, als in der Regel die des europäischen und
vor allem des chinesischen Porzellans. Ursache ist hier sicherlich das bereits früher
erwähnte völlige Fehlen des sonst der Porzellanmasse als dritter Bestandteil so
oft beigemischten Quarzes, der ja zunächst die Aufgabe hat, die Temperatur des
Garbrandes zu erniedrigen, dann aber auch die Masse glasartiger, durchscheinender,
kristallinischer zu machen, was vielen als ein besonderer Reiz erscheint. Auch
die Glasur liegt dicker und zäher auf, als sie es sonst beim Porzellan zu tun pflegt,
fällt aber schon an den frühesten Stücken auf durch ihre wundervolle Glätte und
Sauberkeit, namentlich, wenn man sie mit der des chinesischen und japanischen Por-
zellans vergleicht und auch mit der, die später die Porzellanfabriken des 18. Jahrhun-
derts in Europa zunächst zuwege gebracht haben. Überhaupt kann man nur staunen
über die beispiellose Geschicklichkeit, mit der Böttger in so kurzer Zeit mit der
so schwierigen Zusammensetzung der Porzellanmasse und ihrer Glasur zustande
gekommen ist, wie sauber und rein er sie beide in so kurzer Zeit hergestellt hat,
vergleicht man damit gleichfalls wieder, wie sauer es in dieser Beziehung den später
entstandenen Porzellan Fabriken Europas vielfach geworden ist, um hier schließlich
Die Masse.
211
zu Resultaten zu gelangen, die denen Böttgers, obwohl ihnen doch nun schon eine
reiche Tradition zur Verfügung stand, in der Regel durchaus noch nicht gleich
kamen. Es ist hierbei besonders erstaunlich, wie gut schon von Anfang an Böttger
sein Porzellan als Material gelungen sein, wie er hier Brauchbarkeit und Qualität
schon gleich am Anfange getroffen haben muß; denn Stücke, die hinsichtlich der
Masse sowie der Glasur etwas zu wünschen übrig lassen, die Flecke, Glasurver-
dickungen oder sonstige Fehler und Unreinlichkeiten zeigen, wie man sie später unter
den Erzeugnissen der übrigen Porzellanfabriken Europas auf Schritt und Tritt
entdeckt, finden sich fast niemals.^^^) Und dabei war Böttger auf diesem Gebiete
ja kein gelernter Fachmann, es standen ihm auch keine Fachleute zur Seite: er
mußte alles aus
sich selber schöp-
fen, alles aus ei-
gener Erfahrung
kennenlernen, und
so darf man vor
diesen Erzeug-
nissen wohl wieder
sagen, daß es nur
eine wirklich ganz
ungewöhnliche Be-
gabung gewesen
sein kann, die hier
zu so bedeutenden
und so ungewöhn-
lichen Resulta-
ten in so kurzer
Zeit hat gelangen
können.
Freilich, der Kampf mit dem launigen Element des Feuers, der fortgesetzte
Mangel ausreichender Öfen, den Böttger so oft beklagt hat, und überhaupt die ganze
Schwierigkeit dieser Technik hat an seinen Porzellanen nur zu deutliche Spuren
hinterlassen: große, oft klaffende Brandrisse, namentlich an den die ganze Last
der Gefäßkörper tragenden Füßen, an den Rändern der Gefäße und den Deckeln
oder den Stellen, wo Ornamente angesetzt sind, finden sich oft genug. Je größer
das Stück war, desto größer ist natürlich auch das Risiko in dieser Beziehung gewesen.
Die größten Vasen, die sich aus dieser Zeit erhalten haben, die eine Höhe von über
60 cm besitzen und vielleicht mit jener Vase in Verbindung stehen, die Irminger
und Leplat wenigstens bis zum Jahre 1717 noch nicht hatten brennen können^'*),
konnten gleich jener noch nicht in einem Stück gebrannt werden (Abb. 84 u. 89).
Der für sich gebrannte Fuß mußte ihnen nachträglich angeschraubt werden.
Auch kommen Vasen vor, die merkwürdigerweise gar keinen Boden besitzen ^^^).
14*
Abb. 8o. Wahrscheinlich Böttgerporzellan, mit g;eschliffener Oberfläche.
Kunstgewerbemuseum in Frankfurt a. M. Durchmesser 14 cm.
212 Das Böttgerporzellan.
Immerhin aber ist es erstaunlich, wie tadellos selbst größere Stücke damals aus
dem Ofen herauskamen, wie man sich denn überhaupt nicht genug darüber ver-
wundern kann, wie sehr und in wie kurzer Zeit doch auch hier wieder Böttger
Herr der Technik geworden ist, jener Technik, die ja im allgemeinen so schwierig
ist, daß sie selbst unsere in dieser Beziehung mit so vielen technisch-wissenschaft-
lichen Hilfsmitteln ausgestattete Zeit noch nicht mit absoluter Sicherheit beherrscht.
Interessant ist es hierbei, daß sich eine Anzahl von Stücken erhalten
hat, die sich schon durch ihre ganze äußere Erscheinung als sehr frühe Ver-
suchsstücke Böttgers ausweisen. Zwar von jenen „blattgen" oder Fliesen, durch
die Böttger seine neue Erfindung zuerst der Öffentlichkeit wie auch dem Könige
bekannt gemacht hat^^^), hat sich keins mehr gefunden, dagegen scheinbar eine
ganze Reihe von Stücken, die aus der Zeit stammen, da Böttger eben damit begann,
seine Porzellanmasse zur Herstellung von Gefäßen und dergleichen zu verwenden.
Vielleicht gehört eins derselben sogar noch der Zeit an, da J?ö«ger noch gar nicht die
Glasur zu seinem Porzellan besaß ^^'). Es ist dies eine im Frankfurter Kunstgewerbe-
museum befindliche, nicht sehr tiefe Schale, von schmutziger, gelblich gefleckter
Masse, auf der in regelmäßigen Abständen kleine, flache, muschelartig gezeichnete
Reliefs sich befinden, die aber keine Glasur trägt, dafür aber an der Oberfläche gänzlich
geschliffen ist (Abb. 80). Die ausgesprochene gelbliche Tönung der Masse bringt
sie in der Tat den späteren Erzeugnissen Böttgers im Porzellan schon recht nahe,
noch mehr jedoch die Anwendung der Technik des Schleifens, die ja, wie aus allem,
was vorhergesagt ist, hervorgeht, eine Tsch irnhausen und Böttger ganz besonders eigen-
tümliche Verzierungsart gewesen ist, sich sonst aber kaum wieder in größerem Maße
in der Keramik angewendet findet. Sie kann daher eigentlich nur diesem Kreise
angehören, und es erscheint dann als nur zu natürlich, daß Böttger im Jahre 1708,
als er seine Porzellanmasse erfunden hatte, aber mit der Glasur noch nicht zurecht
kam, sich gelegentlich einmal zur Glanzerzeugung an seinem Porzellan jenes Mittels
bedient hat, das er zur selben Zeit zu gleichen Zwecken an seinem Steinzeug ver-
wandte ^^^). Es ist damit ein einmaliger Notbehelf gewesen, der aber eben, da
für das Porzellan, sollte es damals wirklich für Porzellan gelten, die Glasur un-
bedingt erfunden werden mußte, nur ein reiner Notbehelf bleiben konnte.
Dieser Schale schließt sich in der Dresdner Porzellansammlung eine größere
Anzahl von Gegenständen an, an denen schon die Kunst sichtbar zu Worte kommen
sollte (Abb. 78, 79 u. 81). Es sind in der Hauptsache Tassen, große und kleine Schalen,
große Deckelnäpfe, daneben eine Art Vase und becherförmige Gebilde von einer Art
der Verzierung und Gestaltung, die von allem abweicht, was sonst für das Porzellan
Böttgers typisch ist. Sie erscheinen darum als eine ganz besondere Gruppe. Unter
ihnen erblickt man zunächst eine etwa 27 cm breite Schale, deren äußere Wandung
mit vom Rande herabhängenden flachen Reliefs von lambrequinartiger Gestaltung
ringsum belegt ist, die schon wegen der schwach erhabenen und daher im glasierten
Porzellan sehr unklar zum Ausdruck kommenden Ornamentik, ganz wie Aus-
formungen aus Goldschmiedestanzen oder dergleichen erscheinen (Abb. 79). Dieses
Versuchstücke.
213
Abb. 8i. Böttgerporzellan. Versuchstück mit durchbrochener, doppelter Wandung.
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Durchmesser 32 cm.
Stück freilich steht bisher ganz vereinzelt da, alle übrigen zeigen eine ganz andere
und merkwürdig komplizierte Gestaltung : sie haben doppelte Wandungen, von denen
die äußere auf Grund linearer Muster gänzlich durchbrochen ist. Doch dieser Ver-
such ist durchaus nicht immer geglückt: zahlreiche, z. T. weit klaffende Brand-
risse haben sich eingestellt, an den 26 — 30 cm breiten, innen sehr dickwandigen
Terrinen haben die schweren, großen Knöpfe auf den Deckeln das ganze Gitter-
werk des Deckels herabgedrückt, dadurch teilweise zerrissen und dann auch die
darunterliegende innere Wandung gesprengt (Abb. 81). Unzweifelhaft hat der stets auf
sein Können und seine angeborene Geschicklichkeit sich verlassende Böttger mit diesen
Arbeiten damals bereits eine große Tat begehen und nichts Geringeres nachahmen
wollen, als die schwierige Technik der in ganz verwandter Weise durchbroche-
nen chinesischen, wenn auch bedeutend kleineren Porzellangefäße, von denen die
Königliche Porzellansammlung zu Dresden, aus der damaligen Zeit stammend,
noch heute eine große Anzahl besitzt, und hat hierbei, da Hochmut nur zu leicht
vor den Fall kommt, manch böse Erfahrung gemacht. Daß aber diese Stücke zum
größten Teil wirklich schon den ersten Zeiten der Porzellanherstellung angehören,
das beweist ihr eigenartiger Fuß, der bei vielen derselben ziemlich dünn und
bandartig gestaltet, mit dem Boden des Gefäßes, zu dem er gehört, nicht fest ver-
wachsen, \ielmehr vielfach zerrissen und losgebrochen und auch nicht immer kreis-
förmig erscheint. Wir haben es daher unzweifelhaft mit frühen Arbeiten des ersten
Töpfers Böttgers Geitner zu tun, der, wie bereits früher berichtet^"), anfangs
mit dem Aufdrehen der Gefäße gar nicht zurecht kam, und dem namentlich die
Füße der Gefäße nicht gelingen wollten, da er sie, wie ausdrücklich erwähnt wird ^^°),
für sich drehte und dann erst aufsetzte, wodurch sie dann so wenig mit jenen ver-
wuchsen, daß sie im Feuer nachher vielfach sich wieder lösten, bis Eggebrecht ihn
214 Das Böttgerporzellan.
dann lehrte, den Boden erst beträchtlich dick zu gestalten und aus ihm den Fuß heraus-
zudrehen. Eine ganze Reihe dieser Gefäße hat in der Tat auch schon diesen dickeren,
mehr wulstartigen Fuß, der sich dann auch bedeutend besser bewährt hat®"^).
Ebenso eigenartig, ja geradezu fast völlig von dem im Stil abweichend, was
man sonst im europäischen Porzellan zu sehen gewohnt ist, stellt sich dann auch die
Kunst im Porzellane Böttgers dar. Denn als dieses Porzellan seine allererste Kindheit
überstanden hatte, und, da seine Herstellung endlich mit größerer Sicherheit gelang,
als ein „wirkliches Kaufmannsgat" fabrikmäßig in vielen Exemplaren her-
gestellt ward und nun auch seine künstlerische Ausgestaltung erhalten mußte, da
ist es, wie die erhaltenen Stücke aufs klarste zeigen, völlig in die Abhängigkeit
vom roten Steinzeug geraten, dessen künstlerische Ausgestaltung, weil der seinigen
um Jahre vorangegangen, fertig vor ihm lag, ja es ist geradezu ein Abklatsch
desselben geworden. Dieselben Modelle, dieselben Formen sind auch für diesen
neuen Stoff verwandt, neue scheinen so gut wie gar nicht verfertigt zu sein. So
gibt es im Porzellan in der Tat fast gar keine einzige Form, die sich nicht auch
im roten Steinzeug nachweisen läßt oder wenigstens ganz diesem verwandte Formen
zeigt, mit alleiniger Ausnahme vielleicht eines in diesem Stoff sehr häufigen, ganz
hohen, schlanken, mehr becherförmigen Tassentypus, der im roten Steinzeug bisher
noch nicht angetroffen worden ist, dessen eigenartige Form aber freilich auch nicht
durch besondere künstlerische Gestaltung, sondern schon durch einfaches Auf drehen
erzielt ward (Abb. 90 u. 91). Damit aber bestätigen die noch erhaltenen Porzellane
völlig, was früher bereits gesagt worden ist, daß, als das Porzellan am Beginn des Jahres
1713 endlich zur Fabrikware wurde und für seine künstlerische Bearbeitung bereit
stand, es völlig an Geld fehlte, für dasselbe neue Modelle, neue Formen zu schaffen,
so daß man damals eben wohl oder übel die des Steinzeugs auf das Porzellan übertragen
mußte. Irminger aber, der Hauptgestalter des roten Steinzeugs Böttgers, ist damit,
ohne eigentlich eine neue Arbeit zu tun, auch der des ersten Porzellans geworden,
der Begründer der europäischen Porzellankunst, die freilich nachher ganz andere,
von dieser gänzhch abseitsführende Wege gewandelt ist. Neben ihm kann die
Tätigkeit des gleichfalls damals genannten Leplat ^^^), da Werke von seiner Hand
sich nicht nachweisen lassen und sich auch unter den erhaltenen Stücken dieser
Zeit kaum ein solches von abweichendem Charakter befindet, kaum in Betracht ge-
kommen sein.
Und so erblickt man auch unter den Böttgerporzellanen die reich und klar pro-
filierten Rundgefäße mit den zierlich und reich gedrehten Knöpfen auf den Deckeln,
weiter die als Ganzes in Formen gepreßten, reliefierten oder mit den in Formen
für sich gepreßten, dann an die Wandungen angesetzten Reliefs, wie Blätter, Masken,
Blumenbouquets gezierten Stücke und ähnliches mehr, genau so, wie man dies am
roten Steinzeug zu sehen gewohnt ist (Abb. 82, 83, 84 usw.). Auch kommt wohl an
einigen Stücken gleicher Technik, z. B. an zwei Bierkrügen der Sammlung vonDall-
witz in Berlin und der Sammlung List in Magdeburg, das bekannte verschlungene
Monogramm des Königs vor (Abb. 72), das diese Stücke ausdrücklich als für den
Die Gestaltung.
215
Abb. 82. BSttgerporzellan mit anfgeleg^teti, geformten, antikisierenden Verziernngen.
Königl. Porzellansammlung Dresden. Hübe der großen Vase 37,5 cm.
König oder wenigstens seine Hofhaltung angefertigt, dokumentiert. Der erste
europäische Porzellanstil ist aber auf diese Weise entgegen lang geglaubten und immer
wiederholten Ansichten in keiner Weise ein chinesischer gewesen; er hat in dieser
Beziehung sogar äußerst wenig von jenen Erzeugnissen entlehnt, die doch zu
seiner Erfindung die alleinige Anregung gegeben haben. Erst nach
Böttgers Tode ist geschehen, was man bisher immer schon seiner eigenen Zeit
zugeschrieben hat, ist das Meißner Porzellan auch in künstlerischer Beziehung
ganz vom chinesischen Porzellan abhängig, ja z. T. seine unmittelbare Kopie
geworden ^°3)^ Unter Böttger dagegen kam die europäische Kunst, die Kunst
des Barocks, im Porzellan genau so zur ungetrübten Erscheinung, \\ie im
Steinzeug, und nur die Malerei nahm auch hier bisweilen einen Charakter an, der
bereits den damals beginnenden Einfluß der ostasiatischen Kunst auf die euro-
päische verrät.
Es kann jedoch kein Zweifel darüber bestehen, daß die Ablehnung des chine-
sischen Porzellanstils auch diesmal wieder ein völlig bewußter war. Noch mehr
als beim Steinzeug hatte Böttger beim Porzellan, als der doch so viel schwierigeren
und viel bedeutungsvolleren Erfindung, das größte Interesse daran, seine eigenen
Porzellanerzeugnisse auch als solche erkennen zu lassen, und wiederum erklärte
er ja — und in gewisser Beziehung mit vollem Recht, — daß seine Nachahmung viel
besser wäre, als seine Vorbilder *°*). So hatte er auch hier wieder alle Veran-
lassung, sich von ihnen stilistisch so weit als möglich zu entfernen und in dieser
Beziehung seine eigenen Wege zu wandeln, und es kann darum auch durchaus
216
Das Böttgerporzellan.
nicht als ein Zufall gelten, daß gerade jene Formen, die durch mechanisches
Abformen von chinesischen Vorbildern — wahrscheinlich, wie gezeigt ^°^), nur
aus Not — hergestellt worden waren, im Porzellan nur sehr selten anzutreffen
sind, hier jedenfalls nicht entfernt den Raum einnehmen, wie im Steinzeug
(Abb. 83). Viele Formen dieser Art sind im Porzellan überhaupt nicht mehr nach-
weisbar. Man sieht, als das Porzellan nun wirklich fabrikmäßig hergestellt ward,
da war der mehr zufällig dem Steinzeug aufgezwungene chinesische Stil bereits
so gut wie völlig überwunden und der rein europäische triumphierte jetzt völlig.
Ob freilich das erste europäische Porzellan hierbei in künstlerischer Beziehung
gewonnen hat, ist
eine andere Frage.
Steinzeug und Por-
zellan sind kunst-
technisch ganz ver-
schiedene Dinge.
Gerade der Haupt-
vorzug des erste-
ren, der dem
Böttgersteinzeug
in ganz hervor-
ragendem Maße
eigen gewesen zu
sein scheint, seine
große Plastizität,
seine leichte Bild-
samkeit fehlt dem
Porzellan. Das
Porzellan hat wohl
von allen kera-
misch anwendbaren Stoffen am wenigsten die Fähigkeit, in feuchtem Zu-
stande die ihm gegebene Form zu bewahren, und Böttger war ja sogar, wie
früher berichtet, um die Plastizität seiner Masse zu erhöhen, gezwungen gewesen,
zu den beiden Hauptbestandteilen, dem Kaolin und dem Alabaster, noch den Ton von
Colditz hinzuzusetzen. Darum hat auch das Volk, das das Porzellan zuerst erfand
und ihm auch seinen reinsten Stil gegeben hat, die Chinesen, ihm von Anfang an
in formaler Beziehung einen möglichst einfachen, unbestimmten Charakter ver-
liehen, um es dafür vor allem nach seiner malerischen Seite hin auszubilden. Auch
der klassische europäische Porzellanstil, den nachher der große Plastiker der
Meißner Manufaktur Kandier diesem Materiale gegeben hat, bewegt sich, obwohl
vorwiegend plastischer Natur, doch nur in unbestimmten, selbst verschwommenen
Formen. Alles Geradlinige, Scharfkantige ist hier überall nur eine Ausnahme.
Dazu kommt dann noch die Einwirkung der Glasur. Indem sie alle Formen um-
Abb. 83. Böttg^erporzellan. Chinesische Nachbildungen.
König-1. Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Flasche in der Mitte 22,5 cm.
Abb. 84. BSttgerporzellan. Große Vase mit aufg^elegten, greformten Verzierungen.
Konigl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe 64 cm.
218
Das Böttgerporzellan.
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Abb. 85. Böttgerporzellan, mit freihändig aufgelegten einzelnen Blumen und Blättern.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Höhe der mittleren Vase 28,5 cm.
fließt, mildert sie, mag sie auch noch so dünn aufgetragen sein, die plastischen
Unterschiede, macht sie dieselben unbestimmter und verschwommener, als
gewollt war, und so wird die ursprünglich beabsichtigte, künstlerische Wirkung
in keiner Weise so erreicht, wie sie eben ursprünglich beabsichtigt war und Unklar-
heit, Ausdruckslosigkeit muß die notwendige Folge davon sein. Jeder echte, material-
gerechte Porzellanstil muß daher von vornherein auf diese beiden Eigentümlich-
keiten des Porzellans Rücksicht nehmen: er muß auf jede Korrektheit, jede vöUige
Bestimmtheit verzichten und nur, wenn er dies tut mit aller Konsequenz, wird
er zu völlig befriedigenden Leistungen kommen können.
Darum aber mußte die fast mechanisch vor sich gehende Übertragung des
plastisch so klaren, scharfen Stils des 5ö«gerschen Steinzeugs auf das Porzellan,
die jenem, weil aus ihm heraus geboren, so völlig angemessen war, von vornherein
als ein Fehler erscheinen, der seiner Ausgestaltung nicht zum Heile gereichen
konnte. Was dort klar und scharf gedacht war, ward hier weich und unbestimmt
und verlor dadurch ganz seinen ursprünglichen Charakter: die reichen Profilierungen
erschienen nun verschwommen und ausdruckslos, die aufgesetzten Reliefs lösten
sich nicht mehr scharf vom Grunde. Es kommt etwas Unklares, Unbestimmtes,
ja Krauses und selbst Schwächliches in die ganze Erscheinung dieser Porzellane,
zu dem sich das Gefühl eines z. T. nutzlosen Kunstaufwandes gesellt, das diesen
Schöpfungen vielfach etwas Unbehagliches gibt, namentlich gegenüber den ostasi-
atischen, an denen immer alles, was gewollt, auch wirklich zum Ausdruck gelangt
ist. Der Stil der Böttgerporzellane ist daher weit entfernt davon, schon für muster-
gültig gelten zu können.
Schwächen des Stils. 219
Es scheint, als ob man diesen Übelstand schon damals bisweilen empfunden,
als ob man schon damals nach einem anderen Porzellanstil sich gesehnt hätte.
Plastik im Porzellan ist durchaus nicht unangebracht, wenn freilich auch durchaus
nicht das wesentliche Kunstelement desselben; nur muß diese Plastik von vorn-
herein auf das Unbestimmte, Unbegrenzte angelegt sein und trotzdem dabei größere
Unterschiede in den Erhebungen und Senkungen zeigen. Im Böttgerporzellan
tauchen daher oft auch Gegenstände mit plastischen Blumensträußen auf,
deren Blätter und Blumen, vorher einzeln geformt oder frei modelliert, dann leicht
und locker in freihändiger Arbeit auf die Wandungen der Gefäße gesetzt sind, von
denen sie sich dann aufs deutlichste abheben (Abb. 85 u. 86). Es ist dies eine gänzlich
neue Gestaltungsmethode, auf deren Anwendung im Porzellan, wie früher erwähnt ^<'*),
Böttger damals ausdrücklich hingewiesen hat, die sich aber zugleich bereits stark
in den Gleisen bewegt, die später der Schöpfer des klassischen europäischen
Porzellanstils, Kandier, für das Porzellan eingeschlagen hat. Jedenfalls gehören
schon damals diese Schöpfungen zu den reizvollsten, die sich unter den Böttger-
schen Porzellanen entdecken lassen. Daneben finden sich dann noch, wenn auch
sehr selten, Porzellane mit eingedrückten Verzierungen, auf die Böttger gleichfalls,
wie oben erwähnt ®°'), als auf eine besondere Neuheit aufmerksam gemacht hat. Der-
artige von der darüberliegenden Glasur wieder ausgefüllte Vertiefungen in der Masse
sind gleichfalls eine dem Porzellan durchaus angemessene Verzierungsmethode, die
namentlich von den Chinesen mit Vorliebe angewandt worden ist. Doch bedarf
sie, um wirklich wirkungsvoll zu werden, wie es die Chinesen getan haben, der
Anwendung farbiger Glasuren. Die durchsichtige Glasur jedoch, die Böttger allein
zur Verfügung stand, vermochte hier noch keine allzu großen Effekte zu erzielen,
und so ist diese Verzierungsmethode unter Böttger auch allem Anscheine nach nicht
allzuoft zur Anwendung gelangt (Abb. 74).
Durch die mechanische Übertragung des Steinzeugstils auf das Porzellan ist
aber dessen Stil von Anfang an so bestimmt worden, daß er in erster Linie ein
plastischer ward. Der Stil des Steinzeugs ist in der Regel plastisch ^°^), der des
roten Steinzeugs konnte es schon deshalb werden, da es in seinem sich rot brennenden
Ton schon Farbe genug besaß, um anderer farbiger Zutaten entbehren zu können.
Auch konnte diese rote Farbe kein für Malerei sehr geeigneter Grund sein.
Für das Porzellan dagegen lag zunächst zur Entfaltung eines spezifisch plastischen
Stils keine Veranlassung vor, die sich irgendwie aus dem Wesen oder dem Stil
dieses Materials ergab. Im Gegenteil, Porzellankunst ist, wie der größte Teil der
Keramik zeigt, in der Hauptsache farbige Kunst ^°^). Der schönste Schmuck des
Porzellans ist immer sein bunt schillerndes Farbenkleid gewesen. Das lehrt der
ganze Verlauf seiner Entwicklung, das schon sein frühester Anfang, da es in China
zunächst als Nachahmung von farbigem Edelgestein erfunden ward. Das verlangt
auch, wofern der Grundsatz richtig ist, daß jeder Stoff nach derjenigen Seite hin
künstlerisch sich entwickeln soll, auf der seine besten künstlerischen Fähigkeiten
liegen, sein ganzes Wesen, da es von vornherein dank seinem weißen Grund mehr
Abb. 86. Bottgerporzellan. Große Vase mit freihindig: aufgelegten Weinranken.
Konigl. Porzellansammlung-, Dresden. Hohe 42 cm.
Plastischer Charakter des Stils.
221
Abb. 87. B5ttg;erporzellaii mit aufgelegten, geformten Blnmen.
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der Deckelvase 31 cm.
denn irgend ein anderer nicht- keramischer Stoff dazu veranlagt ist, Träger einer
glänzenden Farbenskala zu werden. Das europäische Porzellan fing daher eigent-
lich, als es den Stil des roten Steinzeugs schlechtweg übernahm, an seinem falschen
Ende an, es geriet auf künstlerische Abwege, die es freilich — zu seinem Heile —
nach Böttgers Tode bald wieder verlassen hat. Die Erfindung des roten Steinzeugs
vor der des Porzellans hat aber damit nicht bloß, wie oben gezeigt worden ^i°),
dessen eigentliche Fabrikation zunächst sehr gehemmt, sie hat für dasselbe auch in
künstlerischer Beziehung eine nicht unbeträchtliche Schädigung bedeutet, sie hat
die Entwicklung eines materialgerechten Porzellanstils in Deutschland aufgehalten.
Kein Zweifel daher, wäre seine Erfindung ohne die des Steinzeugs oder vor der-
selben vor sich gegangen, hätten hier, als jenes aufkam, nicht alle Formen, die für
dieses geschaffen, so bequem zur Verfügung gestanden, das Porzellan hätte damals,
unter dem unmittelbaren Einfluß seines technischen Vorbildes, des chinesischen
Porzellans, eine gänzlich andere Gestaltung erhalten und Böttger damit auch in
dieser Beziehung, wie in so vielen anderen, eine Arbeit geleistet, auf die die folgenden
Generationen hätten aufbauen, die sie hätten weiter entwickeln können. Es kann
eben nichts seine Entwicklung verleugnen.
Trotz alledem aber hat, wie bereits früher gezeigt, Böttger auf den farbigen
Schmuck des Porzellans durchaus nicht verzichten wollen. Wie hätte auch er, der
unermüdhche Experimentator, an jenen Problemen der Farbe achtlos vorüber-
gehen können, die ihm das chinesische Porzellan von Anfang an als die wich-
tigsten nach der Erfindung selber vor Augen hielt! Hatte er doch sogar auch das
222 Das Böttgerporzellan.
rote Steinzeug, das solches Schmuckes doch gar nicht bedurfte, mit Malereien "ver-
sehen lassen! Nur freilich scheint sein Interesse und darum auch sein Eifer, nach
den heute noch erhaltenen Porzellanen zu urteilen, nach dieser Seite hin in der Tat
nicht allzu groß gewesen zu sein: er ist hier nur zu recht wenigen wirklich ganz
befriedigenden Resultaten gelangt. Aber freilich das, was er auf diesem Gebiete
trotzdem versucht und getan hat, reicht völlig aus, um Böttger auch hier
wieder als jenen beweglichen, stets erfinderischen Geist zu dokumentieren,
als welchen ihn seine ganze übrige Geschichte zeigt. Auch hier erkennt man wieder
das Suchen und Probieren nach den verschiedensten Seiten hin, das Erschöpfen
möglichst vieler Möglichkeiten, das vor allen bei der technischen wie künstlerischen
Ausbildung des roten Steinzeugs so merkwürdig auffiel. Gewiß hätte er diese Seite
des Porzellans, hätte er länger gelebt oder wäre er länger bei voller Kraft geblieben,
noch weiter entwickelt und wäre auch hier zu durchaus befriedigenden Resultaten
gelangt, namentlich wenn man sieht, wie leicht sonst später viel weniger begabten
Leuten die Beherrschung der Porzellanmalerei gelingen sollte. So aber ist es auf
diesem Gebiete vielfach nur bei Anregungen und Versuchen geblieben, die erst nach
Böttgers Tode wirklich brauchbare Resultate herbeiführen sollten.
So gut wie alle Techniken, durch die man Porzellan farbig dekorieren kann,
hat Böttger versucht, er hat sich an leichte wie schwere herangewagt. Nur mit
farbigen Glasuren, in denen die Chinesen immer Meister gewesen sind, hat Böttger
sich merkwürdigerweise nicht abgegeben. Sie scheinen auch gerade damals in
China nicht Mode gewesen und auch nach Europa, wenn auch die Dresdner Porzellan-
sammlung eine ganze Anzahl derselben besitzt, nicht allzu häufig gekommen zu
sein ^1^). Man verlangte im Zeitalter des Barocks beim Porzellan allem Anscheine
nach mehr nach seinem schimmernden Weiß, nach seiner glänzenden Glasur, nach
seinen leuchtenden Farben. Denn Glanz und Pracht ging dieser Zeit — das zeigen
die vielen Vergoldungen und sonstigen Überdekorierungen, die man damals nament-
lich den unbemalten oder nur mit Blaumalerei versehenen Porzellanen Ostasiens noch
nachträglich in Europa zuteil werden ließ — noch über die bloße Farbe. Der Effekt
triumphierte damals über die rein künstlerische Wirkung, und in der Tat muß man
gestehen, daß derartig farbig glasierte Porzellane, wenn man sie sich nach der Sitte der
Zeit, auf Konsolen vor die Wand aufgestellt denkt, auch nicht entfernt die dekorative
Wirkung hervorzurufen vermögen, wie weißgründige und bemalte. Etwas Ernstes,
Düsteres haftet ihnen im Vergleich zu diesen immer an, und so ist die scheinbar
geringe Neigung des Barocks für diese gar wohl erklärlich. Sind ja doch auch fast
noch zwei volle Jahrhunderte seit dieser Zeit vergangen, bis endlich in Europa
der Reiz dieser farbig so vornehmen Produkte entdeckt und voll gewürdigt ward,
und geschieht dies auch heute noch immer erst von einer kleineren Gemeinde,
deren Sinn schon besonders wieder entwickelt ist für die intimeren Reize der
Farbenwelt.
Von allen Maltechniken jedoch hat Böttger auch im Porzellan wieder keine so
häufig angewandt, wie die Lackmalerei, die ja der ausschließlich farbige
Bemalung.
223
Abb. 88. Bottgerporzellan, mit Lackfarben bemalt,
Köni^I. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der Deckelvase 27 cm.
Schmuck seiner schwarz glasierten Steinzeuge gewesen ist. Sie war naturgemäß
auch hier wieder die leichteste, die keiner besonderen Übung, vor allem keiner
besonderen keramischen Erfahrung bedurfte. Es genügte für diese Zwecke völlig,
was Böttger in dieser Beziehung aus Berlin mitgebracht haben kann, wofern es
wirklich wahr ist, was berichtet wird, daß er sich dort als Apothekerlehrling viel
mit der Lackierkunst abgegeben hat ^^^). Dieser farbige Schmuck des Porzellans
ist freilich heute eine in der Keramik gänzlich unbekannte Technik, sie gehört
auch in Anbetracht ihrer Vergänglichkeit durchaus nicht in diese für gewöhnlich
nur Dauerhaftes schaffende Technik hinein. Sie war aber damals in dieser Zeit
des keramischen Ringens und Strebens, der Neugründungen und Nacherfmdungen
in der Keramik durchaus nicht etwas so Ungewöhnliches. Zahlreiche Fayencen
dieser Zeit, meist unbestimmbarer Herkunft, haben sich erhalten, an denen diese
Technik, wohl weil man mit den Scharffeuerfarben noch nicht zurecht kam, ver-
wandt worden ist ^^^). Auch auf dem Gebiet des Porzellans war es damals allgemein
üblich, einfachere chinesische und japanische Porzellane u. a. durch Zutaten in
Lackmalerei und kalter Vergoldung reicher und darum kostbarer auszugestalten.
Böttger führte demnach in die Keramik gar keine Neuerung ein, als er sich für seine
Porzellane der gleichen Technik bediente; er benutzte hier nur ein Mittel, das schon
immer zur Erzielung eines bequemen, wohlfeilen Schmuckes gedient hatte. Seine
Anwendung aber fand es auch hier wieder wie beim Steinzeug zunächst zur Loslösung
des Rehefschmuckes von den Wandungen der Gefäße (Abb. 88). Hierbei wurden die
Abb. 89. Böttgersteinzeug. Große Vase, mit Lackfarben ganz fibermalt.
Königl. Porzellansamralung-, Dresden. Hühe 68 cm.
Lackmalerei. 225
Abb. 90. Böttgerporzellan mit ornamentaler Emailmalerei.
König!. Porzellansammlung, Dresden. Höhe des Deckeltopfes 14 cm.
stilisierten Ornamente meist vergoldet, die freihändig aufgesetzten Blätter und Blumen
dagegen vielfarbig bemalt, und zwar in naturalistischem Sinne, die Blätter grün,
die Blumen gelb und rot. Seltener finden sich Lackmalereien unmittelbar auf der
Wandung der Gefäße, wie z. B. auf einigen Vasen der Dresdner Porzellansammlung,
die als Motive dieselben Blumenstücke zeigen, wie die gleich zu erwähnenden
Malereien in Emailfarben. DochbesitztdanebendiePorzellansammlungauch(Abb.89)
zwei Exemplare der größten Vasen, die damals in diesem Stoffe hergestellt worden
sind, die merkwürdigerweise von oben bis unten gänzlich mit roter Farbe
zugedeckt sind, auf die dann ein großer Reichtum an Barocklambrequins und
-gitterwerk , in Goldmalerei aufgetragen worden ist. Es muß eine ganz besondere
Bewandtnis mit diesen ihren Grundstoff so völlig verbergenden Vasen gehabt haben;
denn merkwürdigerweise finden sich fast dieselben Vasen in Holz geschnitzt und
in der gleichen Weise bemalt im Residenzschloß zu Dresden und im Schloß zu
Moritzburg bei Dresden ^^^).
Über die ästhetische Wirkung dieser Lackmalereien freilich vermögen wir uns
heute gerade wie beim glasierten Steinzeug keine rechte Vorstellung mehr zu machen.
Sicherlich wird sie damals eine recht lebhafte und glänzende gewesen sein,
wenn freiUch auch immer nur ein Notbehelf, eine Augenblicksdekoration, ent-
schuldbar in der Kindheit einer neuen Kunst, da die Technik mit ihrem Wollen
noch nicht immer Schritt zu halten vermag. Heute ist ihre Wirkung natürlich eine
recht unerfreuliche, doppelt unerfreulich, da sie in ihrer Stumpfheit- und Trübe
im stärksten Gegensatz zu dem Glanz und der Reinheit der Porzellane stehen,
die sie verzieren sollen. Trotz alledem ist die Lackmalerei auf Porzellan selbst
nach Böttgers Tode keineswegs gleich aufgegeben worden. Sie ist dort weiter ein
Notbehelf gebUeben, und als daher später der König August der Starke und sein
Zimmermann, Meiüner Porzellan. lö
226 Das Böttgerporzellan.
Nachfolger in ihrem Streben nach dem Großen Monumentalvasen und große Tiere
in Porzellan schaffen ließen, da mußte man, da man diese großen Stücke mit Email-
farben noch nicht zu bemalen verstand, wieder zur Lackmalerei greifen und be-
malte merkwürdigerweise selbst damals wieder auf diese Weise ganze Stücke von
oben bis unten, ohne dabei freilich zu besseren Resultaten zu gelangen.
Daneben aber hditBöttgersich. ja auch schon früh, wie mehrfach erwähnt, auf die
Emailmalerei, die Malerei mit einzubrennenden Schmelzfarben, gestürzt, auf jene
Technik, mit der ein großer Teil seiner Vorbilder in China und Japan, und zwar ge-
rade die schönsten, wenn auöh erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit verziert wurden.
Unzweifelhaft muß diese Technik Böttger, da er sich so früh an dieselbe machte,
recht leicht erschienen sein. Farbige Glasflüsse einbrennen auf einen glasartigen oder
Metallgrund war eine von der Glasindustrie, der Emailmalerei und Goldschmiede-
kunst wie in anderen Ländern, so auch in Deutschland schon seit lange geübte
Technik. Dazu gab es wieder die üblichen früher erwähnten Rezeptbücher ^^^)
mit Kunckels berühmter Ars vitraria an der Spitze, die in dieser Beziehung sich
ganz besonders ergiebig zeigt. Von diesen Techniken, die damals kein Geheimnis
mehr darstellten, konnte Böttger zunächst ausgehen; aber freilich bald genug muß
er empfunden haben, daß die unmittelbare Übertragung derselben auf das Porzellan
hier noch nicht zum Ziele führen konnte, da die Glasur des Porzellans sich mit dem
Glase oder dem Email in dieser Beziehung doch nicht völlig deckt. So fielen seine
Emailfarben trübe, schmutzig, fleckig und unansehnlich aus, sie zeigen nichts
von dem Glanz, der Reinheit und der glasartigen Durchsichtigkeit (siehe Titelbild
u. Abb. 90), die sonst Emailfarben auf Porzellan üblich zu sein pflegt, und sie
sind zu seinen Lebzeiten dann auch nicht viel besser geworden, obwohl sie doch
schon so bald nach seinem Tode von seinem Nachfolger, dem Wiener Emailmaler
Herold so glänzend hergestellt werden sollten: sie haben in dieser Beziehung eine
merkwürdige Ähnlichkeit mit jenen Malereien bekommen, die bald darauf außerhalb
der Fabrik von Email- und sonstigen Malern um des eigenen Gewinnes wegen
auf weißes, unbemaltes Porzellan aufgetragen wurden, eben wohl deshalb, weil
auch hier die Übertragung von Emailfarben, die für einen anderen Malgrund be-
stimmt waren, auf die Glasur des Porzellans nicht gleich gelingen wollte ^^^).
Böttger hat übrigens von diesen Emailfarben auch nicht allzuhäufigen Ge-
brauch gemacht. Nur verhältnismäßig recht wenige auf diese Weise bemalte Stücke
haben sich heute noch erhalten, die meisten wieder in der Dresdner Porzellan-
sammlung, dann im Zähringer Museum zu Karlsruhe und der Sammlung des
Dr. V. Daliwitz in Berlin. Sie zeigen aber alle, daß Böttger damals in der Bemalung
seiner Porzellane auf eine überraschend lebhafte, leuchtende Farbenskala ausging,
so leuchtend und frisch, wie es das Porzellan, selbst das ostasiatische nur selten
gezeigt hat. Man bemerkt hier namentlich ein lebhaftes Gelb, ein fröhliches Blau
und ein saftiges Grün, daneben ein Karminrot, das weit entfernt ist von jenem
unbestimmten, aus Mangan hergestellten Violett, mit dem sich später die meisten
Porzellanfabriken des 18. Jahrhunderts, sogar die Meißner selber haben trösten
Emailmalerei.
227
Abb. 91. B5ttg;erporzellan mit Malerei in Eisenrot.
König-l. Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Obertassen 8 cm.
müssen, da sich ein wirklich reines Rot oder Rosa scheinbar so schwer auffinden
ließ. Daneben freilich gibt es hier auch einige weniger schöne Töne: ein bräun-
liches Eisenrot, ein trübes graues Grün, ein recht stumpfes Violett, die freilich nur
so nebenher verwandt sind, so daß sie die Leuchtkraft der übrigen nicht zu beein-
trächtigen vermögen. Am wenigsten geglückt ist von allen diesen Farben zumeist
die blaue, sie ist zum Teil weder blau noch irgendwie glänzend ausgefallen, und
es bestätigt sich hier nur, was aus Böttgers Lebzeiten über die Erfahrung, die dieser
mit dieser Farbe gemacht hat, berichtet worden ist^^^).
Alle diese Emailfarben wurden für gewöhnlich auf einem Stücke gemeinsam
angewandt. Daneben ist es von Wichtigkeit, daß 5ö«ger, wohl angeregt durch gleich-
artige Malereien auf Glas — auch wohl, weil es für ihn am Anfange nicht allzu
leicht sein mochte, alle die verschiedenen Emailfarben, die ihm zur Verfügung
standen, auf einmal zufriedenstellend einzubrennen — auch bereits auf den Gedanken
kam, Malereien nur in einer Farbe auf seinem Porzellan ausführen zu lassen, eine
Malerei, die der Porzellankunst dann dauernd verblieben ist, ja in ihr bisweilen
eine bedeutende Rolle gespielt hat. Hier steht man natürlich noch vor den ersten
Anfängen, auch scheint diese Malweise, da sich fast nur in der Dresdner Porzellan-
sammlung einige wenige Stücke dieser Art erhalten haben ^^^), nur äußerst selten
angewandt zu sein. Auch hat man sich damals hierzu nur der Rosafarbe, des Eiseri-
rots und vielleicht auch des Schwarzlots bedient. Aber fast alle diese Stücke scheinen
zu bestätigen, daß diese Technik damals in der Tat um ihrer Leichtigkeit willen
angewandt ward: die Farben sind gut herausgekommen, sie wirken sauber und
klar, obwohl die Malerei selber bereits recht kompliziert, ja raffiniert ist. Diese
lö*
228
Das Böttgerporzellan.
Abb. 92. Böttgerporzellan mit Malereien in Lüsterfarbe.
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe der linken Tasse 8 cm.
Stücke gehören überhaupt in koloristischer, wie auch in zeichnerischer Beziehung
zu den erfreulichsten, die unter Böttger geschaffen worden sind (Abb. 91 u. 96).
Die originellste Farbe jedoch, die jBöWger angewandt hat, ist eine Lüsterfarbe, seine
bereits früher erwähnte ,, Perlmutterglasur" gewesen, die aber, wie damals schon
selber angegeben wurde, keine Glasur war: eine Farbe von blaßviolettrosa Tönung
mit mehr oder weniger lebhaftem Metallglanz. Die Anwendung einer solchen Lüster-
farbe war für die Keramik an sich keine Neuerung, da die orientalische, spanische
und auch die italienische Majolika sie bereits gekannt hatte, sie war es nur für das
Porzellan, da sie bis dahin dem ostasiatischen Porzellan durchaus fremd gewesen
war ^19). Sie wurde allem Anscheine nach aus Knallgold *2°) hergestellt und Böttger
wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu dieser Farbe schon durch seine früheren
alchimistischen Experimente gelangt sein. Er verwandte sie nun zu Grundierungen,
d. h. zum Bedecken der ganzen Wandungen, oder auch zur Ornamentik, bisweilen
inVerbindungmit den vorhergenannten Emailfarben (Abb. 92). Technisch ist freilich
diese Farbe meist noch nicht sehr geglückt: sie erscheint oft recht blaß, auch
stellenweise wie ausgeblichen, was namentlich an den geschlossenen Grundierungen
auffällt. Jedenfalls ist zu Böttgers Zeiten, soweit man heute noch sehen kann,
noch niemals jene Tiefe, jene Gleichmäßigkeit des Tons und jene Kraft des Lüsters
erreicht werden, wie es später geschehen sollte : auch hier hat Herold erst erreicht,
was Böttger aller Wahrscheinlichkeit nach schon vorgeschwebt hat. Im allgemeinen
jedoch muß gesagt werden, daß man mit derartigen Lüsterfarben in der Keramik
niemals allzuviel anzufangen gewußt hat. Neben dem scharfen Glänze der Glasur er-
scheint der einer solchen Farbe meist überflüssig, ja selbst störend. Dennoch ist diese
Farbe die einzige von allen gewesen, die Böttger längere Zeit überlebt, die einzige,
die auch später noch unter seinem Nachfolger längere Zeit Verwendung gefun-
den hat.
Gold- und Silbermalerei. 229
Abb. 93. Böttgerporzellan «it Malereien in Silber.
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Höhe des Theetopfes 13 cm.
Eine reiche und teilweise sehr originelle Verwendung hat dann aber Böttger
mit eingebrannter Gold- und Silbermalerei vorgenommen. Gold und Silber hatten
bisher in der Keramik keine allzu große Rolle gespielt. Im ostasiatischen Porzellan
waren sie fast nur sekundär, nur als ein Mittel zur Belebung und Glanzerhöhung
bescheiden, aber äußerst geschmackvoll aufgetreten. Böttger dagegen führte nun
unter dem Einfluß des nach Glanz und Üppigkeit strebenden Barocks und wohl
auch der damaligen Glaskunst auch die selbständige und ausschheßliche Ver-
wendung dieser beiden Metalle in das Porzellan ein, wie er es ja mit dem Gold
auch schon bei seinem Steinzeug getan hatte, ohne es freilich bei diesem gleich ein-
brennen zu können. Auch beim Porzellan scheint er nicht gleich mit der Feuerver-
goldung zurecht gekommen zu sein. Wenigstens befinden sich in der Dresdner Por-
zellansammlung mehrere der oben beschriebenen schlanken Tassen, die ganz und gar
mit dünnen Goldfolien nur leicht belegt sind, die zum größten Teil später wieder
abgegangen sind oder jetzt nur noch lose auf ihnen sitzen. Im übrigen jedoch sind
die Gold- und Silbermalereien dieser Zeit fast alle eingebrannt und haben sich auch
als recht haltbar erwiesen, und so hat auf diesem Gebiete der Malerei Böttger die
Technik völlig zu beherrschen gelernt (Abb. 93, 95 u. 97).
Überhaupt bildet die Gold- und Silbermalerei wohl das interessanteste und
erfreulichste Kapitel der koloristischen Verzierungen der Böttgersch^n Porzellane.
Es ist zugleich noch einmal wieder, so klein es an sich auch ist, ein Tummel-
platz des immer so erfinderischen und beweglichen Geistes Böttgers gewesen. Er
hat hier in der Tat schon beinahe alle Möglichkeiten, die die Keramik kennt, aus-
genutzt oder wenigstens angedeutet und so der Nachwelt nicht allzuviel ganz Neues
mehr auf diesem Gebiete hinzuzufügen überlassen. Zunächst hat er hierbei die
beiden MetaUfarben wieder benutzt, um mittels derselben gerade wie mit der
Perlmutterglasur den ganzen Grund zu bedecken. Die Porzellansammlung besitzt
mehrere Tassen, die innen und zum Teil auch außen gänzlich versilbert oder ver-
goldet sind, ja an einer scheint er sogar den seltsamen Versuch gemacht zu haben,
beides zu kombinieren, indem er über einen Silbergrund noch einen schwachen
230
Das Böttgerporzellan.
Goldschimmer legte, wodurch eine sehr reizvolle Abschattierung des Grundes
zustande gekommen ist. Dann aber ging seine Experimentierlust weiter. Es finden
sich in der Dresdner Porzellansammlung mehrere Stücke, auf denen durch Polierung
ganze Zeichnungen auf den Goldgrund eingezeichnet sind, darunter auch einmal
das Monogramm des Königs in einer Lorbeerumrahmung, ein sicherer Beweis,
daß Böttger dieses Stück zur Vorlage für diesen bestimmt hatte. Dann aber schwebte
Böttger damals erstaunlicherweise bereits nichts Geringeres vor, als jene Relief-
vergoldung, die Meißen nach wenigen Jahrzehnten noch einmal und mit großem
Erfolge versuchen sollte ^^^), die aber dann bekanntlich am Ende dieses Jahrhunderts
ihre volle, viel bewunderte und nun auch viel nachgeahmte Ausbildung im Wiener
Porzellan gefunden hat. Freilich, was hier im Porzellan Böttgers geboten wird,
erscheint nur als ein erster Versuch, der zu keinen positiven und brauch-
baren Resultaten geführt hat. Wiederum auf geschlossenem Goldgrund lösen
sich hier in schwacher Erhebung die Relieflinien, aber unklar, stumpf und
ungleich, fast als beständen sie aus zerknittertem Papier. Ihre Wirkung ist daher
eher trüb als glän-
zend zu nennen;
auchhebt sich die
Zeichnung in kei-
ner Weise genü-
gend vom Grunde
ab. Auf Grund
dieses Resultates
konnte noch kein
Typus geschaffen
werden.
In der Hauptsache jedoch ward die Gold- und Silbermalerei genau wie alle
übrige Malerei zu reiner Ornamentik benutzt. Sie fiel bald einfach, bald reicher aus.
Jedoch erscheinen heute alle Malereien und Grundierungen in Silber, wie es allen
derartigen Malereien zu ergehen pflegt, infolge des Oxydierens dieses Metalles
an der Luft gänzlich schwarz. Ihre Wirkung auf dem Porzellan ist freilich dadurch
durchaus nicht unangenehm geworden, wenn sie auch natürlich jetzt viel härter
wirken, als da sie noch im lichten Schimmer des Silbers glänzten. Die keramische
Technik hat daher ja auch schon seit langem in der Keramik das Silber durch
Platin ersetzt «22).
Schließlich haben sich in der Dresdener Porzellansammlung noch einige Por-
zellane erhalten, die Böttgers vergebliches Bemühen um die Erzielung der ko-
baltblauen Unterglasurmalerei der chinesischen Porzellane aufs deutlichste
bekunden: es sind drei kleine, in der Dresdner Porzellansammlung befindliche
Tassen, die sich durchaus als Versuchsstücke dadurch darstellen, daß nicht nur
die einzelnen Tassen selber durch Nummern oder Buchstaben bezeichnet sind,
sondern an der einen Tasse auch die einzelnen farbig ganz verschieden ausgefal-
Abb. 94. Böttgerporzellan. Versnchsstücke mit kobaltblauer Unterglasurmalerei.
Königl. Porzellansammlung-, Dresden. Hühe 4 cm.
Die Dekorationsmotive 231
lenen und darum wohl auch von vornherein verschieden aufgetragenen Orna-
mente für sich numeriert sind (Abb. 94). Alle sind sie mit jenen chinesisch
gehaltenen Motiven bemalt, die auch die übrigen bemalten Porzellane Böttgers
zeigen. Doch die kobaltblaue Farbe ist hier in der Tat nirgends irgendwie brauch-
bar herausgekommen: sie ist entweder zu blaß oder zu dunkel und trüb geworden
und fällt dann ins schwärzliche oder gar grünliche. Gänzlich verschwommen aber
stellt sich die Ornamentik selber dar. Um sie überhaupt wieder deutlich zu machen,
hat man sie nach dem Brande mit Gold konturieren, ja einmal auch mit
eisenroter Malerei versehen müssen. Mit diesen Resultaten war damals noch
nicht das geringste anzufangen, das Problem der Blaumalerei durch sie in der
Tat noch nicht im geringsten gelöst ^^3).
Mit dieser Blaumalerei sind die Malmittel, die Böttger zur Ausschmückung
seiner Porzellane damals zur Verfügung standen, erschöpft gewesen. Dasselbe
reiche Bild jedoch, das sie zeigen, gewährt auch die durch sie bewirkte Dekoration,
die Motive und Anwendung derselben, ohne daß freihch damals schon ein be-
stimmter Typus zustande kam ^^^), der auf dem Porzellan dieser Zeit häufiger
wiederholt worden wäre. Die verschiedensten Einflüsse scheinen sich hier gerade
wie bei der Bemalung des schwarz glasierten roten Steinzeugs gekreuzt, die ver-
schiedensten Vorbilder hier eingewirkt zu haben. Nur ist das Bild, daß sich im
Porzellan darbietet, noch bunter, da die Bemalung dieses wohl einem längeren Zeit-
raum angehört und darum sich hier immer neue Einflüsse hinzugesellt haben.
Ebenso aber macht sich auch hier wieder der chinesische Einfluß geltend, wenn
freilich gleichfalls der europäische Stil noch durchaus überwiegt.
Unter den Malereien europäischen Charakters stehen an erster Stelle wieder
jene Frucht- und Blumenhaufen, die, in die Plastik übersetzt, als Reliefs damals
so oft auf die Steinzeuge wie Porzellane Böttgers gesetzt wurden, als Malereien
aber auch auf den schwarz glasierten Steinzeugen häufiger vorkommen.
Es scheint ein Lieblingsmotiv Böttgers oder seines Kreises gewesen zu sein, ein
echtes obwohl naturalistisches Barockmotiv, das sich wohl in allen Techniken der
damaligen Zeit wiederfindet. Daneben dringt aber auch bereits hier die chine-
sische Kunst, die Malerei des chinesischen Porzellans in dieses Stoffgebiet ein:
mehrfach finden sich einzeln wachsende Blumen auf jenen eigenartigen phan-
tastisch durchlöcherten Felsen, die ein so stehendes Requisit der chinesischen
Pflanzendarstellung sind und sicherlich hier von dieser entlehnt worden sind. Nur
ist freilich die Nachbildung dieser Motive damals noch keine so getreue, wie sie
es später werden sollte (siehe Titelbild).
Verwandten Charakters, nur weit grotesker, ist dann eine Gruppe von jenen
phantastischen Darstellungen des chinesischen Lebens, den sogenannten „Chinoi-
serien", die später, nach Böttgers Tode, freilich in gänzlich anderer Gestalt, im
Meißner Porzellan eine so große Rolle spielen sollten, damals aber wiederum sich
bereits auf dem schwarz glasierten Steinzeug vorgefunden hatten. Nur erscheinen
sie hier auf dem Porzellan noch phantastischer, aber dafür auch ungeschickter. Es sind
232
Das Böttgerporzellan.
Abb. 95. Böttg^erporzellan mit Malereien in Qold.
König'l. Porzellansammlung, Dresden. Höhe des Theetopfes 12 cm.
silhouettenhafte Darstellungen von Landschaften und Architekturen in Verbindung
mit Menschen, die aber noch stark zurücktreten. So bauen sich z. B. auf Tassen
der Dresdner Porzellansammlung mehrfach Häusergruppen auf mit wunderlichen
Türmen und Kuppeln. Spindeldürre Bäume, die Palmen vortäuschen sollen, ragen da-
zwischen empor. Daneben führen Treppen zu einem naiv bewegten Wasser hinab,
an dem wieder seltsame Bauten stehen. Dazwischen aber bewegen sich recht
sonderbare Figuren, einmal eine Art Indianer, der in aller Gemütsruhe einem
Krokodil seine Lanze in den Rachen bohren will, ein andermal ein bezopfter, tanzen-
der Chinese, der fröhlich Becken zusammenschlägt (Titelbild). Auf Tassen des Zäh-
ringer Museums in Karlsruhe erblickt man dagegen eine Opferszene: ein chine-
sischesTempelgebäude nebst einem Baum erhebt sich zwischen zwei Fahnenstangen,
davor steht ein Priester an einem von einer Flamme gekrönten Altar, dies alles
in weit zerstreuter Darstellung. Es ist die ganze Konfusion und Unklarheit der
damaligen Zeit über die fernen Länder sowohl des Westens, wie des Ostens, die
sich hier zusammenfindet und in seltsamen Bildern niederschlägt, freilich hier
noch in einer erstaunlich ungeschickten Weise. Die Figuren stehen viel zu groß
neben den Architekturen und Landschaftsstücken; sie sind sogar größer als diese.
Bereits hat hier scheinbar die verzerrte Perspektive Chinas die europäische Korrekt-
heit völlig in Verwirrung gebracht. Aber auch rein künstlerisch genommen, sind diese
Arbeiten völlig wertlos, Stümpereien, denen die deutsche Porzellankunst des
18. Jahrhunderts später wenig gleich Schlechtes zur Seite gesetzt hat. Freilich scheint
es sich auch hier, nach der geringen Zahl der erhaltenen Stücke zu urteilen, in erster
Linie um Versuchsstücke gehandelt zu haben. Auch kommen alle diese Motive
nur in Emailfarben vor. Sie sind darum vielleicht auch die Arbeiten nur eines
der Emailmaler der Manufaktur, unter denen der Maler Funke, als der damals
am meisten genannte ^^^), wohl in erster Linie in Frage kommen kann.
Doch ist es nicht ganz ausgeschlossen, daß die geringe Qualität dieser Male-
reien in Emailfarben auch die Folge einerseits der damals noch recht wenig brauch-
Die Dekorationsmotive. 233
Abb. 96. BSttgferporzeUan mit Emailmalereien in Rosa.
KönigL Porzellansammlung:, Dresden. Höhe 8 cm,
baren Farben war, die dem Künstler jede Freiheit der Arbeit benahm, andrer-
seits auch des Bestrebens, um jeden Preis Malereien im chinesischen Stil zu
erfinden. Jedenfalls finden sich unter den monochromen Malereien, die im allge-
meinen fast ganz europäischen Charakter zeigen, Arbeiten, die eine weit größere
Sicherheit der Zeichnung wie der Malerei zeigen, ja zu den besten Arbeiten der
Böttgerschen Zeit gehören ^^6),
Diese monochromen Malereien, die beinahe rein europäischen Charakter zeigen,
scheinen jedoch, da sie wiederum fast nur in der Dresdner Porzellansammlung vor-
kommen und selbst hier nur in wenigen Stücken, gleichfalls nur Versuche gewesen
zu sein, die sich zu keinem festen Typus erhoben haben. Ihre Motive sind fast alle
landschaftlicher Natur. Doch nur auf zweien dieser Tassen, von denen die eine die
Darstellung einer Wasserburg in Eisenrot gemalt zeigt, scheint sich auch der Maler
jener eben erwähnten phantastisch -exotischen Landschaften in monochromen
Malereien versucht zu haben (Abb. 91). Die übrigen zeigen alle einen gänzUch an-
deren Charakter und eine gänzlich andere Durchführung. Gemeinsam sind allen
diesen Darstellungen Bäume und Felsen, mithin ein gewisses romantisches
Element, wie es zuerst als etwas ganz Selbständiges Salvator Rosa in die
Kunst eingeführt hat. Die übrigen Zutaten verstärken dies nur: da sieht
man einmal auf einem baumbestandenen Felsen eine kleine Kapelle mit hochauf-
gerichtetem Kreuz und einigen Häusern, wahrscheinlich die Wohnstätte jenes Ein-
siedlers, der langsam auf einem hoch über eine von einem breiten Bach durch-
strömte Felsenschlucht führenden Holzsteg daherkommt, während in der Ferne
eine Kirche auftaucht und eine Burg von einem hohen Felsen herabblickt. Ein
ander Mal erblickt man wiederum eine Kapelle auf einem Felsen, zu der eine
Prozession heraufsteigt, indes andere Gläubige noch erst hinauf wollen. Auch hier
tauchen in der Ferne Häuser auf, zu denen eine breite Straße mit einer Schenke
und einem Reiter führt. Dann gibt es weiter die Darstellung einer Jagdszene:
ein Zelt ist am Rande eines breiten Stromes aufgeschlagen, ein Jäger mit Bogen
und einigen Hunden steht davor, in der Ferne zeigt sich eine Stadt an einem
Fluß, über den eine lange Steinbrücke führt, darüber aber steigt das Gebirge auf
234
Das Böttgerporzellan.
mit vielen hohen Kuppen. Die allermerkwürdigsten Motive jedoch finden
sich an einer anderen Tasse: sie sind nichts als eine Reihe einzelner in Abständen
von einander aufsteigender Bäume zwischen niedrigen Felsen. Figuren, Fern-
sichten fehlen hier. Ein solches landschafthches Motiv, das auf alle Spuren des
Menschen und seiner Tätigkeit in der Natur verzichtet, ist selbst in der dama-
ligen Landschaftsmalerei kein gerade häufiges (Abb. 91 u. 96).
Alle diese Motive stehen in der Porzellankunst des 18. Jahrhunderts ganz
vereinzelt da. Die spätere Porzellanmalerei, selbst die der Meißner Manufaktur,
hat sie nicht wieder aufgenommen. Sie waren auch wohl für dieselbe kaum
recht geeignet, da alles Romantische damals doch wohl als etwas zu schwer für die
heitere, glänzende Kunst des Porzellans gegolten haben
wird. Sicherlich aber werden sie auch damals keine
Originalerfindungen gewesen sein, vielmehr Nachbildun-
gen von Werken der hohen Kunst, wenn sie auch
künstlerisch z. T. so gut durchgeführt sind, daß man
erstaunt ist, dieser geschickten Kraft nicht häufiger im
Porzellan Böttgers und der folgenden Zeit zu begegnen.
' Neben diesen Darstellungen gegenständlichen In-
halts nimmt dann die reine Ornamentik in dem da-
maligen Porzellan einen großen Platz ein, wenn sie
auch keineswegs so reich und mannigfaltig erscheint
wie jene. Dafür ist sie freilich von irgendwelchem
orientalischen Einfluß noch völlig frei geblieben. Ge-
hänge, meist in Form von ,,Laub- und Bandelwerk",
in lockerer Anordnung, wie sie damals vielfach aus dem
Lambrequins des Barocks hervorgingen, bald einfacher,
bald reicher, bisweilen auf den größeren Flächen auch
in Verbindung mit dem für diese Zeit des Barocks
so charakteristischen Gitterwerk, stellen hier das Hauptkontingent dar. Sie
finden sich als Gold-, Silber- ^^7)^ Lüster-, bunter und einfacher Emailmalerei
und hängen in der Regel naturgemäß von den oberen Rändern der Gefäße herab,
indem sie nur einen Teil ihrer Wandungen bedecken (Abb. 90 u. 92), oder sie umziehen
sie auch gelegentlich in Verbindung mit dem erwähnten Gitterwerk streifen-
förmig (Abb. 93 u. 95). Am reichsten jedoch hat sich diese Ornamentik an denbreiten
Flächen jener großen oben genannten Vasen entfaltet, die von oben bis unten mit
roter Lackfarbe zugedeckt und mit uneingebrannter Goldornamentik bemalt sind.
Hier namentlich macht sich dies Gitterwerk, das sonst so charakteristisch ist
für das frühe Porzellan der als erste nach der Meißner Manufaktur begründeten
Porzellanfabrik zu Wien, besonders breit, so daß man fast einen Zusammenhang
zwischen beiden vermuten möchte (Abb. 89).
Damit dürfte die Darstellung dessen, was 5ö«ger in koloristischer Hinsicht für sein
Porzellan getan hat, erschöpft sein. Nun gilt es nur noch festzustellen, daß Böttger,
Abb. 97. Böttgerporzellan.
Theedose
mit Grundiernng; in Silber.
Sammlung Dr. v. Dallwitz, Berlin
Höhe 13,8 cm.
I
Plastische Schöpfungen.
235
wie er durch sein rotes Steinzeug schon der Begründer der europäischen keramischen
Plastik geworden war, jetzt auch gleich von Anfang an jene europäische Porzellan-
plastik ins Leben gerufen hat, die in jenem Jahrhundert eine so ungeahnte Be-
deutung gewinnen sollte, wie sie dann auch dem Porzellan bis auf unsere Tage
nie wieder verloren gegangen ist. Er ist da-
durch auch auf diesem Spezialgebiet seines Ma-
terials der Wegweiser geworden, der allen folgen-
den Jahrhunderten die Bahnen wies, und hat
sich dadurch wiederum ein neues bedeutendes
Verdienst erworben.
Veranlassung zu dieser Plastik gab ihm na-
türlich zunächst wieder das chinesische Porzellan,
das zwar niemals so lebhaft wie bald das euro-
päische nach einer plastischen Kunst gestrebt,
sie niemals so reich und kunstvoll ausgebildet
hat, dennoch aber eine ganze Reihe eigenartiger,
zuweilen freilich auch etwas grotesker Schöpfun-
gen auf diesem Gebiete zuwege gebracht hat.
Daneben aber auch sein rotes Steinzeug, in dem,
als das Porzellan endlich aufkam, bereits voll-
zogen war, was hier erst beginnen sollte. Das
rote Steinzeug wurde daher auch auf diesem Ge-
biete zunächst wieder tonangebend und stil-
bildend, indem die Porzellanplastik zunächst da-
durch entstand, daß man wiederum die für
das rote Steinzeug geschaffenen Formen ganz
oder teilweise für das neue Material benutzte.
Doch scheinen hierbei durchaus nicht alle zur
Verfügung stehenden Formen verwandt zu sein.
Man kennt bisher in Porzellan von den auch im
roten Steinzeug ausgeführten Figuren nur die
große stehende Figur der Göttin Kuan-jin (Abb.
107) den großen Kinderkopf (Abb. 108) und den
kleinen hockenden chinesischen Götzen, der
aber hier meist auf eine Platte gesetzt und von
allem möghchen Gerät zum Teetrinken umgeben
ist (Abb. 99), sowie die Statuette des Königs August
des Starken. Dagegen finden sich auf der anderen Seite mehrere Porzellanfiguren,
die nachweisbar oder doch allem Anscheine nach wieder von chinesischen Er-
zeugnissen abgeformt sind, ohne aber bisher im Böttgersteinzeug nachgewiesen zu
sein und die darum wohl auch erst für das Porzellan abgeformt worden sind. Es sind
dies eine große stehende Figur des chinesischen Heiligen Laotse (Abb. 98), die kleine
Abb. 98. Böttgerporzellan.
Abformang einer chinesischen Porzellanfignr
des Heiligen Laotse.
Künigl. Porzellansammlung, Dresden.
Höhe 31 cm.
236
Das Böttgerporzellan.
Abb. 99. Böttgerporzellan. Äbformang: chinesischer OStzenfigaren.
Königl. Porzellansamralung, Dresden. Höhe des Aufbaues in der Mitte J20 cm.
Statuette einer ziemlich steif stehenden, einen Korb tragenden Chinesin, ferner
eine kleinere, gleichfalls hockende Chinesenfigur, für die auch gelegentlich, wie die
Dresdner Porzellansammlung zeigt, nach chinesischem Vorbilde ein kleines Tem-
pelchen gebaut wurde (Abb. 99). Von ersterer Figur hat sich au^h wieder das Vorbild,
von dem sie abgeformt ward, in einer chinesischen Porzellanfigur im Schlosse Moritz-
burg bei Dresden erhalten. Bisweilen, wenn auch sehr selten, finden sich diese
Figuren auch schon bemalt, so z. B. ein Exemplar des kleinen sitzenden'^Götzen
in der Sammlung von Dallwitz in Berlin (Abb. 75), dann die großen Kinder-
köpfe, bei denen Augen, Nase, Mund, Haare und Wangen leicht farbig belebt
sind (Abb. 108). Doch ist es möglich, daß die Bemalung der letzteren schon der
Zeit nach Böttgers Tode angehört.
Neben diesen Arbeiten finden sich aber in der charakteristischen gelblichen
Masse des Böttgerschen Porzellans eine ganze Reihe meist kleinerer Skulpturen
rein europäischen Charakters, die einen ganz anderen Geist als die eben genannten
atmen, sich aber gleichfalls bisher niemals im Böttgersteinzeug vorgefunden haben.
Es handelt sich hier auch ersichtlich nicht, wie bisher fast ausschließlich, um Ab-
formungen anderer Werke, die oftmals in einem ganz anderen Material ausgeführt
waren, vielmehr um völlig freie, selbständige, ausschließlich für das Porzellan ge-
schaffene Arbeiten, mithin um die erste wirklich selbständige Porzellanplastik Euro-
pas. Freilich muß gleich gesagt werden, daß es sich bei diesen Werken nicht immer
Plastische Originalarbeiten.
237
mit Sicherheit angeben läßt, ob sie wirkhch alle noch der Böttgerschen Zeit und
nicht schon der unmittelbar ihr folgenden angehören. Wenn irgendwo auf dem Gebiet
der Frühzeit des Meißner Porzellans, dann verwischen sich auf dem der Plastik
die Grenzlinien dieser beiden Perioden, die überhaupt unmerklicher ineinander über-
fließen, als man bisher meist angenommen hat, um freilich dann später zu den
schärfsten Gegensätzen sich zu entwickeln ^^^). Es ist daher wohl möglich, daß
alle diese Arbeiten bereits den ersten Jahren der folgenden Periode, der sogenannten
Heroldzeit, angehören, zumal die Böttgersche Zeit ja auch hinsichtUch der Gefäß-
bildnerei kaum noch für das Porzellan neue Bildungen versucht hat, indes mit
Böttgers Nachfolger Herold sogleich ein neuer
frischer Geist in die Manufaktur einziehen sollte,
der auch das Gebiet der Plastik nicht außer acht
gelassen hat. Aus dieser Zeit hört man daher
bald von neuen plastischen Arbeiten, es werden
auch mehrere Künstlernamen genannt, indes die
Böttgerscke hierüber durchaus schweigt und irgend
ein Künstler, der Böttger damals für solche Ar-
beiten zur Verfügung gestanden hätte, nicht be-
kannt ist.
Hinsichtlich der Motive dieser Werke steht
man hier freilich vor einer ziemUch bunten, selt-
samen, z. T. fast rätselhaften Gesellschaft, die fast
den Eindruck erweckt, als hätte man das Porzellan
in seiner Kindheit einer ernsteren, gediegeneren
Plastik' noch nicht für würdig gehalten, als hätte
man geglaubt, in ihm nur Witze reißen oder
Possen treiben zu dürfen, eine Auffassung, die frei-
lich später, da man in diesem Stoffe mit Gewalt
sogar eine regelrechte Monumentalplastik zuwege
bringen wollte, ins volle Gegenteil umgeschlagen ist.
An der Spitze dieser Plastik steht freilich
wieder der König August der Starke selber. Der eigentliche Bewirker aller
dieser Dinge, er durfte in diesem Materiale, auf dessen in seinen Landen erfolgte
Erfindung er so stolz war, und von dem er sich damals so glänzende Erfolge ver-
sprach, nicht fehlen. Freilich handelt es sich auch hier wieder nur um eine
kleine, kaum 11 cm hohe Statuette, einem völlig anderen Werke indessen,
als dem zuerst in Steinzeug ausgeführten. Zwar ist der König auch hier
wieder heroisch aufgefaßt, zwar krönt auch hier sein Haupt ein Lorbeerkranz.
Aber aus dem posenhaften Stehen ist ein effektvolles Vorwärtsschreiten geworden :
energisch wendet sich der Kopf zur Seite, schwingt die Rechte den Kommandostab
und wallt in großen bauschigen Falten der Königsmantel hinterdrein (Abb. 100).
Das Porzellan konnte wohl in der Tat in so kleinem Maßstabe keine größere
Abb. loo. Böttgerporzellan.
Statuette König Aagnst des Starken mit
Emailfarben bemalt.
Sammlung^ Gumprecht, Berlin. Höhe xi cm.
238 Das Böttgerporzellan.
Monumentalität entfalten, als es hier geschehen. Beide Arbeiten, sowohl die im
Steinzeug, wie die in Porzellan, dürften die besten selbständigen Werke dieser Zeit
in den von Böttger erfundenen Materialien darstellen und auch wohl trotz teil-
weiser Verschiedenheit der Auffassung von derselben Hand stammen.
Dann aber tauchen wirklich seltsame Gebilde auf: man erblickt zunächst, immer
noch in kleinem Maßstabe, auf ovalen, gedrehten Sockeln zwei fürstliche Persön-
lichkeiten, ein alter, ein wenig gebeugter Herrscher, wiederum mit langwallender
Gewandung, der auf dem Kopf eine Art Ritterhelm mit starkem Federbusch trägt,
in der Rechten dagegen einen Pokal hält, so daß er fast wie ein König von Thule
erscheint; dann eine Königin, gleichfalls in weitwallender Gewandung mit der
Krone auf dem Haupte (Abb. 103). Diese beiden Arbeiten können ihrem ganzen Stile,
besonders aber der Gewandbehandlung nach, von dem Urheber der Königsstatuetten
stammen. Was aber bedeuten sie ? Was besagt ihre so unklare Charakteristik ?
Sind sie, die fast wie Karikaturen auf das damalige Fürstentum aussehen, nur
kuriose Einfälle einer seltsamen Phantasie ? Oder sind sie Illustrationen zu
irgend einem früheren geschichtlichen oder biblischen Ereignisse ? ^^^)
Aber dann geht es noch seltsamer weiter. Eine steif aufgestellte, in einem
langen Mantel gekleidete und mit einem spitzen, dreieckigen Hut bedeckte Figur gibt
sich unverkennbar als Chinese (Abb. 103), ein Bauer in einer fremdländischen Tracht,
an den sich ein Kind in langen Hosen und mit langen, bis zu den Beinen herab-
fallenden Haaren klammert, erscheint fast wie ein Bewohner jener östlichen Ge-
genden, die August der Starke als König von Polen seinem Stammlande ange-
gliedert hatte. Beide fremdländischen Völkerschaften, für die sich damals Sachsen
und seine Bewohner besonders interessiert haben müssen, würden demnach schon
damals im Porzellan erschienen sein, wie sie es später im 18. Jahrhundert noch
so oft tun sollten.
Dann aber kommt als Eigenartigstes ein Geschlecht von Zwergen, häßlich,
verwachsen und plump, in den seltsamsten Kostümen, mit den seltsamsten, meist
aufgeregten, wie sprechenden Gebärden und viel zu großen Köpfen und noch größeren
Kopfbedeckungen und Perücken ^^^). Es sind Männer und Frauen, mehrfach auf
höheren, profilierten, auch ausgerundeten Sockeln stehend, die ersichtlich Kari-
katuren darstellen auf irgendwelche Charaktere, Berufe u. dgl., auf Fürsten
wie Bürger und Bauern, selbst auch wieder auf fremde Völker. Man glaubt darunter
Ratsherren zu sehen, dann Bürgersfrauen, Musikanten, biedere Handwerker, einen
König in einer Art Schlafrock, merkwürdigerweise wieder mit einem Becher in der
Hand, einen Indianer usw. (Abb.lOi, 102, 110). Derartige Figuren, ursprünglich eine
Erfindung des seltsamen französischen Radierers des 17. Jahrhunderts Callot, der sie
in einer Reihe von Stichen herausgegeben hat, sind damals, wie es ihr häufiges
Vorkommen in dieser Zeit zu beweisen scheint, Mode gewesen, vor allem in der
Plastik ^31). Es waren auch Motive, so recht aus dem Geist des stets zum Absonder-
lichen, Ungewöhnlichen und Verblüffenden sich hinneigenden Barocks erfunden,
zugleich auch solche, die wegen ihrer Niedlichkeit und Kleinheit gar wohl für
Callot- Figuren.
239
Abb. loi. Bött^erporzellan. Sogenannte Callot-Pignren mit Emailfarben bemalt.
Sammlung- Gumprecht, Berlin. Höhe der mittleren Figur i6 cm.
das immer dem Kleinen und Zierlichen so zugetane Porzellan geeignet erschienen.
Die besondere Veranlassung aber zu diesen Schöpfungen in Porzellan war
ein neues Werk, eine Folge von Kupferstichen, betitelt: ,,I1 Gallotto resuscitato
Oder Neu eingerichtetes Zwerchen-Gabinet. Le Monde est plein de sots joieux.
Les plus Petits sots sont les mieux. De Waereld ist vol Gekken-Nesten de Klynste
Narren zyn de beste. 1716 tot Amsterdam gedruckt by Wilhelmus Koning". Es
erschien gerade in dieser Zeit, da das europäische Porzellan zuerst auf den Markt
gelangte und konnte demnach damals als das Neueste vom Tage gelten. Sein
Inhalt ist eine Folge von flott und z. T. ganz witzig gezeichneten Karikaturen
auf alle möglichen Berufsarten der Zeit, vom Gouverneur und General ange-
fangen bis zum Juden und der Kupplerin, er verspottet stark die Soldaten und
die Verliebten. Einer jeden Figur ist zu diesem Zwecke auch ein besonderer, längerer,
sie charakterisierender Name beigeschrieben, desgleichen ein die Situation, in der
sie sich befindet, näher charakterisierender Vers. Diesem Werke sind mehrere dieser
Callot-Figuren in Porzellan unmittelbar entlehnt, indem die Stiche, wie es später
in der Porzellanplastik des 18. Jahrhunderts noch so oft geschehen sollte, un-
mittelbar in die Plastik übertragen wurden, mit jenen leichten Abänderungen,
die die gebundenere Kunst der Plastik gegenüber der freieren Malerei verlangt.
So ist z. B. in der Sammlung Gumprecht zu Berlin, die aus dem Zusammenbringen
derartiger Figuren sich eine ganz besondere Aufgabe gemacht hat, ein affektiert
modisch gekleideter, auf einen Stock gestützter, eitler Geck dem zwanzigsten Stich
dieses Werks entlehnt, dessen Figur als Monsieur le Marquis de Sautorelles Obrister
Heuschrecken Commissarius in der Liebes declaration bezeichnet und unterschrieben
mit dem bezeichnenden Verse ist:
240 Das Böttgerporzellan.
Abb. I02. Böttgerporzellan. Sogenannte Callot-Fignren.
Künig-l. Porzellansammlung', Dresden. Hübe der linken Fi|^r 6 cm.
Verzeith mir Mademoiselle, mein unvergleichlich Kind,
Gescheid, holdseelig, schön, dergleichen man nicht find.
Erlaubt mir doch ein Visit par courtoisi,
Ich schwör Euch, denn ich bin verliebt a la folie.
Eine andere Figur derselben Sammlung ist dagegen dem Blatt Nr. 14 nach-
gebildet. Hier ist ein Mann in türkischer Tracht dargestellt und als „Hali Nasili
Pascha, dess Visir Knupperli Bruder, Statthalter auff der großen Insul Schmeks
in Arschipelagus" ihm der Vers gewidmet:
„Bey meinem Mahomet hab ich es längst geschworen,
Daß alle Christen sind in meiner Gewalt verlohren,
Sie aber trutzen mich und spotten meinem Wort.
Verbannen Nasili offt in ein stinkhends Orth."
Eine dritte, gleichfalls in dieser Sammlung, gibt den ,,Riepl Gleichdorn Appro-
bierter und Privilegierter Sauschneider und spanischer äpfell-Abaldator" wieder.
Schließlich zeigt eine in der Dresdner Porzellansammlung befindliche Figur den
auf Blatt Nr. 3 dargestellten „Herr Vincentz Zipperling ältesten Raths- Verwandten
zu Hirschau in seinem bequemen Schlafpelz". Nur ließ man hier, wie man es schon
bei der zuerst erwähnten Figur getan hatte, wohl aus technischen Gründen
den Stock, auf den er sich stützt, fort und gab ihm wieder einen großen Trink-
becher in die Hand. Er erscheint damit wieder als ein Trinker, wie der vorher
erwähnte König oder Ritter. Die meisten dieser Porzellanfigürchen jedoch finden
sich in diesem Werke nicht. So können sie freie Erfindungen des Künstlers
sein, der zuerst diese Nachbildungen gemacht hat und dann wohl die Lust zu eigenen,
verwandten Schöpfungen in sich spürte, die freilich dann nicht immer so interessant
und charakteristisch ausgefallen sind wie jene. In technischer Beziehung
jedoch erscheinen alle diese Figuren noch ziemlich primitiv. Sie wurden zunächst,
wie immer, in Formen hergestellt, dann aber jede einzeln ziemlich eingehend
durchgearbeitet, wobei man sich, wie es scheint, meist eines etwas breiten,
kantigen Modellierholzes bedient hat, was namentlich an den Haaren, den
Callotfiguren.
241
Gewandfalten u. dgl. zu ziemlich harten, breiten Furchen geführt hat. Dadurch
haben diese Werke noch nichts von der späteren, den Porzellanfiguren meist eigen-
tümlichen rundhchen Weichheit erhalten. Es bleibt vielmehr etwas Skizzenhaftes,
Unfertiges bestehen, das für den im übrigen nach dem Brande immer so vollendet
dastehenden Stoff nicht recht angemessen erscheint^ So bilden diese ersten selb-
ständigen, plastischen Schöpfungen des europäischen Porzellans zu den von den
chinesischen Porzellanen abgeformten Werken noch einen großen, für sie nicht
gerade günstigen Gegensatz, und die europäische Plastik hat daher noch recht viel
zu tun und noch recht viel zu probieren gehabt, bevor sie den dem Porzellan am
meisten angemessenen plastischen Stil finden sollte: es mußte zu diesem Zwecke
erst eine Persönhchkeit kommen, die sich als Plastiker ganz in dieses Material ver-
tiefte, wie es damals, wo man nicht einmal für die Gefäße in ihm neue Formen
erfand, noch niemand getan
hatte, es mußte erst jemand
gelernt haben, in diesem
Materiale stilistisch ein-
wandfrei Gefäße zu bilden
und diese plastisch reicher
zu beleben, bevor man auch
das schwierigere Gebiet der
reinen Plastik in ihm be-
wältigen konnte, mit an-
dern Worten, es mußte erst
die geniale Kraft des Bild-
hauers Kandier sich um die
Mitte des 18. Jahrhunderts
in den Dienst der Meißner
Manufaktur stellen, bevor
der richtige europäische Porzellanstil geschaffen, bevor auch eine befriedigende
Plastik zuwege gebracht werden konnte.
Übrigens suchte man diese Figuren bisweilen auch schon farbig zu beleben.
Vergoldungen kommen vor, die Gewänder werden bunt bemalt, das Gesicht durch
Fleischfarbe belebt, die Stiefel schwarz gehalten u. dgl.m. Es zeigen sich hier überall
dieselben lebhaften, aber trüben Farben, die sich auf den Gefäßen dieser Zeit finden.
Damit ist aber hier gleichsam auch schon der Anfang mit der polychromen Porzellan-
plastik gemacht worden, die bald eine so große Bedeutung und nicht zum wenigsten im
Meißner Porzellan gewinnen sollte, einer polychromen Plastik, die aber auch
kaum aus einem anderen Stoffe mit solcher Natürlichkeit sich ergibt, \\ie aus
diesem. Nur ist damals auch hier noch alles in den ersten Anfängen stecken geblieben.
Bei weitem technisch sicherer und materialgemäßer wirkt dann aber noch eine
kleine Gruppe von plastischen Werken, die freilich wiederum von einer gewissen
Absonderlichkeit nicht freizusprechen ist. Es sind kleine, bescheidene Tierdar-
Abb. 103. BöttgerporzeUan. Verschiedene kleinere Figuren.
Künig^l, Porzellansammlung', Dresden. Höhe der Figur in der Mitte la cm.
Zimmermann, Meißner Porzellan.
16
242
Das Böttger Porzellan.
Abb. 104. Böttg^erporzellan. Frosch und Eidechse.
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Hohe des Frosches 3 cm.
Stellungen, in denen wir nun auch die ersten Vorläufer jener Tierplastik begrüßen
können, die bald und bis in unsere Zeit im Porzellan, und wiederum nicht zum
wenigsten im Meißner, eine so große Rolle spielen sollte. Jedoch die Wahl der
Motive erscheint auch hier wiederum sehr bezeichnend für die Gefühle, mit denen
man damals noch dem Porzellan als rein künstlerischem Stoff gegenübertrat. Nicht
große bedeutende und interessante Tiere wurden, wie es später geschah, im Porzellan
nachgebildet, sondern zunächst das kleine Gewürm der Erde, das man mit -Füßen
tritt und in der Natur kaum beachtet: Eidechsen und Frösche, freilich, wie die
Dresdner Porzellansammlung zeigt, in natürlicher Größe (Abb. 104). Sie konnten keine
großen Kunstwerke werden, mußten auch damals nur als Spielereien- gelten, viel-
leicht nur als Beweise, daß man auch so etwas in Porzellan darzustellen vermochte,
wie es ja damals auch, nach den noch heute in der Dresdner Porzellansammlung
erhaltenen Beispielen zu urteilen, das chinesische Porzellan tat. Immerhin
aber erfreuen diese Werke durch die Natürlichkeit und Frische ihrer Wiedergabe,
was alles war, was man wohl bei so simplen Aufgaben erreichen konnte.
Damit aber war auch die Porzellanplastik dieser Zeit zu Ende, und es kann
nun nur noch auf einige merkwürdige, rein ornamentale Reliefs hingewiesen werden,
die sich bisher freilich wiederum nur in der Dresdner Porzellansammlung haben
nachweisen lassen, Reliefs, die jene Frucht- und Blumenstücke, nur in viel
größerem Maßstabe, zeigen, die damals den Hauptschmuck der Steinzeuge und
Porzellane ausmachten (Abb. 106), dann auch einmal ein großes Akanthusblatt
(Abb. 105) und schließlich einige kleinere Blätterbündel, darunter auch eins mit
Eichenblättern, die ja ausdrücklich damals als Erzeugnisse in Steinzeug, wenn auch
ohne Angabe ihrer Verwendung, erwähnt werden. Was aber war der Zweck
dieser seltsamen Reliefs ? Waren es Probestücke, die zeigen sollten, wie weit man
die Größe der für die Gefäße in Steinzeug und Porzellan bestimmten Reliefs damals
schon ausdehnen konnte, ohne daß man freilich schon Gefäße gestalten konnte,
die groß genug waren, um diese als Schmuck aufzunehmen ? Oder sollten es
kleine Schmuckstücke für sich sein oder Appliken für Möbel ? Auf alle diese
Fragen fehlt dieAntwort, und so können sie uns heute wohl nur zum Beweise dienen,
daß hier mit diesen noch etwas Besonderes im Porzellan angestrebt ward, dessen
Endziel wir nicht mehr festzustellen vermögen, das aber auch damals allem
Anscheine nach noch nicht erreicht ward.
Gtesamtresultat 243
Damit aber geben diese Schöpfungen nur im einzelnen an, was im allgemeinen
der Gesamteindruck sein muß, den das Porzellan dieser Zeit, das Böttgerporzellan,
als Ganzes in uns heute erwecken muß: ganz erstaunlich weit in kurzer Zeit in
technischer Hinsicht vorgeschritten, erstaunlich reich auch in künstlerischer schon
nach den verschiedensten Seiten hin ausgebildet, und zwar so sehr, daß die gesamte
Geschichte des Porzellans diesem auch nicht im entferntesten etwas Verwandtes
zur Seite zu setzen hat, hat es technisch wie künstlerisch noch nicht die Höhe er-
reicht, die ihm später beschieden sein, und dann den Ruhm des Meißner
Porzellans ausmachen sollte. Aber die Grundlage für alle Weiterarbeit auf diesem
Gebiete, in technischer wie künstlerischer Beziehung, ist durch das Porzellan,
das Böttger erfunden und ausgebildet hat — das wird wohl aus dieser ganzen Dar-
stellung genügend hervorgegangen sein — , gelegt worden. Nun galt es nur darauf
fortzubauen und weiter zu arbeiten, und man mußte mit Sicherheit dahin ge-
langen, wonach diese ganze Zeit und alle Jahrhunderte vorher gestrebt hatten, ein
Porzellan zu gewinnen, das künstlerisch wie technisch dem völlig gleich oder doch
wenigstens so nahe wie möglich kam, das nachzubilden man von vornherein sich
vorgenommen hatte.
16*
Fortsetzung des Böttgerschen Erbes.
Am 13. März 1719 war Böttger von seinem langen Leiden erlöst worden. Sein
früher Tod mußte, wenn er auch keineswegs unerwartet kam, vielmehr schon seit
langem mit vieler Besorgnis befürchtet ward, für alle, die mit Böttger in irgend
einer Beziehung gestanden, ein Ereignis sein, dem Aufregung und Bestürzung
folgten. War Böttger doch in aller Augen durch das, was er geleistet, eine Persön-
lichkeit gewesen, die wirklich Großes, ja ganz Ungewöhnliches zuwege gebracht
hatte, eine Persönlichkeit, von der man auf Grund dieser Leistungen nur immer
noch Neues und wohl noch Größeres, ja schließlich wohl gar noch die Goldmacherei
erwarten zu können glaubte, wie er denn anscheinend bis zuletzt noch so voller
Pläne und Absichten gesteckt hatte, daß ihm der König noch einmal unter vielen
Opfern die Möglichkeit hatte gewähren wollen, hiervon wenigstens noch einen Teil
vor seinem Fortgange zur Ausführung zu bringen. So mußte sein Dahinscheiden,
trotzdem seine eigentliche Lebenskraft und sein Wille zur Arbeit schon lange er-
lahmt waren, dennoch als ein bedeutender, ja unersetzlicher Verlust erscheinen, dem
man nicht ohne große Trauer gegenüberstehen konnte.
Zugleich aber hatte man sich so sehr daran gewöhnt, Böttger als die Seele
aller seiner Unternehmungen zu betrachten, und er selber auch alles getan, um
diesen Eindruck zu erwecken, daß nun zunächst seine Unternehmungen gänzlich
verwaist erschienen und über ihren Fortbestand ernstlicher Zweifel herrschen konnte.
So galt es zunächst zu retten, was nur irgend noch zu retten war, von Böttgers
Wissen, Können und Taten soviel zu erhalten, als irgend möglich schien, d. h. es
galt, sich so schnell als möglich seines Nachlasses zu versichern und diejenige Per-
sönlichkeit herauszufinden, die am meisten durch Böttger oder sonstwie in den Stand
gesetzt zu sein schien, seine Unternehmungen, in erster Linie natürlich die Por-
zellanmanufaktur, weiter zu leiten und weiter zu entwickeln.
Dann aber mußte es Hauptaufgabe sein, jetzt bei der gänzlich veränder-
ten Lage der Verhältnisse den ganzen Betrieb dieser Unternehmungen so um-
zugestalten, daß sie nun endlich das wurden oder zu werden versprachen, was man
von ihnen von Anfang an erhofft hatte, ja weswegen sie überhaupt vom Könige
ins Leben gerufen worden waren: wirkliche Einnahmequellen für ihn und damit
auch für den Staat oder doch zumindest Verzinsungen jener Kapitalien, die nun
seit über 10 Jahren unablässig in sie hineingesteckt worden waren. Sie sollten nun
endhch diejenige Goldquelle werden, die der König ursprünglich, doch in einem
ganz anderen Umfange von den alchimistischen Künsten Böttgers erwartet hatte.
Böttgers Nachlaß.
245
Hinsichtlich der Sicherung seines Nachlasses konnte man in der Tat nicht
vorsichtig und nicht schnell genug zu Werke gehen, und so waren hier schon seitens
des Königs Maßregeln getroffen worden, als Böttger noch am Leben war, sein baldiger
Tod aber schon mit Sicherheit erwartet werden konnte. Schon mehrere Monate vor-
her hatte der König aus Polen durch den Kriegsrat von Holzbrinck, der Böttger
immer nahegestanden, durch die ihm anbefohlene Erlernung der Arkana ihm aber
noch bedeutend näher getreten war ®^^), — merkwürdigerweise — dem damaligen
Kammerdiener Böttgers Pyrner ein versiegeltes Kuvert übergeben lassen mit der
strengen Weisung, es erst im Falle des Todes Böttgers zu öffnen und dann die darin
befindhchen Orders den darin Bezeichneten sofort zu übermitteln ^^^). Es waren
dies der Kammerrat iVeÄmiYz, der Hofrat Z)rea'er, der Kommissionsrat und Oberamt-
mann Vockel, sowie Böttgers damahger Mitarbeiter
Meerheim, die damit den Befehl erhielten, alle
Briefe und Effekten Böttgers sofort zu versiegeln.
Freilich, als sie dies nun nach Böttgers Ableben
besorgen wollten, war man ihnen in gewisser
Weise bereits zuvorgekommen. Nur wenige Wochen
vor Böttgers Tode hatten sich — scheinbar ganz
ohne dazu besonders autorisiert zu sein — der
Kamerrat Nehmitz und Dr. Bartelmei bei Böttger
eingefunden und ihn bewogen, in Gegenwart
seiner Haushälterin Klunger und des obengenannten
Kammerdieners Pyrner, aber merkwürdigerweise
unter Ausschluß von Steinbruch und Meerheim,
seine stark in Unordnung befindlichen Papiere
zu ordnen, in Pakete zu verteilen und zu ver-
schließen ^^*). Dennoch erledigten sich die jetzt
Bevollmächtigten ihres Auftrages mit größter Ge-
wissenhaftigkeit. Alle Briefe wurden versiegelt,
desgleichen alle schlechten und verdorbenen Porzellane, die man bei ihm
vorfand, auch alles „Steinwerk", wie es in dem Berichte heißt ^^^), womit
wohl, falls nicht Fliesen aus der Dresdener Fayencefabrik, Edelgesteine ge-
meint gewesen sind, die Böttger auf seiner Schleif- und Poliermühle hatte
schleifen lassen. Auch ward Meerheim nach Meißen gesandt, um dort im
Verein mit dem dortigen Kreisamt dasselbe vorzunehmen. Dann ward hierüber
schleunigst ein Bericht mittels Staffette an den König gesandt, der sich
seit Wochen schon in Fraustadt in Polen befand. Dieser Nachlaß Böttgers
ist dann später in mehrere Gruppen geteilt worden. Ein Teil davon, darunter
viele persönliche Briefe des Königs, Instrumente, Bücher u. dgl., ward an diesen
zurückgegeben, ein anderer, die Meißner Manufaktur betreffend. Steinbrück für die
Manufaktur übergeben, der Rest aber für die finanzielle Regelung der Böttgersch^n
Angelegenheit zurückbehalten. Bei dieser Gelegenheit kam auch einer jener Brenn-
Abb. 105. Böttgerporzellan.
Geformtes Relief, Akanthusblatt.
Küni^l. Porzellansammlung', Dresden.
Höhe 13,5 cm.
246 Das Böttgersche Erbe.
Spiegel Tschirnhausens, mit dem einst dieser wie Böttger die Porzellanerfindung
begonnen hatte, an die Kunstkammer zurück ^^). Wie weit aber und ob überhaupt
dieser Nachlaß Böttgers wertvolle, schriftliche Aufzeichnungen enthielt, die noch
nicht an die Öffentlichkeit gelangte Gedanken und Untersuchungen von ihm offenbart
hätten, ist heute nicht mehr feststellbar. Böttger war allerdings vom Könige von
Anfang an aufgefordert worden, ja hatte sich eidhch dazu verpflichtet, alles, was
er an Wissenschaften und Können besäße, aufzuzeichnen, und Nehmitz sagt auch
einmal, daß es Böttgers Gewohnheit gewesen wäre, sich über alle seine Pläne und
Absichten weitläufig schriftlich auszulassen ^^'). Erhalten jedoch hat sich von
derartigen Niederschriften Böttgers nur sehr wenig ^^). Sicherlich aber dürften
sie, wenn sie wirklich damals in größerer Menge vorhanden gewesen sind, da man
hiervon nicht das Geringste weiter hört, in der Weiterentwicklung der Böttger-
schen Unternehmungen keine große Rolle gespielt haben. Sie waren hierfür wohl
auch in keiner Weise erforderlich, da das, was Böttger in betreff dieser wirklich ge-
konnt hat, in der Hauptsache ja längst in die Praxis getreten und dort auch bereits
von anderen reichlich erprobt worden war, so daß weitere schriftliche Anweisungen
nach seinem Tode wohl kaum noch vonnöten waren.
Die eigentliche Ordnung der Dinge aber nahm eine besondere Kommission in
die Hände, die aus dem Geheimen Rat von Seebach, dem Freiherrn von Alemann
und dem Kammerrat Lesgewanx bestand, die z. T. ja schon früher in den Böttger-
sehen Angelegenheiten tätig gewesen waren. Auch ihre Tätigkeit scheint schon
im voraus bestimmt gewesen zu sein ^^^). Vor allem war ihnen aufgetragen worden,
darauf zu achten, daß jene eben genannten Befehle betreffs der Versiegelung der
Böttger ^dhen Sachen von den damit Beauftragten mit der größten Gewissenhaftig-
keit durchgeführt wurden, und so sehr scheint damals dem Könige dies am Herzen
gelegen zu haben, daß schon -vom 17. März, also wenige Tage nach Böttgers Tode
datiert, eine Ordre des Königs aus Fraustadt eintraf, die die gewissenhafte Aus-
führung dieser Verrichtungen ihnen noch einmal auf die Seele band, zugleich sie
aber auch darauf zu achten aufforderte, daß die Arbeiter der Manufaktur nichts
fortbrächten oder sonst von irgend jemanden irgend etwas gegen die Böttger Sich&a.
Unternehmungen unternommen würde ^*°). Es hatte daraufhin die Kommission
Drewern und Vockel befohlen, sich noch einmal um die Versiegelung der Böttger&ch&n
Sachen zu bekümmern, vor allem den Zustand der Siegel zu prüfen ^*^), weshalb jetzt
von ihnen auch die Stube, in der Böttgers Leiche gelegen, versiegelt ward. Gleich-
zeitig wurde jetzt auch der Bestand der Warenlager zu Meißen, Dresden und
Leipzig aufgenommen und letzteres ebenfalls nach der Ostermesse dieses Jahres
versiegelt **2).
Vier wichtige Aufgaben hatte dann diese Kommission zu erledigen: sie hatte
zunächst die ganze Lage der Meißner Manufaktur zu untersuchen — von den
anderen Unternehmungen Böttgers ist damals kaum noch die Rede, sie waren ja
auch fast alle schon eingegangen oder verpachtet — , ferner die Ursachen ihres
bisherigen schlechten Fortganges festzustellen, dann Verbesserungsvorschläge
Die Untersuchungskommission.
247
zu machen und schließlich einen Nachfolger zu ernennen **^). Zugleich sollte die
Kommission, damit ja keine Gelegenheit verginge, Gewinn aus der Manufaktur
zu ziehen, mit allen Kräften dafür Sorge tragen, daß schon für die unmittelbar
bevorstehende Leipziger Ostermesse eine genügende Quantität Waren zum Verkauf
bereit stände. Es sollte in dieser Beziehung nicht das geringste versäumt werden.
Allen diesen Aufträgen hat sich die Kommission mit großem Eifer und un-
leugbarem Geschick unterzogen, ein \Beweis, wie wichtig sie diese ganze ihr über-
tragene Angelegenheit nahm. Sie stellte selbst genaue Untersuchungen an,
fragte aber daneben auch alle diejenigen eingehend aus, die dem Werke Böttgers
oder ihm selber nahegestanden hatten. So ward Steinbrück verhört, dem sie ein
ganz besonderes Vertrauen entgegenbrachte, desgleichen Meerheim, der seine
Ansichten sogar schrifthch einreichte,
dann Nehmitz und merkwürdigerweise
auch der Advokat Vollhard, eine höchst
zweifelhafte Person, mit der Böttger in-
zwischen üble Erfahrung gemacht hatte^^*)
und der jetzt auch — anscheinend wegen
fauler Geldgeschichten — in Arrest saß
und daher kaum als ein besonderer Ge-
währsmann in diesen Angelegenheiten
gelten konnte. Dabei begnügte sich aber
die Kommission keineswegs, zu unter-
suchen und Vorschläge zu machen. Ohne
eigentlich dazu autorisiert zu sein, legte
sie, wohl meinend, das Handeln besser
sei als Raten, wo Eile not tat und Ver-
zug eine schwere Schädigung bedeutet
hätte, selber schon energisch s Hand ans
Werk und scheute sich selbst nicht, Geld
auszugeben, alles in der sicheren Erwar-
tung späterer einsichtsvoller Billigung seitens des Königs, worin sie sich auch
keineswegs getäuscht hat. Über alles dieses aber stattete sie, nachdem inzwischen
freihch eines ihrer Mitglieder, der Freiherr von Alemann, gestorben war, einen
ausführlichen Bericht ab, der am 21. Oktober an den König abgeschickt ward ^^^).
Der erste Auftrag, den sie hierbei erledigt hatte, war naturgemäß die Be-
schickung der Ostermesse gewesen. Zu diesem Zwecke wurden Steinbrück und
Krügelstein, der Ladendiener des Dresdner Gewölbes, auf die Messe gesandt, und
die noch dort befindlichen Gegenstände sowie eine große Partie Waren aus Meißen
dort zum Verkauf bestimmt. Auch diesmal zeigten hier die Erzeugnisse der Manufak-
tur die gleiche Verkäuflichkeit wie früher, ja das Ergebnis fiel sogar überraschend
günstig aus. Obwohl die zum Verkauf angebotenen Waren nicht einmal ein Sorti-
ment von „guthen und kurrenten" Waren darstellten, wurde doch von ihnen für
Abb. io6. Bottgerporzellan. Geformtes Relief,
Blumenstfick.
König]. Porzellansaminlung, Dresden, Hübe 17 cm.
248 Das Böttgersche Erbe.
über 1367 Taler verkauft ^^). Das gab der Kommission gleich ein großes Ver-
trauen auf die Rentabilität der Anstalt und machte frischen Mut zu weiterer Arbeit.
Dann kam die weniger erfreuliche Untersuchung über die Ursachen des Nicht-
aufkommens der Manufaktur an die Reihe. Man fand sie, wie zu erwarten, zunächst
in Böttgers schlechter Verwaltung ^^'). „Böttgers fast unartiger Sinn, auch durch-
gehends gar üble Wirtschaft" werden da als Gründe angeführt. Von ihm sei nie-
mals ,, einige Ordnung und wohlbestellte Disposition" zu erlangen gewesen. Auch
wäre seine ,,Subsistenz" sehr ,,übel" eingerichtet und zugleich mit der Manufaktur-
kasse ,, vermengt" gewesen, aus der er sich jedesmal ,, wieder erholt" hätte. Hier-
bei hätte jBö^^ger bald diesem, bald jenem die Sachen anvertraut und, da er in den
letzten Jahren ,,fast täglich" betrunken und infolgedessen wenig bei Verstände
gewesen wäre, so hätte mancher ,, tiefer in das Werk zu dringen" und seinen privaten
Vorteil dabei zu erlangen gesucht, wodurch manche „widrige und interessierte
Absicht mit untergelaufen wäre". Dann aber mußte die Kommission als Grund
doch weiter angeben, daß das Werk anfangs „allzu groß und kostbar" ausge-
führt worden sei, ohne daß freilich näher bezeichnet ward, auf welche Einzel-
heiten sich dieser Vorwurf bezöge, und ferner, daß damals auch allerhand ,, Dis-
harmonien, Zänkereien, Jalousien und andere Verwirrung" entstanden wären, die
einer gedeihlichen Weiterentwicklung der Manufaktur sehr im Wege gestanden
hätten.
Es war dies zunächst in der Tat eine ziemlich harte Anklage, die gegen
Böttger ausgesprochen ward, eine Anklage, die sich aber doch weit mehr gegen
ihn als Verwalter, denn als Mensch richtete, und durch die eben nur gezeigt ward,
daß ein großer Erfinder durchaus nicht immer ein großer Organisator zu sein braucht.
Es ist lediglich der Mangel an Ordnungsinn und Selbstzucht, der hier als Hindernis
einer guten Verwaltung erscheint, nicht aber Eigennutz und Selbstsucht. Denn
mit keinem Worte ist bei dieser Enduntersuchung der Resultate der Böttger-
schen Tätigkeit auch nur im geringsten die Rede von etwaigen Bereicherungs-
versuchen dieses Mannes, von etwaigen Bestrebungen, materielle Vorteile aus seiner
Stellung zu ziehen, sei es auch nur, um ein üppiges, schwelgerisches Leben führen zu
können ß^^), da doch, wenn solche Bestrebungen irgendwie bei Böttger vorhanden
gewesen wären, diese zunächst völlig unparteiische Kommission sie sicher er-
wähnt, ja hätte erwähnen müssen. Denn jener Vorwurf, der ihm auch hier gemacht
ward, daß er seine Kasse mit der der Fabrik vermengt hätte, kann nichts dergleichen
bedeuten: Böttgers Kasse ist neben der Fabrikkasse nie die eines einfachen Privat-
mannes gewesen. Auch die anderen Unternehmungen, die er gegründet, die vielen
Untersuchungen, die er angestellt hatte, hatten gleichfalls immer ihr Geld verlangt,
und wovon hätte Böttger, da ihm der König seinerzeit so plötzlich fast jede größere
Unterstützung entzogen hatte, dieses nehmen sollen, wenn nicht von dem Ertrage
derjenigen seiner Gründungen, die damals allein doch wenigstens etwas einbrachte ?
Überhaupt ward diese Darstellung der Ursachen des Verfalls der Fabrik der Verwal-
tung 5ö«ge/"5 als solcher doch wohl in keiner Weise gerecht, ja konnte es auch kaum
Ursachen des Verfalls der Manufaktur
249
werden, da sie ja nur diese Ursachen, nicht aber die weiteren Gründe wieder zu diesen
zu untersuchen, nicht eine wirkhche Darstellung der ganzen Verwaltung Böttgers
zu geben hatte und deshalb nur auf diejenigen
kam, die in der letzten Zeit, da eben der Verfall
der Manufaktur eingetreten war, vor aller Augen
sichtbar gewirkt hatten. So kam sie auch gar
nicht darauf zu sprechen, daß die Fabrik von An-
fang an kein Betriebskapital besessen hatte, und
daß Böttger für die damaligen finanziell so un-
günstigen Zeiten viel zu viel auf einmal unter-
nommen hätte. Sie kam auch nicht darauf, daß der
König ihn im Jahre 1715 so völhg und so uner-
wartet finanziell im Stich gelassen, in einer Weise,
daß wohl manches noch viel solider angelegte Unter-
nehmen dadurch bankerott geworden wäre, und
daß die Manufaktur zur Erhaltung ihres Geheim-
betriebes jene viel zu ausgedehnte und eigentlich
doch völhg nutzlose Oberleitung besaß, die mehr
Kosten verursacht hatte, als jemals eine so junge
und so schwächlich finanzierte Fabrik ertragen kann.
Sie verschwieg auch, daß Böttger selber anfangs
ein ganz ungewöhnlich tätiger Mensch gewesen war,
daß weiter er immer in erster Linie es gewesen war,
der nach Abhilfe verlangt, der selber die Vorschläge
dazu gemacht hatte, ja hierbei sogar mehrfach auf
die Leitung der Fabrik hatte verzichten wollen.
Und endlich ahnte sie auch noch nicht — denn sie
konnte damals noch nicht die Geschichte der deut-
schen Porzellanfabriken des 18. Jahrhunderts kennen
mit ihren ewig sich wiederholenden, kümmerlichen
Anfängen, ihrem mühsamen Sichdurchschlagen und
ihrem meist bankerottartigen Ende — , wie schwer
es damals überhaupt war, eine derartige Fabrik,
einen im damaligen Sinne keramischen Großbetrieb
ins Leben zu rufen und zu erhalten, wie wenig
diese Zeit überhaupt begriff, wie vieler Opfer und
Anstrengungen, welcher weit in die Zukunft schau-
enden Dispositionen es hierzu bedurfte. Sie konnte
damals noch nicht erkennen, wie wir es heute tun
können, daß Böttger vielfach das Opfer des ersten Versuches dieser Art gewesen war,
daß er für andere, für eine kommende Zeit hatte Erfahrungen sammeln müssen, und
daß, wenn von nun, d. h. von Böttgers Tode an, es mit der von ihm gegründeten
Abb. 107. B5ttg:erporzellan. Abformung:
der Seite 123 abgebildeten chinesischen
Porzellanfig^nr.
Königl. Porzellansammlung, Dresden.
Höhe 36 cm.
250 Das Böttgersche Erbe.
Fabrik wirklich besser ging, Böttgers Verwaltung hierfür die wichtigsten Lehren
an die Hand gegeben hatte, für die er das Lehrgeld allein hatte zahlen müssen ^*^).
Daneben aber hat die Kommission ja auch durchaus mehrere Punkte als
Ursachen der schlechten Weiterentwicklung der Fabrik angegeben, die gänzlich
außerhalb Böttgers und seiner Verwaltung lagen. Sie ist in dieser Beziehung
durchaus gerecht gewesen, sie sah durchaus nicht alle Schuld in jenem; aber auch
hier gab es mancherlei Lücken, und gerade mehrere der Vorschläge und Maßregeln,
die die Kommission dann traf, um die Verhältnisse in der Manufaktur zu bessern,
beweisen deutlich, daß sie auch noch ganz andere verbesserungsbedürftige Dinge
innerhalb der Manufaktur entdeckt hatte, deren Vorhandensein und Fortbestehen
nicht an Böttger allein gelegen hatte.
Diese Vorschläge bestanden naturgemäß in erster Linie darin, Ersparnisse
innerhalb des Betriebes der Fabrik zu machen, dann ihre Einnahmen zu erhöhen.
Um ersterer willen sollten die seitherigen ,, überflüssigen und unnötigen" Besol-
dungen möglichst eingezogen, dann einige Leute entlassen werden, die sich nicht
bewährt hatten. Allzuviel zu streichen gab es hier jedoch nicht, ein deutlicher
Beweis, daß das Personal der Manufaktur, das Böttger angestellt hatte, doch fast
durchgängig gut und brauchbar war und sich unter normalen Verhältnissen durch-
aus bewährt hatte ®^°). Entlassen sollten nur der Materialienschreiber Klunger
und ein Former werden. Dafür aber war die Kommission, um das eingearbeitete
Fabrikpersonal zu halten und weitere Desertionen nach Art Stöltzels zu ver-
hindern, einsichtig genug, für diejenigen Arbeiter, die sich bewährt hatten, Lohn-
erhöhungen zu beantragen. Unter diesen befanden sich in erster Linie die Arka-
nisten Köhler und Schuberth, deren große Verdienste um die Aufrechterhaltung des
Betriebes innerhalb der Manufaktur auf diese Weise vollauf anerkannt wurden.
Doch auch einigen Drehern und Formern, selbst Drehjungen und Handlangern ward
dasselbe zuteil. Es ward dies eine allgemeine Remuneration für diejenigen, die
durch ihre bisherige Arbeit eine solche verdient hatten, die diesen aber zugleich
neuen Mut zur Weiterarbeit geben sollte. Dadurch freilich erhöhte sich die monat-
liche Gesamtsumme der Löhne von 244 Taler auf 257 ^^^). Doch sollte dafür das
Gehalt von Dr. Nehmitz, da seine Tätigkeit doch keine sehr zeitraubende wäre,
stark reduziert werden. Von Dr. Bartelmei dagegen ist damals merkwürdiger-
weise hinsichtlich der Manufaktur überhaupt nicht mehr die Rede. Er wird
wohl freiwiUig von ihr geschieden sein, da er als Arzt genügend andere Beschäf-
tigung hatte und viel Geld aus der Manufaktur für ihn doch nicht zu gewinnen war.
Dann kamen die Vorschläge zur besseren Organisation des Werkes. Hier ging
der erste Vorschlag dahin, daß jemand, der beständig sich in Meißen aufhielte,
die volle Aufsicht über die Arbeiter, daneben zugleich die Kasse erhalten sollte,
und hier hatte die Kommission gleich energisch eingegriffen und Steinbrück diesen
Posten übergeben, wodurch dieser kluge, ehrliche und dabei so arbeitsame Mann,
der freilich schon nach wenigen Jahren starb, nun endhch jene Tätigkeit entfalten
konnte, nach der ihm im Interesse der Manufaktur schon immer so heftig verlangt
Verbesserungsvorschläge.
251
hatte. Dagegen aber riet die Kommission dringend davon ab, wieder einen Ober-
direktor an die Spitze des Unternehmens zu stellen, da ein solcher für die Fabrik
viel zu teuer wäre. Statt dessen, so schlug sie vor, sollten zwei Räte, die der König
ernennen möchte, die Aufsicht über dieselbe führen, die Rechnungen prüfen u. dgl. m.
doch nur kommissionsweise und völlig ohne Entgelt. Damit war auch die
SteUe beseitigt, die der Kammerrat Nehmitz bisher bekleidet hatte, die aber, da
Böttger doch allmähhch die ganze Leitung der Fabrik an sich gezogen hatte, vöUig
nutzlos geworden war. Ferner ward noch der bisherige Ladendiener in Dresden,
Krügelstein, der der Un-
treue dringend verdächtig
war, entlassen und an seine
Stelle ein bewährter Leip-
ziger Buchhalter, Chladni
mit Namen, gesetzt, dessen
Kasse aber von nun an
durch eine Gegenkasse, die
Steinbrück in Meißen zu
führen hatte, kontrolliert
werden sollte.
Dann aber geschah et-
was, was eine starke Recht-
fertigung Böttgers und seines
früheren Begehrens be-
deutete und die bisherige
Unmöglichkeit der sehn-
lichst gewünschten Er-
weiterung des Betriebes
der Fabrik und damit auch
der Einnahmemöglichkeiten
aufs deutlichste bekundete.
Es wurde endlich das von
Böttger immer so ersehnte,
von ihm begonnene, dann aber wegen beständigen Geldmangels nicht zu
Ende geführte Brennhaus errichtet, und zwar mit Benutzung der von Böttger
bereits gelegten Fundamente. In ihm wurde zur Entlastung des Hauptofens in der
sogenannten ,, Küche" und auch, weil nach der Angabe der Arbeiter durch sein
Fehlen bisher noch immer so viele Stücke im Ofen zersprangen ^^^), ein Verglüh-
ofen aufgestellt. Es war der erste positive Eingriff der Kommission in den eigent-
lichen Betrieb der Manufaktur, ein Eingriff, der selbstverständlich nicht ohne be-
deutende finanzielle Opfer möglich war, aber gerade dadurch, daß diese hier in
keiner Weise bei der damals doch so bedenklichen finanziellen Lage der Fabrik
gescheut wurden, nur bewies, wie unbedingt nötig er war, wenn wirklich die
Abb. io8. Böttgerporzellan. Kinderkopl mit Emailfarben bemalt.
Königl. Porzellansammlun^, Dresden. Höhe 15 cm.
252 Das Böttgersche Erbe.
Fabrik einer besseren und einträglicheren Zukunft entgegengehen sollte. Und dabei
reichte diese Erweiterung des Brennbetriebes schon in der allernächsten Zeit nicht
mehr aus. Zwei Jahre darauf wurden schon wieder zwei neue Öfen verlangt und
auch gebaut *^^). Der Betrieb und Umsatz in der Manufaktur erwies sich eben auch
ferner völlig abhängig von der Zahl und dem Umfange ihrer Öfen.
Gleichzeitig ward, um alles in Meißen für den Betrieb beisammen zu
haben, die neue Reib- und Glasurmühle, die Böttger seinerzeit in Dresden für die
Manufaktur in der Dresdner Fayencefabrik hatte herrichten lassen, die aber — man
erfährt nicht aus welchem Grunde — wieder auseinander genommen worden war,
nach Meißen gebracht und in dem Keller des alten Brennhauses, der „Küche", auf-
gestellt, in dem auch die für die Porzellanfabrikation nötigen Materialien, an denen
es bisher so oft gefehlt hatte, in genügender Quantität angehäuft wurden. Durch
alle diese Verfügungen aber hoffte die Manufaktur auf Grund der Aussagen der-
jenigen, die ihren Betrieb und ihren Absatz damals genau kannten, binnen einem
Jahre 5000 Taler in der Kasse zu haben, eine recht statthche Summe, die mit Sicher-
heit die Manufaktur als wirkliche Einnahmequelle in Aussicht stellte und die dann
auch wirklich nicht ausgeblieben ist.
Dann aber hatte die Kommission die ebensowenig angenehme wie leichte
Aufgabe, die Zudringlichen zur Manufaktur von sich abzuweisen. Es waren die-
jenigen, die Böttger und seinen Manufakturen nahegestanden und mehr oder weniger
dabei profitiert hatten. Für sie war der Tod Böttgers das Signal gewesen, jetzt
noch so viel wie irgend möglich aus ihren früheren Stellungen zu gewinnen, oder
sich gar mit allen Mitteln zu seinem Nachfolger aufzuwerfen. Denn merkwürdiger-
weise, hierüber war zu Böttgers Lebzeiten nicht das Geringste festgesetzt worden,
ja diese Frage scheint damals nicht einmal in Erwägung gezogen zu sein. So konnten
in der Tat der Hoffenden mehrere sein.
An der Spitze dieser stand naturgemäß der bisherige Manufakturdirektor
Nehmitz, der ja schon zu Lebzeiten Böttgers — und wohl nicht ganz ohne Grund —
in den Verdacht gekommen war, der Manufaktur gegenüber selbstsüchtige Ab-
sichten zu verfolgen, jedoch als ehemaliger oberster Leiter dieser Anstalt jetzt die
begründetsten Ansprüche auf die Nachfolgerschaft zu haben schien. Nicht eifrig
genug konnte er sich daher beim Tode Böttgers zeigen. Aus diesem. Grunde wohl
hatte er noch vor diesem Ereignis jene obenerwähnte Ordnung und Verwahrung
seiner Papiere vorgenommen. Dann, als Böttgers Ende immer näher herannahte,
hatte er Briefe über Briefe an den König geschrieben, in denen er auf das bevor-
stehende Ereignis hinwies, eine ganze Reihe von Fragen stellte betreffs dessen,
was dann geschehen sollte, vor allem aber vor Meer heim als etwaigen künftigen
Nachfolger Böttgers nicht eindringlich genug warnen konnte. Er scheint
diesen damals für seinen gefährlichsten Nebenbuhler gehalten zu haben ^^*), wie
er denn dem Könige überhaupt riet, in dieser Angelegenheit nicht zu schnell einen
Entschluß zu fassen. Dann hatte er ja auf Befehl des Königs noch bei der Ver-
siegelung des Nachlasses Böttgers mitgeholfen. Damit aber war seine Rolle auf
Bewerbungen um die Nachfolgerschaft.
253
diesem Gebiete ausgespielt. Die Kommission schob ihn völhg beiseite und traf
alle Anordnungen betreffs der Manufaktur, ohne sich auch nur im geringsten um
den doch niemals formell entlassenen Direktor derselben zu kümmern. So war
Nehmitz wohl oder übel gezwungen, sich selber an sie zu wenden, um für sich zu
retten, was irgend noch zu retten war. Er wies hierbei zunächst auf seine früheren
Vollmachten und Instruktionen betreffs seiner Stellung zur Manufaktur hin, gab
dann zu verstehen, daß, da er von Anfang an mit Böttger in innigster Verbindung
gestanden hätte, er alle die „propositionen und engagements", dieses Mannes, auch
diejenigen, die noch zur Perfektion kommen sollten, aufs genaueste kenne, auch
über die Persönlichkeiten Bescheid wüßte, die zur Fortführung aller seiner Unter-
nehmungen die geeignetsten wären ^^^). So
suchte er sich auf alle Weise als völlig un-
entbehrlich hinzustellen. Dann aber strebte
er, falls diese Bemühungen nichts fruchten
sollten, darnach, doch wenigstens finanziell
in dieser Angelegenheit nicht allzu übel ab-
zuschneiden. Er bat die Kommission, ihm
wenigstens die 2000 Taler wieder zu er-
setzen, die er einst am Anfange mit Dr.
Bussius der Manufaktur vorgestreckt hatte
wobei er freilich merkwürdigerweise von der
damaligen Gründung der angeblichen Kom-
pagnie Schwarze & Co. kein Wort erwähnte.
Auch wies er darauf hin, daß er alljährlich
als Lohn für seine Bemühungen um die
Manufaktur 700 Taler aus der Manufaktur-
kasse hätte erhalten sollen, die ihm aber
bei dem chronischen Geldmangel der Fabrik
niemals gezahlt worden wären. ®^^).
Nach diesem meldete sich der Kriegsrat von Hol:d)rinck, dem der König dadurch,
daß er ihm im Jahre 1717 befohlen, sich von Böttger sämtliche Arkana lehren zu
lassen «^'), gleichfalls Hoffnungen auf dessen Nachfolgerschaft gemacht hatte. Er
wies hierbei natürlich auf diese seine ihm anbefohlenen Kenntnisse hin und versprach
auch, aus der Manufaktur schon binnen Jahr und Tag einen Überschuß erzielen zu
wollen. Hierbei aber war er so naiv zu erklären, die Fabrik für gewöhnlich von
Polen aus briefhch leiten, doch jedes Jahr zu dem Zwecke auch nach Sachsen kommen
zu wollen ^^^). Man konnte sich durch diesen Vorschlag, der keine Ahnung von
den Aufgaben und Pflichten einer Fabrikleitung bekundete, kaum ungeeigneter für
eine solche hinstellen.
Dann aber kam natürlich Meerheim, der letzte Vertraute und selbst Mitarbeiter
Böttgers, den jener ja auf seinem Todtenbette schon provisorisch zum Direktor
seiner Manufaktur eingesetzt hatte, und der sich darum auch anfangs durchaus
Abb. 109. Böttgerporzeilan. Geformtes Relief,
Eichelblätter.
Künigl. Porzellansammlung', Dresden. Hohe 6 cm.
254 Das Böttgersche Erbe.
als solcher betrachtete ^^^). Er nahm demgemäß den Mund auch am vollsten und
hatte nicht übel Lust, die ganze Erbschaft Böttgers als Experimentator, Erfinder,
Leiter, ja selbst als Goldmacher anzutreten. Vor der Kommission bat er freilich
zunächst nur um Auszahlung der für seine Arbeiten mit Böttger bestimmten Gelder,
die dieser ihm vorenthalten hätte. Dann aber wies er in einer besonderen Eingabe
auf seinen so ganz besonders intimen Umgang mit Böttger hin, fügte ein endloses
Verzeichnis alles dessen bei, was er, sowohl in Kommerzien-, Bergwerks-, Blaufarbe-
werksachen, in chemischen und philosophischen Dingen vermöchte, versprach nichts
weniger als sämtliche Erfindungen und Propositionen Böttgers, wie den Borax,
den Liquor zur Erhaltung toter Körper, die blaue Porzellanfarbe, die Emailfarben,
das Porzellan selber usw. zu erfinden, beziehungsweise unendlich zu verbessern
und stellte dann auch den Stein der Weisen mit einer Sicherheit in Aussicht, als
hätte er ihn bereits in der Tasche. Es schien, als wollte er noch einmal den König
in jenes Reich der Träume und Phantastereien locken, in dem ihn Böttger lange
genug gelassen hatte.
Dann kamen schließlich die weniger Anspruchsvollen, darunter die beiden
Mehlhorns, der Vater, der immer noch den Titel eines Schleif- und Poliermühlen-
direktors führte, obwohl diese Anstalt schon seit Jahren stillstand, und sein Sohn,
der Maler an der Manufaktur. Sie wiesen beide darauf hin, daß sie eine gute, weiße
Porzellanmasse herzustellen wüßten, desgleichen die blaue Farbe, durch die sich
damals jeder, der etwas von der Fabrik wollte, beim Könige beliebt zu machen
suchte. Sie baten deshalb um Anstellung bei der Manufaktur ^^°), desgleichen aus
ähnlichen Gründen merkwürdigerweise der Holländer Hieronymus Schürmann und
schließlich gar auch noch Böttgers ehemaliger Kammerdiener Pyrner, der vorgab,
viel Wichtiges von Böttger unter der Hand erfahren zu haben.
Allen diesen Forderungen gegenüber hatte die Kommission zunächst keinen
leichten Stand. Es handelte sich hier bei fast allen um wirkliche Mitwisser der
Arkana, mithin um solche, die, wenn sie sich unbefriedigt von dannen wandten,
der Manufaktur großen Schaden zufügen konnten. Die Verantwortung der Kom-
mission in dieser Angelegenheit war daher nicht gering. Freilich allen Hoffnungen
auf die Oberleitung der Manufaktur hatte dieselbe bereits dadurch so ziemlich
ein Ende gemacht, daß sie dem König geraten hatte, keinen Direktor wieder
an die Spitze zu stellen. Damit war der Fall Holzhrinck und Nehmitz in der
Hauptsache schon erledigt. Doch forderte sie letzteren auf, genauer anzugeben,
was er über Böttgers Propositionen u. dgl. wüßte, erhielt aber nur ganz allgemeine
Angaben, so daß diese Angelegenheit ohne Bedenken ad acta gelegt werden konnte.
Ernstlicher ging sie dagegen auf die Angaben der Mehlhorns ein. Sie mußten
zunächst in Dresden eine Probe ihres Könnens vor dem Blasebalg ablegen, dann
in den Ofen zu Meißen, die recht befriedigend ausfielen. Namentlich wurde sehr
angenehm bemerkt, daß die Porzellane hier kaum noch Risse zeigten, wie es die
in der Manufaktur hergestellten damals nur noch zu leicht taten. Deshalb ließ
man den alten Mehlhorn in seiner Stellung und setzte den jungen, damit er als
Abfindungen.
255
ledige Person nicht fortginge, vorläufig auf Wartegeld und suchte ihn weiter als
Maler zu verwenden. Meerheim aber, den man ob seiner vermeintlichen Kennt-
nisse ganz besonders fürchtete, schlugen sie vor, weiter an den Arkana arbeiten,
daneben auch die ,, Untersuchung von Gebirgsarten und metallurgische Arbeiten*'
vornehmen zu lassen. Er sollte dafür jährHch 200 — 250 Taler erhalten, welche
Summe er aber später noch beträchtlich höher zu schrauben wußte. Auf seine
alchimistischen Anerbietungen jedoch ging man mit keinem Worte ein. Man trug
sicherlich Bedenken, den König noch einmal zu solchen kostspieligen und doch
so wenig aussichtsreichen Unternehmungen zu verlocken. Dagegen wurde Schür-
mann ganz abgewiesen, da er doch nur ein einfacher ,, Bedienter" Böttgers gewesen
wäre und als solcher nichts Rechtes wüßte. Gleichzeitig aber suchte die Manufaktur
diejenigen, die
der Fabrik bis-
her wirklich ge-
nützt hatten, mit
ihr von neuem zu
verbinden. So-
wohl mit dem
Goldarbeiter
Funke, der bisher
wohl hauptsäch-
lich das Bemalen
der Gefäße mit
Emailfarben be-
sorgt hatte, sowie
mit dem Gold-
schmiede Irmin-
ger wurden neue
Kontrakte geschlossen, die ihre Arbeit der Fabrik aufs neue sichern und nament-
lich ihrer künstlerischen Weiterentwicklung zu gute kommen sollten.
Damit war auch diese Sache erledigt, freilich nicht gerade zur Freude aller
Beteiligten. Namentlich der Kammerrat Nehmitz scheint damals arg enttäuscht
gewesen zu sein und wohl nicht ganz ohne Grund. Er hatte allerdings wohl eine
etwas andere Behandlung erwarten können, und fast sieht es aus, als ob er
damals beim Könige aus irgend einem Grunde in Ungnade gefallen wäre. Vielleicht
lag der Grund zu dieser Behandlung darin, daß er damals in eine böse Sache
hineingeraten war, die für ihn ein recht fatales Nachspiel zu seiner bisherigen Tätig-
keit für Böttger und seine Manufakturen bedeutete. Es war dies nichts weniger als
der Vorwurf einer mehrfachen Unterschlagung, die Meerheim und der Advokat
Vollhardt damals bei der Kommission gegen ihn zur Anzeige gebracht hatten ^^^),
demzufolge Nehmitz sich widerrechtlich in den Besitz von Porzellan gesetzt und
nicht weniger als 21 000 Taler als Reisegeld liquidiert und von den Geldern ab-
Abb. HO. Böttgerporzellan. „Callotfigaren", die rechte mit Emailfarben bemalt
Königl. Porzellansammlung, Dresden. Hohe der Figur in der Mitte ii cm.
256 Das Böttgersche Erbe.
gezogen haben sollte, die der König für Böttger angewiesen hatte. Es waren dies
freilich fast alles Anschuldigungen, die, wie sich später herausstellte, Vollhardt aus
Rachsucht um einer bestimmten Ursache willen, Meerheim, anscheinend, um
einen Mitbewerber um die Direktorenstelle an der Manufaktur unschädlich zu
machen, fast völlig aus der Luft gegriffen hatten, die damals aber doch wohl auf
Nehmitz' Charakter und Verwaltung ein keineswegs günstiges Licht geworfen
haben werden.
So aber hatte die Kommission in der Tat mit unleugbarem Geschick und
wirklicher Energie das von Böttger hinterlassene, aber doch ziemlich verfahrene
Werk ins richtige Geleise zu bringen und eine Basis zu schaffen gesucht für eine
gesunde, rationelle Weiterentwicklung derselben. Zu ihrer großen Freude wurden
ihre Bemühungen auch bald mit den schönsten Erfolgen gekrönt, die ihr für
die Weiterarbeit neuen Mut gaben. Was hierbei zunächst das wichtigste war, die
Fabrik hob sich finanziell sofort, und zwar ganz beträchtlich. Im Oktober dieses
Jahres konnte Steinbrück bereits mitteilen, daß sie in den letzten 5 Monaten schon
5430 Taler eingenommen hatte, indes in den 9 Monaten vorher die Einnahmen
nur 4821 Taler betragen hatten und daß begründete Hoffnung vorhanden sei, daß
diese bald noch ganz beträchthch steigen würden ^^), ja man sogar bald schon
auf Überschüsse rechnen dürfte. Durch diese Einnahmen war auch die Kommission
allein in den Stand gesetzt worden, das so dringend erforderliche neue Brennhaus
zu bauen und auch den verdienten Arbeitern der Manufaktur jene Gehaltserhöhungen
auszuzahlen, die sie in ihrem Bericht an den König in Vorschlag gebracht hatte.
Doch darf bei diesen schnellen finanziellen Erfolgen der Kommission nicht über-
sehen werden, daß sie gegenüber Böttger nun weder Gelder für seinen Unterhalt,
noch für seine Arbeiten und seine Mitarbeiter zu zahlen hatte, desgleichen auch
keine Zinsen für alle jene vielen Schulden, die Böttger im Interesse seiner Manu-
fakturen gemacht hatte. Letzteres blieb alles der Regelung seines Nachlasses
überlassen, und so konnte die Kommission in der Tat auch in finanzieller Beziehung
von einer ganz neuen Grundlage anfangen und alle früheren Belastungen der Manu-
faktur, die gerade die Hauptursache ihres mangelhaften finanziellen Fortgangs
gewesen waren, jetzt völlig beiseite lassen. Dadurch aber stand sie von Anfang an
weit günstiger dar, als Böttger es je getan hatte und konnte allein weiterbauen
auf das, was seine wirklichen Erfolge gewesen waren.
Durch diese bedeutenden finanziellen Resultate aber ward die Kommission
jetzt so freudig gestimmt und so von Mut für die Weiterentwicklung der Manu-
faktur erfüllt, daß sie schon im November dieses Jahres den König um ihren weiteren
Fortbestand bat, was auch im folgenden Jahre bewilligt ward, nur mit der Be-
stimmung, daß für den verstorbenen Freiherrn f. Alemann ein neues Mitglied,
der Appellationspräsident und Vizebergwerksdirektor (^. Ponigkau, in die Kom-
mission eintreten sollte. Die Kommission wurde damals in einem Antwortschreiben
des Königs, das ihre ganze bisherige Tätigkeit für die Manufaktur billigte, direkt
beauftragt, die Manufaktur zu beaufsichtigen, die Arbeiter anzustellen und in
Aufschwung der Fabrik.
257
Pflicht zu nehmen, Instruktionen auszuteilen und in eihgen Fällen selbst Gelder
ohne besondere Bewilligung und spätere Rechnungsablage vor der Oberrechnungs-
kammer auszugeben ^^^). Damit war die Frage der Oberleitung für die nächsten
Jahre erledigt. Sie war zum Heile der Manufaktur in wirkhch tüchtige und zu-
verlässige Hände gelegt worden, und die zielbewußte, sorgfältige Verwaltung,
die jetzt hier herrschte, stand bald im vollsten Gegensatze zu jener Zerfahrenheit
und Unentschlossenheit, die in den letzten Jahren der Böttgerschen Leitung an
der Tagesordnung gewesen war. Nun konnte man von ihr in der Tat jene Ent-
wicklung und jene Erfolge erwarten, die man von ihr doch etwas ungeduldig schon
gleich von ihrer ersten Periode erhofft hatte.
Und diese erwartete günstige Entwicklung trat auch sofort ein und führte
bald zu einem Aufschwung, den damals wohl keiner in diesem Maße schon erwartet
hatte. Eine gewisse Gefahr
freilich, die leicht für ihre
Weiterentwicklung hätte ge-
fährlich werden können,
brachte ihr zunächst dieser
plötzliche Aufschwung. Ihre
finanziellen Verhältnisse wur-
den sofort überschätzt. Kaum
hatte das Akzisekollegium
erfahren, daß in der Manu-
fakturkasse Geld vorhanden
wäre, da weigerte es sich auch
schon, die Arbeiter zu be-
zahlen, wie sie dies bisher für
den größten Teil noch immer
hatte tun müssen ^^^). Das aber war der Kommission vöUig gegen ihre Absichten,
die soeben mit so vieler Mühe zusammengebrachten Gelder schon gleich wieder aus
der Hand zu geben, da sie, wie schon Böttger, ganz richtig erkannt hatte,
daß eine so junge Fabrik, wie die Meißner Manufaktur, die noch so wenig finanziell
gefestigt war, dafür aber noch den ärgsten Schicksalsschlägen ausgesetzt sein
konnte, nicht ohne ein wenigstens geringes Betriebskapital gelassen werden dürfte,
wofern sie sich wirklich in voller Ruhe ausdehnen und weiterentwickeln sollte. Sie
bat daher den König unter Darlegung dieses Grundes, auch ferner die Arbeiter
der Manufaktur aus seiner Kasse bezahlen zu lassen, und zwar entweder bis Johannis
oder bis Michaelis dieses Jahres ^^), und hatte auch die Freude, dies bis Johannis
bewilligt zu sehen. Dann freilich traf der Befehl, vom 24. Juh 1720 datiert, ein,
daß die Manufaktur auch in dieser Beziehung sich selber helfen sollte — damals
enthielt die Manufakturkasse bereits 2738 Taler ^^) — , und von nun an hat sie
sich auch in der Tat durch sich selbst erhalten und wenigstens in dieser Zeit keine
Zuschüsse vom König mehr erfordert.
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Abb. III. Meißner Porzellan, Teetopf mit Watteauszene, wahrscheinlich
bald nach Böttg;ers Tode bemalt.
Königl. Porzellansammlung', Dresden. Hohe ii cm.
Zimmermann, Meißner Porzellan.
17
258 Das Böttgersche Erbe.
Inzwischen aber hatte sich als eine höchst fatale Angelegenheit die Ordnung
des Nachlasses Böttgers herausgestellt. Mit dieser Aufgabe hatte die Kommission
wieder als unparteiische Persönlichkeiten den Hofrat Z)re(ver und den Kommissionsrat
Vockel, die ja schon an der Versiegelung der Böttgerschen Briefschaften auf Befehl
des Königs teilgenommen hatten, beauftragt. Sie hatten bald festgestellt, daß
sich die Schulden Böttgers und seiner Fabriken zunächst auf 22563 Talern beliefen.
Unter den Gläubigern befanden sich der verstorbene Statthalter if. Fürstenberg mit
1650 Talern, der früher erwähnte Baron v. Gersdorf mit 2000 Talern. Dazu kamen
die nicht bezahlten Löhne. Im übrigen jedoch erfahren wir leider nicht, wie
diese große Summe damals zusammenkam, auch nicht, ob sie auch auf wirklich
ganz berechtigten Forderungen beruhte und nicht vielmehr zum Teil auf solchen,
wie sie Nehmitz und Meerheim und vielleicht nochmancher andere, der von der ganzen
Verwirrung der damaligen Zustände zu profitieren hoffte, damals gestellt haben.
Vor allem jedoch darf nicht übersehen werden, daß es sich hier in keiner Weise
um Böttgers Privatschulden handelte, sondern um die seiner Unternehmungen
und auch nicht der Porzellanmanufaktur allein, vielmehr auch der vielen anderen
Fabriken, die Böttger ins Leben gerufen hatte ^"), sowie auch seiner sonstigen
Arbeiten. Die Summe dieser Schulden mochte zunächst ja etwas hoch erscheinen,
war es aber doch kaum, bedenkt man, wie wenig Mittel Böttger im allgemeinen
für seine vielen und kostspieligen Unternehmungen zur Verfügung gestanden
hatten, wie sehr er infolgedessen auf geliehene Gelder angewiesen war, die dann be-
ständig ihre Zinsen gefordert hatten. Sie scheint auch damals gar nicht besonders
überrascht zu haben: man vernimmt nirgends ein Wort des Erstaunens oder des Un-
willens über sie, es fällt bei dieser Gelegenheit kein Wort des Tadels für Böttger
und seine finanzielle Wirtschaft ab. Und dann darf man nicht vergessen, daß,
wenn sich auch an barem Geld nach Böttgers Tode nur herzlich wenig vorfand —
es sollen nur etwa 700 Taler gewesen sein ®^^) — doch zum mindesten zu seinem und
seiner Fabriken Nachlaß auch alle bei seinem Tode fertigen Gefäße, sowie das zu
dieser Zeit vorhandene Rohmaterial zu rechnen waren, was alles allein die Kommission
in den Stand gesetzt hatte, die Fabrikation resp. den Verkauf damals so schnell
wieder beginnen zu lassen und daraus die eben erwähnten beträchtlichen Vorteile
zu erzielen. Auch befand sich in Meißen noch eine große Menge von mehr oder
weniger reich verziertem rotem Steinzeug, das ja freilich damals keine mehr eigentlich
kurante Ware darstellte und daher nach BöttgersTode nachweislich auch nicht weiter
fabriziert worden ist^^^), immerhin aber doch noch einen recht respektablen
Wert darstellte, desgleichen eine große Quantität ungebrannter oder ungeschliffener
und unpolierter Gegenstände derselben Gattung, wie auch aus jener Zeit, da die
Dresdner Steinbäckerei für kurze Zeit nach Meißen verlegt worden war, eine große
Menge von Fayencen, die freilich nicht glasiert worden waren ^'•'). Sie alle mußten
für den Nachlaß Böttgers und seine Regelung gleichfalls in Rechnung gezogen werden.
Freilich, der König scheint anfangs nicht übel Lust gehabt zu haben, die von
Böttger hinterlassenen Schulden doch als dessen rein private ausgeben und den
Schulden. 259
Gläubigern nur das zur Verfügung stellen zu lassen, was Böttger wirklich als Eigen-
tum besessen hatte, sein Haus, seine Möbel u. dgl. mit der Motivierung, daß
Böttger ja niemals Eigentümer der Fabrik, sondern nur gleichsam ihr Faktor ge-
wesen wäre *'^). Eine solche Auffassung konnte aber doch wohl kaum als ganz
rechtlich angesehen werden und hieß wegen der unendlich geringen Aktiva,
die vorhanden waren, einen großen allgemeinen Bankrott ansagen. Denn Böttgers
Besitztum war nur sehr gering, seine Möbel waren sogar zum Teil nur geliehen *'*)
Der Rest derselben, sowie das Haus, das die Nachlaßkommission sich beeilte
zu versteigern, brachte nur 113 Taler ^^^). Wie sollten da auch nur annähernd
die großen Passiva gedeckt werden ?
Sowohl die Nachlaßkommission, wie auch die eigentliche Untersuchungskom-
mission konnten sich daher auch nicht mit der Ansicht des Königs befreunden.
Im Jahre 1721 stellten sie es dem Könige in aller Ehrerbietung vor, daß er selber
doch durch seine eigenen Verfügungen mehrfach sich verpflichtet hätte, für alle
für die Manufaktur aufgenommenen Gelder unbedingt eintreten zu wollen ^'*).
Sie wiesen hierbei einmal hin auf das Gründungsdekret der Manufaktur vom
23. Januar 1710, in dem der König selber um einen ,, leidlichen Beitrag ihrer fast
großen und ansehnlichen Summen, welche zur Etablierung so vieler und wichtiger
Manufakturen unumgänglich erfordert werden", seine Untertanen angesprochen
hätte, dann aber auch auf jenes so verhängnisvolle Edikt vom Jahre 1712, durch
welches er gelobt hätte, alle Wechsel die Böttger aufnehmen würde, als seine eigenen
anzuerkennen, wobei sogar die Manufaktur mit allen ihren Effekten als Hypothek
eingesetzt worden wäre. Zwei Vorschläge wurden daher von ihrer Seite aus
gemacht: entweder solle alles noch vorhandene rote Steinzeug einem Kaufmann
en bloc zu eigenem Verkauf übergeben werden, wodurch freilich diese Ware sehr
unterm Preise weggegeben werden müßte, oder alles nicht polierte und unge-
schhffene Steinzeug sollte nach und nach poliert und dann verkauft werden,
was freihch mehr Zeit in Anspruch nehmen, für die Gläubiger aber doch
immerhin eine starke Beruhigung bedeuten würde. Freilich müßte in diesem
Falle ein besonderer Prozeßverwalter eingesetzt werden.
Dies war der König schheßhch biUig genug, am 3. März 1722 zu bewiUigen,
wodurch nun auch diese Angelegenheit nach Möglichkeit geordnet war, wenn auch
wohl nicht zu aller Zufriedenheit ^'^). Man hat dann später, um jene Waren
abzusetzen, auch zu einer Verlosung gegriffen und damit in das Gebiet des
Porzellans schon damals jenes Mittel eingeführt, mit dem sich später noch so
manche andere Porzellanfabrik aus ihrer Klemme zu retten suchen sollte ^'^).
Unterdessen hatte die nun die Manufaktur leitende Kommission, vom
König dazu aufgefordert, wieder eine ganze Reihe neuer Maßregeln getroffen, die
eine weitere Verbesserung des ganzen Betriebes bedeuteten. So ward jetzt das
Porzellan, um eine gewisse Sicherheit in der Preisbestimmung der einzelnen
Waren zu erhalten, nach seinem Ausfall in drei Gruppen geteilt, in Gut, Mittel
und brac^"). Dann suchte sie noch einiges Kapital aus dem alten Inventar der
17*
260 Das Böttgersche Erbe.
Fabrik in Meißen und der übrigen Unternehmungen Böttgers herauszuziehen,
indem sie die in Meißen herumliegenden, von Böttger für seine Erfindungen fabri-
zierten feuerfesten Ziegel, sowie auch die unbrauchbar gewordenen Kapseln an
Besitzer von Münz- und Schmelzöfen zu verkaufen suchte®'^). Schließlich fragte
sie beim König an, ob sie sich auch der schon so lange stillstehenden Schleif-
und Poliermühle annehmen sollte und machte auch deswegen eine ganze Reihe
von Vorschlägen ^'®).
Der größte Fortschritt aber ging jetzt von der Fabrik selber aus. Hier war
nun bald unter den Arbeitern, nachdem sie gesehen hatten, daß ihre Bemühungen
jetzt volle Anerkennung fanden und sie auch nicht mehr, wie früher beständig
um ihren Lebensunterhalt besorgt zu sein brauchten, ein Leben und Streben aus-
gebrochen, das man früher hier kaum für möglich gehalten hätte. Alles sann
auf Verbesserungen und der Manufaktur dienliche, neue Erfindungen und war
nicht eher froh, als bis dies Ziel wirklich erreicht war. Diese Verbesserungen fingen
schon gleich bei der Masse selber an^^°). Hier versuchte man mehrfach, den das Fluß-
mittel darstellenden Alabaster, den Böttger ausschließlich zur Porzellanmasse ver-
wendet hatte, durch den sogenannten „Siebenlehner Stein", der den für gewöhn-
lich, jetzt sogar fast ausschließlich in der Porzellanfabrikation verwandten
Feldspat darstellte, zu ersetzen. Doch scheint man merkwürdigerweise mit
diesem keine allzu guten Erfahrungen gemacht zu haben, und noch am Ende
dieses Jahrzehnts und später waren sich alle Arkanisten der Meißner Manufaktur
darüber einig, daß, wenn es nur irgend möglich wäre, man immer Alabaster zur
Porzellanbereitung weiter verwenden sollte ^^i). Damit blieb zunächst in Meißen
das alte Böttger&ch.e Rezept bestehen und die Böttger&chQ Erfindung, so wie
dieser sie zuerst gemacht hatte, die technische Grundlage. Damit aber blieb
das Meißner Porzellan auch für diese Zeit noch immer ein reines Kalkporzellan
und ward noch immer nicht jenes Feldspatporzellan, welches es später ständig
und bis in unsere Zeit gewesen ist. Dagegen wurde das Verhältnis der Bestand-
teile der Masse, namentlich um dieselbe leichter garbrennen zu können, vielfach
verändert, und man unterschied bald eine strenge oder hartflüssige, mittlere und
weiche Masse. Zu jeder Masse gehörte dann natürlich auch eine besondere Glasur.
Weit größere Fortschritte machte man aber dann auf dem Gebiet der Farben.
Hier hatte die Kommission sofort Sorge getragen, daß auch das alte Problem,
das dem Könige immer so sehr am Herzen gelegen hatte, daß er sogar für dessen
Lösung einst die Summe von 1000 Talern ausgesetzt hatte ^^^), die Erzielung der blauen
Kobaltfarbe, die Böttger und seinen Mitarbeitern ja noch nicht gelungen war,
noch einmal in die Hand genommen ward, und schon im März des Jahres 1720
konnte sie zu ihrer nicht geringen Freude dem Könige vermelden, daß dies Problem
endlich gelöst zu sein schiene, und zwar nun zugleich von zwei Seiten, von dem
älteren Mehlhorn und von Köhler, wobei dieser durch Verbesserung der Farbe,
jener mittels einer neuen Masse zum Ziele gelangt wäre ^^^). Nun sei nur noch
ein geschickter Maler vonnöten, um aus diesen Erfindungen den ganzen VQrteil
Verbesserungen innerhalb der Fabrikation. 261
zu ziehen. Auch sandte sie dem Könige bereits Proben, zunächst kleinere Stücke,
darunter Teegeschirre, dem bald aber größere folgten, wobei sie dann auch auf die
versprochene Belohnung hinwies. Von diesen gefielen die Köhlerschen Proben,
dem König am besten. Doch wollte er sich der ausgesetzten Prämie nicht recht
mehr entsinnen, versprach aber, es bei fortgesetztem, weiterem Bemühen an einer
,, billigen Begnadung" später nicht fehlen lassen zu wollen ^^*). Sie ist dann auch
nicht ausgeblieben.
Zu gleicher Zeit setzte man in der Manufaktur alle Energie daran, nun auch
gleich den Chinesen und Japanern größere Stücke zu brennen, was ja zu Böttgers
Zeiten gleichfalls noch durchaus nicht hatte gelingen wollen ^s^). Namentlich dachte
man hierbei an Teller und Schüsseln, überhaupt an ganze Service, dann auch an
Vasen und Aufsätze, und auch hier kam man bald so weit, daß der König bereits im
September dieses Jahres große Aufsätze bestellen konnte, die zum Teil nun schon mit
blauer Unterglasurmalerei bemalt werden konnten ^^^). Sicherlich gehören zu
ihnen bereits einige der zahlreichen, heute noch in der Dresdner Porzellansammlung
befindlichen Vasen dieser Art von auffallend schlanken Formen und reicher Unter-
glasurmalerei in chinesischem Stil, die schon früh in diese Sammlung gelangt sind.
Und dann glückte es in diesem Jahre sogar schon, eine farbige Glasur für das
Porzellan zu gewinnen, jene bekannte dunkelbraune Glasur, mit der die Chinesen
vielfach ihr Teegeschirr zu bekleiden pflegten, die wohl mittelst Mangan gewonnen
ward. Es war ein neuer Triumph der Technik, den man -zunächst wieder
dem ganz besonderen Wunsche des Königs verdankt zu haben scheint'^''). Da-
gegen gelang es freilich damals noch nicht, eine von dem Könige ganz
besonders begehrte gelbe Glasur zu finden ^^^), unter welcher der König sicherlich
jene gelbe Glasur der chinesischen Porzellane verstand, die damals, wie auch heute
ausschließlich für das höchste Oberhaupt in China reserviert war, und die er darum
wohl auch gerne für sich selber benutzen wollte ^^^). Doch konnte man damals
mit der einen Erfindung, durch die man von neuem bewies, daß man der chinesischen
Porzellankunst immer näher kam, wohl zufrieden sein.
Daneben aber begriff die Manufaktur gar wohl, daß ihr in künstlerischer Be-
ziehung nichts mehr vonnöten täte, als die Ausbildung der Malerei, als ein wirklich
tüchtiger Maler. Die Malerei war ja bisher, wie gezeigt, die schwächste Seite des
jungen europäischen Porzellans gewesen®^"), da. Böttger sich, für dieselbe nicht allzusehr
interessiert zu haben scheint und sie auch damals in der Tat wegen des so wie so schon
guten Abgangs des Porzellans nicht unbedingt erforderlich erschien. Jetzt aber
war die Produktion stark vermehrt worden, es mußten neue Liebhaber durch neue
Reize gewonnen werden. Auch war es gegenüber dem immer Vorbild bleibenden
chinesischen und japanischen Porzellane geradezu eine Ehrensache, jenen auch
in dieser Beziehung völlig gleich zu kommen. So war zu diesem Zwecke zunächst
das Personal vermehrt worden durch die Einstellung des jüngeren Mehlhorn. Doch
fehlte dadurch noch immer die unbedingt nötige technische und künstlerische
Steigerung. Da kam der Kommission das Glück in einer Weise entgegen, wie sie
262 Das Böttgersche Erbe.
es damals wohl in keiner Weise erwartet hatte und damals wohl auch kaum gleich
in seiner vollen Bedeutung erkannt hat. Stöltzel, der ungetreue Arbeiter, der
sich noch wenige Wochen vor Böttgers Tode aus Meißen fortgeschlichen und nach
Wien gewandt hatte, hatte sich, als der erhoffte finanzielle Erfolg sich dort nicht
gleich einstellen wollte, wieder nach Dresden begeben und dort reumütig um
Wiedereinstellung in die Manufaktur gebeten, was ihm auch nach einigem Zögern
unter gewissen Bedingungen wieder gestattet ward. Gleichzeitig hatte er, wohl
um sich wieder einzuschmeicheln, und weil er wohl wußte, was damals der Fabrik
besonders nötig tat, einen aus Jena gebürtigen Kunstmaler, Johann Gregorius
Herold mit Namen, mitgebracht, der in Wien schon an der Manufaktur gearbeitet
hatte. Dieser hatte als Proben seiner Kunst einige Schälchen mitgebracht, die
eine ganz „besondere Geschicklichkeit" in der Bemalung verrieten und zeigten,
daß er namentlich mit blauen, roten, aber auch mit anderen Farben so umzugehen
wußte, daß diese glatt aus dem Feuer herauskamen und auch die kunstmäßig
gezeichneten Figuren ihre Zeichnung im Feuer beibehielten ^^^), wobei er sich freilich
ihm von Stöltzel übergebener Farben bedient hatte, deren Rezepte dieser sicherlich
wieder von Böttger empfangen hatte ^®^). Ihn nahm die Kommission, da auch der
König inzwischen dringend die Anstellung eines guten Malers verlangt hatte, sofort
auf, stellte ihm aber, da er der Nachfrage nach bemaltem Porzellan bald nicht
mehr allein genügen konnte, noch zwei Hilfskräfte zur Seite, darunter einen
Holländer, der bisher Delfter Gut bemalt hatte ^^^), und so war nun auch diese
Lücke der Manufaktur glücklich ausgefüllt.
Diese Anstellung Herolds aber hat dann bekanntlich für die Fabrik mehr als
die Gewinnung eines tüchtigen Malers bedeutet, der das Meißner Porzellan mehr
oder weniger geschickt bemalte. Sie erwies sich bald als der Hinzutritt einer wirk-
lich künstlerischen Persönlichkeit, die Geschmack mit keramischem Verständnis
verband, wie dies die Manufaktur bisher noch nicht besessen hatte, einer künstleri-
schen Persönlichkeit, die nicht nur ihre ganze Kraft dieser Anstalt widmete, viel-
mehr ihr von nun an seinen eigenen Stempel aufdrückte. Sie bedeutete mit einem Worte
den Einzug der Kunst in die Manufaktur schlechtweg. Und zugleich erwies sich
Herold als ein erstaunlicher Techniker, der es nicht nur verstand, sich in die schon
vorhandenen Techniken der Manufaktur mit Leichtigkeit einzuleben und sie seinem
künstlerischen Willen dienstbar zu machen, vielmehr selber erfinderisch vorging,
auf seinem eigenen Gebiete, dem der Farbe, die wichtigsten, seiner Kunst nützlichsten
Erfindungen machte, darunter schon wenige Jahre nach seiner Ankunft in Meißen
jene wundervollen, transparenten, völlig glatt aufsitzenden Farben voll leuchtender
Kraft, die von da an der Ruhm und der Stolz der Meißner Manufaktur des 18. Jahr-
hunderts gewesen sind ®^^), ja damals ebensowenig von irgend einer Manufaktur
des echten Porzellans übertroffen worden sind, wie sie heute die Meißner
Manufaktur in ihrem ganzen früheren Umfange schon wieder erreicht hat,
der es aber dann weiter verstand, bis zum Verwechseln die ostasiatischen Porzellane
als Vorbilder zu kopieren und sein Porzellan mit den wunderbarsten Tönen glasur-
Eintritt Herolds. 263
artig zu überziehen, kurz, der aus dem Porzellan eine farbige Kunst machte, an die
Böttger, der Techniker, noch nicht entfernt gedacht hatte, und die auch im euro-
päischen Porzellan nie wieder übertroffen worden ist.
Alles dies aber gelingt hier in so kurzer Zeit und erreicht in so wenigen Jahren
eine so erstaunliche Vollendung, daß man merkt, daß wiederum eine Art Genie
in die Manufaktur eingezogen ist und ihr seine volle Kraft zur Verfügung stellt.
Und so reichen sich hier schon kurze Zeit nach 5ö^^e/-5 Tode, wie es in jeder Porzellan-
fabrikation von echter künstlerischer Art sein sollte, Kunst und Technik aufs
innigste die Hände und unterstützen sich wechselseitig, und es fand bald ein Auf-
schwung der Kunst statt, wie ihn damals zunächst wohl noch keiner hier erwartet
hatte, und wie er in der europäischen Porzellankunst sich auch wohl niemals wieder-
holt hat. Zugleich aber zieht damit im engsten Anschluß an die ostasiatischen
Vorbilder, ja in direkter Anlehnung an sie der echte Porzellanstil in das Meißner
Porzellan ein, jener Stil, der an die Stelle des plastischen Elements der Böttgerschen
Zeit das farbige setzt und darnach strebt, das Porzellan, wie es immer sein sollte,
in erster Linie zum Träger eines bunten Farbenkleides zu machen ^^^), das nun endlich
der Neigung des Barocks zu Prunk und Glanz in vollstem Maße entgegenkam.
Damit aber ward jetzt erst wirklich völlig erreicht, was dem Könige, was Tschirn-
hausen, was Böttger, ja allen übrigen, die an irgend einer anderen Stelle nach der
Porzellanerfindung eifrig gestrebt hatten, immer so heiß ersehnt hatten: ein
Porzellan, glänzend und farbenprächtig, wie das der Chinesen und Japaner und
völhg fähig, mit jenem zu konkurrieren. Und nun hatte der König endlich
allen Grund, auf die unter seiner Regierung durch Böttger gemachte, von ihm aufs
kräftigste unterstützte Erfindung stolz zu sein und sich dieser freudig zu rühmen:
die Meißner Manufaktur war in der Tat ein Ruhmestitel seiner Herrschaft ge-
worden, ein deutliches Zeichen seiner Kunstliebe und seiner so modern empfundenen
industriellen Bestrebungen, und sie ist dies auch bis auf den heutigen Tag geblieben.
Gleichzeitig aber ward sie auch eine wirkliche Einnahmequelle für ihn und sein
Land, die von nun an fast ohne Unterbrechung keine Zuschüsse mehr erforderte, viel-
mehr Überschüsse einbrachte. Im Jahre 1720 nur erst 9694 Taler stark, stiegen die
Einnahmen im folgenden schon auf 11 368 Taler und am Ende dieses Jahrzehnts be-
lief sich ihre Gesamtsumme bereits auf die gewiß erstaunliche Höhe von etwa 26 930
Taler ^^^). Es war damit die sichere Aussicht auf eine weitere glänzende und ein-
trägliche Fortentwicklung der Manufaktur gegeben. Damit aber trugen nun wirklich
schon die Unternehmungen Böttgers, die soviel Geld verschlungen hatten und bei
seinem Tode fast schon wie völlig verfehlte Gründungen ausgesehen hatten, wenigstens
durch seine Hauptgründung, die Meißner Manufaktur, jene Zinsen, die man von
ihnen eigentlich schon von Anfang an erwartet hatte, und die Manufaktur hatte
sich endlich als jene Goldquelle herausgestellt, die Böttger immer, wenn auch auf
gänzhch andere Weise in Aussicht gestellt hatte. Böttger selber aber war damit
nachträglich doch noch ein Wohltäter Sachsens geworden.
264 Das Böttgersche Erbe.
Indessen seine keramischen Erfindungen hatte Böttger — nicht ganz ohne sein
Verschulden — nicht vermocht, kostbare Privilegien seines Landes bleiben zu
lassen. Sie hatten schon zu seinen Lebzeiten die Wanderung durch die Welt
angetreten. Zuerst, wie gezeigt, seine einfachere Erfindung, die des roten Stein-
zeugs, auf die man seinerzeit schon so stolz gewesen war. Schon im Jahre 1715
war die Konkurrenzfabrik zu Plane begründet worden. Doch der Verrat dieses
Geheimnisses hatte sich bald genug als bedeutungslos herausgestellt. Die Plauesche
Fabrik, die sich nie zur Höhe des Betriebes und der Kunst der Meißner Manufaktur
hat erheben können, blieb, wie Böttger es geahnt hatte, für die Meißner Manufaktur
völlig bedeutungslos, obwohl sie doch mindestens noch ein volles Jahrzehnt weiter
bestand ^^'). War doch das rote Steinzeug auch in Meißen selber durch
die Fabrikation des echten Porzellans völlig entwertet und nur noch als
Kuriosität für gelegentliche Liebhaber weitergeführt worden, um schließlich nacl;i
Böttgers Tode überhaupt nicht mehr angefertigt zu werden ^^^), Dies Kapitel
war bald genug erledigt. Dagegen war die Saat, die Stöltzel in Wien gesät hatte,
nur zu gut aufgegangen. Denn schon vor Stöltzels Ankunft in Wien im Jahre 1719
hatte hier ein Holländer, namens Du Pasguier, mit Hilfe eines aus Dresden ge-
kommenen Goldschmiedegesellen, namens Hunger, der zwar mit Böttger verkehrt,
nie aber in der Meißner Manufaktur selber beschäftigt gewesen war ^^^), vergeblich
versucht, die erste Konkurrenzfabrik gegen Meißen auf dem Gebiet des echten
Porzellans anzulegen. Nun aber als Stöltzel sich ihnen anschloß, ging alles besser, und
nur zu gut waren ja die Proben gewesen, die er von dieser Fabrik nach Dresden
mitbrachte, als er im Jahre 1720 reumütig dorthin wieder zurückkehrte. Der Beweis,
daß nun auch andere außerhalb der Manufaktur um das so wichtige Geheimnis
des echten Porzellans wußten, war damit völlig erbracht, und, wenn es auch mit
der Manufaktur in Wien nach Stöltzels Fortgange — er will dort alles, was er ange-
legt hatte, vorher zerstört und verwüstet haben, — zunächst nicht recht weiter ging
und die Fabrik nicht aufkommen wollte, so schien dieser scheinbare Vorteil für
Meißen doch nur zu bald wieder einen neuen Nachteil bedeuten zu sollen. Gerade
so wie Stöltzel aus diesem Grunde sich von Wien wieder weggewandt hatte, so tat
es nun Hunger, und da dieser in Dresden zunächst nichts zu hoffen hatte, so ging
er schon im Jahre 1720 auf Veranlassung des venetianischen Botschafters in Wien
nach dem reichen, industriellen Venedig, hoffend, in der großen Handelsstadt gleich-
falls Neigungen für ein aussichtsreiches industrielles Unternehmen vorzufinden ''''").
Und er täuschte sich keineswegs. Vier Nobili ließen ihn hier unter ihrer Aufsicht
arbeiten und wie es scheint, nicht ohne Erfolg. Aber als dann die Kaolinerde aus-
ging, die man sich, wie schon in Wien, aus Sachsen heimlich zu verschaffen ge-
wußt hatte, ging Hunger wieder von dannen, indem nun auch er sich nach
Dresden zurückwandte, und von der von ihm gegründeten Porzellanfabrik in Venedig
hat man dann nicht allzuviel wieder gehört '°^). Auf alle Fälle ist sie damals nichts
weniger als eine Konkurrenzanstalt für Meißen geworden, ja man kann getrost
sagen, daß in beiden Fällen, in Wien wie in Venedig, der Verrat des Geheimnisses
Die ersten Konkurrenzfabriken. 265
der Böttgerschen Erfindung der Meißner Manufaktur damals nicht allzuviel
geschadet hat. Nur wurden freilich durch sie der Mitwisser immer mehr und
die Gefahr einer Weiterverbreitung des kostbaren Geheimnisses darum nur
immer größer.
Trotz alledem blieb merkwürdigerweise dies Geheimnis länger für die große
Allgemeinheit verborgen, als man nach jenen ersten bösen Ereignissen hätte
erwarten können, so daß Meißen doch noch lange Zeit hindurch der Haupt-
besitzer desselben bleiben konnte. Man darf eben nicht vergessen, daß es damals
selbst in Meißen nicht allzu viele gab, die wirklich um die ganzen zur Porzellan-
fabrikation nötigen Arkana wußten und diese waren, wie Köhler, Schuberth und
jetzt auch Stöltzel, fleißige und gewissenhafte Leute, die jetzt in Meißen den vollen
Lohn ihrer Arbeit und mancherlei Aufmunterung zu weiterem Streben fanden '^^^).
Dazu kam, daß der Mißerfolg, den Stöltzel und Hunger in Wien und Venedig so
gründhch gehabt hatten, und ihre reuige Rückkehr nach Meißen wenig dazu an-
getan war, gleich wieder zu neuen derartigen Versuchen anzureizen. So zieht denn
in dieser Zeit zunächst nur der gleich wieder von Meißen flüchtige Hunger herum
und sucht Porzellan- und Fayencefabriken in Berlin, Dänemark, Schweden und
später auch in Rußland zu gründen "'^). Ihm hat sich dann später allem An-
scheine nach der stets renommistische und begehrliche ältere Mehlhorn ange-
schlossen, der im Verdacht steht, 1739 bei der Begründung einer Porzellanfabrik
in Kassel mitgeholfen zu haben '^o*) und endlich auch jenes fatale Anhängsel der
Meißner Fabrik, Meerheim, der 1735 auf und davon ging und in Potsdam mit
einem gewissen Kirchner eine gleiche Anstalt zu begründen versuchte, in der aber
allem Anscheine nach doch nur Glas fabriziert worden ist ''^^). Dann entwich
noch im Jahre 1736 ein Malergeselle namens Löwenfinck nach Bayreuth, da er
von der dortigen Fayencefabrik St. Georgen am See gewonnen worden war,
allem Anschein nach, um Porzellan zu machen 'ö^), was aber dort in dieser Zeit
niemals zustande gekommen zu sein scheint'"'). Auch rühmte sich im Jahre 1741
in Mannheim ein Sachse, der „Elias Vater" genannt ward, Porzellan machen zu
können '°8) und war zu diesem Zwecke auch früher schon in Kopenhagen aufge-
taucht'"^). Aber nirgends kam damals durch diese Überläufer etwas Rechtes zustande.
Denn schUeßlich, für die so schwierige Porzellanfabrikation genügt keine Halbheit.
Mit bloßen Rezepten ist hier nicht allzuviel anzufangen. Es bedarf hierzu der
sichersten Praxis, der gediegensten Erfahrung, dann aber auch der Materialien,
und diese zu finden, war damals keineswegs leicht, da man in Sachsen die Ausfuhr
der Schnorrschen Erde bald strenge verbot, '^°) und um den zur Porzellanfabrikation
unumgängUch notwendigen Kaolin gleich anderswo aufzutreiben, doch weder die
geologischen noch mineralogischen Kenntnisse dieser Zeit schon ausreichten.
So hören wir denn auch in dieser Zeit von keiner weiteren Fabrik, in der mit
Sicherheit das echte Porzellan hergestellt worden ist. Die meisten keramischen
Neugründer mußten sich damals noch mit der Gründung von Fayencefabriken be-
gnügen, denen sie freihch, sich selbst zum Tröste, fast immer den klangvollen
266 Das Böttgersche Erbe.
Namen Porzellanfabrik beilegten, wodurch freilich ihr wahrer Wert nicht größer
wurde '^^).
Trotz alledem war der Wunsch Europas, das Geheimnis des echten Porzellans
zu besitzen, noch immer derselbe geblieben, ja er war dadurch, daß Böttger jetzt
die Nacherfindung desselben so glänzend gelungen und dies noch dazu in einem
Lande geschehen war, von dem es vorher so leicht keiner erwartet hatte, nur noch
bedeutend gesteigert worden, und da nun in dieser Beziehung die Meißner Manu-
faktur fast gänzlich versagte, von ihr nur wenig Aufklärung zu erwarten war, so
blieben für die übrige Welt zur Erreichung dieses Zieles nur zwei Wege übrig:
entweder das Problem des Porzellans noch einmal zu lösen, d. h. die Erfindung
desselben zum dritten Male zu versuchen, oder seine Blicke auf China zu richten
und von hier die erwünschte Aufklärung zu erwarten.
Sicherlich darf man bei der ganzen Stimmung der Zeit annehmen, daß der
erstere Weg damals oft genug angetreten worden ist, wenn auch von derartigen
Versuchen, da sie ja meist in aller Stille vorgenommen wurden, falls sie nicht zum
Resultat gekommen zu sein schienen, nicht allzuviel an die Öffentlichkeit ge-
drungen ist. Die bekanntesten Versuche dieser Art in Deutschland sind die des
Dr. Joh. Heinr. Pott, des berühmtesten damaligen Chemikers in Berlin, die, auf
Anregung des jungen König Friedrich unternommen, scheinbar auch im Jahre
1742 zu einem gewissen Ziele führten, wobei indes nicht feststeht, ob hierbei
nicht doch vorher schon einige Kenntnis aus Meißen nach Berlin gelangt war.
Auch waren die Resultate nach dem Urteile Meißens noch recht unvollkommen,
ja es scheint überhaupt die „echte Porzellanerde" noch gänzlich gefehlt zu haben 'i^).
Ähnliches hören wir dann auch noch von einem biederen Töpfermeister in Coburg,
namens Dümmler, der, um Porzellan zu gewinnen, sein ganzes Vermögen damals
verlaboriert haben soll '^^). Aber alle diese selbständigen Versuche dieser Zeit wie
auch der folgenden sind völlig resultatlos geblieben. Es ist nirgends, so viel wir
wissen, aus eigener Kraft das eigenartige keramische Prinzip des Porzellans noch
einmal entdeckt worden'^^) und daraufhin die Herstellung dieses wertvollen Materials
gelungen, und so bleibt Böttger für alle Zeiten der einzige Nacherfinder des chine-
sischen Porzellans. Das hebt seine Stellung innerhalb der Keramik noch um
ein beträchtliches.
Um so eifriger jedoch richtete man da seine Blicke nach China und um so
hoffnungsvoller, da gerade um die Zeit, als Böttger seine Erfindung gelang, unter
dem großen Kaiser Kang-hsi China und Europa so eng miteinander verbunden
waren, wie nie vorher und wie auch wohl niemals wieder. Es war damals
jene merkwürdige Zeit, da Europäer Minister am kaiserlichen Hofe waren, euro-
päische Gelehrte in China tätig sein durften und starke Bekehrungen zum Christen-
tum dort stattfanden. Da mochten auch jene Hoffnungen, das Geheimnis des
Porzellans an der ersten Quelle gelöst zu bekommen, nicht ganz ohne Berechtigung
erscheinen. Man suchte dieses hier sowohl auf theoretische wie praktische Weise
zu erreichen, vor allem aber forschte man nach den Materialien, in der festen Er-
Neue Anknüpfungen mit China. 267
Wartung, wenn man erst diese hätte, dann auch bald hinter das Geheimnis ihrer
Mischung zu kommen. Zu diesem Zwecke hatten schon am Anfange dieses Jahr-
hunderts ein Engländer und ein holländischer Kaufmann den bei den Chinesen
Petuntse genannten Feldspat, damit das Flußmittel des chinesischen Porzellans
mit nach Europa gebracht, da sie aber von der Existenz und Notwendigkeit des
Kaolins zur Porzellanbereitung nichts wußten, mit diesem natürlich nicht das
geringste anfangen können. Arg sollen damals die Chinesen, als sie hiervon er-
fuhren, gespottet haben: „Die Herren Europäer wären wunderUche Leute. Sie
wollten Körper ohne Knochen machen, da doch jene ohne diese weder gehen noch
stehen könnten." '^^) Dann aber kam endlich aus China über diesen Stoff — aller-
dings erst 13 Jahre nach Böttgers Erfindung — ein klares Licht nach Europa. Im
Jahre 1722 erschienen in der damaligen viel gelesenen Briefsammlung der Lettres
edifiantes et curieuses zwei Briefe, die der Jesuitenpater Pere (T Entrecolles im Jahre
1712 und 1722 in China geschrieben hatte '^*), in denen er zum ersten Male — im
Auftrage der französischen Regierung — ausführliche und zuverlässige Mitteilungen
gab über die Zusammensetzung desselben in China, seine Fabrikation, seine Be-
malung u. dgl. m. auf Grund des eingehendsten Studiums des Hauptfabrikations-
ortes des chinesischen Porzellans, der ausgedehnten kaiserlichen Porzellanmanu-
faktur zu King-te-chin. Es sind Darstellungen, die neben vielem Wahren auch noch
manches Falsche brachten, aber selbst für unsere Zeit die Bedeutung noch nicht
ganz verloren haben. Für die damaligen Zeiten jedoch waren sie trotz ihrer Irr-
tümer unbezahlbar: durch sie erfuhr man .nun in der Tat zum ersten Male
ganz allgemein, was eigentlich das Porzellan in der Hauptsache ist, nämlich ein
Gemisch zweier Erden, des sogenannten Kaolins und der Petuntse, mit welchem
Namen in China das Flußmittel des Feldspats bezeichnet ward. Freilich über
die besondere Natur dieser beiden Stoffe war hier nur wenig und auch nicht
immer Richtiges, über ihr besonderes d. h. entgegengesetztes Verhalten im Feuer
noch nicht das geringste gesagt. Das Prinzip des Porzellans war damit noch in
keiner Weise aufgeklärt. Doch hatte es von nun an, da aus diesen Darstellungen
wenigstens hervorging, daß das Porzellan ein Gemisch von zweien Stoffen
war und hier auch über die Glasur, die Fabrikation, die Bemalung desselben
mancherlei nützliche Winke gegeben waren, ein jeder, der das Porzellan jetzt
nacherfmden und fabrizieren wollte, bedeutend leichter, als es Böttger gehabt
hatte, der damals noch völlig im Dunkeln tappend, alles aus sich selbst
herausfinden und manchen verlockenden' Irrweg hatte vermeiden müssen. Es
war jetzt wenigstens der erste Anhalt zum weiteren Suchen gegeben, jetzt
auch endgültig dargetan, daß das Porzellan mit der Glasfabrikation, auf
deren Gebiet es bisher, wie gezeigt, fast alle vor Böttger gesucht hatten, nicht
das geringste zu tun hatte, und so war wenigstens der Erfolg dieses Buches
der, daß jetzt für den, der das Porzellan nachzuerfinden trachte, dieser
gefährliche Irrweg in Zukunft vermieden werden konnte. Das war schon ein
beträchtlicher Fortschritt.
268 Das Böttgersche Erbe.
Doch Pere d'Entrecolles hatte noch mehr getan, als bloß theoretische Unter-
weisungen aus China zu senden. Er hatte, um gleich auch die Praxis zu ermöglichen,
Proben der beiden genannten Bestandteile des chinesischen Porzellans nach Europa
gesandt, und diese waren dem berühmten französischen Physiker Reaumur in
die Hände gefallen, der sie aufs eingehendste untersuchte. Das Resultat dieser
Untersuchung war das gewünschte : eine klare Feststellung des wirklichen Prinzips
des Porzellans. Er erkannte deutlich die Feuerbeständigkeit des einen, die Fließ-
barkeit des anderen, und stellte nun auf Grund dieses Prinzips nach Böttger in
Europa zum ersten Male wirklich selbständig das echte Porzellan her ^^''). Damit
war ein gewisses Ziel glücklich erreicht. Aber dann war es, als die aus China mitge-
brachten Stoffe aufgebraucht waren, auch wieder mit aller Weisheit zu Ende.
Es fehlte, wie bei diesen Bestrebungen jetzt so häufig, das Kaolin, obwohl Reaumur
der festen Überzeugung war, diesen Stoff auch in Frankreich auffinden zu können,
und auch er, der große Physiker, mußte jetzt nach Böttgers Erfindung noch seine
Zuflucht nehmen zu einem Surrogat, einem sogenannten ,, entglasten" Glase, einem
Glase, das er künstlich weniger durchscheinend und unvollkommen machte '^^ )
Es war wieder eine Art Frittenporzellan, das aber nicht wie bisher in Frankreich
durch Herstellung eines schlechten Glases, sondern durch Umschmelzung eines
guten gewonnen wurde. Er war die genaue Umkehrung des bisher in Frankreich
auf diesem Gebiete verfolgten Prinzips. Doch irgend eine praktische Bedeutung
hat diese neue und eigenartige Methode Reaumurs dann nicht gewonnen. Sie ist
in keiner Weise weiter ausgenutzt worden und so nur eine interessante Methode
mehr auf diesem Gebiete geblieben.
Am planvollsten und energischsten aber ging in dieser Zeit, um von China
das langgesuchte Geheimnis des Porzellans herauszubekommen, Rußland vor. Hier,
wo es seit Peter dem Großen unter den Herrschern Sitte geworden war, alles zu
tun, um eine einheimische Industrie ins Leben zu rufen, wurden in den Jahren
1743 und 1745 mit jenen Karawanen, die damals auf Kosten der Zaren zur Be-
lebung des Handels nach China geschickt zu werden pflegten, auch einige Leute mit-
gesandt, denen der Auftrag gegeben war, sich auf irgend eine Weise an Ort und
Stelle in den Besitz dieses Geheimnisses zu setzen. Davon kam der erste Ausge-
sandte — freilich scheinbar nur wegen nicht genügender Unterstützung — völlig
resultatlos wieder zurück, dem zweiten dagegen glückte es wirklich, von einem
Werkführer der kaiserlichen Manufaktur gegen eine hohe Summe über das Wesen
des Porzellans Aufklärung zu erhalten. Als er aber zurückgekehrt, sich ans Probieren
machte, scheint er zwar etwas Porzellanartiges zustande gebracht zu haben, aber
doch nichts, was sich als wirklich brauchbar erwies, und so war auch dies Attentat
auf das Geheimnis des chinesischen Porzellans völlig vergeblich gewesen 'i').
Inzwischen jedoch war in Deutschland, dem Lande der Porzellannacherfindung
Böttgers, ein neues keramisches Leben erwacht und eine Begierde, das Porzellan
nachzumachen, wie man es vorher hier noch nicht gekannt hatte. Bald gab es
hier kaum einen Fürsten mehr, der nur ein einigermaßen großes Land regierte,
Neue Gründungen. 269
der nicht seine eigene Porzellanfabrik besitzen, sein eigenes Porzellan fabrizieren
und verschenken wollte. Die Porzellanfabrikation war Mode geworden, ein richtiges
Porzellangründungsfieber durchzog damals dieses Land und griff auch bald ins
Ausland über. Grund hierfür war wohl unter anderem, daß, da die Meißner Manu-
faktur sich bedeutend vergrößert und auch die Wiener sich immer lebhafter ent-
wickelt hatte, es jetzt viel mehr als früher Persönlichkeiten gab, die die Arkana
kannten und darum auch verraten konnten. Dazu kamen für die Meißner Manu-
faktur auch die diese so stark beunruhigenden Kriege Friedrichs des Großen, Und
so beginnt jetzt die Zeit jener fahrenden Adepten und Arkanisten, die wie in den
vergangenen Jahrhunderten die Goldmacher, mit mehr oder weniger Wissen, das
sie fast immer angeblich oder wirklich aus Meißen besaßen, durch die Lande ziehen,
überall ihre Dienste anbieten und die Fürsten, wo sie nur können, dazu ermutigen,
ihre eigenen Porzellanfabriken anzulegen. Gar mancher Schwindler und Nichts-
könner ist unter diesen, der oft ebenso rasch verschwindet, wie er aufgetaucht
war, doch auch mancher, der nur zu viel von diesen Dingen erfahren hatte, und
dessen einzige Aufgabe es dann meist nur noch war, die richtigen Materialien zur
Fabrikation des Porzellans aufzufinden. Zu gleicher Zeit erscheint jetzt im Jahre
1750 auch eine theoretische Schrift, betitelt: „das entdeckte Geheimnis des ächten
Porcellains sowohl des Chinesischen als Sächsischen von einem Besitzer dieses
Geheimnisses" '2°), die sich zwar stark auf die Angaben df Entrecolles stützt, daneben
freilich auch viel Wertvolles neu hinzufügt, hierbei aber freilich noch immer nichts
verkündet von jenem Gegensatz der beiden Hauptbestandteile des Porzellans, den
Böttger seinerzeit so rasch begriffen hatte, und die dadurch noch immer nicht
das ganze Geheimnis dieses Stoffes vor aller Welt enthüllte.
Immerhin aber lagen die Verhältnisse für eine allgemeinere Porzellan-
fabrikation in Deutschland jetzt besonders günstig, und so entstehen denn hier
in rascher Aufeinanderfolge die bekannten Fabriken von Höchst, Fürstenberg,
Berlin, Nymphenburg, Ludwigsburg, Frankenthal, Fulda, Gera, Veilsdorf, Volk-
städt-Rudolstadt, Gotha und viele andere, eine stattliche Anzahl für ein ein-
ziges Land und jene Zeit, in der Luxus und Komfort, zu dem damals doch noch
allein das Porzellan zu rechnen war, noch erst der Besitz einer sehr beschränkten
Gemeinde war, was daher auch nur zu einer gefährlichen Überproduktion führen
konnte. Die Geschichte aller dieser Gründungen ist darum auch fast immer eine
recht traurige. Es fehlt fast immer an Kapital wie nachher an Absatz, und auch
die Leitung läßt meist sehr zu wünschen übrig. Das Ende ist daher meist ein
Ende mit Schrecken, und so macht man hier fast immer noch einmal alle jene
Zustände durch, durch die sich die Meißner Manufaktur in ihrer ersten Periode
unter Böttger hatte hindurchwinden müssen, die aber nun durch ihre fast ausnahms-
lose Wiederholung wie eine verspätete Ehrenrettung jener erscheinen. Dann aber
dringt das Geheimnis auch über die Grenzen ins Ausland hinein. Im Jahre
1756 war durch Mehlhorn dem Sohn eine Porzellanfabrik in Kopenhagen begründet
worden, um 1760 folgte die von Zürich. Dann gelang es nun endhch auch in Frank-
270 Das Böttgersche Erbe.
reich, nachdem Reaumur schon vor so langer Zeit das Prinzip des Porzellans so
richtig aufgedeckt hatte, im Lande selber die Kaolinerde aufzufinden: der Graf
i^on Lauragais erwarb sich das große Verdienst, im Laboratorium mittelst dieser
die ersten Porzellangefäße herzustellen '^i). und bald reihte sich hier, namentlich
nachdem der Graf de Milly im Jahre 1771 seine vor allem in Deutschland über
dies Gebiet gesammelten Erfahrungen in seinem Werke l'Art de la Porcelaine '2^)
veröffentlicht hatte (obwohl auch in diesem das Grundprinzip des Porzellans noch
immer nicht ganz klar entwickelt und auch das Rezept der Porzellanmasse ein
recht kompliziertes war), eine Fabrik an die andere. Esgingen jetzt auch die schon
bestehenden Frittenporzellanfabriken, darunter auch Sevres, nach langjährigen
Versuchen und nicht ohne Beihilfe von Deutschland aus zum Hartporzellan über.
Inzwischen aber hatte auch England, wo man zu Böttgers Lebzeiten aus Verzweif-
lung allen Ernstes einst den seltsamen Vorschlag gemacht hatte, Porzellan mittels
zermalener Scherben von chinesischem Porzellan herzustellen, sich diesen Be-
strebungenangeschlossen, und es war hier nach langjährigen Untersuchungen im Jahre
1768 gleichfalls eine Hartporzellanfabrik ins Leben gerufen worden '^3). Doch hat
sich England dann bekanntlich merkwürdig spröde gegen die Erfindung Böttgers
verhalten und bis auf den heutigen Tag ein von ihm selbst erfundenes Halbporzellan
dem echten Hartporzellan vorgezogen. Dafür aber ward, spätestens im Jahre 1770,
eine Porzellanfabrik in Philadelphia, freilich durch Engländer, angelegt'^*). Die
Böttgersche Erfindung hatte damit nun auch den Ozean überschritten.
Und von nun an kann die Erfindung Böttgers und die Fabrikation seines Porzellans
nicht mehr als ein Geheimnis gelten, vielmehr nur noch als eine Sache der Er-
fahrung und des Besitzes der richtigen Erden, die inzwischen an vielen Stellen
gefunden waren. Sie ist damit Gemeingut der ganzen Menschheit geworden, das
ihr beständig Annehmlichkeiten und Genuß bereitet hat, und ohne das wir Kultur-
menschen heute kaum noch auskommen zu können glauben. Ihr Erzeugnis ist
aber dabei langsam in dem vergangenen Jahrhundert dank einer gesteigerten
Technik und eines rationelleren Großbetriebes aus einem Gegenstand des aus-
gesprochensten Luxus, als welchen es sich im 18. Jahrhundert noch fast ausschließ-
lich bekundet hatte, ein solcher des alltäglichen Bedürfnisses geworden, den besitzen
und benutzen zu können, sich heute kaum noch der Ärmste unter uns wundert,
und nur die Porzellankunst hat unter dieser allgemeinen starken Popularisierung
stark zu leiden gehabt: sie hat die Höhe, die ihr China und Japan früher
immer und dann nach Meißens glänzendem Vorbilde das übrige Europa im
18. Jahrhundert gegeben hat, nicht einzuhalten gewußt und dadurch sich ihrer
großen Vergangenheit nur wenig würdig gezeigt. Entgültig aber war von nun
an die große Rolle ausgespielt, die in den vergangenen Jahrhunderten das
ostasiatische Porzellan gespielt hatte. Aus Gewohnheit, aus Kuriosität und weil
es bilHger ist als das europäische, hat es zwar noch immer und bis in unsere
Zeiten in großen Mengen seinen Weg nach Europa gefunden, obwohl die Export-
ware, die jetzt von diesen Ländern zu uns kommt, es ihrem künstlerischen Werte
Böttgers Endverdienst. 271
nach durchaus nicht mehr verdient. Aber ihre Summe ist nur noch ein ganz
verschwindender Bruchteil neben dem, was Europa jetzt selber produziert und
nun auch seinerseits nach anderen Ländern exportiert. Böttgers Erfindung aber
ist dadurch schließhch der Ausgangspunkt einer glänzenden, nur immer noch
steigenden Industrie geworden, die diesem Weltteil Millionen über Millionen erspart
und andere und wohl noch weit zahlreichere dafür eingebracht hat, ja eine der
ausgedehntesten Industrien überhaupt, die Deutschland besitzt. Böttger aber ist
damit ein Wohltäter unseres Erdteils in seiner Gesamtheit geworden und hat sich
damit den vollen Anspruch erworben, immer unter die verdientesten Männer
unseres Vaterlandes gezählt zu werden. Das möge ihm in Zukunft noch mehr zuteil
werden, als es bisher geschehen ist.
ANMERKUNGEN.
Zimmermann, Meißner Porzellan. 18
^) über das Jahr der Erfindung des chinesischen Porzellans, das in der Regel noch immer
viel zu weit zurückdatiert wird, d. h. mehrere Jahrtausende vor Christi Geburt, und über die
Ursache dieser falschen Datierung vgl. meinen Aufsatz in der Sonntagsbeilage des Dresdner
Anzeigers vom 24. Nov. 1902.
^) Als solches Mittelding zwischen Glas und Keramik ist es damals schon allgemein auf-
gefaßt worden. So wird es z. B. als solches bezeichnet in einem auf dem Kgl. Sächsischen Haupt-
staatsarchiv zu Dresden befindlichen (Loc. 1341) Manuskripte, betitelt: Einige Nachrichten von
Porzellan, desgl. in einem Berichte über die Arkana der Manufaktur, den Meerheim, ein späterer
Mitarbeiter Böttgers, von dem noch weiter unten (vgl. S. 203) die Rede sein wird, aufgezeichnet
hat, der sich jetzt im Besitz der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden befindet.
3) Vgl. G. Vogt, La porcelaine, Paris, S. 138, (bibliotheque de l'enseignement des beaux arts),
der bisher wohl die richtigste Klassifikation des Porzellans und seiner Abarten gegeben hat.
*) Bushell, Oriental Ceramic Art, New York 1891, S. 302. Davillier, Les origines de
la porcelaine en Europe, Paris et London 1882, S. 11.
^) Marco Polos Reisen, übersetzt von August Bürck, Leipzig 1845, S. 499.
«) So z. B. durch Odoardo Barhosa (1516—1519).
') Marco Polo (übersetzt von August Bürck, Leipzig 1845) S, 392. Der Reisende und
Naturforscher Belon hat dann wohl diesen Zusammenhang zwischen Porzellan und Porzellan-
muschel in seinem im Jahre 1553 zu Paris erschienenen Werke: Les observations de plusieurs
singularitez et choses memorables trouvöes en Grece, Asie, Indee etc., Paris 1553, Cap. LXXI,
zuerst behauptet.
*) Gottfried Joh. Merker, Archontologia Cosmica, II. Aufl., 1649, S. 188.
•) Nienhoff. Dennoch finden sich die alten Fabelrezepte von den Muscheln usw. noch
weit bis ins 17. Jahrhundert hinein, z. B. bei Haudicquer de Blancourt, L'art de la Verrerie.
II. Aufl. S. 100. Noch länger erhielt sich allem Anscheine obige Annahme von einer ganz be-
stimmten „Porzellanerde". Noch Justi in seinem Werke : Vollständige Abhandlung von den
Manufakturen, Kopenhagen 1777, also noch 68 Jahre nach der Erfindung des Porzellans durch
Böttger, hält es für nötig, gegen eine derartige Ansicht zu Felde zu ziehen.
^°) Über die italienischen Porzellan versuche dieser Zeit \g\. Davillier, Les origines de la
porcelaine en Europe, Paris et London 1882, und Guasti, Di Caffaggiolo e d'altre fabbriche di
ceramiche in Toscana, Firenze 1902, S. 383 ff.
") Davillier, a. a. O. S. 17.
^*) Brogniart, Traitö des arts c^ramiques ou des poteries, II, S.444, hat ein solches Porzellan
auch porcelaine artificielle wegen seiner künstlichen Erzeugung genannt.
Merkwürdig ist es übrigens, daß der Urheber dieser ersten Erfindung ein Alchimist, kein Töpfer
oder dergleichen gewesen ist, gerade wie nachher der wirkliche Erfinder des Porzellans. Es schien
damit gleichsam schon angedeutet zu werden, aus welchen Kreisen, d. h. nicht aus denen der
Praktiker, sondern aus denen der Theoretiker, der Gelehrten heraus diese schwierige Erfindung
gelingen sollte.
") Zugunsten dieser Ansicht spricht stark, daß die erhaltenen Porzellannachahmungen
dieser Zeit, die sogenannten Mediceerporzellane, vielfach nicht, wie man erwarten sollte, chine-
18*
276 Anmerkungen,
sische, sondern jene persische Ornamentik zeigen, mit denen damals die Chinesen ihre Export-
porzellane nach Persien dekorierten, um sie dem Geschmacke der Bewohner dieses Landes anzu-
passen. Wahrscheinlich führte man damals zunächst diejenigen Porzellane nach Europa ein,
die man an den Küstenplätzen, für den Export nach Persien bestimmt, aufgestapelt fand. Noch
fast das ganze 17, Jahrhundert hindurch ist der größte Teil alles chinesischen Porzellans, das
nach Europa gelangte, auch desjenigen, welches das Aufblühen der Delfter Fayence verursachte,
persisches Exportporzellan gewesen.
^*) Davillier, a. a. O. S. 25 und 30. Wenn schon vor dieser Zeit, d. h. im Jahre 1504, in
Venedig Schalen aus porcellana contrafacta erwähnt werden (vgl. Davillier, a. a. O, S. 30), so
braucht man bei diesen doch wohl kaum wieder an eine „Porzellanerfindung" zu denken. Der
Ausdruck contrafacta klingt zu bescheiden, als daß man, wo man sonst in dieser Beziehung in
der Wahl seiner Ausdrücke nicht so zurückhaltend war, schon an eine auch nur vermeintliche
Porzellanerfindung denken könnte. Immerhin beweist die Erwähnung auch dieser Schalen
wieder, wie sehr gerade in Venedig damals das Porzellan die Aufmerksamkeit der Menschen
auf sich zog und dort seine Nachbildung herbeiwünschen ließ.
") Davillier, a. a. O. S. 30.
") Davillier, a. a. O. S. 58.
") Davillier, a. a. O. S. 35. Ritrovatore moderno della porcellana wird er in einemBriefe
aus dem Jahre 1567 anläßlich seines unglücklichen Todes infolge einer Explosion genannt.
") Vgl. Guasti, a. a. O. S. 383 ff.; Davillier, a. a. O. S. 39 ff.
^^) Über den oder die Urheber dieser „Porzellanerfindung" herrscht indessen keine volle
Klarheit, da die Nachrichten hierüber sich widersprechen.
"*') Daneben hat sich noch ein anderes Porzellanrezept dieser Zeit — nämlich aus dem
Jahre 1583 — erhalten, das Davillier (a. a. O. S. 37) — ich weiß nicht, aus welchem Grunde • —
für das des Porzellans von Ferrara erklärt. Aus diesem Rezept erkennt man so recht noch
einmal die ganze Selbsttäuschung dieser Zeit hinsichtlich ihrer „Porzellanerflndungen".
Darnach soll die Porzellanmasse gefunden werden durch Zusammenmischung der Erde, die
man zur Herstellung der Majohka verwandte, mit der gleichfalls für dieselbe benutzten
Glasur. Dies Gemenge soll man dann ebenso brennen wie die Majolika. Leichter und be-
quemer konnte man sich allerdings den Übergang von der Majolika zum Porzellan wohl kaum
denken.
^^) Davillier, a. a. O. S. 54 und 61, woselbst das zuerst von Boni in seinem großen Werke
II Milione di Marco Polo, Florence 1827, S. CXLIV veröfTenthchte, von ihm auf der Magha-
becchiana in Florenz aufgefundene Rezept des Mediceerporzellans sich abgedruckt findet. Worauf
freihch die Angabe fußt, daß die in diesem Rezepte genannte „weiße Erde von Vicenza" schon
Kaolin war, vermag ich nicht zu sagen und erscheint mir auch eher eine bloße Vermutung als eine
wirkliche Tatsache zu sein.
^*) Ausführliche Liste derselben bei Davillier, a. a. O. S. 89, die sich wohl inzwischen noch
um einige Stücke vermehrt hat, z. B. um eine vom Verfasser bestimmte Platte im Museum zu
Reichenberg (vgl. Mitteilungen des nordböhmischen Gewerbemuseums, Reichenberg 1903, S. 40).
23) Davillier, a. a. O. S. 82 ff.
"*) Es handelt sich hier um eine ganz kürzlich für die Kgl. Porzellansammlung zu Dresden
'jrworbene Tasse aus gelblicher, durchscheinender Masse mit Landschaften im Stil der Majoliken
von CasteUi, die aber allem Anscheine nach nicht gedreht, sondern geblasen ist. Die spe-
zifische Glastechnik weist diese Tasse stark nach Venedig, die Landschaft jedoch mehr nach
CasteUi. Technisch verwandte Stücke finden sich auch in der Tat im Museo Correr in Venedig.
2^) Es dürfte hierbei ziemlich belanglos sein, daß noch einmal von Deutschland aus in
dieser Zeit berichtet wird, daß in Mailand ein Geistlicher leben sollte, welcher Porzellangeschirre
machen könne. Vgl. Becher, Närrische Weisheit und weise Narrheit, 1707, S. 51. Ein GeistUcher,
der Töpfe macht, wirkt an sich schon etwas seltsam l
Anmerkungen. 277
••) Das erste Kaffeehaus in Europa ward 1645 zu Venedig gegründet, das erste in London
1652, das erste in Deutschland 1679 zu Hamburg. Über das damalige Leben und Treiben in den
Kaffeehäusern vgl. Hettner, Literatur Englands, S. 204.
*') Chavagnac et Grollier, Historie des manufactures fran^aises de porcelaine, Paris
1906, S. 4. Jacquemart, Historie de la porcelaine, Paris 1862, S. 458.
*^) Chavagnac et Grollier, a. a. O. S. 1.
*») Daß auch in Paris allem Anscheine nach damals in „Porzellan" gearbeitet wurde, geht
aus einer erhaltenen Rechnung des Jahres 1682 hervor, nach der terre de porcelaine von Havre
nach Rouen und von dort nach Paris gesandt wurde (s. Vogt, La porcelaine, Paris, S. 34).
Doch kann hier nach damahgem Sprachgebrauch unter Porzellan (vgl. oben) durchaus auch
Fayence gemeint sein.
'") Merkwürdig ist dabei freilich, wie vorurteilslos man Erzeugnissen gegenüberstand,
wenn sie nicht im eigenen Lande, sondern in weiter Ferne gemacht worden waren. Wir finden
z. B., daß damals das sogenannte ,, persische Porzellan", ein Frittenporzellan von ganz besonderem
Charakter, auch als etwas ganz Besonderes erkannt wurde. So bezeichnet z. B. der Engländer
Lister, der um diese Zeit, d. h. 1698, die Manufaktur zu St. Cloud besuchte, dies Porzellan, das
damals bisweilen mit dem ostasiatischen Porzellan nach Europa kam, im ausdrücklichen Gegen-
satz zu dem von St. Cloud qu'une sorte de matiöre vitreuse (Chavagnac et Grollier, a. a. O. S. 12).
Später, im 18. Jahrhundert, hat Justi in seinem Werke „Vollständige Abhandlung von den Manu-
fakturen", Kopenhagen 1777, S. 413, es gleichfalls in den Gegensatz zum echten Porzellan ge-
stellt und auf seine Minderwertigkeit hmgewiesen.
'^) Chavagnac et Grollier, a. a. O. S. 9 ff.
**) Chavagnac et Grollier, a. a. O. S. 11.
^^) Auch wird im Jahre 1614 {ygl.Demin, Guide de l'amateur de faiences et porcelaines,
nouvelle Edition, Paris 1863, S. 455) ein Brevet d'invention de cinq ans erwähnt, pour tous Pays-
Bas, accordö ä Claes-Jansz Wytmans nativ de Bois le Duc pour la fabrication de toutes sortes
de porcelaines, pareilles en matiöre et en decors que Celles des pays etrangers. Doch läßt gerade
der Ausdruck de toutes sortes de porcelaines wohl mit Sicherheit darauf schheßen, daß es sich
hier in der Hauptsache nur um die Herstellung von Fayencen gehandelt hat.
»*) Vgl. über diese Erzeugnisse Oud Holland 1901, S. 99: Ä. H. van der Burgh, Delfsche
roode Theepotten.
ä") Dillon, La porcelaine, London 1904, S. 241.
2*) Hohson, Catalogue of the Collection of English Pottery in the British Museum, Lon-
don 1903, S. 159.
'') Burton, A history and description of English earthenware and stoneware, London
1904, S. 42. Solon, The Art of the Old EngUsh Potter, S. 17, und Hobson, a. a. O. S. 159.
'*) So berichtet Becher in seiner bisher nur wenig beachteten Närrischen Weisheit und weiser
Narrheit, 1707, S. 51. Übrigens darf nicht unerwähnt bleiben, daß damals noch von einer anderen
Seite keramische Versuche gemacht sind, die wohl gleichfalls auf die Erfindung des Porzellans
ausgingen: es sind die am Ende des 17. Jahrhunderts von einem gewissen Place vorgenommenen,
in jedem englischen keramischen Handbuch erwähnten (vgl. z. B. Jewitt, The ceramic Art of Great
Britain, London 1878, I, S. 460; Hobson, a.a.O. S. 160; Church, English Earthenware, S. 46;
Dillon, a. a. O. S. 242 usw.). Überall werden jedoch die Resultate dieser Versuche, von denen
sich angebhch noch ein Beispiel, ein Becher, im Victoria and Albert Museum zu London erhalten
hat, mehr als Steinzeug denn als eine Art Porzellan aufgefaßt. Doch hat mir Mr. B. Backham,
Assistent am obigen Museum, folgende genauere Beschreibung über jenen Becher freundlichst
übermittelt: The cup is of a hard greyish white body with oblique streaks of darken grey and
is slightly where the wall are thin; it is covered with a thin hard glaze (vgl. auch Dillon, a. a. O.
S. 242). Danach hat es sich hier doch wohl um eine Porzellannachahmung gehandelt. Auf-
fallend ist übrigens, daß der Becher in der Form merkwürdig mit einigen recht primitiven Bechern
278 Anmerkungen.
der Kgl. Porzellansammlung übereinstimmt, die aber nach einer von Herrn Oberbergrat i^emfze
in Meißen angestellten chemischen Untersuchung durchaus schon feldspathaltiges, also sogar
nach Böttger (vgl. Kapitel II, IV und V) entstandenes Porzellan darstellen, deren Ursprung aber
bisher ein völUges Rätsel ist. Doch muß diese Übereinstimmung noch erst weiter geprüft werden,
bevor daraus Schlüsse gezogen werden dürfen.
3») Krünitz, Enzyklopädie, Bd. 115, S. 589.
«») Becher, a. a. O. S. 51.
*i) Vgl. hierüber Jacguemart, Histoire artistique, industrielle et commerciale de la por-
celaine, S. 456. Über französische Erzeugnisse dieser Art (porcelaine de verre genannt) : Cha-
vagnac et Grollier, a. a. O. S. 35ff.
*^) Über Tschirnhausens damahge Porzellanversuche vgl. meinen Aufsatz: „Wer war der
Erfinder des Meißner Porzellans?" im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertums-
kunde, XXVIII. Bd., S. 17, woselbst alles zusammengestellt ist, was sich bisher über diese Por-
zellanversuche Tschirnhausens hat feststellen lassen, und eine kritische Prüfung dieser Angaben
versucht worden ist.
") Vgl. den Brief von Leibniz an Tschirnhausen vom 20. Oktober 1694 in Gerhard, Leib-
nizens mathematische Schriften, Bd. IV, S. 527. Freihch kann dies Porzellan wiederum kein
echtes gewesen sein, da ein solches nach dem Urteil von Fachmännern auf diese Weise nicht
schmelzbar ist.
**) Erhalten haben sich „Porzellane", die man mit voller Sicherheit Tschirnhausen noch
heute zuschreiben kann, bis auf den heutigen Tag nicht. Der Tradition nach sollen mehrere eigen-
artig geformte, sehr primitiv hergestellte und schlecht geglückte Henkelkrüge der Dresdner
Porzellansammlung Arbeiten dieses Mannes sein, und ich habe dies auch noch in meinem, in An-
merkung 42 genannten Aufsatze: „Wer war der Erfinder des Meißner Porzellans?" für möglich
erklärt. Doch war immer schon etwas verdächtig, daß in dem ältesten, schon im Jahre 1721,
also nur 14 Jahre nach Tschirnhausens Tode, angefertigten Inventare dieser Sammlung sich diese
Krüge nicht als Arbeiten dieses Mannes, ja zum Teil sogar als chinesische Arbeiten angeführt fanden
und mehrere derselben noch im Jahre 1727 sich noch gar nicht damals in der Porzellansammlung
befanden, daß es verwandte Becher auch in anderen Museen, z. B. im British Museum und
Victoria and Albert Museum in London, ferner in dem zu Kassel gab, hier sogar mit Farben
bemalt, die stark nach Frankreich, ja sogar ziemhch deutUch nach der erst 17 Jahre nach Tschirn-
hausens Tode gegründeten Fabrik von Chantilly hinwiesen. Demgegenüber mochte eine Tradition,
die, soweit sie sich heute noch nachweisen läßt, nicht über 100 Jahre hinausgeht, nicht allzuviel be-
deuten. Inzwischen jedoch hat Herr Oberbergrat Heintze in Meißen die Liebenswürdigkeit gehabt,
ein Stück dieser Art chemisch zu untersuchen, und es hat sich hierbei als ein feldspathaltiges,
echtes Kaolinporzellan herausgestellt. Damit ist aber der Tschirnhausensche Ursprung dieser
Stücke dauernd abgetan, da es, selbst wenn man entgegen unserer obigen Behauptung auch
das Tschirnhausensche Porzellan schon für echtes, kaohnhaltiges annimmt, doch noch nicht
Feldspat enthalten konnte, da selbst Böttger (vgl. oben Kapitel II, V und VI) diesen bei seinem
Porzellan noch nicht verwandt hat. Als TscÄirnÄausensche Arbeit kann aber unzweifelhaft wohl eine
kleine Dose betrachtet werden, die vor einiger Zeit im Kunsthandel aufgetaucht ist. Sie war sehr
primitiv und ungeschickt aus einer durchscheinenden, aber fleckigen Masse hergestellt, besaß keine
Glasur, hatte aber gerade wie später das Steinzeug Böttgers ihren Glanz durch Schliff erhalten. Auf
dem Deckel war ziemlich ungeschickt die Krönung König August des Starken (in der damals
beliebten Symbolisierung als sächsischen Herkules) zum König von Polen dargestellt. Auf Tschirn-
hausen deutete hierbei unzweifelhaft hin die Verwendung des Schhffs statt der Glasur, da er ja,
wie oben berichtet, nicht mit der Glasur an seinem Porzellan zustande gekommen sein soll, dann
für ihn aber, der für alle möghchen anderen Dinge schon immer die Schleiftechnik verwendet
hatte, die Anwendung dieser auf das Porzellan näher lag, als für irgend einen anderen. Dazu
aber kommt, daß gerade in den Jahren, da Tschirnhausen seine Porzellan versuche gemacht
Anmerkungen. 279
haben soll, d. h. im Jahre 1699, der König wirklich zum König von Polen gekrönt worden ist.
Es lag daher wohl nahe genug, daß Tschirnhausen zur Empfehlung seines neuen Erzeugnisses
auf demselben auch eine kleine höfische Schmeichelei anbrachte, die schon wenige Jahre später,
da der König Polen wieder verlor, in keiner Weise mehr angebracht gewesen wäre. Das Stück
kann demnach nur in dieser Zeit hergestellt sein. Leider ist das Stück von keinem deutschen
Museum trotz meines eifrigen Verwendens angekauft worden, sondern in die Sammlung
Embden in Hamburg gelangt.
**) Wir bringen hier dies bekannte Medaillonbild des Erfinders, obgleich wir keineswegs
davon überzeugt sind, daß es sich um ein authentisches Bild dieses Mannes aus seinen Leb-
zeiten handelt. Zunächst fällt die Aufschrift „le baron de Boettger" auf, da Böttger niemals
Baron war. Wenn ihn seine Umgebung und namentUch seine Untergebenen auch oft genug so
anzureden pflegten, so berechtigte ihn das doch nicht, sich selber diesen Titel zu geben. Er hat
dies auch nie auf Briefen, Akten u. dgl. getan. Wenn dieses Medaillon aber aus seinen Lebzeiten
stammt, dann mußte er doch wohl zu demselben und zu seiner Umschrift die Erlaubnis gegeben
haben. Dann aber erscheinen die Züge des Kopfes doch auch etwas gar zu alt für einen Menschen,
der nicht über das 37. Lebensjahr hinausgekommen ist und vor allem auch viel zu robust und
gesund in Anbetracht dessen, daß er (vgl. Kapitel V) in seinen letzten Jahren sehr leidend war.
Meiner Ansicht nach handelt es sich hier im günstigsten Fall um ein Porträt Böttgers,
das erst nach seinem Tode — vielleicht aus der Erinnerung — gemacht worden ist. Leider ist
dies in mehreren Exemplaren erhaltene Medaillon überhaupt das einzige Bildnis, das wir
mit ihm überhaupt in Verbindung bringen können.
*') Über das Jahr der Erfindung des Porzellans vgl. weiter unten Seite 51 u. 56.
") An sehr vielen Stellen findet sich die seltsame Angabe abgedruckt, daß Böttger vor
allem sein Porzellan so gut wie zufälhg dadurch erfunden hätte, daß ihm das KaoUn mittels
eines gewissen Puders in die Hände gefallen wäre, mit dem er seine eigene Perücken zu pudern
pflegte. Diese Darstellung geht wohl zurück auf die Angabe Engelhardts (a. a. O. S. 416), nach
der die erst mehrere Jahre nach der Erfindung des Porzellans zu seiner Herstellung in erster Linie
verwandte sogenannte SchnorrsohQ Erde auf oben bezeichnete Weise von Böttger zuerst gefunden
sein soll, eine Angabe, die freilich wie so vieles bei Engelhardt, namentlich wie sie dort im ein-
zelnen erzählt worden ist, arg romanhaft klingt.
**) Nach Engelhardt, J. F. Böttger, Erfinder des sächsischen Porzellans, Leipzig 1837,
soll dieser ihm sogar alchimistische Rezepte hinterlassen haben.
*') Wagner, Geschichte der Chemie, Leipzig 1854, S. 12.
*") Wagner, a. a. O. S. 7. — Schmieder, Geschichte der Alchimie, 1832, S. 7. — E. v. Meyer,
Geschichte der Chemie, 3. Aufl. 1905, S. 63.
") Wagner, a. a. O. S. 35 ff.
") Meyer, a. a. O. S. 53.
*^) So z. B. Schmieder, der Verfasser der Anm. 50 genannten, erst im Jahre 1832 erschienenen
Geschichte der Alchimie, die tatsächUch nichts anderes darstellt, als eine lebhafte Verteidigung
dieser und aller ihrer Bestrebungen.
") Meyer, a. a. O. S. 35.
") Wagner, a. a. O. S. 28; Meyer, a. a. O. S. 61.
") Über den exakten, wissenschaftUchen Weg vgl. die folgende Darstellung seiner alchi-
mistischen Bestrebungen in Dresden. Der mystische geht aus den vielen Äußerungen Böttgers
selber über seine Kunst hervor, über die Engelhardt a. a. O. an vielen Stellen berichtet. Freilich
scheint diese Mystik nur zu oft als Deckmantel für seine Nichtkönnen auf diesem Gebiete gedient
zu haben, wozu ihn die ganze Situation, in der er sich befand, nur zu oft gezwungen haben muß.
") Schmieder, a. a. O. S. 471.
") Schmieder, a. a. O. S. 601.
") Nach Böttgers eigener Angabe Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv, Loc. 7416, D. Fol. 21.
280 Anmerkungen.
«») Vgl. Engelhardt, a. a. O. S. 11.
«1) Vgl. Engelhardt, a. a. O. S. 191.
•2) In der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden. Vgl. hierüber meinen Aufsatz „Der Gold-
und Silberklumpen in der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden" in der Sonntagsbeilage des
Dresdner Anzeigers vom 6. September 1903.
•*) Der Beweis hierfür wird sich aus der folgenden Darstellung ergeben.
**) Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, daß in vorliegendem Werke nicht ein volles
abgerundetes Bild von Böttgers Charakter und seiner ganzen Tätigkeit gegeben werden soll, daß
dies vielmehr für eine besondere Biographie dieses Mannes aufgespart worden ist.
*ä) Es ist dies durch Steinbrück, den späteren Inspektor der Meißner Manufaktur und
Schwager Böttgers, in jenem in dem Vorworte erwähnten (vgl. S. XI), in der Kgl. Porzellan-
sammlung zu Dresden aufgefundenen Berichte über Böttgers ganze industrielle Tätigkeit bis
zum Jahre 1717 geschehen.
**) So hat Btötger von seinem Verhältnis zu Tschirnhausen abgesehen, auch mit J. Kunckel,
dem berühmten Chemiker, in Verbindung gestanden. Briefe Kunckels an Böttger haben sich auf
dem Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv noch heute erhalten (vgl. hierüber auch Anmerkung 86).
«') Dr. Nehmitz hat freihch später Böttger wieder verlassen, wie es scheint, weil dieser ihn
njcht leiden konnte. Er zog nach Hamburg, ward aber im Jahr 1709 von seinem Bruder, dem
Kammerrat, der einer der Beaufsichtiger Böttgers war, wieder nach Dresden berufen, um sich
an den keramischen Arbeiten Böttgers zu beteiligen. Vgl. in Beilage VI den unter den Akten
der Kgl. Porzellanmanufaktur in Meißen enthaltenen Personalbericht Steinbrücks vom 5. Juni
1719 über den damaligen Personalbestand der Fabrik.
«*) Steinbrück, Bericht in der Kgl. Porzellansammlung S. 47.
«') So wenigstens Engelhardt, a. a. O. S. 114.
'") Weißenborn, Lebensbeschreibung des Ehrenfried Walther v. Tschirnhausen, Eisenach
1866, S. 51.
'^) Steinbrück, Bericht in der Kgl. Porzellansammlung, S. 19.
''*) In dem S. IV des Vorworts erwähnten so wichtigen Meißner Manuskript wird freilich
die ganze Tätigkeit dieser beiden Männer als eine durchaus gemeinschaftliche dargestellt.
Vgl. über diese Frage meinen Aufsatz: „Wer war der Erfinder des Meißner Porzellans ?" im Neuen
Archiv für sächsische Geschichte, Bd. XXVII, Seite 63.
") Fast ausschließlich durch jenes im Vorwort erwähnte, von Herrn Oberbergrat
Heintze in der Kgl, Porzellanmanufaktur zu Meißen aufgefundene, hier in Beilage I ab-
gedruckte und als „Meißner Manuskript" weiter zitierte Manuskript, über das er selber berichtet
hat in „Beitrag zur Geschichte der europäischen Porzellanfabrikation", Zeitschrift für Architektur-
und Ingenieurwesen, 1898, S. 387 ff. Die Auffindung dieses Manuskripts ist von ganz un-
schätzbarem Werte gewesen für die Klarstellung der ganzen Bestrebungen Böttgers und
seines wirklichen Könnens und kann zugleich als Grundlage zur Ehrenrettung dieses Mannes
dienen.
'*) Acta eruditorum, 1691, S. 501, und 1697, S. 414, auch Weißenborn, a. a. O. S. 189-
") Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung, S. 47.
'*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung, S. 48.
'') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung, S. 48.
") Meyer, a. a. 0. S. 34.
") So wenigstens berichtet Engelhardt a. a. O. S. 249.
*°) Die erste urkundliche Nachricht, die wir heute noch von der damaligen Absicht, Manu-
fakturen zu gründen, besitzen, ist vom 20. November 1707 datiert. Es ist jenes schon von Engel-
hardt (a. a. O. S. 255) abgedruckte, hier als Beilage II gegebene Kgl. Dekret „wegen der zu seiner
freien Disposition bei Einrichtung verschiedener Manufakturen demselben (d. i. Böttger) assi-
gnierten Geldern". Über die wirkliche Bedeutung dieses Dekrets vgl. meinen Aufsatz: „In
Anmerkungen. 281
welchem Jahre wurde das Meißner Porzellan erfunden?" im Neuen Archiv für sächsische Ge-
schichte und Altertumskunde, Bd. XXVII, S. 63 ff.
*^) Nach Engelhardt (a. a. O. S. 253) soll Tschirnhausen in einem vom 6. Oktober 1707
datierten Briefe zuerst Böttger auf die Idee gebracht haben, den „Holländischen Delfter" nach-
zumachen, eine Idee, die Böttger dann in der Tat durch die im Jahre 1708 erfolgte Begründung
der Steinbäckerei (siehe S. 33) auch ausgeführt hat. Auch Ruehlener, der holländische
Töpfer, dem Böttger dann diese Fabrik anvertraut hat, hat später Andeutungen gemacht, daß
Tschirnhausen Böttger zur Anlegung dieser „Steinbäckerei" veranlaßt hätte. Übrigens ist es
durchaus nicht ganz unmöglich, daß Böttger die Idee Tschirnhausens, seine industriellen Be-
strebungen zu erneuern, aufgegriffen hat, als er noch auf dem Königstein saß — was er sehr
ungern tat — als Mittel, um von dort wieder fortzukommen. Engelhardt nimmt dies als ziemlich
sicher an. Auch finden sich auf dem Kgl. Sachs. Staatsarchiv mehrere Dokumente, die dieser
Annahme eine gewisse Berechtigung, wenn auch keinen vollen Beweis zu geben scheinen. Nötig
war jedoch wohl ein solches Mittel für ihn damals nicht, um von Königstein wieder herabzu-
kommen; denn Böttger sollte natürlich dort oben, wo er doch nicht recht arbeiten konnte, nur
so lange sitzen, als der Krieg dauerte und die Gefahr bestand, daß er entführt werden konnte.
") Siehe S. 30.
**) Daß die Fliesenfabrik die erste Manufaktur gewesen ist, die durch Böttger errichtet
ward, geht aus dem Anm. 65 erwähnten Berichte Steinbruchs (S. 47 und 48) unwieder-
legüch hervor. Dagegen hat sie das in Anmerkung 73 erwähnte „Meißner Manuskript", das
den ganzen Gang der Erfindung des roten Steinzeugs und des Porzellans so folgerichtig schildert,
gar nicht erwähnt. Doch gab es hierzu, da die Begründung der Fliesenfabrik mit diesen nur in
ganz losem Zusammenhange gestanden hat, auch keine zwingende Veranlassung. Dagegen
scheint es gänzlich irrig zu sein, anzunehmen, wie es vielfach geschehen, daß die Leiden-
schaft des Königs, die ihren deutlichsten Ausdruck in dem Zusammenbringen jener ge-
waltigen, ursprünglich für die Ausschmückung des japanischen Palais bestimmten, heute den
Hauptbestandteil der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden ausm£,chenden Porzellanmassen
fand, Ursache gewesen sei, daß gerade in Sachsen damals versucht ward, dsis Porzellan zu er-
finden, und daß es hier schließlich erfunden ward, in der besonderen Absicht, die großen Summen,
die auf diese Weise ins Ausland gingen, dem Lande zu erhalten. Es hat sich trotz eifrigen Suchens
wenigstens bis jetzt nicht das geringste Zeugnis dafür gefunden, daß jene Leidenschaft des Königs
für das Porzellan damals, als man das Porzellan erfand, schon wirklich da war, vielmehr hat sich
für mich als erstes Jahr, in dem sich eine innigere Berührung des Königs mit dem Porzellan wirk-
lich nachweisen läßt, bis jetzt das Jahr 1716 ergeben, in welchem Jahre nämlich er das damals
dem Feldmarschall Flemming gehörige, dann später zum „Japanischen Palais" gewordene Palais
zu Dresden-Neiistadt abkaufte, das schon sehr reich mit Porzellan ausgestattet war. Erst seit
dieser Zeit lassen sich große Ankäufe in Porzellan von selten des Königs nachweisen.
**) Übrigens ist es möglich, daß die Begründung dieser Fayencefabrik mit einer besonderen
Neigung des Königs zusammenhängt, wenn es nämlich wahr ist, was Engelhardt (a. a. O. S. 254)
berichtet, daß der König die Absicht hatte, den Schloßturm in Dresden von oben bis unten mit
Fliesen belegen zu lassen.
**) Dies scheint daraus hervorzugehen, daß Böttger mehreres versucht hat, für das in diesem
Werke sich Rezepte vorfinden. So das rote Steinzeug (vgl. oben S. 45) sowie auch die Herstellung
eines Liquor zur Konservierung von Leichen u. dgl. Damit soll indessen in keiner Weise an-
gedeutet werden, daß Böttger vieles diesem Buche einfach entnommen hat und dann für eigene
Erfindungen ausgab. Denn einfache Rezepte genügen noch lange nicht, etwas in der Praxis
brauchbar erstehen zu lassen. Theorie und Praxis ist nie dasselbe gewesen. Sonst würde ja jeder,
der jene gelesen. Gleiches wie Böttger haben machen können, was ja aber bekanntlich nicht ge-
schehen ist.
282 Anmerkungen.
**) Böttger hat dies selber bei seiner Festnahme in Wittenberg berichtet (Kgl Sachs. Haupt-
staatsarchiv, Loc. 7416, D. Fol. 21). Kunckel soll darnach oft in sein Laboratorium in BerUn ge-
kommen sein. Auch haben sich Briefe von ihm an Böttger im Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv zu
Dresden erhalten (vgl. auch Anm. 66).
®') Über das in dieser Zeit und schon früher hochangesehene Geschirr, das in Waidenburg
gemacht wurde, vgl. Kurzvcelly, Dorfkirche und Bauernhaus im Königreich Sachsen, Dresden
1900, S. 111. Der Töpferbetrieb in Colditz geht aus dem S. 35 erwähnten Reiseberichte Dr. Bartel-
meis im Kgl. Sachs. Hauptsaatsarchiv hervor.
88) Vgl. Beilage Nr. IV.
89) Die wichtigste Quelle für diese Steinbäckerei, die später zur Stein- und Rundbäckerei
erweitert, noch später vorübergehend in zwei getrennte Betriebe geteilt wurde, ist wieder Stein-
bruchs Bericht in der Kgl. Porzellansammlung, S. 47 ff.
90) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv, Loc. 1339, Fol. 44.
*^) Von den Berichten der Reisen, die Bartelmei damals im Interesse der neuen Manufakturen
unternahm, haben sich ungemein interessante Aufzeichnungen im Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
zu Dresden erhalten (Loc. 1340, IV, Fol. 199), die ein interessantes Bild von den keramischen
Zuständen des nordwesthchen Deutschlands am Beginn des 18. Jahrhunderts geben. Ich gedenke
auf diese an anderer Stelle zurückzukommen.
9^) Vgl. Stieda, Deutsche Fayencefabriken des 18. Jahrhunderts; b. Berlin (Keramische
Monatshefte, III, S. 90).
9') Vgl. über die Fayencefabrik in Braunschweig Scherer, Die Fayencefabrik in Braun-
schweig (Braunschweigisches Magazin, 1896, Nr. 6, Beilage Nr. 75 der Braunschweigischen
Anzeigen).
**) Merkwürdigerweise ist in dem Bericht Bartelmeis, auf dem obige Darstellung fußt,
der Name des Orts, zu dem Dr. Bartelmei von Lüneburg aus zog, — anscheinend durch ein Ver-
sehen — nicht genannt worden. Er lag aber zwischen Lüneburg und Lübeck, von jeder Stadt
etwa eine Tagereise entfernt, und war eine große Stadt. Dies kann aber nur Hamburg gewesen
sein, was auch dadurch bewiesen wird, daß Dr. Bartelmei hier, als er ankommt, sofort
Dr. Nehmitz aufsucht, der früher einer der Beaufsichtiger Böttgers, dann, angeblich weil Böttger
ihn nicht leiden konnte, nach Hamburg übergesiedelt war und hier als Arzt praktizierte (vgl.
Anm. 67).
9^) Steinbrück in einem auf der Kgl. Porzellanmanufaktur zu Meißen aufbewahrten, für
die ersten Jahre dieser Darstellung sehr wichtigen Schriftstück, betitelt: Geschieh ts- Kalender
deren Königl. Poln. und Kurfürst!. Sachs, neuen Manufakturen, kürzlich enthaltend, was von
März 1709 bis wieder in den März 1712 bei denselben passieret und zu des Schreibers Wissen-
schaft kommen nebst einer zweifachen Recapitulation nach einem Repertorio. Daselbst sub
11. Juni 1710 angeführt. Damals freilich hatte die Administration bereits der damalige
Sekretär und spätere Kommerzienrat Chr. Matthis.
96) "Wir -wissen nur aus Steinbruchs Bericht in der Porzellansammlung, S. 48, daß die Ver-
suche, Porzellan herzustellen, erst im Jahre 1708 von Böttger unternommen wurden; denn Stein-
bruch, der die ersten Porzellanversuche Tschirnhausens ins Jahr 1699 setzt, sagt ausdrücklich,
daß Böttger neun Jahre später damit angefangen habe als jener, d. h. also im Jahre 1708. Damit
stimmt völlig überein, daß wir auch erst aus diesem Jahre in den übrigen Quellen dieser Zeit
die ersten Nachrichten über ein derartiges Unternehmen finden, wie oben gezeigt werden wird.
*') Vgl. hierüber meinen Aufsatz im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Alter-
tumskunde, Bd. XXVII S. 60: „In welchem Jahre wurde das Meißner Porzellan erfunden?"
*8) Diese Rezepte befinden sich in größerer Anzahl auf dem Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv.
Sie hegen dort (Loc. 1340, II) in einem Umschlag mit der Aufschrift: „Aus Baron von Schenks
Papieren." Dieser Baron v. Schenk war einer der wenigen, die nach Engelhardt (a. a. O. S. 113)
vaii Böttger damals umgehen durften. Daß sie, wenigstens zum größten Teil, von ^ötfger herrühren.
Anmerkungen. 283
darüber kann kein Zweifel bestehen. Wie das oben bezeichnete laut Aufschrift in Meißen (wo
Böttger sich damals als Gefangener befand) niedergeschrieben ist, so führen andere geradezu
seine Namensunterschrift. Einige jedoch scheinen, da sie als von Tschirnhausen herstammend
bezeichnet werden, Tschirnhausensche Angaben zu enthalten. Übrigens entstammen nicht alle
diese Rezepte dieser Zeit, einige auch einer späteren. So findet sich auf einem die Jahres-
zahl 1713.
*») Archontologia Cosmica sive imperiorum regnorum principatum usw. Commentarii lucu-
lentissimi Joh. Ludwig Gotofredi. II. Ausgabe. Frankfurt. Sumptibus Mathaei Meriani 1649.
looj Wörtlich heißt die Stelle: B a r c e 1 i n, Vid. Archontologiam Cosmicam Gothofredi,
neml. aus dem subtilsten, rein geschlemmten Thone, Muscheln oder Auster- Schalen und ge-
brannten Knochen. NB. Es ist erzsonderlich, daß da der Thon sonst nicht im A (alchimistisches
Zeichen für „Feuer") fließt, so bald man nur den 1000. Theil gebrannter Knochen darunter thut
es gleich fließt, wie Wax. NB. Warum sollte man nun nicht in corpore humano erhärtete und
zehe Sachen solviren, flüssig machen und so dann evacuiren können. — Letzterer Zusatz ist ein
neuer Beweis, wie stark damals mit der Chemie resp. der Alchimie die Arzneikunde zusammen-
hing, gleichfalls aber auch eine interessante Probe von der Beweglichkeit und der Kombinations-
fähigkeit des Böttgerschen Geistes.
"^) Die Stelle lautet in der Archontologia Cosmica IL Auflage S. 188: Alibi sunt officinae
figulorum in quibus vasa porcellana prostant, quae quamvis varii coloris et pulchritudinis ex-
quisitae sint mediocri tarnen veneunt precio, ut visa quinquaginta vasa vendi quatuor nummis
regalibus. Fiunt autem figulina illa opera sive vasa hoc modo: cochleas quasdam marinas
ovorum testis miscent, aliaque quaedam addentes subigunt et massam conficiunt. Hanc sub
terra condunt, ibique eam macerari ad octuagesimum vel centesimum usque anum sinunt, haeredi-
busque suis thesauri loco relinquunt: et haec quidem est sententia Eduardi Barbosae: cui alii
accedere se posse negant usw. Wichtig ist auch, daß an anderer Stelle (S. 192) betont wird, daß
das Porzellan nicht vitrea, nicht glasartig wäre.
^"2) Dieses Rezept steht zwar auf einem anderen Blatt, dasselbe liegt aber in dem Bogen,
auf dem das zuerst genannte Rezept zwischen vielen anderen steht, gehört also allem Anschein
nach zu diesem.
103) Im Meißner Manuskript wird ausdrücklich erwähnt, daß man die „weißen Erden"
damals untersucht hätte, um Porzellan zu gewinnen.
i*"*) Doch darf man aus dieser Erwähnung von Kreide durchaus nicht schließen, daß damals
das Porzellan bereits erfunden war oder das Prinzip desselben feststand. Kreide hatte immer schon
in den Porzellanrezepten eine gewisse Rolle gespielt und war auch in jenen auf S. 38 erwähnten
Böttgers vorgekommen und dort bereits als Bestandteil der Porzellanmasse genannt worden.
10«) Loc. 1339. 2. März, 12. März, 26. Juli, 29. JuU 1708.
1°*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 191, 192.
107) Ygi Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde XXVll. Bd. S. 82.
1°*) Die hier folgende Darstellung folgt wieder in der Hauptsache dem in Meißen von Herrn
Oberbergrat Ä^em<2e aufgefundenen, von ihm auch zuerst publizierten Berichte (vgl. die Einleitung
S. VIII und Anm. 73). An der Richtigkeit der dort gegebenen Darstellung kann in der Haupt-
sache nicht gezweifelt werden. Der Gang der dort geschilderten Entwicklung erscheint so logisch
und konsequent, daß von einem späteren Nachkonstruieren, etwa um das Phänomen der endlich
geglückten Porzellanerfindung zu erklären, keine Rede sein kann. Dafür freilich enthält dieser
Bericht, wie bereits erwähnt, eine große Lücke: er sagt gar nichts von der Begründung der Stein-
bäckerei. Freihch war er dazu auch in keiner Weise gezwungen; denn für die Entdeckung des
Prinzips des Porzellans und der endlichen Gewinnung seiner Masse war diese Steinbäckerei ganz
ohne Bedeutung. Schmerzlicher muß dagegen hier das Fehlen der Angabe empfunden werden,
wer nun damals wirklich der eigentliche Erfinder des Porzellans gewesen ist, wer überhaupt
die Hauptarbeit des Suchens und Experimentierens damals übernahm. Nach obiger Dar-
284 Anmerkungen.
Stellung erscheint die Tätigkeit Böttgers und Tschirnhausens durchaus als eine gemeinsame
ja zunächst auch als eine durchaus gleich eifrige. Dies ist jedoch, wie ich in meinem Aufsatz:
In welchem Jahre wurde das Porzellan erfunden? (Neues Archiv für sächsische Geschichte und
Altertumskunde Bd. XXVIII S. 17) bereits erwähnt habe, allem Anschein nach durchaus nicht
der Fall gewesen. Obiger Bericht freilich legt auf die anscheinende Gemeinsamkeit der Arbeit
auch nicht das geringste Gewicht. Nur durch die Form der dort gewählten Darstellung erscheint
sie überhaupt als eine solche. Im übrigen ist diese Darstellung ja keine chronologische Schilde-
rung der Erfindung, sondern nur eine solche ihrer inneren Entwicklung. Daher brauchte
die Frage nach dem Erfinder des Porzellans hier nicht berührt zu werden, wie ja hier auch weder
Ort noch Zeit angegeben sind.
^o») Ganz allgemein war lange Zeit die Ansicht verbreitet und in zahllosen Schriften ab-
gedruckt, daß Böttger das Porzellan dadurch erfunden hätte, daß er versuchte, Schmelz-
tiegel herzustellen, die er für seine alchimistischen Untersuchungen brauchte, die damals
in bester Qualität aus dem „Hessischen" bezogen wurden. Diese Ansicht findet sich, soweit
sich hat feststellen lassen, zuerst in Milly, l'art de la porcelaine 1771 S. IX. Es liegt ihr jeden-
falls eine Vermengung verschiedener Tatsachen zugrunde. Tatsache ist, daß Böttger auf die
Erfindung dieser Schmelztiegel, die er selber sehr nötig hatte, ausgegangen ist, und daß er
diese Absicht in jener weiter unten erwähnten Anzeige (siehe S. 53), in der er dem König zum
ersten Male die Erfindung des Porzellans meldet, unter noch vielen anderen „Propositionen"
ausspricht. Tatsächlich hat er auch im folgenden Jahre, wie oben gezeigt werden wird, mittels
in Sachsen gefundener Erden versucht, diese Absicht auszuführen. Er berief aber hierzu erst
im Jahre 1712 einen Töpfer aus Hessen und befahl ihm, auch alle möglichen Tone und Erden
mitzubringen, darunter auch roten und weißen Bolus. Vielleicht haben diese Erden später Ver-
anlassung gegeben, diese Schmelztiegelfabrikation mit der Erfindung des Porzellans in Ver-
bindung zu setzen.
"") Vgl. auch S. 44.
1") Weißenborn, a. a. O. S. 191.
^12) Daß diese Erfindung und auch die folgende des roten Steinzeugs eher gelang, als
die des Porzellans, daß aber trotzdem letzteres von Böttger eher gesucht worden war, als ersteres,
das geht deutUch aus Steinhrücks in Anm. Nr. 137 wiedergegebenen Aussage in Verbindung
mit der Darstellung des Meißner Manuskripts hervor.
^13) Es ist vielfach behauptet worden, daß Tschirnhausen auch versucht hätte, künstliche
Edelsteine herzustellen (vgl. z. B. Weißenborn, a. a. O. S. 195). Es lassen sich aber dafür aus
den Quellen der Zeit nicht die geringsten Anhaltspunkte finden. Dagegen trifft man damals
Anweisungen dazu in Kunkels berühmter ars vitraria, in Bechers oben erwähnter Närrischen
Weisheit und wahren Narrheit, ferner in Haudiquer de Blanchard, bei Glauber und vielen andern.
Es war damals eine Modesache unter den technisch-industriellen Bestrebungen der Zeit.
11*) Heintze, a. a. O. S. 589.
"5) Vgl. S. 35.
11*) So wenigstens berichtet Stöltzel in einem der in der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden
aufbewahrten Arkanabücher der Meißner Manufaktur aus dem Jahrzehnt nach Böttgers Tode.
11') Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß man anfangs hier nur an die Errichtung
einer Steinbäckerei d. h. einer Fliesenfabrik, gedacht hat. In dem „Geschichtskalender"
Steinbruchs (vgl. Anm. 95) ist in der ersten Zeit die Steinbäckerei immer deutlich einer etwas
später gegründeten Rundbäckerei gegenübergestellt.
118) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 49. Der Name ist dort nicht genannt.
Er geht aber aus dem Meißner Manuskript und dem Steinbrückschen Geschichtskalender deut-
lich hervor.
11*) Siehe S. 35. Engelhardt, a. a. O. S. 582, nennt ihn gar den besten Arbeiter der Fabrik.
"") Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 49.
Anmerkungen. 285
1«) Vgl. S. 33.
'*-) Das geht schon aus den Abformungen hervor, die Böttger für sein Steinzeug von diesen
chinesischen Produkten machen Heß (vgl. S. 121 ff.).
"3) Vgl. über dies Erzeugnis Bushell, Oriental ceramic Art, New York, 1897 S. 197, 317, 318.
1**) Der reichste Bestand derartiger chinesischer Steinzeuge befindet sich wohl in der Kgl.
Porzellansammlung zu Dresden, daneben sind das Museum für Völkerkunde in Berlin, sowie
die Museen zu Gotha und Braunschweig zu nennen.
125) Vgl. z. B. die Eide des Dr. Bartelmei S. 39. Sonst ward es auch viel — z. B. von Stein-
brück in seinem Bericht in der Porzellansammlung — , das feine weiße Porzellan genannt. Vgl.
über die damaligen keramischen Bezeichnungen auch meinen Aufsatz im Neuen Archiv für säch-
sische Geschichte und Altertumskunde Bd. XXVII S. 74.
^*») Aus einem in der Kgl. Bibhothek zu Dresden befindhchen Manuskript betitelt: Nach-
richten von denen im Kursächsischen Erzgebirge befindlichen und raren Gesteinen usw. von
J. K. Steinbrück, Inspektor der Manufaktur des sächsischen Porzellans 1715, wird Jaspis als
der wohl erste Landedelstein bezeichnet, der „poliret und zu etwas nützlichem employiret"
wurde. Man fand ihn damals in Sachsen an mehreren Stellen, sowohl grauen, wie roten.
Er war sehr dicht, nicht so „klüftig und zerrissen" wie andere Gesteine.
Übrigens kannte Böttger damals die besonderen Eigenschaften des echten Porzellans, trotz-
dem er auch sein rotes Steinzeug als solches bezeichnete, ganz genau. In jenem S. 57 erwähnten
„Unvorgreifhchen Gedanken", durch die er im November 1709 der damals zur Untersuchung
seiner bisherigen Erfindungen eingesetzten Kommission diese näher erklärte, sind diese beson-
deren Eigenschaften des „Indianischen Porzellains" regelrecht aufgeführt, es heißt da wörthch:
,,So viel demnach das Indianische Porzellain betrifft, so ist dasselbe aus einer Masse gearbeitet,
welche, wenn sie gebrannt worden
1. sehr fein und weiss
2. so compact, dass sie aus Stahl Feuer schlaget, und in denen bis jetzo bekandten Feuern
zu keinem Fluss gebracht werden mag
3. Ist solche, wenn nicht etwa die Gefässe von ungemeiner Dicke bereitet sind, Diaphan
oder durchscheinend, und distinguiret sich hierdurch von dem gemeinen Glase, welches
pellucide oder durchsichtig ist, auch einmahl, wie das andere es sei gleich dünne oder
noch so dicke, also bleibet
4. Lässet die Porcellain-Masse mit einer weissen Glasur worauf nachgehends mit Farben
als Blau, roth und gelb gemahlet wird, sich decken und überziehen. Wozu ferner kombt,
dass die daraus geformten Gefässe
5. Von siedend -heissen Wasser, als nur soweit das warme, so hineingegossen worden, reichet.
Dass aber
7. dergl. Gefässe, keinen Gift leiden sollten, ist eine Phantasie und dafür von allen, so es
experimentiren wollen, jedesmal erkandt worden."
Damit waren damals alle besonderen Eigenschaften und Vorzüge des Porzellans von Böttger
erkannt worden, mit alleiniger Ausnahme seiner Unangreifbarkeit durch Säuren, die demnach
damals wohl noch nicht durch Experimente oder durch den praktischen Gebrauch festgestellt war.
127) Vgl. Kurzwelly, Die bäuerliche Kleinkunst in „Dorfkirchen und Bauernhaus im König-
reich Sachsen", Dresden 1900, S. 113 ff. Koepcke, Die Töpferei im Handelsbezirk Dresden und
in Königsbrück.
1^«) Über diese Bemühungen Böttgers, damals Töpfer für die Fabrikation des roten Stein-
zeugs zu gewinnen, berichtet das Meißner Manuskript.
'") Siehe Anm. 127.
1*") Ein Glasschleifer findet sich schon vom 5. September dieses Jahres an in den Akten
erwähnt. Siehe Anm. 136.
"*) So gibt es das Meißner Manuskript an.
286 Anmerkungen.
"2) Kenzelmann, a. a. O. S. 18.
1^^) Gleichfalls sowohl von Kenzelmann wie Engelhardt angegeben.
134) Ygi^ hierüber auch meinen Aufsatz im XXVII. Bd. des Neuen Archivs für sächsische
Geschichte und Altertumskunde.
läs) Vgl. S. 46.
136) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341. Hier findet sich vom 30. Juli 1708 datiert
ein „Conto allerhandt bey ausgaben bey der feinen Bortzelanmanufaktur", ferner ein Conto
für einen Glasschneider vom 5. September 1708 an, für einen Bildhauer namens Stangens vom
1. Juni an, für den Töpfermeister Joh. George Kr umbholz vom 22. September 1708, für den Töpfer-
meister Peter Geitner vom 17. November 1708, usw. Daß hierbei Peter Geitner zeitlich hinter
dem andern Töpfer rangiert, ist ohne Bedeutung. Ihm kann ja eine Rechnung, eben weil er
schon länger beschäftigt ward, schon früher bezahlt worden sein; auch kann man ihn dadurch
nach Dresden gelockt haben, daß man ihm einen Teil seines Lohnes pränumerando gab.
1^') Und zwar deshalb, weil Steinbrück (Bericht in der Porzellansammlung S. 64) die Er-
findung auch dieses Produktes ausdrücklich als nach Tschirnhausens Tode erfolgt angegeben
hat. Freilich gibt er hierbei das Jahr 1709 als das der Erfindung an und zwar sowohl hier auf
S. 64, wie auch S. 68. Doch war Steinbrück selber, wenn man diese beiden Stellen miteinander
vergleicht, sich über diesen Punkt nicht ganz klar. Er scheint z. B. selber nicht genau gewußt
zu haben, ob das „rote Porzellan", also das rote Steinzeug, vor oder mit dem eigentlichen Porzellan
zugleich erfunden ward. Er berichtet nämlich S. 68 bei Erwähnung des echten Porzellans:
„dieses ist, wie im vorhergehenden Capitel bey dem braunen gedacht, mit selbigen zugleich 1709
zwar erfunden aber nicht mit in Gang gebracht", auf S. 64 dagegen bei Erwähnung des roten
Steinzeugs: „diese Arth von porcellain ist Anno 1709 von offtbemeldeten Herrn von Böttger
nach des von Tschirnhausen Tode erfunden, da Er das weisse porcellain, als welches er eher ge-
suchet, zu finden bemüht gewesen. Er mag auch wohl dais weisse und rote zugleich erfunden haben,
doch hat er das rote etliche Jahre eher zu Stand gebracht." Kenzelmann, a. a. O. S. 18, schildert
übrigens die Erfindung und Herstellung des roten Steinzeugs so, als wenn Tschirnhausen, der
am 11. Oktober 1708 starb, damals noch gelebt aber dann kurz darauf gestorben wäre. Worauf
aber dessen Darstellung beruht, läßt sich leider heute nicht mehr feststellen.
138) ]sjyj. sQ ist es wohl zu erklären, wenn Böttger schon Ostern 1710 kurz nach Begründung
der eigentlichen Manufaktur nicht nur große Quantitäten, sondern auch die verschiedensten
Arten auf die Leipziger Messe hat schicken können (vgl. S. 80).
^**) So berichtet wenigstens Engelhardt, a. a. O. S. 282. Freihch weiß man nicht genau,
ob er diese Angaben auf das rote Steinzeug oder das Porzellan bezieht. Unmittelbar vorher
berichtet er freilich gleichfalls von jenen soeben geschilderten Versuchen, Gefäße aufzudrehen,
die sich jedoch nach der Quelle, nach der dies oben in dieser Arbeit berichtet worden ist, nur
auf das Steinzeug beziehen können. Engelhardt berichtet dann noch, a. a. O. S. 283, hinsichtlich
der damaligen Ereignisse weiter, daß damals der größte Ofen 5 Tage und 5 Nächte gebrannt
hätte, was Brogniart, Traite de la ceramique, Paris 1844, IL, S. 489 Anm. 1, in Anbetracht der
damaligen primitiven Öfen nicht für unmöglich hält. Auch soll Böttger damals, als der König sich
persönlich einfand, um die Güte seiner Porzellanmasse zu beweisen, eine Kapsel mit einer Tee-
kanne aus der heftigsten Glut ins Wasser geworfen haben, ohne daß letztere zersprang. Alle diese
Angaben kUngen freilich etwas romanhaft, die Quellen für dieselben haben sich auch nicht finden
lassen. Doch werden sie zum Teil auch von Kenzelmann in seinen vor Engelhardts Biographie
Böttgers im Jahre 1810 erschienenen ,, Historische Nachrichten über die königliche Porzellan-
manufaktur zu Meißen" S. 18 erwähnt, doch hier schon gleich nach der Erfindung der roten
Masse. Auf diese können sie im günstigsten Falle auch nur bezogen werden. Denn die Herstellung
des Porzellans ging, wie oben gezeigt werden wird, durchaus nicht so glatt vonstatten, wie die
des roten Steinzeugs, so daß so kühne Proben glänzendsten Gelingens in Gegenwart des Königs
und anderer Zeugen sicherlich damals noch nicht gleich haben vorgenommen werden können.
Anmerkungen. 287
'") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 229, 265, 267, 275 usw.
1") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 7416 E Fol. 1.
1") Weißenborn, a. a. O. S. 191.
^**) Diese Tatsache und damit auch die Datierung der Erfindung der Masse des Porzellans
beruht freilich zunächst einzig und allein auf der Angabe des in der Meißner Manufaktur erhalte-
nen Geschichtskalenders Steinbruchs, woselbst es sub 30. Oktober 1710 heißt: „Der Hr. Leib-
medicus Dr. Jacob Bartelmei attestiret, dass ihm der Herr von Böttger bereits vor zwei Jahren
sowohl die Masse zu dem roten Porcellain als auch zu dem weissen, doch was das letztere an-
langete, ohne Glasur, völlig erlernet, dergestalt, dass er nicht allein davon zum öftern selbst
Proben gemacht, sondern auch selbige in der grössten Quantität, wie es immer nötig sein möchte,
verfertigen könne." Es liegt zurzeit kein Grund vor, an dieser Angabe irgendwie zu zweifeln,
zumal sie sich mit der von Engelhardt, a. a. O. S. 272, angeführten Angabe vom 9. November
1717 Böttgers deckt, die freilich heute nicht mehr aufzufinden ist, nach welcher „er vor 9 Jahren
mit Materiahen in Dresden den Anfang" im Porzellan gemacht hätte, und sich auch im übrigen
bei genauer Prüfung gar wohl mit den wenigen sonstigen Angaben, die sich über das Jahr der
Erfindung des Porzellans aus dieser Zeit erhalten haben, durchaus vereinen läßt. Nur muß man
sich zunächst darüber klar werden, was damals unter der Porzellanerfindung eigentlich ver-
standen worden ist. Es ist hierbei nämlich durchaus nötig, was bisher jedoch von keiner Seite
aus geschehen ist, ganz scharf die Erfindung der Porzellanmasse von der der Porzellanglasur zu
trennen. Daß aber die Glasur zum Porzellan schon damals, d. h. im Jahre 1708, erfunden war,
darüber fehlt jede Nachricht. Dagegen ist es, wie weiter unten (siehe S. 56) gezeigt werden wird, so
gut wie sicher, daß Böttger mit ihr erst im Jahre 1709 wirkHch zustande kam. Dann aber ist es
durchaus nicht wunderbar — namentlich schon deshalb, weil die damalige Zeit noch kein un-
glasiertes Porzellan kannte, mithin Porzellan ohne Glasur kein Porzellan war — daß Steinbrück, der
der einzige Zeitgenosse Böttgers ist, der ein festes Jahr für die Erfindung Böttgers angibt(vgl. Anm.137 ),
hierfür mit aller Bestimmtheit das Jahr 1709 nennt, da er eben ausschheßhch an das glasierte Por-
zellan gedacht hat. Hiermitkann auch durchaus übereinstimmen, wsls Engelhardt, a. a. O. S. 271, an
Datierungen dieser Erfindung durch Böttger selber (Angaben, die freilich heute wieder nicht mehr
kontrolherbar sind) angegeben hat, daß er nämhch seine Erfindung bald in das Jahr 1708, bald in das
Jahr 1709 gesetzt hat. Auch er hätte dann hier bald bloß an die Erfindung der Porzellanmasse, bald je-
doch an die des glasierten Porzellans gedacht. Über andere Datierungsversuche vgl. meinen Auf-
satz im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde Bd. XXVII S. 61, in dem
ich freilich, da ich, als ich ihn schrieb, noch nicht obige Stelle des Ste inbrückschen Geschichtskalenders
kannte, noch angenommen habe, daß auch die Masse des Porzellans im Jahre 1709 erfunden ward.
144) Ygi yijgr diese Frage nach dem Erfinder des Porzellans meinen Aufsatz: „Wer war
der Erfinder des Meißner Porzellans?" im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Alter-
tumskunde Bd. XXVIII S. 17.
"«) Weißenborn, a. a. O. S. 203 ff.
"•) Vgl. S. 99. •
^") Vgl. S. 26.
•") Von dieser Bestürzung berichtet wenigstens Engelhardt, a. a. O. S. 282.
"*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 233. .
^*'') Steinbrück, Geschichtskalender sub 28. März 1709.
^**) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung.
"'') Steinbrück, a.a.O. S. 123 ff.; Steinbrück, Geschichtskalender sub 17. April 1709.
1") Engelhardt, a. a. O. S. 241.
***) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 49 ff.
^") Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 124 ff.
1**) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 124; Steinbrück, Geschichtskalender
sub 10. November 1709.
288 Anmerkungen.
1"') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 125.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 68.
"*) Ein Exemplar dieses besonders schön gedruckten Patents hat sich auf dem Kgl. Sachs.
Hauptstaatsarchiv (Loc. 1339 Fol. 79) erhalten. Vgl. Beilage III.
i«o) Vgl. Haacke, König August der Starke, eine Charakteristik, München u. Berhn 1902.
^") Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 114.
i«2) Abgedruckt bei Engelhardt, a. a. O. S. 307, Anm. 40.
1'*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 114. Steinbrück, Bericht über das Per-
sonal der Meißner Manufaktur aus dem Jahre 1719, § 1 und 2.
1«*) Steinbrück, Geschichtskalender sub 30. Oktober 1710.
^'^) Nach Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 234, sagte Böttger in einem
Bericht an den König vom Februar 1712, der ihm wohl betreffs der „melierten" Fliesen interpeUiert
hatte: er habe nicht geglaubt, daß man ihn wegen aller und jeder Proposition pressieren werde,
da er anders nicht so viel versprochen haben würde.
^**) Kenzelmann, a. a. O. S. 21; Engelhardt, a. a. O. S. 279. In einem Bericht von Nehmitz
aus dem Jahre 1721 (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341 III. 212) ward sogar der Ausdruck
gebraucht, daß Bartelmei'ixivAniacug des ersten Jahres die Fabrik „in seinem Hause" gehabt hätte.
1") Kenzelmann, a. a. O. S. 22; Engelhardt, a. a. O. S. 283.
i«8) Engelhardt, a. a. O. S. 300.
169) Ygi (jje Schilderung bei Kenzelmann, a. a. O. S. 23; Steinbrück, a. a. O. S. 265.
1'°) Über die Baulichkeiten auf der Burg siehe vor allem Wanckel und Gurlitt, Die
Albrechtsburg in Meißen, Dresden 1895, S. 6.
^") Milberg, Die Albrechtsburg zu Meißen, Jahresbericht der Fürsten-Landesschule 1877/78
S. 32. Auch wird später nach Böttgers Tode berichtet, daß gleich darauf der Bettmeister des Schlosses
wieder auf die Burg gezogen wäre und im „Vorgemach des Königs", das demnach damals noch
frei gewesen sein muß, seine Wohnung aufgeschlagen hätte. Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1339 II. Fol. 205.
172) Vgl. Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339. Anfangs, d. h. im März
1710, glaubte man der Burg nur bis zu „der ersten Mauer, so von der großen Küche bis an die
Kirche gehet" zu bedürfen, bald jedoch „bis zur ersten Zugbrücke", d.h. also der ganzen eigent-
lichen Burg.
1") Steinbrück, a. a. O. S. 141.
"*) Steinbrück, a. a. O. S. 106.
1") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, 15. November 1710.
• "8) Vgl. Engelhardt, a. a. O. S. 327.
^") Steinbrück, Bericht über das Personal der Meißner Manufaktur im Jahre 1719, § 1,
und Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 41.
^'^) Steinbrück, Bericht über das Personal der Meißner Manufaktur vom Jahre 1719, § 1,
4 und 5; Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 66.
^'*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 49.
180) Vgl. oben S. 44. Stöltzel tat sogar so, als ob Böttger seine Masse nur von ihm bezogen
hätte. Dagegen sprechen aber doch die oben angeführten Tatsachen.
181) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 137.
18*) Es befindet sich dort jetzt die keramische Fabrik von Fikentscher, die dieses Tons sich
noch heute bedient. Merkwürdigerweise berichtet übrigens Stöltzel in einem seiner in der Por-
zellansammlung zu Dresden aufbewahrten Arkanabüchern auch noch von einem zu gleichen
Zwecken verwandten gelben Ton, der aber im Feuer rot ward und dann sogar noch einen schöneren
roten Ton erhielt, als die Masse aus rotem Bolus. (Vgl. auch Anm. 184.)
i*ä) Allerdings findet sich hierüber aus Böttgers Zeiten nicht die geringste Angabe. Um so
positiver taucht sie dagegen — soviel ich gesehen habe, zuerst am Ende des 18. Jahrhunderts —
Anmerkungen. 289
auf, um dann mit eben solcher Sicherheit immer wiederholt zu werden. Ob dieser Behauptung
etwas Tatsächliches zugrunde liegt, läßt sich zur Zeit nicht entscheiden. Wahrscheinlich
ist sie jedoch kaum, da dieser Ton in den mehrfach angeführten Arkanabüchern der Kgl. Por-
zellansammlung aus den Jahrzehnten nach Böttgers Tode sich nirgends erwähnt findet.
"*) Diese ganze Darstellung sowie das Folgende fußt ganz auf der Angabe des in der
Meißner Manufaktur von Herrn Oberbergrat Heintze wieder aufgefundenen Berichts über die
Erfindung des Meißner Porzellans, die spätestens einige Jahrzehnte nach dieser niedergeschrieben
sein dürfte. Vgl. S. VIII. Hinsichtlich der Zusammensetzung der Masse hat sich übrigens noch
ein Rezept in den mehrfach erwähnten Arkanabüchern der Meißner Manufaktur in der Kgl. Por-
zellansammlung erhalten. Es lautet: 1 Teil von der Rothen Englischen Erde; 2 Teil von dünn
geschlemmten Leimen. Die chemische Analyse des Produktes lautet dagegen nach einer Un-
tersuchung, die anzustellen Herr Oberbergrat Heintze in Meißen die Güte hatte, folgendermaßen:
SiOa 66,04
AI2O3 19,56
Fe2 O3 9,36
Ca O 1,33
MgO 0,80
Kü O 1,03
Na^O 1,57
Mn O Spur.
Übrigens scheint man damals zum roten Steinzeug auch eine gelbe Masse verwandt zu haben,
die aber beim Brennen wieder rot wurde. Wenigstens findet sich in den ebengenannten Arkana-
büchern ein derartiges Rezept, welches lautet: Gelbe Masse: Blauischer oder Meißner Ton und
wohl geschlemmte Erde oder Ocker. (Vgl auch Anm. 182).
"^) Bericht Tschirnhausens vom Oktober 1703 über seine ganze bisherige industrielle
Tätigkeit (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 7416).
18«) Siehe auch oben S. 162.
187) Vgl. Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung, S. 124, 125 und das Meißner
Manuskript.
1**) Nach Engelhardt soll Böttger mittels 4 — 5 Öfen in Dresden sein rotes Steinzeug „in Gang
gebracht haben".
1*') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 237.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 157.
1") Vgl. S. 64.
i»2) Steinbrück, a. a. O. S. 140, 144, 156, 157, 182.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 160.
1»*) Die ganze Darstellung dieser technischen Behandlung der Masse des roten Steinzeugs
folgt gleichfalls in der Hauptsache dem in der Meißner Manufaktur gefundenen Bericht über
die Erfindung des Meißner Porzellans.
1**) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 171.
1") Steinbrück, a. a. O. S. 63, 64, 66. Engelhardt, a. a. O. S. 410, berichtet auch, daß die
ersten Erzeugnisse dunkelbraune und schwarze Quadrate (d.h. Fliesen) gewesen seien.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 59.
198) Vgl. Beilage III. Er hat bekannthch später diese Neigung nach dem Großen, Monu-
mentalen im Porzellan durch die Anfertigung jener großen Tiere in Porzellan befriedigt
gesehen, die heute eine der Hauptsehenswürdigkeiten der Dresdner Porzellansammlung
ausmachen.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 137, 227. Ausdrückhch heißt es in den mehrfach erwähnten
„Unvorgreifhchen Gedanken", die Böttger 1709 der ersten Kommission vorlegte: Wie denn auch
die Facons derer Sachen, so aus vorher beschriebener Masse fabriciret werden, jedes mahl nach
Zimmermann, Meißner Porzellan. - iq
290 Anmerkungen.
der neuesten Arth angegeben und denen Silber Geschirren, so offt dieselben changiren, nach-
gefolget usw.
20") Über die Tätigkeit Irmingers vgl. Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 213.
Übrigens ist es auch sonst noch in dieser Zeit vorgekommen, daß Goldschmiede Modelle für Por-
zellan anfertigten, so z. B. in Vincennes, für welches ebenfalls die ersten Modelle Goldschmiede,
daneben Bronzegießer herstellten. Vgl. Stettiner Jahrbuch der Kgl. Preuß. Kunstsammlungen,
Bd. XIV, S. 141.
201) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 213.
20*) Engelhardt, a. a. O. S. 341, nennt außerdem noch als „Entwerfer neuer Facons" den
Konduktor (!) Blumenthal. Doch finde ich diesen nur unter dem allgemeinen Personal der Manu-
faktur angeführt.
203) Ygi_ 2. B. Steinbrück, a. a. O. S. 67. Man hat bisher nicht gewußt, was eigentlich mit
diesem Ausdruck „Muscheln", der damals sehr häufig gebraucht wurde, gemeint gewesen
ist und dafür mehrere Erklärungen zu geben versucht, die aber alle nicht recht befriedigten.
Obige Deutung geht aus dem frühesten Inventar der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden
vom Jahre 1721 hervor, in welchem alle derartig bezeichneten Stücke die oben angegebene
D ekorationsweise zeigen.
20*) Engelhardt, a. a. O. S. 342.
206) Steinbrück, a. a. O. S. 190.
20«) Steinbrück, a. a. O. S. 67.
20'') Über diese Schleif- und Poliermühle siehe Steinbrück, a. a. O. S. 32.
208) Steinbrück, a. a. O. S. 88. Ein hinsichtlich des Schleif ens sehr originelles Stück
Böttgersteinzeug befindet sich noch im Berliner Kunstgewerbemuseum. Es ist ein Exemplar
jener in Abb. 23 wiedergegebenen Kaffeekanne, bei der aber das Relief des Blütenzweiges bis
zur Fläche des Gefäßes fortgeschhffen ist. Er erscheint jetzt nur noch als dunkle Silhouette
auf hellerem Grund.
20») Vgl. S. 136.
210) Steinbrück, a. a. O. S. 66.
2") Steinbrück, a. a. O. S. 66.
212) Siehe S. 71. Vgl. auch S. 136.
2") Das Bemalen mit Emailfarben erfolgte jedoch nicht ,,in Venedig", wie von anderer
Seite berichtet worden ist. Die betreffende Stelle der Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv,
auf die sich diese Behauptung stützt, darf nicht „in Venedig"^ sondern muß „inwendig emailliert"
gelesen werden.
214) Vgl. die Liste der schon am 20. April 1710 dem König gesandten, ganz besonders er-
lesenen Stücke (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 295).
21*) Engelhardt, a. a. O. S. 410, erwähnt, daß das erste Böttgersteinzeug dunkelbraune
und schwarze Quadrate gewesen seien.
21«) Steinbrück, a. a. O. S. 75.
2") Engelhardt, a.a.O. S. 423; Weinart, Geschichte, Dresden 1777, S. 305, sah davon
noch im Jahre 1777 einen guten Vorrat. Sie haben sich aber dort nicht mehr erhalten.
218) Diese Aufzählung folgt vor allem Steinbrück, a. a. O. S. 147, dann einem am 28. Mai
1711 aufgenommenen Inventar des Dresdner Lagers von mehr als 2000 Stück das sich im
K. S. Hauptstaatsarchiv erhalten hat.
21*) Seine Ausbildung ist sogar damals eine reichere gewesen als die des Porzellans zu Böttgers
Zeit.
220) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 295.
221) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 81. -Sie mferitcAr, Geschichtskalender sub
13. April 1711.
222) Engelhardt, a. a. O. S. 5.
Anmerkungen. 291
•") In dem in Anmerkung 218 erwähnten Inventar.
***) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 85, 191.
***) Steinbrück, Geschichtskalender sub Januar 1712.
««) Engelhardt, a. a. O. S. 342.
*") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, 34. Spezifikation vom 22. Oktober 1712.
"8) Vgl. Engelhardt, a. a. O. S. 261.
**') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 66.
"0) Engelhardt, a. a. O. S. 433.
»") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, Fol. 306; Steinbrück, a. a. O. S. 172.
»") S. 15.
"=») Steinbrück, a. a. 0. S. 143.
*»*) Steinbrück, a. a. O. S. 143.
"*) Steinbrück, Geschichtskalender sub 4. August 1710.
"«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 127.
*") Steinbrück, Geschichtskalender sub 7. August 1710.
*ä8) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 254.
«3») Vgl. Beilage III.
**") Engelhardt weiß noch allerhand andere Vorsichtsmaßregeln anzugeben, die damals
zur Wahrung der Geheimnisse getroffen wurden. So sollten z. B. (a. a. O. S. 275) alle an der
Manufaktur Beschäftigten Protestanten sein, weil der König den Katholischen wegen der Ohren-
beichte nicht traute. Sehr wahrscheinlich klingt diese Angabe Engelhardts allerdings wieder nicht.
**^) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 164 und 165.
2") Steinbrück, a. a. O. S. 125, 163.
"•^ Steinbrück, a. a. O. S. 189.
2") Vehse, Geschichte der deutschen Höfe, Hamburg 1854, Bd. VII, S. 101.
***) Steinbrück, a. a. O. S. 66, 170; Steinbrück, Geschichtskalender sub 7. Mai 1710.
"') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 172 und 173.
'") Steinbrück, a. a. O. S. 171.
2*8) Steinbrück, a.a.O. S. 171; Steinbrück, Geschichtskalender sub 5. Juli 1710.
***) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 171; Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1340, Fol. 306.
"0) Steinbrück, a. a. O. S. 174.
"1) Steinbrück, a. a. O. S. 170.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 175.
"3) Steinbrück, a. a. O. S. 173.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 176.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 186.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 66.
"') Siehe S. 85.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 306. Nach Engelhardt (a. a. O.
S. 438) soll in der Leipziger Zeitung sogar erst nach Schluß der Messe auf die neue Erfindung
hingewiesen worden sein.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 185.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 186.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 260.
***) So berichtet wenigstens Engelhardt a. a. O. S. 433.
2") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 295.
*•*) Steinbrück, a. a. O. S. 62. Über weitere Geschenke berichtet Engelhardt, a. a. O. S. 442.
"*) Steinbrück, a. a. O. S. 74.
"•) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 14.
19*
2dlöl Anmerkungen.
*") Vgl. auch S. 125.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 112, 121.
««») Steinbrück, a. a. O. S. 112.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 25.
"") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 38. Engelhardt (a. a. O. S. 279) be-
richtet auch noch von einer weiteren im April bewilligten Summe von 600 Talern zu einer Sache,
die „dem König allein bewußt" sei.
"") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 1.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 101.
"*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 166; Steinbrück, a. a. O. S. 113, 156.
«") Steinbrück, a. a. O. S. 105, 108.
'^'*) Steinbrück, Geschichtskalender sub 25. Juli 1710; Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1339, Fol. 112.
"') Steinbrück, Geschichtskalender sub 10. November 1710 und 4. Januar 1711; Stein-
brück, Bericht in der Porzellansammlung S. 112.
"«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 169; Steinbrück, a. a. O. S. 108.
*'*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339. Spezifikation, was die Renth-Cammer
für die neu angelegten Manufakturen allhier usw. bezahlet, vom 30. November 1713. Wie reimt
sich aber hiermit wieder zusammen, daß Engelhardt — wiederum, um Böttger als leichtsinnigen,
gewissenlosen Gesellen zu schildern — berichtet, daß Böttger in dieser Zeit 34 mal in Meißen ge-
wesen und dort eine Unsumme Geldes verjubelt hätte ! ! Merkwürdig ist, was Engelhardt (a. a. O.
S. 321) auch über seinen dortigen Aufenthalt berichtet: er soll dort niemals auf der Albrechts-
burg selber, sondern in Meißen im sogenannten iVoÄrschen Hause gewohnt haben. Vielleicht
war dies das Haus, das Böttger nachweislich eine Zeitlang für die Pfeifenfabrik gemietet hatte.
^^°) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340.
^") Siehe die ausführliche Schilderung dieser Vorgänge bei Engelhardt, a. a. O. S. 294 ff.
*«") In der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden, woselbst die damals gewonnenen Gold-
und Silberklumpen sowie die dazugehörigen Protokolle noch heute aufbewahrt werden. Vgl.
hierüber meinen Aufsatz: Der Gold- und Silberklumpen in der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden
in der Sonntagsbeilage des Dresdner Anzeigers vom 6. September 1903.
"8») Vgl. S. 202.
"4) Steinbrück, a. a. O. S. 30.
*8^) Vgl. S. 48; Steinbrück, a. a. O. S. 36 ff.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 47 ff.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 172.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 73 ff.
"") Vgl. S. 57.
"0) Steinbrück, a. a. O. S. 76 ff.
"1) Vgl. S. 53.
"2) Steinbrück, a. a. O. S. 96 ff.
^^') Vgl. S. 106.
"*) Steinbrück, a.a.O. S. 161; Steinbrück, Geschichtskalender sub April 1711.
^'*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 116. Engelhardt (a. a. O. S. 438)
weiß sogar noch schlimmere Beschuldigungen gegen das Direktorium vorzubringen, die jedoch
wohl wieder, wie alles Derartige, bei Engelhardt mit Vorsicht aufzunehmen sind. Sie würden
den Kommerzienrat Matthis direkt zum Betrüger stempeln.
***) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 116, 117.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 108; Steinbrück, Geschichtskalender sub 4. August 1710.
**8) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 120.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 121.
Anmerkungen. 293
ä»") Engelhardt, a. a. O. S. 336, Anm. 7.
»•»!) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 160.
»"«) Steinbrück, a. a. O. S. 145 ff.; Steinbruch, Geschichtskalender sub I.Februar 1712.
="'^) Daß Böttger damals etwas Komödie spielte, den Eindruck hatte Steinbrück (Bericht
in der Porzellansammlung S. 155) gleichfalls.
ä"') Steinbrück, a. a. O. S. 150 ff.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 70 und IV, Fol. 306; Steinbrück,
a. a. O. S. 119; Steinbrück, Geschichtskalender sub 23. September 1710. Engelhardt (a.a.O.
S. 351 ff.) weiß noch von anderen derartigen Versuchen zu reden. Doch liegt hier wohl wieder
einer jener Fälle vor, wo er (vgl. Vorwort dieses Buches, S. XVII) zeitlich völlig Getrenntes mit-
einander vermengt hat, namentlich da er erwähnt, daß damals Gefahr vorhanden war, daß sich
die besten der Arbeiter der Manufaktur nach Wien, Berlin oder Moskau verlieren konnten. Von
derartigen Gefahren wissen die übrigen Quellen erst viel später zu berichten (vgl. das Schluß-
kapitel).
^''•) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 27.
*"'') Steinbrück, a. a. O. S. 105; Steinbrück, Geschichtskalender sub 3. März 1712; ferner
Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 122, 195 usw.
ä"«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340. Spezifikation vom 22. Oktober 1712.
'»») Steinbrück, a. a. O. S. 116.
31^) Vgl. S. 96.
»") Siehe auch S. 248.
»^*) So Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 27. Dagegen finden sich, wie
bereits im Vorwort S. VI erwähnt, jetzt nicht die geringsten Anhaltspunkte mehr für die Dar-
stellung, die Engelhardt (a. a. O. S. 444 ff.) von Böttger in dieser Beziehung gegeben hat. Er
erschien nach jener wie ein ganz gewissenloser Verschwender, der leichtsinnig in den Tag hinein
lebte, der statt für die Fabrik mehr für sich und seine Gelüste sorgte, dazwischen wieder aus
Großmannssucht die kostbarsten Geschenke, die kostspieligsten Passionen hatte u. dgl. m.
Hierauf kann nur erwidert werden, daß auch hier wieder Engelhardt alles Böttger Herab-
setzende nur ins Maßloseste übertrieben haben kann, da nur er allein und seine angeblichen, jetzt
aber verloren gegangenen Quellen von derartigen Taten Böttgers zu berichten wissen, während selbst
die Untersuchungen, die betreffs der Manufaktur nach Böttgers Tode angestellt wurden (wo man
doch Böttger wirklich nicht mehr zu schonen brauchte), nicht entfernt etwas zutage gefördert
haben, was dieser Schilderung nur entfernt entspräche. Steinbrück schreibt damals (Kgl. Sachs.
Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 230): „Böttgers fast unartiger und sehr veränderlicher
Sinn, auch üble Wirtschaft habe zuförderst wohl das meiste beigetragen, er habe keine Ordnung
und Disposition gehalten, seine übel eingerichtete Subsistence mit der Manufaktur Gasse ver-
menget und aus selber sich jedes Mal erholet". Aber hieraus geht doch nur hervor, daß Böttger
nicht recht zu wirtschaften und richtig zu disponieren verstand, ohne daß er dabei gleich als ein
ausgesprochener Verschwender erscheint; auch ist weiter zu bedenken, daß diese Schilderung
aus der allerletzten Lebenszeit Böttgers stammt, wo er in der Tat, wie unten gezeigt werden wird,
durch Krankheit und Neigung zum Trinken stark seinen moralischen Halt verloren zu haben
scheint, und was schließlich das Vermengen der Manufakturkasse mit der eigenen anbetrifft,
so hatte Böttger, wie weiter unten gezeigt werden wird, eigentlich gar keine Privatkasse, denn
niemals ist festgesetzt worden — nicht einmal von den Geldern, die der König ihm regelmäßig
auszahlen ließ — was für ihn und seinen Unterhalt, was für seine Experimente und was für die
einzelnen Manufakturen verwandt werden sollte. Jene Gelder aber waren überhaupt
in den letzten Jahren, da der König plötzlich nur noch monatlich 100 Taler für ihn, wie seine
gesamten Unternehmungen und Arbeiten auszahlen ließ, so gering, daß er sich zuweilen — wovon
hätte er sonst leben und seine Untersuchungen fortführen können? — doch wohl von den Ein-
nahmen seiner Manufaktur hat „erholen" müssen. Außerdem hat Böttger mehrfach, wie oben
294'' Anmerkungen.
gezeigt werden wird, wenn ihm der Vorwurf gemacht wurde, die beiden obengenannten Kassen
zu vermengen, sich unter eine strenge Kontrolle zu stellen bereit erklärt, aber niemals ist man
hierauf eingegangen, und so können diese Eingriffe doch nicht allzuschlimm gewesen, ein ja vielleicht
zum nicht geringen Teil nur zu jenen Verläumdungen gehören, die bald nach der Begründung
der Manufakturen einsetzten, um Bötiger ?ls Leiter derselben in Mißkredit zu bringen und ihm
zum Vorteile anderer dieselben zu entziehen. Dafür spricht auch, daß Böttger derartige An-
schuldigungen, soweit wir jetzt noch sehen können, sehr selten gemacht worden sind — vielleicht
zum ersten Male sogar erst in Jahre 1715 (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, I, Fol. 276,
279) — und daß z. B. die ersten Kommissionen, die bis ins Jahr 1712 getagt haben, davon noch
nicht das geringste gewußt haben, ja es steht geradezu fest, daß bei den zahllosen Untersuchungen
und Projekten zur Verbesserung der Fabrik ein etwaiges mangelhaftes Wirtschaften mit Geld
gar keine bedeutende Rolle gespielt hat. Selbst Steinbrück erwähnt in seinem sonst so offenen,
ehrlichen und ausführlichen Bericht über die industriellen Unternehmungen Böttgers bis zum
Jahre 1717 eine solche Verfehlung Böttgers in keiner Weise.
313) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 313.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, U, Fol. 110.
3") Steinbrück, a. a. O. S. 143. Die Betonung dieser Tatsache hier oben ist deshalb nötig
gewesen, da das Direktorium oder der Direktor vielfach dem Könige gegenüber das Gegenteil
behauptet haben muß.
"«) Steinbrück, a. a. 0. S. 184, 213, 215; Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV,
Fol. 306.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 215.
3") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 306.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340,
ä"") Steinbrück, Geschichtskalender sub 7. und 8. August 1710.
'*M Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 84.
ä22) Steinbrück, Geschichtskalender sub 12. März 1711.
3*3) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 144.
***) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 139; Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1339, Fol. 186.
3**) Die Kommission hatte sich allerdings auf Befehl des Königs in dieser Frage auch an
die Leipziger Kaufmannschaft gewandt; Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 183.
3««) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1334 Fol. 442.
3") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, Fol. 343.
328) Steinbrück, a. a. O. S. 100. '
32») Steinbrück (a. a. O. S. 110) betont dies ausdrücklich.
330) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 341.
331) Semper, Der Stil in den technischen und tektonischen Künsten, II. Auflage, I. 264.
33«) Vgl. S. 53.
333) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 25 ff.
334) Diese Unterschiede sind von mir festgelegt worden in meinem Aufsatz: Chinesischesund
Böttger- Steinzeug, Versuch einer Trennung. Keramische Monatshefte, IV S. 85 ff.
336) Ygi hierüber auch Kerl, Handbuch der Tonwarenindustrie, S. 697.
33») Vgl. S. 73.
33') Fr. Keller, Die rote römische Töpferware, Heidelberg 1876, S. 3.
338) Bushel, Oriental ceramic Art, S. 8.
839) Ygi 2. B. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, Ham-
burg 1894, S. 558.
340) Vgl. S. 114.
3*1) So wird es z. B. von Steinbrück bisweilen so genannt.
Anmerkungen. 295
ä") Außerdem befand sich noch ein solcher Krug in der vor einigen Jahren in Beriin ver-
steigerten Sammlung Nettcke zu Wien.
'*') Bourry, Traitö des Industries ceramiques, Paris 1897, S. 693.
"*) Bourry, a. a. O. S. 690; Brogniart, Traitä de la cöramique, 1844, IL 196.
'*") Nach Angabe von Herrn Oberbergrat Heintze in Meißen (vgl. die folgende Anmerkung).
'*•) Nach Angaben von Herrn Oberbergrat Heintze in der Meißner Manufaktur, der in
letzter Zeit mit dieser Masse auf Grund alter Rezepte wieder einige Versuche gemacht hat.
'*') Berling, Das Meißner Porzellan und seine Geschichte, Leipzig 1900, S. 155.
**8) In der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden sind fast alle Stücke mit derartigen Mar-
kierungen zusammengestellt. Darnach wird wohl jeder den Eindruck gewinnen, daß es sich hier
in der Tat in der Hauptsache um weniger geglückte und demnach wohl Anfangsstücke handelt.
'**) Sie findet sich besonders häufig an den weiter unten beschriebenen Medaillonporträts,
s o z. B. an einem in der Porzellansammlung zu Dresden, wie auch in der Bibliothek zu Weimar
vefindlichen. Ihr häufiges Vorkommen gerade auf diesen Stücken läßt vermuten, daß einige
bon diesen Rehefs, z. B. das oben abgebildete Böttgerporträt (siehe Abb. S. 1 und Anm. 45) erst
nach Böttgers Tode entstanden sind. Ganz allgemein ist übrigens die Ansicht verbreitet, daß
Böttger auf seinen Steinzeugen auch chinesische Marken angebracht hätte, und zwar so täuschend,
daß man sie von denen auf wirklichen chinesischen Steinzeugen nicht zu unterscheiden vermöchte.
Dieser Irrtum beruht lediglich auf den falschen Angaben des noch immer populärsten kerami-
schen Markenbuches Graesse, Guide de l'amateur. Der Herausgeber desselben war Direktor der
Kgl. Porzellansammlung, und da hier durch irgend einen Zufall das chinesische und das Böttger-
steinzeug völlig durcheinander gekommen und als letzteres aufgestellt war, so hat er die Marken
der ersteren als Marken der letzteren aufgefaßt und als solche publiziert. Dieser Irrtum findet
sich auch noch in der letzten Auflage dieses Buches vom Jahre 1905. Über weiteres vgl. meinen
Aufsatz: Chinesisches und Böttgersteinzeug, Versuch einer Trennung. Keramische Monats-
hefte, IV, S. 85 ff.
"») Vgl. S. 47.
»") Vgl. S. 47.
»") Vgl. S. 74.
363) Weiteres hierüber in meinem in Anm. 349 erwähnten Aufsatze. Darnach aber dürfte
es zu Ende sein mit dem noch jetzt ganz allgemein geglaubten Märchen, daß Böttger mit seinem
Steinzeug das chinesische so täuschend nachgeahmt hätte, das man heute beides nicht mehr
voneinander zu unterscheiden vermöchte. Denn selbst die oben angegebenen Abformungen wird
jeder auf Grund der in meinem oben genannten Aufsatze angegebenen Unterschiede beider Pro-
dukte mit Leichtigkeit unterscheiden können. Ich kenne übrigens bis jetzt nur ein einziges Er-
zeugnis in Böttgersteinzeug, das anscheinend ohne äußeren Zwang ein chinesisches Vorbild nach-
geahmt hat, die im Herzoglichen Museum zu Gotha befindhche Nachbildung eines jener bekannten
Opferbecher in Form eines auf Pflaumenblütenzweigen gesetzten Rhinozeroshorns, wie sie in China
für gewöhnlich in jenem schönen elfenbeinfarbigem Porzellan hergestellt worden ist, das in der
Provinz Fuchien erzeugt wird (siehe Abb. 97). Doch wer weiß, was für ein besonderes Motiv
Böttger zu dieser freihändigen Nachbildung bewogen hat ? Vielleicht reizte die technische Schwie-
rigkeit, wie ja Böttger sich auch später in Porzellan mit sichtbarer Absichtlichkeit an besonders
schwierige Techniken herangewagt hat.
Oben genannten Abformungen ist übrigens noch ein interessantes Stück im Herzoglichen Mu-
seum zu Gotha hinzuzufügen, auf das ich erst nachträgUch aufmerksam geworden bin. Es ist ein
Korbgeflecht imitierendes Gefäß, das von einem der Gruppe der Altimariporzellane ange-
hörenden bemalten Stücke der Dresdner Porzellansammlung abgeformt ist. Es findet sich
bald nach Böttgers Tode auch im Meißner Porzellan nachgebildet.
*") Böttger hat sogar später einmal Irminger in einer wohl nur vorübergehenden Laune
als Leiter der Manufaktur vorgeschlagen.
296 Anmerkungen.
3**) Bekannt ist mir die Anwendung des Schliffs nur noch 1. an den Erzeugnissen der in
Seite 191 ff. erwähnten ersten Konkurrenzfabrik Meißens zu Plane; 2. an einigen bezeichneten
Erzeugnissen des holländischen Töpfers Ary de Milde, z. B. in der Dresdner Porzellansammlung;
3. an zwei chinesischen Steinzeugen in der Dresdner Porzellansammlung und des Britischen
Museums zu London. An allen diesen Stücken aber ist das Schleifen nur in Nachahmung der Böti-
g-erschen Stücke erfolgt. Hierbei darf man wohl annehmen, daß die unter Nr. 2 und 3 angeführten
Stücke von jenen Glasschleifern geschliffen sind, die für gewöhnlich das Böttgersteinzeug zu
schleifen hatten, die, da ihnen hier einmal anderswo fabrizierte Stücke in die Hände fielen, die-
selben dann aus eigenem Antrieb in der gleichen Weise behandelt haben. Diese Ansicht wird
dadurch bekräftigt, daß sich im Germanischen Museum ein kleiner mit Ary de Milde be-
zeichneter Teetopf befindet, dem gleichfalls ganz in der Weise, wie dem Böttgersteinzeug böhmi-
sche Granaten eingefügt sind. 4. An Biskuitfiguren bisweilen die Ränder der Sockel; 5. an der
Jasperware Wedgwoods der Grund mancher Medaillons; 6. an einigen bisher kaum beachteten
Steinzeugen von Utzschneider in Saargemünd, deren zum Teil marmorierte Masse ganz in der
Art der Böttgersteinzeuge von oben bis unten geschhffen ist (auf diese Produkte hat bereits
Semper, Der Stil in den tektonischen Künsten, I. S. 164 — 167 hingewiesen). Zwei Vasen dieser
Art waren im Jahre 1906 in der Abteilung „Techniken" der 3. Deutschen Kunstgewerbeaus-
stellung zu Dresden ausgestellt. Eine derselben zeigte eine dunkelbraune Masse die andere war
rötlichgelb und ganz weißgesprenkelt. 7. An mehreren Porzellanen, falls allem Anschein nach
die Porzellanglasur fehlte, z. B. die hier aufAnm. 44 und S. 211 erwähnten Stücke. Dazu kommt
ferner eine kleine Kanne im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe von der bisher kaum
beachteten Fabrik von Bastdorf, sowie eine kürzhch vom Kunstgewerbemuseum in Dresden
erworbene kleine Dose mit Blumenmalerei.
3^«) Vgl. S. 118.
^") Doch ist derartig eingravierten Namenszügen, namentlich wenn sie die obengenannte
Signatur des Königs, das bekannte AR zeigen, nicht immer zu trauen, da nichts leichter für
einen Glasschleifer ist, als derartige Eingravierungen noch nachträglich vorzunehmen. Eine
ganze Reihe derartiger Stücke erscheinen daher äußerst verdächtig oder können auch als zweifel-
lose Fälschungen gelten, so z. B. eine Schale der Porzellansammlung in Dresden mit dem Brühl-
schen (!) Wappen
3^8) Übrigens hat auch die Technik des Schneidens damals an anderen keramischen Fabri-
katen Nachahmung gefunden, so vor allem an jenen in Anm. Nr. 359 näher beschriebenen braun
glasierten Tonwaren, die für gewöhnhch als Erzeugnisse Böttgers gelten, in Wirklichkeit aber
Bayreuther Fabrikate sind. Ein derartig verzierter Krug z. B. im Kunstgewerbemuseum zu
Berlin.
'•»ä') Auch Versuche mit einer weißen Glasur hat der unermüdliche Böttger an seinem Stein-
zeug gemacht; so besitzt die Kgl. Porzellanmanufaktur zu Meißen eine Tasse aus Böttger-
steinzeug, die mit einer dicken weißen, sehr ungleich geflossenen Glasur, die er vielleicht
seiner Fayencefabrik entnahm, überzogen ist. Doch hatte die Anwendung einer solchen ja wenig
Sinn. Daneben aber scheint gelegenthch auch einmal eine braune Glasur oder vielmehr eine
durchscheinende, das Rotbraun des Tones sichtbar lassende Glasur am Böttgersteinzeug zur
Anwendung gelangt zu sein; wenigstens besitzt die Dresdner Porzellansammlung durch späteren
Ankauf ein derartiges Stück, das den Scherben des Böttgersteinzeugs zeigt und auf dessen Glasur
das verschlungene Monogramm des Königs und Chinoiseriensilhouetten in Silber eingebrannt
sind. Doch kann dies Stück um seiner Ornamentik willen erst der Zeit nsich Böttgers Tode, aber dann
der unmittelbar folgenden angehören. Der größte Teil derartig glasierter brauner Tonerzeugnisse
wird jedoch jetzt bekanntHch mit Recht der Fayencefabrik von St. Georgen am See zu Bayreuth
zugeschrieben. Vgl. Brinckmann, Das Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg
1894, S. 330, 394, 491.; Stieda, Die keramische Industrie in Bayern während des XVIII. Jahr-
hunderts, Leipzig 1906, S. 31 ff. Von diesen Fällen sind noch solche zu unterscheiden, in denen
Anmerkungen. 297
bei an sich schwarz glasierten Böttgersteinzeugen diese Glasur so dünn aufgetragen ist, daß
auch hier der braune Scherben durchscheint und der Glasur einen stark bräunhchen Ton gibt,
der aber doch viel dunkler ist, als der der eben bezeichneten Stücke und mit diesen kaum ver-
wechselt werden kann.
^•*') Diese Rezepte befinden sich in einem der vielgenannten Arkanabücher der Porzellan-
sammlung in Dresden. Eins derselben gibt z. B. an, „Lithargium oder Glöthe und Braunstein
(wie die Töpfer zum Ofen brauchen) oder statt dessen calcinierten auch klein geriebenen Kobalt."
Ein anderes (von Stötzel) aus dem Jahre 1716 gibt 2 Teil Bleyaschen und 1 Teil Braunstein an.
Letzterer müßte aber vorher gut kalziniert werden.
'•1) Ausdrücklich wird in einem der vorhergenannten Arkanabüchern gesagt, daß, wenn
Stücke im Brande Risse bekämen, man sie glasieren solle. Ein derartiges ganz schwach gebranntes
und daher ganz weiches Stück, das auch mit einer der S. 118 angegebenen Markierungen ver-
sehen ist und eine jener S. 137 angegebenen Delfter Formen zeigt, befindet sich durch einen
späteren Ankauf in der Dresdner Porzellansammlung.
"«*) Siehe S. 47.
ä") Ähnhche Stücke finden sich wieder (vgl. Anm. 355 Nr. 3) bezeichnet mit Ary de Milde,
so z. B. im Herzoglichen Museum zu Gotha. Die Erklärung für diese auffallende Übereinstimmung
zwischen den Erzeugnissen Böttgers und denen Ary de Mildes k&nn, da letzterer damals schon lange
tot war, nur wieder die sein, daß die Schmelzmaler, die die Böttgerschen Erzeugnisse zu deko-
rieren hatten, auf ihren eigenen Antrieb und zu ihrem eigenen Gewinn — vielleicht ganz heim-
lich — auch jene holländischen Erzeugnisse, die zusammen mit dem ostasiatischen Porzellan
von den Holländern in den Handel gebracht wurden, in gleicher Weise, wie die Böttgerschen
dekoriert haben. Dagegen muß als völHg irrig jene oft infolge dieser merkwürdigen Überein-
stimmungen ausgesprochene Ansicht zurückgewiesen werden, daß Ary de Milde und jene andern
Holländer, deren Namen sich auf roten Tonwaren findet, unter Böttger gearbeitet haben. Wir
kennen die Namen aller Arbeiter, die Böttger beschäftigt hat, es findet sich aber kein einziger
von diesen darunter. Auch waren die meisten von diesen schon damals tot.
ä") Über eine Nachahmung in holländischem Steinzeug vgl. Anm. 355 Nr. 3.
"*) Vgl. Abb. 36.
^•*) Ein völlig gleicher Kopf in Wachs geformt und bemalt ist kürzlich von Herrn Gum-
precht in Berlin erworben worden. Ob dieser Kopf das Vorbild für den in Steinzeug gewesen ist,
oder ob sie beide ein gemeinsames Vorbild gehabt haben, hat sich noch nicht feststellen lassen.
*") Ein Exemplar dieser Figur, noch ungebrannt, befindet sich in der Sammlung Gum-
precht zu Berlin.
368) Vgl. die folgende Anmerkung.
369) jvjyj. gjjjg einzige der gleich näher beschriebenen Figuren hat sich, so viel ich bis jetzt
habe feststellen können, in zwei Exemplaren erhalten. Es ist jene in Abb. 57 rechts wieder-
gegebene Figur aus der „italienischen Komödie" im Herzoglichen Museum zu Gotha, die sich
in gleicher Weise auch noch in der Sammlung Lana in Prag befindet.
*'") Außer diesen hier erwähnten Figuren habe ich nur noch von einer einzigen anderen
gehört, die vor kurzem im Kunsthandel sich befand.
*") In einem der in der Kgl. Porzellansammlung aufbewahrten Rezepte und Arkanabücher
wird ausdrücklich erwähnt, daß derartige Medaillons in Gipsformen hergestellt wurden.
ä") Vgl. über dies vermeintliche Porträt Böttgers Anm. 45.
'") Obige Schilderung der Schwierigkeit der fabrikmäßigen Porzellanherstellung stützt sich
vor allem auf Kerl, Handbuch der Tonwarenindustrie. Dritte Auflage, bearbeitet von E. Gramer
und H. Hecht. Braunschweig 1907. PFipp/mger, Die Keramik. Wien, Pest, Leipzig 1897. Grimm,
Die Fabrikation des Feldspatporzellans. Wien, Pest, Leipzig 1901. Vogt, La porcelaine. Paris
1893. Vor allem aber auf Brogniarts klassischem Werk: La traitö de la c^ramique. Paris 1844,
in dem diese Schwierigkeiten ganz besonders anschaulich geschildert sind.
298 Anmerkungen.
3'*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I. Fol. 41. Steinbruch, Bericht über das
Personal der Manufaktur, 1719, § 4.
"*) Nach Engelhardt, a. a. O. S. 419, soll die Herstellung des Porzellans auch deshalb sich
so verspätet haben, weil Schnorr, der Besitzer der Aueschen Erde (siehe S. 158), wegen
der Lieferung dieser zur Porzellanherstellung unumgänglich notwendigen Erde so oft und so
viele Schwierigkeiten machte. Merkwürdig ist nur, daß man an anderer Seite von derartigen
Schwierigkeiten wiederum gar nichts erfährt. Weder Böttger entschuldigt sich damit, wie es
doch nahe genug gelegen hätte, noch hat auch Steinbrück je davon gesprochen, obgleich auch
er, namentlich in seinem großen Bericht an den König vom Jahre 1717 dazu volle Veranlassung
gehabt hätte. Bei näherer Prüfung dieser Engelhardtschen Angabe jedoch wird man auch hier
wieder ein treffliches Beispiel finden, wie er alle Angaben, selbst die harmlosesten immer in irgend
einem Böttger und seine Unternehmungen schädigenden oder unangenehmen Lichte vorzu-
bringen gesucht hat.
3'«) Vgl. unten S. 158. Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 122.
8") Vgl. S. 53.
"8) Vgl. Beilage Nr. III.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc 1340, IV., Fol. 295.
380) Steinbrück, Geschichtskalender sub 7. — 10. Mai 1710.
381) Kgi_ Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 113. v. Seidlitz, Die Meißner Porzellan-
manufaktur unter Böttger. Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. IX
S. 11, führt diese Stelle, die er auch etwas anders wiedergibt, als oben geschehen, als
erste Erwähnung der Versuche mit kobaltblauer Unterglasurmalerei an. Doch sind für diese
Annahme keine genügenden Anhaltspunkte vorhanden. Vielmehr läßt die Erwähnung vieler Farben
an diesen Stücken durchaus auf Überglasur-, also Emailfarben schließen. Eine Kombination
aber schon beider an einem und denselbem Stück erscheint für diese frühe Zeit wohl als un-
denkbar.
Vgl. S. 106.
Steinbrück, Geschichtskalender sub 24. März, 13. April und 15. Mai. 1711.
Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 143.
Steinbrück, Geschichtskalender S. 147, sub Januar 1712.
Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 69, S. 183.
Steinbrück, a. a. O. S. 69.
Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 26.
Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 26.
Steinbrück, a. a. O. S. 69 und 227.
Steinbrück, a. a. O. S. 227.
Vgl. den Anhang zu Steinbruchs Geschichtskalender.
In allem diesem bin ich dem Aufsatze von O. Stutzer ,Die „Weiße Erden Zeche St. An-
dreas" bei Aue (Zeitschrift für praktische Geologie, Bd. XIII, Jahrg. 1905, S. 333) gefolgt. Darnach
aber kann man wieder einmal sehen, wie wenig man Engelhardt trauen kann, wenn er (a. a. O.
S. 415) betreffs der Auffindung dieser Erde, die romanhafte Geschichte auftischt, daß Veit Hans
Schnorr, der spätere Besitzer dieser Erde einst bei einem Ritte auf eigenem Grund und Boden
im Walde unfern Aue vom Pferde gestiegen wäre und sich eben heraufschwingen wollte, als er
bemerkte, daß sein Pferd mit einem Hinterfuße so tief in lockere weiße Erde getreten war, daß
es ihn kaum herausziehen konnte. Diese Erde hätte hierauf Schnorr als Puder verkauft, mit dem
dann Böttger seine Perücken hätte pudern lassen. Als er dann aber bemerkte, daß dieser Puder un-
gewöhnlich schwer war, soll er seinen Kammerdiener Klunkern gefragt haben, woher er den Puder
beziehe, und, als er erfahren, daß er „irdischen Ursprungs" sei, sofort zu Porzellanversuchen
benutzt haben. Aus dieser Fabel ist dann später die noch seltsamere, aber sehr verbreitete
geworden, daß Böttger das Porzellan mit Hilfe seines Puders „erfunden" hätte. Vielleicht aber
Anmerkungen. 299
liegt die ganze Sache gerade umgekehrt und BöUger hat erst später die Schnorrsche Erde auch
als Puder verwenden wollen. Unter seinen vielen Propositionen befindet sich nämlich auch eine
„wegen Menagierung des Getraides beym Haarpuder" {Steinbrück, a. a. O. S. 87).
»") Engelhardt, a. a. O. S. 416, Anm. 57.
»»») Stutzer, a. a. O. S. 335.
»••) Engelhardt, a. a. O. S. 414. Nach Engelhardt, a. a. O. S. 417 soll Böttger im Jahre 1711
auch eine weiße Erde von Staucha probiert haben.
»•^) So berichtet wenigstens Engelhardt, a. a. O. S. 414.
"*) Steinbrück, a. a. O. S. 135.
"») Steinbrück, Anhang zum Geschichtskalender.
*°°) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 69.
*°i) Steinbrück, a. a. O. S. 70.
*«*) Steinbrück, a. a. O. S. 70.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 70.
*"*) Das heißt nachweislich bis zu der Zeit, in der Steinbrück, der uns von dieser Masse
allein berichtet, seinen in der Porzellansammlung befindlichen Bericht vom Jahre 1717 abschloß.
*°*) So wenigstens Engelhardt, a. a. O. S. 420. Die folgende Äußerung Böttgers beruht
dagegen auf Steinbrück, a. a. O. S. 86.
*"») Alle folgenden Angaben beruhen auf jenen Arkanabüchern der Meißner Manufaktur,
die in der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden aufbewahrt werden. Das wichtigste Buch für die
Böttgersche Zeit ist hier unzweifelhaft das des Arbeiters Stöltzels, desjenigen, der später Böttger
entlief, die Wiener Manufaktur begründen half (vgl. Kapitel V), dann aber wieder in Meißen auf-
genommen ward und hier noch längere Zeit tätig geblieben ist. Es enthält eine ganze Reihe von
Rezepten, die laut ihrer Datierung noch aus der Zeit Böttgers stammen, sowie auch, wie oben
erwähnt, noch Angaben über das rote Steinzeug.
*"') Meerheim, der intime Mitarbeiter Böttgers in seinen letzten Jahren und spätere Mit-
arbeiter an der Manufaktur (vgl. S. 203) sagt ausdrücklich in seinem in der Kgl. Porzellan-
sammlung aufbewahrten Aufzeichnungen S. 8: „Colditzer Thon temperirt die Masse sich in der
Formung tractiren zu lassen. Wenn aber die Grundsubstanz die Fettigkeit in sich hat und zehe
ist, gebraucht es den Zusatz nicht."
*"8) Das geht aus allen in der Kgl. Porzellansammlung in Dresden befindlichen Arkana-
büchern hervor.
*»») Steinbrück, a. a. O. S. 142.
*i°) Sowohl Stöltzel wie auch Schuberth sagen in ihrer in der Porzellansammlung befindUchen
Arkanabüchern fast in wörthcher Übereinstimmung bei Erwähnung von Kreide als Bestand-
teil des Porzellans: „so lange man Alabaster haben kann, so braucht man auch keine Kräuthe-
( Kreide) masse zu machen".
*") Nach dem Arkanabuch von Schuberth, 1731, in der Kgl. Porzellansammlung. Da Böttger
seinen ersten Alabaster wie in Kapitel II erwähnt, aus Nordhausen bezog, wie man es in
Meißen noch im Jahre 1731 tat, so steht wohl fest, daß dies auch die ganze Zwischenzeit ge-
schehen ist.
*") Ursache hierzu ist jedenfalls mit gewesen, daß man, wie Vogt, La porcelaine, Paris,
S. 128 behauptet hat, damals über den Spat noch sehr unklare Begriffe hatte und hier die ver-
schiedensten Materien miteinander verwechselte.
*") Vgl. S. 3.
*^*) So Steinbrück in seinem Bericht in der Porzellansammlung.
*") So berichtet ein 1719 überschriebenes Rezept in dem in der Porzellansammlung zu
Dresden aufbewahrten Arkanabuche Stöltzels.
*») Kgl. Sachs. "Hauptstaatsarchiv Loc. 7416 E, Fol. 3.
*") Vgl. S. 161.
300 Anmerkungen.
*") Steinbrück, a. a. O S. 57.
*") Heintze (a. a. O. S. 391) nennt das nach dem oben angeführten Rezepte hergestellte
Porzellan ein praktisch „noch durchaus ungenügendes Porzellan".
*2o) Bericht über die Erfindung des Porzellans in der Manufaktur zu Meißen.
"1) Steinbruch, a. a. O. S. 82.
*") Steinbrück, Geschichtskalender sub 13. April 1711.
*") Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 160.
*2*) Sächsische Volkskunde. Dresden 1899. S. 173. Die Brauerzunft war damals in Sachsen
nach der der Tuch-, Zeug- und Borstenmacher die allerstärkste. Danach begreift man, daß Böttger
damals sich solche Mühe gab, diesem Gewerbe in dieser Weise zu helfen. Es ist damit ein neuer
Beweis gegeben, wie rationell alle Böttgerschen Bestrebungen gedacht waren.
*25) Steinbrück, a. a. O. S. 89.
«2«) Steinbrück, a. a. O. S. 90.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 65.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 64.
"») Vgl. S. 72.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 159.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 239.
"2) Vgl. auch Heintze, a. a. O. S. 392.
**3) Diese Beschreibung findet sich wieder in der viel genannten Sammlung von Rezepten
auf dem Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv (Loc. 1340, II). Da sie dort gleich dem oben angeführten
Rezepte für Porzellanglasur folgt, so darf man wohl annehmen, daß sie sich gleichfalls auf das
Porzellan bezieht. Ein keramischer Ofen war es jedenfalls, da ausdrücklich von „einsetzen"
die Rede ist.
"*) Vgl. S. 72.
*35) Steinbrück, a. a. O. S. 228. Etwa ein Jahrzehnt sind nach den Arkanabüchern der
Porzellansammlung diese Kapseln nachweishch aus einem Ton von Mehren unweit Meißen
hergestellt worden. Es ist daher wohl möglich, daß, wie Engelhardt berichtet, dies auch schon zu
Böttger s Lebzeiten geschah.
*'*) Daß es schon zu Böttgers Zeit den Verglühbrand gab, geht aus dem Meißner Manu-
skript über die Erfindung des Porzellans hervor. Verglüh- und Gutbrand werden hier deutlich
einander gegenübergestellt.
*^') Dies ist wenigstens die Ansicht von Herrn Oberbergrat Heintze in Meißen, die viel
für sich hat.
*^8) Diese Schilderung folgt wieder dem Meißner Manuskript über die Erfindung des Por-
zellans.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 213.
*") Vgl. S. 76.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 245, 258.
**2) Es handelt sich um jene Antiken, die jetzt z. T. den Grundstock des Albertmums in
Dresden ausmachen.
*") Vgl. S. 167.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 73.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 258.
"«) Vgl. S. 53.
**') Die Beschreibung dieser Gefäße paßt so genau auf die in Abb. 70 wiedergegebenen,
daß an eine Übereinstimmung beider wohl kaum zu zweifeln ist. Namentlich ist hierbei wichtig,
daß das eine Gefäß in der Tat unglasiert ist, und daß vor allem die blaue Emailfarbe noch nicht
gelungen ist.
"8) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 113.
Anmerkungen. 301
**•) Steinbrück, a. a. O. S. 86.
«o) Vgl. S. 106.
**i) Steinbrück, Geschichtskalender sub 24. und 26. März.
"») Vgl. S. 226.
*"') Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 73.
*") Justi, Abhandlungen von denen Manufakturen. 1758. S 484 ff. J. G. Lehmann, Cad-
miologie oder Geschichte des Farben- Kobolds. Königsberg 1761.
*'*) Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 72
«•) Siehe S. 90.
*") Siehe S. 254.
*") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, II.
**») Nicht richtig aber ist, daß, wie v. Seidlitz a. a. O. S. 11 angibt, bereits am 28. Juni 1710
Proben von kobaltblauer Malerei auf Porzellan an den König gesandt worden sind. Die dort
erwähnten Gefäße, die schon oben bei Erwähnung der Schmelz- und Emailfarben beschrieben
worden sind (vgl. S. 168), zeigten zwar eine blaue Farbe, die aber in keiner Weise als Kobaltblau
charakterisiert worden ist. Vielmehr kann sie durchaus eine blaue Emailfarbe gewesen sein, die,
wie später in dem das Böttgerporzellan näher schildernden Kapitel gezeigt werden wird, Böttger
gleichfalls große Mühe bereitet hat.
*•") Was dieser Ausdruck eigentlich bedeuten soll ist nicht recht klar, da Böttger eigenes
Geld doch kaum besaß.
"1) Steinbrück, a. a. O. S. 72.
*") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, II.
"=•) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 288; Loc. 7416, Fol. 5.
"*) Steinbrück, a. a. O. S. 72.
***) So berichtete Nehmitz bald nach Böttgers Tode (Kgl. Sachs. Hauptstaatarchiv Loc. 1340,
I. Fol. 41), daß die blaue Farbe noch in Vorbereitung sei.
"•) Vgl. S. 160.
*«') Steinbrück, a. a. O. S. 72.
«") Vgl. S. 260.
«••) Steinbrück, a. a. O. S. 228.
*'">) Steinbrück, a. a. O. S. 288.
*'i) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 348,
*^*) Steinbrück, Geschichtskalender sub Januar 1712.
*") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 7416, Fol. 31 und 1340, IV, Fol. 461.
"*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, II.
*'*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I.
478) Vgl. das Gründungsdrekret der Manufaktur Beilage III.
«") Vgl. S. 164 u. 167.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 265. Später in den Jahren 1718 u. 1719 hatte man freihch
den Wunsch, sogar Tischblätter, Türpfosten, kleine Särge, selbst „Leichen-Steine" in Por-
zellan oder auch im roten Steinzeug anfertigen zu lassen (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1340, IV) was natürlich, wie z. T. überhaupt nur frommer Wunsch geblieben ist.
*^») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, Fol. 461.
"") Steinbrück, a. a. O. S. 256.
**^) Vgl. hierfür wie für das Folgende den unter den Akten der Meißner Manufaktur auf-
bewahrten Personalbericht Steinbrücks über das Personal der Manufaktur bei Böttgers Tode.
"*) Vgl. S. 47.
«") Vgl. S. 51.
«»«) Steinbrück, a. a. O. S. 127.
***) Sieinbrück, Geschichtskalender sub März 1712.
302 Anmerkungen.
**•) Steinbrück, Geschichtskalender sub 1. November 1710.
*") Steinbruch, a. a. O. sub 1. November 1710.
**8) Steinbrück, a. a. O, sub 21. April 1711.
*'*) Steinbrück, a. a. O. sub 2. und 21. April; Steinbrück, Bericht in der Porzellan-
sammlung S. 186.
*'») Steinbrück, Personalbericht von 1719 § 2.
**^) Wie sie hierfür zum Schluß belohnt wurden, ergibt sich aus dem Schlußkapitel S. 250.
*") Vgl. Böhmen, UrkundUche Geschichte und Statistik der Meißner Porzellanmanufaktur
von 1710 — 1880 (Zeitschrift des Kgl. sächs. statistischen Bureaus, XXVI. Jahrgang, 1880) S. 51.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 173, 174, 204, 205.
*»*) Steinbrück, a. a. O. S. 174, und Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 160.
*»^) Steinbrück, a. a. O. S. 160.
"") Steinbrück, a. a. O. S. 259.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 259.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 71.
*»») Steinbrück, a. a. O. S. 71, 166.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 166, 230.
«"1) Steinbrück, a. a. O. S. 161.
*02) Steinbrück, a. a. O. S. 71.
"») Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 279.
«") Steinbrück, a. a. O. S. 167 ff.
•") Steinbrück, a. a. O. S. 67.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 77.
"') Steinbrück, a. a. O. S. 75.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 51.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 52.
"0) Steinbrück, a. a. O. S. 36.
«") Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 30.
"2) Steinbrück, a. a. O. S. 110.
"*) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, Fol. 343.
"*) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, 26.
"*) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, 186.
"«) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I.
«") Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 213.
"8) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 21, 22.
"9) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 26.
"0) Steinbrück, a. a. O. S. 24.
"1) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I.
"'') Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 24.
"3) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I.
"*) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I. 22. Juni 1713.
"6) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I. Fol. 12, 32.
"«) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 28.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 102.
"8) Steinbrück, a. a. O. S. 110; Kgl. Sächs. Hauptstaatarchiv 1340, I, 28.
"») Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I. 27. Juli 1713.
"«) Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I. 20. Juli 1713.
"") Kgl. Sächs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I.
"2) Steinbrück, a. a. O. S. 32.
"3) Steinbrück, a. a. O. S. 112.
Anmerkungen. 303
»»«) Steinbrück, a. a. O. S. 110.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 111.
"•) Steinbrück, Personalbericht von 1719 §2.
»") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 405.
"«) Steinbrück, Personalbericht von 1719 § 2.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 28.
"") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV. Fol. 405.
"^) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 405; Steinbrück, Bericht in der Por-
zellansammlung S. 102.
»") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 363.
»") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 367.
"*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 370.
*") Fast alle auf diese Vollhardtsche Sendung bezüglichen Schriftstücke finden sich ver-
einigt im Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 363 ff.
"•) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 371.
**') Alles dies und das Folgende nach unter Anm. 545 angegebenen Akten.
"») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, I, Fol. 279 ff. bis 303 ff.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, I, Fol. 303 ff.
*") Auf dieser damaligen Absicht, Böttger zum Bergrat zu machen, dürfte ganz allein die
an so vielen Stellen wiederholte Fabel beruhen, daß der König Böttger zum Bergrat gemacht
hätte.
**^) Diese Vermutung beruht auf einem Schriftstücke im Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv
Loc. 1340, IV, Fol. 429, betitelt „Lediglich Informationis gratia. unvorgreiffliches Concept zu
einem allergnädigsten Dekret derer neuen Manufakturen wegen Johann Friedrich Böttger und
Carl Friedrich VoUhardten betreffend", das obige Angaben enthält. Da nach diesem, wie oben
angegeben, Böttger Bergrat werden sollte, so kann dies Konzept unmöglich ein Vorschlag von
ihm selber sein, der in früheren Jahren oft die Entwürfe zu den königlichen Dekreten dem
Könige selber eingereicht haben soll. Das wäre denn doch eine etwas zu arge Dreistig-
keit Böttgers gewesen. Nicht ganz ausgeschlossen freilich jedoch ist, daß es das oben erwähnte
untergeschobene Konzept darstellt, in dem man dann Böttger durch diese angebliche Dreistigkeit
beim König in Mißkredit zu setzen versucht hätte. Für das Folgende findet sich ein Konzept
an Statthalter und geheimes Konsilium auf dem Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV,
Fol. 433. Dagegen hat sich in den Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchivs nicht mehr jenes
von Engelhardt (a. a. O. S. 359) erwähnte Dekret vom 5. Dezember 1715 gefunden. Da aber zwi-
schen diesem und obigem Konzept, dessen Inhalt Engelhardt kurz vorher (a. a. O. S. 357) gleich-
falls mitteilt, eigentlich kein großer Unterschied ist, so darf wohl man annehmen, daß jenes Kon-
zept, das, weil ohne Datum, undatierbar ist, zu jenem Dekrete die Vorarbeit ist. Böttger wäre
dann die Leitung der Fabrik in der obengenannten Weise erst am Ende des Jahres, also erst
ein halbes Jahr nach der FoZZÄardtschen Sendung übertragen worden.
^**) Diese ganze Darstellung der Plaueschen Fabrik folgt in erster Linie Steinbrück, Bericht
in der Porzellansammlung S. 196 ff., woselbst ihr ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Weiter haben
über diese Fabrik geschrieben Sybel, Nachrichten über das Städtchen Plauen an der Havel in-
sonderheit von der dort angelegten Porzellan-Manufaktur. Berlin und Stettin 1811; von
Seidlitz im Neuen Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde, Bd. X; Stieda,
zur Geschichte der Porzellanfabrikation in der Mark Brandenburg, in Forschungen zur
Brandenburgischen und Preußischen Geschichte. Eine ausführliche Darstellung der Geschichte
dieser Fabrik und ihrer Erzeugnisse wird außerdem von mir in den Monatsheften für
Kunstwissenschaft erscheinen.
***) Steinbrück, a. a. O. S. 209. Ein Betrugversuch muß freiHch auch schon 1709 versucht
sein. Wenigstens findet sich unter den Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchivs (Loc. 1340,
304 Anmerkungen.
V. 283) ein Protokoll „wegen heimlichen Abgebens roter Masse", dem ein Bestechungsversuch
zugrunde gelegen zu haben scheint.
"*) Steinbrück, a. a. O. 212.
8") Steinbrück, a. a. O. 201.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 219.
'") Steinbrück, a. a. O. S. 116. Diese Darstellung widerspricht allerdings völlig dem, was
Engelhardt in seinem Kapitel, betitelt „das Fabrikpersonal" (a. a. O. S. 375) über diese Zustände
gesagt hat; aber nirgends findet sich jetzt weder in den Akten noch in den Berichten Steinbrücks
auch nur die geringste Bestätigung jener ganz unglaublichen Schilderungen, die er hier über
das Personal, über seine Herkunft und sein Betragen gemacht hat, und doch hätte sicherlich,
wenn jene von Engelhardt geschilderten Zustände wirklich vorhanden gewesen wären,
einmal irgend eine der Persönlichkeiten um Böttger hierüber berichten müssen. Statt dessen
sehen wir, daß eine Fabrik fast ganz ohne Oberleitung fortbesteht, allein durch die gemeinsame
Arbeit ihres Personals, daß darunter sich mehrere Arbeiter finden, die wirklich Hervorragendes
in technischer Beziehung leisteten, und daß z. B. Steinbrück in dem vielgenannten unter den
Akten der Meißner Manufaktur befindlichen Personalbericht vom 5. Juni 1719, also nach Böttgers
Tode, des Lobes voll ist über die Arbeiter, sie vielfach gut und still und fromm nennt, nur höchstens
einmal das Mundwerk von einem tadelt. Und das alles nach Böttgers Tode, wo die Fabrik doch
ziemlich heruntergekommen war und Steinbrück auch nicht die geringste Veranlassung
hatte, irgend einen Arbeiter zu schonen. Man weiß daher wirklich nicht, woher Engelhardt die
Nachrichten gehabt haben will, auf die er diese merkwürdigen Schilderungen stützt. Vielleicht
war es das rätselhafte Manuskript Wildensteins (vgl. Einleitung S. VIII), wenn es wirklich existiert
hat, der, selber Arbeiter, dann hier einen unglaublichen Fabrikklatsch niedergelegt haben muß.
Wahrscheinlich jedoch hat Engelhardt selber hier wieder nach seiner sein ganzes Buch durch-
ziehenden Methode einzelne Fälle in das Ungeheuerlichste verallgemeinert. Auf jeden Fall läßt
sich seine Darstellung in keiner Weise halten, und es war daher höchste Zeit, auch den Arbeitern
Böttgers Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
"8) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 26.
"«) Steinbrück, a. a. O. S. 220 ff.
^^°) So wenigstens deutet Steinbrück einmal an. Nach Engelhardt sollen diese natürlich
wieder ganz ungeheuerlicher Natur gewesen sein.
"1) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, IV, Fol. 442.
"2) Steinbrück, a. a. O. S. 112.
"3) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 36.
***) Diese Darstellung der günstigen Lage der Fabrik beruht zunächst auf Steinbrücks
in der Porzellansammlung zu Dresden befindlichem Bericht über die Böttgerschen Manufakturen,
der gerade in dieser Zeit abgefaßt ist. Man könnte vielleicht annehmen, daß er zu optimistisch
gehalten ist, da Steinbrück entschieden ein gewisses Interesse daran hatte, die Fabrik an sich
als durchaus befriedigend, nur hinsichtlich ihrer Organisation als reformationsbedürftig hin-
zustellen. Aber es ist doch sehr bezeichnend, daß eigentlich alle Untersuchungen und Vorschläge
betreffs Verbesserung der Böttgerschen Fabriken sich nie auf eine solche des inneren Betriebes
bezogen haben, sondern allein, wie es eben auch Steinbrück hier tut, auf eine bessere straffere
Organisation, dann auch auf Herabsetzung der Unkosten und Beschaffung der nötigen Gelder.
Da kann doch nicht der geringste Zweifel darüber bestehen, daß die Darstellungen, die Engelhardt in
dieser Beziehung gegeben, die leider dann wieder die allein herrschenden geworden sind, wieder
einmal gänzlich verfehlt gewesen sind und auf nichts Positives beruhen.
*««) Steinbrück, a. a. O. S. 258.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 223.
"') Vgl. S. 175.
Anmerkungen. 305
"*) Steinbrück, a. a. O.iS". 244; SteinbrückJ^ Berichi über das Personal der Meißner Manu-
faktur von 1719 § 2.
'•») Steinbrück, Bericht in der Porzellansammlung S. 249.
•'") Es ist dies das im Vorwort genannte, hier unausgesetzt benutzte, in der Porzellan-
sammlung befindliche Manuskript Steinbrücks. Daß es nicht an den König abgesandt ward,
ersieht man schon daraus, daß es nicht ganz zu Ende geführt ist: Steinbrück wollte zum Schluß
ein Register anlegen, er hat aber nur das Wort „Register" hingeschrieben, es dann aber nicht
einmal auszufüllen begonnen.
"1) Steinbrück, a. a. O. S. 219, 263.
"*) Steinbrück, a. a. O. S. 253.
"») Steinbrück, a. a. O. S. 250 ff.
"*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341. Brief Böttgers an den König vom 5. Ok-
tober 1715.
"«) Kgl. Sachs. Staatsarchiv Loc. 1341.
"«) Kgl. Sachs. Hauptstaatarchiv Loc. 1341, 7416.
"') Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, Fol. 314.
"*) Über Böttgers langjährige, stets zunehmende Krankheit besitzen wir sehr klare Schilde-
rungen durch Steinbrück in seinem Bericht in der Porzellansammlung S. 22, sowie in den Angaben,
die Engelhardt (a. a. O. S. 446 ff.) gibt, deren Quellen aber für uns leider nicht mehr auffindbar
sind. Diese weisen nach der sorgfältigen Prüfung eines mir befreundeten Arztes mit Bestimmt-
heit darauf hin, daß Böttger seit dem Jahre 1713, als ihn jene früher erwähnte Krankheit befiel,
von der er sich nie wieder erholt hat, zum mindesten herzkrank war. Über die Ursache dieses
Leidens, und ob es die Folge seines nicht gerade vorsichtigen Lebenswandels war, läßt sich
dagegen nichts sagen. Man hat aber deshalb durchaus kein Recht anzunehmen, daß Böttger
sich durch sein Trinken zugrunde gerichtet hat. Eine kräftige Natur, wie es Böttger nach Stein-
brücks Schilderung durchaus war, kann wohl schon geraume Zeit derartige Ausschweifungen
sehr gut vertragen, ohne so früh dabei zugrunde zu gehen, wie Böttger es tat. Auch ist das Trinken
Böttgers lange nicht so arg gewesen, wie Engelhardt es uns hat glaubhaft machen wollen. Noch
im Jahre 1717 als Steinbrück seinen großen, in der Porzellansammlung befindlichen Bericht über
die Böttgerschen Manufakturen abfaßte, sagte er hierüber bei Erwähnung seiner häufigen Un-
päßlichkeiten nur: „Folglich daß seine öflteren Unpäßlichkeiten nur von dem geschwächten
Systemate nervöse und Cachexia des Magens herrühren, welche er sich ohne Zweifel durch die
vielen Spirituose, so er gebrauchet und das starke Getränke (worunter der Rauch-Taback) zu-
gezogen". . . . und weiter: „Und hat es das Ansehen gewonnen, als ob die Gewohnheit überflüssiges
Getränke zu nehmen, stärker werden könne, als das Vermögen sich davon wieder zu enthalten".
Daß aber damals dadurch irgendwie seine Kräfte wirklich gelähmt wo* den wären, wird nirgends
gesagt. Erst nach seinem Tode heißt es dann in der Untersuchung der Manufaktur durch die
Kommission, daß „Böttger in den letzteren Jahren fast täghch trunken und wenig bei Ver-
stände gewesen" (Loc. 1339, II, Fol. 230). Aber ausdrückhch ist hier nur von „den letzteren
Jahren" die Rede und dann folgt auch noch die Einschränkung: „fast täglich". Auch Nehmitz
sprach nach Böttgers Tode einmal ausdrücklich davon, daß Böttger „einige Jahre vor seinem
Tode" sich das Trinken angewöhnt hätte (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 220).
Engelhardt dagegen stellt natürlich die Sache wieder so dar, als ob Böttger eigentlich sein ganzes
Leben hindurch immer betrunken gewesen sei, und liefert damit noch einmal ein Beispiel
seiner ganz unverständlichen beständigen Übertreibungen zu Ungunsten dieses Mannes.
*'•) Nach Akten der Kgl. Porzellansammlung zu Dresden. Vgl. auch Graesses Aufsatz in
Müller und Falkes Zeitschrift für deutsche Kulturgeschichte, Bd. III, 1858 S. 172.
»*'') Über Meerheim vgl. auch die Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchivs Loc. 1341, III,
die viel über ihn, seine Arbeiten und sein Verhältnis zu Böttger enthalten. Ferner den Schluß
dieses Werkes S. 253.
Zimmermann, Meißner Porzellan. 20
306 Anmerkungen.
"1) Vgl. Anm. 578.
"*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 228 ff. Brief Steinbruchs an Nehmitz
vom 17. Juni 1719. AUzuschUmm kann jedoch dieses Mitteilen von Arkana durch Böttger nicht
gewesen sein; denn man erfährt nach Böttgers Tode von keinem, der auf diese Weise etwas über
dieselben erfahren hätte, und trifft auch deswegen trotz der Wichtigkeit der Sache nicht die ge-
ringsten Maßregeln. Der einzige, an den man hierbei noch etwa denken könnte, Hunger, kam,
wie sich weiter unten zeigen wird, nirgends mit seinen Sachen zustande. So dürfte auch diese
Sünde Böttgers stark aufgebauscht sein. Außerdem wußte er wohl, daß man durch bloße Worte
keinem das so schwierige Porzellanmachen lehren kann.
"3) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 226 ff.
'") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, I, Fol. 318.
^**) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, I, Fol. 318. 5ö«ger scheint damals selbst einmal
daran gedacht zu haben, die Manufaktur ganz Nehmitz zu überlassen. Kgl. Sachs. Hauptstaats-
archiv Loc. 1340, IV, Fol. 463.
"«) Engelhardt, a. a. O. S. 452.
«8«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 18, 136.
"') Kgl. Sachs. Haupttsaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 226 u. 1339; II. 41, 71, 137.
"«) Nachdem Berichte Steinbruchs (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 226) ist
Stöltzel nicht etwa wegen der traurigen Zustände der Fabrik, sondern wegen einer Schwänge-
rungssache in Freiburg weggegangen. Der einzige Vorwurf, den man Böttger in dieser An-
gelegenheit machen könnte, wäre daher der, daß er allzuviele in der Fabrik Mitwisser der
Arkana hätte werden lassen. Doch ist hierbei nicht zu vergessen, daß er es nicht im mindesten
verhindern konnte, wenn die Arbeiter ihren Eid brechen wollten und sich gegenseitig den Teil
der Arkana mitteilten, den sie durch ihre Arbeit kannten.
^*^) Eine größere Anzahl Inkunabeln befindet sich noch im Museo civico zu Turin, im Zäh-
ringer Museum zu Karlsruhe und in der Sammlung Dr. v. Daliwitz, Berlin.
"«) Vgl. S. 57.
*") Steinbrück, a. a. O. S. 57.
^*2) Über die derartig gelbliche Färbung von Porzellanmassen sind früher die verschiedensten
Erklärungen gegeben worden. Brogniart in seinem traite des arts ceramiques schreibt sie z. B.
der Feuchtigkeit der Masse zu. Jetzt nimmt man nach Herrn Oberbergrat Heintze in Meißen an,
daß dieselbe von dem Vorhandensein von Titansäure herrühre.
^^ä) Auch in der Porzellansammlung in Dresden finden sich fast gar keine Stücke mit der-
artigen Fehlern.
«»*) Vgl. S. 164.
''^) So einige Stücke in der Porzellansammlung in Dresden.
^»6) Vgl. S. 156.
«") Vgl. S. 56.
^*8) Übrigens scheint ja auch Tschirnhausen aus gleichem Grunde sein Porzellan einmal
geschliffen zu haben (vgl. Anm. 44).
"») Vgl. S. 47.
ßo") So berichtet das „Meißner Manuskript".
^"^) Ein gleichfalls sehr merkwürdiges Stück, das einer früheren Zeit angehören muß, be-
findet sich im Zähringer Museum zu Karlsruhe, eine schmutzig glasierte Schale mit aufgelegten
Muhmezweigen mit Lackfarben in Rot und Gold. Der Boden dieser Schale ist auf der Unterseite
noch nicht glasiert. Im Spiegel der Schale aber befinden sich vier Punkte, als wenn dort etwas
auf Stützen hineingesetzt wäre, um gemeinsam in einer Kapsel gebrannt zu werden. Eine der-
artige Sparsamkeitsmethode hat naturgemäß nur am Anfange angewandt werden können.
«''^) Vgl. S. 167.
«»') Vgl. S. 262.
Anmerkungen. 307
••»«) Vgl. S. 162.
«») Vgl. S. 125.
•»«) Vgl. S. 167.
««^) Vgl. S. 167.
608) Vgl, über dies und das Folgende meinen Aufsatz „Porzellanstil" im Kunstgewerbeblatt
N. F. Bd. XVI.
*>•) Vgl. wieder meinen in Anm. 608 genannten Aufsatz „Porzellanstil".
"») Vgl. S. 152.
•") Es ist nicht richtig, wenn p. Seidlitz a. a. O. S. 119 sagt, daß man 1708 schon an die
Erfindung der braunen Glasur gedacht hätte, die nach Böttgers Tode freilich sehr bald in Meißen
erfunden worden ist. Die dort zitierte Stelle ist nicht richtig gelesen. Es darf nicht heißen, „als
auch was zu dessen gänzhcher Verfertigung an braunen Glasuren und zu Bereitung der Farben
gehörig sagen und erlernen wird", sondern „an Brennen, Glasuren und zur Bereitung" usw.
612) Engelhardt a. a. O. S. 5.
6") Auch in der von Böttger gegründeten Fayencefabrik scheint man sich der Lackfarben
damals bedient zu haben. Die Kgl. Porzellansammlung hat z. B. vor kurzem eine Schale er-
worben, die in dieser Technik das sächsisch-polnische Wappen zeigt, und die wohl schon deshalb
als ein Fabrikat dieser Fabrik anzusehen ist, da man ein so primitiv bemaltes Stück wohl
schwerlich von auswärts bestellt haben wird.
"*) Vgl. hierüber Du Sartel, La porcelaine de Chine. Paris 1881, S. 15.
"*) Vgl. S. 33.
6") Derartig bemalte Porzellane, deren Maler man bisher sehr unglücklich mit „Über-
dekorateure" bezeichnete, während man sie lieber nach der Analogie von Winkeladvokaten
Winkelmaler nennen sollte, finden sich in jedem größeren Porzellanbestande, da sie allgemein
noch immer als in Meißen bemalt angesehen und für große Unika gehalten, deshalb auch törichter-
weise sehr hoch bezahlt werden. Ihre Zahl ist viel größer, als man für gewöhnlich annimmt.
Den größten Bestand besitzt die Kgl. Porzellansammlung zu Dresden, in der man fast alle Typen
dieser Art kennen lernen kann.
•") Vgl. S. 168 ff.
«1*) Ein gutes Stück dieser Art, ein Teetopf mit Rosamalerei, befindet sich z. B. auch in
der Sammlung Dr. v. Dallwitz zu Berlin, mehrere Tassen außerdem im Porzellanzimmer des
Schlosses zu Arnstadt.
61*) Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß auch die Chinesen, wenn auch erst später,
es verstanden haben, solchen Lüster oder solche Lüsterfarbe auf Porzellan anzubringen. Doch
ist dies scheinbar nur äußerst selten geschehen, da mir nur ganz wenige Stücke dieser Art bekannt
geworden sind. Eines derselben, eine kleine Schale mit gemalten Drachen, befindet sich in der
Sammlung des Baron Speck von Sternburg, z. Z. in Washington, früher in Leipzig.
6*") Nach Angabe von Oberbergrat Dr. Heintze in Meißen. Das Rezept hat sich dort noch
erhalten, und es ist auch auf Grund dessen bereits ein sehr gelungener Versuch mit diesem
Lüster wieder gemacht worden.
6") Im Bethnalgreenmuseum in London befindet sich in der ehemaligen Sammlung
Franks ein Meißner Porzellan mit einer derartigen Verzierung, das laut Inschrift sich als
ein Werk des an der Meißner Manufaktur angestellten Bruders Herolds, des damaligen künst-
lerischen Leiters der Manufaktur, darstellt.
6'"') Und zwar zuerst am Ende des 18. Jahrhunderts in der Berhner Porzellanmanufaktur
durch Klaproth. Vgl. Klaproth, Über die Anwendung der Piatina zu Verzierungen auf Porzellan
(Deutsche Abhandlungen der Kgl. Akademie zu BerUn 1788/1789).
6") Der Beweis, daß diese Stücke wirklich der Böttgerschen Zeit angehören, beruht ein-
mal auf der Art der oben bezeichneten Ornamentik, dann auch darauf, daß an der einen Tasse
sich am unteren Rande Reliefgoldverzierungen finden, wie sie soeben oben beschrieben worden sind.
20*
308 Anmerkungen.
«") Es muß hierbei freilich mit besonderem Nachdruck bemerkt werden, daß es durchaus
nicht immer ganz leicht ist, die bemalten Porzellane der Böttgerschen Zeit von denen der aller-
ersten Jahre der nächsten, der sogenannten Heroldperiode zu sondern. Das -Böwge/^che Porzellan
hat zwar, wie oben gesagt, seine ganz besonderen Kennzeichen, die es zu einem bestimmten und
unverkennbaren Typus erheben, dazu gehört in erster Linie die gelbliche Farbe seiner Masse,
dann der Charakter der oben beschriebenen Emailfarben. Aber selbstverständlich hat das
Porzellan, das in der Heroldschen Epoche hergestellt worden ist, nicht gleich am Anfange schon
ein ganz anderes sein können: es hat daher eine Zeitlang gleichfalls noch die gelbe Tönung gezeigt,
und es steht jetzt auch fest, daß Herold am Anfange durchaus noch die Böttgerschen Email-
farben verwandt oder von seinen Malern hat verwenden lassen. Typisch für die erste, etwa 10 Jahre
währende Heroldzeit sind bekannthch die Chinoiserien, jene eigentümhch phantastischen Dar-
stellungen aus dem Leben und Treiben der Chinesen, bei denen diese selber, nicht etwa wie sonst
vielfach die sie umgebende Szenerie, die Hauptsache ausmachen. Sie dürfen unbedingt als Er-
findungen Herolds gelten, schon deshalb, weil er sich auf einigen in der Ornamentstichsammlung
des Berliner Kunstgewerbemuseums vorhandenen Stichen gleichen Inhalts ausdrücklich als
solchen bezeichnet hat. Nun aber besitzt die Dresdner Porzellansammlung seit einiger Zeit einige
Porzellane mit derartigen Chinoiserien, die noch unverkennbar in den Böttgerschen Farben bemalt
sind. Andere derartige Stücke sind vom Verfasser im Kunsthandel, darunter selbst einmal ein
ganzes Service, gesehen worden. Sie muß man unbedingt als Arbeiten schon aus der Zeit Herolds
ansehen. An sich hegt diese Sache auch durchaus klar, da wir wissen (vgl. S. 262), daß die Probe-
stücke, die Herold mitbrachte, als er auf Veranlassung des Meißner Arbeiters Stöltzel, des Mit-
begründers der Wiener Manufaktur, von Wien nach Meißen übersiedelte, mit Farben bemalt
waren, die Stöltzel in Wien zubereitet hatte und die, da man diesem einfachen Arbeiter doch
keine selbständigen Erfindungen zutrauen kann, nur die durch Böttger in Meißen eingeführten
gewesen sein können. Ein Widerspruch hierzu scheint freilich jener bei Berling (a. a. O. Fig. 22)
abgebildete Schokoladenbecher des Berliner Kunstgewerbemuseums zu sein, der die Inschrift
am Boden trägt „20. August 1719" und lange Zeit allgemein für ein Probestück Herolds bei
Gelegenheit seiner Anstellung in Meißen gehalten worden ist. Doch kann ich nicht umhin, diese
Inschrift für gefälscht anzusehen, da die auf diesem Stücke sich findenden Farben und Muster
sich meiner ganzen Erfahrung nach nur auf Stücken wiederfinden, die einer Zeit angehören, da
die Schwertermarke schon eingeführt war. Dies ist aber, wie sich z. B. auf Grund des ältesten
Inventars der Porzellansammlung aus dem Jahre 1721 feststellen läßt, in den ersten Jahren
Herolds noch nicht geschehen.
«") Vgl. S. 173.
^^^) Neben diesen eben erwähnten Malereien hat sich auf den Porzellanen dieser Zeit eine
ganze Reihe bisher kaum beachteter figürlicher Malereien gefunden, die so häufig und in so ver-
wandter Form wiederkehren, daß sie bereits als feststehender Typus zu betrachten sind. Es
handelt sich bei diesen immer um Liebes- und Gesellschaftsszenen, sowie um einzelne oder Gruppen
von Frauen in der Zeittracht, (welch letztere immer nur als Brustbilder erscheinen), die aber
alle in Medaillons gesetzt sind, die eine vielfach die ganzen Wandungen der Gefäße ausfüllende
reiche Goldornamentik umzieht. Die Malereien sind bisweilen, so z. B. bei einer Teekanne der
Dresdner Porzellansammlung (vgl. Abb. 111), ferner bei einer Kaffeekanne der Sammlung von
Dallwitz, Berhn, in sämtlichen Böttgerschen Emailfarben ausgeführt, hierbei immer noch technisch
recht ungeschickt, häufiger jedoch in schwarzer und eisenroter Farbe gehalten. Von derartigen
Stücken befindet sich z. B. ein ganzes großes Tee- und Kaffeeservice im Schloß zu Arnstadt, eine
sehr fein und reich bemalte Terrine in der Sammlung Darmstädter, Berlin. Das Merkwürdigste aber
ist, daß einige dieser Stücke sich bereits als Kopien nach Darstellungen von Watteau darstellen
die bekanntlich sonst erst viel d. h. fast volle 20 Jahre später im Meißner Porzellan auftauchen,
freihch in ganz anderer Form, dafür aber dann so häufig, daß sie damals zum beliebtesten Motiv
der Porzellandekoration wurden. EinedieserDarstellungenfindetsichauf der inNr. 111 abgebildeten
Anmerkungen. 309
bereits eben erwähnten Teekanne der Dresdner Porzellansammlung, zwei andere aber nur in
Schwarzrot und Eisenrot ausgeführt, auf einer ganz vor kurzem im Kunsthandel aufgetauchten
Kaffeekanne. Interessant ist, daß die Darstellung der zuerst genannten Teekanne nach einem
Stiche von L. Surugue kopiert worden ist, der laut eigener Datierung im Jahre 1719 ange-
fertigt worden ist (abgebildet bei Dargenty, Antoine Watteau, Paris S. 85). Aus allem
diesem folgt, daß also schon damals Stiche nach Watteau nach Dresden gelangt sein und durch
irgend jemanden, vielleicht auf Wunsch des Königs den Meißner Malern vorgelegt sein müssen.
Alle diese in dieser Anmerkung erwähnten Porzellane jedoch gehören meiner Ansicht nach nicht der
eigentlichen 5ö«gerschen Zeit, sondern jenen ersten Jahren nach dessen Tode an, da, wie bereits
oben gezeigt (vgl. Anm. 624) Herold noch sich der Böttgerschen Farben bedient hat und zwar
schon deshalb, weil mehrere dieser Stücke, darunter auch die eben beschriebene Teekanne mit
der Watteaukopie, jene jedem Kenner von altem Meißner Porzellan bekannten, in einer Art
schwacher Lüsterfarbe eingebrannten Buchstaben tragen, deren Zweck und Bedeutung noch
nicht ganz klar ist, die sich aber noch auf keinem sicher der 5öttgerschen Zeit angehörenden Stücke
gefunden haben, dagegen für die Frühzeit der Heroldschen Periode geradezu typisch sind. Die
Ausführung dieser Malereien ist übrigens immer noch technisch wie künstlerisch recht unbeholfen,
auch ihre Wirkung auf dem Porzellan massig und schwer, so daß man sie wohl noch einem aus
der Böttger&ciiQn Zeit übernommenen Maler zuschreiben muß.
^2') Auch die Gold- und Silbermalereien der jBöwgerschen und der nächstfolgenden Zeit
sind nicht immer leicht zu unterscheiden. Doch glaube ich mit Bestimmtheit die oben bezeichneten
und in Abbildung Nr. 93 u. 95 dargestellten Malereien noch der ersteren zuschreiben zu dürfen,
da sich meines Wissens ihre Motive nie mit ausgesprochenen der Heroldzeit zusammen finden.
Für nicht mehr der jBöttgerschen Zeit angehörig möchte ich dagegen die in dem damaUgen Por-
zellan so häufig vorkommende, in Abbildung Nr. 111 gegebene obere Kante bezeichnen, weil
diese nie mit Böttgerscluen Motiven sich vereinigt vorfindet, auch unter der Silbermalerei, die
nach Böttgers Tode freilich nur noch sehr selten ausgeübt worden ist, kaum und auch dann
nur in Verbindung mit Heroldschen Motiven anzutreffen ist.
"») Vgl. auch Anm. Nr. 308.
**•) Oder sind dies vielleicht einige, dann freilich etwas sehr originell aufgefaßte Figuren,
die Böttger nachweisüch für ein für den König bestimmtes Schachspiel (vgl. Steinbrück, Bericht
in der Porzellansammlung S. 85) hat machen lassen, das aber im Jahre 1717 noch nicht fertig war.
*'") Über diese sogenannten „Calottfiguren" vgl. auch Brüning, Europäisches Porzellan
des XVI IL Jahrhunderts S. XXII. Der Meißner Ursprung der meisten Figuren dieser Art und
zwar so gut wie aller, die sich durch ihre Unbehilflichkeit als besonders frühe Porzellanarbeiten
ausgeben, kann jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Mehrere derselben zeigen die Schwertermarke
und auch jene in Anm. Nr. 627 näher bezeichnete eigentümliche Lüstermarke, die nur die Porzellane
der frühesten Heroldschen Zeit tragen, ganz abgesehen von der für Meißen so charakteristischen
gelbüchen Masse, in der die meisten ausgeführt sind. Dagegen kommen in späterer Zeit ver-
wandte Schöpfungen auch in Wiener und Venezianischem Porzellane vor. Doch sind diese schon
reifer und auch sonst von den eben genannten sehr verschieden, so daß ein Verwechseln nicht
mögUch ist.
"*) Seitdem ich auf derartige Figuren geacütet habe, sind mir in der Plastik eine ganze
Reihe derselben aufgestoßen. Einige derselben fand ich schon im Grünen Gewölbe bei Dresden,
eine ganze Serie in Stein ausgeführt und größeren Maßstabes im Zähringer Museum zu Karls-
ruhe, weiter eine größere Figur in Stein beim Kunsthändler Salomon in Dresden. Eine ganze
Reihe der prächtigsten Gestalten dieser Art schmückt dann z. B. auch eine Gartenmauer einer
der vielen Villen auf den Monti Berici bei Vicenza usw. Man hat bisher wohl noch etwas zu
wenig auf diese für das ganze Empfinden der Barockzeit so typische Gattung von Skulp-
turen geachtet,
•") Vgl. S. 197.
310 Anmerkungen.
"3) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 81.
834) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 235; 1339, II, 84.
63") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 33 und 81.
636) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 28, 153.
637) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, I, Fol. 258.
«3S) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1340, II.
83») Das geht aus dem Befehl des Königs vom 17. März 1719 an diese Räte (Kgl. Sachs.
Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 23), der sich nur auf eine frühere Order bezieht kann
deutlich genug hervor.
6*«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 23.
6") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 77, 117.
6") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 82.
8*3) Übrigens scheinen auch damals das geheime Kollegium und die Rentkammer Berichte
über die Böttgersche Angelegenheit an den König abgestattet zu haben.
8**) Nach Steinbrück soll er die Vollmachten und Papiere, die ihm Böttger seinerzeit nach
Warschau mitgegeben hatte, nach seiner Rückkehr arg mißbraucht haben.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 172ff.
8*8) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 172.
8*') Alles folgende nach dem oben erwähnten Bericht dieser Kommission vom 21. Oktober
dieses Jahres (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 172.
8*8) Ich möchte hierauf mit ganz besonderem Nachdruck hinweisen, um noch einmal die
ganze Torheit von Engelhardts derartigen Anschuldigungen darzutun.
8**) Überhaupt darf man wohl bei der ganzen Beurteilung der damaligen Zustände der
Fabrik nicht ganz übersehen, daß Böttger tot war und sich nicht mehr verteidigen konnte, daß
die Kommission aber über ihn und seine Leitung so fragwürdige Persönlichkeiten wie Meerheim
und Vollhardt, dann auch den Karnmerrat Nehmitz ausgefragt hatte, von denen ja zwei sogar
hofften, Böttgers Nachfolger zu werden, und deshalb nur zu leicht die ganze Schuld der bisherigen
traurigen Verhältnisse der Fabrik auf Böttgers Verwaltung derselben warfen, um die Fabrik an
sich als durchaus ertragsfähig hinzustellen und sich selber als bessere Verwalter als Böttger. Aber
auch Steinbrück war ja damals und wohl nicht ohne Grund Böttger gegenüber gereizt und daher
sicherhch kein ganz richtiger Beurteiler von dessen Leistungen.
680) Ygi hiermit wieder Engelhardts tolle Schilderung (a. a. O. S. 377fT.") und als Gegen-
gewicht den hier so viel benutzten Personalbericht »S'temimcA's (Akten der Meißner Manufaktur),
den dieser damals über den gesamten Personalbestand der Manufaktur für die Kommission
abgefaßt hat, sowie auch das vortreffliche Verhalten dieses Personals nach der Wiederherstellung
der Ordnung, das nicht zum wenigsten zum schnellen Aufschwung der Fabrik damals bei-
getragen hat.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 215.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 205.
853) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 299, 327, 334.
8«*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 9, 15, 37.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 194.
866) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 152, 158.
8") Vgl. S. 197.
858) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 191.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 17.
880) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 189.
881) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 77; 1340, I, Fol. 215, 246.
882) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 218, 223.
883) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 176.
Anmerkungen. 311
««*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 69, 298, 336.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 170 u. a. 1341, III, Fol. 29. Übrigens
wurde laut den erhaltenen Abrechnungen nur noch ein Teil der Arbeiter damals von der Akzise-
kasse bezahlt, der Rest von der Manufaktur schon selber.
«««) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 170.
««') Engelhardts ganze Unklarheit und Entstellung zeigt sich noch einmal in ihrer ganzen
Größe, wo er hier (a. a. O. S. 460) auf diese Schulden Böttgers zu sprechen kommt. Er redet
hier von großen „Privatschulden" des Mannes, der nie ein privates Einkommen besessen hat,
von denen daher auch die beiden oben genannten Kommissäre nie etwas zu berichten wissen,
und zu diesen Privatschulden rechnet er sogar den im Jahre 1714 von dem Baron von Gersdorff
aufgenommenen Wechsel, der doch damals für seine Fabrik ausgestellt wurde.
««8) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III.
«««) Ausdrücklich berichtet dies Stöltzel in einem seiner in der Dresdner Porzellansammlung
aufbewahrten Arkanabücher.
6'») Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 153, 171.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 379.
«'«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 173, 414 und Loc. 7416.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 171.
6'*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 153, 171.
«'*) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 187.
"«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, 356 u. a.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 29. Zum Mittelgut rechnete man
damals auch Stücke, bei denen etwaige Fehler noch durch Malerei zu decken waren, wie es später
dann so vielfach mittelst „Streublumen" geschehen ist.
«") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, 87.
6") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, 88.
s»") Alle folgenden technischen Mitteilungen sind den bereits oben erwähnten, in der Kgl.
Porzellansammlung befindlichen, so ungemein interessanten Arkanabüchern von Schuherth,
Stöltzel, Herold und anderen entnommen.
•*^) So geben es wenigstens sämtliche Arkanabücher an, die sich in der Dresdner Porzellan-
sammlung erhalten haben. Es heißt dort beständig, daß, wenn irgend möghch, man immer
Alabaster zum Porzellan verwenden solle.
«") Vgl. S. 170.
8") Loc. 1339, II, 295, 321. Die Erfindung Köhlers findet sich zuerst erwähnt in einer
Eingabe von Köhler vom Februar dieses Jahres (Loc. 1337, II, Fol. 300). Merkwürdig ist, daß
die Namen dieser beiden Erfinder damals schon gleich in die breite öffentHchkeit drangen. Schon
im Jahre 1720 kannte Kundmann in Breslau Mehlhorn, im Jahre 1723 Köhler als Erfinder
der blauen Farbe. Vgl. Braun. Joh. Christ. Kundmann als Quelle für die Kunstgeschichte des
18. Jahrhunderts in Schlesiens Vorzeit in Bild und Schrift. N. T. Bd. III S. 109, 110.
«8«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 69.
«") Vgl. S. 164.
«8«) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 295; Loc. 1339, III, Fol. 29.
^8') Wenigstens geht aus den Akten des Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchivs hervor, daß der
König sich immer ganz besonders nach dem Gelingen dieser Glasur erkundigt hat.
«88) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, III, Fol. 29.
«8») Wenige Jahre späte' aber gelang es, und Nachahmungen des Services des Kaisers von
China, sowie ein neues für den König geschaffenes Service befinden sich noch heute in der
Dresdner Porzellansammlung. Desgleichen^aber auch ein Stück, das wohl auf die ersten Ver-
suche der Nachahmung der gelben zurückgeht. Es ist eine Obertasse mit Chinoiserien noch
312 Anmerkungen
fast ganz in den Böttgerschen Farben, mit vergoldeten Henkeln und einem leuchtenden, aber
fleckigen und trüben gelben Fond.
6»») Vgl. S. 226.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1339, II, Fol. 311, 321.
«9«) Vgl. Anm. 624.
6") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 29.
8") Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III, Fol. 306. Darnach hat Herold erst im
Jahre 1722 sich seine eigenen Farben erfunden.
696) Vgl. meinen Aufsatz „Porzellanstil" im Kunstgewerbeblatt N. F. Bd. XVI.
896) Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchiv Loc. 1341, III.
697J Vgl. hierüber meinen Aufsatz über diese Fabrik im Bd. I der Monatshefte für Kunst-
wissenschaft 1908. Darnach irrte freiUch Steinbrück sehr, wenn er am 9. Februar 1719 berichtete,
daß die Fabrik zu Flaue wieder „in sich selbst zergangen" wäre. Seidlitz, Die frühesten Nach-
ahmungen des Meißner Porzellans (Neues Archiv für sächsische Geschichte und Altertumskunde,
Bd. X, S. 5).
6»8) Vgl. S. 258.
69») Seidlitz, a. a. O. S. 14.
^''*') Seidlitz, a. a. O. S. 15. — Mitteilungen des Nordböhmischen Gewerbemuseums XXI,
Nr. 1, Pazaurek, Neues über den Mitbegründer der Wiener Porzellanfabrik.
'o^) Allerdings muß es im Jahre 1728 in Venedig noch eine Porzellanfabrik gegeben haben
oder doch noch immer dort Porzellanherstellungsversuche gemacht worden sein. Vgl. Brake,
Notes on Venetian Ceramics. London 1868.
'"*) Die Kommission hatte damals das richtige Prinzip eingeführt, für alle Fortschritte
und neuen Verdienste Belohnungen einzuführen.
^"») Seidlitz, a.a.O. S. 10; Pazaurek, a.a.O. S. 2; Berling, Das Meißner Porzellan und
seine Geschichte. Leipzig 1900; Winzer, Die Wegelysche Porzellanfabrik in Berlin (Schriften
d. Vereins f. d. Geschichte BerHns, Heft XXXV, 1897, S. 4.)
'»«) Berling, a. a. O. S. 39, 64.
'»«) Berling, a. a. O. S. 39, 63.
'»6) Berling, a. a. O. S. 63.
^ö') Stieda, Die keramische Industrie in Bayern während des 18. Jahrhunderts. Leipzig
1906. S. 31.
'"8) Berling, a. a. O. S. 63.
'"») Ubisch, Die Porzellanfabrik zu Kopenhagen während des 18. Jahrhunderts. Kunst-
gewerbeblatt, N. F. V, S. 210.
"») Berling, a. a. O. S. 63.
'^^) Die bisherigen Angaben über die damalige Gründung von Porzellanfabriken bedürfen
heute noch einer sehr eingehenden Revision, da sie sich — immer infolge der damaUgen Ver-
mengung der Worte Porzellan und Fayence — nur zu leicht auf die Begründung von Fayence-
fabriken beziehen können. So finden sich in der Literatur für diese Zeit noch zwei Porzellan-
fabriken angegeben, die zu Arnstadt im Jahre 1713 und die zu Anspach vor dem Jahre 1718.
Beide Angaben beruhen freilich wieder in erster Linie auf Engelhardt, a. a. O. S. 544 ff., können
aber getrost als Irrtümer bezeichnet werden. Denn die Angabe bezüghch der Fabrik in Arnstadt
stützt sich ledighch auf den viel genannten Steinbrückschen Bericht der Porzellansammlung
(S. 209), nach welchem jedoch damals dort von entlaufenen Arbeitern der Dresdner Stein- und
Rundbäckerei eine Fayencefabrik begründet worden ist. Es handelt sich um die von der Fürstin
Auguste Dorothea, der Gemahhn Anton Günthers II., angelegte Anstalt, über die Stieda in seinem
in den Keramischen Monatsheften (Bd. III, S. 14) erschienenen Aufsatz „Deutsche Fayence-
fabriken des 18. Jahrhunderts", Näheres berichtet hat. Auch er weiß hierbei nichts von dortigen
Porzellan versuchen zu melden. Auffallend ist freihch, daß in den in der Porzellansammlung
Anmerkungen, 313
zu Dresden befindlichen Niederschriften des älteren Mehlhorn, der 1735 starb, Arnstadt als einer
der Orte genannt wird, zu dem damals schon das Geheimnis des echten Porzellans gedrungen
wäre. Doch kann dies unmöghch, falls diese Angabe überhaupt richtig ist, schon im Jahre 1713
geschehen sein, da doch sonst damals, als die Wiener Porzellanmanufaktur durch Stöltzel gegründet
worden war, in den ausführlichen Berichten dieser Zeit über dies Ereignis mit Notwendigkeit
auch von diesem früheren Verrat die Rede hätte sein müssen. Ganz genau dasselbe muß man
aber auch hinsichtlich der Fabrik zu Anspach, die auch schon vor der Wiener begründet sein
soll, sagen. Von dieser hat bisher nur Engelhardt zu berichten gewußt, dessen Glaubwürdigkeit
aber in solchen Angaben nach dem oben erwähnten Fall wohl nicht allzu groß sein dürfte. Eben-
sowenig aber können auch die von Stieda (Die Anfänge der Porzellanfabrikation aus dem Thüringer
Walde, Jena 1902, S. 10 ff.) namhaft gemachten Fabriken von Saalfeld, Rudolstadt, Ilmenau,
Coburg als Porzellanfabriken, wie er es übrigens selber schon angedeutet hat, angesehen werden,
da wir nach allem, was gesagt wird, nur dann in dieser Zeit ein Recht dazu haben, von wirklichen
Porzellanfabriken zu reden, wenn ihre Erzeugnisse so bezeichnet werden — und das wird man
bei der damaligen Bedeutung und Seltenheit einer solchen Anstalt niemals unterlassen haben — ,
daß wir an ihren Charakter als wirklich echtes Porzellan nicht mehr zweifeln können. Deshalb
glaube ich aber auch, kann die am häufigsten und bis in unsere Zeit immer wieder nach Teinturier,
Recherches sur les anciennes manufactures de porcelaine et de fayence (Alsace et Lorraine)
Strassbourg 1868 angeführte (vgl. Schricker, Straßburger Fayencen und Porzellan. Kunstgewerbe-
blatt, N. F. 1891, S. 115 und Chavagnac et GroUier, Histoire des manufactures fran^aises de
porcelaine. Paris 1906, S. 49), in den Jahren 1719 — 1721 gegründete angebliche Porzellanfabrik
zu Straßburg bis jetzt in keiner Weise als solche angesehen werden. Ich habe trotz sorgfältiger
Prüfung aller Angaben nicht die geringste gefunden, die wirkHch mit Sicherheit ergibt, daß hier
damals schon das echte Porzellan hergestellt worden ist. Wohl aber das geradeste Gegenteil.
Denn zunächst ist der erste Begründer dieser Fabrik, Johann Heinrich Wackerfeld, der Industrielle
aus Anspach, gar kein Meißner Arbeiter, wie Teinturier und nach ihm alle mit solcher Bestimmt-
heit angenommen haben, da es in Meißen damals, d. h. bis zum Jahre 1719 gar keinen Arbeiter
dieses Namens gab. Dann werden als Erzeugnisse gleich am Anfange Teller, Schüsseln, Barbier-
becken usw. erwähnt, mithin Gegenstände, die man damals allgemein in Fayence machte, in
Porzellan zu dieser Zeit aber noch nicht einmal in Meißen herstellen konnte, ferner wird der
Begründer „Faiencier oder porzellangeschirrmacher" genannt, und schließhch teilt ZTannong, der
Jüngere, der spätere Besitzer dieser Fabrik, nach einem Protokoll vom Jahre 1745 mit, daß er
damals „vermeinte", das „durchsichtige Porcelain" zuwege bringen zu können; es konnte dies
also selbst damals noch nicht mit Sicherheit in dieser Fabrik geschehen, wie viel weniger über
25 Jahre vorher. Meine Ansicht ist daher, daß die von Wackerfeld 1719 in Straßburg begründete
Fabrik nur eine Fayencefabrik war und gegenüber der dort bisher schon bestehenden keramischen
Fabrik von Hannong, dem Älteren nur insofern ein großer Fortschritt war, als jene nur eine, Ta-
bakspfeifenfabrik gewesen war.
'") Berlins, a. a. O. S. 63.
"") Stieda, a. a. O. S. 13.
'") Stieda (Die Anfänge der Porzellanfabrikation aus dem Thüringer Walde, Jena 1902,
S. 45) hat zwar nicht übel Lust, Gotthelf Greiner, den Begründer der Fabrik in Limbach, als einen
zweiten Nacherfinder des Porzellans hinzustellen. Er sagt wörtlich: „daß er ganz selbständig
und unabhängig von allen Vorgängern und Zeitgenossen — nur daß er, wie er selbst sagt, ihre
Schriften studiert — zur Bereitung des echten Hartporzellans geführt wurde". Aber, woher
weiß er, daß in so später Zeit, d. h. in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, durch die damals
die Welt schon zahlreich durchziehenden Arkanisten ihm nicht etwas von den oben oft erwähnten
Prinzipien des Porzellans zu Ohren gelangt ist, und sagt er nicht auch selber, daß er die Schriften
dieser Zeit, darunter sicherlich die weiter unten in diesem Werke genannten von Entrecolles und
die anonyme von 1750, die doch voll der nützlichsten Angaben waren, gelesen habe? Auch
314 Anmerkungen, j
scheint er ja nicht einmal selber (vgl, S. 47) die Glasur, sondern sein Mitarbeiter, der Koburger
Töpfermeister Dümmler, erfunden zu haben. Was aber bleibt denn da eigentlich noch an ihm
von einem „selbständigen und unabhängigen" Erfinder des Porzellans bestehen? Seine wirkhche
Tat wird, wie damals bei den meisten ähnlichen Unternehmern, allein die gewesen sein, durch
vieles Experimentieren die richtige Porzellanerde und die richtige Massenmischung heraus-
gefunden zu haben. Übrigens haben bekanntHch auch die Japaner, von den Koreanern ganz
zu schweigen, das Porzellan nicht selber erfunden, sondern von China erhalten. Vgl. Brinckmann,
Führer durchs Hamburgische Museum für Kunst und Gewerbe, S. 538.
'^*) Nach den in der folgenden Anmerkung erwähnten Briefen Pere d'Enirecolles.
"«) Lettres ^difiantes et curieuses. T. XVIII u. XIX.
'") Vogt, La porcelaine. Paris 1893. S. 129.
'") Chavagnac et Grollier, Histoire des manufactures frangaises de porcelaine. Paris 1906.
S. 38 ff.
"*) La manufacture imperiale de St. Petersbourg 1907. S. 328.
"") Das entdeckte Geheimnis des ächten Porcellains sowohl des Chinesischen, wie auch
des Sächsischen, von einem Besitzer dieses Geheimnisses. Berlin, zu finden bey Johann Rüdiger,
1750.
'"'^) Chavagnac et Grollier, Histoire des manufactures frangaises. Paris 1906. S. 400 ff.
"*) L'Art de la Porcelaine dödie au roi par M. le comte de Milly. 1771.
'") Dillon, porcelain. London 1904, S. 326 und 377. Der Titel der erwähnten Schrift
lautete: Instructions how to make as good china as was ever sold by the East India Company
by A. Hill. London 1716. (Vgl. Dillon, a. a. O. S. 326.)
"*) Earle, China Collecting in America. London 1892. S. 88.
BEILAGEN.
Beilage I.
Darstellung der Erfindung des Böttger-Steinzeugs und des Meißner Porzellans, ab-
gedruckt nach einem wahrscheinlich spätestens wenige Jahrzehnte nach Böttgers Tode
abgefaßten, z. Z. in der Kgl. Porzellanmanufaktur zu Meißen befindlichen Manuskripte.
(Vgl. S. VIII u. S. 280.)
Es ist noch mit wenigen des vormahligen ganz
Rothen Porcellains
zu gedenken, womit der Anfang gemacht worden, darzu vieles der von dem von Schirn-
haußen erfundene Lens oder großer Brennspiegel Gelegenheit zu speculieren gegeben
und mit bey getragen, welchen er nebst Baron Bötgern anfänglich zwar zu einigen Alt-
chimischen Operationen zu brauchen und anzuwenden gesucht, sonderlich die durch die
Sonnen- Strahlen in Bewegung gebrachten brennlichen Theile der Luft, auf Art des großen
Englischen Chimici des Dygbai zu concentriren umb darauß das Solvens, agens oder
Schlüssel zu dem Universal-Werck zu erlangen, darauß sie nachgehends dem Lapitem
Philosophorum verfertigen könnten. Sie haben aber nicht alleine ihre Experimente in
diesen jetzt erwehneten zwar materiellen, jedoch nicht coerperlich sagenden Dingen damit
gemachet, sondern sind auch weiter gegangen, und haben gesuchet ob sie die Metalle
vielleicht dadurch möchten intime so zergliedern können, daß sie hinter die Principia
derer Metallen, und derselben Combination in selben desto leichter kommen möchten,
dahero sie solche vermittelst des Lentis so wohl vor sich alleine als auch der bey andern
mit adhibireten Zusätzen geschmolzen, da sie aber dadurch wenig sonderlich am Golde
observiren können, haben sie solche durch gelindere Grad des Foci Lentis zu calciniren
gesuchet sonderlich das Gold auf Art des als welcher es durch
gelindes Küchen oder Kohlen-Feuer also in einem Crocum zu bringen gewußt, also dieß,
durch die in einem gewissen Grad oder noch unvollkommenen Focum nur concentrirter
Sonnen- Strahlen das Gold crocisiren wollen. Sie sind aber auch noch weiter herunter
gangen, und haben auch viele Experimente durch Schmelzen und calciniren deren andern
Metallen und mit denen mittel Mineralien gemacht, da sie denn endlich auch auf die
colorirten Erden kommen, und gefunden, daß immer eine mehr vor der andere flüssig
als die andere, auch aus denen geflossenen gesehen, daß immer eine andere Coloer als
die andere in Fluße gebe, sind sie anfänglich darauf gefallen, daß sie marmorirte Flüßgen,
auf Art derer holländischen blauen Delfter darauß zu erst verfertigen wollen, da sie aber
nachhero durch das Feuer gefunden, daß immer eine solche colorirte Erde mehr strenger
die andere weichflüßiger sey als die andere, also nicht gleiche Politur auf selber ange-
nommen, weilen sich eine Erde nicht wie die andere poliren läßt, sondern die streng-
flüßigen poröser auf der Politur blieben. Sind sie endUch auf Massen gefallen umb theils
318 Beilage I.
die strengeren Erden, durch Zusatz anderer flüßeren Erden, dahin zu bringen, daß sie
mit denen flüßigeren Erden in einem Grad der Compactität kämen, also jede ihren Glantz
gleich mit der andere in einem Grade des Feuers erlange, und da sie gefunden, daß sonder-
lich der Leim aus dem Blauischen Grunde leicht flüßig, haben sie solchen an stad eines
Flusses der strengerer sonderlich Nirrenberger Roth oder Erde dem Befinden oder Grad
des Feuers nach in denen Offen zugesetzet, aus welchen Massen nachdem sie solche er-
funden sie auch nachgehendes eine Possiblitat gesehen, daß sich solche nicht allein in
Verfertigung derer flüßgen tractiren laßen, sondern auch daß selbe in Bornnen compact
und Porcellaine haft sich in denen Proben gebrennet. Auch da sie die Politur angenommen,
sind sie auch weiter mit ihren Gedanken gestiegen, und haben auf einfarbiges Geschirr
zu Thee und Caffe rafinirt, auch deswegen sich umb Leute bekümmert, die aus denen
Massen Schälchen und Copchen drehen könnten, welches denn anfänghch kostbar ge-
wesen, so daß der seelige Baron Bötger dem damahgen Hoff-Töpfer Fischern täglich
einen Ducaten hat zahlen müssen, daß er nur auf Töpfer- Art ihm einige Proben gedrehet,
so auch ziemhch dicte nach Topf er- Art aus freuer Faust gewesen, und ausgefallen. Ueber
dieses auch schwer hergangen Töpfer zu bekommen, massen sich niemand in Dresden
hat finden wollen, so die Arbeit angehen wollen, ohngeachtet an dem Rath Hauße in
Dresden ein Königlichen Patent deswegen angeschlagen gewesen, daß einige Töpfer
sollten angenommen und mit genugsahmen Solt versehen werden, weilen sie besorget
es möchte keinem Bestand mit dieser Arbeit haben. Da sich nun hier niemand finden
wollen, sind Deputirte nach Pirna geschicket worden die einem Meister und Bürger mit
Namen Geitnern noch perfordiret, daß er mit nach Dresden gezogen, allwo er nachgehen-
des in Hoffrath Bartholomäus Hauße, von einem Goldschmiede Irmingern genennet,
so in Silber hat drehen können, das Geschirre mit Treh-füßgen abzudrehen ist unter-
richtet worden, als welcher Töpfer nachgehends die Proben nicht alleine weich auf Töpfer
Art drehen können, sondern auch mit denen Füßgen sauberer ab und ausdrehen nach
und nach proportionirlich gelernet. Welches so wohl weich drehen als auch Abdrehen
der Dreher durch ferneres Speculiren immer weiter gebracht, bis daß nach der Zeit auch
ein Dreher aus einer Delphter Fabrik mit Nahmen Eggebrecht nach Dresden kommen,
umb dergleichen Fabrik daselbst anzulegen, welchen der obenberührte Töpfer einige mahl
zu gesehen, alsdann hat sich die Erlernung des Drehens immer nach und nach besser
gegeben, und da oben berührter Dreher vormahls die Füßgen zu denen Schälchen erst
als Ringe gedrehet, und nachgehends erst auf die Schälchen aufgesetzet, dadurch aber
weit mehr Zeit darauf gegangen, als auch die Füßgen leicht von denen Schälchen ab-
gegangen, also die Schälchen verunglückt hat er bey ihm inacht genommen, daß er in
weich-drehen, dem Boden ducke laße, und nachgehends aus dem dückgelaßenen Boden
das Füßgen gleich ausdrehe, dieser und noch andrer dergleichen Handgriffe haben die
Arbeit nachgehends verkürzet, und gemachet, daß das Geschirre nachgehends sauberer
worden und mehr gehalten. Sie haben aber dem Leim aus dem Blauischen Grunde des-
wegen als Fluß dem Nirrenberger Roth oder der Nirrenberger Erde, welche sie auch den
rothen Nirrenberger Stein genennet zugesetzet, weilen er mit solcher, ein dem Jaspis
nicht ungleiches Porcellaine, wenn es pohrt gewesen, gegeben. Wie aber derer compo-
sitiones gewesen ist dem Gewichte nach nicht bekannt, jedoch da sie kleine Öfen gehabt,
so haben sie sich jedesmal mit denen Massen nach dem Grad des Feuers jedes Ofens ge-
richtet, haben auch unstreitig sehr weiche Massen gehabt. Zu gedenken, daß sie nicht
Beilage I. 319
mehr als anderthalb Reihe Geschirre in denen Öfen haben auf einmal gutbrennen können,
da sie vor denen Mündungen eine Reihe erst ledig gesetzet, als dann zwey Reihen mit Ge-
schirren, da aber nicht jedesmahl die andere Reihe gantz gut worden, sie haben drey
viertel von denen Spanbögen probe Löcher in den Ofen gehabt, da sie spitze Kegel unten
mit drey Füßgen von Leihme aus dem Blauischen Grunde eines Fingers lang unten aber
stärker gemacht in dem Ofen bey dem Probe Loche auf die Kapseln gesetzet, wenn diese
angefangen, oben glänzend zu werden und zu flüßen, darnach haben sie den Ofen aus-
gehen lassen. Da aber nicht alleine die bunten Erden Thone und Leime durch den Lentm
probirt worden, sondern auch die weißen, da ebenfalls einige immerer vor denen andern
flüßiger gewesen, so daß einige sich Porcellainehafft auf dem Bruche andere aber rauh
gebrannt, sind sie weiter mit dem experimentiren durch den Lentm fortgefahren, und
auch weiße Flüße zu denen weißen strengeren Erden zu finden damit Massen könnten
daraus gefertigt werden, da sie gefunden, daß einige Erden als Kreide auch Steine als
Alabaster, Marmor, Späth mehr flüßig noch seyn gewesen als die Erden, welche nach-
gehends sie durch calciniren und Molam comminutoriam soweit subtil gebracht, daß sie
solche mit denen ebenfalls praparirten sonderlich geschlemmten Golditzer Thone und
anderen Erden versetzet und zu Massen gebracht, welche sie nachgehends in gehörigen
Grade des Feuers so weit in Fluß getrieben, daß sie eine Semidiaphanam tremuli Nar-
cissuli Ideam lacteam erhalten, als welches eine hauptsächhche dem Porcellaine zu-
kommende Eigenschaft ist worinnen sie nachgehends immer weiter und weiter fort-
gefahren, auf diese Art sind sie auch zu dem weißen Porcellaine gelanget. Es ist aber
auch jetzt rothes Porcellaine gemachet worden und zwar aus geschlemmten Nirrenberger
Roth und geschlemmten Leim aus dem Blauischen Grunde. Die Masse so am besten
noch in jetzigen Öfen und starkem Feuer gestanden ist folgende: Nimm geschlemmtes
auf dem Ofen getrocknetes durchgesiebetes Nirrenberger Roth oder Erde acht Theile
Geschlemmten auf denen Ofen getrockneten, durchgesiebeten Leim aus dem Blauischen
Grunde einen Theile die Einmachung komet mit denen übrigen weißen Massen überein
ausgenommen, daß sie einmal mehr die Quere und einmal die Länge muß durchgerühret
werden. Im Abdrehen ist gleichfalls zu regardiren, daß das Geschirre nicht allzu trocken
abgedrehet werde, daß nicht etwann Bläßgen sich durch Abziehung der oberen Masse
von der inneren Masse mit dem Abdrehfüßgen geschehe, welches mehrere Gelegenheit
zu Bläßgen im Brennen gebe. Das Verglühen geschieht ordentUch doch kommet es hinten
hinauß zustehen. In dem Gutbrennen will eine Capsel zu defendirung vor dem Feuer,
daß es nicht zu viel bekomme dem Geschirre nicht zulänglich seyn, sondern es wird ein
Schälchen Capsel in ein Spulnapf Capsel gesetzet und noch der darzwischen seyende
Platz mit Wasser Sande ausgefüttert nachgehends erst das Schälchen auf einem Deckel-
chen wie sonst gewöhnlich gesetzet in das Schälchen Capsel, und kommen auf denen
Seiten dreye hoch übereinander zu stehen, in der Mitte aber viere hoch in jeden Satze
der Reihe. Diese Reihe mit rothen Geschirre wird hinten an der Stirnmauer unter der
Feueresse herüber gesetzet, da jedoch sich noch vieles schief ziehet oder auch wohl gar
sich blätterig brennet; daß es gut sey, wenn der Ofen ausgegangen ist die Probe, wenn
man daran lecket, daß es nicht an der Zunge auf einige Maaßen anklebe, also noch Feuch-
tigkeit anziehe, so es nicht mehr an der Zunge anklebet oder anhänget, lasset es sich
poliren, welches unumbgänglich seyen muß, weilen es nicht glasuret ^^•ird, sondern seinen
Glanz und äußerliche Lieblichkeit durch das Schleifen und Poliren erlanget.
320 Beilage II.
Beilage II.
Allerhöchstes Beeret vom 20. November 1707. Die Sicherstellung Johann Friedrich
Böttgers, wegen der zu seiner freien Disposition bei Einrichtung verschiedener
Manufakturen, demselben assignirten Gelder. (Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv ,
Loc. 1341.)
Nachdem Wir Johann Friedrich Böttgern unterschiedene, Uns allein bekannte Ver-
richtungen auffgetragen und Ihm hierzu, wie auch zu seiner und der ihm untergebenen
Personen auch Bedienten, nöthigen Subsistence Monatlich gewiße Gelder welche er, theils
aus Unser General-Accis-Casse, theils aus Unser Renth-Cammer gegen seine des Böttgers
Quittung erheben, auch nach seinem pflichtmäsigen Gutbefinden frei disponiren soll,
assigniren zu lassen entschlossen; derselbe aber, daß Unserer hierbei habenden Intention
zuwider, er jetzt oder hinkünftig von Unsern Ober-Rechnungs- oder andern Collegiis
über sothane empfangene Gelder gerechtfertiget zu werden, befahren müsse, allerunter-
thänigste Vorstellung gethan und anbey, daß Wir dieser Besorgnis ihn vorhero aller-
gnädigst überheben möchten, gehorsamst gebethen; So haben Wir unsre hierüber schon
mündlich ihm gegebene Königliche Versicherung, zu seiner noch mehrern Sicherheit hier-
durch schriftlich ertheilen wollen folgendergestalt.
1.
Soll Johann Friedrich Böttgern freistehen, von obigen Geldern seine Menage eignes
Gefallens einzurichten und auf! Speisung, Getränke, Holz, Lichte und dergleichen ein
hinreichendes aufzuwenden.
2.
Die /u seiner W^irthschaft nöthige Meublen und bedürfenden Hausrath anzuschaffen.
3.
In seiner Wohnung und in dem Laboratorio sowohl, alß sonst überall in seiner Revier,
was entweder zu unterhandhabender Arbeit oder beßerer Commodität erfordert werden
möchte, bauen und repariren, hiernechst
4.
Materialien, Ertze, Thone und Steine, soviel er deren gebrauchen wird, bringen zu
laßen und da einer von seinen Bedienten
5.
Nach solchen zu reisen oder sonst iemand hier oder dorthin in seinen Verrichtungen
abgefertigt werden müße, die darzu erforderliche Kosten aufzuwenden, ingleichen
6.
Die zum Laboratorio behörige Geräthsch äfften, Kohlen und anders mehr von ob-
bemerkten Geldern zu bezahlen.
7.
Denen, so ihm in seinen Laboribus oder sonst assistiren, nach advenant Salaria
zureichen, solche aber wie auch
8.
Die bestimbte Löhne derer Jenigen, so er theils zu seiner Auffwartung, theils zur
handarbeith jedesmal benöthiget seyn wird, vorhero in ein Reglement abzufaßen und
Beilage II. 321
Uns durch den Cammer-Rath Nehmizen mr UnterschrifTt vortragen zu laßen; Welcher
ebenfalls
9.
Mit denen Personen, so er bey künfTtig auf 7.u richtenden Manufacturen anzunehmen
und zu bestellen haben wird, also geschehen und zugleich deren Jnstructiones und Be-
stellungen Uns zur Confirmation durch erstbesagten Unsern Cammer-Rath Nehmizen
vorgelegt werden sollen u. s. w.
10.
Die Jenigen, denen Johann Friedrich Böttger bey solchen Manufacturen, nicht weniger
bey seiner Menage oder sonst auf Reysen von diesen zu seiner Disposition gestellten
Geldern etwas auf Berechnung giebt, sollen auch ihme allein Rechnung davon ablegen,
sodann nach beschehener Justification von ihm quittiret und ferner von Niemand in
Anspruch genommen werden; Wie Wir Johann Friedrich Böttgern denn die Macht hier-
mit absonderlich allergnädigst ertheilen, daß, wenn er, was seine, ihm anvertraute Ver-
richtungen oder die von ihm inventirte Manufacturen betrifft, Jemanden von denen ihm
zur Assistenz zugegebenen Personen an Uns, wann Wir außer unsern Landen Uns be-
finden, zu überschicken nöthig erachten möchte, solche Abschickung ohne Unser oder
Jemandes vorhergehenden Consens bewerkstelligen, des Verschickten Rechnung justi-
ficiren und denen ihm anvertrauten oder von denen Manufacturen einkommenden Geldern
die Zahlung zu aller Sicherheit des Empfängers thun dürffe, so daß der Verschickte veder
approbation seiner Reyse, noch confirmation seiner justificirten Rechnung ferner nöthig
habe ; Wie Wir denn auch über diesen Passum sowol Böttgern als den, von ihm abgeschick-
ten theils wegen der Abschickung, als Rechnung und empfangener Gelder aller An- und
Zusprüche hierunter erlassen. Weil auch
11.
Bey Uns Johann Friedrich Bötger allerunterthänigst angesuchet, ihme allergnädigst
zu gestatten, daß er zur Gemüthserfrischung in seiner Einsamkeit künfftiges Frühjahr
einen kleinen Orangerie-Garten anlegen möchte; So haben Wir en regard daß eine solche
Recreation zu Erhaltung seiner Gesundheit fast nöthig seyn will, darein gerne consen-
tiret und wollen dahero auch den hierzu bedürfenden Auffwand vollkommen genehm halten.
Und wie Wir gnädigst versichert seyn, daß Johann Friedrich Böttger seine Oekonomie
und Disposition jedesmahl nach Unser Jntention allso führen, auch seine inventile Manu-
facturen dergestalt in gang bringen werde, daß Uns hiernechst ein ergiebiger Nutzen
und Vortheil erwachsen könne; So wollen Wir ihn auch bey Unser allergnädigster Ver-
ordnung und Declaration in allen Punkten wieder Jemandes An- und Zusprüchen ge-
schützet und manuteniret, auch darbey allenthalben, wenn auch hiernechst die Einnahme
der Gelder nicht mehr aus vorgedachten, Unsern Gassen, sondern dieselbe aus dem Debit
der von Johann Friedrich Böttgern anzurichtenden und in stand gebrachten Manufac-
turen fließen sollten, ledigUch gelassen haben; Wornach sich sowohl Unsere Gber-Rech-
nungs-Cammer als andere Collegia, aus deren ihnen anvertrauten Gassen die Gelder an
Johann Friedrich Böttger gezahlt werden, allergehorsamst zu achten haben.
Zu Urkund deßen haben Wir dieses resp. Decret und Verordnung unter unser eignen
hohen Unterschrift und Daumen-Secret bekräfftiget.
Signatum Dreßden, den 30. Novembris Anno 1707
(L. S.) Augustus Rex.
Zimmermann, Meißner Porzellan. ~ 21
322 Beilage III.
Beilage III.
Allerhöchstes Beeret vom 23. Januar 1710, die Gründung der Porzellanmanufaktur
zu Dresden betreffend (Kgl. Sachs. Hauptstaatsarchw, Loc. 1339. I Fol. 79).
Wir Friedrich August von Gottes Gnaden, König in Pohlen und Churfürst von
Sachsen u. s. w.
Thun hiermit kund und fügen männighch zu wissen: Demnach Wir unsers getreuen
Churfürstenthums und dahin incorporirter, auch anderer Lande bekümmerten Zustand,
darein dieselbe durch mancherley Unglück, insonderheit durch die vor vier Jahren be-
schehene Schwedische Invasion gesetzt worden, mitleidend beherziget, und hierauf, wie
solchen aufs Beste und Nachdrücklichste wieder aufgeholfen werden möge. Unsere einzige
und höchste Sorge seyn lassen wollen; So haben Wir unter andern ausgefundenen Mitteln,
daß die Wiederbringung einer geseegneten Nahrung und Gewerbes im Lande hauptsäch-
lich durch Manufakturen und Commercia befördert werden könne, vornehmlich in Con-
sideration gezogen und Unsere Landes-Väterliche Sorgfalt dahin gerichtet, wie die von
Gott Unseren Landen besonders reichlich mitgetheilte unterirdische Schätze eifriger, als
in vorigen Zeiten nachgesuchet, und diejenigen Materialien, so als todt und unbrauchbar
gelegen, zu ein oder andern Nutzen gebracht werden mögen. Und wir dann, nachdem
Wir sothane Nachforschung einigen, in dergleichen Wissenschaften vor andern wohl-
geübten Personen aufgetragen, und diese auch bishero ihre Erfahrenheit und unermüdeten
Fleiß dazu angewendet, befunden, daß der Höchste Unsere hierbey gehabte Absicht
bereits so weit gesegnet habe, daß aus denen in Unsern Landen häufig und überflüssig
befindlichen Materialien Uns nicht allein eine Art rother Gefäße, so die Indianischen,
von sogenannter Terra Sigillata gemachten, weit übertreffen, nicht weniger, allerhand
besonders colorirte und auch von diversen Farben künstlich melirte Geschirr und Tafeln,
welche insgesammt nebst ihrer Zärtlichkeit von so ungemeiner Härte sind, daß sie sich
gleich dem Jaspis und Porphyr schleifen, schneiden und poliren lassen, auch übrigens
alle andere Eigenschaften besitzen, welche von dergleichen Indianischen Gefäßen können
und mögen gesaget werden; nicht minder sie auch bereits ziemliche Probe- Stücken von
dem weißen Porzellan, sowohl glasurt, als unverglasurt, vorgelegt, welche genügsame An-
zeigung geben, daß aus denen in Unseren Landen befindlichen Materialien, ein dem Ost-
Indianischen Porzellan, sowohl an Durchsichtigkeit, als anderen dabey erforderten Eigen-
schaften gleichkommendes Gefäße könne und möge fabriciret werden, auch wohl zu ver-
muthen ist, daß in Zukunft bei rechter Einrichtung und Veranstaltung dergleichen weißes
Porzellan, wie bereits bey dem rothen erweislich gemacht worden, dem Indianischen
an Schönheit und Tugend, noch mehr aber an allerhand Fagons und großen auch massiven
Stücken, als Statuen, Columnen, Servicen u.s.w. weit übergehen möchten; Derohalben
uns dieselbe allerunterthänigst angelanget, daß zu genauer Untersuchung aller dieser aus
unsern Landes-Materialien einzig und allein zusamengesetzte, und durch ihre Kunst und Er-
fahrenheit inventirter Fabriken Wir eine absonderliche Commission niederzusetzen alier-
gnädigst geruhen möchten; Wir auch hierauf mit gnädigster Neigung in ihr bilhges Ver-
langen gewilliget und nunmehro nach geendigter Commission gnüglich versichert sind,
daß dergleichen Manufacturen Uns, Unseren Landen und deren getreuen Unterthanen
gut nöthig und ersprießlich seyn werden. So hat uns solches bewogen, mit Aufrichtung
derselben von obbenannten Sorten nicht länger anzustehen, vielmehr selbige zum Besten
Beilage III. 323
und Aufnahme Unserer Lande je eher, je lieber ins Werk setzen zu lassen, immaßen Wir
dann zu dem Ende, bey Unserer jetzigen Anwesenheit ein besonderes Manufaktur-Direc-
torium formiret, welchem Wir die Auf- und Anrichtung obbemeldeter Manufacturen
allergnädigst aufgetragen, und dasselbe vornehmlich dahin instruiret, daß bei denen
Fabricen und dem daraus folgenden Commercio alles und jedes nach Kaufmanns Art und
Gewohnheit eingerichtet und gehandelt, über das ganze Negotium richtige und accurate
Journale und andere sonst gewöhnliche Handelsbücher geführet, aufrichtiger Credit je
und allewege erhalten, auch daß durch göttlichen Seegen nach und nach Lucrirte jedes-
mahl zum Wachsthum und Vermehrung neuer Manufacturen angewendet werden solle.
Woraus Unsere getreue Unterthanen zur Gnüge erkennen werden, daß Unsere gnädigste
und Landesväterliche Absicht bloß allein auf ihren und des ganzen Landes Nutzen und
Wohlfahrt gerichtet, und Wir dahero um einen leidlichen Beytrag derer fast großen und
ansehnlichen Summen, welche zur Etablirung so vieler und wichtiger Manufacturen un-
umgänglich erfordert werden, sie mit Fug und Bilhgkeit ansprechen könnten, um soviel
mehr, da unsere Unterthanen durch die daraus fließende stärkere Nahrung, dereinst den
größten Nutzen davon empfinden werden. Damit aber Künstler und Handwerker wegen
der Zünfte oder Jurisdiction Unserer Amtleute und Magristraten nicht abgeschreckt werden,
auch sonsten in der Furcht stehen mögen, sie dürften mit vielen Personal oneribus be-
leget werden; so wollen Wir denenselben diejenigen Immunitäten und Freiheiten, so
Wir in einem absonderlichen vormals emanirten Edict, denen neu ankommenden und
sich in Unseren Landen niederlassenden Künstlern und Handwerkern, gnädigst ver-
sprachen, auch wirkhch angedeihen, und sie übrigens unter keine andere Botmäßigkeit
als Unser Manufactur-Directorium ziehen lassen, es sey denn, daß sie sich mit Haus und
Hof, auch anderen liegenden Gründen ansäßig gemachet, oder andere bürgerliche Nahrung
trieben, an solchen Fall sollen sie wegen ihrer Häuser liegenden Gründen auch bürger-
licher Nahrung vor jedes Orts ordentliche Obrigkeiten, wegen ihrer bey diesen neuen
Manufacturen habenden Arbeit und Verrichtung, aber vor das Manufactur-Directorium
alleine stehen; Wie Wir auch diesfalls dasselbe mit nöthiger Instruction versehen werden.
Uns wird schlüßlich es ein besonderes Vergnügen geben, wenn wir durch die Auf-
richtung dieser oben angeführten, als auch hiernächst nacherfolgten Manufacturen und
nützlichen neuen Erfindungen nicht allein Unseren Unterthanen eine merkliche Er-
leichterung und bessere Nahrung, sondern auch Unseren Landen, absonderlich aber
Unserer Residenz-Stadt Dresden gute Künstler und Handwerker zuziehen, auch denen
bereits darinnen sich befindlichen eine bessere Nahrung gönnen mögen, folglich bey künf-
tigen, Gott gebe besseren und ruhigeren, Zeiten, schöne und nützliche Künste und Wissen-
schaften einführen, und dieselbe in erwünschten Flor bringen lassen können; Wie Wir
denn allen denenjenigen, sie sind ausländisch oder einheimisch, fremde oder Unsere Unter-
thanen, so diesem Vorhaben die hülfreiche Hand bieten, und solches befördern helfen,
mit besonderen Königl. Gnaden zugethan verbleiben; denenjenigen aber, so in Unseren
Landen denen neuen Manufacturen auf einige erweisliche Art sich widersetzen, oder
denenselben sonsten einige Hindernisse geben möchten, Unsere Ungnade nachdrücklich
empfinden lassen werden.
Zu Urkund haben Wir Unser Königl. Chur-Secret Vordrucken lassen. So geschehen
und gegeben zu Dresden am 23. Januari, anno 1710.
Egon, Fürst zu Fürstenberg Otto Heinrich Freyherr von Friesen.
(L. S.) Bernhard Zech.
~~ ' 21*
324 Beilage IV.
Beilage IV.
VonSr. Königl. Majestät eigenhändig approbirtes Besoldungs-Reglement d. d. 12. Januar
1708 für das von Böttgern zu Ahsolvirung seiner Geschäfte angenommenen Personale
(Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv, Loc. 1341).
Sowohl derjenigen Personen, welche von Ihr. Königl. Majestät selbst mir Johann
Friedrich Böttgern zugeordnet,
alß auch
Derer Leute, so mit Ihr.Maj. allergnädigster Bewilligung zu meiner Arbeit und Bedienung
durch mich angenommen worden,
Monathch
sollen haben,
Hr. Cammer-Rath Michael Nehmitz vom 1. October 1707 150 Thlr.
Hr. Rath Ehrenfried Walther v. Tzschirnhaus vom December 1707 100 ,,
Hr. Leibmedicus D. Jacob Bartelmei vom Nov. 1707 pro Discretione 10 ,,
Die Arzneyen werden demselben ä part bezahlt.
Denen Sechs wachhaltenden Ober-Officiers vom Januar 1708 24 ,,
Hr. Justus Basilius Hering vom October 1707 20 ,,
Latus 304 Thlr.
Ferner
Transport 304 Thlr.
Cyriacus Klein i Monatl. vom 12
Joseph Heuthier l Octbr. 8
Sebastian Pichler, der Koch J 1707 8
Die Arbeiter in dem Laboratorio auf der Vestung.
Balthasar Görbig ] Vom 8
Johann George Schubarth \ Octbr 8
Paul Wildenstein J 1707 8
David Köhler 8
Die Arbeiter in dem Laboratorio bey dem Tzschirnhaus
Samuel Kämpffe v. Octbr. 1 8
Whristoph Wieden v. Decbr, j 8
und endlich
Johann Friedrich Berger, Küchenjunge vom Octbr. 1707 2
Summa 382 Thlr.
approbirt
Augustus Rex
umb die allergnädigste abprobation
Dreßden bittet allerunterthänigst
den 12. January Johann Friedrich Böttger
1708. Mppr.
Beilage V. 325
Beilage V.
Spezifikation, so bis dato hey deren Königl. neuen Manufakturen zu befinden und
aus dererselben Cassa ihr Salaria und Lohnungen zu fordern haben oder praetendieren.
(1712. Königl. Sachs. Hauptstaatsarchiv, Loc. 1340, I. 117).
Monatliches Quantum.
Nahmen derselben:
Der Administrator Herr Johann Friedrich Böttger R.-Thlr. 50. —
Der Leibmedicus Herr Doctor Jacob Bartelmei „ 20. —
Herr Doctor Wilhelm Heinrich Nehmitz „ 30. —
Herr Secretarius Herr Emanuel Jacobi ,, 20. —
Der Inspector zu Meissen, Herr Johann Melchior Steinbrück ,, 20. —
Der Commercien-Commissarius Herr Johann Gottfried Meerheim „ 25. —
Der Inspector deren Schleiff- und PoUer-Wercke Herr Joh. Friedrich
Schmidt ,, 20. —
Herr Justus Basilius Heringh ,, 10. —
Herr Johann Jacob Irminger ,, 16. —
Der Buchhalter zu Meissen Herr Johann George Wittich ,, 16. —
Der Condukteur Herr Adam Heinrich Blumenthal ,, 12. —
Herr Hieronymus Schiermann ,, 12. —
Der Bettmeister zu Meissen Herr Israel Frizsche „ 8. —
Der Materialien-Schreiber George Christian Klunger „ 8. —
2. An Künstler.
Der Laccirer Martin Schnell verdient „ 100. —
Der Goldarbeiter Johann Carl Bahr , 12. —
Der Mahler Joh. Christoph Schäffler „ 12. —
Der Filegrain-Arbeiter Stefky „ 12. —
3. An Glas-Schleiffern und Schneidern in Dresden.
Daniel Springer „ 16. —
Martin Häckel „ 16. —
Joh. Andr. Caden, nebst 2 Gesellen „ 20. —
Joh. George Zimmermann „ 12. —
Christoph Fischer „ 12. —
Joh. Caspar Arnholdt „ 12. —
4. Glasschneider in Meissen.
Franz Philip Wander „ 12. —
Johann Christoph Bernhardt nebst einem Gesellen „ 12. —
Christoph Krüger „ 4. —
5. Glas-Schneider in Böhmen.
Paul Günther „ 12. —
Gottfriedt Habner „ 12.—
326
Beilage V.
Carel Hübner K.-Thlr. 12.
Hans Endeier „ 12.
Christian Kuckoff ,, 12.
Heinrich Dreher „ 12.
Christoph Stephan „ 12.
Johann Frist „ 12.
Gottlob Benjamin Geissler ,, 12.
Gottlob Ehrenfriedt Geissler sambt ihren Gehilfen „ 12.
6. Massen-Bereiter.
Johann George Schubarth
Davidt Köhler
Christoph Wieden
Samuel Stelzel
12.
12.
10.
7. Brenner und Maurer.
Balthasar Gerbich
Johann George Zimmermann
Andreas Heinrich
8. T ö p f f e r.
George Kittel
Peter Geithner
Gottfriedt Lohse
Paul Wildenstein
Johann Christoph Krumbholz
Johann Kittel
Ferner als Jungens:
George Frizsche
Johann Samuel Grünlich
})
12.—
JJ
10.—
;>
5.—
12.—
12.—
12.—
8.—
10.—
8.—
jj
1.12
1.—
9. Capsul-Macher.
Johann Donner . . .
Christian Kopringh
Martin Rothe
10.-
10. Dreher des Holland. Guths.
Peter Eggebrecht
Johann Davidt Krazenborg
Christoph Rothe
Conradt Schmidt, Junge
Johann George Grundt 1
"■■'"''■" [ Handlanger
Heinrich Schmidt
Otto Engelbrecht Lampe
20.—
16.—
9.—
2.--
4.12
Beilage V.
327
11. Fliesen-Macher.
Christoph Rühle R.-Thlr. 16.—
Christian Pestner „ 4.12
Zacharias Fischer „ 4.16
Christian Richter „ 3. —
12. Schlemmer des Gapsul--Thons.
Hans George Seidler
Heinr. Meyer
13. Schilderer des guthen Porcellains.
Johann Davidt Stechmann
Anselm Bader
3.-
3.-
16.—
8.—
14. Tischler.
Philipp Haeckel
Johann George Tranitz
15. Zum Domesticq-Wesen gehörige.
Der Koch Johann Stein
Joseph Heuthier
Der Küchen- Junge, Gotthard Müller
Der Gärtner, Johann Carl Gebhardt
Johann George Wittich
Johann Gerhardt Wittich
/. —
6.12
10.—
8.—
2.—
16. ImLaboratorio.
Der Apotheker-Geselle Thoma
Christian Graupner
Johann Andr. Hoppe
Johann George Hauptmann
Johann George Heinze
17. Bey der Schleiff- und Polier- Mühle.
Der Mechanicus Erhardt Schönheit
Dessen Bruder, als Geselle
Der Handlanger
18. Des Herrn Ad ministratoris Beyde Brüder
Herr Christoph Dietrich Böttger
Herr Just Friedrich Tiemann ^)
12.—
8.—
2.—
4.—
4.—
12.—
8.—
4.—
16.—
12.—
Summa: R.-Thlr. 1057.16
i) Ein Stiefbruder Böttgers.
328 Beilage VI
Beilage VI.
. Verzeichnis des Personalbestandes der Meißner Manufaktur bei Böttgers Tode.
(Nach dem in der Porzellanmanufaktur zu Meißen aufbewahrten Bericht des Inspektors
Steinbrück über das Personal der Manufaktur vom 5. Juni 1719.)
Doktor Nehmitz.
Doktor Bartelmei.
Inspektor Steinbrück.
Materialienschreiber Klünger.
David Köhler.
Job. George Schuberth.
Samuel Steltzel, Massenbereiter und Brenner.
Gottfried Gierisch, Handlanger.
Balthasar Gerbich, Maurer und Brenner.
Job. George Bormann, Maurer und Brenner.
Job. Andreas Hoppe, Brenner.
Andreas Heinrich, Handlanger im Brennhaus.
Peter Geithner, Töpfer (Dreher).
Gottfried Lobse, Töpfer (Dreher).
Job. Christoph Krumbholz, Töpfer (Dreher).
Job. Daniel Rohrschuch, Dreher.
Caspar Meissner, Dreher.
Job. Donner, Kapseldreber.
Paul Wildenstein, Former.
Job. Kittel, Former.
Michael Morgenstern, Former.
George Fritzsche, Former,
Job. Fritzsche,
George Kirsten, Handlanger.
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