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Full text of "Die Erfindung und Frühzeit des Meissner Porzellans; ein Beitrage zur Geschichte der deutschen Keramik"

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Die  Erfindung  und  Frühzeit 
DES  Meissner  Porzellans 


EIN  BEITRAG  ZUR  GESCHICHTE  DER  DEUTSCHEN  KERAMIK 


VON 


Ernst  Zimmermann 


MIT  1  FARBENTAFEL  UND  111  ABBILDUNGEN  IM  TEXT 


508932 

3.   '^.   ^o 


BERLIN   W.35 

DRUCK  UND  VERLAG  VON  GEORG  REIMER 

1908 


;,  Un  premier  inventeur  trouve  ordinairement 
un  secret  par  hasard  et  sans  le  eher  eher ;  mais  un 
second  qui  cherche  ce  que  le  premier  a  trouve'  ne 
le  peut  guere  trouver  que  par  le  raisonnement." 

Fontenelle. 


Herrn  Direktor  Justus  Brinckmann 


in  dankbarer  Verehrung 


gewidmet. 


Vorliegende  Arbeit  ward  lediglich  in  dem  Wunsche  unternommen,  einmal  die 
keramischen  Taten  und  Verdienste  Böttgers,  des  Erfinders  des  europäischen 
Porzellans  festzustellen,  wie  sie  uns  heute  auf  Grund  aller  erhaltenen  Dokumente 
seiner  Zeit  sich  darstellen.  Sie  ward  begonnen,  weil  sich  die  Tatsache  ergeben  hatte, 
daß  uns  heute  für  eine  solche  Arbeit  ein  reiches  Material  vorliegt,  das  diejenigen, 
die  bisher  einen  gleichen  oder  ähnlichen  Versuch  gemacht,  teils  nicht  gekannt, 
teils  nicht  genügend  benutzt  hatten.  Es  war  zu  hoffen,  daß  dadurch  das  zu  ent- 
werfende Bild  ein  reicheres  und  lebendigeres  werden  durfte.  Doch  bald  und  mitten 
in  der  Arbeit  stellte  sich  die  Veranlassung  zu  einer  solchen  als  immer  dringlicher 
heraus,  ja,  sie  schien  schließlich  geradezu  ein  Gebot  der  Gerechtigkeit,  der  Wahr- 
heitsliebe zu  werden,  die  immer  die  Grundlage  einer  echten  Geschichtschreibung 
bleiben  müssen.  Es  ergab  sich  bei  eingehendem  Versenken  in  die  Dokumente  der 
Zeit,  bei  der  sorgfältigsten  Prüfung  und  Nachprüfung  aller  Quellen,  die  jetzt  oder 
früher  zu  Gebote  standen,  mit  immer  größerer  Gewißheit  die  wohl  von  niemandem 
früher  in  ihrem  ganzen  Umfange  geahnte  Tatsache,  daß  das  Bild,  das  wir 
jetzt  schon  so  lange  Zeit  von  Böttger  und  seiner  Tätigkeit  besessen,  und  an  das 
wir  alle  bisher  mit  so  felsenfester  Überzeugung  geglaubt  haben,  ein  gänzlich 
falsches,  verzerrtes  gewesen,  das  auch  nicht  entfernt  hat  ahnen  lassen,  um  was  für 
eine  Persönlichkeit  es  sich  hier  einst  gehandelt  hat,  was  für  eine  Persönlichkeit 
die  deutsche  Technik  und  Wissenschaft  in  ihm  besessen.  Es  war  bald  nur  zu  klar: 
es  war  gegenüber  ihm  ein  Geschichtsirrtum  begangen  worden,  wie  er  selten  be- 
gangen sein  mag,  ein  Geschichtsirrtum,  der,  obwohl  noch  gar  nicht  so  alt,  dennoch 
sich  über  die  ganze  Welt  verbreitet  hat  und  heute  so  ziemlich  von  allen  geglaubt 
wird,  ein  Geschichtsirrtum  schließlich,  der  Deutschland  für  lange  Zeit  um  einen 
bedeutenden  und  verdienstvollen  Mann  ärmer  gemacht  und  ihm  selber  das 
schreiendste  Unrecht  zugefügt  hat. 

Dieser  merkwürdige  Irrtum  muß  in  der  Hauptsache  als  die  Folge  eines  ein- 
zigen Werkes  betrachtet  werden,  auf  das  sich  seit  etwa  siebenzig  Jahren  die  ganze 
Erkenntnis  des  Erfinders  des  Meißner  Porzellans  stützt,  da  vor  dem  Erscheinen 
desselben  so  gut  wie  alle,  die  über  ihn  berichtet  haben,  ihn  als  eine  völlig  andere 
Persönlichkeit  darstellten,  ja  kaum  den  mindesten  Anlaß  gegeben  haben,  daß  man 
etwas  anderes  hinter  ihm  vermuten  konnte,  mit  alleiniger  Ausnahme  des  Dresdener 


VI 

Bibliothekars  Hempel,  der  in  seiner  Böttger  gewidmeten  Biographie  in  der  Ency- 
klopädie  von  Ersch  und  Gruber  gleichfalls  schon  manches  Ungünstige  über  diesen 
zu  sagen  für  nötig  hielt.  Dies  einflußreiche  Werk  ist  Engelhardts  im  Jahre 
1837  erschienene  umfangreiche  Biographie  Böttgers,  betitelt:  „J.  F.  Böttger, 
Erfinder  des  sächsischen  Porzellans.  Biographie  aus  authentischen  Quellen  von 
Carl  August  Engelhardt,  Kriegsministerialsekretär  und  Archivar,  auch  Redakteur 
der  Gesetzsammlung.  Nach  dem  Tode  des  Verfassers  vollendet  und  herausgegeben 
von  Dr.  August  Moritz  Engelhardt,  Mitglied  des  Königlich  Sächsischen  Altertums- 
Vereins.  Leipzig  1837."  Es  ist  die  einzige  Lebensbeschreibung  Böttgers,  die  sich 
auf  eingehende,  umfassende  und  selbständige  Studien  stützt  ^),  nach  welcher  wohl 
von  mehreren  Seiten  kleinere  Einzelstudien  über  diesen  Mann  und  seine  Arbeiten 
gemacht  worden  sind,  deren  Resultate  schon  nicht  mehr  recht  vereinbar  schienen 
mit  dem,  was  Engelhardt  berichtet  hatte,  die  aber  dennoch  nicht  so  weit  gingen, 
das  ganze  Bild,  das  dieser  von  Böttger  und  seiner  Zeit  gegeben,  nun  gänzlich  zu 
erschüttern  und  einen  neuen  Aufbau  desselben  zu  verlangen.  Es  ist  aber  auch 
die  alleinige  Ursache,  daß  seit  dieser  Zeit  in  den  weitesten  Kreisen  Böttger  eigent- 
lich für  nichts  weiteres  als  einen  Windbeutel,  einen  Scharlatan,  einen  ,, verlaufenen 
Apothekergesellen",  einen  Renommisten  und  Junker  Prahlhans,  vor  allem  aber 
als  einen  Verschwender  und  Prasser,  einen  Faulpelz  und  Lüderjahn  gilt,  kurz,  als 
eine  Persönlichkeit,  der  das  Glück  als  einem  echten  Sonntagskinde  in  ganz  be- 
sonderem Maße  günstig  gewesen  sein  muß,  daß  es  ihr  durch  eine  ihrer  seltsamsten 
Launen  den  Ruhm  einer  Erfindung  in  den  Schoß  warf,  auf  den  sie  in  Anbe- 
tracht ihrer  ganzen  Begabung,  Erziehung  und  Charakterbildung  eigentlich  nicht 
den  geringsten  Anspruch  gehabt  hätte.  Böttger  aber  ward  dadurch  fast  eine  komische 
Figur:  halb  eine  Art  Eulenspiegel,  der  unausgesetzt  die  Menschen  voller  Spaß 
an  der  Nase  herumführt,  halb  ein  Don  Quichotte,  der  unausgesetzt  Taten  begeht 
oder  begehen  will,  zu  der  er  nicht  im  mindesten  in  sich  selber  die  Kraft  besaß. 
Nur  daß  bei  ihm  diese  Eigentümlichkeiten  weniger  amüsant  und  harmlos  erscheinen 
als  bei  jenen  der  ganzen  Welt  angehörenden  Humoristen,  weil  man  unausgesetzt 
dabei  das  Gefühl  hat,  daß  durch  sie  ein  gutes  und  wirklich  heilsames  Werk  fast 
zugrunde  ging  oder  wenigstens  nicht  seine  richtige  Entwicklung  fand! 

Hierbei  wirft  Engelhardt  ihm  im  einzelnen  vor,  daß  er,  ganz  abgesehen  von 
seinen  alchimistischen  Betrügereien  und  Schwindeleien  auch  nach  der  Erfindung 
des  Porzellans  und  der  Begründung  der  Meißner  Manufaktur,  faul  und  gänzlich 


^)  Ich  betone  dies  mit  ganz  besonderem  Nachdruck,  da  vor  einigen  Jahren  ein  Büchlein 
eines  gewissen  Wolff-Beckh  mit  vielem  Geschrei  in  die  Welt  gesetzt  worden  ist,  das  sich  stolz 
wie  eine  neue  Biographie  Böttgers,  ja,  wie  eine  bedeutende  wissenschaftliche  Tat  gebärdet,  ob- 
wohl es  in  der  Hauptsache  nichts  wie  ein  dürftiger  Auszug  aus  der  Engelhardtschen  Biographie 
darstellt,  der  leider,  da  inzwischen  doch  manches  ausgesprochen  und  entdeckt  worden  ist, 
was  die  Glaubwürdigkeit  dieser  Biographie  stark  beeinträchtigt  hat  (was  aber  dem  Verfasser 
dieses  Buches  völlig  unbekannt  geblieben  ist,)  gerade  um  etwa  siebenzig  Jahre  zu  spät  ge- 
kommen ist. 


VII 

gewissenlos,  dazu  frech  und  anmaßend  gewesen  wäre  und  nur  an  sich  und  das 
eigene  Wohlleben  und  die  eigenen  Passionen  gedacht  hätte,  daß  er  das  Geld,  das 
ihm  für  seine  Untersuchungen  und  Manufakturen  anvertraut  worden  wäre,  mit 
dem  für  seinen  eigenen  Unterhalt  bestimmten  vermischt  und  alles  dann  für  ein 
Leben  in  Saus  und  Braus,  für  ein  Leben  mit  heiteren  Freunden  und  nur  zu  fröh- 
lich kreisenden  Bechern  verwandt  hätte  und  auch  dabei  der  Liebe  nicht  abhold  war, 
daß  er  eigentlich  immer  betrunken  und  darum  unzurechnungsfähig  und  arbeits- 
unfähig war,  daß  er  in  der  Manufaktur  keine  Spur  von  Disziplin  zu  halten  ver- 
stand, daß  er  selbst  vor  Verrätereien  gegenüber  seinem  hohen  Gönner,  dem  Könige, 
nicht  zurückschreckte,  und  daß  schließlich  diese  seine  verwerfliche  Persönlichkeit 
allein  schuld  daran  war,  daß  die  Meißner  Manufaktur,  die  als  große  Einnahme- 
quelle für  den  König  und  den  Staat  gegründet  war,  das  genaueste  Gegenteil  hier- 
von ward,  daß  sie,  so  lange  er  lebte,  nichts  wie  Vorschüsse  auf  Vorschüsse  er- 
forderte und  schließlich  bei  seinem  Tode  sich  in  einem  Zustande  befand,  der  aller 
Beschreibung  spottete.  Kurz,  es  gab  kaum  ein  Laster,  das  Engelhardt  Böttger 
nicht  zuschrieb,  und  merkwürdig,  fast  alle  Leute,  die  mit  Böttger  in  Berührung 
kamen,  und  oft  die  allerunbedeutendsten,  sie  bekamen,  gleichsam  durch  die  allzu- 
nahe Berührung  mit  diesem  Manne,  gleichfalls  etwas  Verworfenes,  Lasterhaftes. 
Es  schien,  als  wenn  es  damals  in  seiner  Sphäre  gar  keine  Ehrlichkeit,  gar  keine 
Treue,  gar  keine  Gewissenhaftigkeit  mehr  gäbe,  als  wenn  die  Welt  um  Böttger 
ganz  besonders  schlecht  und  verworfen  wäre,  Böttger  sie  aber  doch  in  dieser  Be- 
ziehung noch  um  Haupteslänge  überragt  hätte.  Und  so  war  es  eine  recht  schlechte 
Gesellschaft,  in  die  der  Leser  des  Engelhardtschen  Buches  nur  zu  bald  hineingeriet, 
eine  Gesellschaft,  die  viel  von  der  einer  Strafanstalt  besaß,  in  der  jedoch  die  In- 
sassen ohne  Schranken  gegeneinander  losgelassen  sind. 

Wie  aber  stellte  sich  das  Bild  Böttgers  und  seiner  Tätigkeit  dar,  wenn  man 
das  Buch  Engelhardts  und  seine  ganze  Darstellung,  seine  ganze  Auffassung  vergaß, 
wenn  man  noch  einmal,  als  wäre  es  nie  geschrieben,  völlig  naiv  und  unbefangen 
an  die  Dokumente  dieser  Zeit  herantrat  und  sie  auf  ihren  Inhalt  prüfte,  zugleich 
aber  auch  die  noch  heute  für  das  Auge  sichtbaren  Taten  Böttgers,  die  Erzeugnisse 
seiner  industriellen  Tätigkeit,  die  sich  in  so  zahlreichen  Exemplaren  bis  auf  den 
heutigen  Tag  erhalten  haben,  auf  ihren  inneren  Wert  hin  untersuchte? 

Diese  Dokumente  bestehen  zunächst  in  den  auf  dem  königlich  sächsischen 
Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden  befindlichen,  auf  die  Meißner  Manufaktur  bezüg- 
lichen Akten,  von  denen  ein  großer  Teil  noch  den  Böttgerschen  Zeiten  angehört, 
dann  in  den  gleichen,  die  auf  der  Meißner  Manufaktur  selber  aufbewahrt  werden 
oder  sich  im  Besitz  der  königlichen  Porzellansammlung  zu  Dresden  befinden, 
weiter  aber  in  den  keramischen  Erzeugnissen  Böttgers  selber,  den  Fayencen,  Stein- 
zeugen und  schließlich  den  Porzellanen,  die  er  in  den  von  ihm  angelegten  Manu- 
fakturen hat  herstellen  lassen,  deren  Hauptbestand  gleichfalls  in  der  Dresdner 
Porzellansammlung  anzutreffen  ist.  Freilich  will  es  hierbei  ein  ganz  besonderes 
Unglück,  daß  wir  heute  einen  großen  Teil  der  Akten,  die  Engelhardt  noch  zur  Ver- 


VIII 

fügung  gestanden,  nicht  mehr  besitzen.  In  dem  Vorwort  zu  seiner  Biographie 
wird  die  Handschrift  eines  gewissen  Paul  Wildenstein  erwähnt,  eines  der  frühesten 
Arbeiter  Böttgers,  die  ihm  den  meisten  Aufschluß  über  dessen  Privatleben  gegeben 
haben  soll.  Dies  Manuskript,  das  freilich  von  vornherein  ein  wenig  in  Erstaunen 
setzt,  bedenkt  man,  daß  es  damals  in  der  Zeit  noch  allgemeiner  Unbildung  ein 
einfacher  Arbeiter  geschrieben  haben  soll,  ist  leider  in  keiner  Weise  heute  mehr 
auffindbar.  Desgleichen  ist  ein  beträchtlicher  Teil  der  Akten  der  Meißner  Manu- 
faktur, der  nachweislich  seinerzeit  Engelhardt  zur  Benutzung  übergeben  worden 
ist,  heute  nicht  mehr  zu  finden.  Er  ist  daher  wohl  nicht  wieder  dorthin  zurück- 
geliefert worden.  Ebenso  fehlen  heute  sämtliche  Briefe,  die  der  König  August 
der  Starke  an  Böttger  geschrieben  hat.  Alle  diese  Dokumente  können  daher 
leider  zur  Rekonstruierung  des  Lebens  dieses  Mannes  heute  nicht  mehr  be- 
nutzt werden.  Was  aber  bleibt,  ist  reich  und  mannigfaltig  genug,  um  dennoch 
Mut  und  Vertrauen  zu  einer  solchen  Arbeit  zu  gewinnen,  und  dann  haben 
sich  auch  Dokumente  gefunden,  die  Engelhardt  nicht  benutzt  hat.  Hierzu 
gehört  vor  allem  eine  vom  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen  aufgefundene,  von 
ihm  bereits  in  seinem  ,, Beitrag  zur  Geschichte  der  europäischen  Porzellan- 
fabrikation" (Zeitschrift  für  Architektur  und  Ingenieurwesen,  1898,  S.  387) 
ausführlich  besprochene,  allem  Anscheine  nach  der  Zeit  unmittelbar  nach  Böttger 
angehörende  Schilderung  der  Erfindung  des  Porzellans,  ein  Dokument  ersten 
Ranges,  dann  die  eben  erwähnten  keramischen  Erzeugnisse  Böttgers  selber,  um 
die  sich  Engelhardt,  so  unglaublich  es  klingt,  noch  nicht  im  geringsten  bei  Ab- 
fassung seines  Werkes  gekümmert  hat.  Es  ist,  als  wenn  der  in  Dresden  lebende 
Verfasser,  trotzdem  er  sich  so  eifrig  und  so  lange  mit  der  Geschichte  der  Erfindung 
des  Meißner  Porzellans  beschäftigt  hat,  sein  lebelang  nicht  die  geringste  Ahnung 
gehabt  hat,  daß  es  in  Dresden  eine  Porzellansammlung  gab,  in  der  er  alles  das, 
was  er  etwa  über  die  Erzeugnisse  Böttgers  aus  den  Dokumenten  seinerzeit  heraus- 
zufinden versucht  hat,  unmittelbar  und  in  vollster  Erhaltung  mit  eigenen  Augen 
hätte  sehen  können.  Seine  Weisheit  ist  lediglich  Aktenweisheit  gewesen,  eine  Weis- 
heit, die  meist  ohne  wirkliches  Leben  und  ohne  Reichtum  zu  sein  pflegt.  Aber  auch 
diese  Akten  YiaX  Engelhardt,  wie  vorliegendes  Buch  zeigen  wird,  merkwürdigerweise  in 
keiner  Weise  ausgenutzt.  Es  gewinnt  fast  den  Anschein,  als  ob  er  sie  immer  nur 
bruchstückweise  benutzt  hätte,  als  wenn  er  ganze  Aktenstöße  gar  nicht  durchgesehen 
hätte  oder  die  Exzerpte  aus  denselben  bei  der  Ausarbeitung  seines  Buches  zu  ver- 
wenden vergessen  hätte.  Und  so  kann  dennoch  trotz  der  Verluste  das  Material,  das  uns 
heute  zur  Konstruierung  des  Lebens  und  namentlich  der  Taten  Böttgers  zur  Ver- 
fügung steht,  als  ein  viel  reicheres,  umfassenderes  und  zuverlässigeres  gelten,  als 
das,  das  Engelhardt  benutzt  hat,  und  wir  haben  darum  wohl  schon  deshalb  mehr 
A.ussicht,  der  Wahrheit  der  Vergangenheit  näher  zu  kommen  und  uns  vor  Irrtümern 
zu  hüten. 

Was  sich  aber  aus  diesen  Quellen  nach  sorgfältigster  Prüfung  ergibt,  ist  in 
vorliegendem  Werke,  soweit   es  Böttger   den  Keramiker  betrifft,  niedergelegt  und 


IX 

ausgedeutet  worden:  es  wird  sich  für  jeden,  der  es  liest,  als  etwas  gänzlich  anderes, 
ja,  fast  als  das  genaueste  Gegenteil  dessen  herausstellen,  was  Engelhardt  über  ihn 
berichtet  hat  und  was,  diesem  ohne  Einsetzung  der  Kritik  glaubend,  das  allge- 
meine Urteil  über  ihn  bis  auf  unsere  Zeit  gewesen  ist.  Es  war  nicht  möghch  und 
wenn  man  noch  so  guten  Willen  gehabt  hätte,  in  Böttger  auch  nur  entfernt  den 
,, verlaufenen  Apothekergesellen"  zu  sehen,  der  eigentlich  nichts  wußte,  eigentlich 
nichts  konnte  und  doch  so  ein  großer  Glückspilz  war,  daß  ihm  mit  Leichtigkeit 
gelang,  was  neunmal  Klügeren  mit  aller  ihrer  Gelehrsamkeit  nicht  hatte  glücken 
wollen,  vielmehr  einen  ausgesprochenen  Vertreter  der  praktischen  Wissenschaft 
seiner  Zeit,  der  mit  dem  ganzen  Rüstzeug  derselben  an  seine  Arbeiten  herantrat 
und  dann  eine  Kombinations-  und  Fglgerungsgabe  bewies,  wie  sie  keinem  gewöhn- 
lichen Sterblichen  zuteil  zu  sein  pflegt.  Es  war  weiter  nicht  möglich,  in  ihm  einen 
Faulpelz  und  Nichtstuer  zu  sehen,  der  nur  an  sein  eigenes  Wohlleben  dachte, 
sondern  einen  Mann  von  einer  Lebhaftigkeit  des  Geistes,  einer,  wenn  es  sein  mußte, 
Energie  der  Arbeitskraft,  einer  Unternehmungslust  und  einem  Streben  zum  Neuen, 
für  den  es  gar  nicht  so  leicht  sein  dürfte,  sogleich  aus  der  Geschichte  der  Technik 
ein  zweites  Beispiel  zu  finden.  Es  war  weiter  ebensowenig  möglich,  ihn  für  einen 
großen  Verschwender,  für  einen  leichtsinnigen  Vergeuder  der  ihm  für  seine  Ar- 
beiten, für  seine  Manufakturen  anvertrauten  Gelder  zu  erkennen,  als  vielmehr 
nur  für  einen  vielleicht  nicht  gerade  sehr  geschickten  Geschäftsmann,  der  es  nicht 
verstand,  wie  es  damals  wohl  viele  nicht  verstanden  hätten,  bei  der  ganz  unverhältnis- 
mäßig großen  Anzahl  von  Aufgaben,  die  an  ihn  herantraten,  und  den  völlig  unzu- 
länglichen Mitteln,  die  ihm  hierbei  zur  Verfügung  standen,  eine  Fabrik  zu  einer 
einträglichen  zu  machen,  die  sich  überhaupt  erst  nach  Jahren  rentieren  konnte.  Er 
stellte  sich  dann  auch  nicht  als  ein  gewohnheitsmäßiger  Trunkenbold  heraus,  der  sein 
ganzes  Leben  eigentlich  nicht  aus  dem  Rausche  heraus  und  wieder  zum  Gebrauch  seiner 
fünf  Sinne  kam,  als  vielmehr  als  einer,  der  in  schweren  Zeiten,  wenn  die  Verzweiflung 
ihn  packte  oder  seine  Tatkraft  zu  sehr  gelähmt  war,  zur  Trost  spendenden  Flasche 
griff —  zumal  sein  von  Haus  aus  ungemein  kräftiger  Körper  ihm  solche  Exzesse  wohl 
gestattete  —  bis  er  schließlich,  doch  erst  ganz  am  Ende  seines  Lebens,  da  sich  diese 
Zeiten  mehrten  und  auch  schwere  Krankheit  hinzukam,  sich  diesem  Laster  reich- 
licher ergab,  als  ihm  und  seinen  Arbeiten  zuträglich  war.  Über  alle  diese  Vorzüge 
und  Schwächen  aber  hinaus  wuchs  bei  diesem  erneuerten  Studium  seines  Lebens 
und  der  Taten  der  Erfindertrieb  und  die  Erfinderkraft  dieses  Mannes,  jene  Eigen- 
schaften, die  ursprünglich  diesen  unruhigen  Geist  auf  das  schlüpfrige,  aber  doch 
damals  so  verlockende  Gebiet  der  Alchimie  geführt  hatten,  von  dem  er  dann,  fast 
wider  Willen  sich  mehr  den  realen  Aufgaben  des  Lebens  zuwendend,  zu  einem 
Erfinder  ward,  der  rastlos  auf  den  verschiedensten  Gebieten  sich  betätigt  hat, 
der  die  festete  Absicht  hatte,  seiner  neuen  Heimat  große  und  einträgliche  In- 
dustrien zu  verschaffen  und  sie  dadurch  reich  und  glücklich  zu  machen.  Hier  aber 
auf  dem  Hauptgebiet  seiner  Lebenstätigkeit,  auf  dem  der  Keramik,  hat  er,  ohne 
Fachmann  zu  sein,  ja  auch  ohne  nur  die  geringsten  Fachkenntnisse  mitzubringen, 


X 

mithin  als  reiner  Dilettant,  sich  als  ein  Vertreter  dieses  Faches  entpuppt,  der  nicht 
nur  Bedeutendes  und  dasselbe  Förderndes  zuwege  gebracht,  vielmehr  in  der 
Tat  nichts  Geringeres  getan  hat,  als,  man  darf  wohl  sagen,  die  schwierigsten  Pro- 
bleme der  ganzen  Keramik,  d.  h.  die  Erfindung  des  Porzellans  wie  auch  seine 
fabrikmäßige  Herstellung,  fast  spielend  und  in  ganz  überraschend  kurzer  Zeit 
gelöst  und  dann  seine  keramischen  Erfindungen  so  mannigfach  und  so  künstlerisch 
auszunutzen  verstanden  hat,  wie  es  wohl  keiner  vor  oder  nach  ihm  auf  diesem 
Gebiet  wieder  getan  hat.  Ja,  er  wird  hier  schließlich  so  groß  und  bedeutend, 
daß  man  kaum  umhin  kann,  ihn,  den  Engelhardt  uns  fast  nur  als  einen  großen 
Komödianten  hat  darstellen  wollen,  als  den  ersten  keramischen  Techniker  der 
Welt  zu  bezeichnen. 


Wie  aber  ist  es  da,  fragt  man  sich,  wenn  dieses  eben  gezeichnete  Bild,  das  in 
diesem  Werke  sich  weiter  enthüllen  soll,  der  Wahrheit  entspricht,  wie  ist  es  da 
möglich,  daß  Engelhardt  in  seiner  Arbeit  zu  einem  so  ganz  anderen  Resultate  ge- 
kommen ist,  wie  ist  es  da  möglich,  daß  er  in  seinem  umfang-  und  an  sich  inhalts- 
reichen Werke  ein  Bild  dieses  Mannes  hat  entwerfen  können,  das  nicht  nur  wie 
ein  gänzlich  anderes  als  das  oben  geschilderte  erscheint,  sondern  sogar  als  sein 
genauestes  Gegenteil,  das  mit  jenem  auch  nicht  mehr  das  geringste  zu  tun  hat? 

Folgendes  sind  wohl  die  Gründe,  die  hierfür  einigermaßen  eine  Erklärung 
zu  geben  vermögen: 

An  sich  hat  Engelhardt  mit  der  Persönlichkeit  Böttgers  sich  sehr  eingehend 
beschäftigt,  ja,  er  hat  es  allem  Anscheine  nach  als  seine  Lebensaufgabe  betrachtet, 
das  Leben,  die  Taten  und  den  Charakter  dieses  Mannes  in  ausführlichster  Weise 
vorzuführen.  Wie  das  Vorwort  seines  Werkes  es  selber  angibt,  hatte  er  diesen 
Stoff  schon  vorher,  wenn  auch  in  aller  Kürze,  mehrfach  behandelt,  bis  er  auf  Grund 
eingehendster  langjähriger  Studien  sich  dann  an  die  Abfassung  seines  abschließen- 
den Werkes,  das  alle  seine  bisherigen  Bemühungen  krönen  sollte,  gemacht  hat. 
Er  hat  hierbei  in  der  Tat  die  mannigfaltigsten  Quellen  benutzt,  mehrfach  eben 
auch  solche,  die  uns  heute  nicht  mehr  zu  Gebote  stehen.  In  dieser  Beziehung, 
d.  h.  hinsichtlich  der  des  Sammeins  und  Nachforschens,  kann  man  dem  Verfasser 
kaum  einen  Vorwurf  machen:  er  scheint  in  dieser  Beziehung  ziemlich  alles  getan  zu 
haben,  was  ihm  zu  tun  möglich  war.  Nur  fragt  es  sich  freilich,  ob  Engelhardt  zur 
Bearbeitung  einer  solchen  Aufgabe,  die  nicht  eine  rein  historische,  sondern  auch 
eine  keramische,  ja  zum  Teil  auch  eine  chemische  war,  die  richtige  Persönlichkeit 
war,  ob  er  hierzu  die  richtigen  Vorkenntnisse,  die  richtige  Auffassung,  die  richtige 
Bildung  mitbrachte.  Denn  Keramiker  sein,  etwas  wirklich  Positives  von  der  Ge- 
schichte und  dem  Wesen  der  Keramik  verstehen,  war  damals,  als  Engelhardt  sein 
Werk  schrieb,  eine  schwierige  Sache.  Es  gab  damals  noch  keine  richtige  kerami- 
sche Wissenschaft,  weder  eine  historische  noch  eine  technische,  es  gab  damals 
noch     keine   Verwechslungen    vermeidende    Nomenklatur    auf    diesem    Gebiete, 


XI 

keine  Handbücher,  aus  denen  man  wirkliche  Belehrung  hierüber  hätte 
schöpfen  können.  Brogniarts  in  dieser  Beziehung  epochemachendes  Werk  Traite 
de  la  ceramique,  das  erste  wirklich  wissenschaftliche  Werk,  das  in  das  Gebiet  der 
Keramik  einige  Klarheit  gebracht  hat,  erschien  erst  im  Jahre  1844,  also  sieben  Jahre 
nach  dem  Erscheinen  des  Engelhardtschen  Werkes.  Wie  konnte  da  ein  Gelehrter, 
der  dem  Gebiete,  auf  dem  Böttger  sich  seine  größten  und  seine  wirklich  bleibenden 
Verdienste  erworben  hatte,  zunächst  gänzlich  fern  stand,  mochte  er  im  übrigen 
auch  ein  noch  so  großer  Gelehrter  sein,  diesem  Manne  und  seinen  Taten  gerecht 
werden,  wie  konnte  er  die  allgemeine  Bedeutung  dieses  Mannes  für  die  Keramik 
ermessen  und  richtig  darstellen  ? 

Aber  man  hat  daneben  auch  den  Eindruck,  der  sich  nicht  ganz  unterdrücken 
läßt,  daß  Engelhardt  sich  für  diesen  Teil  seiner  Aufgabe,  selbst  in  Anbetracht  der 
damaligen  Zeiten,  doch  gar  zu  wenig  interessiert,  ihm  gar  zu  wenig  Bedeutung 
zugemessen  hat.  Es  ist  auch  nicht  der  geringste  Versuch  in  diesem  dickleibigen 
Werke  gemacht  worden,  die  Bedeutung  der  Böttger ^oYi^rv  Erfindungen  zu  prüfen 
und  festzustellen;  ja  das  rein  Keramische,  das  Technische  wie  Künstlerische,  nimmt 
in  diesem  Werke,  obwohl  es  einem  Manne  gewidmet  ist,  der  in  dem  letzten  Teil 
seines  Lebens  fast  nichts  als  ein  Keramiker  gewesen  ist,  einen  erstaunlich  kleinen 
Teil  ein.  Es  sind  die  Ereignisse  in  Böttgers  Leben,  es  ist  sein  Charakter,  es  ist  auch 
die  Fabrik  als  solche,  was  Engelhardt  vor  allem  interessiert  und  in  seinem  Buche 
mit  aller  Breite  dargestellt  hat.  Dadurch  aber  hat  Engelhardt  von  vornherein 
seine  Quellen  einseitig  durchforscht,  das  Leben  dieses  Mannes  einseitig  aufgebaut. 
Dadurch  auch  mußte  das  Gesamtbild  desselben,  da  gerade  das  Gebiet  nicht  ge- 
nügend berücksichtigt  wurde,  auf  dem  er  sich  seine  größten  Verdienste  erworben 
hat,  sich  völlig  zu  seinen  Ungunsten  verschieben:  die  eigentlichen  Verdienste 
konnten  gegenüber  seinen  angeblichen  Schwächen  nicht  in  die  Wage  geworfen 
werden,  und  so  mußte  Engelhardts  Streben,  das  Leben  und  die  Bedeutung  dieses 
Mannes  zu  schildern,  von  vornherein  ein  verfehltes  sein. 

Dann  kam  hinzu  —  sicherlich  nicht  ganz  ohne  die  Einwirkung  dieser  lücken- 
haften Auffassung  und  Betrachtung  von  Böttgers  Leben  und  Taten  —  daß 
Engelhardt,  der  in  seinen  früheren  Darstellungen  des  gleichen  Themas  noch  voller 
Ruhe  und  Objektivität  sich  an  diese  Aufgabe  gemacht  hatte,  nun  plötzlich  wie 
durch  ein  Verhängnis  Böttgers  Gestalt  in  einem  Lichte  erblickte,  so  schwarz  und 
düster,  wie  nie  einer  vor  und  kaum  auch  wieder  jemand  nach  ihm:  er  sah  auf  ein- 
mal nur  noch  die  Fehler,  Schwächen  und  Irrtümer  dieses  Mannes,  er  sah  sie  auf 
einmal  in  einer  Vergrößerung,  die  hinsichtlich  ihres  Ursprungs  fast  rätselhaft 
bleibt,  und  nun  ergriff  ihn  die  wahrhaft  fixe  Idee,  alles,  was  Böttger  getan,  gesagt, 
geschrieben,  als  falsch,  lügnerisch,  berechnend,  selbstsüchtig,  kurz :  lasterhaft  und 
verwerflich  hinzustellen.  Er  fand  an  Böttger,  ohne  Übertreibung,  kein  Körnchen 
mehr  von  Tugend  und  Wahrheitsliebe,  von  Gewissenhaftigkeit  und  Ehrlichkeit, 
mithin  kurz,  von  allem  dem,  was  sonst  doch  jeder  halbwegs  annehmbare  Mensch  in 
einer  gewissen  Quantität  zu  besitzen  pflegt.   Und  so  unterschlug  er  alles,  was  über 


XII 

Böttger  Günstiges  zu  seiner  Zeit  gesagt  worden  ist  oder  noch  heute  die  Resultate  seines 
Lebens  uns  vorerzählen,  oder  erwähnt  es  so  kurz  und  trocken,  daß  es  bei  dem  Leser 
seines  Buches  keinen  bleibenden  Eindruck  hinterlassen  kann.  Völlig  aber  vergaß 
er  sie  bei  der  Gesamtbewertung  seines  Charakters  und  seiner  Taten,  jener  Bewertung, 
die  ihm  das  Leitmotiv  für  seine  Schilderungen  abgegeben  hat.  Sie  waren 
für  ihn  bei  dieser  Gelegenheit,  obgleich  sie  zum  Teil  aus  den  besten  und  zuver- 
lässigsten Quellen  der  Zeit  stammten,  so  gut  wie  nicht  vorhanden. 

Mancherlei  Ungünstiges  aber  über  Böttger  den  Akten  seiner  Zeit  zu  entnehmen, 
war  für  den,  der  es  durchaus  wollte,  damals  wohl  nicht  allzuschwer,  so  sehr  auch 
im  allgemeinen  das  Gefühl  seiner  Zeitgenossen  ihm  gegenüber,  wenigstens  solange 
er  bei  vollen  Kräften  war,  Bewunderung  und  Hochachtung  über  sein  Können 
gewesen  ist.  Fehler  und  Schwächen  hat  jeder  Mensch,  und  wer  das  Glück  hat. 
Feinde  zu  besitzen,  die  auf  seinen  Schaden  sinnen,  bei  dem  werden  sie  nicht  lange 
der  Mitwelt  verborgen  bleiben.  Böttger  aber,  der  Begründer  aussichtsvoller  Unter- 
nehmungen, der  Fremdling  ohne  Anhalt  in  dem  Lande,  das  seine  zweite  Heimat 
ward,  stand  damals  mitten  im  Intrigenspiel  der  Zeit,  das  am  Hofe  des 
Königs  August  des  Starken  so  herrlich  blühte,  er  war  auch  durchaus  kein 
Mensch  ohne  Fehler,  besaß  vielmehr,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  gewisse 
Eigenschaften,  die  leicht  verstimmen  und  verletzen  konnten.  Auch  mochte  wohl 
mancher,  der  schon  damals  nicht  allzuviel  mehr  von  der  Alchimie  hielt,  ihn  als 
den  Vertreter  derselben,  der  ja  auch  zu  keinen  Resultaten  auf  diesem  Gebiete 
gelangen  konnte,  für  einen  Aufschneider  und  Betrüger  halten  und  darum 
seinen  ganzen  Charakter  und  sein  ganzes  Können  gering  einschätzen.  Wer  die 
Angaben  aller  dieser  Leute,  die  freilich  in  den  heute  uns  noch  erhaltenen  Quellen 
kaum  mehr  aufzufinden  sind,  begierig  aufgriff  und  ihnen  allein  Glauben  schenkte, 
wer  dabei  aber  alle  anderen  Darstellungen  nicht  beachtete  oder  sie  gar  für  par- 
teiisch hielt,  der  mußte  freilich  Böttger  gegenüber  zu  einem  eigentümlichen  Bilde 
kommen,  zu  einer  Auffassung  des  ausgesprochensten  Pessimismus,  für  den  jeder 
Mensch  ein  schlechter  Kerl  ist.  Was  aber  ist  das  für  eine  Geschichtschreibung, 
die  mit  solcher  Einseitigkeit  an  die  Persönlichkeit,  die  sie  schildern  will,  herantritt, 
mit  solcher  Einseitigkeit  zu  seiner  Darstellung  die  Dokumente  aus  jenen,  die  sich 
über  ihn  aus  seiner  Zeit  erhalten  haben,  auswählt,  und  dann  eben  so  einseitig  sein 
ganzes  Leben  aufbaut?  Der  ganze  Wert  der  Geschichte  als  einer  wie  jede  andere  die 
Wahrheit  liebenden  Wissenschaft  muß  darüber  zugrunde  gehen,  und  was  zurück- 
bleibt, ist  schlimmer,  als  wenn  es  hier  nie  eine  Wissenschaft  gegeben  hätte! 

Warum  aber  Engelhardt  zu  dieser  Einseitigkeit  kam,  zu  dieser  seltsamen  Auf- 
fassung, die  ihn  wie  eine  wahrhaft  fixe  Idee  so  arg  beherrschte,  daß  darüber  sein 
ganzes  reich  angelegtes  Werk  über  Böttger  ein  ausgesprochenes  Zerrbild  dieses  Mannes 
geworden  sein  dürfte,  das  ist  mit  voller  Sicherheit  nicht  zu  bestimmen.  Doch 
mehr  als  wahrscheinlich  ist  es,  daß  es  Böttger  der  Alchimist  gewesen  ist,  der  in  den 
Augen  Engelhardts  Böttger  den  Erfinder,  den  Keramiker  völlig  verdorben  hat. 
Die  Alchimie   der  vergangenen    Jahrhunderte   hat  ja  im   19.  Jahrhundert  lange 


XIII 

genug  für  eine  unleugbare  Pseudowissenschaft  gegolten,  ihre  Vertreter  damit  für 
ausgemachte  Schwindler.  Man  hat  lange  Zeit  nicht  recht  gewußt,  daß  die  Alchimie 
ursprünglich  trotz  ihrer  wahnwitzigen  Ausschweifungen  ins  Mystische  die  eigent- 
liche Vorläuferin  der  Chemie  gewesen  ist,  daß  sie  von  Ideen  beherrscht  und  ge- 
leitet wurde,  die  heute  ebenso  falsch  erscheinen,  wie  sie  damals  für  die  allein  rich- 
tigen gehalten  werden  mußten,  und  daß  daher  an  sie  die  Besten  ihrer  Zeit  und 
gerade  diese  mit  felsenfester  Überzeugung  geglaubt  haben.  Von  dieser  Anschauung  war 
auch  Engelhardt  beherrscht:  auch  für  ihn  waren  die  Alchimisten  sämtlich  Scharla- 
tane und  Tagediebe  und  Böttger,  zumal  es  ja  feststand,  daß  er  mehrere  scheinbar 
gelungene  Tingierungsversuche  unternommen  hat,  einer  der  ärgsten  unter  ihnen. 
Aber  wie  stand  es  denn  eigentlich  mit  Böttger  dem  Alchimisten  ?  War  er,  der  ganz 
wider  Willen  zum  berufsmäßigen  Goldmacher  Gepreßte,  der  immer,  wenn  es  nur 
irgend  ging,  versuchte,  sich  diesem  Berufe  zu  entziehen,  nicht  unter  allen  Umständen 
gezwungen — wofern  es  ihm  nicht  an  den  Kragen  gehen  sollte  —  zur  Beruhigung  allzu 
ungeduldiger  Gemüter,  bevor  er  wirklich  das  Ziel,  das  ihm  und  jenen  vorschwebte, 
erreichte,  kleine  Kunststückchen  vorzunehmen,  durch  die  er  dies  scheinbar  schon 
damals  vorgab  ?  Und  waren  denn  diese  gleichsam  erzwungenen  Täuschungen 
wirklich  ein  Grund,  Böttger  auch  in  ganz  anderen  Dingen,  in  denen  er  zu  solchen 
zumindest  zweifelhaften  Mitteln  zu  greifen  keine  Veranlassung  hatte  und  darum 
auch  nie  gegriffen  hat,  als  einen  Nichtskönner  oder  gar  als  einen  Aufschneider  zu 
bezeichnen,  der  das,  was  ihm  wirklich  gelang,  eigentlich  ganz  allein  dem  Zufall 
verdankte  ?  Engelhardt  scheint  tatsächlich  nicht  die  Kraft  gehabt  zu  haben,  diesen 
Unterschied  zu  begreifen:  er  ist  in  der  Beurteilung  Böttgers  immer  der  gleiche 
geblieben,  einerlei,  ob  es  sich  um  Böttger  den  Alchimisten  oder  Böttger  den  Kera- 
miker und  Erfinder  handelte,  und  so  war  es  nur  zu  natürlich,  daß  er  völlig  ver- 
ständnislos an  dem  Bilde  eines  Mannes  vorbeiging,  den  wir  jetzt  nur  noch  als  einen 
wirklich  bedeutenden  bezeichnen  können,  und  daß  er  sein  wirkliches  Können 
und  seine  wirkhche  Begabung  auch  nicht  im  entferntesten  ahnte.  Er  war  dagegen 
völlig  blind  geworden. 

Besonders  schlimm  aber  war  es  dann  weiter,  daß  Engelhardt  scheinbar  etwas 
reichlich  viel  Phantasie  und  auch,  wie  das  Vorwort  selber  angibt,  eine  ,, aus- 
gezeichnete Erzählungsgabe"  besessen  hat.  Beides  bedeutet  für  den  Schriftsteller, 
der  die  Wahrheit  der  Geschichte  berichten  will,  gar  böse  Gefahren,  da  jene  alles, 
was  sie  schildern  will,  nur  zu  leicht  in  Vergrößerung  sieht,  diese  dasselbe  möglichst 
effektvoll  zurechtzustutzen  sucht.  Für  Engelhardt  hat  dies  im  allgemeinen  eine 
starke  Herabminderung  seiner  Kritik,  seiner  Objektivität  bedeutet.  Er  sah  in  den 
Ereignissen,  was  er  in  ihnen  sehen  wollte.  Er  wurde  unkritisch  gegenüber  den 
Überlieferungen,  unzuverlässig  in  den  Behauptungen,  übertreibend  in  der  Dar- 
stellung. Im  besonderen  aber  hieß  dies  eine  Verstärkung  seiner  fixen  Idee,  in 
Böttger  nur  noch  das  Schlechte  zu  sehen,  und  wenn  er  das  Gesehene  und  Erkannte 
dann  niederschrieb,  dann  kam  dies  alles  noch  mit  ganz  besonderem  Nachdruck 
heraus,  dann  konzentrierte  sich  dies  alles  zu  Ausdrücken,  die  an  sich  wohl  wirkungs- 


XIV 

voll  und  bezeichnend  waren,  aber  doch  weit  mehr  sagten,  als  sie  sagen  sollten. 
Damit  aber  war  das  Zerrbild  fertig  und  Böttger  in  der  Tat  in  allem,  was  er 
dachte,  sagte  und  tat,  jener  schlechte  Mensch,  als  den  ihn  seit  jener  Zeit  die 
Geschichte  kennt. 

Und  dann,  nachdem  Engelhardt  seine  Arbeit  soweit  geführt  hatte,  kam  ein 
Ereignis  hinzu,  das  fast  wie  ein  tragisches  erscheint:  bevor  Engelhardt  sein  so  lange 
und  man  kann  nicht  anders  sagen,  fleißig  vorgearbeitetes  Werk  zu  Ende  geführt 
hatte,  starb  er,  und  der  es  vollendete,  war  ein  anderer,  der  den  Dingen,  von  denen  hier 
berichtet  ward,  zunächst  völlig  fremd  gegenüberstand,  der  sie  nicht  an  der  Quelle 
erkannt  und  aufgefunden  hatte  und  darum  auch  ihren  wahren  Inhalt,  ihre  wahre 
Bedeutung  nicht  kennen  konnte.  Freilich  soll  damals,  so  berichtet  der  Heraus- 
geber im  Vorwort,  der  Verfasser  bei  seinem  Tode  ,,nach  langjähriger  Arbeit  und 
vielfachem  Umarbeiten  des  für  die  einzelnen  Kapitel  gewonnenen  Materials" 
fast  am  Ziele  gewesen  sein,  dennoch  hat  jener,  wie  er  selber  zugesteht,  die  ,, ge- 
wagte" Aufgabe  gehabt,  ,,das  noch  vorhandene  Material  zu  ordnen,  das  Fehlende 
womöglich  zu  ergänzen  und  dem  Ganzen  gehörigen  Orts  anzupassen".  Es  hat 
also  in  der  Tat  eine  zweite  Hand,  die  nicht  an  den  Quellen  geschöpft,  die  nicht  in 
das  ganze  Gebiet  sich  vertieft  hat,  den  reichen,  hier  zusammengetragenen  Stoff 
ergänzt,  geordnet  und  überhaupt  wohl  überredigiert,  und  daß  eine  solche  Über- 
redigierung  einer  Arbeit,  mag  sie  auch  mit  noch  so  großer  Pietät  und  Vorsicht 
erfolgen,  nützlich  ist,  wird  niemand  behaupten  können.  In  der  Arbeit  Engelhardts 
wird  man  wohl  zunächst,  wenn  man  nicht  noch  jenen  selber  damit  belasten  will, 
auf  die  Rechnung  des  Überarbeiters  die  seltsamen  Widersprüche,  die  mangelnde 
Einheitlichkeit  der  Auffassung,  die  Lücken  und  die  vielen  handgreiflichen 
Irrtümer  setzen,  die  jedem  aufmerksamen  Leser  dieses  Werkes  auf  Schritt  und 
Tritt  auffallen  und  völlig  unerklärlich  erscheinen  müssen,  wofern  man 
eben  nicht  annimmt,  daß  Engelhardt  bei  seinem  Tode  seine  Arbeit  noch  keines- 
wegs so  weit  vollendet  hatte,  wie  es  das  Vorwort  glauben  lassen  will,  und  daß  erst 
ein  anderer,  der  diesen  Stoff  in  keiner  Weise  ausreichend  beherrscht  hat,  dies  zwar 
so  gut  er  es  vermochte,  aber  doch  nicht  ausreichend  nachgeholt  hat.  Er  konnte 
nicht  gleich  alle  auf  eine  Sache  bezüglichen  Stellen  übersehen,  er  konnte  nicht  in 
jedem  Falle  die  richtigen  Schlußfolgerungen  ziehen,  die  einzelnen  Tatsachen  in 
richtige  Beziehung  zueinander  setzen,  und  so  dürfte  eine  Arbeit,  die  von  vornherein 
von  falschen  Gesichtspunkten  ausgegangen  war,  die  dann  stark  rhetorisch  gefärbt 
ward,  nun  noch  zum  Überdruß  im  einzelnen  arg  in  Verwirrung  gebracht  worden  und 
dadurch  schließlich  ein  Werk  zustande  gekommen  sein,  das  zwar  recht  reich  ist 
an  interessanten  Histörchen,  wie  sie  so  gern  vom  großen  Publikum  gelesen  werden, 
das  aufregt  und  fesselt,  wie  immer  die  Darstellung  des  Schlechten  und  Verderbten 
in  sensationeller  Aufmachung,  das  aber  niemanden  befriedigen  kann,  der  es  auf- 
merksam studiert  und  dabei  seine  Schwächen  auffindet,  völlig  aber  wertlos  wird 
für  den,  der  noch  einmal  an  den  Quellen  schöpft,  die  Engelhardt  benutzt  hat,  und 
mit  ihrer  Hilfe  noch  einmal  aufzubauen  versucht,  was  jener  bereits  dauernd  fest- 


XV 

gestellt  zu  haben  geglaubt  hat.  „Verlorene  Liebesmüh"  möchte  man  zu  dieser 
Arbeit  sagen,  hätte  man  nur  irgendwie  das  Gefühl,  daß  Engelhardt  zu  dem  Helden 
seines  Buches  auch  wirklich  die  geringste  Liebe  besessen  hätte.  Doch  sein 
Werk  muß  eher  als  ein  Pamphlet,  denn  als  ein  Elogium  über  diesen  bezeichnet 
werden  und  hat  leider  als  solches  alle  Wirkung  getan,  die  solche  Machwerke  für 
gewöhnlich  zu  tun  pflegen. 


Es  erübrigt  noch,  in  aller  Kürze  das,  was  hier  soeben  zur  Erklärung  des  eigen- 
artigen Charakters  des  Engelhardtschen  Buches  gesagt  worden  ist,  aus  der  Fülle 
des  vorhandenen  Materials  durch  einige  bezeichnende  Beispiele  zu  bekräftigen, 
wenn  freilich  der  Hauptbeweis  hierfür  durch  die  Tatsachen  dieses  Buches  selber 
und  ihre  Darstellung  gegeben  werden  soll.  Doch  ist  es  wichtig,  zunächst  im  ein- 
zelnen festzustellen,  wie  unzuverlässig  und  darum  unglaubwürdig  das  Engelhardt- 
sche  Buch  ist,  damit  jeder  Leser  des  vorliegenden  Werkes,  bevor  er  dasselbe  liest, 
sich  selber  ein  wenig  von  der  Wahrheit  des  soeben  Dargestellten  überzeugen 
und  darum  der  in  ihm  enthaltenen  neuen  Auffassung  von  vornherein  einigermaßen 
Vertrauen  entgegenbringen  möge.  Es  gilt,  ihn  zunächst  in  aller  Kürze  selber  Richter 
sein  zu  lassen  über  dieses  Werk  und  seinen  Inhalt,  selber  in  ihm  den  Glauben  zu 
erwecken,  daß  eine  gänzlich  neue  Darstellung  des  hier  vorliegenden  Themas  er- 
wünscht nicht  nur,  sondern  geradezu  ein  Gebot  der  Notwendigkeit  war.  Hier 
zunächst  darum  ein  Beispiel  leichtsinnigster  Behauptung  in  einer  Angelegenheit, 
die  doch  wichtig  genug  war,  aufs  eingehendste  geprüft  zu  werden,  zumal  durch 
dieselbe  eine  bisher  ganz  allgemein  verbreitete  Annahme  völlig  umgestürzt  werden 
sollte.  Auf  Seite  255  veröffenthcht  Engelhardt  ein  Dekret  vom  20.  November  1707, 
auf  Grund  dessen  Böttger  schon  im  Oktober  oder  November  dieses  Jahres  sein 
erstes  echtes  Porzellan  geliefert  und  dem  Könige  zur  baldigsten  Errichtung  einer 
Porzellanfabrik  die  größte  Hoffnung  gemacht  haben  soll,  ja,  das  Engelhardt  geraide- 
zu  dazu  benutzt,  um  die  Erfindung  des  Porzellans,  die  bisher  ganz  allgemein  in 
das  Jahr  1709  gesetzt  worden  war,  nun  um  zwei  Jahre  vorzudatieren.  Doch  in 
diesem  Dekret  ist,  wie  ich  bereits  an  anderer  Stelle  ausführlich  angegeben  (ver- 
gleiche meinen  Aufsatz  ,,In  welchem  Jahre  wurde  das  Meißner  Porzellan  erfunden  ?" 
Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde,  Bd.  XXVII,  S.  66), 
mit  keiner  Silbe  von  Porzellan  die  Rede,  ja  kaum  eine  einzige  Bezeichnung  läßt 
sich  in  ihm  finden,  die  sich  auf  Keramik  beziehen  ließe!  Wie  kann  Engelhardt 
da  auf  dieses  Schriftstück  so  wichtige  und  noch  dazu  so  umstürzlerische  An- 
sichten bauen  ?  Und  dabei  stellte  er  diese  Behauptungen  auf,  obwohl  nachweis- 
lich dasjenige  Dokument,  das  jeder,  der  sich  je  mit  diesem  Gebiete  befaßte,  nur 
als  die  willkommenste  Quelle  begrüßen  mußte,  und  das  ihm  nachweislich  auch 
wirklich  zur  Verfügung  gestanden  hat,  ein  später  noch  oft  genug  zu  erwähnendes 
in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden  befindliches  Manuskript  Steinbruchs 
vom  Jahre  1717  ganz  positiv  das  Jahr  1709  als  das  der  Erfindung  angibt,  ja,  ßöifger 


XVI 

selber  nach  Engelhardts  eigener  Angabe  (auf.  S.  271,  Anm.  21)  —  natürlich  „von 
Spirituosen  benebelt"  —  als  Jahr  bald  1708,  bald  1709  genannt  hat.  Weiter  bespricht 
dann  Engelhardt  S.  260  und  267  eine  Instruktion  von  Dr.  Bartelmei,  dem  bisherigen 
Leibarzt  Böttgers,  vom  Januar  des  Jahres  1708,  in  der  dieser  aufgefordert  wird, 
Böttger  bei  seinen  industriellen  Bestrebungen  beizustehen,  in  der  aber  auch  bereits 
das  ,,rote  und  weiße  Porzellan"  erwähnt  sein  soll,  wovon  jedoch  leider  in  dem  noch 
auf  dem  königlich  sächsischen  Hauptstaatsarchiv  erhaltenen  Aktenstücke  dieser 
Instruktion  nicht  das  Geringste  zu  finden  ist. 

Dann  weiter  als  Beispiel  leichtsinnigster  Folgerung:  auf  S.  275  schreibt  Engel- 
hardt: Um  die  Porzellanfabrik  mit  gehöriger  Ordnung  zu  betreiben,  bestätigte  der 
König  einen  von  Böttger  selbst  entworfenen  und  am  12.  Januar  1708  eingereichten 
Personal-Besoldungsetat,  der  auch  in  seinem  Werke  abgedruckt  ist.  Wo  aber  sind 
in  dieser  Liste  Töpfer  genannt,  ohne  die  man  doch  keine  Porzellanfabrik  begründen 
und  betreiben  kann  und  die  doch  später,  als  diese  nachweislich  begründet  ist,  ganz 
deutlich  genannt  werden,  und  wie  kann  man,  wenn  diese  fehlen,  diese  Liste  dazu  be-. 
nutzen,  um  eine  schon  rege  keramische  Tätigkeit  in  diesem  Jahre  zu  konstatieren  ? 

Weiter  dann  als  Beispiel  flüchtigster,  lückenhafter  Darstellung!  Auf  Seite  284 
erwähnt  Engelhardt  die  erste  Kommission,  die  Böttgers  Erfindungen  im  Jahre  1709 
prüfen  sollte,  vermengt  dabei  aber  ungeniert  zwei  verschiedene  Sitzungen  derselben, 
zwischen  denen  nicht  weniger  als  ein  halbes  Jahr  lag,  und  erweckt  so  ein  ganz  ver- 
zerrtes Bild  von  den  damaligen  Verhandlungen,  in  denen  es  sich  um  nichts  Geringeres 
handelt,  als  um  die  erste  Prüfung  der  Erfindung  des  Porzellans. 

Dann  einige  jener  Vermengungen  und  Verwechslungen,  an  denen  dieses  Werk 
so  reich  ist,  daß  man  ihnen  auf  Schritt  und  Tritt  zu  begegnen  meint!  Auf  S.  278  wird 
der  oben  erwähnte  Dr.  Bartelmei  im  April  1708  zum  Leiter  der  nach  Engelhardts 
Ansicht  schon  damals  gegründeten  Porzellanfabrik  ernannt,  während  er  nach  den 
Akten,  wie  im  vorliegenden  Buch  gezeigt  werden  wird,  damals  nur  Leiter  der  gleich- 
falls von  Böttger  begründeten  Steinbäckerei  oder  Fayencefabrik  ward.  Wo  bleibt 
aber  freilich  in  Engelhardts  Darstellung  diese  Fayencefabrik,  die  die  ganze  folgende 
Zeit  neben  der  Böttger&cYiQn  Steinzeug-  und  Porzellanmanufaktur  bestanden 
hat,  und  die  Engelhardt  doch  kaum  bei  Erwähnung  dieser  noch  weiter  in  Betracht 
zieht,  so  daß  sich  der  starke  Verdacht  erhebt,  daß  er  manche  jene  betreffende 
Nachricht  auf  diese  bezogen  hat  ?  Erst  später  erwähnt  er  diese  Fayencefabrik  in 
einem  besonderen  Kapitel.  Doch  weit  schlimmer  als  diese  gegenständlichen  Ver- 
mengungen sind  die  chronologischen!  Unerhört  ist  geradezu,  was  Engelhardt  S.  425 
über  die  zu  Böttgers  Zeiten,  wo  man,  wie  später  gezeigt  werden  wird,  noch  so  arg 
mit  der  Technik  zu  ringen  hatte,  aus  Porzellan  angefertigten  Gegenstände  berichtet 
hat:  er  erwähnt  dort  u.a. Glockenspiele,  Puppen,  Handgrenaden,  Bilderrahmen,  Degen- 
gefäße, Ofenfüße,  Tiere  in  Lebensgröße,  Tischplatten,  Türpfosten,  Öfen,  Kamine, 
selbst  Särge  und  Leichensteine,  ja,  über  die  Särge  werden  sogar  die  merkwürdigsten 
Dinge  erzählt!  Wer  aber,  der -die  Geschichte  der  Meißner  Manufaktur  nur  ein 
wenig  kennt,  weiß  nicht,  daß  der  größte  Teil  dieser  Dinge  erst  lange  nach  Böttgers 


XVII 

Tode  in  Meißen  ausgeführt  worden  ist,  ja  daß  man  von  manchen  derselben,  so  na- 
mentlich den  Särgen  und  Leichensteinen,  selbst  dann  noch  nichts  zu  hören  bekommt  ? 
Genau  so  aber  verhält  es  sich,  wenn  er  weiter  in  dieser  Zeit  von  blauweißem  Porzellan 
(S.  424),  von  der  Einführung  der  Schwertermarke  u.  dergl.  mehr  spricht.  Engel- 
hardt  hat  hier  überall  unverkennbar  Aktenstücke  der  späteren  Zeit  auf  die  Böttgersche 
bezogen  und  dadurch  eine  allgemeine  Verwirrung  in  seine  Angaben  gebracht,  die 
man  leider  nur  in  den  seltensten  Fällen,  wie  bei  den  angegebenen,  noch  wieder 
entwirren  kann. 

Weiter  dann  einige  entschiedene  Unglaubwürdigkeiten,  Irrtümer  u.  dergl. 
Nach  S.  273  soll  gleich  (!)  nach  der  Erfindung  des  Porzellans  dies  allgemein  bei 
Hofe  und  im  Handel  ( !)  nur  das  ,, Böttgersche  Geschirr"  auch  ,,Böttgersches  braunes 
Zeug"  genannt  sein,  obwohl  Engelhardt  doch  selber  ausführlich  berichtet,  wie 
ängstlich  man  damals  den  Namen  und  die  Person  dieses  Mannes  verbarg,  ja 
es  feststeht,  daß  Böttger  noch  im  Jahre  1709  vor  der  Kommission,  die  seine  Er- 
findungen prüfen  sollte,  nicht  einmal  persönlich  erscheinen  durfte.  Da  soll  also 
damals  und  bald  darauf  sein  Name  schon  in  aller  Munde  gewesen  sein  ?  Weiter  be- 
richtet er  in  der  Anmerkung  auf  S.  84  daß  Tschirnhausen  durchdius  alchimistischen 
„Träumereien"  gehuldigt  hätte,  obwohl  Steinbrück,  der  langjährige  Gehilfe  Tschirn- 
hausens, in  seinem  oben  erwähnten  Manuskript  das  genaue  Gegenteil  behauptet. 
Dann  wird  weiter  gemeldet,  daß  1708  ein  Portugiese  Porzellan,  d.h.  rotes  Steinzeug, 
gekauft  hätte,  obwohl  dies  doch  erst  im  Jahre  1710  in  den  Handel  kam  und 
dieser  Kauf  nachweislich  erst  nach  diesem  Jahre  stattfand,  weiter  daß  im  Jahre 
1713  Böttger  —  natürhch  um  zu  prassen!  — 34(!)  mal  in  Meißen  gewesen  wäre, 
obwohl  erwiesenermaßen  Böttger  damals  nur  ein  paarmal  dahingekommen  ist, 
dann  soll  Böttger  in  seiner  Großmannssucht  mit  des  Königs  Equipage  ausgefahren 
sein,  obgleich  die  Stelle,  auf  die  diese  Angabe  sich  stützt  (vgl.  S.  470,  Anm.),  unter 
Equipage  nach  dem  Sinne  der  Zeit  nur  Ausrüstung  bezeichnet,  er  soll  weiter,  als 
Zeichen  seiner  Verschwendungssucht,  sich  Silbergeschirr  gekauft  haben,  obgleich 
aus  den  Akten  deutlich  hervorgeht,  daß  das  Silbergeschirr,  das  Böttger  benutzte, 
Eigentum  des  Königs  war  u.  dergl.  m.  Doch  es  kann  wohl  im  allgemeinen  genug 
sein  mit  der  Aufzählung  dieser  einzelnen  Fehler,  die  sich  mit  Leichtigkeit  noch 
verzehnfachen  ließen,  es  kann  genug  sein  mit  dem  Nachweis,  wie  leichtfertig  das 
Engelhardtsche  Buch  geschrieben  ist,  wie  wenig  zuverlässig  darum  im  einzelnen 
wie  im  allgemeinen  die  darin  enthaltenen  Angaben  sind  und  wie  wenig  man  es  daher 
heute  noch  als  ein  historisches  Dokument  betrachten  darf,  auf  das  wir  unsere  An- 
sichten über  Böttger  und  seine  Taten  aufbauen  können.  Doch  noch  eine  Stelle  möge 
hier  am  Schluß  stehen,  die  so  recht  noch  einmal  in  schlagender  Weise  die  ganze 
UnZuverlässigkeit  der  Engelhardtschen  Angaben  zeigt,  zugleich  aber  auch  das 
Romanhafte,  teilweise  Erfundene,  Hinzugedichtete  seiner  Angaben,  eine  Stelle, 
die  wohl  geeignet  ist,  dem  Verfasser  den  letzten  Rest  seines  Kredits  zu  nehmen. 
Auf  etwa  10  Seiten  hat  Engelhardt  in  seinem  Werke  sich  verdienstvoller  Weise 
die  größte  Mühe  gegeben,  zu  beweisen,   daß  nicht  Tschirnhausen,  wie  von  einer 

Zimmermann,  Meifiner  Porzellan.  b 


XVIII 

gewissen  Seite  angenommen,  sondern,  wie  bisher  ganz  allgemein  geglaubt,  Böttger  der 
Erfinder  des  Porzellans  gewesen  sei.  Dann  aber  heißt  es  da  weiter  auf  S.  274: 
,, Nachdem  Böttger  den  ihm  stets  innigst  ergebenen  Tschirnhausen  zuerst,  dieser 
aber  den  König  und  den  Statthalter  von  der  Porzellanerfindung  in  Kenntnis  gesetzt 
hatte,  versprach  der  König  usw.",  es  wird  mithin  gleich  darauf  eine  Begebenheit 
erwähnt  —  nämlich,  daß  Böttger  Tschirnhausen  seine  Erfindung  mitteilt — durch  die, 
wenn  sie  wirklich  authentisch  wäre,  so  klar  Böttger  gegenüber  Tschirnhausen  als 
der  Erfinder  des  Porzellans  hingestellt  wird,  daß  die  vorhergehende  vielseitige 
Untersuchung  hierüber  völlig  überflüssig  erscheint.  Und  doch  wird  diese  hier  mit 
solcher  Ruhe  und  Sicherheit  berichtete  Begebenheit  bei  jener  vorherigen  Unter- 
suchung, wo  sie  die  größten  Dienste  hätte  tun  können,  nicht  einmal  erwähnt !  So 
kann  sie  doch  nur  wie  eine  ziemlich  dreiste  Erfindung  erscheinen,  zu  dem  Zwecke, 
zwei  verschiedene  Abschnitte  der  Darstellung  zu  verbinden,  als  eine  phantasie- 
volle Ausschmückung,  um  mehr  Fluß  und  Zusammenhang  in  die  Schilderung  hinzu- 
bringen, wodurch  sie  aber  zugleich  ein  Dokument  wird,  durch  das  noch  einmal 
aufs  schlagendste  bewiesen  wird,  wie  wenig  wahr  es  der  Verfasser  mit  seinen 
Darstellungen  genommen  hat,  wie  wenig  Verlaß  schon  aus  diesem  Grunde  auf 
sein  Werk  sein  kann.  Und  damit  mag  es  mit  der  Kritisierung  dieses  Werkes 
genug  sein! 


Man  wird  gestehen,  daß  es  bei  dieser  Sachlage  nicht  ganz  leicht  war,  sich 
von  neuem  an  ein  Thema  zu  wagen,  das  bisher  wissenschaftlich  so  gänzlich  ver- 
fahren war,  zumal  eben  das,  was  Engelhardt  mit  solcher  Sicherheit  und  vielfach 
solcher  breiten  Ausführlichkeit  berichtet,  so  oft  an  den  Quellen  nicht  mehr  auf- 
findbar und  doch  bei  der  soeben  festgestellten  Unzuverlässigkeit  dieses  Autors 
nicht  so  ohne  weiteres  wieder  zu  verwenden  war.  Es  wurde  daher  —  was  blieb 
anderes  übrig  ?  —  zunächst  beim  Aufbau  dieser  Arbeit  völlig  ignoriert,  als  wäre 
es  niemals  geschrieben  worden.  Eigentliche  Grundlage  vorliegenden  Werkes  wurde 
auf  diese  Weise  fast  ausschließlich  das  bereits  oben  erwähnte  urkundliche  Material, 
das  sich  auf  dem  königlich  sächsischen  Hauptstaatsarchiv  zu  Dresden,  in  der 
königlichen  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  und  in  der  königlichen  Porzellan- 
sammlung zu  Dresden  befindet.  Dazu  kamen  die  Erzeugnisse  der  keramischen 
Tätigkeit  Böttgers.  Frühere  Versuche,  das  Leben  Böttgers  darzustellen,  die  benutzt 
werden  konnten,  standen  dagegen  nur  sehr  wenige  zur  Verfügung  und  auch  nur 
sehr  kurze.  Sie  fanden  sich  in  der  Hauptsache  nur  in  Iccanders  „Das  wegen  seines 
Altertums,  Ruhms  und  lustigen  angenehmen  Gegend  in  ganz  Europa  bekannte 
königliche  Meißen"  (Dresden  1730),  in  dem  überhaupt  zum  ersten  Male  etwas  über 
diesen  Mann  veröffentlicht  worden  ist,  dann  in  Kenzelmann,  Historische  Nach- 
richten über  die  königliche  Porzellanmanufaktur,  1810.  Weitere  Vorarbeiten  waren 
dann  die  Arbeiten  von  W.  v.  Seidlitz  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte 
und  Altertumskunde:  Die  Meißner  Porzellanmanufaktur  unter  Böttger  (Bd.  IX, 


XIX 

S.  3)  und  Die  frühesten  Nachahmungen  des  Meißner  Porzellans  (Bd.  X,  S.  58), 
Beding,  Das  Meißner  Porzellan  und  seine  Geschichte,  Leipzig  1900,  Heintze, 
Beitrag  zur  Geschichte  der  europäischen  Porzellanfabrikation  (Zeitschrift  für 
Architektur  und  Ingenieurwesen  1898,  S.  387)  sowie  des  Verfassers  eigene  Arbeiten 
im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde:  In  welchem 
Jahre  wurde  das  Meißner  Porzellan  erfunden?  Bd.  XXVII,  S.  60,  und  Wer  war 
der  Erfinder  des  Meißner  Porzellans?  Bd.  XXVIII,  S.  17,  in  denen  einige  vor- 
liegendes Gebiet  betreffende  Fragen  vorweg  behandelt  worden  sind,  ohne  deren 
Lösung  an  den  Aufbau  dieser  ganzen  Zeit  noch  nicht  gegangen  werden  konnte. 
Von  dem  Engelhardtschen  Buche  aber  wurde  schließlich  nur  das  benutzt,  was 
nicht  mit  anderen  Berichten  der  Zeit  oder  dem  Werke  Kenzelmanns,  der  allem  An- 
scheine nach  noch  vielfach  dieselben  Akten  benutzt  hat  wie  dieser,  im  Wider- 
spruch stand,  was  wörtlich  aus  den  Urkunden  abgedruckt  in  ihm  dastand  und 
darum  noch  kontrollierbar  war,  schließlich  alles,  was  eine  wirkliche  Bereicherung 
des  Stoffes  darstellte,  dabei  aber  vöUig  glaubwürdig  zu  sein  schien.  Es  ist  freilich 
nicht  allzuviel  geworden,  doch  ist  dafür  manches,  was  nicht  so  gänzlich  zweifel- 
haft und  unglaubwürdig  erschien,  in  den  Anmerkungen  hinzugesetzt  worden. 
Übrigens  sind  um  die  Zitate  nicht  unnötig  zu  vermehren,  alle  schon  von  den  hier 
angeführten  Quellen  erwähnten  Tatsachen  im  vorhegenden  Buche,  in  der  Regel 
nicht  mit  solchen  belegt  worden. 

Eine  gewisse  Schwierigkeit  bot  bei  der  Behandlung  dieses  Themas  die  rein 
technische  Seite  desselben,  die  dem  Verfasser  zunächst  etwas  ferner  liegen  mußte, 
als  die  historische  und  künstlerische.  Doch  fand  er  hierbei  die  freundliche 
Unterstützung  von  selten  des  Herrn  Oberbergrat  Dr.  Heintze,  des  technischen 
Betriebsleiters  der  königlichen  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen,  wofür  es  ihn 
freut,  ihm  hier  seinen  Dank  abstatten  zu  können.  Im  übrigen  ist  das  Bestreben 
dieses  Buches  gewesen,  alles  in  Wort  und  Bild  zusammenzutragen,  was  sich 
über  diese  interessante  Zeit  und  die  in  ihr  spielenden  Vorgänge  noch  hat  ermitteln 
lassen,  um  endlich  einmal  ein  völlig  klares,  abgerundetes  Bild  derselben  zu  gewinnen. 
Es  ist  der  lebhafte  Wunsch  des  Verfassers,  daß  dies  hier  möglichst  geglückt  sein 
möge. 

Dresden,  Juni  1908. 


Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

I.  Die  ersten  Erfindungsversuche    1 

IL  Die  Erfindung 20 

III.  Die  Meißner  Manufaktur  als  Steinzeugfabrik  (1709 — 1713)  60 

IV.  Das  Böttgersteinzeug 113 

V.  Die  Meißner  Manufaktur  als  Porzellanfabrik  (1713 — 1719)    152 

VI.  Das  Böttgerporzellan 206 

VII.  Fortsetzung  des  Böttgerschen  Erbes 244 

Anmerkungen   275 

Beilagen 317 


Verzeichnis  der  Abbildungen. 

Farbentafel. 
Böttgerporzellan,  mit  Emailfarben  bemalt Titelbild 

Textillustrationen. 

Seite 

Job.  Friedr.  Böttger 20 

Ehrenfried  Walther  v.  Tschirnhausen    25 

Jungfer  oder  Venusbastei  in  Dresden 27 

Brennspiegel  Tschirnhausens 29 

Brennlinsen  Tschirnhausens 31 

Chinesisches  Porzellan  aus  der  Zeit  der  Erfindung • 37 

Japanisches  Porzellan  aus  der  Zeit  der  Erfindung 39 

Böttgersteinzeug.     Probeplatten 43 

Chinesisches  rotes  Steinzeug  aus  der  Zeit  der  Erfindung 45 

Böttgersteinzeug.     Leuchter  in  Form  eines  Bergmannes 60 

Meißen  mit  der  Albrechtsburg 65 

Das  Innere  der  Albrechtsburg   67 

Böttgersteinzeug.     König  August  der  Starke 69 

Pokal  in  Silber  von  Irminger 73 

Böttgersteinzeug.     Große  Schale   75 

„                   Pastetennapf 77 

„                   Schwenkkessel,  geschliffen 81 

„                   Vase,  geschliffen,  mit  Vergoldung 83 

„                   Schwenkkessel,  geschlilTen,  mit  Vergoldung   88 

Schwenkkessel  in  Silber  getrieben    89 

Böttgersteinzeug.     Große  Deckelvase,  geschliffen,  mit  Vergoldung 91 

„                   Vase,  geschliffen,  mit  freihändig  aufgelegten  Blumen    93 

„                   Thee-  und  Kaffeekannen  mit  eingeschnittener  Ornamentik    95 

„                   Nachbildung  chinesischer  Gefäße 97 

„                   Große,  geschliffene  Schale 99 

„                  Gefäß  in  Nautilusform,  mit  Emailfarben  bemalt 103 

„                  Medaillon  mit  dem  Bildnis  Papst  Clemens  XI 113 

„                   Krug,  marmoriert  und  geschliffen 116 

„                  Krug,  marmoriert  u.geschhffen,  mit  in  hellerer  Masse  eingelegter  Landschaft  117 

Beispiele  von  Markierungen  für  den  Brand  von  Böttgersteinzeug   118 

Böttgersteinzeug.     Gefäße  mit  Markierungen 119 

Schwertermarke   119 

Böttgersteinzeug  im  Stil  getriebener  Silberarbeiten    120 

„                  von  chinesischem  Porzellan  und  Steinzeug  abgeformt 121 

Chinesische  Teekanne  mit  ihrer  Ab  formung  in  Böttgersteinzeug 122 

Chinesische  Porzellanflgur  mit  ihrer  Abformung  in  Böttgersteinzeug 123 


XXIV 

Böttgersteinzeug.     Tassenformen 125 

„  Formen  von  Kaffeekannen 127 

„  mit  durchbrochener  Arbeit 128 

„  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen    129 

„  Vase,  geschhffen,  mit  freihändig  aufgelegten  Ranken    130 

„  glatt  geschliffen 131 

„  geschliffen,  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen 132 

„  gemuschelt    133 

„  geschnitten   134 

„  „Eisenporzellan",  z.  T.  geschhffen 135 

„  schwarz  glasiert,  mit  bunter  Lackmalerei 137 

„  schwarz  glasiert,  mit  Lackmalerei  vorwiegend  in  Gold 138 

„  schwarz  glasiert,  mit  durchgeschliffener  Ornamentik   139 

„  mit  Emailfarben  bemalt    140 

„  geschliffen,  mit  Goldschmiedearbeit  verziert 141 

„  Große  Deckelvase,  geschliffen,  mit  Lackmalerei  in  Gold 142 

„  Figuren,  von  chinpsischen  Arbeiten  abgeformt    143 

„  Großer  Kinderkopf 144 

„  Kopf  des  Kaisers  ViteUius   145 

„  Figuren  aus  der  „itahenischen  Komödie",  fast  ganz  geschliffen 146 

„  Figuren  aus  der  „italienischen  Komödie",  fast  ganz  geschliffen 147 

„  Kruzifix,  zum  größten  Teil  geschliffen 148 

„  Medaillon  mit  dem  Bildnis  Maria  der  KathoUschen  von  England 149 

„  Großes  Rehef  mit  dem  Kopf  eines  Märtyrers 150 

„  Relief  mit  Darstellung  der  Judith   151 

„  Medaillon  mit  dem  Bildnis  des  Kurfürsten  Johann  Georg  IV.  von  Sachsen  152 

„  Apollokopf  (nach  Bernini) 153 

„  Figur  eines  Woywoden    155 

„  Medaillon  mit  dem  Bildnis  Peters  des  Großen 157 

„  Putto  mit  Muschel 159 

„  Kindergruppe,  schwarz  glasiert  und  mit  Lackfarben  bemalt 161 

„  Relief  mit  Madonna  und  heil.  Joseph 163 

„  Figur  eines  Bauern 165 

Böttgerporzellan  mit  Versuchen  in  Emailmalerei 169 

„  Formen  von  Theekannen 193 

„  Bierkrug  mit  dem  aufgesetzten  Monogramm  König  August  des  Starken  195 

„  Große  Deckelvase  mit  freihändig  aufgelegten  Blumen 199 

„  mit  eingestempelten  Verzierungen 203 

„  Abformung  einer  chinesischen  Götzenfigur,  mit  Emailfarben  bemalt  . .  206 

„  mit  glatten  Wandungen 207 

Theegeschirr   208 

„  mit  doppelten,  durchbrochenen  Wandungen 209 

„  Frühes  Versuchsstück  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen 210 

„  mit  geschliffener  Oberfläche    211 

„  Versuchstück  mit  durchbrochener,  doppelter  Wandung 213 

„  mit  aufgelegten,  geformten,  antikisierenden  Verzierungen 215 

„  Chinesische  Nachbildungen   216 

,,  Große  Vase  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen   217 

,,  mit  freihändig  aufgelegten  einzelnen  Blumen  und  Blättern 218 

„  Große  Vase  mit  freihändig  aufgelegten  Weinranken 220 


XXV 


Böttgerporzellan  mit  aufgelegten,  geformten  Blumen      221 

mit  Lackfarben  bemalt    223 

Große  Vase,  mit  Lackfarben  ganz  übermalt 224 

mit  ornamentaler  Emailmalerei 225 

mit  Malerei  in  Eisenrot 227 

mit  Malerei  in  Lüsterfarbe 228 

mit  Malerei  in  Silber 229 

Versuchstücke  mit  kobaltblauer  Unterglasurmalerei 230 

mit  Malerei  in  Gold 232 

mit  Emailmalereien  in  Rosa 233 

Teedose  mit  Grundierung  in  Silber      234 

Abformung  einer  chinesischen  Porzellanflgur  des  Heiligen  Laotse 235 

•         Abformung  chinesischer  Götzenfiguren 236 

Statuette  König  August  des  Starken  mit  Emailfarben  bemalt 237 

Callot-Figuren 239 

Gallot -Figuren 240 

Verschiedene  kleinere  Figuren    241 

Frosch  und  Eidechse    242 

Geformtes  Relief,  Akanthusblatt 245 

Geformtes  Rehef,  Blumenstück 247 

Abformung  einer  chinesischen  Porzellanflgur   249 

Kinderkopf  mit  Emailfarben  bemalt    251 

Geformtes  Relief,  Eichelblätter   253 

Gallot -Figuren 255 

Meißner  Porzellan,  Teetopf,  mit  Watteauszene  bemalt 257 


I.  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

Die  Erfindung  des  europäischen  Porzellans,  d.  h.  die  europäische  Nach- 
erfindung des  ursprünglich  in  China  spätestens  im  6.  Jahrhundert  unserer  Zeit- 
rechnung erfundenen  Porzellans  ^),  ist  keine  Erfindung  gewesen,  die  gleich  so  vielen 
anderen  die  Welt  aus  ihren  Gleisen  gehoben  hätte,  sie  ist  auch  keine  gewesen,  ohne 
die  man  sich  den  Fortbestand  der  Welt,  wie  er  tatsächlich  erfolgt  ist,  nicht  denken 
könnte.  Sie  bedeutete  im  Grunde  genommen  nur  eine  Annehmlichkeit,  eine  will- 
kommene Bequemlichkeit,  einen  starken  Zuwachs  an  Kunst,  wie  Verfeinerung 
des  Lebens  und,  wenn  man  will,  auch  eine  beträchtliche  Kapitalsvermehrung, 
alles  Dinge,  die  man  im  Notfall  gar  wohl  entbehren  könnte. 

Dennoch  ist  und  bleibt  diese  Erfindung  eine  der  interessantesten,  die  es  über- 
haupt gegeben,  ein  Triumph  des  menschlichen  Geistes,  der  hier  einmal  eine  ganz 
besondere  Probe  seines  Könnens  abgelegt  hat.  Die  Geschichte  der  Erfindungen 
kennt  wenige  Beispiele  einer  gleichen,  bewußt  ausgeführten  Nacherfindung. 
Während  sonst  in  der  Regel  eine  Erfindung  die  Folge  mehr  oder  weniger  zufällig 
empirisch  festgestellter  Tatsachen  ist,  bei  deren  Anfang  man  vielfach  noch 
gar  nicht  weiß,  wohin  dieses  ganze  Streben  treibt,  stellt  sich  die  Erfindung  dieses 
keramischen  Stoffes,  so  wie  man  sie  jetzt  kennt,  als  das  Resultat  eines  konsequenten, 
logischen  Ausgehens  auf  ein  ganz  bestimmtes  Ziel  dar,  das  von  allem  Anfang  an 
unverrückbar  als  solches  feststand  und,  wenn  überhaupt,  nur  als  Ganzes  erreicht 
werden  konnte.  Es  wird  nicht  schwer  sein,  zu  entscheiden,  welche  Art  der  Er- 
findung an  sich  als  die  schwierigere  zu  gelten  hat:  auf  der  einen  Seite  eine  scharfe 
Kombinationsgabe,  die  aus  allen  Beobachtungen,  die  im  Laufe  der  Arbeit  gemacht 
werden,  die  richtigen  Schlüsse  zu  ziehen  und  sie  zu  weiterer  Arbeit  zu  verwerten 
weiß,  auf  der  anderen  ein  mehr  oder  weniger  geniales  Erraten  des  verborgenen 
Anfangspunktes  eines  gegebenen  Resultats;  hier  die  Entwicklung  einer  Kausalität 
in  ihren  natürlichem  Gange  von  der  Ursache  zur  Wirkung,  dort  das  Gleiche,  doch 
in  gewaltsam  umgekehrter  Richtung  von  Wirkung  zur  Ursache,  in  einer  Richtung, 
wie  sie  nur  der  kombinierende  Geist  des  Menschen  zurückzukonstruieren  vermag. 
Kein  Wunder  daher,  daß  während  sonst  die  Erfindungen  meist  die  Ergebnisse  kurzer 
Zeiträume,  bisweilen  selbst  von  Momenten  sind,  mag  ihre  volle  Ausnutzungs- 
möglichkeit, selbst  ihre  praktische  Verwertbarkeit  vielfach  auch  erst  nach  ge- 
raumer Zeit  eintreten,  die  Nacherfindung  des  Porzellans  in  Europa  trotz  heftigsten 

Zimmmermann,  Meißner  PorzelluL.  1 


2  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

Bemühens  durch  Jahrhunderte  sich  hindurchgezogen  hat,  und  daß  es  erst  des 
Hinzutrittes  einer  wirkhch  bedeutenden  Persönhchkeit  bedurfte,  bevor  sie  end- 
hch  gelang. 

Zumal  die  Erfindung  des  Porzellans  keineswegs  zu  den  leichteren  gehört 
hat,  auch  nicht  auf  dem  Gebiet  der  Keramik.  Denn  es  handelte  sich  hier  um  nichts 
weniger  als  die  Erkenntnis  eines  gänzlich  neuen  keramischen  Prinzipes,  dem  die 
ganze  bisherige  europäische  Keramik  auch  nicht  einmal  etwas  Verwandtes  zur 
Seite  zu  stellen  hatte.  Bevor  diese  Nacherfindung  gelang,  bevor  dieses  neue  Prinzip 
in  Europa  entdeckt  ward,  kannte  man  hier  nur  die  unglasierte  Terrakotta,  die 
durchsichtig  glasierte  Irdenware,  die  undurchsichtig  glasierte  Majolika  oder 
Fayence  und  als  gediegenstes  Produkt  das  festgebrannte,  in  der  Regel  unglasierte 
Steinzeug,  dessen  Herstellung  aber  lokal  beschränkt  blieb.  Bei  allen  diesen  hatte 
man  es  noch  mit  ganz  einfachen  keramischen  Vorgängen  zu  tun  gehabt.  Man 
hatte  bestimmte,  für  die  Bildsamkeit  geeignete  sogenannte  ,, plastische"  Tone 
irgendwo  der  Natur  entnommen,  sie  gereinigt  und  gleichmäßig  zerkleinert,  viel- 
leicht in  den  technisch  schwierigsten  Fällen  zur  Erhöhung  ihrer  Plastizität  oder 
ihrer  Widerstandsfähigkeit  im  Feuer  noch  mit  anderen  Bestandteilen  leichthin 
gemischt  und  dann  mehr  oder  weniger  scharf  gebrannt,  ohne  hierbei  auf  besondere 
Schwierigkeiten  zu  stoßen.  Auch  die  Glasierung  war  ziemlich  einfach  gewesen,  erfor- 
derte namentlich,  da  sie  mit  den  keramischen  Erzeugnissen  in  der  Regel  nicht  fester 
verwuchs,  keine  allzu  große  Berechnung  und  Geschicklichkeit,  war  aber  trotzdem 
vielfach,  namentlich  bei  der  Fabrikation  der  Fayence,  der  eigentlich  wunde  Punkt 
dieser  ganzen  Keramik.  In  Anbetracht  dieser  Einfachheit  der  technischen  Her- 
stellung war  daher  damals  ein  großer  Teil  dieser  keramischen  Industrie,  wie  es  zum 
Teil  ja  noch  heute  der  Fall  ist,  Hausindustrie,  die  vielfach  über  Dörfer,  ja  ganze 
Landschaften  verteilt  war,  und  nur  die  Majolika  oder  Fayence,  die  feinste  und 
darum  schwierigste  keramische  Spezialität  dieser  Zeit,  erscheint  immer  an  städti- 
sche Zentren  geknüpft,  für  deren  Bewohner  anfangs  ihre  Erzeugnisse  auch  fast 
ausschließlich  bestimmt  waren. 

Mit  dem  Porzellane  Chinas,  das  wohl  durch  die  Kreuzzüge  zum  erstenmal 
nach  Europa  gelangte,  seit  der  Entdeckung  des  Seewegs  nach  Ostindien  aber  an- 
fing, in  größeren  Mengen  hier  eingeführt  zu  werden,  trat  ein  bedeutend  edleres, 
aber  auch  bedeutend  anspruchsvolleres  Erzeugnis  auf  den  keramischen  Schau- 
platz Europas:  Das  Porzellan  ist,  wenn  man  will,  ein  Mittelding  zwischen  Glas 
und  Steinzeug  ^),  das  von  beiden  Stoffen  die  edelsten  Eigenschaften  annimmt, 
indem  es  zu  diesen  noch  neue  hinzufügt.  Es  ist,  falls  nicht  zu  dickwandig,  durch- 
scheinend, für  Flüssigkeiten  unter  gewöhnlichen  Umständen  undurchlässig,  selbst 
im  stärksten  Feuer  beständig,  auch  für  fast  alle  Säuren  unangreifbar,  daneben 
ein  schlechter  Wärmeleiter  und,  wofern  man  es  haben  will,  von  schönster  weißer 
Farbe.  Seinem  Materiale  nach  stellt  es  sich  —  und  hierin  beruht  das  keramisch 
Besondere  seines  Wesens,  das  seine  Nacherfindung  so  ganz  besonders  erschwert 
hat  —  im  Gegensatze  zu  allen  bisher  in  Europa  verwandten  keramischen  Massen, 


Schwierigkeit  der  Erfindung.  3 

als  ein  Gemenge  verschiedenartiger  Bestandteile  dar,  die  sich  vor  allem  im  Feuer 
völlig  verschieden,  ja,  entgegengesetzt  verhalten,  in  der  Weise,  daß  der  Haupt- 
bestandteil fest  bleibt,  d.  h.  im  Feuer  trotz  stärkster  Hitzeentfaltung  nicht  schmilzt, 
der  andere  dagegen  sich  erweicht  und  jenen  festen  Bestandteil  innig  umfließt, 
um  ihn  nach  dem  Erkalten  gleichsam  fest  in  sich  gebettet  zu  zeigen.  Dazu  kommt 
noch  die  Glasur,  die  diese  Masse  zwar  nur  ganz  leicht  und  als  durchsichtige  Haut 
überzieht,  dafür  aber  mit  ihr  ganz  unzertrennbar  verwachsen  muß,  im  wesent- 
lichen nur  ein  Verschönerungsmittel,  bestimmt,  dem  Porzellan  Glanz  und  Glätte 
zu  verleihen,  daneben  freilich  auch  ein  Schutz  gegen  dauerndes  Eindringen  von 
Staub  und  Schmutz  in  die  hierfür  so  stark  empfängliche  Porzellanmasse,  auch 
diese  ein  Gemisch  verschiedener  Bestandteile,  nach  einem  Prinzip,  das  gleichfalls 
für  die  damalige  Keramik  etwas  gänzlich  Neues  war  und  das  herauszufinden  darum 
einer  zweiten  Tat  bedurfte.  Die  Erfindung  des  Porzellans  bestand  demnach  eigent- 
lich aus  zwei  Erfindungen,  die,  völlig  unabhängig  voneinander,  beide  gemacht 
werden  mußten,  wofern  wirklich  dasjenige  Produkt  zuwege  gebracht  werden 
sollte,  das  man  für  gewöhnlich  Porzellan  nennt,  und  das  man  allein  hat  erstreben 
wollen,  so  oft  man  an  seine  Nacherfindung  ging. 

Im  besonderen  ist  das  echte  oder  Hartporzellan,  wie  es  China  erfunden,  dann 
Böttger  nacherfunden  hat,  ein  inniges  Gemisch  von  Kaolin  und  Feldspat,  für  den 
auch  Kalk,  Kreide  oder  ein  verwandter  Stoff  eintreten  kann,  und  vielfach  auch 
noch  von  Quarz.  Hierbei  stellt  sich  das  Kaolin,  ein  weißer,  nicht  sehr  plastischer 
Ton,  wie  alle  keramischen  Tone  ein  natürliches  Verwitterungsprodukt  eines  feld- 
spatreichen Gesteins^),  als  der  feuerbeständige,  dem  Porzellan  nach  seinem 
Brande  seine  Festigkeit  gebenden  Bestandteil,  der  Feldspat,  die  Kreide  oder  der 
Kalk  als  das  im  Feuer  flüssig  werdende,  dem  Porzellan  seine  Durchsichtigkeit 
verleihende  Flußmittel  dar,  indes  der  Quarz  nur  zur  Erleichterung  der  Fabrikation, 
namentlich  auch  zur  Erhöhung  seiner  Durchscheinbarkeit  nach  dem  Brande  dient. 
Die  Glasur  aber  enthält  —  und  hier  liegt  das  eigentlich  Neue  in  ihr  —  fast  die- 
selben Bestandteile  wie  die  Masse,  nur  mit  bedeutend  stärkerer  Vermehrung  der 
Flußmittel,  damit  sie  nach  dem   Brande  völlig  durchsichtig  erscheine. 

Von  diesen  zur  Porzellanherstellung  erforderlichen  Materien  erscheinen  Feldspat, 
Kreide,  Kalk  sowie  auch  Quarz  als  durchaus  gewöhnliche  Stoffe,  die  überall  in 
der  Natur  anzutreffen  sind,  deren  Auffindung  daher  keine  besondere  Schwierig- 
keit bereitet.  Seltener  dagegen  bietet  sich  der  Hauptbestandteil  des  Porzellans 
dar,  das  Kaolin,  obgleich  sich  auch  dieses  als  Roherde  in  allen  Teilen  der  Welt, 
namentlich  in  Talbecken  und  Flußtälern,  und  so  auch  in  Deutschland  an  vielen 
Stellen  vorfindet,  ja,  man  zur  Not  an  seine  Stelle  überhaupt  jede  feuerfeste,  sich 
weiß  brennende  Erde  nehmen  kann.  Für  alle  diese  war  die  Auffindung  keine  ganz 
leichte,  sie  mußten  entdeckt  werden,  bevor  die  Nacherfindung  des  Porzellans 
überhaupt  erfolgen  konnte. 

Diese  Nacherfindung  aber  konnte  nur  auf  dreierlei  Weise  geschehen: 
durch    unmittelbares  Auskundschaften    des   Geheimnisses   des   chinesischen   Por- 


4  Die  ersten  Erflndungsversuche. 

zellans  in  China  selber,  durch  selbständige  Erkenntnis  des  Prinzips  seiner  Zusammen- 
setzung auf  dem  Wege  des  zielbewußten  Experiments  oder  schließlich  durch  den 
Zufall,  bei  dem  die  zur  Porzellanfabrikation  erforderlichen  Stoffe  wie  auch  ihr 
richtiges  Verhältnis  sich  wie  von  selber  zusammenfanden.  Alle  diese  Möglichkeiten 
konnten  sich  nicht  so  leicht  von  selber  ergeben.  Ängstlich  hüteten  auf  der  einen 
Seite  die  Chinesen  das  so  wertvolle  Geheimnis  ihres  kostbaren  keramischen  Er- 
zeugnisses, dessen  Verlust  für  sie,  da  Europa  dann  dieses  Erzeugnis  von  ihnen  zu 
begehren  keine  Veranlassung  mehr  haben  würde,  eine  ganz  gewaltige  materielle 
Einbuße  zu  werden  drohte.  Andererseits  hieß  es  doch  etwas  viel  vom  blinden  Ungefähr 
des  Zufalls  erwarten,  daß  er  Stoffe  wie  Mischungsverhältnisse  auf  einmal  in  richtiger 
Weise  zur  gefälligen  Benutzung  darbieten  sollte.  Was  aber  die  Erkenntnis  des 
Prinzips  anbetrifft,  so  ward  diese  dadurch  um  so  schwieriger,  daß  das  Porzellan, 
als  ein  Mittelding  zwischen  zwei  ganz  verschiedenartigen  Produkten,  zwischen 
Glas  und  keramischem  Erzeugnis,  den  diese  Erkenntnis  Suchenden  nach  zwei  ganz 
verschiedenen  Wegen  hin,  ja,  wenn  er  demjenigen  folgte,  der  als  der  zunächst- 
liegende sich  darzubieten  schien,  durchaus  auf  Abwege  verlockte,  von  denen  ein 
Umlenken  zu  jenem  anderen,  der  als  der  allein  richtige  auch  allein  zum  Ziele  zu 
führen  vermochte,  fast  als  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  erschien.  Die  Nacherfmdung 
des  chinesischen  Porzellans  hat  sich  daher  in  Europa,  von  dem  Zeitpunkte  an  ge- 
rechnet, da  man  hier  zum  erstenmal  sich  an  sie  machte,  um  mehr  als  zweihundert 
Jahre  verzögert,  und  sie  ist  dann  schließlich  ein  Werk  der  reinen  Erkenntnis, 
des  Entdeckens  des  Prinzipes  dieses  Stoffes  gewesen,  das  dem  bloßen  Zufall  nur 
recht  wenig  dann  noch  zu  verdanken  gehabt  hat.  Aber  sobald  dies  Prinzip  ein- 
mal erkannt  war,  ist  sie  dann  auch  in  ganz  erstaunlich  kurzer  Zeit  erfolgt:  in 
wenigen  Jahren  ward  erreicht,  wonach  vorher  Jahrhunderte  völlig  vergeblich 
gerungen  hatten. 

Dennoch  mußte  trotz  aller  dieser  Schwierigkeiten  der  Gedanke  der  Nach- 
erfindung des  Porzellans  in  Europa  erwachen,  sobald  es  in  größeren  Mengen  nach 
Europa  gelangte  und  hier  auch  die  technische  Möglichkeit  seiner  Nachahmung 
gegeben  schien.  Zu  verlockend  stellte  sich  die  Summe  seiner  Vorzüge  dar,  schon  in 
rein  praktischer  Beziehung  seine  Undurchlässigkeit  für  Feuchtigkeit,  seine  Unan- 
greifbarkeit für  Säuren,  seine  Widerstandsfähigkeit  gegen  Temperaturunterschiede, 
dann  in  ästhetischer  Beziehung  seine  Wohlgefälligkeit  für  das  Auge,  seine  feine 
kristallinische  Masse,  seine  weiß  schimmernde  Oberfläche,  auf  der  Farben  sich 
strahlend  erbreiten  konnten,  schließlich  die  weiche,  wohlige  Glätte  seiner  Glasur. 
Es  war  durchaus  das  Produkt  einer  feineren  Kultur  und  hat  diesen  Charak- 
ter auch  niemals  verleugnet.  Auch  seine  Zerbrechlichkeit  erwies  sich  gering, 
namentlich  gegenüber  dem  Glase  und  fast  allen  übrigen  keramischen  Erzeug- 
nissen, mit  denen  es  im  praktischen  Gebrauche  konkurrierte.  Man  mußte  daher 
nach  dem  Besitze  dieses  Produkts  immer  wieder  streben,  sobald  seine  besonderen 
Vorzüge  erkannt  waren,  man  konnte  nicht  ewig  jenen  Völkern  im  fernen  Osten 
tributpflichtig  bleiben,  auf  die  man  sonst,  schon  da  sie  nur  Heiden  waren,  mit 


Beginn  der  Versuche.  5 

tiefer  Verachtung  herabblickte,  ja,  die  nach  allem,  was  man  von  ihnen  hörte,  nur 
zu  leicht  den  Charakter  des  Komischen  annahmen.  Der  Stolz  des  alten  Kultur- 
landes Europa  bäumte  sich  auf  gegen  diese  Abhängigkeit  von  einem  Volke,  das 
man  damals  ebensosehr  als  Barbaren  ansah,  wie  freilich  diese  wieder  ihrerseits  die 
Europäer.  Die  Erfindung  aber  mußte  für  um  so  leichter  gelten,  da  ein  so  ein- 
geschätztes Volk  ihr  erster  Urheber  gewesen  war. 

Der  Trieb  zur  Nacherfindung  erwachte  daher  in.  der  Tat,  sobald  die  europäi- 
sche Keramik  so  weit  entwickelt  war,  daß  sie  die  Kraft  zu  solchen  Leistungen  in 
sich  fühlte.  Diese  Möglichkeit  stellte  sich  zuerst  in  der  ersten  Blütezeit  der  euro- 
päischen Keramik  ein,  in  der  Zeit  der  italienischen  Renaissance,  da  Italien  durch 
die  Vermittlung  Spaniens  die  glänzende  Technik  und  Farbenwirkung  der  Fayence 
des  westlichen  Asiens  kennen  lernte,  die  hier  als  ein  letztes  Erbteil  der  Keramik 
der  alten  babylonisch- assyrischen  Zeiten  sich  erhalten  zu  haben  schien.  Da  er- 
wachte in  Italien  die  keramische  Schaffenslust  an  allen  Orten,  die  Nachahmung 
begann  und  führte  in  kurzer  Zeit  zu  jener  großartigen  Ausbildung  der  Majolika, 
durch  die  die  europäische  Keramik  zum  erstenmal  wieder  seit  den  Tagen  des 
Altertums  zu  dem  Niveau  einer  wirklichen  Kunst  sich  emporschwang,  zu  einer 
reinen  Farbenkunst,  der  kaum  ein  anderer  Zweig  der  Kunst  damals  etwas  Gleiches 
zur  Seite  zu  stellen  hatte.  In  diese  Zeit  fallen  die  ersten  uns  bekannten  Versuche 
der  Nachahmung  des  chinesischen  Porzellans.  Es  lag  jetzt  nahe  genug,  nach- 
dem die  Nach-  und  Weiterbildung  des  einen  keramischen  Produktes  des  Orients 
so  glänzend  gelungen  war,  nun  auch  die  jenes  anderen  noch  weit  exotischeren 
zu  versuchen,  das  durch  seine  vielen  inneren  und  äußeren  Vorzüge  als  ein 
noch  viel  begehrenswerteres  Objekt  sich  darstellte.  Zumal  gerade  damals 
das  chinesische  Porzellan  unter  den  Kaisern  der  Mingdynastie,  Ghing-hoa  und 
Siouen-tih,  seine  erste  große  Blütezeit  erlebt  hatte,  mithin  sich  den  Augen  der 
Europäer  in  ganz  besonders  reizvoller  Form  darbot,  wie  es  auch  gerade  damals 
anfing,  in  immer  größeren  Mengen  von  Kairo  aus,  das  damals  für  dasselbe  der 
Hauptstapelplatz  gewesen  zu  sein  scheint,  nach  Europa  zu  gelangen*). 

Freilich,  die  Schwierigkeiten  seiner  Nacherfindung  waren  damals  noch  ganz 
besonders  groß.  Der  Weg  des  Experiments  war  bei  dem  damaligen  kindlichen 
Zustande  der  Naturwissenschaften  noch  wenig  ausgebildet,  der  Weg  nach  China 
bisher  nur  von  wenigen  beschritten,  und  was  diese  wenigen  über  das  Geheimnis 
des  Porzellans  nach  Europa  brachten,  war  eher  geeignet,  die  Methode  der  Nach- 
erfindung zu  verwirren,  als  ins  rechte  Gleis  zu  bringen.  Das  Mittelalter  sowie  auch 
die  ganze  folgende  Zeit  hat  allem  Anscheine  nach  über  die  Herstellung  des 
Porzellans  nicht  mehr  gewußt,  als  was  Marco  Polo  nach  seinen  weiten  Reisen 
bis  in  das  östlichste  Asien  davon  zu  berichten  vermocht  hat,  ja,  seine  verhältnis- 
mäßig klaren  Angaben  sind  später  durch  weitere  Berichte  eher  verdunkelt  als 
aufgehellt  worden.  Darnach  sollte  das  Porzellan  in  China  in  der  Stadt  Tingui 
hergestellt  werden,  aus  einer  gewissen  Erde,  die  man  wie  Erze  aus  Minen  ge- 
wänne,  zu  großen  Haufen  auftürme,  die  hierauf  30  bie  40  Jahren  dem  Winde, 


ß  Die  ersten  Erflndungsversuche. 

dem  Regen  und  der  Sonne  ausgesetzt  würde  und  dann  erst  zur  Bearbeitung 
käme.  Später  jedoch  ^)  und  gerade  am  Anfange  des  16.  Jahrhunderts  glaubte 
man  gar,  daß  das  Porzellan  aus  Seemuscheln  und  Eierschalen  bestände,  die  man 
80  bis  100  Jahre  lang  vorher  unter  der  Erde  vergraben  halten  müsse.  Es  lag 
hier  sicher  eine  Verwechslung  ^)  mit  gewissen,  heute  noch  Porzellanmuscheln  ge- 
nannten Conchylien  vor,  deren  man  sich,  wie  gleichfalls  schon  Marco  Polo  ')  be- 
richtet hatte,  in  diesen  Gegenden  als  Geld  wie  auch  als  Schmuck  zu  bedienen 
pflegte.  Man  nahm  dabei  wohl  ohne  weiteres  an,  daß  weil  diese  Muscheln  ebenso 
benannt  würden  wie  dieses  keramische  Produkt,  so  enthielten  sie  auch  den 
gleichen  Grundstoff. 

Weiter  in  der  theoretischen  Erkenntnis  des  Porzellans  scheint  man  aber  dann 
für  lange  Zeit  noch  nicht  gekommen  zu  sein.  Noch  im  17.  Jahrhundert  finden  sich 
vielfach  die  alten  Fabeln  von  den  Muscheln  und  ihrem  langjährigen  Vergraben  in  die 
Erde  wieder,  so  z.  B.  in  der  1649  herausgegebenen  zweiten  Ausgabe  der  damals 
so  berühmten  Archontologia  Cosmica  Gotofredi ;  doch  fügt  der  Verfasser  dort  freilich 
gleich  hinzu,  daß  diese  Ansicht  von  vielen  nicht  mehr  geteilt  würde;  auch  be- 
merkt er  an  anderer  Stelle^)  sehr  richtig,  daß  das  Porzellan,  obwohl  durchsichtig, 
doch  kein  glasartiges  Produkt  wäre.  Doch  wollten  selbst  dann  noch  immer  nicht 
die  alten  Fabeln  aussterben,  obwohl  inzwischen  —  wahrscheinlich  durch  Nienhoff^), 
der  eine  ,,Sienesische  Historia"  schrieb  —  die  Ansicht  von  einer  ganz  bestimmten 
Porzellanerde,  die  nur  in  China  vorhanden  wäre,  auftauchte,  die  freilich,  da  sie 
die  Porzellanerfindung  nun  ganz  von  dem  Besitz  dieser  Erde  abhängig  machte, 
nicht  gerade  sehr  ermutigend  für  eine  solche  gewirkt  haben  kann. 

Dennoch,  trotz  aller  dieser  Schwierigkeiten,  ging  man  schon  um  die  Wende 
des  16.  Jahrhunderts  getrost  ans  Werk  und  kam  auch,  wie  es  damals  schien,  recht 
bald  zu  dem  gewünschten  Erfolg.  Es  ist  charakteristisch,  daß  gerade  Venedig  es 
war^°),  in  dem  derartige  Versuche,  so  weit  wir  wissen,  zum  erstenmal  gemacht 
wurden,  Venedig,  die  größte  Welthandelstadt  dieser  Zeit,  schon  durch  seine  Lage 
am  Ostgestade  des  Adriatischen  Meeres  stark  nach  dem  Osten  weisend  und  darum 
in  unmittelbarster  Fühlung  mit  dem  Orient,  zugleich  die  Stätte  der  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  noch  aus  den  Römerzeiten  stammenden  Glasfabrikation,  jener 
Technik,  die  immer  als  eine  der  keramischen  verwandte  gegolten  hat  und  bald 
genug  auch  mit  der  des  Porzellans  in  nur  allzu  nahe  Beziehung  treten  sollte.  So 
ist  es  durchaus  nicht  erstaunlich,  daß  hier  bereits  im  Jahre  1470  von  Porzellan- 
versuchen die  Rede  ist,  daß  hier  eine  Schale  und  eine  Vase  gerühmt  werden,  die, 
von  einem  gewissen  Maestro  Antuonio,  einem  Alchimisten,  aus  einer  Erde,  die 
ihm  aus  Bologna  zugeschickt  war,  hergestellt,  als  etwas  ganz  Wunderbares,  ja, 
bereits  den  Produkten  des  Orients  Überlegenes  bezeichnet  wurden  und  damals 
in  Venedig  allgemeine  Sensation,  namentlich  bei  den  Töpfern  und  Alchimisten 
der  Stadt,  erregten. 

Es  muß  sich  hier  in  der  Tat  schon  um  ein  recht  hervorragendes  Erzeugnis 
gehandelt  haben,  das  wohl  das  Aufsehen,  das  es  in  Venedig  erregte,  verdient  haben 


Italien.  7 

mag.  Es  wird  als  sehr  delikat,  durchsichtig  glasiert  und  bemalt  geschildert^^). 
Ob  es  sich  aber  bei  diesem  Stück  wirklich  schon  um  ein  Stück  Hartporzellan 
gehandelt  hat  ?  Wir  vermögen  es  heute  nicht  mehr  zusagen,  da  weiteres  über 
dies  ,, Porzellan"  nicht  mehr  gemeldet  wird,  man  später  auch  nie  das  Geringste 
wieder  von  diesem,  wie  überhaupt  von  einer  weiteren  Ausnutzung  dieser  Erfindung 
vernimmt.  Man  müßte  daher  annehmen,  daß  der  Erfinder  eher  ins  Grab  gestiegen 
sei,  bevor  er  das  Geheimnis  seiner  Erfindung  einem  anderen,  der  es  hätte  weiter 
ausnutzen  können,  anvertraut  hätte.  Jedoch,  wahrscheinlich  ist  es  nicht,  daß 
das  schwierige  Problem  des  Porzellans,  das  noch  Jahrhunderte  lang  so  viele  Mühen 
kostete,  so  viele  Hoffnungen  enttäuschen  sollte,  hier  gleich  bei  dem  ersten  Versuch, 
den  wir  kennen,  schon  gelöst  wäre,  viel  wahrscheinlicher  daß  hier  —  dafür 
spricht  auch  die  ganze  Weiterentwicklung  der  Porzellanversuche  dieser  Zeit  — 
bereits  eine  jener  großen  Selbsttäuschungen  hinsichtlich  des  wirklichen  Resultats 
der  Erfindungsversuche  vorlag,  die  von  nun  an  die  Geschichte  der  Erfindung 
des  Porzellans  bis  zu  ihrem  Ende  unablässig  begleitet  haben. 

Denn,  um  es  gleich  zu  sagen,  was  wir  wirklich  Positives  über  die  Porzellan- 
erfindungen dieser  ganzen  Zeit  der  italienischen  Majolika  wissen,  was  noch  heute 
als  greifbares  Resultat  derselben  vor  unseren  Augen  daliegt,  das  beweist  uns  so 
klar  wie  möglich,  daß  man  damals  auch  nicht  im  entferntesten  ahnte,  auf  welchem 
Wege  man  das  Porzellan  wirklich  hätte  erfinden  können.  Die  Zwitterstellung 
des  Porzellans  zwischen  Glas  und  keramischem  Produkt  hatte  schon  ihre  verhäng- 
nisvolle Wirkung  begonnen.  Indem  man,  wie  es  nur  zu  natürlich  war,  zunächst 
von  seinen  äußeren  Vorzügen  ausging,  d.  h.  vor  allem  von  seinem  Glänze  und  seiner 
Durchscheinbarkeit,  dagegen  seine  inneren,  in  Anbetracht  seiner  damaligen  Selten- 
heit und  Kostbarkeit  und  seines  infolgedessen  noch  nicht  häufigen  Gebrauchs 
vielleicht  noch  gar  nicht  kannte,  so  geriet  man  von  den  beiden  Wegen,  auf  die 
des  Porzellan  seine  Nacherfinder,  wie  eben  gezeigt,  zu  locken  schien,  auf  jenen, 
der  der  verkehrte  war,  auf  jenen,  der  statt  den  Suchenden  der  Erfindung 
näher  zu  bringen,  ihn  nur  immer  weiter  von  ihr  fortführte :  man  hielt  das  Porzellan 
für  eine  Art  Glas,  geriet  damit  in  die  Glasfabrikation  hinein  und  stellte,  indem 
man  alle  möglichen  Stoffe  zusammenmischte,  eine  glasartige  Masse  her,  ein 
schlechtes,  nicht  ganz  ausgebranntes,  nur  durchscheinendes  Glas,  ein  Frittenpor- 
zellan,  wie  die  Technik  sagt,  und  gewann  damit  ein  richtiges  Rastardkind  der 
Keramik,  das  man  dann  um  der  äußeren  Wirkung  willen  trotz  aller  seiner  Wider- 
spenstigkeit, durch  die  es  nur  zu  sehr  an  die  Unechtheit  seines  Ursprunges  gemahnte, 
in  die  ihm  völlig  fremde  Technik  der  Keramik  zu  zwängen  suchte.  Es  war  ein 
richtiger  Holzweg,  auf  den  man  geraten  war,  der  nimmer  zum  Ziele  führen  konnte, 
darum  aber  um  so  verderblicher  ward,  da  stets  ein  gewisser  Scheinerfolg  die  völlige 
Umkehr  und  das  entschlossene  Retreten  des  anderen  Weges  verhinderte. 

Indessen  hört  man  in  Italien  jahrzehntelang  nach  dieser  ersten  merkwürdigen 
Erfindung  ^2)  nichts  wieder  von  neuen  Versuchen  nach  dieser  Richtung  hin.  Erst 
mit  dem  folgenden  Jahrhundert  setzt  hier  allem  Anschein  nach  ein  regeres  Treiben 


8  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

ein.  Der  Seeweg  nach  Ostindien  war  inzwischen  entdeckt,  direkte  Handelsbeziehungen 
mit  dem  äußersten  Orient  angeknüpft  worden.  Da  kamen  die  schimmernden 
keramischen  Produkte  Chinas  schon  in  größeren  Mengen  nach  Europa,  vor  allem 
wohl  in  jener  Form,  in  welcher  sie  damals  für  Persien,  für  das  sie  schon  immer  einen 
wichtigen  Importartikel  dargestellt  hatten,  bestimmt  waren ^^).  Das  reizte  die 
Lust  zur  Nachbildung  nur  noch  stärker  an.  Bald  hörte  man  in  Italien  in  diesem 
Zeitalter  der  Entdeckungen,  das  bald  auch  ein  Zeitalter  der  Erfindungen  ward, 
von  neuen  Porzellanerfindungsversuchen.  Schon  im  Jahre  1518^*)  rühmte  sich 
wieder  jemand  in  Venedig,  diesmal  ein  Spiegielfabrikant,  der  merkwürdiger  Weise 
den  deutschen  Namen  Leonardo  Peutinger  führte,  chinesisches  Porzellan  sogar 
„von  jeglicher  Art"  machen  zu  können,  kurz  darauf  wird  auch  in  Venedig  von  tat- 
sächlich hergestellten,  wenn  auch  scheinbar  noch  nicht  ganz  geglückten  Porzellanen 
berichtet^^),  von  denen  sich  freilich  nicht  nachweisen  läßt,  ob  sie  von  diesem  deut- 
schen Spiegelfabrikanten  hergestellt  waren.  Dann  aber  nimmt  die  Bewegung  eine 
breitere  Form  an.  An  den  verschiedensten  Stellen  Italiens  scheinen  jetzt  die  Kera- 
miker sich  an  dieses  Problem  gewagt  zu  haben,  und  gerade  wie  später  im  Zeitalter 
der  wirklichen  Porzellanerfindung  kommen  jetzt  auch  die  Fürsten  hinzu  und 
nehmen  sich  als  die  Hauptvertreter  von  Glanz  und  Luxus  gleichfalls  der  Erfindung 
dieses  Stoffes  an,  eben,  weil  sie  ihnen,  wenn  sie  gelang,  die  Entfaltung  dieses  Luxus 
und  Glanzes  im  reichsten  Maße  versprach.  Die  Beweggründe  der  Menschen 
bleiben  zu  allen  Zeiten  dieselben. 

An  den  Höfen  der  Fürsten  finden  daher  ausschließlich  alle  Porzellanversuche 
statt,  von  denen  wir  in  der  Folgezeit  erfahren.  Man  hört  nach  der  Mitte  dieses 
Jahrhunderts  von  solchen  an  den  Höfen  von  Pesaro,  des  Herzogs  von  Savoyen^^) 
zu  Turin,  spätestens  in  den  sechziger  Jahren  auch  an  dem  Alfonsos  IL  in  Ferrara, 
an  welchem  ein  Majolikamaler,  der  gleichfalls  wieder  ein  Alchimist  war,  Camillo 
da  Urbino,  als  ,, Erfinder  des  Porzellans"  einen  großen  Ruhm  genoß  ja,  merkwürdiger- 
weise daneben  auch  als  „neuer  Wiederauffinder  des  Porzellans"  bezeichnet  wird ^''), 
vielleicht  weil  er  nur  der  Wiederentdecker  eines  jener  vermeintlichen  Porzellane 
war,  die  vor  ihm  in  Italien  erfunden  und  mit  der  vollen  Zuversicht  der  Unwissenheit 
bereits  für  das  wirklich  echte  Porzellan  gehalten  worden  waren.  Alle  diese  Versuche 
jedoch  wurden  völlig  durch  jene  Erfindung  in  den  Hintergrund  gedrängt,  die  bald 
darauf  am  Hofe  des  Großherzogs  Franz  I.  von  Toskana ^^)  gelangt  und  die  sicherlich 
von  allen  Porzellanerfindungen,  die  um  diese  Zeit  gemacht  worden  sind,  als  die 
gediegenste  und  brauchbarste  zu  gelten  hat.  Dieser  Fürst,  diesmal  selber  ein  Alchi- 
mist, der  immer  ein  ganz  besonderes  Interesse  an  allen  technischen  Künsten  gefunden 
hatte  und  deshalb  gar  vielerlei  technische  und  kunsttechnische  Arbeiten  an  seinem 
Hofe  unternehmen  ließ,  wollte  allem  Anscheine  nach  den  Ruhm  einer  eigenen  Por- 
zellanerfindung haben.  Zu  diesen  Zwecken  wurden  verschiedene  Künstler  und  Kera- 
miker herbeigezogen^^)  und  ihnen  für  ihre  Arbeiten  jener  Garten  seines  Casino  von 
S.  Marco  überwiesen,  den  einst  sein  großer  Vorfahre  Lorenzo  zu  jener  Schule  der 
Malerei  und  Bildhauerei  gemacht  hatte,  in  denen  alle  die  großen  Künstler  der 


Florenz.  9 

Renaissance  ihre  stärksten  Anregungen  empfangen  hatten.  Hier  war  es,  wo  endlich 
nach  langjährigen  Versuchen  und  unzähligen  vergeblichen  Proben  angeblich  mit 
Hilfe  eines  Griechen,  der  in  Indien  gereist  war,  wiederum  die  Herstellung  einer 
Masse  gelang,  die  sich  wie  Porzellan  ausnahm  und  auch  zu  brauchbaren  Gegen- 
ständen verarbeiten  ließ.  Von  diesem  Porzellane  haben  sich  allein  von  allen  den 
verwandten  Erzeugnissen  dieser  Zeit  sowohl  die  Rezepte  2°),  als  auch  die  Erzeug- 
nisse selber  erhalten,  als  beredteste  Zeugnisse  jener  allgemeinen  Selbsttäuschung 
dieser  ganzen  Zeit,  die  sich  so  oft  so  nahe  am  Ziel  ihrer  Sehnsucht  zu  sein  wähnte 
und  doch  so  weit  wie  nur  irgendmöglich  davon  entfernt  war.  Darnach  stellt  sich 
dieses  Porzellan  durchaus  als  eines  jener  oben  bezeichneten  Frittenporzellane  dar, 
als  ein  Gemisch  einer  Glasmasse  mit  Ton  und  sonstigen  Erden,  unter  denen  sich 
vielleicht  durch  einen  merkwürdigen  Zufall  auch  schon  der  wichtigste  Bestandteil 
des  Porzellans,  das  Kaolin 2^)  befand,  freilich  ohne  daß  man  damals  seine  wirkliche 
Bedeutung  für  das  Porzellan  auch  nur  im  entferntesten  geahnt  hätte.  Äußerlich 
glich  das  auf  diese  Weise  gewonnene  Produkt  durchaus  dem  Porzellan:  es  war 
weiß,  durchscheinend  und  bedurfte,  um  Glanz  zu  zeigen,  durchaus  einer  Glasur, 
die  freilich,  da  sie  nur  eine  Bleiglasur  war,  gleichfalls  mit  der  des  wirklichen  Por- 
zellans noch  nicht  das  geringste  zu  tun  hatte.  Doch  wurde  diese  Masse  nicht 
wie  Glas  geblasen,  sondern  ganz  nach  Töpferart  aufgedreht  und  im  Ofen  gebrannt 
und  ließ  auch  unter  der  Glasur  Malerei  in  jener  in  der  ganzen  Keramik  eine  so 
große  Rolle  spielenden,  aus  Kobalterzen  gewonnenen  blauen  Farbe  zu,  wie  sie 
damals  auch  das  chinesische  Porzellan,  das  nach  Europa  kam,  fast  ausnahmslos 
zu  zeigen  pflegte.  Innerlich  jedoch  fehlten  diesem  Produkte  alle  besseren  Eigen- 
schaften des  Porzellans,  namentlich  seine  Widerstandsfähigkeit  gegen  alle  mög- 
lichen äußeren  Einwirkungen.  Diese  Schwäche  des  eigenen  Produktes  wird  man 
damals  am  ehesten  an  seiner  Glasur  erkannt  haben,  die  sich  an  den  erhaltenen 
Stücken  meist  mit  argen  Schrammen  und  Kratzern  übersät  zeigt.  Durch  sie  wird 
man  am  frühesten  empfunden  haben,  daß  dies  neu  erfundene  Produkt  und  das 
chinesische  Porzellan  vielleicht  doch  nicht  so  ganz  dasselbe  waren,  durch  sie  wird 
der  feste  Glaube  an  die  vermeintliche  Nacherfindung  des  echten  Porzellans  wohl 
seinen  ersten  Stoß  erlitten  haben. 

Dennoch  gelang  es,  aus  dieser  Masse  eine  ganze  Reihe  von  Gegenständen, 
Teller,  Schalen  wie  Flaschen,  herzustellen,  vielfach  in  einer  Größe,  die  man  für 
gewöhnlich  bei  Porzellan  nicht  zu  sehen  gewohnt  ist.  Man  war  damals  am  Hofe 
des  Großherzogs  sichtbar  sehr  stolz  auf  die  neue  Erfindung.  Der  Großherzog  ver- 
schenkte seine  Erzeugnisse  an  alle  möglichen  Fürsten.  Auch  scheint  man  schon 
Bestellungen  haben  machen  zu  können.  Nicht  wenige  Stücke 2^)  haben  sich  auch 
bis  in  unsere  Zeit  erhalten,  als  Beweis,  daß  die  neue  Erfindung  damals  auch  wirk- 
lich in  größerem  Maßstabe  praktisch  auszunutzen  versucht  ward.  Dennoch  war 
sie  allem  Anscheine  nach  nicht  brauchbar  genug,  um  dauernden  Bestand  zu  haben. 
Allerdings  scheinen  sich  auch  noch  die  beiden  nächsten  Nachfolger  des  Groß- 
herzogs Franz  für  dieses   Produkt   und   seine  Herstellung  interessiert  zu   haben, 


10  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

und  seine  Fabrikation  ist  daher,  nachdem  inzwischen  die  Fabrik  von  Florenz  nach 
Pisa  verlegt  worden  war,  nachweisbar  mindestens  bis  zum  Jahre  1620  fortgesetzt 
worden.  Aber  dann  erfährt  man  von  diesen  Erzeugnissen  nicht  das  Geringste 
mehr,  es  haben  sich  auch  keine  erhalten,  die  nachweisbar  aus  dieser  spätesten 
Zeit  stammen^^),  und  so  wird  es  schließlich  diesem  unzweifelhaft  besten  und  brauch- 
barsten Erzeugnisse  der  ganzen  damaligen  Porzellanerfmdungsversuche  genau  so 
ergangen  sein  wie  allen  den  anderen  dieser  Zeit :  es  wird  an  seiner  eigenen  Un- 
vollkommenheit  zugrunde  gegangen  sein  und  keine  weitere  Fortpflanzung  oder 
Verbreitung  mehr  gefunden  haben. 

Damit  aber  scheinen,  nachdem  inzwischen  auch  die  Blütezeit  der  italienischen 
Majolika  ihrem  Ende  entgegen  gegangen  war,  fürs  erste  in  Italien  so  ziemlich  alle 
Versuche,  das  Porzellan  nachzuerfmden,  beendet  gewesen  zu  sein.  Nur  an  einer 
Stelle,  vielleicht  wieder  in  Venedig  oder  in  jenem  Castelli,  in  dem  die  große  Zeit 
der  Majolika  im  17.  und  18.  Jahrhundert  noch  eine  kleine  Nachblüte  erlebte, 
müssen  damals  noch  derartige  Versuche  unternommen  worden  sein.  Wenigstens 
hat  sich  aus  dieser  Zeit  ein  tadellos  ausgeführtes,  auch  künstlerisch  sehr  reizvolles 
Produkt  erhalten,  das  sich  durchaus  äußerlich  wie  ein  Stück  Porzellan  gibt, 
dennoch  aber  noch  mehr  aus  der  Glasfabrikation  heraus  entstanden  zu  sein 
scheint,  als  alle  vorhererwähnten  Porzellane 2'').  Damit  ist  aber  diese  Entwicklung 
hier  in  Italien  wirklich  an  ihrem  Ende^^),  damit  der  letzte  Versuch  dieser  Zeit 
und  dieses  Volks  geschehen,  das  chinesische  Porzellan  nachzuerfmden.  Von  nun 
an  tritt  Italien  von  diesem  Schauplatze  ab,  um  ihn  erst  wieder  nach  der  an  anderer 
Stelle  wirklich  erfolgten  Erfindung  wieder  zu  betreten. 

Einen  wirklich  neuen  Aufschwung  jedoch  konnte  das  Streben  nach  der  Er- 
findung des  Porzellans  erst  wieder  erleben,  sobald  auch  die  europäische  Keramik 
wieder  einen  solchen  nahm.  Dieser  Aufschwung  war  das  Wiederaufblühen  der 
italienischen  Majolika  als  Fayence,  namentlich  in  den  westlichen  Ländern  Europas, 
vor  allem  in  Frankreich  und  Holland,  als  eine  Folge  ihres  bedeutenden  wirtschaft- 
lichen Aufschwungs,  der  hier  alle  Künste  und  Gewerbe  in  gleicher  Weise  hob  und 
zugleich  ein  allgemeines  Wohlleben  herbeiführte.  Stärker  als  je  mußte  da  dieser 
Nachahmungstrieb  hier  erwachen,  zumal  inzwischen  infolge  der  immer  regeren 
Handelsverbindungen  mit  dem  fernen  Osten  seine  Produkte  nur  immer  reichlicher 
nach  dem  darnach  so  begehrlichen  Europa  strömten.  In  großen  Mengen  ward  jetzt 
auf  den  Schiffen  der  Portugiesen,  Holländer,  Franzosen  und  Engländer  das  chinesi- 
sche Porzellan  nach  Europa  gebracht.  Bald  ward  es  hier  der  unentbehrliche  Gegen- 
stand des  Luxus,  wie  des  Gebrauches.  Die  fürstliche  Tafel  begann  sich  mit  seiner 
Sauberkeit  zu  schmücken,  die  Prunkgemächer  sich  ihres  Glanzes  und  ihrer  Farben- 
pracht zu  bedienen,  ja,  es  ward  immer  mehr  Modeartikel  der  Zeit,  der  sich  in  die 
Gewohnheiten  der  Menschen  wie  etwas  Unentbehrliches  einnistete  und  auch  als 
solches  nun  verblieb,  namentlich  seitdem  von  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts 
ab  auch  die  orientalische  Sitte  des  Tee-  und  KafTeetrinkens  sich  einbürgerte,  über- 
all Kaffeehäuser  gegründet  wurden,  in  denen  man  sich  zur  Unterhaltung  und  zu 


Erneute  Versuche,  Frankreich.  11 

ernsteren  Gesprächen  zusammenfand,  und  diese  Sitte  sich  erstaunhch  schnell  über 
die  weitesten  Kreise  verbreitete  2*).  Teetöpfe,  Kaffeekannen  und  Tassen  aus  Por- 
zellan, die  so  lange  ihren  Inhalt  warm  hielten  und  doch  dank  der  besonderen  Eigen- 
schaften dieses  Stoffes  völlig  anfaßbar  blieben,  waren  jetzt  Gebrauchsartikel, 
ohne  die  man  in  Europa  nicht  mehr  auszukommen  vermochte,  deren  man  täglich 
mehr  bedurfte,  und  es  war  daher  die  höchste  Zeit,  wollte  man  nicht  ewig  den 
schlitzäugigen  Chinesen  tributpflichtig  bleiben,  daß  die  Nacherfmdung  dieses 
Stoffes  nun  auch  in  Europa  von  neuem  versucht  ward. 

Die  erste  Folge  dieses  starken  Eindringens  des  chinesischen  Produktes  war 
freilich  der  allgemeine,  stets  sich  nur  noch  steigernde  Aufschwung  der  Fayence, 
die  in  dieser  Zeit  bald  den  Charakter  des  Ersatzes,  des  Surrogates  des  chinesischen 
Porzellans  annimmt,  den  sie  dann  nicht  wieder  verlor.  Man  begnügte  sich  zunächst 
aus  Mangel  an  weiterem  Können  mit  dem  Nachahmen  seiner  äußeren  Erscheinung 
und  suchte  das  auf  diese  Weise  gewonnene  Produkt,  dessen  innere  Vorzüge  recht 
gering  waren,  wenigstens  äußerlich  so*  schön  und  glänzend  als  möglich  zu  gestalten 
und  ihm  auch  ganz  dreist  den  Namen  ,, Porzellan"  zu  geben,  den  es  dann  vielfach 
und  dauernd  behielt,  daß  bald  genug  hinsichtlich  der  keramischen  Produkte  dieser 
Zeit  eine  allgemeine  Begriffsverwirrung  eintrat,  deren  Folgen  sich  bis  in  unsere 
Zeit  erstreckt  haben.  Bald  jedoch  gab  man  sich  nicht  mehr  mit  diesen  Erfolgen 
zufrieden,  und  nun  ist  es  wiederum  kein  Zufall,  daß  gerade  das  Land,  das  damals 
als  das  keramisch  am  weitesten  vorgeschrittene  gelten  konnte  —  die  Hauptblüte- 
zeit der  Delfter  Fayence  in  Holland  war  damals  noch  nicht  gekommen  — ,  Frank- 
reich auch  jetzt  wieder  die  ersten  Versuche,  das  Porzellan  nachzuerfinden,  wenig- 
stens so  weit  wir  es  wiederum  heute  noch  wissen,  unternimmt;  denn  nur,  wer  die 
bis  dahin  höchste  Stufe  der  Keramik  erreicht  hat,  wird  den  Trieb  in  sich  spüren, 
sich  auch  auf  die  nächst  höhere  emporzuschwingen.  Hinzu  kam  für  Frankreich, 
daß  hier  im  Zeitalter  Ludwigs  XIV.  durch  seinen  großen  Minister  Colbert  der 
Merkantilismus  erfunden  war,  jenes  ökonomische  System,  nach  dem  jedes  Land 
zur  Vermehrung  seines  Reichtums  durch  eigene  Produktion  sich  möglichst  von 
der  des  Auslandes  unabhängig  machen  sollte.  Dadurch  erwachte  hier  ganz  all- 
gemein der  Industrialismus,  wie  ihn  noch  kaum  irgendeine  Zeit  vorher  gesehen 
hatte.  Staatsmanufakturen  wurden  gegründet,  private  folgten,  vielfach  durch 
königliche  Privilegien  gestützt.  Da  war  auch  ein  günstiger  Boden  für  neue,  weit- 
ausschauende, wenn  auch  wohl  schwierige  und  hinsichtlich  ihres  Ausganges  recht 
unsichere  Bestrebungen  gegeben.  Die  Versuche  zur  Porzellanerfmdung  ließen 
daher  auch  nicht  lange  mehr  auf  sich  warten. 

Schon  im  Jahre  1664  hören  wir  daher  zum  erstenmal  wieder  von  solchen, 
die  natürlich,  wie  immer,  wiederum  als  völlig  gelungene  ausgegeben  wurden.  Ein 
Pariser  2')  Töpfer,  Claude  Reverend  mit  Namen,  der  vorgab,  im  Auslande,  be- 
sonders in  Holland,  seine  Kunst  vervollkommnet  zu  haben,  gab  damals  vor,  sowohl 
Fayence  machen,  wie  auch  Porzellan  nachmachen  zu  können  und  bereits  schöner 
als  das  ostasiatische  Porzellan.     Er  bat  gleichzeitig  um  ein  königliches  Privileg, 


12  Die  ersten  Erfmdungs versuche. 

damit  er  seine  neue  Erfindung  fabrikmäßig  ausnutzen  könne.  Unzweifelhaft  kann 
es  sich  hier,  wo  Fayence  und  Porzellan  deutlich  zueinander  in  den  Gegensatz  ge- 
stellt werden,  nur  um  ein  Produkt  gehandelt  haben,  das  gegenüber  der  Fayence 
schon  einen  gewissen  Fortschritt  bedeutet  hat.  Auch  behauptete  der  Antragsteller, 
daß  in  Holland  bereits  eine  große  Menge  der  von  ihm  hergestellten  Fabrikate  vor- 
handen sei,  um  deren  Einfuhrgewährung  er  bei  dieser  Gelegenheit  gleichfalls  nach- 
suchte. Doch  hört  man  dann,  gerade  wie  bei  den  ersten  Anfängen  der  Porzellan- 
erfindung in  Venedig  im  15.  Jahrhundert  nicht  das  Geringste  wieder  von  dieser 
angeblichen  Erfindung;  auch  Erzeugnisse  derselben  haben  sich  nicht  gefunden, 
und  so  ist  diese  Erfindung,  falls  damals  wirklich  eine  derartige  gemacht  worden 
ist,  für  die  Weiterentwicklung  dieser  Bestrebungen  durchaus  bedeutungslos  ge- 
blieben und  wird  wohl  auch  kein  anderes  Schicksal  verdient  haben. 

Erst  etwa  zehn  Jahre  später,  im  Jahre  1673,  erfahren  wir  in  Frankreich  von 
neuen  Versuchen.  Ein  Töpfer  in  Ronen  ^s)^,  der  wiederum  angab,  im  Auslande 
gewesen  zu  sein  und  dort  sein  Können  bereichert  zu  haben,  Louis  Poterat,  der 
Sohn  des  berühmten  Rouener  Töpfers  Edmonde  Poterat,  der  eine  jener  damals 
so  hochberühmten  Fayencefabriken  in  dieser  Stadt  leitete,  behauptete  von  neuem, 
das  Geheimnis  des  wirklichen  Porzellans  gefunden  zu  haben,  indem  er  gleichfalls 
mittels  eines  königlichen  Privilegs  eine  Porzellanfabrik  zu  errichten  wünschte, 
freilich  wiederum  in  Verbindung  mit  einer  Fabrik  zur  Herstellung  ,, holländischer 
Fayencen",  da  er,  wie  er  angab,  zum  Brennen  des  Porzellans  Fayenceöfen  be- 
dürfe. Doch  diese  Erfindung  verschwindet  nicht  wieder  so  schnell  wie  die  des 
Pariser  Töpfers.  Noch  etwa  zwanzig  Jahre  später,  spätestens  im  Jahre  1694,  ist 
von  diesen  Porzellanversuchen  die  Rede,  aber  es  scheint  sich  auch  damals  immer 
noch  mehr  um  Versuche,  als  um  eine  wirkliche  Fabrikation  gehandelt  zu  haben. 
Louis  Poterat  scheint,  seinen  eigenen  Angaben  nach  zu  urteilen,  so  töricht  eifer- 
süchtig auf  seine  Erfindung  gewesen  zu  sein,^daß  er  nicht  einmal  seinen  eigenen 
Bruder,  der  inzwischen  nach  dem  Tode  des  Vaters  dessen  Fayencefabrik  über- 
nommen hatte,  an  der  Ausnutzung  seines  Geheimnisses  teilnehmen  lassen  wollte, 
ja,  sogar  jedes  Stück  Porzellan,  das  gemacht  wurde,  selber  fabrizierte,  damit  auch 
keiner  seiner  Arbeiter  hinter  das  Geheimnis  käme.  Als  er  daher  kurz  darauf  starb, 
nahm  er  dasselbe  mit  sich  ins  Grab,  und  damit  ist  auch  diese  Erfindung  allem  An- 
scheine nach  für  die  Weiterentwicklung  der  französischen  Porzellanerfindungs- 
versuche völlig  bedeutungslos  geworden. 

Doch  hat  auch  das  Verschwinden  dieser  ^^rfindung  für  die  wirkliche  Porzellan- 
erfindung nicht  den  geringsten  Verlust  bedeutet.  Beweist  schon  die  von  dem 
Erfinder  selber  berichtete  Tatsache,  daß  er  seine  „Porzellane"  in  Fayenceöfen  zu 
brennen  pflegte,  da  diese  niemals  zum  Garbrennen  des  echten  Porzellans  aus- 
reichen können,  zur  Genüge,  daß  mit  diesem  Produkt  das  echte  Porzellan  in  keiner 
Weise  erfunden  war,  so  bestätigen  es  im  vollsten  Maße  die  Erzeugnisse  selber, 
die,  wie  es  scheint,  mit  vollem  Rechte  dem  Louis  Poterat  heute  zugeschrieben 
werden,   daß   man   hier  in  Frankreich   der  Erfindung   des  wirklichen  Porzellans 


Frankreich.  13 

noch  um  keinen  Schritt  näher  gekommen  war,  daß  man  sich  vielmehr  noch  auf 
genau  derselben  Stufe  befand,  wie  zu  den  Zeiten  der  italienischen  Porzellan- 
erfmdungsversuche.  Mit  anderen  Worten:  auch  hier  hatte  man,  zu  eihg  allein 
die  äußerliche  Erscheinung  des  nachzuerfmdenden  Produktes  berücksichtigend, 
von  jenen  beiden  Wegen,  die  zur  Erfindung  des  Porzellans  zu  führen  schienen, 
denjenigen  eingeschlagen,  der  am  verlockendsten  schien;  man  war  in  dieselbe 
Sackgasse  wie  damals  geraten,  hatte  wiederum  ein  Frittenporzellan  gewonnen, 
das  sich  zwar  töpfermäßig  bearbeiten  ließ,  mit  dem  wirklichen  Porzellan  aber 
gleichfalls  nicht  das  geringste  zu  tun  hatte.  Und  auch  diesmal  ward  wieder  dieser 
Irrtum,  da  die  Zeit  keramisch  noch  immer  nicht  reif  genug  war^^),  ihn  einzusehen, 
vielmehr  an  ihre  Erfindung  gleichfalls  wieder  mit  felsenfester  Sicherheit  glaubte, 
für  die  ganze  Weiterentwicklung  der  Bestrebungen  in  Frankreich  von  den  aller- 
verderblichsten  Folgen:  auch  alle  diese  Bestrebungen  sind  nun  kein  erneutes  Suchen 
mehr  nach  dem  Geheimnis  des  noch  immer  nicht  wirklich  entdeckten  Porzellans 
gewesen,  galten  vielmehr  einzig  und  allein  der  Verbesserung  und  weiteren  Aus- 
nutzung dieser  jetzt  erfundenen  oder  wenigstens  ganz  verwandten  Masse,  ja,  dieser 
Irrtum  war  von  so  nachhaltiger  Kraft,  daß  selbst,  als  das  echte  Porzellan  schließ- 
lich an  anderer  Stelle  erfunden  ward  und  hier  bereits  ganz  allgemein  schon  aus- 
genutzt wurde,  in  Frankreich  man  noch  immer  mit  seinem  Pseudoporzellane  so 
zufrieden  war,  daß  die  Einführung  des  echten  sich  ganz  erstaunlich  lange  verzö- 
gerte. Und  so  ist  es  gekommen,  daß  das  berühmte  Porzellan  Frankreichs  des 
18.  Jahrhunderts,  das  heute  noch  seinen  ganzen  künstlerischen  Stolz  ausmacht, 
niemals  wirklich  echtes  Porzellan  gewesen  ist  ^'^),  daß  es  niemals  dessen  innere 
Vorzüge  besessen  hat,  dafür  aber  freilich  seine  äußeren  so  stark  zu  erhöhen  ge- 
wußt hat,  daß  ihm  sein  großer  Ruhm  in  künstlerischer  Hinsicht  in  keiner  Weise 
genommen  werden  kann. 

Zum  erstenmal  fabrikmäßig  ausgenutzt  ward  eine  derartige  Masse  in  einer 
Fayencefabrik  zu  St.  Cloud  durch  die  Familie  Chicanneaux^^).  Sie  beruhte  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  auf  einer  ganz  eigenen  neuen  Erfindung,  in  diesem  Falle 
ein  klarer  Beweis,  wie  ganz  allgemein  man  in  Frankreich  damals  das  Porzellan 
auf  demselben  Wege  zu  gewinnen  suchte,  wie  einst  in  Italien.  Freilich  geschah 
diese  fabrikmäßige  Ausnutzung  nicht  vor  dem  Jahre  1702,  in  welchem  Jahre  diese 
Familie  ein  königliches  Dekret  für  diese  Zwecke  erhielt,  obwohl  die  Erfindung 
selber  ganz  beträchtlich  früher  von  dem  Stammvater,  der  zugleich  wieder  Be- 
gründer einer  Fayencefabrik  war,  gemacht  sein  muß  ^^).  Aber  sie  erfolgte  dann  in 
einer  solchen  Vollendung,  daß  alles  darüber  in  Erstaunen  geriet  und  man  sich 
natürlich  bereits  wieder  beeilte,  die  gewonnenen  Erzeugnisse  weit  höher  als  ihre 
chinesischen  Vorbilder  zu  stellen.  Und  nun  begann  hier  in  Frankreich  alsbald 
jenes  Gründungsfieber,  daß  sich  später  in  Deutschland  bald  nach  der  Erfindung 
des  wirklichen  Porzellans  nur  wiederholen  sollte:  unzählige  Fabriken  wurden  im 
Laufe  dieses  Jahrhunderts  in  Frankreich  begründet,  die  nichts  als  dieses  falsche 
Porzellan  herstellten,  als  nächste  nach  der  Fabrik  von  St.  Cloud  im  Jahre  1725 


14  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

die  von  Chantilly,  die  bald  eines  noch  größeren  Ruhms  genoß  als  jene,  weiter  die 
von  Lille,  von  Mennecy-Villeroy,  dann  aber  im  Jahre  1738  die  von  Vincennes,  die 
eigentliche  Hauptmanufaktur  dieser  Zeit,  die,  später  nach  Sevres  verlegt  und  zur 
königlichen  Manufaktur  erhoben,  bald  alle  ihre  Nebenbuhlerinnen  weit  überflügelte 
und  in  erster  Linie  diesem  Surrogat  des  Porzellans  infolge  seiner  meisterhaften 
künstlerischen  Ausnutzung  jene  hohe  Bedeutung  verschaffte,  die  seine  praktische 
Verwendbarkeit  ihm  niemals  hätte  zuteil  werden  lassen. 

Il$  Doch  auch  in  den  übrigen  Kulturländern  Europas  war  inzwischen  gleichfalls 
infolge  der  allgemeinen  keramischen  Fortschritte  die  Sehnsucht  nach  dem  Ge- 
heimnis des  echten  Porzellans  erwacht,  freilich  anscheinend  nirgends  mit  solcher 
Leidenschaftlichkeit  wie  in  Frankreich.  Letzteres  mag  am  meisten  erstaunlich 
sein  für  Holland,  das  mit  seiner  vor  allem  jetzt  in  Delft  fabrizierten,  von  ganz 
Europa  begehrten,  damals  unübertroffenen  Fayence  bereits  einen  Höhepunkt 
erreicht  hat,  der  wohl  den  keramischen  Ehrgeiz  hier  zu  höheren  Zielen  hätte  an- 
reizen können.  Doch  gerade  die  Konkurrenzlosigkeit  dieses  Erzeugnisses  und  die 
damit  sich  einstellende  Mühelosigkeit  eines  sicheren  Gewinns  dürfen  wohl  die 
Ursachen  gewesen  sein,  die  hier  bei  diesem  so  ruhigen,  phlegmatischen  Volke  den 
satten  Stillstand  an  die  Stelle  rastlosen  Weiterstrebens  treten  ließen.  Von  ernsteren 
Versuchen,  das  Porzellan  zu  erfinden,  hört  man  daher  hier  kaum.  Doch  darf  nicht 
ganz  vergessen  werden,  daß,  als  im  Jahre  1664  der  Pariser  Töpfer  Reverend,  wie 
oben  erwähnt,  um  ein  königliches  Privileg  zur  Errichtung  einer  Porzellanfabrik 
eingekommen  war,  er  vorgegeben  hatte,  seine  Kunst,  Porzellan  zu  machen,  bereits 
in  Holland  ausgeübt  zu  haben^^).  Dagegen  hat  man  sich  hier  aufs  allereifrigste 
bemüht,  ein  anderes  keramisches  Produkt,  das  damals  gleichfalls  aus  China  mit 
dem  Porzellan  nach  Europa  gelangte  und  ganz  allgemein  für  Porzellan  gehalten 
wurde,  nachzuerfmden,  das  bekannte,  in  der  Regel  rote  Steinzeug,  das  später 
noch  einmal  eine  so  große  Rolle  in  der  Entwicklung  der  wirklichen  Nacherfmdung 
des  Porzellans  spielen  sollte,  ohne  indessen  selbst  bei  dieser  bedeutend  leichteren 
Aufgabe,  und  obwohl  sich  eine  ganz  beträchtliche  Anzahl  von  Töpfern  sich  ihr 
widmeten,  zu  irgendwie  befriedigenden  Resultaten  zu  gelangen.  Die  ausschließ- 
lichen Fayencetöpfer  waren  allem  Anscheine  nach  nicht  gewohnt,  mit  jenen  Hitze- 
graden umzugehen,  die  ein  festeres  keramisches  Produkt,  wie  es  das  Steinzeug 
ist,  zu  seinem  Garbrennen  erfordert^^).  Im  übrigen  aber  hatten  wohl  auch  des- 
halb schon  die  Holländer  am  wenigsten  Interesse  daran,  das  chinesische  Porzellan 
nachzuahmen,  da  es  vor  allem  damals  ihre  Kaufleute  waren,  die  dieses  Produkt 
nach  Europa  brachten  und  damit  ein  gutes  Stück  Geld  verdienten,  das  ihrem 
ganzen  Lande  zugute  kam.  Und  so  schied  für  die  Erfindung  des  Porzellans  auch 
dieses  Land  aus,  von  dem  man  sie  damals  dank  seines  keramischen  Könnens  wohl 
am  ehesten  erwartet  hätte. 

Dafür  scheinen  in  England  desto  ernsthaftere  Versuche  nach  dieser  Rich- 
tung hin  gemacht  worden  zu  sein.  In  England,  das  bisher  unter  den  Ländern 
Europas  so  herzlich  wenig  in  keramischer  Beziehung  bedeutet  hatte,  erstand  plötz- 


Holland  und  England.  15 

lieh  in  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  in  John  Dwight,  der  eigentlich 
kein  Töpfer  von  Beruf,  vielmehr  ein  studierter  Mann  war,  ein  Keramiker,  der  für 
die  englische  Töpferkunst  dieses  Jahrhunderts  das  gewesen  ist,  was  für  das  folgende 
der  noch  berühmtere  Joshiah  Wedgewood  werden  sollte.  Eine  ganze  Reihe  völlig 
neuer  keramischer  Typen  ward  durch  ihn  geschaffen,  dann  ging  er  auch  auf  die 
Nachbildung  auswärtiger  Fabrikate  aus.  In  diesem  Sinne  glückte  es  ihm  zunächst, 
das  rheinische  Steinzeug  in  England,  ,, Kölnerware"  genannt,  nachzuahmen. 
Im  Jahre  1671  aber  rühmte  er  sich  gar,  eine  Irdenware  erfunden  zu  haben,  wie 
sie  gemeiniglich  unter  dem  Namen  ,, Porzellan  oder  Chinesische  oder  Persische 
Ware"  bekannt  wäre^^),  ja  es  wird  weiter  einige  Jahre  später  ausdrücklich  von 
diesem  Produkt  gerühmt,  daß  es  weiß  und  durchsichtig  und  für  das  Auge 
nicht  unterscheidbar  von  Porzellan  wäre,  trotz  der  Proben,  die  ausdrücklich 
zu  diesem  Zwecke  angestellt  worden  wären.  Sieben  Jahre  später  ist  dann 
auch  noch  von  Nachahmungen  jenes  roten  chinesischen  Steinzeugs  die  Rede, 
an  denen  sich  um  dieselbe  Zeit  auch  die  Holländer  versuchten.  Auch  an 
die  Nacherfmdung  dieses  Produktes  hatte  sich  demnach  der  unermüdliche 
Töpfer  herangewagt. 

Wir  sind  über  die  angebliche  Porzellanerfindung  Dwights  heute  leider  ebenso 
wenig  genauer  unterrichtet,  wie  über  so  viele  andere  der  vorhergenannten.  Von 
Dwight  haben  sich  in  englischen  Sammlungen  eine  ganze  Reihe  gut  beglaubigter 
Werke  erhalten,  die,  alle  von  steinzeugartigem  Charakter,  an  den  ganz  dünnen 
Stellen 3^)  sich  durchscheinend  zeigen,  wie  es  viele  Erzeugnisse  Wedgewoods, 
die  aber  alle  nur  Steinzeuge  sind,  in  gleicher  Weise  tun.  Desgleichen  sind 
im  Jahre  1869  eine  ganze  Reihe  Rezeptbücher  dieses  bedeutenden  Töpfers  auf- 
gefunden worden,  mittels  deren  Angaben  jedoch  nichts  anderes  als  Steinzeug  hat 
hergestellt  werden  können^'),  aus  denen  aber  doch  hervorging,  daß  er  danach 
strebte,  seinen  Erzeugnissen  ,, Verglasung"  zu  geben.  Auf  keinen  Fall  jedoch  war 
er  imstande,  mit  ihrer  Hilfe  wirkliches  Porzellan  zu  gewinnen,  und  so  wird  wohl 
auch  Dwights  ,, Porzellanerfindung",  wie  alle  übrigen  dieser  und  der  vorangegan- 
genen Zeit,  mit  der  des  wirklichen  nichts  zu  tun  gehabt  haben  und  ist  darum, 
weil  sie  sich  auf  die  Dauer  nicht  bewähren  konnte,  gleich  jenen  bald  wieder  in  Ver- 
gessenheit geraten. 

Dagegen  hat  noch  von  einer  anderen  in  diese  Zeit  fallenden,  in  England  ge- 
machten ,, Porzellanerfindung"  sich  eine  flüchtige  Kunde  erhalten.  Prinz  Ruprecht 
von  der  Pfalz,  der  streitbare  Sohn  des  unglücklichen  Winterkönigs,  der  sich  daneben 
auch  eifrig  für  die  Naturwissenschaften,  ganz  besonders  aber  für  Physik  und 
Chemie,  interessierte,  soll,  als  er  in  England  sich  aufhielt  —  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  während  der  Restauration  —  sich  einen  Hafner,  einen  Töpfer,  aus  Ungarn 
haben  kommen  lassen,  ,,der  dort  eine  Mixtur  aus  Erden"  fand,  welche  so  weiß  wie 
,,Kreyden  war,  die  gebrannt,  halb  durchscheinend  ist,  wie  der  Ostindische  Barcel- 
lan",  und  sollen  Erzeugnisse  aus  dieser  Masse  damals  in  London  öffentlich  ver- 
kauft worden  sein^^).     Doch  ist  auch  über  diese  angeblichen  Porzellanerzeugnisse 


16  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

nichts  weiter  bekannt  geworden,  und  damit  sind  für  uns  auch  die  Porzellanver- 
suche Englands  dieser  Zeit  zu  Ende,  die  auch  hier  wie  überall  nur  Enttäuschungen 
gebracht,  die  wirkliche  Erfindung  aber  in  keiner  Weise  angebahnt  haben. 

So  aber  blieb  die  Erfindung  des  Porzellans,  die  alle  Länder  damals  so  eifrig 
erstrebten,  nach  der  gar  viele  Hände  sich  damals  streckten,  fast  allein  nur  noch  einem 
Lande  überlassen,  von  dem  man  sie  in  dieser  Zeit  wohl  am  wenigsten  erwartet 
hat,  einem  Lande,  das  keramisch  damals  keineswegs  an  der  Spitze  marschierte, 
ja  in  dieser  Beziehung  nicht  einmal  eine  sehr  hohe  Stufe  einnahm:  Deutschland. 
Dennoch  begannen  auch  hier  bald  dieselben  Bestrebungen  wie  bei  den  Nachbarvöl- 
kern. Das  Land  der  Denker  und  Grübler  sollte  in  diesem  Ringen  um  die  Lösung 
eines  Problems,  die  doch  wohl  in  erster  Linie  eine  Aufgabe  des  Verstandes  war,  keines- 
wegs zurückbleiben,  und  gerade  hier  sollten  bezeichnenderweise  nicht  wie  bisher  fast 
ausschließlich  Keramiker,  sondern  Gelehrte,  Männer  der  Forschung  und  des  wissen- 
schaftlichen Experiments,  die  Versuche  in  die  Hand  nehmen  und  in  diesen  Kreisen 
die  Erfindung  schließlich  auch  wirklich  gelingen.  Denn  hier  zum  erstenmal,  wenig- 
stens soweit  wir  es  heute  noch  feststellen  können,  ward  schließlich,  da  kein  fachliches 
Wissen  und  Können  die  Unbefangenheit  des  Blickes  trübte,  da  man  in  jeder  Be- 
ziehung freier  an  dieses  Problem  herantrat,  die  Lösung  desselben  nicht  mehr 
auf  den  bisherigen  Irrwegen  aufgesucht,  sondern  auf  dem  Gebiet,  auf  dem  allein 
sie  zu  finden  war,  auf  dem  der  reinen  Keramik,  und  sie  ward  dann,  sobald  hier  der 
richtige  Boden  zu  seiner  Lösung  erst  einmal  betreten,  mit  wirklich  erstaunlicher 
Schnelligkeit  aufgefunden,  fast  als  wäre  sie  nun  an  sich  gar  keine  so  schwierige  mehr, 
als  ergebe  sie  nun  sich  wie  ganz  von  selber. 

Indessen  Lehrgelder  und  Enttäuschungen  sollten  auch  diesem  Lande  zunächst 
nicht  erspart  bleiben.  Auch  hier  kam  man  keineswegs  sogleich  zum  erhofften  Ziel. 
Freilich  die  ersten  Versuche  nach  dieser  Richtung  hin,  von  denen  wir  hören,  sind  noch 
keine  unmittelbaren  Erfmdungs-,  sondern  nur  Nachahmungsversuche  gewesen.  Der 
berühmte  Chemiker  und  Alchimist  Joh.  Kunckel,  der  Entdecker  des  Phosphors  und  Er- 
finder der  bekannten,  nach  ihm  benannten  Rubinglaseser,  fand  noch  am  Ende  des 
17.  Jahrhunderts  ein  Porzellanglas,  das  auf  verschiedene  Arten,  immer  aber  mit  Blei 
und  Zinn  als  Hauptbestandteile^^)  hergestellt  sein  soll.  Ein  anderer  Chemiker  und 
Alchimist  und  Nationalökonom  dazu,  Becher  mit  Namen,  ein  unruhiger,  aber  höchst 
bedeutender  Geist,  der  an  verschiedenen  Stellen  Deutschlands  nach  dem  Beispiele 
Frankreichs  Manufakturen  ins  Leben  zu  rufen  suchte,  wußte  gleichfalls  ein  Porzellan 
imitierendes  Glas  aus  „Bein- Aschen"  zu  gewinnen,  das  wie  ein  Opal  spielte  und 
siedendes  Wasser  halten  konnte^").  Derartige  Gläser,  vor  allem  aber  Milchgläser, 
wurden  damals  überhaupt  vielfach  und  nicht  allein  in  Deutschland  als  ein  Ersatz  für 
Porzellan  hergestellt.  Die  Fabrikation  derselben  blühte  aus  diesem  Grunde  gerade- 
zu überall  auf  ^^). 

Dann  aber  werden  auch  in  Deutschland  die  Versuche  kühner,  und  bald  glaubt 
man  auch  hier,  wie  in  den  andern  Ländern  am  Ziel  zu  sein,  obgleich  man  gleichfalls 
von  diesem  noch  soweit  als  irgend  möglich  entfernt  war.    Es  sollte  eben  die  Selbst- 


Deutschland.  17 

täuchung  in  dieser  Hinsicht  keinem  Lande  erspart  bleiben,  das  sich  an  das  Problem 
der  Porzellanerfindung  herangetraute. 

Es  ist  der  sächsische  Gelehrte  und  Edelmann  Ehrenfried  Walther  von  Tschirn- 
hausen gewesen,  der,  soviel  wir  heute  noch  feststellen  können,  in  Deutschland  zum 
erstenmal  sich  ernsthaft  an  diese  Erfindung  gemacht  und  dann  auch  fest  geglaubt 
hat,  dieselbe  wirklich  vollzogen  zu  haben.  Tschirnhausen  war  ein  Gelehrter  von 
Weltruf,  ein  ebenso  berühmter  Mathematiker  wie  Physiker,  der  mit  den  berühm- 
testen Gelehrten  seiner  Zeit  im  Briefwechsel  stand  und  seine  Wissenschaften  um 
manchen  nützlichen  Beitrag  bereichert  hat.  Er  war  aber  auch  zugleich  ein  Mann 
der  Praxis,  als  solcher  einer  der  Ersten  in  Deutschland,  der  nach  dem  Muster  des 
Merkantilsystems  seinem  engeren  Vaterlande  Sachsen  mit  Unterstützung  seines 
damaligen  Kurfürsten,  des  späteren  Königs  August  des  Starken,  eine  eigene  große 
Industrie  verschaffen  wollte,  die  sich  zugleich  möglichst  auf  die  eigenen  Boden- 
schätze stützen  sollte.  Zu  diesem  Zweck  durchforschte  er  zunächst  aufs  allergründ- 
lichste  Sachsen  in  mineralogischer  Beziehung,  durchsuchte  dieses  Land  nach  edleren 
Gesteinen,  für  deren  Veredelung  er  eine  Schleif-  und  Poliermühle  anlegen  ließ.  In 
gleichem  Sinne  errichtete  er,  um  Sachsen  eine  eigene  Glasindustrie  zu  verschaffen 
und  es  dadurch  namentlich  von  seinen  Nachbarländern  Schlesien  und  Böhmen 
und  ihrer  reich  entwickelten  Glasindustrie  unabhängig  zu  machen,  mehrere  Glas- 
hütten, in  denen  gewöhnliches  Glas,  wie  auch  die  damals  so  beliebten 
geschliffenen  und  geschnittenen  Gläser  hergestellt  wurden.  Auch  mit  der 
Verbesserung  des  in  Sachsen  eine  so  große  Rolle  spielenden  Brauwesens 
sowie  auch  der  hier  gleichfalls  so  bedeutenden  Blaufarbenwerke,  in  denen  die 
damals  noch  allein  in  Sachsen  gefundenen  Kobalterze  zu  jener  jetzt  wie  auch 
später  namentlich  in  der  Keramik  eine  so  große  Rolle  spielenden  blauen  Farbe 
verarbeitet  wurden,  machte  er  sich  zu  schaffen.  So  wagte  er  sich  auch  in  gleichem 
Sinne  im  Jahre  1699  an  das  kunsttechnische  Hauptproblem  dieser  Zeit,  das,  wenn 
gelöst,  die  größte  Einnahmequelle  für  das  Land,  in  dem  dies  geschehen,  zu  werden 
versprach^^). 

Hauptmittel,  dieses  zu  suchen,  waren  seine  berühmten  großen  Brenngläser, 
Spiegel  wie  Linsen,  wie  sie  in  dieser  Größe  bisher  noch  niemand  herzustellen  gewußt 
hatte  (Abb.  No.  4  und  5).  Wie  er  selber  berichtet,  hat  er  mit  der  von  ihnen  er- 
zeugten Glut  die  mannigfachsten  Stoffe  geschmolzen  und  hierbei  auch  über  ihr  Ver- 
halten hinsichtlich  der  Durchscheinbarkeit  die  verschiedensten  Beobachtungen 
gemacht.  Auch  Porzellan  will  er  auf  diese  Weise  geschmolzen  haben^^).  Endlich 
glaubte  er  am  Ziel  zu  sein  und  das  Geheimnis  des  echten  Porzellans  entdeckt  zu  haben. 
Als  er  im  Jahre  1701  Paris  —  zum  vierten  Male  —  besuchte,  teilte  er  seine  Erfin- 
dung seinem  Freunde  Homberg,  einem  berühmten  Chemiker  dieser  Zeit,  mit,  doch 
mußte  ihm  dieser  geloben,  bis  zu  seinem  Tode  nie  jemandem  etwas  von  seiner 
Erfindung  mitzuteilen,  und  nur  soviel  erfuhren  später  weitere  Kreise,  daß  Tschirn- 
hausen nicht  mehr  an  die  alten  Fabeln  hinsichtlich  dieses  Stoffes  geglaubt,  auch 
nicht  mehr  an  die  besondere  Porzellanmasse,  die  nur  in  China  sich  finden  solle, 

Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  2 


18  Die  ersten  Erfindungsversuche. 

daß   er   vielmehr  das  Porzellan  als  ein  Gemisch  verschiedener  Erden  bezeichnet 
hatte,   die  sich  für  gewöhnlich  überall  in  der  Natur  fänden. 

Tschirnhausen  hat  auch  wirklich  auf  Grund  dieser  Theorie  eine  „Porzellan- 
masse" und  aus  ihr  kleinere,  weiße, unglasierte  Gefäße  hergestellt,  die  er  bei  Töpfern 
in  Dresden  und  in  den  von  ihm  angelegten  Glashütten  brennen  ließ.  Auch  scheint 
er  tatsächlich  dem  König  von  Polen,  August  dem  Starken,  den  Vorschlag  gemacht 
zu  haben,  auf  seine  Erfindung  hin  eine  ,, Porzellanmanufaktur"  ins  Leben  zu  rufen. 
Doch  dann  hört  man  auch  hier  wieder  gar  nichts  weiteres  von  dieser  Erfindung  und 
ihrer  geplanten  Ausnutzung,  und  als  einmal  im  Jahre  1703  Tschirnhausen  über 
seine  bisherigen  industriellen  Bestrebungen  und  Unternehmungen  dem  König  Bericht 
abstatten  muß,  da  weiß  er  über  sein  Porzellanunternehmen  nicht  das  geringste  zu 
berichten,  ja,  man  merkt  deutlich,  daß  in  dieser  Angelegenheit  damals  noch  gar  nichts 
getan  ist,  obwohl  doch  keine  seiner  andern  Unternehmungen  so  wie  dieses,  wenn  es 
wirklich  damals  ausführbar  gewesen  wäre,  seine  ganzen  Bemühungen  verdient 
hätte.  Schließhch  aber  wird  dann  ausdrücklich  berichtet,  daß  Tschirnhausen 
weitere  Versuche  auf  diesem  Gebiete  aufgegeben  hätte,  vermutlich  weil  er  mit 
der  Glasur  für  seine  Gefäße  nicht  zurecht  gekommen  wäre. 

Wir  sind  heute  nicht  weiter  über  Tschirnhausens  Porzellanversuche  unter- 
richtet. Aber  schon  allein  die  Tatsache,  daß  er,  der  Sachsen  neue  einträgliche 
Industrien  verschaffen  wollte,  seine  angebliche  Erfindung  in  keiner  Weise  aus- 
genutzt hat,  läßt  zur  Genüge  vermuten,  daß  es  ihm  schwerlich  besser  ergangen 
ist,  als  allen  seinen  Vorgängern  und  noch  gar  manchem  seiner  Nachfolger.  Er, 
der  so  viel  sich  mit  der  Glastechnik  beschäftigt,  der  jene  großen  Brenngläser  her- 
gestellt und  Glashütten  errichtet  hatte,  der  auch  einen  Teil  seiner  Porzellane  in 
diesen  Glashütten  hatte  brennen  lassen,  er  war  sicherlich  wiederum  auch  nur  zur  Her- 
stellung eines  Frittenporzellans  gelangt,  auf  keinen  Fall  schon  zur  Gewinnung 
des  echten  Porzellans,  das  sich  niemals  in  den  Öfen  einfacher  Töpfer,  die  es  allein 
damals  in  Dresden  gab,  oder  denen  von  Glashütten  hätte  garbrennen  lassen.  Auch 
sein  angeblich  neues  Prinzip  des  Porzellans,  das  er  Homberg  so  geheimnisvoll  mit- 
geteilt hatte,  ist  in  keiner  Weise  für  diese  Zeit  ein  neues  gewesen:  mögen  damals 
auch  noch  so  viel  Fabeln  über  die  Zusammensetzung  des  chinesischen  Porzellans 
oder  über  eine  bestimmte  Porzellanerde  herumgeschwirrt  und  geglaubt  worden 
sein:  die  Praktiker,  d.  h.  diejenigen,  die  bisher  versucht  hatten,  das  Porzellan 
wirklich  herzustellen,  hatten  sie  alle  nicht  geglaubt,  sie  hatten  schon  alle  ihr 
Porzellan,  wie  sie  es  auch  gar  nicht  anders  hatten  tun  können,  durch  Zusammen- 
mischen der  verschiedensten  Bestandteile  gefunden,  die  sie  dem  eigenen  Lande 
entnahmen.  Nicht  darauf  kam  es  daher  damals  bei  der  Feststellung  des  Prinzips 
des  echten  Porzellans  an,  herauszubekommen,  daß  es  aus  verschiedenen  Stoffen 
bestände:  wie  sich  diese  verschiedenen  Bestandteile  im  Feuer  verhielten,  nämlich 
völlig  entgegengesetzt,  das  mußte  herausfinden,  wer  das  Porzellan  methodisch  er- 
finden wollte.  Daß  aber  Tschirnhausen  eine  solche  Feststellung  gemacht  hätte, 
davon  ist  nicht  das  geringste  bekannt**). 


Tschirnhausen.  19 

Und  so  kann  nach  allem,  was  hier  gesagt  ist,  kein  Zweifel  mehr  bestehen, 
daß  auch  Tschirnhausen  zu  den  vielen  Getäuschten  gehört  hat,  die  die  Geschichte 
der  Porzellanerfmdungsversuche  gesehen  hat,  zu  jenen,  die  lange,  vielleicht  ihr 
ganzes  Leben  hindurch  geglaubt  haben,  das  Porzellan  wirklich  erfunden,  ohne  auch 
nur  jemals  eine  Ahnung  gehabt  zu  haben,  was  Porzellan  wirklich  ist  und  wodurch 
es  sich  von  ihrem  eigenen  Produkt  unterscheidet.  Aber  in  einem  Punkte  haben 
doch  seine  Versuche  eine  größere  Bedeutung  gewonnen,  als  alle,  die  ihnen  voran- 
gegangen waren :  sie  sind  die  alleinige  Ursache  gewesen,  daß  hier  in  Sachsen  die 
Versuche  zur  Porzellanerfindung  bald  darauf  noch  einmal  wieder  aufgenommen 
und  mit  aller  Energie  durchgeführt  worden  sind,  um  endlich  nach  vielem  Bemühen 
nun  wirklich  zu  jenem  bedeutenden  Ziele  zu  führen,  das  allen  übrigen  Versuchen 
bisher  vorgeschwebt  hatte,  nach  dessen  Erreichung  aber  zwei  volle  Jahrhunderte 
vergeblich  gestrebt  hatten.  Dadurch  haben  sie  in  der  Geschichte  der  Erfindung 
des  Porzellans  ihre  ganz  besondere  Stellung  gewonnen. 


Abb.  I.    Joh.  Friedr.  Böttger. 

Medaillon  in  Böttg-ersteinzeug-,  wahrschein- 
lich nach  dessen  Tode  angefertigt.'*^]  Gotha, 
Herzogliches  Museum. 


IL  Die  Erfindung. 

Im  Jahre  1709  ist  das  europäische  Porzellan 
von  Johann  Friedrich  Böttger ^^)  in  Dresden  ent- 
gültig erfunden  worden. 

Die  Tradition  will,  daß  diese  Erfindung  nur 
ein  Werk  des  Zufalls  war:  ein  bloßes  Ungefähr 
in  Form  einer  Handvoll  Puder,  die  zufällig  dem 
Glücklichen  in  die  Hände  geriet  und  zufällig  ge- 
rade der  Hauptbestandteil  des  Porzellans,  das 
Kaolin,  war*^),  soll  ihn  ohne  große  Mühe  das  haben 
erreichen  lassen,  wonach  andere  mit  heißem  Be- 
mühen durch  Jahrhunderte  hindurch  vergebens 
gestrebt  hatten.  Man  raubt  dadurch  Böttger 
eigentlich  alles  Verdienst:  man  macht  aus  einem 
verdienstvollen  Erfinder  einen  glücklichen  Finder, 
aus  einem  Genie  einen  Glückspilz.  Die  ganze  Erfindung  wird  dadurch  degradiert. 
Zum  Glück  für  Böttger  wissen  wir  jetzt  genau,  daß  diese  Erfindung  durchaus 
eine  Tat  des  Geistes  gewesen  ist,  das  Endresultat  längerer,  wissenschaftlich  experi- 
menteller Untersuchungen,  die  zwar  zunächst  zu  ganz  anderen  Zwecken  unter- 
nommen, schließlich  dennoch  zu  diesem  Ziele  führten,  indem  sie  endlich  jenes 
keramische  Prinzip  aufdeckten,  auf  Grund  dessen  allein  die  Gewinnung  des  Por- 
zellans zu  ermöglichen  war.  Daß  ihm  hierbei  gelegentlich  auch  einmal  der  Zufall 
die  Hand  gereicht  hat,  ihm  vielleicht  die  Erfindung  dadurch  erleichtert  hat,  daß 
er  ihm  schließlich  den  wichtigsten  Grundstoff  des  Porzellans  in  die  Hand  spielte, 
braucht  durchaus  nicht  ganz  ausgeschlossen  zu  sein.  Bei  wie  vielen  Erfindungen 
hat  nicht  in  dieser  Weise  der  Zufall  seine  Mitwirkung  gehabt  ?  Das  Besondere 
des  Genies  aber  ist  es,  den  Wert  dieses  Zufalls  und  seine  Bedeutung  zu  erkennen, 
die  Kraft  in  sich  zu  besitzen,  seine  Folgen  bis  in  seine  letzten  Konsequenzen  zu 
überschauen  und  auszunutzen.  Und  dann  darf  weiter  nicht  vergessen  werden, 
daß  die  Erfindung  des  Porzellans  durchaus  nicht  bloß  die  seiner  Masse  dar- 
stellt, daß  es  vielmehr  noch  einer  zweiten  Erfindung  bedurfte,  der  Auffindung 
der  Glasur,  die  kaum  weniger  schwierig  war  als  jene  erste,  und  daß  dann  der 
Versuch    der   praktischen  Ausnutzung   dieser   beiden    Erfindungen,    die    eigent- 


Böttger.  21 

liehe  Fabrikation  des  Porzellans,  bei  der  Schwierigkeit  einer  solchen  ein 
solches  Maß  von  geistiger  Überlegenheit  erforderte,  daß  nur  eine  wirklich  ganz 
bedeutende  Persönlichkeit  mit  wirklich  praktischer  Begabung  ihr  gerecht  werden 
konnte. 

Wie  war  diese  Erfindung  vor  sich  gegangen? 

Johann  Friedrich  Böttger,  der  glückliche  Erfinder,  war  im  Jahre  1682  zu  Schleiz 
als  Sohn  des  dortigen  Münzkassierers  geboren  und  hatte  nach  dessen  frühem  Tode 
durch   seinen    Stiefvater,   den    königlich   preußischen  Stadtmajor,  Ingenieur  und 
Konduktor  Tiemann,  mit  dem  seine  Mutter  sich  wieder  verheiratet  hatte,  eine 
recht  gute  Erziehung  genossen,  hierbei  namentlich  Sprachen  und  Wissenschaften 
erlernt.     Früh  jedoch  zeigte  der  aufgeweckte,  leidenschaftliche  Knabe  ganz  be- 
sondere Neigung  zur  Chemie.     So  beschloß  man,  ihn  Medizin  studieren  zu  lassen, 
und  schickte  ihn  zu  diesem  Zwecke  nach  Berlin,  in  die  Lehre  zum  Apotheker  Zorn. 
Böttger  war,  als  er  im  Jahre  1698  in  diese  Stadt  kam,  kaum  sechzehn  Jahre 
alt,  dazu  lebhaften  Geistes,  voller  Phantasie  und  Regsamkeit,  vielleicht  auch  ein 
wenig  ehrgeizig  und  nach  Reichtum  und  Wohlleben  verlangend.    Er  hat  zunächst 
ernst  und  fleißig  in  der  Apotheke  gearbeitet,  daneben  gelesen,  was  immer  ihm  in 
die  Hände  fiel.    Aber  die  Umgebung,  das  Milieu,  in  dem  er  lebte,  scheint  bald  für 
ihn  verhängnisvoll  geworden  zu  sein.  Mehr  und  mehr  geriet  er  ab  von  dem  Studium 
der  natürlichen  Dinge  und  wandte  sich  dem  Reich  des  Mystischen  zu.    Bald  ging 
er  aus,  den  Stein  der  Weisen  zu  suchen,  der  seinem  Entdecker  fast  mühelos  uner- 
meßliche Schätze  in  den  Schoß  zu  schütten  versprach.     Scheint  er  doch  zu  der- 
artigen Neigungen  gleichsam  erblich  belastet  gewesen  zu  sein,  da  schon  sein  Vater, 
der  Münzwardein,   ähnlichen   Bestrebungen  gehuldigt  haben  soll*^). 

Die  Alchimie   war   damals   trotz   aller  mystischen   Umkleidungen  und   aller 
unserer  heutigen  Vorurteile  ihr  gegenüber,  im  Grunde  genommen,  doch  eine  durch- 
aus ernste  Sache,  genau  so  ernst,  wie  eine  jede  andere  Wissenschaft,  da  sie  auf 
einer  ganz  bestimmten  und  damals  allgemein  geglaubten  Überzeugung  beruhte. 
Seit  den  ältesten  Zeiten  herrschte  bei  allen  ihren  Vertretern  der  feste  Glaube,  daß 
alle  Metalle  zusammengesetzte  Stoffe  wären,  d.  h.  aus  zwei  Grundstoffen  beständen, 
dem  damals  Merkur  genannten  Quecksilber  und  dem  Schwefel ^^),  die    ursprüng- 
lich  diese     Stoffe    selber    bedeutet,    dann    aber    zu    ihnen    verwandten,    völlig 
mystischen  Begriffen  sich  erweitert  hatten  und  daß  alle  diese  Stoffe  nur  durch 
das  Verhältnis  der  Mischung  dieser  beiden  Grundstoffe  sich  voneinander  unter- 
schieden.    Paracelsus  hatte  diesen  im  16.  Jahrhundert  dann  noch  das  Salz  als 
dritten  Grundstoff  hinzugefügt  und  diese  Theorie  dann  auf  alle  Körper,  lebende 
wie  leblose  ausgedehnt  ^").     Diese  Theorie  bestand  zu  Böttgers  Zeiten  bei  allen 
Alchimisten  noch  in  voller  Kraft,  obwohl  schon  seit  Jahrzehnten  des  berühmten 
englischen  Chemikers  Boyles  allerdings  gleichfalls  irrige  Lehre  von  dem  gemein- 
samen Verbrennungsstoff  Phlogiston,  dem  Vorläufer  unseres  heutigen  Sauerstoffs, 
diese  Theorie  aufs  kräftigste  erschüttert  hatte^^).     Alle  Anstrengungen  der  Alchi- 
misten,    die    auf    das    Hauptziel    ihrer    Bestrebungen,     die    künstliche    Gold- 


22  Die  Erfindung. 

gewinnung,  ausgingen,  galt  daher  zu  allen  Zeiten,  die  Körper,  in  erster  Linie  die 
Metalle,  in  ihre  vermeintlichen  Grundstoffe  zu  zerlegen,  um  hinter  das  Geheimnis 
ihrer  Zusammensetzung  zu  gelangen  und  dann  mit  Hilfe  dieser  Grundstoffe  sie 
nach  jenem  Verhältnis  wieder  zusammenzusetzen,  das  man  als  das  der  Edelmetalle 
erkannt  hatte.  Es  ist  dies  eine  Hoffnung  gewesen  völlig  konsequent  in  Anbetracht 
des  festen  Glaubens  an  die  Theorie  von  den  gemeinsamen  Grundstoffen,  ebenso 
wissenschaftlich  für  jene  Zeit,  wie  sie  für  die  unsrige,  die  zu  ganz  anderen  An- 
schauungen und  Erkenntnissen  gelangt  ist,  nur  als  das  Gegenteil  bezeichnet  werden 
kann.  Es  ist  auch  darum  eine  Ansicht  gewesen,  die  die  klügsten  und  aufgeklärtesten 
Geister  zu  allen  diesen  Zeiten  beschäftigt  hat  und  selbst  damals  zu  Böttgers  Zeit  noch 
von  Männern  wie  Glauber,  Homberg,  Boyle,  Stahl,  Boerhave  und  vielen  anderen  ge- 
glaubtward;  ja  erst  von  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  an,  d.h.  viele  Jahrzehnte  nach 
Böttgers  Tode,  kann  von  einem  wirklichen  Verfall  der  Alchimie  geredet  werden  ^^). 
Freilich  nicht  ohne,  daß  es  noch  im  19.  Jahrhundert  Menschen  gegeben  hat,  die 
sich  von  ihren  Wahnvorspiegelungen  haben  täuschen  lassen  ^^).  So  kann  man 
auch  Böttger  seine  alchimistischen  Träumereien  in  keiner  Weise  als  persönliche 
Torheit  anrechnen. 

Nur  freilich  die  Mittel,  die  man  zur  Erreichung  dieses  Zieles  anwandte,  waren 
nicht  immer  dieselben  und  blieben  nicht  immer  im  Bereiche  der  Wissenschaft. 
Mystisch  sollte  dies  geschehen,  durch  die  fabelhafte  ,,rote  Tinktur",  so  benannt,  da 
sie  gleichsam  die  Metalle  umfärbte  ^^),  auch  als  Stein  der  Weisen  oder  das  große 
oder  kleine  Elixier  bezeichnet,  je  nachdem  sie  die  Fähigkeit  besaß,  Gold  oder  nur 
Silber  zu  tingieren,  d.  h.  aus  unedleren  Stoffen  zu  verwandeln.  Nur  ,, Auserwählten" 
sollte  diese  Tinktur  durch  eine  ganz  besondere  Gnade  Gottes  zuteil  werden.  Auch 
glaubte  man,  daß  sie  daneben  noch  die  geheimnisvolle  Kraft  besäße,  das  Leben 
des  Menschen  zu  verlängern,  kurzum,  sie  war  ein  Ding,  nach  dem  es  sich  gar  wohl 
schon  lohnte,  wofern  man  nur  an  dessen  Existenz  wirklich  glaubte,  einen  Teil 
seines  Lebens  hindurch  zu  suchen.  Aufgeklärtere  schlugen  hierbei  freilich  den  Weg 
der  Empirie,  des  Experimentes,  ein,  wie  ihn  für  die  Naturwissenschaft  zuerst  der 
große  englische  Philosoph  des  13.  Jahrhunderts  Roger  Baco  gewiesen  hatte:  sie 
suchten  die  Materien  vor  allem  auf  chemiphysikalischem  Wege  zu  zerlegen,  in  erster 
Linie  durch  die  Kraft  des  Feuers.  Der  Schmelztiegel  und  die  Kapelle,  dies  unentbehr* 
liehe  Gefäß  für  alle  Golduntersuchungen,  sind  daher  die  wichtigsten  Arbeitsinstru- 
mente aller  gediegeneren  Alchimisten  gewesen.  Besonderes  Augenmerk  aber 
legte  man  hierbei,  da  man  ja  damals  noch  nicht  tiefer  in  das  wirkliche  Wesen 
der  Stoffe  eingedrungen  war,  auf  ihre  Äußerlichkeiten,  vor  allem  ihre  Farben 
und  die  Farbveränderungen.  Haben  doch  wohl  gerade  Beobachtungen,  daß 
unter  Umständen  gewisse  Metallegierungen  die  Farbe  von  Gold  oder  Silber  an- 
zunehmen pflegen,  den  ganzen  alchimistischen  Wahn  ins  Leben  gerufen  oder  ihn 
wenigstens  immer  wieder  trotz  aller  gemachten  Enttäuschungen  von  neuem  bestärkt. 

Hauptsitz  dieser  Bestrebungen  war  seit  den  Tagen  des  Paracelsus,  da  dieser 
zuerst  die  Chemie,  die  bis  dahin  lediglich  nur  Alchimie  gewesen  war,  in  den  Dienst 


Die  Alchimie.  23 

der  Heilkunde  gestellt  hatte,  neben  dem  ärztlichen  der  Apothekerstand ^^),  der 
erste  überhaupt,  der  sich  eifrig  mit  dieser  Chemie  beschäftigte  und  darin  auch 
zu  selbständigen  Entdeckungen  gelangte.  Die  Apotheke  war  daher  der  Platz, 
wo  die  praktische  Chemie,  soviel  man  von  ihr  damals  wußte,  nicht  unschwer  zu 
erlernen  war.  Sie  war  aber  zugleich  auch  der  Ort,  wo  man  schon  im  Hinblick  auf 
die  enge  Verbindung,  die  in  alchimistischer  Beziehung  zwischen  dem  Suchen 
nach  dem  künstlichen  Golde  und  der  Sehnsucht  nach  Verlängerung  des  Lebens 
bestand,  nur  allzuleicht  in  das  magische  Reich  der  Alchimie  geriet,  in  der  man 
dann  Gefahr  lief,  bald  jeglichen  wissenschaftlichen  Boden  unter  den  Füßen  zu 
verlieren. 

So  war  auch  Böttger,  der  junge  Apothekerlehrling,  unter  die  Alchimisten 
geraten. 

Will  man  den  Berichten,  die  wir  über  Böitgers  alchimistische  Bestrebungen 
besitzen,  Glauben  schenken,  so  hat  Böttger  den  Stein  der  Weisen  auf  beiderlei  Art 
zu  finden  versucht,  auf  exaktem,  wie  auf  mystischem  Wege ^^),  ja,  er  soll  die  rote 
Tinktur  sogar  wirklich  besessen  haben,  wie  er  denn  in  den  Augen  der  Alchimisten 
in  der  Geschichte  der  Alchimie  eine  ganz  hervorragende  Rolle  eingenommen  hat. 
Er  gilt  allerdings  dort  nicht  als  einer  jener  wenigen  Auserwählten,  die  diesen  wunder- 
baren Stoff  selber  gefunden,  aber  doch  zu  den  nicht  weniger  seltenen,  die  wenig- 
stens seines  Besitzes  gewürdigt  worden  sind  ^').  Ein  griechischer  Mönch,  Laskari 
mit  Namen,  eine  schon  damals  äußerst  mystische  Persönlichkeit,  die  aber  doch 
wirklich  existiert  zu  haben  scheint,  soll,  als  er  durch  Berlin  reiste,  ihm,  da  er 
ihn  wegen  seines  aufgeweckten  Geistes  liebgewonnen  hatte,  die  Tinktur  über- 
geben haben ^^).  Mit  ihr  hat  Böttger  dann  in  einem  eigenen  Laboratorium^^)  ge- 
arbeitet und  schließlich  auch  vor  mehreren  Zeugen  in  Berlin  fast  urkundlich  be- 
glaubigte Proben  seiner  Kunst  abgelegt,  die  das  größte  Aufsehen  hervorriefen^"). 
Da  ward  die  Sache  ruchbar,  sie  kam  auch  zu  den  Ohren  des  erst  seit  kurzem  König 
gewordenen  Kurfürsten  Friedrich  von  Preußen,  und  da  Gefahr  vorhanden  schien, 
daß  dieser  prunkliebende  und  darum  geldbedürftige  Monarch  sich  seiner  bemäch- 
tigen könnte,  um  sich  zu  seinem  eigenen  Vorteile  seiner  geheimen  Künste  zu  be- 
dienen, £0  verließ  Böttger,  der  inzwischen  in  der  Apotheke  Geselle  geworden  war, 
heimlich  Berlin  und  das  preußische  Gebiet  und  wandte  sich  nach  der  damals  zu 
Sachsen  gehörenden  Universitätstadt  Wittenberg,  um  dort,  "vvie  er  angab,  seine 
wissenschaftlichen  Studien  fortzusetzen.  Doch,  als  er  bis  hierher  von  Preußen 
aus  verfolgt  wurde  und  sich  darum  in  seiner  Not  unter  den  Schutz  des  Königs 
von  Polen  und  Kurfürsten  von  Sachsen,  August  des  Starken,  stellte,  ward  ihm 
gerade  dasjenige  Schicksal  zuteil,  dem  er  durch  seine  Flucht  soeben  hatte  entgehen 
wollen.  Auf  des  Königs  Befehl  ward  er  unter  militärischer  Bedeckung  nach  Dresden 
überführt,  hier  in  Gewahrsam  gebracht  und  aufgefordert,  seine  geheime  Kunst 
dem  Könige  zum  Vorteil  zur  Ausübung  zu  bringen. 

König  August  der  Starke  hatte  gleichfalls  allen  Grund,  sich  dieses  vermeint- 
lichen Goldmachers  auf  diese  Weise  zu  versichern.    Als  prunkliebender  Monarch, 


24  Die  Erfindung. 

wie  Deutschland  damals  keinen  größeren  kannte,  brauchte  er  Geld  und  immer 
wieder  Geld,  um  seine  kostspieligen  Neigungen  befriedigen  zu  können,  die  bald  in 
der  Anlage  großer,  prächtiger  Bauten,  bald  in  der  Abhaltung  prunkender  Festlich- 
keiten, kurz,  in  allen  jenen  Dingen  bestanden,  die  damals  der  tonangebende  Hof 
von  Versailles  unter  dem  Könige  Ludwig  XIV.  über  ganz  Europa  verbreitet 
hatte.  Zugleich  war  damals  die  Zeit  des  schwedischen  Erbfolgekrieges,  der 
König  mehr  denn  je  großer  Summen  benötigt,  zumal  nach  jenen  enormen  Ver- 
lusten, die  ihm  die  unglücklichen  Schlachten  von  Clissow  und  Putolsk  zugefügt 
hatten.  Schien  da  ihm  nicht  jener  Wundermann,  der  alles,  was  ihm  damals  fehlte, 
in  unbegrenzter  Fülle  zu  verschaffen  versprach,  wie  ein  Geschenk  des  Himmels, 
wie  ein  Kleinodium,  das  man  auf  alle  Weise  halten  und  auszunutzen  trachten 
müsse  ?  Leichtgläubig  und  optimistisch,  wie  er  war,  trug  er  auch  nicht  die  geringsten 
Bedenken,  an  die  Wunderkraft  dieses  Mannes  zu  glauben,  ja,  ganz  beträchtliche 
Summen  herzugeben,  in  dem  festen  Glauben,  sie  einst  mit  unermeßlichen  Zinsen 
wieder  zurückerstattet  zu  bekommen,  und  er  legte  hierbei,  als  dieser  Fall  niemals 
recht  eintreffen  wollte,  eine  Geduld  an  den  Tag,  die  wirklich  in  Erstaunen  setzt. 
Denn  Böttgers  große  Kunst  versagte  in  Dresden  völlig,  wie  sie  naturgemäß 
versagen  mußte.  Zwar  werden  uns  auch  hier  wieder  mehrere  scheinbar  geglückte 
Tingierungsversuche  berichtet  ®^) :  von  einem  derselben,  der  freilich  erst  bedeutend 
später  erfolgte,  haben  sich  sogar  die  gewonnenen  Edelmetalle  nebst  dem  Proto- 
kolle, das  ihr  Entstehen  aus  unedlen  beglaubigt,  bis  auf  den  heutigen  Tag  er- 
halten ®^).  Im  übrigen  jedoch  wollte  Böttger  gar  nichts  gelingen,  angeblich  weil 
ihm  die  rote  Tinktur  abhanden  gekommen  wäre,  die  er  nun,  wie  er  vorgab,  von 
neuem  zu  finden  versuchen  müsse,  eine  geschickte  Ausrede,  um  ebenso  leicht- 
gläubige, wie  ungeduldige  Gemüter  beruhigen  zu  können.  Fest  steht,  daß  Böttger, 
trotz  alles  mystischen  Gebahrens,  das  er  wohl  in  erster  Linie  anwandte,  um 
in  der  ihm  aufgezwungenen  Rolle  als  königlicher  Goldmacher  immer  wieder 
neue  Entschuldigungen  für  das  gänzliche  Mißlingen  seiner  vermeintlichen  Kunst 
zu  haben,  daneben  mit  allem  Ernste  und  voller  Wissenschaftlichkeit  sich  an  die 
Lösung  des  Problems  machte,  indem  er  auf  Grundlage  der  alchimistisch-chemischen 
Anschauungen  seiner  Zeit  von  den  gemeinsamen  Grundstoffen  aller  Dinge  hinter 
das  Wesen,  d.  h.  die  Zusammensetzung  der  einzelnen  Stoffe,  zu  gelangen  suchte. 
Denn  Böttger,  der  sich  ja  nicht  freiwillig  in  den  Dienst  des  Königs  begeben  hatte, 
vielmehr  mit  allen  Kräften  damals  aus  demselben  wieder  herauszugelangen  trach- 
tete, gehörte  —  das  wissen  wir  heute  ganz  genau  ^^)  —  nicht  zu  jenen  Goldmachern, 
die  als  Schmarotzer  damals,  wie  vor  und  nachher,  sich  an  den  Höfen  Europas 
einnisteten,  um  hier  von  der  Leichtgläubigkeit  und  der  Geldgier  ihrer  Herren  zu 
leben  —  wofür  ihrer  freilich  oftmals  ein  plötzliches  trauriges  Ende  harrte  — ,  mag  er 
auch  die  Rolle,  die  ihm  so  ganz  wider  Willen  aufgezwungen  ward,  mit  noch  so  großem 
Geschick  und  oft  erstaunlicher  Beherrschung  der  Situation  durchgeführt  haben. 
Wir  wissen  es  heute  ganz  genau,  daß  er  in  keiner  Weise  eine  unbedeutende  Persön- 
lichkeit gewesen  ist,  die  nur  durch  eine  seltsame  Laune  des  Schicksals  ganz  wider 


Abb.  2.    Ehrenfried  Walther  von  Tschirnhausen.    Stich  von  Bernigeroth. 


26  Die  Erfindung.  i 

Verdienst  berufen  war,  eine  bedeutende  Rolle  in  der  Geschichte  der  Keramik 
zu  spielen:  er  war  vielmehr  ein  ungewöhnlich  kluger  und  gewandter  Mensch,  ja,, 
geradezu  ein  Vorläufer  jenes  modernen  Typus,  den  man  Erfmdernatur  zu  nennen 
pflegt  ^^),  wie  ihn  Deutschland  vor  diesem  Mann  wohl  überhaupt  noch  nicht 
gesehen  hatte,  und  9S  hat  erst  die  ganze  Verachtung  gegen  die  Alchimie  und  ihre 
Vertreter,  namentlich  seit  dem  Anfange  des  vergangenen  Jahrhunderts,  dazu  gehört, 
um  Böttger  zu  jenem  Schwindler  und  Scharlatan  zu  stempeln,  als  welcher  er  von 
da  an  in  den  Augen  der  meisten  Menschen  weitergelebt  hat.  Tatsache  ist,  daß  unter 
den  vielen  Leuten,  mit  denen  Böttger  zusammengelebt  hat  —  und  es  waren 
darunter  recht  bedeutende  Leute  und  auch  viele,  die  ihm,  wie  sich  zeigen  wird,  in 
keiner  Weise  wohl  wollten  —  es  keine  irgendwie  maßgebende  Persönlichkeit  gegeben 
hat,  die  über  ihn  als  geistige  Potenz  verächtlich  gedacht  und  sich  in  diesem  Sinne  ge- 
äußert hätte.  Hochachtung,  ja,  unleugbare  Bewunderung,  die  nicht  allein  seinem 
vermeintlichen  Können,  seiner  mystischen  Gabe,  Gold  zu  machen  galt,  dringen 
überall  merklich  durch,  wo  immer  nur  von  ihm  die  Rede  ist.  Er  wird  einmal  sogar 
von  einer  Seite,  die  ihn  ganz  genau  kannte,  als  ein  Mensch  bezeichnet,  wie  er  höch- 
stens nur  alle  hundert  Jahre  vorkäme  ^^),  hierbei  zugleich  seine  ungewöhnliche 
Klugheit  und  Anstelligkeit  sowie  sein  rasches  Begreifen  alles  Neuen  gerühmt, 
die  selbst  bedeutende  Leute  fesselten  ^^).  Und  nur  auf  diese  Weise,  nur  unter 
dieser  Voraussetzung  werden  auch  seine  späteren  Taten  verständlich,  vor  allem 
die  alle  anderen  krönende  der  Erfindung  des  Porzellans,  die,  nachdem  viele  be- 
deutende Leute  sie  vorher  vergeblich  versucht  hatten,  nun  nicht  durch  einen  ihrer 
völlig  Unwürdigen  gelingen  konnte. 

Der  König  tat  bei  allen  diesen  Versuchen  alles,  was  nur  irgendwie  in  seiner 
Macht  lag,  um  Böttger  die  Erreichung  seines  Zieles  zu  erleichtern.  Er  gab  ihm  Geld 
in  überreichem  Maße,  suchte  sein  Leben,  um  ihn  nur  immer  bei  bester  Laune  zu 
erhalten,  so  angenehm  wie  möglich  zu  gestalten,  befriedigte  oft  selbst  wunderliche 
Launen.  Nur  freilich  die  Freiheit  mußte  er  ihm  vorenthalten,  daß  nicht  ein  anderer 
hoher  Herr  ihm  diesen  Wundermann  entziehen  möchte.  Böttger  war  hierbei  anfangs 
in  Dresden  im  sogenannten  Goldhause  untergebracht,  dann  in  einem  Hinterhause 
des  Palais  des  Fürsten  von  Fürstenberg,  des  Statthalters  von  Sachsen  in  des  Königs/ 
Abwesenheit.  Es  wurden  ihm  mit  der  Zeit  eine  ganze  Reihe  von  Bergleuten  und 
Knappen,  die  man  aus  Freiberg  berief,  übergeben,  daneben  aber  auch  einige  der 
bedeutendsten  Persönlichkeiten  Dresdens  und  Umgebung  als  Mitarbeiter 
wie  auch  gleichzeitig  als  Kontrolleure  zur  Seite  gestellt,  darunter  der  Arzt 
Dr.  Nehmitz^''),  der  Bergrat  Pahst  aus  Freiberg  und  als  einer  der  be- 
deutendsten Gelehrten,  die  ihm  zur  Verfügung  standen,  jener  Ehrenfried 
Walther  von  Tschirnhausen,  der,  wie  erwähnt,  gerade  damals  mitten  in 
dem  eifrigsten  Bestreben  begriffen  war,  dem  Lande  gleichfalls  neue  Einnahme- 
quellen zu  verschaffen,  freilich  auf  ganz  andere  Weise,  durch  Begründung  neue 
Industrien,  und  der  damals  auch  seit  mehreren  Jahren  schon  der  festen 
Überzeugung    lebte,     das     Porzellan    erfunden    zu    haben.      Er    war    sicherhch 


Böttgers  alchimistische  Versuche. 


27 


Abb.  3.    Die  Jungfer  oder  Venusbastei  in  Dresden  nach  Merian. 


die  bedeutendste  wissenschaftliche  Persönlichkeit  in  Dresden,  die  der  König 
Böttger  als  Beihilfe  zu  Verfügung  stellen  konnte. 

Durch  das  Hinzukommen  dieses  so  bedeutenden  Mannes  trat  Böttger  in 
eine  Verbindung,  die  für  den  ganzen  Gang  seiner  Arbeiten  von  der  größten  Be- 
deutung werden  sollte.  Anfangs  freilich  scheinen  er  und  Tschirnhausen 
nicht  allzuviel  zusammen  gekommen  zu  sein;  vom  Jahre  1705®^)  an  jedoch  ist 
ihr  Verkehr,  wenn  beide  Persönlichkeiten  sich  an  demselben  Orte  befanden, 
ein  stetiger  gewesen,  ja,  es  scheint  fast,  als  ob  Tschirnhausen,  bezwungen  durch 
Böttgers  ganze  Persönlichkeit  und  wirkliches  Wissen,  ihn  geradezu  lieb  gewonnen 
hat^^).  Vielleicht  sah  Tschirnhausen  in  seinen  Beziehungen  zu  Böttger  eine  Art 
Verwirklichung  jenes  schönen  Verhältnisses,  das  er  in  einer  deiner  philosophischen 
Schriften  als  allgemeines  Mittel  zur  Beförderung  von  Studien  und  Erfindungen 
angibt,  nach  welchem  unter  anderm  gelehrte  Männer  junge  Leute,  welche  solche 
zu  leisten  versprächen,  mit  allen  ihren  Kräften  fördern  und  unterstützen  sollten"'). 

Anfangs  freilich  scheint  Tschirnhausen  sich  Böttgers  alchimistischen  Bestre- 
bungen gegenüber  recht  skeptisch  verhalten,  dann  aber  sich  doch  wenigstens 
zu  der  Ansicht  bekannt  zu  haben,  daß,  wenn  es  auch  nicht  möglich  wäre,  eine  Trans- 
mutation der  Metalle  vorzunehmen,  so  doch  wenigstens  eine  Multiplikation'^). 
So  begannen  sie  gemeinsam  auf  das  große  Ziel  hinzusteuern  und,  so  oft  sich  wenig- 
stens die  Gelegenheit  bot,  ihre  Ansichten  über  die  gewonnen  Resultate  und  Be- 
obachtungen auszutauschen.  Denn  Tschirnhausen  hielt  sich  nicht  immer  in  Dresden 
auf,  Böttger  aber,  das  kostbare  Kleinod,  das  der  König  um  keinen  Preis  verlieren 
wollte,  mußte  als  der  Gefangene,  der  er  war,  in  den  unruhigen  Zeiten,  die  der  nor- 
dische Krieg  heraufbeschwor,  vielfach  seinen  Aufenthalt  wechseln.  Er  lebte  auf  diese 
Weise  eine  Zeitlang  auf  der  damals  für  uneinnehmbar  geltenden  Festung  Königstein 
in  der  Sächsischen  Schweiz,  dem  sichersten  Gewahrsam,  das  man  damals  in  Sachsen 


28  Die  Erfindung. 

besaß,  dann  auf  der  Albrechtsburg  in  Meißen  und  schließlich  wieder  auf  dem  König- 
stein. Auch  hatte  er  im  Jahre  1703  von  Dresden  aus  einen  —  freilich  völlig  miß- 
glückten —  Fluchtversuch  unternommen,  um  endlich  aus  der  ihm  so  unfreiwillig  auf- 
gezwungenen Rolle  eines  königlichen  Goldmachers  herauszukommen.  Endlich  jedoch, 
nach  Abschluß  des  Friedens  von  Altranstädt  im  Jahre  1706,  ward  er  auf  sein  eigenes 
inständiges  Bitten  wieder  nach  Dresden  gebracht,  wo  ihm  auf  der  damals  die  Jungfer 
genannten  Venusbastei  (Abb,  3),  d.  h.  demjenigen  Teile  der  Brühischen  Terrasse,  wo 
heute  das  Belvedere  steht,  ein  Laboratorium  errichtet  ward,  während  Tschirnhausen 
im  sog.  Fürstenbergischen  Hause  sein  eigenes,  ihm  gleichfalls  vom  Könige  eingerich- 
tetes Laboratorium  für  seine  zum  Nutzen  der  heimischen  Industrie  unternommenen 
Bestrebungen  schon  seit  langem  besaß.  Hier  fuhren  sie  mit  ihren  Arbeiten  und 
Untersuchungen  fort,  die,  da  ein  jeder  sein  eigenes  Laboratorium  und  auch  seine 
eigenen  Arbeiter  besaß,  jeder  zunächst  wohl  für  sich  allein  angestellt  haben 
wird '2),  wenn  auch  wohl  auf  gemeinsam  festgestellte  Anschauungen  und  Metho- 
den hin  und  unter  beständigem  gegenseitigem  Gedankenaustausch. 

Wie  aber  diese  Arbeiten  vor  sich  gingen,  auf  Grund  welcher  Ansichten  und 
Methoden  und  mittels  welcher  Hilfsmittel,  das  ist  uns  heute  wenigstens  in  der 
Hauptsache  bekannt  ").  Darnach  war  diese  Arbeit  in  der  Tat  eine  durchaus  konse- 
quente und  wissenschaftlich  überlegte,  wenn  auch  vielleicht  noch  nicht  immer 
ganz  frei  von  aller  Phantastik  und  Unklarheit.  So  suchten  sie  z.  B.  die  ,, durch  die 
Sonnenstrahlen  in  Bewegung  gebrachten  brennlichen  Teile  der  Luft",  d.  h.  doch 
wohl  die  die  ganze  Luft  erfüllenden,  im  scharf  einfallenden  Sonnenlicht  sichtbar 
werdenden  Staubteilchen,  durch  Erhitzung  zu  konzentrieren,  sicherlich  in  der  Über- 
zeugung, in  diesen  ,, Teilen"  einen  der  gesuchten  drei  Grundstoffe  vor  sich  zu 
haben.  Dann  aber  machten  sie  sich,  den  damals  üblichen  Ansichten  von  diesen 
Grundstoffen  weiter  folgend,  an  das  methodisch  geregelte  Zersetzen  der  verschie- 
densten Stoffe,  zunächst  natürlich  der  Edel-,  dann  der  minderwertigeren  Metalle, 
schließlich  auch  anderer  Stoffe,  in  der  sicheren  Erwartung  auf  diese  Weise  ihre 
jedesmalige  Zusammensetzung  feststellen  zu  können. 

Bei  allen  diesen  Experimenten  waren  wiederum  die  wichtigsten  Hilfsmittel 
jene  großen  Brenngläser,  die  Tschirnhausen  erfunden  und  selber  dann  bei  allen 
ähnlichen  Untersuchungen  benutzt  hatte  (Abb.  4  und  5).  Sie  waren  in  der  Tat 
sehr  wichtige  Hilfsmittel,  da  sie  unter  anderm  die  nicht  zu  unterschätzende  Möglich- 
keit boten,  die  durch  die  Hitze  erfolgenden  Zersetzungsprozesse  der  in  Untersuchung 
gezogenen  Stoffe  aus  nächster  Nähe  zu  beobachten.  Die  Gewalt  dieser  Brenngläser  war 
hierbei  tatsächlich  ungeheuer.  Wie  Tschirnhausen  selber  berichtet  hat  '^),  schmolzen 
unter  ihrer  Glut  Blei  und  Zinn  sofort,  Kupfer  und  Messingblech  wurden  ebenso 
schnell  flüssig,  Dachziegel,  Schiefer,  Bimsteine,  Kieselsteine,  Kalk  und  Asbest 
glühten  auf  der  Stelle  und  verglasten,  Fichtenholz  ward  unter  Wasser  zu  Kohle 
verwandelt.  Man  hatte  hier  in  der  Tat  ein  unschätzbares  Hilfsmittel  für  wissen- 
schaftliche Untersuchungen  zur  Verfügung,  so  vielversprechend,  daß  Tschirn- 
hausen, der  nach  Gelehrtenart  etwas  eifersüchtig  gewesen  zu  sein  scheint,  es  nicht 


29 


Abb."4.'i. Brennspiegel  Tschimhausens,     Höhe  2.26  Meter.    Dresden,  Kgl.  Mathematisch-Physikalischer  Salon. 


30  Die  Erfindung. 

gern  „in  anderer  Leute  Hände"  sah,  weil  sie  ihm  dadurch  leicht  „hinter  einige 
Wissenschaft  kommen  könnten"  '^).  Freilich  über  die  wirklichen  Wirkungen 
dieser  Brenngläser  waren  Böttger  und  Tschirnhausen  anscheinend  durchaus  nicht 
gleicher  Ansicht.  Tschirnhausen  sah  in  ihrer  Glut  eine  Kraft,  die  alle  Körper  in 
ihre  Bestandteile  aufzulösen  vermochte,  während  Böttger  dagegen  behauptete, 
daß  sie  durch  ihr  Schmelzen  eine  Sache  durchaus  nicht  in  ihrem  ,,esse"  ließen, 
vielmehr  sie  ,,destruierten  und  endlich  ein  neues  Produktum  hervorbrächten"'^), 
eine  Anschauung,  die,  wie  wir  heute  wissen,  die  allein  richtige  ist,  die  darum  Böttger 
—  wenigstens  auf  chemischem  Gebiete  —  Tschirnhausen  bei  weitem  überlegen 
erscheinen  läßt.  Vielleicht,  daß  damals  Böttger  schon  etwas  von  der  neuen  Lehre 
vom  Phlogiston,  dem  Vorläufer  unseres  Sauerstoffes,  wußte.  Dennoch  bediente 
auch  er  sich  fleißig  dieser  Brennspiegel"),  wenn  auch  wohl  unter  ganz  anderen 
Voraussetzungen  als  jener. 

Nachdem  man  nun  mittels  dieses  Hilfsmittels  zunächst  die  Metalle  —  wie 
natürlich,  völlig  resultatlos  —  durchprobiert  hatte  und  sich  hierauf  zur  Untersuchung 
anderer  Stoffe  wandte,  machte  man  sich  zunächst  an  die  sogenannten  ,, farbigen 
Erden",  sicherlich  in  der  Hoffnung,  nun  wenigstens  in  den  Farben,  die  in  den  alchi- 
mistischen Anschauungen  immer  eine  so  große  Rolle  gespielt  haben '^),  ein  Leitseil 
zu  haben,  das  zum  erwünschten  Ziele  führen  könnte.  Doch  nun  trat  bald  infolge 
dieser  neuen  Untersuchungen  eine  Schwenkung  in  diesen  ganzen  Arbeiten  ein,  ein 
wenigstens  für  Böttger  gänzlich  neues  Bestreben,  das  plötzlich  diese  von  der  Bahn 
der  Alchimie  hinweg  auf  gänzlich  neue  Wege  führen  sollten,  die  mit  den  bis- 
herigen Bestrebungen  Böttgers  nicht  das  geringste  mehr  zu  tun  hatten,  dann 
aber  am  Ende  zu  jenem  Resultate,  das  allen  diesen  Arbeiten  erst  ihren  vollen 
Wert  gegeben  hat. 

Wie  war  diese  Wendung  vor  sich  gegangen  ? 

Durch  die  Unruhen  der  Zeit,  den  häufigen  Wechsel  des  Orts,  sicherlich  auch 
durch  die  zeitraubende  Beschaffung  aller  der  bisher  zur  Untersuchung  heran- 
gezogenen Materien  waren  Jahre  vergangen:  man  stand  jetzt  im  Jahre  1707. 
Der  König  hatte  trotz  der  schlimmen  Zeiten  Unsummen  vorgeschossen,  um  Böttger, 
wie  er  hoffte,  in  den  Stand  zu  setzen,  das  Hundert-,  ja  das  Tausendfache  ihm  dafür 
zurückzuerstatten.  Er  hatte  sich,  als  dieser  Moment  immer  noch  nicht  sich  ein- 
stellen wollte,  von  Jahr  zu  Jahr  vertrösten  lassen,  sich  aber  wohl  in  der  Aufregung 
über  die  so  unerwartet  mißlichen  Ereignisse  des  nordischen  Krieges,  da  es  sich 
schließlich  für  ihn  um  nichts  Geringeres  als  um  den  Verlust  seines  mit  so  großen  Opfern 
erkauften  polnischen  Thrones  handelte,  nicht  allzuviel  um  die  Taten  seines 
Goldmachers  kümmern  können.  So  hatte  sich  ihm  Böttgers  alchimistische  Un- 
fähigkeit wohl  weniger  offenbart,  als  es  in  friedlicheren  Zeiten  geschehen  wäre, 
und  Böttger  war  vor  dem  Lose  bewahrt  worden,  das  schon  so  vielen  Goldmachern, 
wenn  sie  am  Ende  ihrer  Weisheit  angelangt  waren,  schließlich  geblüht  hatte.  Die 
Vorsehung  schien  ihn  sichtbar  zu  höheren  Zwecken  aufzusparen.  Nun  aber  war 
im  Jahre  1706  der  Friede  zu  Altranstädt  geschlossen,  die  Ruhe  dem  Lande  wieder 


31 


Abb.  5.    Brennlinsen  Tschirnhausens.    Höhe  2.14  Meter.    Dresden,  Kgl.  Mathematisch-Physikalischer  Salon. 


32  Die  Erfindung. 

zurückgegeben  worden,  doch  das  Land  selber  verwüstet  und  der  König  ärmer 
denn  je.  Da  mochte  er  mit  einer  ganz  anderen  Sehnsucht  als  vordem  seine  Blicke 
auf  seinen  Goldmacher  richten,  der  noch  immer  nicht  die  in  ihn  gesetzten  großen 
Hoffnungen  erfüllt  hatte.  Schon  im  folgenden  Jahre  scheint  er  Böttger  auf  der 
Jungfer  besucht  zu  haben  und  seinen  Unwillen  durch  mehr  oder  weniger  deut- 
liche Drohungen  an  den  Tag  gelegt  zu  haben'*').  Da  hört  man  hier  plötzlich  von 
gänzlich  neuen  Plänen,  von  denen  bisher,  so  weit  es  wenigstens  Böttger  betraf, 
noch  nicht  das  geringste  verlautet  war :  Manufakturen  ^°)  sollen  durch  ihn  ge- 
gründet, die  Industrie  Sachsens  gehoben  werden,  kurz  alles,  was  Tschirnhausen 
bisher  schon  vor  dem  Kriege  versuchte  und  was  vor  allem  zur  Hebung  der  sächsischen 
Glasindustrie  geführt  hatte,  dann  aber  durch  den  Krieg  zum  größten  Teil  wieder 
vernichtet  worden  war,  das  sollte  nun  von  neuem  hier  versucht  werden,  in  be- 
deutend erweitertem  Maßstabe  und  für  noch  viel  wichtigere  Dinge.  Es  lebte  das 
Merkantilsystem  Frankreichs  hier  in  Sachsen    zum  zweiten  Male  auf. 

Unzweifelhaft  ist  Anreger  auch  zu  diesen  neuen  Unternehmungen  wieder 
Tschirnhausen  gewesen,  der  sicherlich  damals  in  dem  begabten,  anstelligen,  jungen 
Böttger  eine  Kraft  erblickte,  die  seine  früheren  Liebhngspläne,  zu  deren  eigener 
Durchführung  dem  vielbeschäftigten  Gelehrten  sicherlich  die  Zeit  fehlte,  zur  Aus- 
führung bringen  konnte  ^^).  Böttger  selber  aber  wird  diese  gänzliche  Verschiebung 
seiner  bisherigen  Tätigkeit  nur  mehr  als  willkommen  gewesen  sein.  Stellte  sie 
doch  ihm,  der  schon  so  lange  den  König  in  seinen  schönsten  Erwartungen  getäuscht 
hatte,  auf  einmal  ein  Ziel  vor  Augen,  das  mit  einer  ganz  anderen  Wahrschein- 
lichkeit erreichbar  schien  als  sein  bisheriges  und  das,  wenn  erreicht,  wohl  auch 
seine  bisherigen  Mißerfolge  in  Vergessenheit  zu  bringen  vermochte.  Es  war  sicher- 
lich ein  Rettungsanker,  der  sich  ihm  da  darbot,  wie  er  ihn  sich  vor  kurzem  wohl 
kaum  noch   erträumt  hatte. 

Indessen  steht  gleichfalls  fest,  daß  diese  plötzliche  Arbeitsschwenkung  nicht 
zum  wenigsten  auch  auf  Grund  von  Anregungen  erfolgte,  die  aus  den  bisherigen 
alchimistischen  Arbeiten  hervorgegangen  waren:  die  Untersuchungen  der  verschie- 
densten Stoffe  und  gewisse  Beobachtungen,  die  hierbei  gemacht  worden  waren, 
scheinen  langsam  oder  plötzhch  Gedanken  hinsichtlich  ihrer  industriellen  Aus- 
nutzung eingegeben  haben ^^^  yor  allem  war  es  jetzt  die  Prüfung  der  ,, farbigen 
Erden",  die  denen  der  Metalle  und  ,, mittleren  Erden"  gefolgt  war,  die  zu  dem 
Entschluß  führte,  sich  in  der  Keramik  zu  versuchen,  in  der  Sachsen  damals  trotz 
günstiger  Tonlager  eigentlich  noch  gar  nichts  Bedeutendes  geleistet  hatte.  Da 
ward  aus  dem  Alchimisten  plötzlich  ein  Keramiker  und  es  erfolgte  alsbald  jener 
Schritt,  der  Böttger  auf  die  eigentUche  Bahn  seines  Lebens  führen  sollte,  auf  dieser 
dann  zu  jenem  Ziele,  das  schließlich  das  eigentliche  Endziel  seines  Lebens  ge- 
worden ist. 

Freilich,  ob  hier  gleich  am  Anfange  schon  in  erster  Linie  an  eine  keramische 
Produktion  gedacht  ward  und  nicht  vielleicht  infolge  der  soeben  gemachten  früheren 
Untersuchungen  der  Metalle  zunächst  an  irgendeine  besondere  Ausnutzung  oder  Be- 


Böttger  und  Tschirnhausen.  33 

handlung  dieser,  läßt  sich  heute  nicht  mehr  mit  voller  Bestimmtheit  sagen.  In 
der  ersten  Nachricht,  die  wir  überhaupt  über  diese  Aufnahme  der  früheren  in- 
dustriellen Unternehmungen  Tschirnhausens  durch  Böttger  besitzen^^),  spielen  Erze 
unter  den  dort  erwähnten  Materialien  eine  große  Rolle,  ja,  allem  Anscheine  nach 
eine  viel  größere  als  Tone,  die  zu  einer  keramischen  Tätigkeit  hätten  benutzt 
werden  können,  wenn  wir  freilich  auch  in  keiner  Weise  heute  mehr  feststellen  können, 
zu  welchen  Zwecken  diese  Erze  damals  gebraucht  werden  sollten.  Später,  ja,  bald 
darauf  hat  Böttger  sich  in  der  Tat  häufiger  mit  Problemen  beschäftigt,  die  Metalle 
betrafen  und  die  für  das  erzereiche  Sachsen  damals  eine  große  Bedeutung  haben 
mußten.  Namentlich  auf  rationellere  Ausschmelzungsverfahren,  die  dem  Lande 
viele  Gelder  ersparen  sollten,  ist  er  später  ausgegangen.  Damals  aber  waren  kera- 
mische Bestrebungen  bereits  schon  lange  in  den  Vordergrund  getreten:  die  erste 
Manufaktur,  deren  Aufgabe  uns  wirklich  genannt  wird,  ist  eine  Fliesenfabrik  ge- 
wesen, eine  Fabrik  zur  Herstellung  von  Fayencefliesen,  wie  sie  damals  vor  allem 
in  Delft  in  Unmassen  und  unübertrefflicher  Güte  fabriziert  und  als  „Delfter  Gut" 
über  ganz  Europa  verbreitet  wurden  ^^).  Fayencefabriken  nach  Delfter  Muster 
wurden  damals  vielfach  in  Deutschland  angelegt,  nachdem  auch  dieses  Land  der 
allgemeine  Trieb  dieser  Zeit  erreicht  hatte,  das  chinesische  Porzellan  wenigstens 
durch  dieses  Produkt  nachzuahmen  und  ihm  dadurch  einigermaßen  Konkurrenz 
zu  machen.  Sie  wurden  selbst  noch  nach  der  Erfindung  des  Porzellans  unab- 
lässig weiter  gegründet,  da  die  Fayence  als  billigeres  Erzeugnis  selbst  dann  noch 
immer  ihre  Abnehmer  fand,  und  erst  das  Steingut,  das  zuerst  in  England  als  ein 
neues  und  besseres  Surrogat  des  Porzellans  erfunden  und  dann  als  solches  überall 
auf  dem  Kontinente  nachgeahmt  ward,  hat  diesem  Produkte  schließlich  ein  Ende 
bereitet,  indem  es  sich  einfach  an  dessen  Stelle  setzte. 

Nicht  allzuschwer  mochte  Böttger  die  Begründung  einer  solchen  Fayence- 
fabrik erscheinen.  War  schon  der  Umstand,  daß  jetzt  an  vielen  Stellen  in  Deutsch- 
land derartige  Fabriken  entstanden  oder  wenigstens  zu  entstehen  schienen,  Beweis 
genug,  daß  ihre  Errichtung  nicht  allzuviel  Schwierigkeiten  bereiten  konnte,  so 
waren  auch  bereits,  den  Neigungen  der  Zeit  entgegenkommend,  mehrere  bedeutende 
Werke  erschienen,  in  denen,  wie  über  alles,  was  damals  die  Praktiker  interessierte, 
so  auch  über  die  Fayencefabrikation,  mehr  oder  weniger  ausführliche  und  brauch- 
bare Rezepte  sich  vorfanden.  So  war  im  Jahre  1705  ein  derartiges  Werk  herausgekom- 
men, betitelt  ,,K.  J.  Wieder  Neuaufgerichtet  in  zwey  Theilen,  ausgewiesene  Kunst  und 
Werck-Schul",  das  Böttger  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gekannt  hat^^),  vor  allem 
aber  stand  für  solche  Versuche  des  damals  so  hochangesehenen  Chemikers  Kunckels 
schon  1689  erschienene  Ars  vitraria  zu  Gebote,  in  deren  zweitem  Teil  ein  Kapitel 
handelte  ,,von  der  Holländischen  kunstreichen  weissen  und  bunten  Töppfer-Glasur 
und  Mahlwerck",  ein  Buch,  das  jeder  Chemiker  und  Alchimist  damals  kannte,  mit 
dessen  Verfasser  Böttger  sogar  in  persönlicher  Verbindung  gestanden  hat^®).  So 
fehlte  denn,  um  anfangen  zu  können,  eigentlich  nur  noch  der  Ton,  das  Material 
zu  dieser  Arbeit.      Daß  man  aber  auch  diesen  damals  bereits  zu  haben  geglaubt 

Zim  m  er  mann,  Meißner  Porzellan.  3 


34  Die  Erfindung. 

hat,  darüber  kann  kaum  ein  Zweifel  bestehen,  bedenkt  man,  daß  Tschirnhausen 
schon  früher  für  seine  eigenen  Unternehmungen  ganz  Sachsen  mineralogisch  unter- 
sucht hatte,  bedenkt  man  ferner,  daß  beide,  Tschirnhausen  wie  Böttger,  bei  ihren 
alchimistischen  Untersuchungen  nach  der  vergeblichen  Prüfung  der  Metalle  sich  auch 
an  die  Prüfung  der  Erden  gemacht  hatten.  Auch  gab  es  in  Sachsen  damals  schon 
bekannte  und  durchaus  in  Benutzung  gezogene  Tonlager,  so  z.  B.  zu  Waiden- 
burg und  Colditz^''),  die  auch  dort  schon  zur  Begründung  einfacherer  Töpfer- 
betriebe geführt  hatten,  und  so  schritt  man  denn  im  Anfang  des  Jahres  1708 
mutig  an  die  Begründung  der  ,, Steinbäckerei",  wie  diese  Fliesenfabrik  damals 
genannt  ward. 

Der  König  hatte  inzwischen  wieder  alles  getan,  um  Böttger  bei  diesen  neuen 
Unternehmungen  zu  unterstützen.  Schon  für  diese  Zwecke  hatte  er  ihm  durch 
die  Rentkammer  am  Ende  des  vorigen  Jahres  Holz,  so  viel  er  nur  gebrauche,  sowie 
auch  durch  die  Generalakziskasse  sofort  200  Taler,  vom  1.  Oktober  an  monatlich 
400  Taler  anweisen  lassen.  Am  20.  November  erließ  er  sogar  ein  Dekret  ,,zur  Sicher- 
stellung Johann  Friedrich  Böttgers  wegen  der  zu  seiner  freien  Disposition  bei  Ein- 
richtung verschiedener  Manufakturen  demselben  assignierten  Gelder",  d.  h.  eine 
Verwahrung  Böttgers  gegen  ein  etwaiges  späteres  Rechtfertigungsverlangen  der 
beiden  obigen  Behörden,  die  die  damaligen  geldbeschaffenden  Mächte  des  Staates 
darstellten.  In  diesem  Dekret  wird  ausdrücklich  betont,  daß  Böttger  über  diese 
ihm  angewiesenen  Gelder  ganz  frei  verfügen  könne,  ein  sicherer  Beweis,  daß  das 
Vertrauen  des  Königs  gegenüber  ihm  und  seinen  Arbeiten  damals  noch  in  keiner 
Weise  erschüttert  war,  daß  Böttger  vielmehr  in  ihm  damals  neue  und  große  Hoff- 
nungen zu  erwecken  gewußt  hatte.  Auch  sorgte  der  König  wieder,  wie  bisher,  aufs 
angelegentlichste  für  sein  persönliches  Wohlbefinden.  Zugleich  wurde  sein 
Arbeitspersonal  vermehrt,  das  jetzt  aus  vier  Arbeitern  bestand  ^^),  während  Tschirn- 
hausen sich  in  seinem  Laboratorium  im  Fürstenbergischen  Hause  mit  zweien  be- 
gnügen mußte.  Vor  allem  aber  war  jetzt  auch  für  eine  neue  wissenschaftlich  durch- 
gebildete Hilfskraft  gesorgt  worden:  auf  des  Königs  Befehl  ward  um  die  Wende 
des  Jahres  1707  der  Leibmedikus  Dr.  Bartelmei,  dem  man  bisher  nur  die  kostbare 
Gesundheit  Böttgers  anvertraut  hatte,  durch  einen  feierlichen  Eid  verpflichtet, 
sich  nach  Kräften  auch  der  neuen  Unternehmungen  anzunehmen,  dabei  aber  über 
alles,  was  er  erfahren  würde,  die  strengste  Verschwiegenheit  zu  bewahren.  Und 
dann  berief  man  schließlich  im  Februar  dieses  Jahres  mittelst  des  sächsischen 
Residenten  im  Haag  einen  Meister  aus  Holland  ^^)  namens  Rüllener,  der  freilich, 
wie  sich  später  herausstellte,  nur  aus  der  Stadt  Brandenburg  gebürtig  war,  des- 
gleichen als  ,,porcellain-Mahler"  oder  „Schilderer"  zur  Bemalung  der  Fliesen  seinen 
Schwiegersohn.  Gleichzeitig  ward  in  der  damaligen  Altstadt,  der  jetzigen  Neustadt, 
ein  Haus  gemietet,  das  sogenannte  ,, Böhmische",  und  bald  darauf  für  700  Taler 
daneben  ein  eigenes  Gebäude  zur  Aufnahme  der  Brennöfen  errichtet.  Auch  der 
richtige  Ton  schien  bereits  gefunden  zu  sein  und  Böttger  versuchte  hierbei  tat- 
sächlich an  die  bestehende  Töpferkunst  Sachsens  anzuknüpfen.     Bereits  im  März 


Vorbereitungen.  35 

dieses  Jahres  ward  befohlen,  von  dem  Städtchen  Colditz,  das  etwa  neun  Meilen 
von  Dresden  an  der  Mulde  liegt,  2000  Zentner  reinen  Ton  ,,so  nicht  mit  Erde 
oder  Sand  vermischt"  nach  Dresden  schaffen  zu  lassen  ^°). 

Dann  ging  man  daran,  sich  auch  auswärts  umzusehen,  um  sich  auch  die  Erfahrun- 
gen, die  an  anderen  Stellen  gemacht  worden  waren,  zunutze  zu  machen.  Dr.  Bartel- 
mei  ward  auf  Reisen  geschickt.  Zunächst  ^i)  Anfang  Mai  begab  er  sich  freiUch  nur 
erst  nach  Colditz,  um  hier  vor  allem  Erkundigungen  über  die  dortigen  Tone  sowie 
auch  über  die  Art,  dieselben  zu  reinigen,  einzuziehen.  Auch  über  die  Preise  suchte 
er  sich  zu  informieren.  Von  hier  ging  er  weiter  nach  Leipzig,  wo  damals  gerade 
Messe  war.  Auch  in  Leipzig  suchte  er  bei  den  Händlern,  von  denen  mehrere  von 
auswärts  gekommen  waren,  nach  Tonen,  namentlich  nach  weißfarbigen.  Doch  fand 
er  dabei  auch  einen  gelben  und  —  was  vielleicht  für  die  Zukunft  von  Bedeutung 
werden  sollte  —  auch  einen  roten.  Von  allen  brauchbaren  Sorten  bestellte  er  Proben, 
die  wenige  Tage  danach  auch  in  Dresden  eintrafen.  Dann  suchte  er  hier  vor 
allem  die  ,, Berliner  Porcellainkrämer"  auf,  die  Vertreter  jener  Fayencefabrik,  die 
1678  durch  den  Großen  Kurfürsten  mit  Hilfe  eines  holländischen  Töpfers  in  Berlin 
begründet  worden  war  ^^),  die  nun  mit  deren  Erzeugnissen  diese  Messe  besuchten. 
Bei  ihnen  besah  er  sich  eingehend  das  Geschirr,  an  dem  ihm  die  Nachahmung  chine- 
sischer Formen  auffiel.  Hierauf  kehrte  er  nach  Dresden  zurück,  um  Bericht  abzu- 
statten, zog  dann  Anfang  Mai  noch  einmal  nach  Colditz,  um  auch  mit  dem  dortigen 
Amtsschreiber,  den  er  während  seiner  ersten  Reise  dort  nicht  angetroffen,  wegen 
Sendung  und  Reinigung  von  Ton  zuverhandeln.  Dieser  versprach  ihm  40 — 50 Zentner 
von  den  dortigen  Töpfern  oder  anderen  reinigen  zu  lassen  und  dann  nach  Dresden 
zu  senden. 

Nur  wenige  Monate  später  aber  begab  er  sich  von  neuem  auf  Reisen  und  zog 
nun  seine  Kreise  bedeutend  weiter.  Das  ganze  nordwestliche  Deutschland  ward 
abgesucht  und  alles  dort  in  Erkundigung  gezogen,  was  Böttger  bei  seinen  industriellen 
Unternehmen  nur  irgendwie  nützen  konnte.  Schon  am  27.  Mai  war  er  hierbei 
über  Leipzig  nach  Halle  gelangt,  wo  er  jedoch  nichts  für  seine  Zwecke  Wichtiges 
erfuhr.  Dann  war  er  weiter  nach  Mansfeld  gezogen,  wo  ihn  die  dortige  Kupfer- 
schmelze interessierte,  hierauf  nach  Nordhausen,  um  die  dortigen  Alabaster- 
brüche zu  besichtigen.  Er  fand  hier  vor  allem  einen  ,,über  alle  Maßen  rein  weißen 
und  zarten"  Alabaster,  von  dem  er  Proben  mitnahm  und  12 — 24  Zentner  bestellte. 
Dann  aber  wandte  er  sich  nach  Braunschweig,  wo  im  Jahre  vorher  ^^)  eine  Fayence- 
fabrik ,,als  Porcellainfabrick  nach  delftischer  Art"  durch  den  Herzog  Anton  Ulrich 
angelegt  worden  war,  von  der  er  viel  zu  profitieren  hoffte.  Doch  er  erlebte  eine 
starke  Enttäuschung:  man  war  dort  noch  nicht  einmal  im  Besitz  einer  guten  Erde 
und  mit  der  Glasur  haperte  es  vollends.  So  zog  er  über  Lüneburg  nach  Hamburg  ^*), 
wo  es  ihm  bei  weitem  besser  ergehen  sollte,  ja  wo  er  anscheinend  seine  größte  Aus- 
beute auf  dieser  Reise  fand.  Er  traf  hier,  wie  er  berichtet,  mit  einem  ,,curiösen" 
Töpfer  zu  sammen,  der  ihm  die  Masse  zu  einer  sehr  schönen  und  weißen,  glän- 
zenden Glasur  zu  weisen  vermochte,  von  der  er  wiederum  Proben  mitnahm,  von 

3* 


36  Die  Erfindung. 

dem  er  aber  auch  sonst  noch  merkwürdige  Dinge  erfuhr,  so  namentlich  nichts 
Geringeres  als  ein  Rezept,  Porzellan  zu  machen.  Dies  merkwürdige  Rezept  enthielt 
hinsichtlich  der  Porzellanmasse  die  ganz  richtige  Angabe,  daß  sie  ein  Gemisch  von 
einem  Tone  und  einem  Flusse  darstelle,  nur  wurde  freilich  nicht  gesagt,  wie  dieser 
Ton,  nämlich  feuerfest,  beschaffen  sein  müsse,  und  vollends  die  Angaben  über  die 
Glasur  des  Porzellans  waren  barer  Unsinn.  Dennoch  wird  Bartelmei  aufmerksam 
genug  diesen  Offenbarungen  gelauscht  haben.  Darüber  vergaß  er  aber  nicht,  auch 
die  Brennöfen  zu  studieren  und  —  vielleicht  heimlich  —  sich  Skizzen  von  ihnen 
zu  machen. 

Dann  zog  er  weiter  nach  Lübeck,  wo  er  jedoch  nichts  weiter  kennen  lernte, 
als  eine  „gemeine  schwarze  Glasur"  und  kehrte  schließlich  über  Rostock  nach 
Dresden  zurück,  wo  er  am  17.  Juni  wieder  eintraf.  Er  konnte  wohl  im  allge- 
meinen mit  den  Ergebnissen  zufrieden  sein,  wenn  freilich  solche  im  Fluge  aufge- 
nommenen Kenntnisse  auf  dem  Gebiet  der  Keramik  in  keiner  Weise  die  selbst- 
gemachte Erfahrung  ersetzen  können.  Er  hat  dann  aber  doch  damals  auf  Grund 
dieser  Erfahrung  zunächst  die  Administration  der  Fliesenfabrik  ^^)  erhalten,  die  er 
freilich  bald  an  andere  wieder  abtreten  mußte.  Gewiß  wird  er  damals  mit  voller 
Zuversicht  an  sein  Werk  gegangen  sein,  nicht  ahnend,  wie  große  Schwierigkeiten 
selbst  die  Errichtung  einer  Fayencefabrik  noch  machen  sollte.  Für  Böttger  und 
Tschirnhausen  freilich  wird  dieses  Unternehmen  damals  schon  stark  in  den  Hinter- 
grund getreten  sein. 

Denn  bald  nach  der  Begründung  der  Fayencefabrik  erfahren  wir,  daß  beide 
nun  ganz  anderen  und  viel  bedeutenderen  Zielen  zustrebten,  Zielen,  gegenüber  denen 
die  Begründung  einer  Fayencefabrik,  deren  es  damals  ja  schon  so  viele  gab,  als  kein 
allzu  großes  Unternehmen  mehr  erschien:  Jetzt  warf  man  alle  bisherige  Bescheiden- 
heit bei  Seite  und  ging  mit  festen  Schritten  auf  jenes  Problem  zu,  das  schon  so  lange 
das  eigentliche  Hauptproblem  der  Keramik  gewesen  war:  das  Porzellan,  das  wirklich 
echte  Porzellan  sollte  erfunden  werden.  Neben  diesem  Streben  mußten  alle  andern 
in  der  Tat  in  den  Hintergrund  treten. 

Wir  wissen  nicht  genau,  wann  dieser  Entschluß  hier  zuerst  aufgetaucht  ist  ^^). 
Er  lag  an  sich  nahe  genug,  wofern  Böttger  wirklich  als  der  Fortsetzer  der  industriellen 
Bestrebungen  Tschirnhausens  gelten  sollte,  er  lag  auch  nahe  genug,  sobald  man 
überhaupt  nur  das  Gebiet  der  Keramik  betreten  hatte,  ja  kann  vielleicht  von  Anfang 
an,  wenn  wir  es  auch  nicht  wissen,  das  Hauptziel  der  ganzen  industriellen  Be- 
strebungen dieser  beiden  Männer  gewesen  sein"').  Sicher  ist,  daß  Böttger  schon 
mehrere  Jahre  vorher  sich  wenigstens  theoretisch  mit  diesem  Problem  befaßt, 
daß  er  sich  allem  Anscheine  nach  wenigstens  theoretisch  über  dasselbe  zu  informieren 
gestrebt  hat.  Unter  Rezepten,  die  sich  von  ihm  aus  dieser  Zeit  erhalten  haben  "^), 
die  sich  auf  die  verschiedensten,  z.  T.  recht  entlegene  Materien  beziehen  und  so 
zum  ersten  Male  für  uns  ein  sichtbares  Zeugnis  sind  für  die  Vielseitigkeit  und  geistige 
Gelenkigkeit  dieses  Mannes,  die  sich  in  der  Weiterentwicklung  seiner  keramischen 
Arbeiten  nur  immer  wiederholen  sollte,  befinden  sich  auch  einige,  die  sich  auf  die 


Aufkommen  der  Erfindungsidee. 


37 


Abb.  6.     Chinesisches  Porzellan,  aus  der  Zeit  der  Erfindung-  des  Porzellans.     Dresden,  Kg-1.  Porzellansaramlung-. 


Herstellung  von  Porzellan  beziehen.  Da  ist  eins,  geschrieben  in  Meißen  im  März  des 
Jahres  1706,  auf  dem  sich  unter  der  Überschrift  ,,Barcelin"  zunächst  ein  Hinweis 
auf  das  bereits  früher  erwähnte,  damals  hochberühmte,  1649  in  der  zweiten  Auf- 
lage erschienene  Werk  des  Humanisten  Jo.  Ludw.  Gotofredi  Merkers  Archonto- 
logia  cosmica  ^^)  befindet,  und  dann  folgt,  angeblich  als  hätte  er  sie  in  diesem 
Werke  gefunden,  die  Angabe,  nach  der  Porzellan  aus  dem  ,, subtilsten  rein  ge- 
schlemmten Tone,  Muscheln  oder  Austerschalen  und  gebrannten  Knochen"  be- 
stände, und  es  wird  auch  gleich  hinzugefügt,  daß  es  erzsonderlich"  wäre,  daß 
Ton  im  Feuer  nicht  allein,  sobald  man  aber  nur  den  tausendsten  Teil  Knochen 
hinzutäte,  „wie  Wachs  flösse"  ^°°).  Diese  Angabe  findet  sich  indessen  in  dem  angege- 
benen Buche  keineswegs.  Vielmehr  gibt  dieses,  wie  früher  gezeigt  worden  ist,  wenn 
auch  mit  einigem  Vorbehalt,  noch  die  alten  Fabeln  von  den  Muscheln  und  Eier- 
schalen und  dem  langen  Eingraben  der  Porzellanmasse  wieder^"!).  Gegenüber 
diesen  Ansichten  scheint  das  hier  angeführte  Rezept  einen  bedeutenden  Fortschritt 
darzustellen,  ja,  man  könnte  fast  sagen,  es  erscheint  wie  eine  Art  Vorahnung  des 
wirklichen  Geheimnisses  des  Porzellans,  dadurch,  daß  hier  ein  Ton  mit  einem  Fluß- 
mittel, als  welches  die  Kalk  enthaltenden  Muscheln  und  Knochen  anzusehen  sind, 
zusammengetan  wird,  wäre  nur  auch  hier  wieder  der  Ton  als  ein  feuerbeständiger, 
mithin  als  ein  voller  Gegensatz  zu  den  Flußmitteln  erwähnt.  Doch  gerade  von 
diesem  Gegensatz,  der  das  eigentliche  Prinzip  des  Porzellans  ausmacht,  ist  auch  hier 
noch  in  keiner  Weise  die  Rede.  Im  Gegenteil,  ausdrücklich  werden  Knochen  als  ein 
Mittel  den  Ton  zum  Fließen  zu  bringen  genannt.  Und  so  stellt  dies  Rezept  doch 
wohl  nur  eine  Erweiterung  zu  den  Angaben  des  Buches  dar,  in  dem  Sinne,  daß 
hier  Knochen  an  die  Stelle  jener  ,, gewissen  andern  Bestandteile"  gesetzt  sind,  die 


38  Die  Erfindung. 

in  den  Angaben  dieses  Buches  noch  neben  den  Muscheln  erwähnt  werden,  ohne 
daß  sie  jedoch  besonders  bezeichnet  werden.  Und  wie  wenig  Böttger  selber  von 
der  Brauchbarkeit  diesesRezepts  überzeugt  gewesen  sein  muß,  das  geht  gleich  aus 
einem  andern  dicht  dabei  befindlichen  hervor,  das  da  besagt  i^^^)  „die  Chinesen 
machen  ihr  Barcelin  aus  nichts  andrem  als  Kiesel  calciniert  und  geschlemmt,  auch 
wohl  mit  etwas  sehr  feinem  geschlemmten  Thon  vermischt,  wie  denn  der  bloße,  feine 
Thon  mit  sehr  wenig  Nitro"  —  d.  i.  Salpeter  —  (,, sonst  reißt  er")  vermischt  oder 
noch  besser  mit  Wasser,  worinnen  Nitrum  solviret,  angemacht,  in  Feuer  durch- 
sichtigwird. NB  am  allerbesten  ist  es,  wenn  unter  den  calcinirten  und  geschlemm- 
ten Kiesel  zarte  Kreide  gemengt  nach  behöriger  Dosi,  so  fließt  es  leicht,  wird 
durchsichtig  und  reißt  nicht"  und  ziemlich  selbstbewußt  fügt  er  hinzu:  ,, welches 
das  ganze  Arcanum".  In  der  Tat  finden  wir  hier  zunächst  alle  Bestandteile  bei- 
sammen, aus  denen  das  Porzellan  in  der  Regel  zu  bestehen  pflegt,  Ton,  Quarz 
(Kiesel)  und  Kreide  als  Flußmittel,  aber  wie  ist  hier  das  Verhältnis  aller  dieser 
Bestandteile  im  Vergleich  zum  wirklichen  Porzellan  verschoben!  Der  Quarz, 
sonst,  wie  oben  erwähnt,  ein  durchaus  entbehrliches,  die  Fabrikation  des  Porzellans 
nur  erleichterndes  Ingredienz,  erscheint  hier  als  Hauptbestandteil,  der  Ton  aber 
als  nicht  unbedingt  nötige,  durchaus  geringfügige  Beigabe.  Salpeter  tritt  hinzu, 
ein  Hauptbestandteil  des  Glases,  und  soll  gar  den  Ton  durchsichtig  machen.  Das 
ist  kein  keramisches  Rezept  mehr !  Mittelst  dieses  war  höchstens  wieder  ein  Fritten- 
porzellan  zu  erlangen.  Das  Geheimnis  des  Porzellans  jedoch  war  Böttger  —  das 
ergibt  sich  aus  diesen  Angaben  mit  Sicherheit  —  damals  so  unbekannt,  wie  allen 
seinen  Vorgängern,  die  sich  mit  diesem  Problem  befaßt  hatten,  ja,  letzteres  Rezept 
war  durchaus  geeignet,  auch  Böttger  auf  völlig  falsche  Wege  zu  locken,  auf  jene, 
von  denen  es  so  schwer  ein  Zurück  gab.  Ein  Glück  für  ihn  und  uns,  daß  er  sich 
damals,  wenigstens  soviel  wir  wissen,  mit  praktischen  Herstellungsversuchen  auf 
diesem  Gebiete  noch  nicht  abgegeben!  Vielleicht  daß  er  sonst  den  richtigen  Weg 
zum  Porzellan  niemals  gefunden  hätte ! 

Fest  steht  jedoch,  daß  jetzt  im  Jahre  1708  die  Idee,  das  Porzellan  zu  erfinden, 
genau  wie  die  der  Begründung  der  Fliesenfabril^  eine  Folge  der  alchimistischen 
Untersuchungen  Böttgers  und  Tschirnhausens  war,  und  zwar  der  intimeren  Beschäf- 
tigung mit  den  „farbigen  Erden",  zu  denen  damals  sicherlich  auch  die  ausgesprochen 
weiß  gefärbten  gezählt  sein  werden i"^,  und  es  kann  zugleich  wohl  kein  Zweifel 
darüber  bestehen,  daß  es  namentlich  Beobachtungen,  die  man  betreffs  ihres  ver- 
schiedenartigen Verhaltens  im  Feuer,  ihres  Flüssigwerdens  oder  ihres  Festbleibens 
machte,  waren,  die  zu  weiteren  keramischen  Taten  reizten.  Denn  gerade  darauf, 
auf  die  Einwirkung  einer  hohen  Glut  auf  die  verschiedenen  Stoffe,  hatte  sich  ja 
bisher  der  größte  Teil  der  alchimistischen  Untersuchungen  beider  gerichtet.  Dennoch 
ist  es  nicht  vor  dem  März  des  Jahres  1708,  daß  wir  die  erste  Nachricht  besitzen, 
die  eine  vielleicht  schon  damalige  Beschäftigung  mit  diesem  Problem  vermuten 
läßt.  Damals  ist  davon  die  Rede,  daß  Kreide  zu  Böttgers  Experimenten  nach 
Dresden  eingeführt  werden  soll,  und  man  zerbricht  sich  gar  sehr  den  Kopf  darüber, 


Beginn  der  Erfindungsversuche. 


39 


Abb.  7.     Japanisches  Porzellan,  aus  der  Zeit  der  Erfindung  des  Porzellans.     Dresden,  Kgl.  Porzellansammlung-. 


wie  dies  so  heimlich  als  nur  irgend  möglich  geschehen  kann.  Es  wird  da  unter 
anderm  vorgeschlagen,  daß  man  sie  als  Ton  einführen  soll,  daß  Vorräte  von  Kreide 
bei  verschiedenen  Kaufleuten  gekauft  werden,  aber  dort,  bis  man  sie  brauche,  be- 
lassen werden  sollen^"*).  Die  starke  Geheimnistuerei  fällt  auf  und  läßt  darauf 
schließen,  daß  dieser  Stoff  zu  etwas  ganz  Besonderem  verwandt  werden  soll.  Tat- 
sächlich hat  man  Kreide  später  sehr  viel  zur  Porzellanherstellung  benutzt  ^°^),  wie 
auch  jenen  Alabaster,  für  den  sich  ja  bald  darauf,  wie  bereits  erwähnt,  Dr.  Bartelmei 
auf  seiner  großen  keramischen  Informierungsreise  in  Nordhausen  so  sehr  inter- 
essierte. Genau  um  dieselbe  Zeit  aber  hatte  es  Böttger  auch  ungemein  wichtig  mit 
der  Anlegung  einer  großen  Grube,  die  weit  über  1000  Taler  kosten  sollte ^°^)  und  zu 
der  Böttger  sogar  selber  Geld  vorstrecken  wollte,  wenn  er  auf  andere  Weise  keines 
erlangen  könne,  die  aber,  wie  ausdrücklich  berichtet  wird,  ausschließlich 
deshalb  angelegt  werden  sollte,  weil  selbst  Böttger  damals  noch  der  alten,  oben 
berichteten  Sage  Glauben  schenkte,  nach  der  die  Chinesen  ihre  Porzellanmasse 
hundert  Jahre  und  mehr  unter  der  Erde  vergrüben,  bevor  sie  dieselbe  verwandten^"^). 
Sie  scheint  freilich  niemals  fertig  geworden  zu  sein,  obgleich  sie  bereits  über  400  Taler 
gekostet  hatte.  Endlich  aber  im  Juli  dieses  Jahres  wird  dann  Dr.  Bartelmei  ge- 
zwungen, an  entlegener  Stelle  in  Gegenwart  mehrerer  Zeugen  einen  neuen  Eid 
zu  schwören,  des  Inhalts,  daß  er  gelobt,  alles  völlig  geheimzuhalten,  was  Böttger  ihm 
hinsichtlich  ,, unterschiedener  dem   Ostindischen   sich  zur  durchsichtigkeit   gleich 


40  Die  Erfindung. 

brennender  porcellain  massen"  als  auch  deren  Brennen,  Glasuren  und  Farben 
mitteilen  wird.  Und  in  einem  zweiten  Eide,  verspricht  er  weiter,  alles,  was  Böttger 
ihm  über  das  Porzellan  sowie  über  andere  Arcana  mitteilen  werde,  auf  seine  Brauch- 
barkeit hin  zu  untersuchen  und  über  das  Ergebnis  dem  Könige  gewissenhaft  Bericht 
abzustatten^"').  Es  ist  das  erste  Mal,  daß  in  den  Nachrichten  dieser  Zeit  das 
keramische  Produkt,  das  Böttger-  damals  suchte,  wirklich  so  bezeichnet  wird,  daß 
wir  nicht  mehr  zweifeln  können,  daß  es  sich  nun  wirklich  um  die  Auffindung  des 
Geheimnisses  des  echten  Porzellans  gehandelt  hat.  Daß  aber  diese  damals  bereits  er- 
folgt wäre,  oder  daß  man  diesem  Ziel  überhaupt  schon  nahe  gewesen  wäre,  ja  auch 
nur  schon  berechtigte  Hoffnungen  dazu  gehabt  hätte,  das  geht  aus  allen  diesen 
Angaben  durchaus  nicht  hervor,  erscheint  auch  in  Anbetracht  dessen,  was  man  weiter 
über  diese  Angelegenheit  hört,  in  keiner  Weise  wahrscheinlich.  Man  war  damals 
eben  in  der  Umgebung  Böttgers  vorsichtig  und  ließ  derartige  Eide  lieber 
schwören,  bevor  die  bedeutenden  Erfindungen,  auf  die  sie  sich  bezogen,  gemacht 
waren. 

Tatsächlich  sollte  die  Erreichung  dieses  großen  Zieles,  um  das  sich  bereits  Jahr- 
hunderte abgemüht  hatten,  dem  Tschirnhausen  schon  einmal,  aber  vergeblich, 
zugestrebt  hatte,  auch  dem  endlichen  Erfinder  nicht  ohne  weiteres  und  in  allzu  kurzer 
Zeit  gelingen.  Ein  Umweg  mußte  erst  noch  gemacht  werden,  der  zunächst  wie  ein 
völliger  Abweg  von  der  eigentlichen  Hauptbahn  erscheint,  da  er  zunächst  zur  Er- 
findung einiger  neuer  keramischer  Produkte  führte,  die  mit  dem  Porzellan  kaum 
irgend  etwas  zu  tun  zu  haben  schienen,  doch  aber  dem  Erfinder  gerade  dasjenige  in  die 
Hand  geben  sollten,  wonach  bisher  alle  Gleichstrebenden  sich  vergeblich  gesehnt 
hatten,  ohne  dessen  Auffindung  aber,  wie  die  Vergangenheit  deutlich  genug  bewiesen 
zuhaben  schien,  das  wirkliche  Porzellan  zu  gewinnennichtmöglich  war:  sein  Prinzip, 
das  Prinzip  der  Zusammensetzung  seiner  Masse.  Damit  aber  ward  der  eigentliche 
Hauptschritt  zur  Erfindung  des  Porzellans  getan.  Zugleich  aber  wurde  dadurch, 
daß  Böttger  dies  Prinzip  lediglich  vom  Boden  der  Keramik  aus  entdeckte,  er  nun 
an  dieser  Stelle  völlig  davor  bewahrt,  dies  Prinzip,  wie  alle  seine  Vorgänger,  im 
Bereich  der  Glasfabrikation  zu  suchen:  so  viel  wir  wissen,  ist  Böttger  praktisch 
niemals  darauf  ausgegangen,  die  Herstellung  des  Porzellans  mittelst  einer  Fritte 
zu  suchen,  auf  die  seine  früheren  Rezepte  allem  Anscheine  nach  noch  hinaus- 
gelaufen waren.  Er  hat  vielmehr,  mitten  in  seinen  übrigen  keramischen  Arbeiten 
begriffen,  auch  das  Geheimnis  des  Porzellans  im  Bereich  der  Keramik  zu  finden 
gesucht  und  es  hier  dann  auch  endlich,  eben  weil  er  es  hier  suchte,  glücklich 
gefunden. 

Doch  auch  diese  neuen  keramischen  Erfindungen,  die  für  die  ganze  Weiter- 
entwicklung der  Böttgerschen  keramischen  Arbeiten  eine  so  große  Bedeutung 
gewinnen  sollten,  sind,  wie  alle  seine  bisherigen  keramischen  Bestrebungen ^°^), 
eine  Folge  der  bis  dahin  gemachten  alchimistischen  Untersuchungen  und  Beob- 
achtungen gewesen  ^"^).  Sie  gingen  gleichfalls  aus  von  der  Prüfung  der  farbigen 
Erden,  in  diesem  Falle  wohl,  wie  sich  später  zeigen  wird,  in  erster  Linie  von  der  der 


Marmorierte  Fliesen.  41 

roten,  die  schon  um  ihrer  Farbe  ^^°)  willen,  da  gerade  sie  um  ihrer  Verwandtschaft 
mit  der  des  Goldes  willen  in  der  Alchimie  eine  bedeutende  Stellung  einnimmt, 
bei  derartigen  Untersuchungen  eine  ganz  besondere  Rolle  gespielt  zu  haben  scheinen. 
Indem  man  jetzt  auch  diese  unter  die  großen  Brenngläser  nahm  und  sie  dort,  wie  alle 
anderen  Materien,  die  zur  Untersuchung  gezogen  wurden,  zu  schmelzen  ver- 
suchte, machte  man  hier  die  an  sich  wohl  nicht  gerade  auffällige  Beobachtung,  daß 
„immer  eine  vor  der  anderen  flüssig  als  die  andere,  auch  aus  denen  geflossenen 
gesehen,  daß  immer  eine  andere  Koleur  als  die  andere  im  Flusse  gebe",  d.  h.  mit  an- 
deren Worten,  daß  die  verschiedenen  Erden  dieser  Art  bei  ganz  verschiedenen  Hitze- 
graden zu  schmelzen  begannen,  auch  hinsichtlich  ihrer  Farbe  sich  hierbei  durchaus 
verschieden  verhielten.  Es  handelte  sich  hier  um  Beobachtungen  farbiger  Verände- 
rungen unter  dem  Einflüsse  von  Hitze,  wie  sie  ähnlich  Tschirnhausen  schon  früher  bei 
seinen  eigenen  Experimenten  gemacht  zu  haben  scheint  ^^^).  Aber  den  nun  mitten  im 
keramischen  Fahrwasser  Befindlichen  gaben  sie  eine  neue  keramische  Idee  ein : 
man  beschloß,  diese  farbigen  Erden  miteinander  zu  vermengen  und  aus  ihnen, 
wie  es  heißt,  ,,auf  Art  deren  Holländischen  blauen  Delfter"  Fliesen  herzustellen, 
Fliesen,  wie  man  sie  ja  gerade  damals  auch  durch  die  Steinbäckerei  zu  fabrizieren 
strebte,  die  sicherlich  auch  zum  Aufkämmen  dieser  neuen  keramischen  Idee  die 
Anregung  gegeben  haben  werden. 

In  Wirklichkeit  scheint  es  sich  hier  um  die  Herstellung  eines  künstlichen  ^^^j 
Edelgesteins,  einer  Art  Kunstmarmor,  gehandelt  zu  haben  und  damit  um  die  Ge- 
winnung eines  sich  äußerlich  prächtig  und  wertvoll  gebenden  Produktes  aus 
an  sich  wertlosen  und  unansehnlichen  Stoffen.  Versuche  dieser  Art  lagen  damals 
in  der  Luft,  ja  sie  scheinen,  wenn  sie  sich  auch  vor  diesen  Versuchen  Böttgers 
in  Sachsen  nicht  nachweisen  lassen  i^^),  doch  für  diese  Zeit  geradezu  typisch  ge- 
wesen zu  sein,  für  diese  Zeit  des  Barocks,  die  den  äußeren  Glanz  und  Prunk  liebte, 
mehr  als  wohl  irgendeine  Epoche  vor  oder  nachher.  Die  Rezeptbücher  und 
technischen  Anweisungen  dieser  Zeit  sind  voll  von  derartigen  Rezepten,  die  freilich 
in  der  Regel  zunächst  auf  das  noch  lohnendere  Ziel  hinwiesen,  die  noch  kostbare- 
ren Edelsteine  wie  Rubine,  Smaragde,  Saphire  usw.  nachzubilden,  und  wenn  man 
ihnen  Glauben  schenkt,  so  war  dies  Streben  auch  schon  vielfach  aufs  allerbeste 
geglückt.  Doch  hier  in  Sachsen  war  man  damals  keineswegs  mit  diesen  verwandten 
Bestrebungen  gleich  so  glücklich.  Sei  es,  daß  das  Gemenge  verschiedenfarbiger 
Erden  —  wie  es  sehr  wahrscheinlich  ist  —  nach  dem  Brande  stumpf  und  unan- 
sehnlich ausfiel,  oder  sei  es,  daß  man  ihm  nur  jenen  Glanz  zu  geben  strebte,  den 
ihr  Vorbild,  die  Delfter  Fliesen  durch  ihre  prächtige  Glasur  zu  empfangen  pflegten: 
als  man,  da  für  das  neue  Produkt  keine  Glasur  zur  Verfügung  stand,  auf 
die  Idee  kam,  an  Stelle  einer  solchen  ein  Mittel  anzuwenden,  das  an  sich  der 
Keramik  damals  so  fremd  wie  nur  irgendeines  war,  das  aber  gerade  dem  Kreise, 
in  dem  sich  Böttger  bewegte,  ungemein  nahe  lag,  da  es  die  Haupttechnik  Tschirn- 
hausens bei  allen  seinen  bisherigen  industriellen  und  selbst  optischen  Unterneh- 
mungen gewesen  war,   kurz  als  man  zu  diesem  Zwecke  die  der  Glas-  und  Edel- 


42  Die  Erfindung. 

stein-Industrie  entnommene  Technik  des  Schleifens  anwenden  wollte,  mißlang  dies 
vollkommen.  Es  stellte  sich  naturgemäß  heraus,  daß  die  verschiedenfarbigen,  nun 
zusammengemischten  Erden  nach  dem  Brande,  je  nachdem  sie  im  Feuer  flüssig 
geworden  waren,  auch  die  durch  das  Schleifen  bewirkte  Politur  ganz  verschieden 
annahmen,  in  der  Weise,  daß  die  strengflüssigeren,  die  nach  dem  Brande  weniger 
zusammengesintert  und  darum  poröser  ausfielen,  sich  weniger  gut  schleifen  ließen 
als  die  leichtflüssigeren,  aber  nach  dem  Brande  in  ihrer  Struktur  geschlosse- 
neren. Die  Oberfläche  eines  solchen  Stückes  gab  sich  nach  dem  Schleifen  gänzlich 
verschieden,  ihre  Einheitlichkeit  ging  verloren,  sie  ward  nicht  gleichmäßig  glatt. 
Mit  diesem  Resultate  war  noch  nicht  allzuviel  anzufangen. 

Doch  gerade  dieser  Mißerfolg,  so  bedrückend  er  auch  für  den  Augenblick 
gewirkt  haben  mag,  und  so  leicht  er  diese  ganzen  keramischen  Bestrebungen  damals 
zum  völligen  Stillstand  hätte  bringen  können,  er  ward  der  eigentliche  Anlaß  zu 
einem  ganz  bedeutenden  technischen  Fortschritt,  zu  jenem,  der  dann  am  Ende 
dieser  ganzen  Entwicklung  wirklich  zur  Erfindung  des  so  heiß  ersehnten  Por- 
zellans geführt  hat.  Not  macht  erfinderisch,  und  so  betrat  man  nun  hier, 
um  aus  diesem  unerwarteten  Dilemma  herauszukommen,  einen  Weg,  der  für  die 
Keramik  gänzlich  neu  war,  der  aber  schließlich,  wenn  konsequent  befolgt,  zur 
Erkenntnis  jenes  Prinzips,  das  das  des  Porzellans  darstellt,  führen  mußte:  man  kam 
auf  die  Idee  des  Mischens,  des  Zusammenmengens  verschiedener  Massen,  die  sich 
im  Feuer  hinsichtlich  des  Fließens  durchaus  verschieden  verhielten,  man  ver- 
mengte mit  den  strengflüssigeren  Erden  leichtflüssigere,  sogenannte  Flüsse, 
die  für  sich  allein  in  der  Hitze  zu  schmelzen  und  dann  nach  der  Erkaltung  eine 
geschlossene  Masse  zu  bilden  pflegten,  nun  aber  in  Verbindung  mit  den  streng- 
flüssigeren, nach  dem  Brande  porösen  Stoffen  in  deren  Poren  drangen  und 
sie  ausfüllten,  so  daß  ihr  Gemenge  gleichfalls  kompakt  und  geschlossen  ausfiel. 
Und  so  kam  man  schließlich  dahin  —  jedenfalls  aber  erst  nach  vielem  Probieren 
— ,  für  die  verschieden  gefärbten,  aber  zu  einem  Stücke  vereinigten  Erden, 
die  gleiche  Leichtigkeit  des  Flüssigwerdens  im  Brande  wie  denselben  Grad  des 
Geschlossenseins  nach  demselben  zu  erreichen.  Und  hierauf  ließ  sich  dann  auch 
die  Politur  mittels  Schleifens  an  allen  Teilen  in  gleicher  Weise  anbringen.  Damit 
aber  war  das  Ziel,  das  bei  diesen  Versuchen  zunächst  vorgeschwebt  hatte,  völlig 
erreicht:  man  hatte  die  Möglichkeit  gewonnen,  ein  mehrfarbiges  keramisches 
Produkt  zu  erzielen  mit  glänzender  Oberfläche,  ein  Produkt,  das,  wenn  wirklich 
gut  ausgeführt,  für  die  Keramik  eine  ebenso  neue,  wie  glänzende  Bereicherung 
bedeutete. 

Doch  war  damit  nun  nicht  auch  wirklich  zugleich  der  Weg  zur  Erkenntnis  des 
Prinzips  des  Porzellans  gefunden  ?  Was  war  bisher  geschehen  ?  Man  hatte  —  soweit 
wir  es  heute  noch  feststellen  können  —  zum  erstenmal  in  der  Keramik  eine  Masse 
aus  verschieden  fließenden  Materien,  aus  leicht-  und  strengflüssigen,  zusammen- 
gestellt, man  hatte  letztere  in  ihrer  Gegensätzlichkeit  in  diesem  Punkte  einander 
gegenübergestellt.    Jetzt  brauchte  man  nur  in  dieser  Weise  noch  weiter  zu  gehen, 


Annäherung  aus  Prinzip. 


43 


Abb.  8.     Böttgersteinzeug,  Probeplatten  mit  Schleif  versuchen.     Länge  14  cm.    Dresden,  Kgl.  Porzellansammlung. 


man  brauchte  nur  den  Gegensatz  der  beiden  Stoffe  hinsichtlich  ihrer  Schmelzbarkeit 
bis  zu  seinem  äußersten  Extrem  zu  führen,  d.  h.  einen  völlig  unschmelzbaren 
Stoff  mit  einem  schmelzbaren  zu  verbinden,  und  das  Prinzip  des  Porzellans  war  in 
der  Tat  gefunden,  damit  die  Möglichkeit  gegeben,  jetzt  jene  keramische  Materie 
zu  gewinnen,  die  auf  der  einen  Seite  durch  ihre  Masse  sich  kompakt  gibt,  wie  sie 
auf  der  anderen  Seite  durch  ihre  Durchscheinbarkeit  den  Anschein  von  etwas 
Lockerem  und  Unfestem  erweckt. 

So  war  zum  erstenmal  für  uns  noch  heute  erkennbar  in  der  Geschichte  der 
Porzellanerfindung  wirklich  der  Augenblick  gekommen,  da  es  möglich  war,  das 
echte  Porzellan  zu  erfinden,  und  er  sollte  nun  auch  in  der  Tat  nicht  ungenutzt  vor- 
übergehen. Es  ist  das  große  Verdienst  des  endlichen  Erfinders  des  Porzellans  ge- 
wesen, daß  er  die  Bedeutung  des  für  ein  ganz  anderes  keramisches  Produkt  auf- 
gefundenen Prinzips  damals  auch  für  dies  große  Problem  wirklich  erkannt,  daß 
er  aus  ihm  die  richtigen  Schlüsse  gezogen  und  mit  aller  Konsequenz  durchgeführt 
hat.  Dadurch  allein,  durch  die  weitere  geistige  Arbeit  des  Entdeckers  dieses 
Prinzips  nach  dieser  Richtung  hin,  ist  dann  die  bedeutende  Tat  auch  wirklich 
zustande  gekommen. 

Doch  noch  immer  nicht  allsogleich.  Auf  den  Umweg,  der  zur  Feststellung 
des  neuen  keramischen  Prinzips  geführt  hatte,  sollte  noch  ein  kleiner  Abweg  folgen, 
ein  kleines  Abschweifen,  das  zwar  durchaus  im  Bereich  der  Keramik  blieb  und 
hier  wiederum  mit  einer  Tat  schloß,  die  ihrem  Urheber  alle  Ehre  machte  und  für 
die  Keramik  gleichfalls  wiederum  eine  wirkliche  Bereicherung  bedeutete,  die  Er- 
findung des  Porzellans  jedoch,  wie  wir  heute  wissen,  kaum  nennenswert  gefördert 
hat,  wenn  man  hierüber  auch  damals  zu  den  Zeiten  der  Erfindung  ganz  anders 
gedacht  hat.  Auch  diese  neue  Erfindung  ging  wieder,  wie  alle  die  bisherigen  kerami- 
schen Bestrebungen  Böttgers,  von  den  Untersuchungen  der  gefärbten  Erden  und  den 


44  Die  Erfindung. 

hierbei  gemachten  Beobachtungen  aus,  sie  war  gleichfalls  die  Folge  der  nun  einmal  er- 
weckten keramischen  Lust,  die  zu  immer  neuen  Projekten  antrieb,  zu  immer  neuen 
Erzeugnissen,  von  deren  industrieller  Ausnutzung  man  sich  einigen  Vorteil  für 
Sachsen  versprechen  konnte.  Man  hatte  unter  den  farbigen  Erden  —  aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach,  wie  oben  bereits  angedeutet,  schon  aus  alchimistischen  Gründen — 
auch  die  roten  Erden  vorgenommen,  war  hierbei  auch  auf  jene  durch  Eisenoxyde 
rot  gefärbte,  damals  ,, Nürnberger  Rot"  oder  ,, Nürnberger  Erde",  auch  Bolus 
oder  Terra  sigillata  genannte  Erde  gestoßen,  die  seit  dem  16.  Jahrhundert 
bereits  in  den  Arzneischatz  eingeführt  war^^^)  und  darum  sicherlich  Böttger,  dem 
ehemaligen  Apotheker,  schon  lange  vorher  bekannt  gewesen  sein  muß.  Auch  Dr. 
Bartelmei  hatte  ja  auf  seiner  Informationsreise  nach  Leipzig  einen  solchen  roten 
Ton  bei  den  dortigen  Händlern  gefunden  und  Proben  von  ihm  mit  den  ebenfalls 
dort  aufgefundenen  weißen  Erden  nach  Dresden  senden  lassen^^^).  Auch  war  viel- 
leicht schon  damals  eine  solche  Erde  in  Dresden  bei  einem  gewissen  Kaufmann 
Böhme  zu  erlangen,  von  dem  sie  Böttger  später  nachweislich  lange  Zeit  bezogen 
hat^^^).  Nun  aber  stellte  es  sich  heraus,  daß  wenn  man  diese  Erde  mit  einem 
Lehm  als  Flußmittel  vermischte,  den  man  sich  ganz  nahe  von  Dresden  aus  dem 
südwestlich  von  dieser  Stadt  gelegenen  sogenannten  Plauenschen  Grunde  holte 
und  der  sich  als  besonders  leichtflüssig  im  Feuer  herausgestellt  hatte,  diese  Mischung, 
da  der  Lehm  die  an  sich  porös  ausfallende  rote  Erde  völlig  durchdrang,  eine 
Masse  ergab,  die  nach  dem  Brande  ganz  ,, kompakt"  oder,  wie  man  damals  auch 
sagte,  ,,porcellainhaft"  ausfiel,  und  zugleich,  wenn  hart  gebrannt,  die  Politur  durch 
Schleifen  in  höchst  erfreulichem  Maße  annahm.  So  schien  sie  sich  ganz  besonders 
gut  zur  Herstellung  der  gewünschten  Fliesen  zu  eignen.    (Abb.  8.) 

Doch  jetzt  war  die  Zeit  gekommen,  wo  man  sich  hier  auf  dem  Gebiet  der 
Keramik  keineswegs  mit  der  Herstellung  solcher  einfachen  Sachen  begnügen,  wo 
man  seinen  keramischen  Wirkungskreis  vielmehr  beträchlich  erweitern  wollte.  Schon 
um  diese  Zeit  wird  es  gewesen  sein,  daß  man  auch  der  in  Alt-Dresden  begründeten 
Steinbäckerei  eine  sogenannte  ,, Rundbäckerei"  hinzuzufügen  suchte,  eine  Anstalt, 
in  der,  wie  es  in  fast  allen  Fayencefabriken  zu  geschehen  pflegte,  in  erster  Linie 
Hohlgefäße,  d,  h.  auf  der  Töpferscheibe  gedrehte  oder  sonstwie  geformte  Gefäße, 
hergestellt  werden  sollten  ^^^).  Eine  solche  Fabrikation  bot,  wenn  siegelang,  noch 
ganz  andere  Aussichten  auf  Einnahmen,  als  die  von  Fliesen,  mit  deren  Herstel- 
lung man  hier  bescheiden  genug  angefangen  hatte.  Um  sie  durchzuführen,  reichten 
freilich  die  Kenntnisse  des  Meisters  der  Steinbäckerei,  der  inzwischen  nicht  einmal 
mit  seinen  Fliesen  zustande  gekommen  war,  nicht  aus.  So  hatte  Böttger  seine  Blicke 
von  neuem  nach  auswärts  schweifen  lassen  müssen  und  einen  gewissen  Peter  Egge- 
brecht aus  Berlin  herbeigeholt^^^),  den  er  wahrscheinlich  der  dort  gegründeten, 
bereits  oben  erwähnten ^^^)  Fayencefabrik,  die  damals  von  einem  gewissen  Funke 
geleitet  wurde,  entzog.  Ihm  wurden  noch  einige  sächsische ^2°)  Töpfergesellen  bei- 
gegeben. Nun  beschloß  man,  auch  die  neu  erfundene  rote  Masse  zu  gleichen  Zwecken 
zu  verwenden,   auch  aus  ihr  Gefäße  zu  bilden. 


Das  rote  Steinzeug. 


45 


Abb.  9.    Chinesisches  rotes  Steinzeug  aus  der  Zeit  der  Erfindung  des  Büttj;ersteinzeug-s.    Dresden,  Kgl.  Porzellansammlung. 

Es  kann  kein  Zweifel  sein,  daß  Böttger  zu  diesem  Entschluß  starke  Anregungen 
von  außen  empfangen  hat.  Vielleicht  schon  durch  jenes  bereits  oben  erwähnte 
Buch,  betitelt:  „Wieder  Neuaufgerichtete  und  vergrößerte  in  zwey  Theilen  an- 
gewiesene erwiesene  Kunst  und  Werkschule"  ^2^),  indem  sich  ein  Kapitel  aus  dem 
gleichfalls  bereits  erwähnten  „Weise  Narrheit  und  närrische  Weisheit"  betitelten 
Buche  des  Chemikers  und  Nationalökonomen  Becher  befindet,  das  bei  Erwähnung 
der  oben  angeführten  Porzellanversuche  in  England  bereits  als  Rezept  für  das 
dort  damals  gleichfalls  gemachte  rote  Steinzeug  Bolus,  vermischt  mit  Lehm,  angibt, 
also  genau  jenes,  das  auch  Böttger  befolgt  hat.  Sicher  aber  ist ^2^),  daß  Böttger  bei  der 
Herstellung  und  Ausnutzung  dieser  Masse  genau  wie  bei  seinem  Suchen  nach  dem  Ge- 
heimnis des  Porzellans,  ein  chinesisches  Erzeugnis  vor  den  Augen  stand,  jenes  schon 
mehrfach  erwähnte,  damals  gleichzeitig  mit  dem  chinesischen  Porzellan  in  größeren 
Mengen  aus  China  nach  Europa  gelangende  Steinzeug,  das  dort  in  der  Provinz  Ji- 
shing  seit  dem  16.  Jahrhundert  hergestellt  wurde ^^^)  und  anfangs  unter  dem  Namen 
boccaro  von  den  Portugiesen  nach  Europa  gebracht  worden  war,  jenes  keramische 
Produkt,  das,  wie  erwähnt,  bereits  in  den  Kreisen,  wo  man  wie  Böttger  nach  der 
Erfindung  oder  Nachahmung  des  Porzellan  strebte,  in  Holland  wie  in  England  zu 
mehrfachen  Nachahmungen  geführt  hatte.  Es  v/ar  in  der  Tat  ein  recht  hübsches 
Produkt,  in  der  Regel  von  schöner  roter  Farbe;  doch  gab  es  daneben  auch  Spiel- 
arten in  gelben,  grauen,  braunen  und  schwarzen  Tönen,  ja,  es  war  den  Chinesen 
sogar  gelungen,  verschieden  gefärbte  Tone  an  einem  und  demselben  Stücke  zu 
vereinen ^24^  l^  China  selber  erfreute  sich  dieses  Produkt  einer  ganz  besonderen 
Beliebtheit,  da  man  der  Ansicht  war,  daß  es  das  Leibgetränk  der  Chinesen,  den 
Tee,  ganz  besonders  lange  warmzuhalten  vermöchte.  Es  wurden  daher  aus  diesem 
Stoffe  in   erster  Linie  Geschirre  zum  Teetrinken  hergestellt,  Teetöpfe  und  Tee- 


46  Die  Erfindung. 

lassen,  erstere  oft  in  merkwürdig  phantastisch-naturalistischen  Formen,  da  sie, 
fast  ausschheßlich  plastisch  verziert,  durchaus  jener  eigenartigen  Formensprache 
verfielen,  die  die  chinesische  dekorative  Plastik  von  je  ausgezeichnet  hat  (Abb.  9). 
Auch  in  Europa  standen  diese  Erzeugnisse  in  ganz  besonderem  Ansehen,  weil  die 
keramische  Unkenntnis  der  Zeit  sie  durchaus  für  Porzellan  hielt.  Denn  der  Begriff 
Porzellan  war  damals  bei  dem  noch  völligen  Mangel  einer  keramischen  Nomen- 
klatur und  Systematik  ein  ganz  erstaunlich  weiter.  Fayencen  wie  Steinzeug  ward 
dieser  Name  ganz  ohne  Bedenken  beigelegt,  ersteren  wohl  in  der  Regel,  um  durch 
möglichst  klangvolle  Bezeichnung  ihren  Wert  zu  erhöhen.  Wollte  man  dann  das 
wirkliche  Porzellan  im  Gegensatz  zu  diesen  wirklich  klar  als  solches  bezeichnen, 
dann  blieb  kaum  etwas  anderes  übrig,  als  auf  seine  hervorstechendste,  von  keinem  an- 
deren keramischen  Produkt  geteilte  Eigenschaft  der  Durchscheinbarkeit  hinzuweisen 
und  es  kurzer  Hand  das  durchscheinende  Porzellan  zu  nennen  ^^s^  §q  j^g^jj^  gg^ 
daß  sicherlich  damals  keiner  eine  Ahnung  hatte,  daß  dieses  chinesische  Steinzeug 
viel  eher  den  festen,  steinharten  Produkten  verwandt  war,  die  namentlich  in 
Deutschland,  am  Rhein,  in  Franken  und  andern  Orten  schon  seit  Jahrhunderten 
hergestellt  wurden  und  heute  ganz  allgemein  als  Steinzeug  bezeichnet  werden, 
als  jenem  delikaten  Erzeugnis,  das  heute  allein  noch  Porzellan  heißt  und  ein  so 
gänzlich   andersgeartetes  keramisches  Erzeugnis  ist. 

Auch  von  Böttger  und  seiner  Umgebung  ist  dies  chinesische  Erzeugnis  mit  voller 
Überzeugung  für  Porzellan  gehalten  worden,  es  hieß  dort  „rotes  Porzellan".  Darum 
erhielt  auch  seine  Nachahmung  diese  Bezeichnung:  stolz  ward  sie  jetzt ,,  Jaspispor- 
zellan" genannt,  nach  jenem  schönen,  in  der  Regel  roten  Edelgestein,  das  gerade  in 
Sachsen,  im  Erzgebirge,  sich  an  mehreren  Stellen  vorfand  und  wahrscheinlich  der 
erste  ,, Landedelstein"  gewesen  ist,  den  T^cÄtmÄaM^e^i  künstlerisch  hatte  bearbeiten 
lassen^^^).  Gewiß  spielte  auch  wieder  bei  dieser  Benennung,  wie  bei  der  Herstellung 
der  marmorierten  Fliesen  die  damals  so  beliebte  Nachahmung  edleren  Gesteins  mit 
hinein,  der  ja  dann  auch  die  auch  an  diesem  Stoffe  bald  angewandte  Technik 
des  Schleifens  entsprach. 

Indessen,  was  ßö/^ger  jetzt  erstrebte,  die  Ausnutzung  dieser  Masse  zur  Gewin- 
nung von  Gefäßen,  gelang  zunächst  ebensowenig,  wie  dies  bisher  in  der  neugegrün- 
deten Rundbäckerei  mit  der  Fayence  glücken  wollte.  Die  Schuld  lag  freilich  in 
keiner  Weise  an  dem  Erfinder,  vielmehr  allein  an  der  Schwierigkeit,  so  plötzlich 
in  Dresden,  das  bisher  in  der  Töpferkunst  nicht  die  geringste  Rolle  gespielt  hatte, 
einen  höheren  keramischen  Betrieb  einzurichten.  Böttger  selber  war  ja  auf  diesem 
Gebiet  kein  Fachmann.  Auch  die  Bücher,  die  ihm  für  dies  Gebiet  zur  Verfügung 
standen,  konnten  die  fehlende  Praxis  ebensowenig  ersetzen  wie  die  Erkundigungen, 
die  Dr.  Bartelmei  hierüber  auf  seinen  Informierungsreisen  eingezogen  hatte.  So 
war  Böttger  durchaus  auf  die  simplen  Praktiker  dieses  Gebiets,  die  Töpfer,  ange- 
wiesen. Aber  gerade  diese  zu  gewinnen,  hielt  damals  schwer  genug.  Ganz  Deutsch- 
land war  ja  damals  ein  Land,  in  dem  die  Keramik,  verglichen  mit  der  anderer 
Länder,  nicht  allzu  hoch  stand;  die  Fayencefabriken,  die  jetzt,  der  Mode  der  Zeit 


Technische  Hindernisse.  47 

folgend,  an  vielen  Stellen  entstanden,  waren  damals  fast  alle  im  Stadium  des  An- 
fanges, mühten  sich  zum  Teil  ebenso  ab,  etwas  Brauchbares  zustande  zu  bringen, 
wie  es  die  Stein-  und  Rundbäckerei  Böttgers  tat.  Wirklich  geschulte  Kräfte 
von  auswärts  zu  bekommen,  hielt  daher  ungemein  schwer.  In  Sachsen  selber  aber 
vor  allem  stand  ja  die  Keramik  damals  nicht  sehr  hoch.  Es  wurde  dort  allem 
Anscheine  nach  an  einer  Stelle  ein  mäßiges  Steinzeug  hergestellt,  sonst  gab  es, 
soweit  wir  wissen,  nur  Töpfereien,  in  denen  die  einfachsten  Produkte  aus  schwach 
gebrannten  Massen  mit  einfachen  Glasuren  hergestellt  wurden^^?)  p^r  die  Rund- 
und  Steinbäckerei  hatte  Böttger  daher  von  vornherein,  wie  gezeigt,  Töpfer  von 
auswärts  zu  bekommen  sich  bemüht,  für  die  rote  Masse  jedoch  versuchte  es 
Böttger,  wohl  weil  dies  bisher  doch  nicht  allzuviel  genutzt  hatte,  mit  einheimischen 
Kräften,  zunächst  mit  dem  Dresdner  Hoftöpfer  Fischer^^^).  Dieser  drehte,  nachdem 
die  Arbeiter  Böttgers  vorher  die  Materialien  gestoßen  und  auf  Marmorplatten 
gerieben,  dann  auf  einer  Maschine  dieses  Töpfers  gemahlen  hatten,  und  die  Masse 
dann  auch  im  übrigen  fertiggestellt  worden  war,  die  ersten  Stücke  aus  derselben 
auf.  Da  er  jedoch,  allem  Anscheine  nach  die  Notlage,  in  der  sich  Böttger  be- 
fand, ausnutzend,  für  einige  wenige  Proben,  die  er  ihm  aufdrehte,  täglich  nicht 
weniger  als  einen  Dukaten  verlangte,  so  sah  Böttger  sich  bald  nach  billigeren  Hilfs- 
kräften um.  Doch  es  hielt  schwer  genug,  solche  zu  bekommen,  obwohl  am 
Rathause  zu  Dresden  ein  königliches  Patent  angeschlagen  ward,  des  Inhalts, 
daß  einige  Töpfer  angenommen  und  gut  bezahlt  werden  sollten:  es  meldete  sich 
einfach  niemand,  da  merkwürdigerweise  allgemein  an  dem  dauernden  Bestand  des 
neuen  Unternehmens  gezweifelt  wurde  und  daher  wohl  keiner  gewillt  schien,  seine 
bisherigen  festen  Positionen  freiwillig  aufzugeben.  In  seiner  Not  wandte  man  sich 
da  nach  Pirna,  wo  schon  damals  wie  später  die  Töpferei  lebhaft  betrieben  wurde  i^^), 
ja,  man  schickte  eigene  Deputierte  dorthin,  unter  denen  sicherlich  wieder 
Dr.  Bartelmei  gewesen  sein  wird,  denen  es  auch  endlich  gelang,  einen  dortigen 
Meister  und  Bürger  namens  Peter  Geitner  zu  überreden,  mit  nach  Dresden  zu 
kommen.  Doch  auch  dieser  scheint  nicht  allzuviel  von  seiner  Kunst  verstanden 
zu  haben.  Denn  es  mußte  ihm  erst  ein  Goldschmied,  der  „Hofsilberarbeiter"  Johann 
Jakob  Irminger,  ein  tüchtiger,  geschickter  Mann,  der  bald  noch  die  engste  Verbin- 
dung mit  Böttgers  keramischen  Unternehmungen  gewinnen  sollte,  im  Hause  des 
Dr.  Bartelmei  auf  Grund  seiner  Kunst,  in  Silber  zu  drehen,  diese  Technik  in  dem 
ihm  an  sich  ganz  fremden  Materiale  beibringen,  was  schließlich  auch  gelang,  nicht 
ohne  daß  jedoch  auch  noch  Peter  Eggebrecht,  der  Berliner  Meister  der  Altdresdner 
Steinbäckerei  einige  Belehrungen  dazu  gab,  die  wirkliche  Verbesserungen  waren. 
Sobald  aber  dann  die  Gefäße  glücklich  aufgedreht  und  gebrannt  waren,  wurde 
gleich  versucht,  auch  ihnen  Verfeinerung  durch  jenes  Schleifen  zu  geben,  das 
man  bisher  bei  den  marmorierten  Fliesen  zur  Anwendung  gebracht  hatte.  Böttger 
hatte  vielleicht  für  dieses  schon  damals  einen  Glasschleifer  engagiert  ^^°).  Es  gelang 
völlig,  sobald  die  Masse  so  fest  zusammengebrannt  war,  daß  sie  nicht  mehr  an  der 
Zunge  klebte,  d.  h.  nicht  mehr  porös  war^'^),  und  damit  war  auch  diese  Masse  in 


48  Die  Erfindung. 

jeder  Beziehung  keramisch  brauchbar  geworden.  Aber  es  muß  eine  aufregende 
Zeit  gewesen  sein.  Tag  und  Nacht,  so  wird  berichtet,  mußten  die  Arbeiter  die 
Materialien  stoßen,  auf  den  Marmorplatten  reiben  und  der  Maschine  des  Hoftöpfers 
mahlen.  Vor  Eifer  kamen  Böttger  und  seine  Gehilfen  verschiedene  Nächte 
hintereinander  nicht  ins  Bett,  so  daß  sie  zuletzt  über  der  Arbeit  einschliefen. 
Unaufhörlich  brannten  fünf  Laborieröfen ;  man  machte  immer  neue  Versuche  im 
Brennen,  endlich  bekam  das  neue  Produkt  eine  solche  Vortrefflichkeit,  daß  Böttger 
damit  völlig  zufrieden  war.    Man  war  am  Ziele  seiner  Wünsche  ^^2). 

Als  aber  dann  Eggebrecht  sich  an  die  Arbeit  gemacht  hatte  und  es  ihm  gelang, 
in  wenigen  Stunden  soviel  Gefäße  zu  verfertigen,  als  zuvor  kaum  in  14  Tagen  zu- 
stande gekommen  waren,  da  ließ  Böttger  größere  Öfen  bauen,  die  —  wohl  aus 
Vorsicht,  d.  h.  um  einer  langsamer  steigenden  Erhitzung  |der  Produkte  willen  — 
fünf  Tage  und  fünf  Nächte  brannten.  Böttger  selber  kam  hierbei  wieder  nicht 
vom  Platze,  er  leitete  selber  den  Brand,  nur  dann  und  wann  kühlte  er  sich  in 
einer  Kohlenkammer  ab  und  ruhte  ein  wenig,  und  auch  dieser  Brand  gelang  voll- 
kommen. In  seiner  Freude  scheint  er  dann  damals  bereits  auch  dem  König 
hiervon  Nachricht  gegeben  zu  haben.  Er  kam  selber  zum  nächsten  Brande  mit 
seinem  Statthalter,  dem  Fürsten  von  Fürstenberg,  und  Böttger  soll  ihm  die  Güte 
seines  neuen  Erzeugnisses  durch  das  recht  drastische  Mittel  dargetan  haben,  daß 
er  eine  Teekanne  aus  der  Glut  herausnahm  und  in  ein  Gefäß  voll  Wasser  warf, 
ohne  daß  sie  zersprang  oder  auch  nur  einen  Riß  bekam.  Man  kann  sich  den 
Beifall  des  Königs  denken.  ►  Er  soll  Böttger  damals  mit  Ehrungen  überhäuft 
haben^33). 

Wir  wissen  heute  leider  in  keiner  Weise,  in  welchem  Monat  des  Jahres  1708 
Böttger  auf  diesem  Gebiete  seine  ersten  Erfolge  hatte,  wann  überhaupt  die  Er- 
findung dieser  roten  Masse  gelang,  ebensowenig,  wann  zuerst  der  Plan  auftauchte, 
sie  zu  erfinden,  und  wann  sie  wirklich  erfunden  ward^^^).  Vielleicht,  daß 
eines  dieser  Ereignisse  es  gewesen  war,  das  Anlaß  zu  jenem  neuen  Eide  gab,  den 
Dr.  Bartelmei  im  Juli  des  Jahres  1708  hatte  schwören  müssen,  zumal  sich  auch  aus 
dieser  Zeit  zum  erstenmal  eine  Rechnung  für  Ausgaben  findet,  die  für  die  ,, feine 
Porzellanmanufaktur",  worunter  nach  dem  damaligen  Sprachgebrauch  durchaus 
die  Herstellung  des  roten  Steinzeugs  verstanden  werden  kann,  gemacht  worden 
waren^^^).  Vielleicht  auch,  daß  die  Erfindung  erst  im  September  geschah, 
von  welchem  Monat  an  sich  die  ersten  Lohnzahlungen  für  Töpfer  und  Glasschneider 
nachweisen  lassen  ^3^).  Nach  der  einzigen,  wenn  auch  wiederum  durchaus  nicht 
ganz  genauen  Zeitangabe,  die  wir  aus  dieser  Zeit  selber  über  diese  Erfindung  be- 
sitzen, könnte  sie  freilich  erst  nach  dem  Oktober  dieses  Jahres  erfolgt  sein^^'). 

Böttger  aber  scheint  nun,  nachdem  er  soweit  gelangt  war,  mit  allem  Eifer  daran- 
gegangen zu  sein,  diese  neue  Masse  auch  wirklich  auszunutzen^ 2^),  damit  er  dem 
König  endlich  einmal  etwas  Positives  und  wirklichen  Gewinn  Versprechendes  für 
seine  vielen  bisherigen  Opfer  überreichen  könnte.  Neue  Öfen  sollen  damals 
wiederum  gebaut,  mehr  Arbeiter  angenommen  worden  sein,  in  der  Neujahrsnacht 


Fortgang  der  Porzellanerfindungsversuche.  49 

aber  wäre  dabei  durch  unvorsichtiges  Heizen  dieser  Öfen  beinahe  das  ganze  Labora- 
torium Böttgers  sowie  das  daneben  befindliche  Haus,  in  welchem  er  wohnte,  ab- 
gebrannt. Doch  glückte  es  noch  rechtzeitig,  den  ausgebrochenen  Brand  zu 
löschen  ^^^). 

Doch  inzwischen  hatte  man  hier  trotz  der  Erfindung  der  marmorierten  Fliesen, 
trotz  des  Abwegs,  den  dann  die  keramischen  Bestrebungen  nach  dem  roten  Stein- 
zeug hin  genommen,  das  keramische  Hauptziel  dieser  ganzen  Bestrebungen,  die 
Gewinnung  des  echten  Porzellans  nicht  aus  den  Augen  verloren.  Vor  allem  hatte 
man,  da  die  weiße  Farbe  für  diese  Untersuchungen  immer  der  Ausgangspunkt 
bleiben  mußte,  aufs  allereifrigste  nach  weißen  Erden  gesucht  und  hierbei  naturge- 
mäß nach  solchen,  die  auch  im  starken  Feuer  sich  durch  Beimengungen  und 
Unreinlichkeiten  nicht  verfärbten,  vielmehr  ihre  weiße  Farbe  unverändert  bei- 
behielten, von  denen  es  freilich  nicht  allzuviele  in  der  Natur  gibt.  Von  allen  Himmels- 
gegenden trafen  damals  um  die  Mitte  dieses  Jahres  Tonproben  ein,  da  auf  des  Königs 
Befehl  an  alle  Ämter  hierauf  bezügliche  Weisungen  ergangen  waren,  so  aus  Waiden- 
burg, aus  Wittenberg,  aus  den  Alaunwerken  von  Belgiern,  Nordhausen  usw.^*°). 
Auch  auf  der  Leipziger  Oktobermesse  dieses  Jahres  hatte  Böttger  derartige  Sachen 
einkaufen,  ja  sich  zu  diesem  Zwecke  in  des  Königs  Abwesenheit  vom  Statt- 
halter, dem  Fürsten  von  Fürstenberg,  600  Taler  von  seinem  Gehalte  abziehen 
lassen,  da  sonst  dem  Könige,  wie  er  sagte,  unermeßlicher  Schaden  erwachsen 
würde^*^)*  Alle  diese  Tone  verhielten  sich  unter  dem  Einflüsse  der  Glut  der 
Brenngläser  sehr  verschieden,  doch  wenn  man  jetzt  eine  Beobachtung  wieder- 
holte, die  schon  früher  Tschirnhausen  bei  seinen  Untersuchungen  gemacht  haben 
wollte,  nämlich,  daß  weiße  Substanzen,  die  auch  beim  Schmelzen  weiß  bleiben, 
am  schwersten  von  der  Hitze  angegriffen  würden,  viel  schwerer  als  solche,  die  ihre 
Farbe  veränderten ^^^^^  dann  wurde  man  wie  von  selber  zur  Bevorzugung  der 
schwer  schmelzbaren  Erden  geführt,  und  damit  gerade  solcher,  die  um  dieser 
Eigenschaft  willen  dem  festen  Bestandteile  des  Porzellans,  dem  Kaolin,  nahe- 
standen oder  ihn  selber  schon  darstellten. 

Doch  waren  alle  diese  Untersuchungen  der  neu  hinzugesandten  Erden,  im 
Grunde  genommen,  damals  kaum  noch  vonnöten.  Denn  das,  was  man  jetzt,  mehr 
oder  weniger  bewußt,  so  eifrig  suchte,  das  Kaolin,  das  besaß  man,  da  man  das 
besondere  Glück  hatte,  in  einem  Lande  zu  leben,  das  bis  auf  den  heutigen  Tag 
ganz  besonders  reich  ist  an  jenem  Grundstoff,  ohne  den  die  Gewinnung  des  Por- 
zellans gänzlich  unmöglich  ist,  schon  geraume  Zeit,  besaß  man  sogar  schon  vom 
ersten  Beginn  der  ganzen  keramischen  Tätigkeit  an,  ohne  es  freilich  damals,  wenn 
nicht  alles  trügt,  schon  geahnt  zu  haben :  der  Colditzer  Ton,  den  Dr.  Bartelmei  im  Mai 
dieses  Jahres  an  Ort  und  Stelle  ausgesucht  hatte,  der  dann  das  Fabrikationsmaterial 
der  Stein-  und  Rundbäckerei  geworden  war,  er  stellte  schon  jenes  Kaolin  dar, 
er  war  schon  jene  feuerfeste  Materie,  die  man  so  unbedingt  zur  Herstellung  des 
Porzellans  benötigte.  Mittels  seiner  ist  denn  auch  in  der  Tat  hernach  das  Porzellan 
erfunden  worden,  ja,  er  ist  längere  Zeit  dann  der  Hauptbestandteil  des  neu  erfun- 

Zimmermanii,  Meißner  Porzellan.  4 


50  Die  Erfindung. 

denen  Produktes  geblieben.  Und  so  ist  schließlich  auch  die  Begründung 
der  Steinbäckerei,  die  Böttger  zuerst  diesen  Ton  in  die  Hand  gab,  nicht  ganz 
bedeutungslos  für  die  Porzellanerfindung  gewesen.  Nur  freilich  konnte  Böttger 
dessen  Bedeutung  für  das  Porzellan  in  keiner  Weise  erkennen,  bevor  eben 
nicht  das  Prinzip  des  Porzellans  völlig  feststand,  bevor  er  nicht  völlig  sicher 
begriff,  in  welcher  Weise  dieser  Stoff  zur  Porzellangewinnung  verwandt  werden 
müßte. 

Jetzt  aber  war  der  Moment  gekommen,  wo  man  infolge  der  Herstellung 
der  marmorierten  Fliesen  wie  auch  des  Steinzeugs  dies  Prinzip  wenigstens  ahnen, 
wo  man  vermuten  konnte,  wie  man,  wenn  man  das  Porzellan  gewinnen  wollte, 
einen  solchen  Stoff  zu  verwenden  hätte.  Und  nun  bedurfte  es  tatsächlich  nur  noch 
zweier  Überlegungen,  um  zum  Ziele  zu  gelangen,  d.  h.  zunächst  wenigstens  zur 
Erfindung  der  Porzellanmasse.  Man  mußte  auf  der  einen  Seite,  wie  bereits  erwähnt, 
das  neu  entdeckte  keramische  Prinzip  bis  an  sein  Extrem  führen,  indem  man  an  die 
Stelle  des  strengflüssigen  Bestandteiles  einen  ganz  oder  fast  unschmelzbaren  setzte, 
auf  der  anderen  aber  als  Fluß  eine  Materie  nehmen,  die  nicht  bloß  leicht  ins 
Fließen  geriet,  sondern  hierbei  auch  schließlich  durchsichtig  oder  durchscheinend 
ausfiel,  und  dann,  wenn  es  gelang,  diese  beiden  Materien  in  der  richtigen  Weise  zu- 
sammenzumischen und  zusammenzubrennen,  dann  war  es  sicher,  daß  sich  eine 
Masse  ergab,  die  schon  als  Porzellanmasse  aufgefaßt  werden  konnte,  als  solche  sich 
auch  erkenntlich  geben  mußte.  Damit  aber  war  dann  der  größte  Teil  der  Er- 
findung des  Porzellans  getan. 

Es  ist  leicht  möglich,  daß  zur  Bevorzugung  ganz  oder  fast  unschmelzbarerweißer 
Erden  nun  in  der  Tat  jene  von  Tschirnhausen  bei  früherer  Gelegenheit  scheinbar 
gemachte  Beobachtung  trieb,  daß  weiße  Erden,  die  auch  im  Feuer  weiß  bleiben, 
schwer  schmelzbar  wären.  In  diesem  Punkte  hätte  dann  die  Natur  selber  das 
Finden  erleichtert.  Das  Suchen  nach  einem  Fluß  aber,  der  nach  dem  Brande 
mehr  oder  weniger  durchsichtig  ausfiel,  erschien  in  Anbetracht  der  Durchscheinbar- 
keit  des  Porzellans,  welche  Eigenschaft  doch  von  mindestens  einem  seiner  Be- 
standteile geteilt  werden  mußte,  wie  völlig  selbstverständlich,  und  als  man  nun 
auf  der  einen  Seite  einige  der  leichtflüssigeren  ,, Erden",  wie  Kreide,  auch 
,, Steine",  wie  Alabaster,  Marmor  und  ,,Spat",  kurz,  kieselsäurehaltige  Mineralien 
und  Flüsse,  von  denen  ja  mehrere,  wie  namentlich  Kreide  und  Alabaster,  allem 
Anscheine  nach  schon  seit  längerer  Zeit  zur  Untersuchung  herangezogen  worden 
waren,  auf  der  anderen  Seite  schwer  schmelzbare  Erden,  in  erster  Linie  aber  den 
Ton  von  Golditz,  nachdem  man  sie  alle  durch  Kalzinieren,  Schlemmen  u.  dergl. 
vorher  gehörig  vorbereitet  hatte,  miteinander  zu  einer  ,, Masse"  vereinigte  und  diese 
dann  in  kräftigem  Feuer  in  Fluß  trieb,  da  war  man  in  der  Tat  an  dem  so 
langersehnten  Ziele  angekommen,  da  ergab  sich  eine  halbdurchsichtige,  milch- 
weiße Masse,  die  dem  Porzellane  sehr  nahe  zu  kommen  schien  und  es  auch 
wirklich  tat.  Und  in  der  Freude  seines  Herzens  ward  man  poetisch  und  gab 
diesem  neuen  Produkt  in  der  phantastisch-mystischen  Weise,  in  der  sich  die  Alchi- 


Die  Erfindung  des  Porzellans.  51 

misten  immer  gefielen,  die  schöne  Bezeichnung:  Semidiaphanum  tremuli  Narcissuli 
ideam  lacteam,  d.  h.  halb  durchsichtig  und  milchweiß  wie  die  Narzisse.  Von  diesem 
Erzeugnisse  aber  ausgehend,  ist  man  dann  durch  ewiges  Weiterprobieren,  Mischen 
und  Brennen,  wobei  namentlich  die  zum  Garbrennen  solcher  Massen  erforderlichen 
hohen  Temperaturen  eine  Haupterschwerung  der  Arbeit  dargestellt  haben 
werden,  zu  einer  Masse  gelangt,  die  dem,  was  die  Chinesen  Porzellan  nennen, 
immer  ähnlicher  ward  und  schließlich  auch  als  durchaus  verarbeitungsfähig 
erschien. 

Wir  wissen  heute  leider  wiederum  nicht,  zu  welcher  Zeit  man  damals  soweit 
gelangt  ist,  zu  welcher  Zeit  vor  allem  die  Herstellung  jener  ersten  porzellanartigen 
Masse  gelang,  die  man  wohl  als  die  der  Erfindung  der  Porzellanmasse  bezeichnen 
muß  und  die  man  damals  sicherlich  auch  als  solche  angesehen  hat.  Ein^  tiefes 
Schweigen  ruht  über  diesem  ganzen  damaligen  Suchen  und  Arbeiten,  das  freilich  nicht 
weiter  verwunderlich  erscheint,  bedenkt  man,  daß  damals  alle  diese  Bestrebungen 
noch  absichtlich  in  das  tiefste  Geheimnis  gehüllt  wurden,  wie  ja  Böttger  selber 
nach  wie  vor  der  streng  bewachte  Gefangene  auf  der  Jungfer  blieb,  der  mit 
niemandem  außerhalb  seines  Festungsbezirkes  verkehren  durfte.  So  hat  niemand 
den  genauen  Tag  und  die  genaue  Stunde  dieser  so  wichtigen  Erfindung  festgelegt, 
so  ist  es  möglich  geworden,  daß  sich,  wenn  auch  keineswegs  zu  Böttgers  Leb- 
zeiten, und  auch  noch  nicht  in  dem  Jahrhundert,  dem  er  selber  angehört  hat,  so 
doch  später  der  Zweifel  über  das  Jahr  derselben  hat  erheben  können.  Heute 
freilich  darf  man  wohl  mit  einiger  Sicherheit  annehmen,  daß  die  Erfindung  des 
wichtigsten  Bestandteiles  des  Porzellans,  der  Porzellanmasse,  frühestens  noch  im 
Jahre  1708  gelang.  Noch  in  diesem  Jahre  soll  Böttger,  wie  er  verpflichtet  war, 
Dr.  Bartelmei  nach  dessen  eigener  Aussage  das  Geheimnis  sowohl  der  Masse  des 
roten  Steinzeugs  wie  auch  des  weißen  Porzellans  mitgeteilt  und  ihm  die  Her- 
stellung derselben  gelehrt  haben.  Aber  freilich  die  Glasur  konnte  Böttger  ihm 
damals  noch  nicht  lehren,  da  er  ihre  Zusammensetzung,  wie  sich  später  heraus- 
stellen wird,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  selber  noch  nicht  kannte,  ja,  vielleicht 
noch  nicht  einmal  eine  Ahnung  von  derselben  besaß  ^*^). 

Wer  aber  war,  so  erhebt  sich  dann  hier  weiter  die  Frage,  von  den  beiden 
Männern,  die  damals  beide  ausgegangen  waren,  das  Porzellan  zu  erfinden  und  die 
auch  sicherlich  damals  manches  in  gemeinsamer  Arbeit  oder  wenigstens  durch 
gegenseitigen  Austausch  ihrer  Beobachtungen  und  Ideen  erreichten,  der  eigentliche 
Erfinder  dieser  Masse  ?  Ist  es  Böttger  gewesen,  der  damals  sich  gänzlich  neu 
an  diese  Sache  gemacht  hat,  oder  Tschirnhausen,  der  früher  schon  einmal  geglaubt 
hatte,  dies  wichtige  keramische  Erzeugnis  erfunden  zu  haben,  dann  aber,  als  sich 
diese  Ansicht  als  völliger  Irrtum  herausgestellt  hatte,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
die  treibende  Kraft  gewesen  ist,  daß  diese  Versuche  damals  von  neuem  und  nun 
auch  von  Böttger  aufgenommen  wurden  ? 

Wir  haben  heute  nicht  den  geringsten  Anlaß,  den  Ruhm  dieser  Erfindung 
demjenigen  zu  rauben,  der  ihn  durch  zwei  Jahrhunderte^^*)  hindurch  trotz  mehr- 


52  •  Die  Erfindung. 

facher  Anfechtungen  sich  immer  zu  bewahren  gewußt  hat,  den  darum  auch  die 
ganze  Welt  als  den  Erfinder  kennt.  Gewiß  mögen  damals  Tschirnhausen  und  Böttger 
gemeinsam  ausgegangen  sein,  das  Geheimnis  des  Porzellans  zu  suchen,  gewiß 
mögen  sie,  trotzdem  jeder  sein  Laboratorium  für  sich  besaß,  vielfach  gemein- 
sam gearbeitet  haben.  Aber  wäre  es  dann  Tschirnhausen  gewesen,  der  das  Por- 
zellan oder  wenigstens  seine  Masse  entdeckt  hätte,  ja,  hätte  er  überhaupt  nur  irgend 
einen  wesentlichen  Anteil  an  dieser  Erfindung  gehabt,  dann  hätte  er,  der  keines- 
wegs eine  so  bescheidene,  selbstlose  Natur  gewesen  ist,  als  wie  er  so  oft  dargestellt 
wird,  dem  sogar  kein  Geringerer  als  Leihniz'^'^^)  etwas  mehr  Vorsicht  und  Auf- 
richtigkeit in  seinen  Urteilen  und  Angaben  gewünscht  hat,  in  Anbetracht  der 
Wichtigkeit  einer  solchen  Entdeckung  dies  sicherlich  auch  seiner  Umgebung  irgendwie 
zur  Kenntnis  gebracht,  und  dann  wäre  es  für  Böttger,  der  diese  ganze  Zeit  doch 
unausgesetzt  unter  Bewachung  stand,  der,  wie  sich  später  herausstellen  wird  ^^^), 
in  seiner  nächsten  Umgebung  viele  Gegner  hatte,  die  ihm  in  keiner  Weise  wohl- 
wollten, vielmehr  oft  genug  aus  selbstsüchtigen  Absichten  über  ihn  falsche  Gerüchte 
verbreiteten,  doch  gänzlich  unmöglich  gewesen,  sein  ganzes  Leben  lang  als  der 
alleinige  Erfinder  dieses  Produktes  zu  gelten,  neben  dem  Tschirnhausens  Namen  zu 
seinen  Lebzeiten  in  dieser  Angelegenheit  so  gut  wio  nie  erwähnt  wird.  Tatsache  ist, 
daß  man  von  wirklichen  Arbeiten  Tschirnhausens  auf  diesem  Gebiet  in  dieser  Zeit 
auch  nicht  das  geringste  hört,  daß  aber  Böttger  in  allen  Nachrichten,  die  sich  aus 
dieser  Zeit  erhalten  haben,  durchaus  als  der  alleinige  Mittelpunkt  aller  dieser  Unter- 
nehmungen, aller  dieser  Untersuchungen  und  aller  dieser  Arbeiten  erscheint.  Von 
ihm  allein  erwartet  man  damals  alles,  die  Gründungen  wie  die  Erfindungen,  mit 
ihm  verhandelt  man  hierbei  ganz  allein,  auf  ihn  auch  richten  sich  die  Augen  aller, 
die  damals  schon  von  diesen  Unternehmungen  etwas  wußten,  und  als  dann  wirklich 
die  bedeutende  Erfindung  des  Porzellans  gelingt,  als  er  dem  Könige  und  den  sonst 
hierbei  beteiligten  Leuten  die  ersten  Proben  jener  festen,  aber  durchscheinenden 
Masse  vorweisen  konnte,  die  vor  ihm  keiner  herzustellen  gewußt  hatte,  da  gilt  er 
in  der  Tat  als  der  alleinige  Erfinder  derselben,  da  wird  er  zu  jenem  ,,Inventor", 
von  dem  noch  die  bedeutendsten  anderen  Erfindungen  erwartet  werden,  da  behält 
er  diesen  Ruhm  und  diesen  Titel  bis  an  sein  Lebensende,  und  keiner,  auch  nicht 
einmal  von  seinen  Gegnern,  wagt  je,  denselben  ihm  zu  rauben.  Und  erst  als  Böttger 
die  Augen  geschlossen  hat,  als  er  sich  nicht  selber  mehr  verteidigen  konnte  und 
auch  keine  rechten  Fürsprecher  mehr  besaß,  da  erst  haben  vor  allem  Tschirnhausen 
nahestehende  Persönlichkeiten  auch  diesem  einen  Anteil  an  der  Erfindung,  und 
zwar  so  ziemlich  den  allergrößten,  zuzuwenden  versucht,  da  hat  man  scheinbar 
nur  allzusehr  die  erste  mißglückte  Erfindung  dieses  Mannes  und  die  spätere  end- 
gültige Böttgers  miteinander  zu  vermengen  gesucht  und  dadurch  das  bisher  so  klare 
Bild  dieser  Erfindung  arg  in  Verwirrung  gebracht.  Böttgers  ganze  Begabung  aber, 
das  steht  für  uns  heute  völlig  fest,  war  für  eine  solche  bedeutende  Tat  durchaus 
ausreichend  und  mehr  als  das.  Denn  er  ist  in  keiner  Weise,  wie  bereits  oben  an- 
gedeutet^*''), der  Scharlatan  und  Nichtsnutz  gewesen,  als  welchen  ihn  allein  das 


Der  Erfinder.  53 

19.  Jahrhundert  angesehen  hat,  er  war  vielmehr  von  Haus  aus  als  Apotheker  ein 
gelernter  Chemiker,  als  geistige  Persönlichkeit  aber  — das  wird  die  ganze  Weiter- 
entwicklung dieser  Dinge  zeigen  —  ein  ungewöhnlich  scharfsinniger,  rühriger 
Geist,  der  auch,  als  Tschirnhausen  starb  und  er  nun  ganz  allein  auf  sich  selber 
angewiesen  war,  die  wunderbarsten  Dinge,  die  noch  heute  das  Staunen  aller  Fach- 
leute bilden,  aus  eigener  Kraft  zuwege  gebracht  hat,  ja,  sich  in  dieser  Beziehung,  von 
einem  inneren  Drange  getrieben,  nie  genug  hat  tun  können.  Und  auch  die  Tat- 
sache darf  keineswegs  außer  acht  gelassen  werden,  daß  die  Erfindung  des  Porzellans 
in  keiner  Weise  gelingen  wollte,  ja,  daß  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  noch 
nicht  entfernt  die  richtige  Bahn  hierzu  beschritten  war,  so  lange  Tschirnhausen 
allein  mit  derselben  beschäftigt  war,  daß  sie  aber  gelang,  und  zwar  in  ganz  er- 
staunlich kurzer  Zeit,  sobald  Böttger  hinzutrat  und  sich  nun  auch  seinerseits  mit 
diesem  Problem  befaßte.  Da  kann  es  kaum  noch  zweifelhaft  sein,  wer  hier  von 
beiden  den  richtigen  Weg  einschlug. 

Es  ist  sogar  nicht  ausgeschlossen,  daß  Tschirnhausen  die  erste  Herstellung 
der  Porzellanmasse  gar  nicht  einmal  erlebt  hat.  Er  starb  plötzlich  nach  kurzem 
Krankenlager  am  11.  Oktober  des  Jahres  1708,  zu  großer  Bestürzung  Böttgers^^^), 
der  in  ihm  einen  wirklichen  Freund  und  gerechten  Beurteiler  seines  wirklichen 
Könnens  und  damit  auch  einen  warmen  Fürsprecher  beim  König  verloren  zu  haben 
scheint.  Dennoch  erlitten  dadurch  die  Arbeiten,  die  begonnenwaren,  keine  Verzögerung. 
Böttger  machte  sich  getrost  allein  ans  Werk,  arbeitete  durch  Monate  hindurch 
unverdrossen  weiter,  und  als  das  Jahr  1709  herankam,  da  endlich  —  doch  erst  im 
März  desselben  —  glaubte  er  mit  seinen  Arbeiten  so  weit  zu  sein,  daß  er  dem 
König  Mitteilung  machen  könne  über  alles,  was  er  bisher  im  Interesse  der  neu 
zu  errichtenden  Manufakturen  getan  hätte.  So  reichte  er  am  28.  dieses  Monats 
an  ihn  ein  alleruntertänigstesMemoriale  ein^*^),  in  dem  er  ihm  bereits  nicht  weniger 
als  sechs  verschiedene  Dinge  zu ,, bewerkstelligen"  versprach.  Zunächst  als  die  Haupt- 
sache „den  guten,  weissen  Porcellain,  sammt  der  allerfeinsten  Glasur  und  allem  zuge- 
hörigen Mahlwerk,  welcher  dem  Ostindianischen  wo  nicht  vor,  doch  wenigstens  gleich 
kommen  soll",  weiter  „ein  Gefäß  von  allerhand  Farben,  welches  die  Härte  des  Por- 
phyrs übertreffen  und  noch  ganz  etwas  neues  in  der  Welt  sein  würde,  sowohl  wegen 
der  hellen  Politur,  als  auch  sonst  seiner  immerwährenden  Beständigkeit  halber", 
weiter  „ein  rotes  sehr  feines  Gefäß,  welches  dem  Ostindianischen  sogenannten  roten 
Porcellain  in  allem  die  Wege  halten  würde",  weiter  „eine  Art  von  Steinen,  welche 
nach  eines  Liebhabers  Gefälligkeit  von  Farben  zugerichtet  werden  könnten,  so 
allem  Porphyr  und  Marmor  in  Härte  und  Schönheit  vorgehen  sollten  und  sich  so 
hoffentlich  in  ziemlicher  Grösse  würden  praeparieren  lassen",  weiter  „eine  ganz  neue 
Art  von  massiven  Glasstücken,  aus  welchen  hochschätzbare  Sachen  könnten  ge- 
macht werden,  so  aller  Welt  Admirirung  verdienen  sollten  und  bis  anhero  nur 
wegen  Ermangelung  guter  Gefässe  und  Formen  hatte  unterbleiben  müssen,  welche 
er  aber  aus  seiner  erfundenen  ganz  neuen  Masse  gut  und  beständig  zu  praepariren 
wisse",  schließlich  ,,die  Zubereitung  des  Boraxes,  welcher  in  allen  Proben  und 


54  Die  Erfindung. 

Nutzungen  dem  im  Ruf  gehenden  Venetianischen  gleichkommen  solle".  Gleich- 
zeitig berichtet  er,  daß  er  die  „sogenannte  holländische  Steinbäckerei"  in  ziemlich 
gangbaren  Stand  gebracht  hätte,  und  verspricht  auch  „die  Manufaktur,  worinnen 
allerhand  große  und  kleine  Gefässe  von  dieser  Art  könnten  zurecht  gemacht  werden" 
zustande  zu  bringen.  Auch  spricht  er  die  Absicht  aus,  ,,gute  und  tüchtige  Schmelz- 
tiegel, auch  andere  chemische  Gefäße"  zu  verfertigen,  ,, welche  von  eben  der  Güte 
als  die  berufenen  hessischen  Tiegel  sein  würden".  Dann  aber  betonte  er  mit  ganz 
besonderem  Nachdrucke,  wie  er  es  auch  später  immer  wieder  von  neuem  tat,  daß 
er  alle  diese  Erzeugnisse  von  den  in  ,,den  Landen  selber  befindlichen  Materi- 
alien, die  als  ein  toter  Schatz  zeither  unbrauchbar  liegen  blieben,  oder  zu  unnützen 
Sachen  angewendet,  wo  nicht  gar  von  Fremden  fast  ohne  Bezahlung  verführet 
worden",  herstellen  wolle.  Erst  dadurch  stellte  er  diese  Unternehmungen  in  ihrer 
ganzen  Bedeutung  für  das  Land  dar:  es  war  der  Merkantilismus,  das  ökonomische 
Idealprinzip  dieser  Zeit,  das  hier  in  seiner  äußersten  Konsequenz  durchgeführt 
werden  sollte  und  dem  Lande  durch  möglichste  Reduzierung  der  Materialkosten 
die  reichlichsten  Einnahmequellen  zu  eröffnen  versprach.  Es  war  zugleich  eine 
glänzende  Perspektive,  die  Böttger  da  vor  den  Augen  des  Königs  eröffnete,  die  er 
dadurch  noch  verlockender  zu  gestalten  suchte,  daß  er  alles  bisher  Aufgezählte  nur 
als  ,,eine  Schale,  worinnen  der  beste  Kern  noch  verborgen  läge",  bezeichnete  und 
damit  noch  auf  neue,  glänzende  Aussichten  hinwies. 

Indessen,  was  Böttger  hier  schon  an  bereits  gemachten  Erfindungen  angab,  war 
eine  recht  stattliche  Liste  und  zugleich,  wenn  sie  sich  wirklich  alle  bewährten,  ein 
starker  Beweis  von  der  Rührigkeit  dieses  Mannes.  Man  ersieht  aus  ihr,  daß  Böttger  sich 
inzwischen  nicht  nur  mit  der  Herstellung  der  vier  vorher  schon  erwähnten  keramischen 
Erzeugnisse  befaßt  hatte,  sondern  daneben  auch  noch  eine  ganze  Reihe  anderer  Dinge 
erfunden  zu  haben  glaubte.  Doch  alle  diese  Erfindungen  blieben  im  Gebiet  der 
Keramik  oder  des  diesem  verwandten  Glases;  auch  die  angebliche  des  Borax,  jenes 
Minerals,  das  damals,  durch  Holländer  und  Venezianer  aus  Indien  und  noch  von 
weiter  hergebracht^^")  in  der  Glasfabrikation  filr  Glasuren,  Emailfarben,  als  letztere 
auch  beim  Porzellan  gebraucht  wurde  und  j  etzt  noch  gebraucht  wird,  gehörte  durchaus 
hierher.  Auf  dies  Gebiet  allein  hatten  sich  demnach  alle  bisherigen  Versuche, 
die  Böttger  auf  Tschirnhausens  Veranlassung  zur  Hebung  der  einheimischen  In- 
dustrie unternommen  hatte,  erstreckt.  Die  Keramik  und  die  Glasindustrie  waren 
damit  völlig  in  den  Mittelpunkt  dieser  ursprünglich  gewiß  ganz  allgemein  beab- 
sichtigten Bestrebungen  getreten,  in  dem  erstere  von  nun  an  trotz  vieler  anderer 
Untersuchungen  und  Versuche  Böttger s  auch  verbleiben  sollte. 

Doch  mit  der  Anzeige  seiner  Erfindungen  hatte  Böttger  sich  in  diesem  Memo- 
riale  nicht  begnügt.  Seiner  Sache  allem  Anscheine  nach  sicher,  bat  er  gleichzeitig 
den  König,  eine  ,, verpflichtete  Kommission"  einzusetzen,  die  ,, seine  vorzu- 
stellenden Wissenschaften"  gründlich  untersuchen  möchte,  „ob  nämlich  dieselben 
dero  Landen  nützlich  und  nötig,  oder  aber  schädlich  und  vor  impracticable  zu 
halten  wären".   Er  unterwarf  sich  damit  freiwilhg  der  Kritik.  Vielleicht  aber  wandte 


Anzeige  der  Erfindung.  55 

er  sich  auch  deshalb  in  dieser  Weise  an  den  König,  weil  seit  dem  Tode  Tschirn- 
hausens kein  wirklicher  Fachmann  ihm  mehr  zur  Seite  stand  und  darum  auch  nie- 
mand in  seiner  nächsten  Umgebung  den  Wert  und  die  Bedeutung  seiner  vielen 
Erfindungen  zu  ermessen  verstand. 

Nur  ungemein  erfreut  kann  der  König  damals  über  diese  stattliche  Summe 
von  Erfindungen  gewesen  sein,  die  Böttger  ihm  auf  diese  Weise  auf  einmal  zur 
Verfügung  stellte  und  die  ihm  nun  endlich  wenigstens  etwas  von  den  vielen  Auf- 
wendungen, die  er  für  ihn  und  seineArbeiten  bisher  gemacht  hatte,  zurückzuerstatten 
versprach.  Er  zögerte  daher  in  keiner  Weise,  dem  Wunsche  Böttgers  zu  willfahren. 
Schon  am  11.  April  ^^^)  setze  er  die  gewünschte  Kommission  ein,  zu  der  der  Geheimrat 
Zech  als  Vorsitzender,  der  Kammerpräsident  vonLöwenthal,  der  Kammerrat  Nehmitz, 
ein  Bruder  des  Arztes,  der  Geheime  Kriegsrat  i^on  HoUzbrinck,  der  Hofrat  i^on  Döring 
und  der  bisherige  Beirat  Böttgers  Bergrat  Pabst  aus  Freiberg  ernannt  wurden.  Er  üeß 
ihr  auch  sogleich  den  Inhalt  des  Böttgerschen  Memorials  zugehen  und  forderte  sie  auf, 
die  Böttgerschen  Angaben  aufs  genaueste  zu  prüfen.  Schon  sechs  Tage  später  ^^^^^  am 
17.  April  trat  diese  Kommission  im  sogen.  Berggemache  im  Kurfürstlichen  Schlosse  zu 
Dresden  zusammen  und  hielt  dort  ihre  erste  Session  ab.  Böttger  seiher  freilich  war  nicht 
zugegen,  unzweifelhaft  weil  ihm  als  Gefangenen,  von  dem  man  damals  noch  immer 
trotz  aller  dieser  andersartigen  Unternehmungen  die  so  oft  versprochenen  Berge  künst- 
lichen Goldes  erwartete,  das  persönliche  Erscheinen  vor  diesen  fremden  Leuten  nicht  ge- 
stattet worden  war.  An  seiner  Stelle  erschien  der  Sekretär  und  spätere  Kommer- 
zienTRt  Christoph  Matthis,  mit  Instruktionen  von  ßöf ige/*  reichlich  versehen.  Dieser 
teilte  gleich  am  Anfange  im  Auftrage  Böttgers  den  Anwesenden  mit,  daß  Böttger  das 
Brennen  und  die  Herstellung  der  Glasuren  an  seinen  Erfindungen  durchaus  durch- 
führen könne,  wofern  ihm  nur  alles  dazu  Nötige  angeschafft  würde,  auch  daß  dies  er 
ersuche  —  jedenfalls  damit  alle  seine  Erfindungen  einer  wirklich  ernsten  Prüfung 
unterzogen  würden  — ,  daß  in  jeder  Sitzung  nur  eine  einzige  Materie  vorgenommen 
würde.  Dennoch  fiel  die  Beurteilung  von  Seiten  dieser  Kommission  durchaus  nicht 
günstig  aus.  Die  Kommission  hatte,  vielleicht  um  dem  König,  an  den  sie  berichten 
sollte,  zu  schmeicheln,  von  5ö«ger  verlangt,  daß  er  auf  ein  ,, neues  Porcellainstück" 
das  kursächsische  Wappen  anbrächte.  Da  aber  dies  Verlangen  noch  nicht  zu  be- 
friedigen war  und  überdies  die  Kommission  wegen  so  vieler  gleichzeitiger  Vor- 
schläge, die  in  ihrer  Vielheit  wohl  wirklich  etwas  überraschen  konnten,  wohl 
etwas  mißtrauisch  ward,  so  ging  sie  unverrichteter  Sache  auseinander  und  ließ 
auch  an  den  König  keinen  Bericht  abgehen.  Vielleicht  daß  man  auch  auf  Grund 
der  Böttgerschen  Angaben  mit  zu  großen  Erwartungen  an  die  Erfindungen  heran- 
getreten war  und  nun,  wo  diese  nicht  in  jeder  Beziehung  befriedigt  wurden,  gleich 
so  enttäuscht  war,  daß  man  von  dem,  was  man  wirklich  vorfand,  nichts  Ausreichendes 
erwarten  zu  können  meinte.  Wenn  es  z.  B.Tatsache  ist,  daß,  wie  berichtet  wird  ^^^), 
die  ersten  Stücke  aus  Porzellan  nur  fliesenartige  Quadrate,  etwas  stärker  als  Fayence- 
fliesen, waren,  wenn  man  ferner  bedenkt,  daß  damals  Böttger  selbst  mit  seinen  Fayen- 
cen, sowohl  den  Fliesen  wie  den  Hohlgefäßen,  in  keiner  Weise  schon  wirklich  zustande 


56  Die  Erfindung. 

kam^^^)  und  also  auch  auf  diesem  an  sich  nicht  allzu  schwierigen  Gebiete 
nur  recht  unvollkommene  Proben  vorlegen  konnte,  dann  wird  man  es  der 
Kommission,  deren  Mitglieder  ja  in  der  Hauptsache  keine  Fachleute  waren, 
nicht  weiter  übelnehmen,  daß  sie  noch  daran  zweifelte,  daß  Böttgers  Er- 
findungen damals  wirklich  schon  alle  gebrauchsfähig  waren.  Sie  konnte  den 
Optimismus,  den  ein  Erfinder  selber  in  der  Regel  zu  besitzen  pflegt,  damals 
in  keiner  Weise  schon  teilen. 

Und  fast  acht  Monate  vergingen,  bis  die  Kommission  wieder  zusammentrat 
und  ihre  zweite  Sitzung  abhielt.  Böttger  hatte  inzwischen  unverdrossen  weiter 
gearbeitet  und  jetzt  erst  —  das  geht  aus  dem  Folgenden  unzweifelhaft  hervor  — 
war  es  ihm  gelungen,  auch  jene  zweite  Erfindung  wirklich  zu  Ende  zu  führen, 
ohne  die  das  Porzellan,  wenigstens  wie  man  es  damals  allein  sich  vorzustellen 
vermochte,  noch  garnicht  als  wirkliches  Porzellan  gelten  konnte:  die  Erfindung 
der  Glasur.  Wir  wissen  leider  heute  nicht,  auf  welche  Weise  Böttger  auch  die  Zu- 
sammensetzung dieser  fand,  vor  allem,  wie  er  hier  wieder  das  Prinzip  entdeckte, 
das  ja  ein  für  die  damalige  Keramik  kaum  minder  originelles  darstellte,  als  das 
der  Porzellanmasse.  Aber  jetzt  war  sie  gelungen,  nun  erst  in  den  Augen  der 
damaligen  Menschen  die  Erfindung  des  Porzellans  wirklich  vollendet  und  dieses 
damit  soweit  gewonnen,  daß  man  es  nun  zu  allen  jenen  Dingen  verwenden  konnte, 
zu  denen  man  es  damals  zu  verwenden  pflegte.  Und  so  darf  man  sich  keines- 
wegs wundern,  wenn  man  damals,  wie  überhaupt  dieses  ganze  Jahrhundert  hin- 
durch, die  Erfindung  des  Porzellans  allem  Anscheine  nach  erst  von  diesem  Zeit- 
punkte, d.  h.  von  der  Erfindung  der  Glasur  an,  datierte,  wenn  man  sie  damals 
ganz  allgemein  erst  in  das  Jahr  1709  setzte  und  auch  wir  müssen  darum  wohl 
dies  Jahr  als  das  der  wirklich  vollendeten  Erfindung  ansehen. 

Am  19.  Oktober  dieses  Jahres  schrieb  Böttger  an  den  König:  ,,Ich  verstehe 
unter  dem,  was  fertig  ist,  erstlich  den  weißen,  durchsichtigen  Porzellan,  zweitens 
den  roten  in  unterschiedenen  Sorten,  drittens  den  Borax,  viertens  die  schönen 
Steine  auf  Porphyr  und  andere  schöne  Arten,  fünftens  das  sogenannte  holländische 
Gut,  sowohl  in  Platgen  als  runden  Gefäßen,  welche  beiden  letzteren  auch  von 
solcher  Schönheit  sein,  daß  sie  nicht  allein  den  Delfter,  sondern  außer  der  Pelluci- 
dität  gar  den  ostindianischen  an  Schönheit  übergehen."  Er  läßt  in  dieser  Auf- 
zählung merkwürdigerweise  mehrere  der  Erfindungen  aus,  die  er  dem  Könige  in 
seinem  früheren  Memoriale  vom  28.  März  angezeigt  hatte,  auch  meldet  er  ihm 
hier  noch  nicht,  wie  er  es  bald  gegenüber  der  Kommission  tat,  daß  ihm  nun  auch 
die  beabsichtigte  Nachahmung  der  hessischen  Schmelztiegel  gelungen  sei  ^^^).  Am 
auffallendsten  jedoch  erscheint,  daß  er  hier  gar  nicht  von  der  Porzellanglasur 
redet,  wie  er  es  gleichfalls  bald  gegenüber  der  Kommission  tun  sollte.  Doch  hatte 
er  wohl  nicht  vergessen,  daß  er  in  seinem  früheren  Memoriale  an  den  König  sich 
bereits  der  Erfindung  ,,des  guten  weißen  Porcellains  samt  der  allerfeinsten  Glasur" 
gerühmt  hatte.  Da  mochte  er  Bedenken  tragen,  von  dieser  Erfindung  jetzt 
noch  als  von  einer  neuen,  erst  jetzt  erfolgten  zu  reden. 


Die  erste  Kommission.  57 

Endlich,  am  10.  November^^"),  trat  auch  die  Kommission  von  neuem  zusammen, 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  als  Folge  dieses  Briefes.  Wiederum  erschien  Böttger 
nicht  selber,  aber  durch  seinen  Bevollmächtigen  ließ  er  erklären,  daß  er  jetzt  fertig 
sei  mit  dem  ,, roten  feinen  Porzellan",  dem  ,, holländischen  schlechten",  den  Ge- 
schirren von  ,, allerhand  bunten  Farben",  dem  Borax,  den  Schmelztiegeln  und  der 
weißen  Glasur,  während  die  Erfindung  der  eigentlichen  Porzellanmasse  hier  charakte- 
ristischerweise von  ihm  garnicht  mehr  erwähnt  ward,  mithin  damals  sicherlich 
schon  als  etwas  Selbstverständliches  galt.  Alles  übrige  jedoch,  was  er  versprochen, 
hoffe  er  gleichfalls  in  aller  Kürze  zustande  bringen  zu  können.  Gleichzeitig  ließ 
er  Proben  von  einigen  seiner  Erfindungen  vorlegen,  vom  Borax,  den  bunten  Ge- 
fäßen und  vor  allem  dem  Porzellan  und  seiner  Glasur,  die  aber  noch  etwas  gelb- 
lich ausgefallen  war,  hierbei  aber  bemerken,  daß  er  zurzeit  letztere  infolge  seiner 
in  keiner  Weise  ausreichenden  Öfen  und  der  niedrigen  Gewölbe  der  Festung, 
die  den  Bau  größerer  Öfen  verhinderten,  nicht  besser  herstellen  könne.  Wäre 
aber  erst  ein  tüchtiger  Ofen  gebaut,  dann  getraue  er  sich,  rohe  weiße  Geschirre, 
die  die  Herren  Kommissäre  vorher  signieren  könnten  —  wofern  man  nur  den  gelb- 
lichen Ton  der  Glasur  nicht  für  einen,, Hauptfehler" ansehen  würde  —  zu  ihrer  vollen 
Zufriedenheit  zu  glasieren  und  zu  brennen.  Man  sieht,  es  sind  vor  allem  die  Öfen 
gewesen,  das  nach  der  Erfindung  selber  sch^\^erigste  Problem  des  Porzellans,  die 
Böttger  damals  noch  große  Mühe  bereitet  haben.  Um  aber  dann  dieser  Behauptung 
noch  mehr  Nachdruck  zu  geben,  vielleicht  auch,  weil  er  wieder  einen  ungünstigen 
Ausgang  dieser  Sitzung  fürchtete,  erbot  er  sich  gegen  jeden  zu  einer  Wette  von 
50000  gegen  20000  Taler,  daß  er  jetzt  das  Porzellan  ,,so  guth  als  der  Indianische 
ist"  herstellen  könne,  und  ließ  auch  gleich,  um  dieser  Forderung  mehr  Nachdruck 
zu  geben,  eine  eigenhändig  geschriebene  und  mit  seinem  Siegel  versehene,  hierauf  be- 
züghche  Herausforderung  überreichen i^').  Doch  hatte  die  Kommission  natürlich 
keine  Neigung,  auf  die  Überschwenglichkeit  dieses  durch  ihr  früheres  laues  Ver- 
halten anscheinend  stark  gereizten  Mannes  einzugehen,  zumal  Böttger,  wenn  er 
seine  Wette  verloren  hätte,  ja  doch  in  keiner  Weise  die  Mittel  besessen  hätte, 
sie  zu  bezahlen. 

Im  übrigen  jedoch  versuchte  Böttger  schriftlich  vor  der  Kommission  seine 
Sache  zu  verfechten.  In  einer  besonderen  Schrift  gab  er  ausführlich  Nachricht 
von  der  „Fabrique"  des  roten  Porzellans,  welcher  Ausdruck  vielleicht  beweist, 
daß  schon  damals,  obwohl  noch  keine  wirkHche  Fabrik  begründet  worden 
war,  das  rote  Steinzeug  in  größeren  Mengen  hergestellt  ward,  auch  bat  er 
darin  etwaige  Bedenken,  die  man  hinsichtlich  einer  solchen  haben  möchte,  ihm 
anzugeben.  Vor  allem  aber  legte  er  jetzt  eine  andere  ,, weitläufige",  d.  h. 
weit  ausholende  Schrift  vor,  betitelt  ,,Unvorgreifliche  Gedanken  über  meine 
teils  den  Ausländern  nachgeahmte,  teils  durch  mich  selbst  neu  erfundene  Manu- 
facturen",  in  der  er  anfänglich  ganz  allgemein  von  ,, gewissen  Kaufmannsregeln, 
dann  von  den  Manufakturen  selber  und  dem  von  ihnen  zu  erwartenden  Nutzen" 
redete,  vor  allem  aber  darzustellen  suchte,  daß  es  den  in  jenen  zu  fabrizierenden 


58  Die  Erfindung. 

Waren  auf  keinen  Fall  an  Absatz  fehlen  könne.  Damit  aber  hatte  Böttger  mit 
wahrem  Feuereifer  alles  getan,  was  seinen  Erfindungen  und  Bestrebungen  vor 
der  Kommission  die  günstigste  Aufnahme  verschaffen  konnte. 

Dennoch  war  wiederum  alle  seine  Mühe  vergeblich.  Die  Kommission  scheint 
damals  noch  immer  ernstlich  daran  gezweifelt  zu  haben,  daß  sich  das  Porzellan 
aus  den  sächsischen  Landesmaterialien,  sowie  —  merkwürdigerweise  —  auch 
mittels  des  sächsischen  Wassers  herstellen  ließe^^^).  Sie  trat  nicht  wieder  zu- 
sammen und  berichtete  auch  diesmal  noch  nicht  an  ihren  Auftraggeber  über  das 
Resultat  ihrer  Untersuchungen. 

Dies  laue  Verhalten  der  Kommission  diesen  doch  hochbedeutenden  Erfindungen 
Böttgers  gegenüber,  erscheint  selbst,  wenn  diese  damals  noch  keineswegs  so  ge- 
lungen erschienen,  wie  jener  es  ihr  darzustellen  suchte,  auf  den  ersten  Blick  recht 
seltsam,  ja  fast  unerklärlich.  Doch  darf  man  nicht  übersehen,  daß  die  Kommission 
sich  damals  doch  wohl  in  keiner  sehr  angenehmen  Lage  befand;  von  ihrem  Votum 
hing  es  zunächst  allein  ab,  ob  nun  neue  Fabriken  und  gleich  eine  ganze  Reihe 
begründet  werden  sollten,  die  zunächst  dem  durch  den  Krieg  schrecklich  ver- 
armten und  ausgesogenen  Lande  große  Unkosten  bereiten  mußten,  ohne  daß 
man  entfernt  auch  nur  zu  ahnen  vermochte,  wann  sie  durch  ihre  Erträgnisse 
wieder  eingebracht  werden  könnten.  Waren  doch  auch  die  hierfür  nötigen  Summen 
zunächst  gerade  von  der  Kammer  zu  beschaffen,  deren  eigener  Präsident  Mit- 
glied dieser  Kommission  war.  Auch  mochte  das  bisherige  Schicksal  der  Tschirn- 
hausenschen  industriellen  Gründungen  eher  abschreckend  als  ermutigend  wirken, 
da  sie  so  gut  wie  alle  —  freilich  zunächst  infolge  des  Krieges  —  wieder  ein- 
gegangen waren,  obwohl  sie  dem  Staat  viel  Geld  gekostet  hatten.  So  wird 
man  damals  zurückgeschreckt  sein  vor  der  großen  Verantwortung,  die  man 
übernahm,  wenn  man  vorschnell  ein  zu  günstiges  Urteil  über  Böttgers  Erfindungen 
fällte,  und  wird  lieber  eine  Vertagung  dieser  Angelegenheit  gewünscht  haben, 
die  entweder  Böttgers  Arbeiten  noch  reifer  und  dadurch  aussichtsreicher  machen 
ließ  oder  sie,  die  Kommission,  auf  irgendeine  Weise  von  dieser  Verantwortung 
befreite.  Kommissionen  haben  sich  ja  immer  als  schwerfällig  erwiesen. 
Aber  wenn  diese  wirklich,  damals  jene  Bedenken  gehabt  hat,  dann  hat 
ihr  die  Zukunft,  d.  h.  wenigstens  der  nächste  Ausgang  der  Böttgerschen 
Unternehmungen,  doch  einigermaßen  recht  gegeben,  insofern  als  diese  in 
der  Tat  dem  Land  zunächst  genug  Kosten  verursachen  sollten,  ohne  sie 
gleich  wieder  einzubringen.  Man  kann  ihr  flaues  Verhalten  damals  nicht  ohne 
weiteres   tadeln. 

Böttger  selber  aber  wird  damals  an  seinen  Erfindungen  und  den  günstigen 
Ausgang  seiner  Unternehmungen  nicht  im  geringsten  gezweifelt  haben.  Denn 
jeder  Erfinder  ist  Optimist,  nur  als  solcher  begibt  er  sich  auf  den  unsicheren 
Pfad  des  Erfindens,  und  er  sieht  dann,  fest  vertrauend  auf  sein  Können  und 
sein  Glück,  oftmals  sein  Ziel  schon  erreicht,  da  der  Ausgang  noch  völlig  im 
Nebel  verborgen  ist.    Der  Zuschauer  aber  erkennt  nur  das  Reale,  das  wirklich  Vor- 


Mißtrauen.  59 

handene.  Er  ahnt,  da  er  selber  solch  geheimnisvoll  schöpferische  Kräfte  in 
seinem  Innern  nicht  kennt,  nicht  die  Kraft,  die  in  der  Brust  des  anderen  sich  regt, 
er  bleibt  kleingläubig,  wo  jener  schon  frohlockt  und  des  Sieges  gewiß  scheint,  und 
wird  verzagt,  wenn  das  kleinste  Hindernis  sich  einstellt,  die  jener,  da  er  die 
Kraft  in  sich  spürt,  es  zu  beseitigen,  kaum  beachtet.  Und  so  wird  sich  bald 
zwischen  beiden  eine  Kluft  einstellen,  die  unüberbrückbar  erscheint  und  beide 
nur  immer  weiter  voneinander  trennt. 

So  scheint  es  auch  hier  gewesen  zu  sein. 


III.   Die  Meißner  Manufaktur  als  Steinzeugfabrik. 


Trotzdem  die  Kommission  sich  Böttgers  Erfindungen 
gegenüber  so  ungemein  kühl  verhalten  und  niemals  einen 
Bericht  über  die  Ergebnisse  ihrer  Untersuchungen  an  den 
König  gesandt  hatte,  nahm  doch  das  Unternehmen,  das 
Böttger  mit  Hilfe  Tschirnhausens  in  die  Wege  geleitet 
hatte,  nun  einen  Fortgang,  wie  jener  ihn  sich  nur  immer 
wünschen  konnte.  Er  hatte  sich,  wie  so  oft  schon  und 
wie  ihm  auch  vom  König  ausdrücklich  gestattet  war, 
wiederum  persönlich  an  diesen  gewandt  und  ihm  den 
ganzen  Stand  der  Dinge  noch  einmal  dargestellt.  Da 
war  sogleich  der  Optimismus  des  Königs,  den  dieser 
Böttger  gegenüber  noch  niemals  verloren  hatte,  von 
neuem  erwacht,  und  schon  am  23.  Januar  1710  erfolgte 
zu  Dresden  der  Erlaß  eines  königlichen  Patents,  durch 
welches,  wie  Böttger  es  aufs  lebhafteste  gewünscht 
hatte,  eine  Porzellanmanufaktur  begründet  ward,  damit 
jene  Anstalt,  die  dann  als  königliche  Porzellan- 
manufaktur zu  Meißen,  wie  sie  bald  hieß,  sich  bald 
ihren  Weltruf  erwerben  und  immer  zu  den  stolzesten  Gründungen  des  säch- 
sischen Staates   gehören  sollte. 

,,Wir  Friedrich  Augustus  von  Gottes  Gnaden,  König  in  Pohlen  und  Chur- 
fürst  von  Sachsen  u.  s.  w.^^^)",  so  heißt  es  in  diesem  Dekret,  ,,thun  hiermit  kund 
und  fügen  männiglich  zu  wissen:  Demnach  Wir  Unsers  getreuen  Churfürsten- 
thums  und  dahin  incorporirter,  auch  anderer  Lande  bekümmerter  Zustand,  darin 
dieselbe  durch  mancherley  Unglück,  insonderheit  durch  die  vor  vier  Jahren  be- 
schehene  Schwedische  Invasion  gesetzt  worden,  mitleidend  beherziget  und  wie 
solchen  aufs  Beste  und  Nachdrücklichste  wieder  aufgeholfen  werden  möge,  Unsere 
einzige  und  höchste  Sorge  seyn  lassen  wollen;  So  haben  wir  unter  andern  aus- 
gefundenen Mitteln,  daß  die  Wiederbringung  einer  geseegneten  Nahrung  und 
Gewerbes  im  Lande  hauptsächlich  durch  Manufakturn  und  Commercia  befördert 
werden  könne,  vornehmlich  in  Consideration  gezogen  und  Unsere  Landes- Väter- 
liche Sorgfalt  dahin  gerichtet,  wie  die  von  Gott  Unseren  Landen  besonders  reich- 
lich mitgetheilten  unterirdischen  Schätze  eifriger,  als  in  vorigen  Zeiten  nachgesuchet 


Abb.  lo.    Böttgersteinzeug. 

Leuchter 
in  Form  eines  Bergmannes. 

Kgfl.  Porzellansaramlung.  Dresden. 


Begründung  der  Manufaktur.  61 

und  diejenigen  Materialien  so  als  todt  und  unbrauchbar  gelegen,  zu  ein  oder 
andern  Nutzen  gebracht  werden  mögen."  Es  folgt  dann  die  Mitteilung,  daß 
„einigen,  in  dergleichen  Wissenschaften  vor  andern  wohl  geübten  Personen" 
derartige  ,, Nachforschung"  aufgetragen  wäre  und  daß  mit  Gottes  Hilfe  ,,aus  denen 
in  Unsern  Landen  häufig  und  überflüssig  befindlichen  Materialien"  bereits  jene 
Erfindungen  gemacht  seien,  die  Böttger  in  seinen  Eingaben  an  den  König  bezeichnet 
hatte,  unter  denen  aber  nur  die  keramischen  und  darunter  natürlich  mit  ganz  be- 
sonderm  Nachdruck  die  des  echten  Porzellan,  ,, sowohl  glasurt,  als  unverglasurt", 
aus  dem  ,,ein  dem  Ost-Indianischen  Porzellans,  sowohl  an  Durchsichtigkeit  als 
anderen  dabey  erforderten  Eigenschaften  gleichkommendes  Gefässe  könne  und 
möge  fabriciret  werden"  gerühmt  werden.  Es  folgt  weiter  ein  Hinweis  auf  das 
was  alles  aus  letzterem  Materiale  gewonnen  werden  könne,  weiter  auf  die  gewesene 
Kommission  und  deren  Arbeiten,  auf  die  damals  bereits  erfolgte  Einsetzung  eines 
besonderen  Manufakturdirektoriums,  und  auf  die  geschäftlichen  Prinzipien,  die  hin- 
sichtlich der  Fabrikation  befolgt  werden  sollen.  Dann  aber  wendet  sich  das  Patent 
in  lebhaften  Worten  an  das  Land:  es  wird  aufgefordert,  für  die  ,, Etablierung  so 
vieler  und  wichtiger  Manufacturen"  einen  ,, leidlichen"  Beitrag  zu  leisten,  Künst- 
lern und  Handwerkern  aber,  die  sich  an  dem  Werke  beteiligen  wollten,  ganz  be- 
sondere Vergünstigungen  und  voller  Schutz  gegen  etwaige  Ansprüche  von  selten  der 
Zünfte  oder  der  Jurisdiktion  der  Magistrate  oder  der  Amtsleute  in  Aussicht  gestellt. 
Schließlich  sieht  das  Dekret  gar  in  weiterer  Ferne  durch  das  Herbeiziehen  von 
,, guten  Künstlern  und  Handwerkern"  bereits  ein  allgemeines  Aufblühen  von  Künsten 
und  Wissenschaften  in  Sachsen,  das  dem  ganzen  Lande  zum  Nutzen  gereichen  würde. 
So  stellt  dies  königliche  Dekret  noch  einmal  vor  aller  Augen,  aus  welchen 
Gesichtspunkten  diese  ganzen  Unternehmungen  Böttgers  ins  Leben  gerufen  worden 
waren.  Es  ist  in  dieser  Beziehung  ein  unwiderleglicher  Beweis  für  die  beständige 
ernstliche  Sorge  des  Königs,  sein  Land  wirtschaftlich  zu  heben,  die  diesem  niemand 
trotz  seines  im  übrigen  wohl  nicht  gerade  als  musterhaft  zu  bezeichnenden  Regierens 
wird  wegleugnen  können,^^°)  mochte  er  dabei  aus  der  wirtschaftlichen  Blüte 
derselben  auch  noch  so  viel  Vorteil  für  sich  selber  erhoffen.  Es  stellt  sich  aber 
zugleich  auch  als  ein  klares  Programm  für  die  Zukunft  dar,  ein  Programm,  nach  dem 
nun  wirklich  gearbeitet  werden  konnte.  Aber  daneben  enthüllt  es  einen  Optimis- 
mus, der  seltsam  absticht  von  dem  lauen  Verhalten  der  Kommission  des  ver- 
gangenen Jahres,  eine  Hoffnungsfreudigkeit  und  ein  Vertrauen  in  die  Zukunft, 
die  ganz  allein  der  Ausfluß  der  Temperamente  des  Königs  wie  Böttgers  gewesen 
sein  müssen,  die  sich  hier  in  seltener  Weise  zusammenfanden  und  ergänzten. 
Nur  diesem  glücklichen  Zusammentreffen  dürfte  damals  in  der  Tat  die  Gründung 
der  Manufaktur  zu  verdanken  sein !  Wie  stolz  man  aber  damals  hier  auf  die  neuen 
Erfindungen  war,  das  geht  aus  jener  Tatsache  hervor,  daß  man  das  Patent  in  nicht 
weniger  als  vier  Sprachen  erscheinen  ließ,  in  Deutsch,  Holländisch,  Französisch  und 
sogar  in  Lateinisch.  Ersteres  geschah  aus  kommerziellen  Gründen,  zur  lateinischen 
Sprache  jedoch  griff  man  wohl,  um  ihr  durch  Anwendung  der  Sprache  der  Gelehrten 


62  I>ie  Steinzeugfabrik. 

ein  ganz  besonderes  Ansehen  zu  geben  und  sie  namentlich  auch  in  den  Kreisen 
dieser,  aus  denen  sie  ja  auch  hervorgegangen  war,  bekannt  zu  machen.  Auch  ver- 
öffenthchte  man  das  Patent  in  mehreren  angesehenen  Zeitungen,  wie  es  scheint, 
sogar  auch  in  auswärtigen.  Sicherhch  war  bisher  noch  niemals  für  eine  Erfindung 
soviel  Reklame  gemacht  worden,  wie  es  jetzt  für  die  Böttgers  geschah.  Doch 
verdienten  sie  es  auch  sicherlich. 

Schnell  schritt  man  dann  auch  zur  Ausführung  des  nun  bekannt  gegebenen 
umfangreichen  Unternehmens,  bei  dem  man  sich  zunächst,  wie  es  das  könig- 
liche Patent  selber  getan  hatte,  durchaus  an  die  keramischen  Erfindungen 
hielt.  Schon  vor  dem  Erlaß  des  Patents  hatte  der  König,  für  die  neu 
zu  begründenden  Fabriken  ein  eigenes  Direktorium  ernannt,  zu  dem  das  eine 
Mitglied  der  gewesenen  Kommission,  der  Kammerrat  Nehmitz,  der  schon  seit 
langem  die  Oberaufsicht  über  Böttger  geführt  hatte,  und  der  Sekretär  Matthis,  der 
Böttgers  Verkehr  mit  dieser  Kommission  vermittelt  hatte,  jetzt  aber  auf  Böttgers 
Wunsch  den  Kommerzienratstitel  erhielt,  berufen  worden  waren.  Die  Ernennung 
dieses  Direktoriums  war  auf  5ö^fger5  eigenen  Wunsch  erfolgt  ^^^),  nachdem  ihm  frei- 
lich dazu  Matthis,  der  wohl  hierbei  nicht  ganz  selbstlose  Absichten  hatte,  überredet 
zu  haben  scheint.  Böttger  mochte  dadurch  wirklich  glauben,  entlastet  zu  werden 
und  ungestörter  seinen  sonstigen  auf  neue  Erfindungen  gerichteten  Arbeiten  sich 
hingeben  zu  können.  Andererseits  aber  schien  ein  solches  Direktorium  für  die  neue 
Fabrik  schon  deshalb  unumgänglich  notwendig  zu  sein,  weil  Böttger  auch  nach 
seinen  bisherigen  Erfindungen  noch  immer  der  Gefangene  auf  der  Jungfer  blieb, 
der  mit  der  übrigen  Welt  nicht  verkehren  dürfte.  Er  konnte  darum  in  der  Tat 
ein  in  der  breiten  Öffentlichkeit  stehendes  Institut  nicht  selber  oder  wenigstens 
nicht  ganz  allein  leiten. 

Schon  einen  Tag  nach  Erlaß  des  Patents  erhielt  das  Direktorium  seine  In- 
struktion, nach  welcher  es  direkt  dem  Könige  und  seinem  Statthalter  unterstellt 
ward,  in  wichtigen  Fragen  sich  auch  an  diese  wenden,  im  übrigen  aber  freie  Hand 
haben  solle,  namentlich  hinsichtlich  der  Anstellung,  Entlassung  und  Bestrafung 
der  Angestellten  der  Fabrik.  Auch  sollte  die  Verwendung  der  ihm  zur  Verfügung 
gestellten  Gelder  nicht  der  Prüfung  durch  die  Rechnungskammer  unterliegen  und  ein 
bei  der  Fabrik  etwa  eintretendes  Defizit  ihm  nicht  zur  Last  gelegt  werden.  Dafür 
aber  hatte  es  die  Fabrik  nach  „guter  Kauffmannsarth  und  Gewohnheit"  einzurichten 
und  ganz  besonders  dafür  zu  Sorge  tragen,  daß  das  Geheimnis  der  ^ö^^gerschen 
Erfindungen  auf  alle  erdenkliche  Weise  gewahrt  bliebe  ^^2)_  Jmv  Ausführung 
aller  dieser  Verrichtungen  nahm  sich  das  Direktorium  einen  Sekretär,  einen 
Kommissär  und  einen  Aufwärter.  Auch  mietete  es  sich  ein  eigenes  Haus,  das  so- 
genannte Bosische  in  der  Wilsdruffergasse.  Von  dieser  Seite  konnte  es  dem- 
nach an  nichts  fehlen. 

'  i|  •  Dann  aber  suchte  man  für  die  Manufaktur  selber  eine  neue  Hilfskraft  Zugewinnen. 
Zwar  hatte  schon  Böttger  im  Mai  des  vergangenen  Jahres  sich  aus  dem  intimen 
Kreise  des  verstorbenen  Tschirnhausen,  einen  gewissen  Johann  Melchior  Steinbrück 


Einrichtung  der  Manufaktur,  63 

herbeigeholt,  einen  tüchtigen  und  sohden  Mann,  der,  aus  Frankenhausen  in  Thüringen 
gebürtig,  anfangs  als  Informator  der  Söhne  Tschirnhausens,  dann  als  Gehilfe 
bei  seinen  wissenschaftlichen  Arbeiten  15  Jahre  in  dessen  Diensten  gestanden  hatte, 
nun  aber  bald  aufs  engste  mit  der  neuen  Manufaktur  und  Böttgers  sonstigen 
Unternehmungen  verwachsen  und  sich  dauernde  Verdienste  um  diese  erwerben 
sollte.  Er  hatte  ihn  zunächst  nur  als  seinen  ,,Domestiquen"  angenommen,  hatte 
aber  schon  damals  größere  Dinge  mit  ihm  vor.  Doch  dem  Direktorium  scheinen 
diese  Absichten  Böttgers  nicht  sehr  genehm  gewesen  zu  sein.  Sei  es,  daß  es  durch 
eine  ihm  ganz  ergebene  Persönlichkeit  unmittelbarer  mit  diesem  Unternehmen 
und  mit  Böttger  selber  in  Verbindung  zu  bleiben  wünschte,  oder  daß  nur  der  Kammer- 
rat Nehmitz  seinem  inzwischen  nach  Hamburg  verzogenen  Bruder  eine  Versorgung 
zu  verschaffen  strebte,  man  berief  Dr.  Nehmitz  nach  Dresden  zurück,  wies  ihn 
dort  in  das  Laboratorium  Böttgers  und  forderte  diesen  auf,  ihn  auf  des  Königs 
Befehl  die  Komposition  der  endlich  gefundenen  Glasur  des  Porzellans  und  die 
Erbauung  der  Öfen  zu  lehren^^^),  nachdem  er  die  Zusammensetzung  der  Porzellan- 
masse schon  im  Jahre  1708  dem  Dr.  Bartelmei  angegeben  hatte^^*). 

Gleichzeitig  machte  man  sich  an  die  Einrichtung  der  Fabrik  selber,  die  freilich 
zunächst  für  längere  Zeit  nur  eine  Fabrik  von  Steinzeug  sein  konnte.  Denn  mit  dem 
Porzellan,  das  ja  an  sich  schon  vollständig  erfunden  war  und  auch  in  jeder  Be- 
ziehung ausnutzbar  erschien,  kam  Böttger  doch  wegen  seiner  so  unendlich 
viel  schwierigeren  fabrikmäßigen  Herstellung  damals  und  auch  noch  mehrere 
Jahre  später  durchaus  noch  nicht  zurecht.  Für  dieses  mußten  erst  die  mannig- 
fachsten Enttäuschungen  durchlebt,  die  reichsten  Erfahrungen  gesammelt  sein, 
es  mußte  experimentiert  und  immer  wieder  experimentiert  werden,  bevor  Böttger 
es  in  technischer  Beziehung  so  weit  in  seiner  Gewalt  hatte,  daß  an  seine 
rationelle  Ausnutzung  auch  nur  gedacht  werden  konnte.  Doch  auch  die  melierten 
Fhesen,  die  erste  keramische  und  für  die  ganze  Weiterentwicklung  der  Arbeiten 
Böttgers  so  wichtige  Erfindung,  ließ  man  ganz  außer  acht  und  hat  ihre  fabrik- 
mäßige Herstellung  —  es  ist  nicht  recht  klar,  aus  welchem  Grunde  —  auch  später 
niemals  in  Angriff  genommen  ^^s).  Um  so  mutiger  und  entschlossener  aber  ging 
man  jetzt  mit  dem  roten  Steinzeug  ans  Werk,  das  man  mit  Recht  schon  für  ein  recht 
kostbares  Produkt  hielt,  auf  das  man  die  größten  Hoffnungen  setzte.  Und  so 
ist  die  im  Jahre  1709  gegründete  ,, Porzellanmanufaktur",  streng  genommen, 
anfangs  nur  eine  Steinzeugfabrik  gewesen,  die  erst  seit  dem  Jahre  1713  sich  endlich 
den  Namen  einer  „Porzellanmanufaktur"  mit  Recht  erwarb.  Das  darf  in  der  Ge- 
schichte dieser  Anstalt  nicht  vergessen  werden. 

Zunächst  galt  es  hierbei,  der  neuen  Gründung  eine  passende  Stätte  zuzuweisen, 
an  der  sie  sich  in  voller  Freiheit  entwickeln  konnte.  Anfangs  freilich  glaubte  man, 
sie  in  Dresden  belassen  zu  können,  auf  jener  Jungferbastei,  auf  der  Böttger  selber 
sich  als  Gefangener  aufhielt.  Bereits  wurden  hier  neue  Arbeiter  angenommen 
und  neue  Öfen  gebaut.  Doch,  obwohl  man  einen  Teil  der  Arbeit  außerhalb  ver- 
richtete, z.  B.  in  Dr.  Bartelmeis  Haus  auf  der  Schloßgasse  das  Stoßen  und  Sieben 


64  Die   Steinzeugfabrik. 

der  Materialien,  die  dann  in  Schachteln  nach  der  Bastei  getragen  wurden  ^^^),  so  er- 
wiesen sich  doch  bald  die  Räumlichkeiten,  die  hier  für  diese  Zwecke  zur  Verfügung 
standen,  als  viel  zu  eng.  Auch  mochte  die  Feuergefährlichkeit  eines  solchen  Be- 
triebes starke  Bedenken  erregen,  zumal  ja  schon  einmal  hier  durch  Funken  ein 
beträchlicher  Brand  entstanden  war^^^).  So  sah  man  sich  bald  nach  einem  neuen 
Lokal  für  die  Fabrik  um.  Anfangs  scheint  man  hierbei  an  einen  Eisenhammer,  den 
Tschirnhausen  einst  an  der  Weißeritz  angelegt  hatte,  gedacht  zu  haben  i®^),  dann 
an  verschiedene  der  königlichen  Schlösser.  Doch  überall  hatte  man  Bedenken: 
dieser  Ort  lag  zu  entfernt  —  jener  zu  einsam  und  unsicher,  für  andere  gab  es  wieder 
andere  Gründe,  und  nur  die  Albrechtsburg  bei  Meißen,  das  feste,  auf  einem  isolierten 
steilen  Felsen  gelegene,  gewölbte  und  darum  feuerfeste  Schloß,  das  nur  durch  eine 
einzige  Brücke  mit  der  Stadt  in  Verbindung  stand,  schien  keine  Hindernisse  darzu- 
bieten. Hatte  es  doch  Böttger  selber  schon  früher  um  dieser  seiner  günstigen 
Lage  willen  für  einige  Zeit  beherbergt.  Auch  hatte  die  Stadt  Meißen  selber  seit  dem 
30jährigen  Kriege  die  traurigsten  Schicksale  durchmachen  müssen,  war  entsetz- 
lich herabgekommen,  verarmt  und  entvölkert  und  darum  einer  Auffrischung 
dringend  bedürftig ^^^).  Schon  am  7.  März  ward  daher  durch  königliche  Ver- 
ordnung die  Verlegung  der  ,, Porzellanmanufaktur"  nach  Meißen  beschlossen,  am 
6.  Mai  von  Warschau  aus  dem  Kammerrat  Nehmitz  die  Übernahme  der  Burg  ,,von 
der  Küche  bis  an  die  Kirche"  und  die  dortige  Aufrichtung  der  Fabrik  anbefohlen. 
Am  6.  Juni  1710  erschien  dann  in  Meißen  eine  königliche  Kommission,  bestehend 
aus  dem  Geheimen  Rate  und  Kreishauptmann  von  Meißen  Karl  Gottfried  von  Böse 
auf  Gamig,  dem  Hof-  und  Justizrat  Ernst  Friedrich  von  Döring  auf  Berlen,  und 
dem  Sekretär  der  Manufaktur  Jacob i,  um  Nehmitz,  dem  Direktor  der  Manufaktur, 
die  neue  Stätte  zu  übergeben.  Diese  Übergabe  fand  nicht  ohne  eine  gewisse 
Feierlichkeit  statt.  Vormittags  um  11  Uhr  begab  man  sich  auf  die  Burg,  be- 
sah zunächst  die  Gemächer  des  Schlosses,  trat  dann  im  Zimmer  des  ehemaligen 
Kufürsten  Johann  Georg  II.  zu  einer  Sitzung  zusammen.  Hier  hielt  der  Herr 
von  Böse  eine  feierliche  Rede  und  übergab  dann  dem  Direktor  die  Teile  der  Burg, 
die  für  ihre  Aufnahme  bestimmt  worden  waren,  worauf  dieser  eine  Gegenrede 
hielt  und  feierlich  die  ihm  überwiesenen  Gebiete  übernahm.  Damit  war  die 
Feier  beendet  und  die  neue  Manufaktur  hatte  nun  ihre  Stätte  gefunden,  auf  der 
sie  nun  über  anderthalb  Jahrhunderte  verbleiben  und  sich  ihren  Weltruhm  er- 
werben sollte. 

Die  neue  Stätte  der  Manufaktur,  die  Albrechtsburg,  bestand  damals  wie  heute 
noch  in  der  Hauptsache  aus  dem  an  der  nordöstlichen  Kante  des  Burgfelsens  ge- 
legenen eigentlichen  Schloß  und  der  daran  anstoßenden,  tief  in  den  Innenhof  sich 
hineinziehenden  Domkirche,  weiter  aus  einer  geschlossenen  Reihe  von  Häusern  an 
der  der  Stadt  zugekehrten  südlichen  sowie  einem  einzelnen  größeren  Hause,  dem  so- 
genannten „Korn- oder  Provianthaus",  an  der  nordwestlichen  Langseite.  Sie  bildeten 
alle  die  Umfassung  eines  weiten,  geräumigen  Hofes ^'^°).  Der  Ausgang  desselben,  das 
Burgtor,  befand  sich  an  dem  spitzen  Westende  des  Burgfelsens,  dort,  wo  der  Aufstieg 


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Zimmermann,  Meißner  Porzellan. 


66  Die  Steinzeugfabrik. 

von  der  Stadt  heraufkam  und  sich  mit  dem  mittels  einer  mächtigen  Überbrückung 
bewerkstelligten  Zugange  von  der  hochgelegenen  St.  Afrarkirche  aus  vereinigte.  Das 
Schloß  selber  stellte  damals  jener  stattliche  Bau  dar,  den  am  Ende  des  15.  Jahr- 
hunderts der  westfälische  Meister  Arnold  auf  Grund  einer  älteren  Burg  für  die  da- 
mals in  Eintracht  zusammen  regierenden  Kurfürsten  Ernst  und  Herzog  Albrecht 
aufgerichtet  hatte.  Es  erhob  sich  dreistöckig  mit  vielen  Gewölben  und  zeigte  nach  der 
Hofseite  zu  jenen  reizenden,  reichverzierten  Treppenturm,  der  noch  heute  das  Ent- 
zücken aller  Besucher  dieser  Burg  ausmacht,  ward  aber  damals,  da  die  sächsischen 
Fürsten,  dem  Zuge  der  Zeit  folgend,  längst  ihre  stehende  Residenz  in  der  Haupt- 
stadt des  Landes  aufgeschlagen  hatten,  vom  Hofe  nur  noch  selten  bewohnt.  Es 
konnte  daher  der  Fabrik  ohne  große  Mühe  eingeräumt  werden.  Nur  scheinen 
gewisse  Räume,  namentlich  der  große  Bankettsaal,  dem  Hofe  noch  reserviert 
geblieben  zu  sein,  da  noch  Jahrzehnte  später  hier  große  Feierlichkeiten  statt- 
gefunden haben,  desgleichen  auch  einige  Wohnräume  für  den  König^'^).  Dagegen 
befanden  sich  in  den  Häusern  an  der  Südseite  verschiedene  Behörden,  darunter 
das  Domstift  mit  der  Kapitelstube,  Archiv  und  Kurien,  die  sogenannte  Domschenke, 
sowie  das  Kreis-  und  Prokuraturamt.  Auch  der  Dom  ward  noch  benutzt:  alle 
vierzehn  Tage  fand  in  ihm  des  Sonntags  Gottesdienst  statt.  Allen  diesen  Be- 
hörden kam  das  plötzliche,  unvermutete  Eindringen  der  Manufaktur  in  ihre 
zum  Teil  durch  alte  Privilegien  gesicherten  Gebiete  keineswegs  gelegen,  um  so 
mehr,  da  bereits  vor  der  feierlichen  Übergabe  der  Burg  an  die  Manufaktur,  damit 
dieselbe  von  vornherein  vor  allen  fremden  Eindringlingen  bewahrt  bliebe,  ihre  so- 
fortige Räumung  energisch  anbefohlen  worden  war.  Man  setzte  sich  daher  mit  aller 
Kraft  zu  Wehr:  das  Domstift  machte  Eingabe  über  Eingabe  an  den  König,  pochte  auf 
seine  alten  Privilegien  und  hatte  an  allen  Tauschvorschlägen  etwas  auszusetzen. 
Auch  für  das  Kreisamt  war  es  nicht  leicht,  in  der  Stadt  ein  neues  Lokal  ausfindig  zu 
machen.  Doch  es  half  alles  nichts.  Erneute  königliche  Befehle  folgten  im  Oktober 
dieses  Jahres,  und  so  mußte  schließlich  doch  alles  wider  Willen  die  Burg  verlassen. 
Nur  das  Archiv,  die  Kirche  und  die  Kapitelstube  beließ  man  dem  Stift,  da  Böttger 
auf  diese  Räumlichkeiten  verzichten  zu  können  glaubte ^'2),  in  diesen  sich  ja 
auch  keine  Leute  ständig  aufzuhalten  pflegten.  Doch  erfolgte  allem  Anscheine 
nach  die  Räumung  der  Burg  sehr  langsam,  da  noch  im  August  des  Jahres  1711 
Böttger  sich  beklagte,  daß  sich  dort  noch  immer  die  Domschenke  befände,  in  der 
sich  „allerhand  frembdeLeuthe"  zum  Schaden  der  Manufaktur  verbergen  könnten  ^''^). 
Das  ganze  Gebiet  der  Burg  aber  wurde  unter  eine  militärische  Wache  von  20 — 30 
Mann  gestellt^'*),  die  niemanden  ohne  Erlaubnis  ein-  und  auspassieren  lassen 
durfte.  Auch  wurde  nächtliche  Beleuchtung  durch  brennende  Laternen  ,,wie  beim 
Residenzschloß  in  Dresden"  eingeführt  *^'^)  und  auch  sonst  alle  nur  erdenklichen  Maß- 
regeln zur  Wahrung  des  großen  Geheimnisses,  das  hier  oben  seine  Früchte  tragen 
sollte,  getroffen!'^),  die  freilich  oft  ans  Lächerliche  gestreift  zu  haben  scheinen. 
Und  so  konnte  die  Arbeit  endlich  —  wie  es  scheint  im  Oktober  des  Jahres 
1710  —  ernstlich  beginnen.    Böttger  selber  freilich  blieb  nach  wie  vor  in  Dresden, 


Die  Albrechtsburg. 


67 


nr^ck'i (^uf^c/ci[f/4f/i<-^i zu ^^a/i( /)  i< '! r'/u-// .  /  lA '///  .'.  (  'ou///:-'degrdvn.,i. tJ^>nf/.f^a^uß^. Crir^/^.K'/^rnMrruru^o.c/(i/t,i=c7mi:. 


Abb.  II.     Das  Innere  der  Albrechtsburg  nach  einem  Stich  von  Werner,  Mitte  des  i8.  Jahrhunderts. 
(Das  rauchende  Gebäude  zur  Linken  stellt  das  erst  bald  nach  Böttg^ers  Tode  errichtete  Brennhaus  dar.) 


als  der  Gefangene  auf  der  Jungfer  von  allem  Verkehr  mit  der  Außenwelt  ab- 
geschlossen. Er  ist  nur  dann  und  wann,  wenn  seine  Anwesenheit  dort  dringend 
erforderlich  war,  nach  Meißen  gekommen,  freilich  immer  in  Begleitung.  Als  eigent- 
liche technische  Leiter  der  Fabrik  wurden  damals  die  beiden  Doktoren  angesehen, 
denen  5ö«ger  auf  Befehl  des  Königs  die  Geheimnisse  seiner  Erfindungen  hatte  an- 
vertrauen müssen.  Denn  wenn  es  auch  von  Anfang  an  der  feste  Wille  des  Königs 
gewesen  war,  daß  alle  Erfindungen  Böttgers,  damit  sie  allein  seinem  Lande  Vorteil 
brächten,  vor  jedermann,  soweit  es  nur  irgend  ging,  als  vollstes  Geheimnis  bewahrt 
blieben,  und  hierfür  von  Anfang  an  alle  nur  irgend  erdenkliche  Maßregeln  getroffen 
worden  waren,  so  war  man  eben  dennoch,  wie  bereits  oben  gezeigt,  gezwungen  ge- 
wesen, einerseits,  um  den  so  stark  mit  anderen  Dingen  belasteten  Böttger  nicht  ganz 
allein  mit  der  technischen  Leitung  der  neuen  Manufaktur  zu  beladen,  anderer- 
seits, um  die  Erfindungen  Böttgers  nicht  mit  dessen  Tode  völlig  untergehen  zu 
lassen,  sie  wenigstens  einer  oder  einigen  völlig  zuverlässigen  Personen  mitzuteilen, 
aber  man  hatte  sich  damals  längst  dafür  entschieden,  damit  niemand  außer  Böttger 
die  ganzen  Geheimnisse  oder,  wie  man  damals  zu  sagen  pflegte,  Arcana  der  Fabrika- 
tion kannte,  jede  Mitwisser  nur  eines  Teils  derselben  sein  zu  lassen,  mit  dem 
allerstrengsten  Verbote,  sich  auch  um  den  anderen  zu  kümmern.  Auf  diese  Weise 
hatte,  wie  bereits  erwähnt,  Böttger  dem  Dr.  Bartelmei  die  Herstellung  der  Massen, 
dem  Dr.  Nehmitz  die  Komposition  der  Glasuren  und  den  Prozeß  des  Brennens 
mitgeteilt.  Beiden  ward  nun,  als  die  Manufaktur  begründet  ward,  die  Leitung 
ihrer  Abteilung  aufgetragen,  zu  welchem  Zwecke  ihnen  gleich  von  Anfang  an  aufs 


68  Die  Steinzeugfabrik. 

schärfste  anbefohlen  worden  war,  sich  aufs  genaueste  mit  ihren  Arcana  zu  be- 
schäftigen, vor  allem  aber  selber  auf  ihrem  Gebiete  zu  experimentieren,  damit 
sie  auch  wirklich  imstande  wären,  die  Manufaktur  gänzlich  ohne  Böttgers  Beihilfe 
zu  leiten.  Sie  hatten  jetzt  beide  in  Meißen  ihre  vier  Arbeiter  zugewiesen  bekommen, 
von  denen  die  einen  die  Glasuren  stampfen  und  Öfen  bauen,  die  anderen  die  Massen 
bereiten  sollten.  Dr.  Nehmitz  ist  dann  auch  bald  nach  Verlegung  der  Manufaktur 
auf  die  Albrechtsburg  nach  Meißen  übergesiedelt.  Dr.  Bartelmei  dagegen  zog  es 
vor,  in  Dresden  zubleiben,  er  soll  nie  lange  in  Meißen  gewesen,  ja  eigentlich  nur  mit 
Böttger  zusammen  dahin ^'')  gekommen  sein.  Die  eigentliche  Aufsicht  aber  über 
die  Fabrik,  namentlich  über  die  Arbeiter,  führte  seit  1711  Steinbrück,  Böttgers  da- 
maliges Faktotum,  den  er  in  diesem  Jahre  zum  Inspektor  derselben  gemacht  hatte. 
Er  wohnte  in  Meißen,  war  aber  durchaus  kein  Mitwisser  der  Arcana,  jedoch  in 
erster  Linie  dafür  verantwortlich,  daß  diese  geheim  blieben  und  namentlich  kein 
Arbeiter,  der  etwas  von  den  Arcana  wußte,  die  Fabrik  heimlich  verließ,  um  seine 
wertvollen  Kenntnisse  etwa  an  anderer  Stelle  zu  verwerten. 

Alle  wirkliche  Weiterarbeit,  jeder  Fortschritt  auf  keramischem  Gebiete  ist 
jedoch  damals  auf  der  Jungfer  erfolgt  durch  Böttger  selber,  der  als  die  einzige  wirk- 
lich bedeutende  schöpferische  Kraft  in  diesem  Kreise  nach  wie  vor  die  Seele  der 
ganzen  Unternehmungen  blieb.  Er  arbeitete  hier  in  seinem  Laboratorium,  über 
dessen  Eingang  er  den  mehr  launigen  als  poetischen  Vers  setzen  ließ: 

,,Gott  unser  Schöpfer 

hat  gemacht  aus  einem  Goldmacher  einen  Töpfer." 

Er  behielt  hier  seine  eigenen  Öfen  und  seine  eigenen  Arbeiter,  darunter  nament- 
lich David  Köhler  und  Johann  Georg  Schubert,  die  tüchtigsten,  die  die  Meißner 
Manufaktur  in  dieser  ganzen  Zeit  überhaupt  besaß,  von  denen  er  den  ersteren 
schon  als  kleinen  Bergjungen  aufgezogen  hatte,  der  andere  ihm  auch  schon  seit 
Jahren  diente.  Sie  mußten  zumeist  die  Gedanken  und  Versuche  Böttgers  im 
Feuer  probieren  und  haben  sich  dabei  in  der  Tat  um  das  Zustandekommen  der 
Böttger&Ghen  Unternehmungen  sehr  verdient  gemacht.  Hier  auf  der  Jungfer 
hatte  Böttger  auch  gleich  nach  Begründung  der  Manufaktur,  ja,  wahrscheinlich 
auch  schon  lange  vorher,  alles  daran  gesetzt,  um  seine  erste  bedeutende  kerami- 
sche Erfindung,  für  die  in  erster  Linie  die  Manufaktur  nun  begründet  war,  das 
rote  Steinzeug  industriell  nutzbar  zu  machen.  Mußte  ihm  doch  selber,  der  bisher 
dem  Könige  immer  so  viel  versprochen,  aber  bisher  so  herzlich  wenig  ge- 
halten hatte,  gar  viel  daran  liegen,  daß  nun  endlich  zu  dessen  Beruhigung  etwas 
scheinbar  recht  Einträgliches  zustande  käme,  zumal  auch  die  ersten  von 
ihm  gegründeten  keramischen  Fabriken,  die  Rund-  und  die  Steinbäckerei,  obwohl 
ihre  Aufrichtung  gar  nicht  so  schwer  erschienen  war,  durchaus  noch  nicht 
recht  zustande  kommen  wollten.  So  war  damals  in  der  Tat,  wie  berichtet  wird,  hier 
seine  ,, einzige  Sorge",  die  neue  Materie  so  viel  wie  möglich  nach  jeglicher  Richtung 
hin  auszunutzen,   vor  allem   aber  ihre  Massenfabrikation  in  die  richtigen  Wege 


Beginn  des  Fabrikbetriebes. 


69 


zu  leiten:  der  wirkliche  Fabrikbetrieb,  der  etwas  ganz  anderes  darstellt  als  die 
Herstellung  einiger  weniger  Objekte,  mußte  begründet  werden.  Und  so  ,, ungemein 
fleißig  und  eifrig"  hat  Böttger  damals  in  der  Tat  gearbeitete'^),  daß  schon  zu  Ostern 
dieses  Jahres  ein  unglaublicher  Vorrat  der  verschiedenartigsten  Gegenstände 
fertig  war,  der  völlig  ver- 
kaufbar schien. 

Freilich  Anstrengungen 
genug  muß  es  damals  Böttger 
gekostet  haben,  das  neue  ke- 
ramische Produkt  in  dieser 
Weise  technisch  bewältigen 
zu  lernen.  Es  ist  niemals 
eine  leichte  Sache,  selbst 
nicht  für  den  Fachmann, 
eine  neue  keramische  Indu- 
strie, deren  glückliches  Ge- 
lingen meist  nur  das  Resul- 
tat langer  Erfahrungen  sein 
kann,  so  ohne  weiteres  aus 
dem  Boden  zu  stampfen,  es 
ist  doppelt  schwer  für  je- 
manden der,  wie  Böttger,  auf 
diesem  Gebiet  völliger  Laie 
war.  Zwar  hatte  sich  ja 
Dr.  Bartelmei,  wie  es  von 
ihm  gewünscht  worden  war, 
mit  unleugbarem  Eifer  der 
neuen  Unternehmungen  an- 
genommen, er  hatte  seine 
große  keramische  Orientie- 
rungsreise unternommen  und 
hierbei  aufmerksam  auf  alles 
geachtet,  was  irgendwie  mit 
Töpferei  zusammenhing.  Auch 
waren  ja  sowohl  für  die  Stein- 
und  Rundbäckerei  als  auch 
für  die  anderen  keramischen 
Versuche  Böttgers  allerhand  Töpfermeister  und  Gesellen  aus  nah  und  fern  herbei- 
gezogen gekommen.  Aber  auch  diese,  die  sich  vielleicht  nur  deshalb  eingestellt 
hatten,  weil  sie  an  anderer  Stelle  mit  ihrem  Können  nicht  weiterkamen,  hatten 
sich  ja  so  gut  wie  alle  als  völlig  unfähig  erwiesen.  In  den  Rund-  und  Stein- 
bäckereien gelang  es  damals  nicht  einmal,  eine  haltbare  Glasur  herzustellen  oder 


Abb.  12.    Böttgersteinzeug.    Statuette  König  August  des  Starken. 

Sammlung:  Gumprecht,  Berlin.     Höhe  ii,s  cm. 


70  Die  Steinzeugfabrik. 

Rundgefäße  richtig  aufzudrehen.  Bei  einer  im  Juni  dieses  Jahres  vorgenom- 
menen Untersuchung  letzterer  Anstalt  stellte  sich  heraus,  daß  dort  nicht  weniger 
als  20000  Fliesen  umherlagen,  die  nach  der  eigenen  Angabe  der  Leiter  dieses  Be- 
triebes die  Glasur  nicht  trugen^'^).  Wie  konnten  da  diese  Hilfskräfte  Böttger  hei  dem 
behilflich  sein,  was  er  nun  mit  dem  weit  schwierigeren  Produkte  des  roten  Stein- 
zeugs in  künstlerischer  wie  technischer  Hinsicht  beabsichtigte!  So  ruhte  damals 
die  ganze  Last  dieses  Unternehmens  fast  allein  auf  Böttgers  Schultern,  er 
mußte  alles  Neue,  was  erforderlich  war,  aussinnen  und  zu  seiner  Durchführung 
die  richtigen  Wege  weisen,  er  mußte  alle  Schwierigkeiten,  die  sich  hierbei  in 
den  Weg  stellten,  selber  prüfen  und  die  Mittel  zu  ihrer  Abstellung  suchen.  Daß  aber 
Böttger,  dem  keramischen  Laien,  dies  alles  wirklich  gelang,  und  zwar  in  so  erstaun- 
lich kurzer  Zeit,  daß  er  fast  spielend  alle  Hindernisse,  auf  die  er  stieß,  auch  wirk- 
lich zu  beseitigen  wußte,  das  ist  namentlich  in  Anbetracht  des  doch  immerhin 
schwierigeren  keramischen  Objektes,  um  dessen  Bewältigung  es  sich  hier  jetzt 
handelte,  ein  neuer  Beweis  für  Böttgers  glänzende  Begabung,  für  sein  ungewöhnlich 
technisches  Geschick  und  die  Vielseitigkeit  seines  Geistes,  die  freilich  nur  der  wirk- 
liche Fachmann  ganz  zu  würdigen  verstehen  wird.  Es  ist  ein  neues  Blatt  in  dem 
Ruhmeskranze  dieses  Erfinders. 

Zunächst  nach  der  Erfindung  des  Steinzeugs  wird  es  Böttgers  erste  Sorge 
gewesen  sein,  größere  Lager  der  roten  Erde  in  Sachsen  aufzufinden,  wenn  er  auch 
noch  längere  Zeit  hindurch  diese  von  dem  Kaufmann  Böhme  in  Dresden  bezogen 
zu  haben  scheint i^^).  Doch  wird  bereits  im  Jahre  1711  eine  rote,  hinter  Zwickau 
brechende  Erde  genannt^^^),  die  später  nachweislich  zu  dieser  Masse  verwandt 
ward ^^2),  und  die  auch  heute  dort  noch  keramische  Verwendung  findet;  später 
mag  auch  eine  rote  Erde,  die  bei  Okrilla^^^)  in  der  Nähe  von  Meißen  gefunden 
ward,  in  Benutzung  gezogen  worden  sein.  Diese  Erden  wurden  mit  12  %  des  zweiten 
Bestandteiles  dieser  keramischen  Masse,  dem  Lehm,  zusammengesetzt,  den  man 
wahrscheinlich  die  ganze  Zeit,  wie  am  Anfange,  dem  Plauenschen  Grunde  bei 
Dresden  entnahm,  beide  Bestandteile  dann,  bevor  sie  zusammengefügt  wurden, 
sorgfältig  geschlemmt,  auf  dem  Ofen  getrocknet,  durchgesiebt  und  miteinander 
vermengt,  hierauf  der  Länge  und  der  Quere  nach  durchgerührt,  was  doppelt  so 
oft  geschehen  mußte,  als  es  nachher  für  die  Porzellannaasse  sich  als  nötig  erwies. 
Damit  war  die  Präparierung  der  Masse  zu  Ende^^*). 

Nun  konnte  die  Formung,  die  Gestaltung  derselben  beginnen,  die  in  der  Regel, 
wie  in  aller  Keramik,  mit  dem  Aufdrehen  auf  der  Töpferscheibe  begann.  Hierbei 
war  vor  allem  darauf  zu  achten,  daß  die  Masse  nicht  zu  trocken  war,  daß  sich  nicht 
etwa  kleine  Bläschen  durch  Ablockerung  der  oberen  Schicht  von  der  unteren 
bildeten,  die  beim  Brennen  ihre  sehr  verderbliche  Wirkung  tun  konnten.  Dann 
aber  folgte  der  schwierigste  Teil  dieser  ganzen  Arbeit,  wie  aller  Keramik  über- 
haupt, derjenige,  auf  den  die  ganze  übrige  keramische  Tätigkeit  in  erster  Linie 
hinzielt,  das  Brennen.  Das  Brennen  hat  in  der  Tat  Böttger  schon  bei  diesem  Stein- 
zeug viele  Mühe  bereitet,  wenn  natürlich  auch  nicht  entfernt  so  viel,  wie  später 


Technische  Bewältigung.  71 

beim  Porzellan.  Handelte  es  sich  doch  auch  schon  hier  um  Erzeugung  und 
Beherrschung  einer  Hitze,  an  die  die  damalige  Keramik  durchaus  noch  nicht 
gewöhnt  war,  wohingegen  freilich  diese  Masse  dem  Porzellan  gegenüber  noch 
immmer  den  großen  Vorteil  darbot,  im  Brande  nicht  weich  zu  werden,  vielmehr 
nur  fest  zusammenzutrocknen,  zu  versintern.  Die  Gefahr  des  Schiefwerdens,  des 
Sichziehens,  des  Reißens  war  daher  bei  diesem  Steinzeug  lange  nicht  so  groß, 
wie  beim  Porzellan,  wenn  auch  durchaus  nicht  ausgeschlossen. 

Böttger  war  natürlich  auch  auf  dem  Gebiet  des  Brennens  zunächst  durchaus 
Laie.  Wer  weiß,  ob  er,  bevor  er  als  löjähriger  Jüngling  in  Dresden  zu  so  langer 
Abgeschlossenheit  von  aller  Welt  durch  den  Machtspruch  des  Königs  verurteilt 
ward,  überhaupt  jemals  einen  Töpferofen  gesehen  hatte?  Doch  Dr.  Bartelmei 
hatte  ja  auf  seinen  Orientierungsreisen  ganz  besonders  auf  derartige  Brennöfen 
geachtet  und  sogar  Zeichnungen  von  ihnen  mit  nach  Hause  gebracht;  auch  die 
Töpfer,  die  Böttger  bisher  engagiert  hatte,  mochten  wenigstens  auf  diesem  Gebiete 
einige  Erfahrung  besitzen-  Vor  allem  aber,  Brennprobleme,  Ofenprojekte  lagen 
hier  in  dem  Tschirnhausen-Böttgerschen  Kreise  damals  durchaus  in  der  Luft.  Zu  den 
technisch-industriellen  Bestrebungen,  zu  denen  der  Merkantilismus  Frankreichs  in 
Sachsen  Anlaß  gegeben  hatte,  gehörte,  wie  bereits  oben  gezeigt,  in  erster  Linie 
die  bessere  Ausnutzung  des  Feuers,  die  Verbesserung  der  Öfen,  die  zu  industriellen 
Zwecken  verwandt  wurden.  Man  ging  vor  allem  darauf  aus,  durch  besseres  Aus- 
nutzen des  Brennmaterials,  das  damals  ausschließlich  Holz  zu  sein  pflegte,  die 
Kosten  der  Herstellung  eines  Produktes  zu  verringern.  Gerade  nach  dieser  Rich- 
tung hin  war  ja  auch  schon  Tschirnhausen  besonders  eifrig  gewesen,  er  hatte  neue 
Öfen  für  Salzwerke,  für  Brauereien  konstruiert,  die  sich  auch  bewährt  hatten;  auch 
den  für  Sachsen  so  wichtigen  Blaufarbenwerken  hatte  er  ja  auf  gleiche  Weise  ab- 
helfen wollen ^^^).  Böttger  hat  alle  diese  Bestrebungen  in  vollem  Umfange  nach 
Tschirnhausens  Tode  wieder  aufgenommen ;  sie  begleiten  seine  ganze  weitere 
Tätigkeit  bis  an  sein  Lebensende,  indem  er  bald,  wie  schon  erwähnt,  darauf  aus- 
ging, das  Schmelzen  von  Erzen,  an  denen  das  sächsische  Erzgebirge  so  reich  war,  ra- 
tioneller zu  gestalten,  bald,  wie  Tschirnhausen  neue  Brennöfen  erfand,  sie  probieren 
ließ  und  ihr  Prinzip  dann  auf  alle  möglichen  anderen  Industrien  auszudehnen 
versuchte ^"^).  Hierbei  können  ihm  auch  seine  alchimistischen  Untersuchungen, 
die  ja  vorzugsweise  mit  dem  Feuer  arbeiteten,  von  einigem  Nutzen  gewesen  sein. 

So  ging  Böttger  getrost  ans  Werk.  Die  ersten  Öfen  freilich,  die  Böttger  für  das 
Garbrennen  seiner  keramischen  Produkte  schon  im  Jahre  1709  auf  der  Jungfer 
gebaut  hatte,  erwiesen  sich  als  nicht  ausreichend.  Es  waren,  wie  anscheinend  alle 
keramischen  Öfen  Böttger s,  und  wie  sie  auch  Dr.  Bartelmei  in  seinen  Zeichnungen 
angegeben  hatte,  liegende,  halbzylindrische  Öfen,  die  aber  viel  zu  klein  und  der 
Gewölbe  der  Festung  wegen  viel  zu  niedrig  waren,  worüber  sich  Böttger  ja  schon  im 
November  dieses  Jahres  gegenüber  seiner  Kommission  beklagt  hatte.  Nur  andert- 
halb Reihen  der  in  dieselben  gesetzten  Gefäße,  die  hinten  an  der  Stirnmauer  gerade 
unter  der  Feueresse  aufgesetzt  wurden,  konnten  auf  einmal  gut  gebrannt  werden, 


72  Die  Steinzeugfabrik. 

die  vorderen  Plätze  mußten  dagegen  völlig  unausgenutzt  gelassen  werden  und 
auch  von  jenen  zog  sich  vieles  schief  oder  fiel  blättrig  aus,  so  daß  es  für  unbrauch- 
bar gelten  mußte^^').  In  Dresden  scheinen  hierbei  Böttger  mehr  Öfen  zur  Verfügung 
gestanden  zu  haben  ^^^),  als  in  Meißen,  wahrscheinlich,  weil  er  für  seine  vielen,  ganz 
verschiedenartigen  Untersuchungen  dort  mehrerer  zu  gleicher  Zeit  bedurfte.  In 
Meißen  dagegen  hört  man  in  dieser  Zeit  nur  von  einem  einzigen,  der  aber  kaum 
besser  gewesen  zu  sein  scheint  als  die  zu  Dresden.  Ein  größeres  Stück  füllte 
ihn  fast  gänzlich  aus,  so  daß  der  Zug  des  Feuers  völlig  gehemmt  und  dadurch  nach 
der  einen  Seite  zu  viel  Hitze  gelenkt  wurde ^^^).  Er  war  hier  in  der  sogenannten 
Küche  aufgestellt^^"),  einem  anscheinend  kleineren  Hause  am  Nordrande  der 
Burg  scheinbar  dicht  am  sogenannten  ,, Kornhause",  das  zum  Brennhause 
eingerichtet  war^^^).  Doch  der  Raum  erwies  sich  als  viel  zu  klein  zur  Auf- 
nahme mehrerer  Öfen,  auch  viel  zu  niedrig  zur  Aufnahme  eines  größeren.  Daher 
beschloß  Böttger  schon  im  August  des  Jahres  1711  ein  neues  Brennhaus  auf  der 
Burg  errichten  zu  lassen  und  hatte  für  dasselbe  auch  bereits  einen  Platz  ausersehen, 
eine  wüst  gelegene  Stelle  auf  dem  Platz  der  Domkirche  gegenüber  zwischen  dem 
Schloß  und  jener  Küche,  indes  diese  zu  der  Fabrikation  des  künstlichen  Borax, 
den  Böttger  damals  erfunden  zu  haben  glaubte  und  mit  dem  er  es  damals  sehr 
wichtig  hatte,  verwandt  werden  sollte.  Auch  hatte  der  König,  die  Berechti- 
gung dieses  Bedürfnisses  völlig  einsehend,  sofort  6000  Taler  für  den  Neubau 
bewilligt  und  Anweisungen  zur  Auszahlung  dieser  Summe  erteilt,  und  es  wurde 
auch  wirklich  mit  Hilfe  der  damals  noch  üblichen  Frondienste  der  ,,Ambts-Unter- 
thanen"  in  Meißen  mit  dem  Bau  desselben  im  August  des  Jahres  1712  der  Anfang 
gemacht.  Bauholz  und  Steine  wurden  herbeigeschafft  und  auch  bereits  die  Grund- 
mauern gelegt.  Da  stockte  das  ganze  Unternehmen,  da  das  Geld  ausblieb  und  auch 
die  Frondienste  aufhörten.  Wie  es  Böttger  später  zu  seinem  großen  Ärger  noch  so 
oft  ergehen  sollte,  zahlte  die  Kammer  das  ihm  vom  Könige  angewiesene  Geld, 
entweder  weil  sie  es  nicht  wollte  oder  auch  gar  nicht  konnte,  einfach  nicht  aus, 
und  damit  blieb  dieses  wichtige  Werk  dauernd  liegen.  Das  bereits  angefahrene 
Holz  ward  später  zum  Heizen  der  Öfen  verwandt,  die  am  Wasser  lagernden  Steine 
schwemmte  zum  größten  Teil  ein  Hochwasser  der  Elbe  weg  und  Böttger  war  wieder 
soweit  wie  vordem.  Es  war  das  erste  wirkliche  Hindernis,  auf  das  Böttger  wäh- 
rend seiner  Arbeiten  stieß,  der  Geldmangel,  der  eine  Folge  war  der  gänzlich  un- 
zulänglichen finanziellen  Kräfte,  mit  denen  alle  diese  Unternehmungen  Böttgers 
begonnen  wurden,  doch  es  war  ein  Hindernis,  das  bald  nur  zu  sehr  ein  dauern- 
des werden  sollte  ^^2)  und  Böttger  dann  mehr  in  allen  seinen  Arbeiten  gelähmt  hat, 
als  irgend   etwas  anderes. 

Alle  die  eben  genannten  Öfen  Böttgers  waren  aus  feuerfesten  Tonziegeln 
errichtet,  aus  einer  Masse,  deren  Zusammensetzung  er  vielleicht  bei  seinen  Unter- 
suchungen anläßlich  des  Porzellanerfindens'gefunden  hatte,  die  er  aber  anfangs 
von  weither  kommen  lassen  mußte,  weswegen  sie  nicht  gerade  billig  waren ^^^). 
Diese  Ziegel,  die  wir  heute  Schamotteziegel  zu  nennen  pflegen,  stellten  gleichsam 


Das  Brennen. 


73 


eine  neue  keramische  Erfindung  Böttgers  dar,  die  er  so  ganz  nebenher  gemacht 
hatte.  Sie  wurden  später  auch  von  anderen  zum  Bau  von  Öfen  verwandt. 
In  die  aus  ihnen  konstruierten  Öfen  wurde  das  rote  Steinzeug  ganz,  wie 
€s  damals  mit  den  Fayencen  zu  geschehen  pflegte  und  auch  für  das  Porzellan 
erforderlich  war,  in  Kapseln  eingesetzt,  dann  ward  die  aus  Holz  bestehende 
Feuerung  angezündet  und  der  Garbrand  vollzogen.  Um  aber  zu  erkennen,^ 
wann  dieser  vollendet  war,  hatte  Böttger 
,, Probelöcher"  an  den  Öfen  anbringen, 
lassen,  durch  die  man  in  dieselben  hinein- 
schauen konnte,  und  dicht  bei  diesen 
,, kleine  Kegelchen"  aus  dem  Lehm  des 
Plauenschen  Grundes  auf  die  Kapseln  setzen 
lassen.  Fingen  diese  Kegelchen  an  glänzend 
zu  werden  und  zu  fließen,  dann  war  es 
Zeit,  den  Ofen  ausgehen  zu  lassen^^*). 
Böttger  aber  hatte  damit  jene  Erfindung 
gemacht,  die  in  unserer  Zeit  zu  der  des 
jedem  Keramiker  bekannten  sogenannten 
Segerkegels  führen  sollte,  des  wichtigsten 
Hilfsmittels  das  die  Keramik  unserer  Zeit 
zu  gleichen  Zwecken  besitzt.  Er  ist  so- 
mit auch  hier  der  Vater  dieses  Gedankens 
gewesen. 

Trotz  alledem  aber  war  es  bei  der 
Primitivität  dieser  Öfen  kein  Wunder,  daß 
noch  immer  manches  schief  und  verbrannt 
oder  infolge  mangelhaften  Aufdrehens  blätt- 
rig aus  dem  Ofen  herauskam,  ja  sogar  zer- 
sprang und  somit  in  keiner  Weise  den  ge- 
hegten Erwartungen  entsprach'^'^).  Na- 
mentlich ward  es  als  sehr  ärgerlich  empfunden, 
daß,  hatte  man  sich  mit  der  Komposition 
der  Massen  auch  noch  so  sehr  dem  jedes- 
maligen  Grad  des   Feuers    angepaßt,   viele 

Stücke  dennoch  ein  unschönes  graues  oder  aschfarbenes  Äußere  erhielten,  als  Folge 
einer  zu  starken  Erhitzung i^^).  Doch  entdeckte  Böttger  bald,  daß  diese  graue  Farbe 
meist  nur  der  äußeren  Schicht  anhaftete  und  daß  unter  dieser,  sobald  sie 
durch  Schleifen  entfernt  wurde,  der  übliche  rote  Ton  wieder  zum  Vorschein 
kam,  so  daß  ein  derartig  verbranntes  Stück  dann  wieder  wie  ein  gewöhn- 
liches rotes  behandelt  werden  konnte.  Dennoch  ist  schließlich  Böttger 
durch  unermüdhches  Probieren  über  alle  diese  Schwierigkeiten  Herr  ge- 
worden und  hat  diese  Masse  in  tadellosester  Weise  herzustellen  gelernt.    Ja,  er 


Abb.  13.     Pokal  in  Silber.     Arbeit  J.  J.  Irmingers. 

(Eigentum  der  Dresdner  Bog-enschützengesellschaft.) 

Aus   Bau-  und  Kunstdenkmäler  Sachsens,  Bd.  23. 


74  Die  Steinzeugfabrik. 

ward  bald  so  eingenommen  von  ihr,  daß  er  sie  in  echtem  Erfmderstolze  ohne  Be- 
denken über  die  ihres  ursprüngHchen  Vorbildes,  des  chinesischen  Steinzeugs,  stellte. 
Namentlich  wäre  sie,  so  gab  er  an,  viel  ,, zarter"  als  jene  und  dabei  doch  viel 
„kompakter",  so  daß  sie  sich  viel  leichter  schleifen  und  doch  beim  Aufdrehen 
„modulieren  und  poussieren"  ließe  wie  Wachs ^^').  Er  war  allem  Anscheine  nach 
mit  seiner  Erfindung  durchaus     zufrieden. 

Nach  der  rein  technischen  Behandlung  der  neuen  Masse  hatte  dann  Böttger 
in  erster  Linie  an  ihre  künstlerische  Ausgestaltung  zu  denken.  Denn  von  vorn- 
herein stand  es  fest,  dieses  ,, neuerfundene  Porzellain"  zur  Erhöhung  seines  materi- 
ellen, wie  ideellen  Wertes  in  den  Dienst  einer  höheren  Kunst  zu  stellen,  es  auf  alle 
mögliche  Weise  zu  veredeln  und  zu  verfeinern.  Stellte  es  doch  an  sich  nicht  nur 
eine  für  die  damalige  europäische  Keramik  ungewöhnlich  feine  Masse  dar,  die  wie  von 
selber  zu  einer  solchen  Veredelung  herausforderte,  sondern  war  auch,  wie  später  das 
ganze  europäische  Porzellan  des  18.  Jahrhunderts,  in  der  Sphäre  des  Hofes  ent- 
standen, dadurch  von  vornherein  zu  einer  Feinheit  und  Delikatesse  bestimmt, 
die  die  bisherige  ausschließlich  bürgerliche  oder  gar  bäuerische  Keramik  Deutsch- 
lands, die  in  der  Hauptsache  ein  Ausfluß  des  biederen  Handwerks  gewesen  war, 
bisher  noch  niemals  gekannt  hatte.  Schon  gleich  in  jenem  Patent,  mit  dem 
der  König  im  Januar  des  Jahres  1710  die  Porzellanmanufaktur  begründet  hatte, 
hatte  er  ja  —  gleichsam  in  vier  Sprachen  —  „gute  Künstler  und  Handwerker"  her- 
beizuziehen versucht  und  zu  diesem  Zwecke  weitgehende  Privilegien  und  sonstige 
Vergünstigungen  in  Aussicht  gestellt,  hierbei  auch  hinsichtlich  der  künstlerischen 
Verwendung  der  neuen  Massen  Erwartungen  ausgesprochen,  die  die  Keramik 
überhaupt  kaum  je  hat  erfüllen  können.  Sah  er  doch  schon  im  Geiste  ganze 
,, Statuen  und  Columnen"  in  ihnen  entstehen ^^^),  und  es  äußerte  sich  demnach  schon 
damals  ganz  am  Anfange  jenes  allgemeine  Streben  des  Barocks  nach  dem  Großen, 
Mächtigen  und  Verblüffenden,  das  so  merkwürdig  die  ganze  Keramik,  die  dieser 
König  schuf,  durchzog  und  im  Porzellan  schließlich  auch  zu  Schöpfungen  führen 
sollte,  die  von  diesen  Bestrebungen  noch  heute  beredte  Kunde  geben. 

Vor  allem  aber  hoffte  man  damals,  in  voller  Unkenntnis  aller  jener  stilistisch- 
technischen Grundsätze,  die  heute  das  Abc  alles  kunsthandwerklichen  Schaffens  dar- 
stellen, aus  diesem  Materiale  wie  dann  später  auch  aus  dem  des  Porzellans  alles  zu 
„effektuieren",  was  sonst  aus  Marmor  oder  gar  aus  den  Metallen  hergestellt  zu  werden 
pflegte.  Hatte  man  es  doch  auch  etwas  kühn  Jaspisporzellan  getauft  und  damit 
weniger  als  ein  selbständiges  Material,  denn  als  das  Surrogat  eines  edleren  Stoffes 
hingestellt,  als  ein  Produkt,  das,  wie  Böttger  selber  angab,  „den  Namen  eines  durch 
Kunst  verfertigten  Edelsteins  wohl  meritiret".  Diese  seltsamen  Ansichten,  die  dies 
Material  seinem  eigenen  Gebiete  gänzlich  zu  entfremden  versuchte,  hat  dann  auch  in 
der  Tat  seiner  künstlerischen  Behandlung  stark  die  Wege  gewiesen:  ein  Goldschmied 
hat  in  der  Hauptsache  seine  künstlerische  Ausgestaltung  in  die  Hand  genommen, 
ja  die  hierbei  erforderlichen  Modelle  sogar  oftmals  in  Silber  und  Kupfer  ge- 
trieben^^^).    Seine  schönste  Veredlung  aber  erfuhr  es  dann  durch  jene  Techniken, 


Künstlerische  Gestaltung. 


75 


die  der  Keramik  bisher  völlig  ferngelegen  hatten  und  zu  ihr  auch  kaum  jemals 
wieder  zurückgekehrt  sind,  für  Edelsteine  und  Halbedelsteine  jedoch  die  fast 
allein  gebräuchlichen  darstellen:  durch  die  des  Schleifens  und  Schneidens. 

FreiUch  die  Goldschmiedekunst  war  bei  dem  damaligen  allgemeinen  Tiefstande 
der  Keramik  in  Sachsen  wohl  die  Kunst,  an  die  man  bei  einer  \sdrkHch  feineren 
künstlerischen  Bearbeitung  dieses  Stoffes  wohl  zunächst  denken  mußte.  Sie  war 
die  edelste,  feinste  und  angesehenste  unter  allen  handwerklichen  Künsten  dieser 
Zeit,  sie  ist  dieses, 
da  das  feine,  wert- 
volle Material  immer 
eine  feinere, kostspie- 
ligere Arbeit  heraus- 
gefordert hat,  auch 
zu  allen  Zeiten  ge- 
wesen. Ihre  Vertre- 
ter genossen  daher 
immer  eines  ganz  be- 
sonderen Ansehens, 
sie  standen  gleich- 
sam an  erster  Stelle 
unter  den  Kunst- 
handwerkern dieser 
Zeit.  Daneben  aber 
gab  es  auch  in  tech- 
nischer Beziehung 
Berührungspunkte : 
gleich  dem  Töpferge- 
staltet auch  der  Gold- 
schmied in  erster 
Linie  Hohlgefäße  und 
er  bedient  sich  gleich- 
falls hierbei  vielfach 
der      Technik      des 

„Aufdrehens",  die  für  den  Töpfer  die  eigentliche  Grundlage  seiner  Kunst 
ist.  So  war  es  denn  in  der  Tat  nicht  allzu  verwunderlich,  daß,  als  man  nun 
ernstlich  an  die  künstlerische  Ausgestaltung  des  roten  Steinzeugs  schritt,  der  Hof- 
goldschmied Irminger  mit  dieser  Aufgabe  betraut  wurde,  jener  geschickte  Gold- 
schmied, der  ganz  am  Anfange  der  keramischen  Versuchen  Böttgers,  bei  der  Be- 
gründung der  Rundbäckerei  den  so  unfähigen  einheimischen  und  fremden  Gesellen 
erst  das  Aufdrehen  der  Gefäße  hatte  beibringen  müssen.  Er  hatte  sich  dadurch 
Böttger  gegenüber  als  eine  sehr  brauchbare  Kraft  dokumentiert,  die  sich  nicht 
bloß  in  seinem  eigenen,  sondern  auch  in  einem  fremden  Gebiet  mit  großem  tech- 


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Abb.  14. 


Böttgersteinzeug.    Große  Schale,  glatt  geschliffen. 
Dresden,  König!.  Porzellansammlun^.    H.  36. 


76  Die  Steinzeugfabrik. 

nischem  Geschick  zurechtzufinden  schien ^o").  So  ward  ihm  jetzt,  jedenfalls  auf 
Böttgers  Betreiben,  durch  den  König  zunächst  mündlich,  später  durch  besondere 
Instruktion  anempfohlen,  ,,der  Porzellanfabrik  hülfreiche  Hand  zu  leisten  und 
auf  ,, solche  Inventionen  zu  denken,  damit  außerordentlich  große,  teils  andere 
Sorten  sauberer  und  künstlerischer  Geschirre  möchten  erzeuget  werden",  und 
Irminger  begann  hierauf  in  der  Tat  ,, unterschiedliche  Arten  verzierter  und  un- 
verzierter  Modelle"  auszusinnen  und  die  Modelle  dazu,  wie  bereits  erwähnt, 
sogar  in  Silber  und  Kupfer  zu  treiben,  bei  welcher  Arbeit  ihm  wohl  jene  Gold- 
schmiedegesellen geholfen  haben,  die  nachweislich  in  dieser  Zeit  für  die  Manufaktur 
beschäftigt  wurden,  ein  deutliches  Zeichen,  wie  ratlos  man  damals  noch  diesem 
neuen  Produkte  gegenüberstand,  doch  auch,  wie  hoch  seine  Wertschätzung  ging. 
Irminger  ist  dann  oft  Woche  für  Woche  nach  Meißen  gefahren,  um  hier 
die  Ausführung  seiner  Modelle  im  Steinzeug  zu  überwachen  und  den  Ar- 
beitern die  dazu  nötigen  Handgriffe  zu  lehren ^oi).  Er  muß  ein  in  jeder 
Beziehung  gewissenhafter  und  fleißiger  Mann  gewesen  sein,  einer  jener  wenigen, 
deren  Wahl  für  die  Zwecke  der  Manufaktur  der  König  und  Böttger  nie  bereut 
haben  werden^"^). 

Von  vornherein  durch  seine  ganze  Entstehungsgeschichte  gegeben  war  aber 
als  Hauptveredlungsmittel  des  roten  Steinzeugs  der  Schliff,  das  alte  Verzierungsmittel 
Tschirnhausens,  das  ja  allein  zur  Auffindung  des  Prinzips  des  Porzellans  und  damit 
dieses  selber  geführt  hatte. 

Er  sollte  hier  nach  wie  vor  die  Glasur  ersetzen,  zu  der  schönen,  tiefen,  rotbraunen 
Farbe  dieses  Materials  auch  noch  den  festlichen  Glanz  hinzufügen,  vor  allem  aber 
dies  Surrogat  eines  edlen  Naturprodukts  diesem  annähern,  soweit  es  nur  irgend 
möglich  war.  Diese  Bestrebungen  Böttgers  hingen  aufs  engste  mit  der  ganzen 
Geschmacksrichtung  dieser  Zeit  des  Barocks  zusammen,  die  immer  ein  ganz  be- 
sonderes Gefallen  an  nicht  bloß  materiell,  sondern  auch  ästhetisch  wertvollen 
Materialien  gefunden  hat,  wie  kaum  eine  Zeit  vor-  oder  nachher.  .Mit  Leidenschaft 
griff  man  damals  zum  Elfenbein,  zum  Bergkristall,  zu  Edel-  und  Halbedelsteinen, 
Korallen  u.  dgl.,  verschleuderte  Unsummen,  um  sie  zu  erwerben  und  ließ  sie 
in  die  wertvollsten  Materialien  mit  der  höchsten  Kunst,  die  zur  Verfügung  stand, 
fassen.  Ganze  Kabinette  wurden  von  solchen  kostbar  verarbeiteten  Materialien 
angelegt,  man  suchte  sich  in  der  Vermehrung  derselben  gegenseitig  nur  zu  über- 
bieten. Man  hat  eine  solche  Leidenschaft  für  derartig  wertvolle  Materialien  vielfach 
als  ein  Zeichen  künstlerischen  Verfalls  angesehen  und  jenen  Zeiten,  die  ihr  erlagen, 
wohl  das  wahre,  selbstlose  Kunstempfinden  absprechen  wollen;  wohl  mit 
Unrecht.  Warum  soll  sich  der  Mensch  nicht  freuen  an  jenen  edlen  Produkten, 
die  die  Natur  hervorbringt,  warum  durch  sie  nicht  einen  Genuß  empfinden,  dem 
ähnlich,  den  seine  eigenen  Werke,  seine  künstlerischen  Arbeiten  in  ihm  hervor- 
zurufen pflegen  ?  Eine  wirklich  verfeinerte  Welt  mit  offenen  Augen  für  alles  Schöne 
kann  nicht  an  derartigen  Dingen  vorübergehen:  sie  müssen  sie  reizen,  müssen  ihr 
gefallen  und  ihr  begehrenswert  erscheinen,  und  es  ist  nur  ein  trauriges  Zeichen 


Das  Schleifen. 


77 


von  der  Oberflächlichkeit  des  Kunstempfindens  unserer  Zeit,  wenn  diese  jene 
nicht  nur  kaum  beachtet,  sondern  gar  noch  über  jene  Zeiten,  die  sie  liebten  und 
begehrten,  spöttisch  zu  Gerichte  sitzt. 

Wie  es  damals  hinsichtlich  dieser  Leidenschaft  in  Dresden  stand,  davon  haben 
wir  noch  heutzutage  ein  so  sicheres  Zeugnis,  daß  jedes  andere  sich  daneben  er- 
übrigt: im  weltbekannten  ,, Grünen  Gewölbe"  des  königlichen  Schlosses  zu  Dresden 
hat  diese  Leidenschaft  der  Zeit  für  kostbare  Materialien  wohl  ihren  stärksten  und 
dauerhaftesten  Niederschlag  gefunden,  hier  ist,  was  damals  alles  an  wertvollen 
Materialien  Schätzung  gefunden  hat,  in  überwältigender  Fülle  zusammengebracht 
worden.  Es  ist  der  Geist  des  prunkliebenden,  aber  auch  so  kunstverständigen 
Königs  August 
des  Starken, 
der  hier  noch 
immer  lebt,  des- 
selben, der  von 
Böttger  das  glei- 
ßende künst- 
liche Gold  er- 
hoffte, dann 
aber  gleichfalls 
das  prächtig 
schimmernde 
Porzellan,  und 
der  nun  auch 
ganz  naturge- 
mäß das  neue 
Produkt  des  ro- 
ten Steinzeugs 
so  edel  und  so 
hoch  erhoben 
haben     wollte, 

wie  es  nur  irgend  möglich  war.  So  ward  die  Brücke  zwischen  der  Keramik  und 
der  künstlerischen  Behandlung  der  Edelsteine  geschlagen,  und  das  BöUger^ch.Q 
Steinzeug  hat  hiervon  wohl  nur  seinen  Vorteil  gezogen. 

Auch  noch  einem  dritten  Materiale  wurde  dieser  neue  vielseitige  Stoff 
nahe  gebracht,  dem  Glase :  zum  Schliff  gesellte  sich  der  Schnitt.  Er  war  für  dieses 
damals  die  Modetechnik  der  Zeit,  die  an  dem  damals  gebräuchlichen  dickwan- 
digen ,, Kristallinglas"  ganz  allgemein  zur  Anwendung  kam,  besonders  in  den  Nach- 
barländern Sachsens,  in  Böhmen  und  Schlesien,  und  die  ja  auch  Tschirnhausen 
in  einer  der  von  ihm  angelegten  Glashütten  eingeführt  hatte.  Diese  Technik  wurde 
am  Steinzeug  in  reichem  Maße  angewandt.  Man  unterschied  dabei  zwischen 
„Schneiden"  und  ,, Muscheln".     Ersteres  war  das  Eingravieren  von  Ornamenten, 


Abb.  15.    Böttgersteinzeug.    Pastetennapf,  geschliffen. 
Königl.  Porzellansammlungf,  Dresden.    Höhe  24  cm. 


78  Die  Steinzeugfabrik. 

letzteres  das  von  Facetten^o^).  Die  mannigfachsten  Wirkungen  konnten  dadurch 
erzielt  werden. 

Die  Anwendung  aber  dieser  beiden  Techniken,  des  Schneidens  wie  des  Schleifens, 
hatte  für  Böttger  das  Angenehme,  daß  er  sich  zu  ihrer  Bewältigung,  da  er  sie 
anderen  Gebieten  entlehnte,  keine  Kräfte  erst  heranzuziehen  brauchte.  Schon  im 
September  des  Jahres  1708,  wohl  unmittelbar  nachdem  Böttger  darauf  ausging, 
seinen  melierten  Fliesen  durch  den  Schliff  jenen  Glanz  zu  geben,  der  bisher  in  der 
Keramik  nur  durch  Glasuren  erreicht  worden  war,  hatte  Böttger  Glasschleifer 
engagiert.  Jetzt  mußte  für  das  rote  Steinzeug  ihre  Zahl  stark  vermehrt  werden 
und  so  scheinen  schon  in  den  Jahren  1710 — 1711  10 — 12  Glas- und  Steinschleifer  von 
der  Fabrik  aus  beschäftigt  gewesen  zu  sein^"*),  im  Jahre  1712  dagegen  schon  19, 
von  denen  jedoch  nur  3  in  Meißen,  6  dagegen  in  Dresden  und  10  sogar  in  Böhmen 
wohnten.  Der  kleinste  Teil  war  demnach  in  Meißen  selber  beschäftigt.  Den  in 
Böhmen  lebenden  Glasschleifern  wurden  die  Waren  dorthin  gesandt,  nachdem 
die  Muster  vorher  in  Dresden  aufgezeichnet  worden  waren.  Ganz  im  Anfange 
hatte  Böttger  sogar  gewünscht,  daß  alle  in  Sachsen  lebenden  Glasschleifer  gezwungen 
werden  sollten,  für  die  neue  Manufaktur  zu  arbeitendes).  Er  hatte  damals  wohl 
auf  einen  weit  größeren  Betrieb  gerechnet,  als  sich  nachher  einstellte,  und  mochte 
vielleicht  auch  hoffen,  daß  eine  solche  zwangsweise  Arbeit  für  ihn  billiger  ausfiele,  wo- 
bei zugleich  auch  noch  das  Geld,  das  für  sie  ausgegeben  werden  mußte^  dem  eigenen 
Lande  erhalten  blieb.  Doch  ward  ihm  dieser  Wunsch  von  Seiten  des  Königs  nicht 
bewilligt.  Später  dagegen  wurden  —  ganz  im  Gegensatz  zu  diesem  Bestreben  — 
nur  noch  Glasschleifer  in  Böhmen  beschäftigt,  da  sie  fleißiger  und  wohlfeiler 
arbeiteten  als  die  in  Sachsen  wohnenden^^ß).  Daneben  aber  ward  auch  beab- 
sichtigt, jene  Schleif-  und  Poliermühle,  die  Tschirnhausen  am  Anfang  des  18.  Jahr- 
hunderts zum  Schleifen  der  in  Sachsen  von  ihm  aufgefundenen  Landedelsteine 
auf  der  ,, Osterwiese"  bei  Dresden  an  der  Weißeritz  hatte  anlegen  lassen,  zu 
gleichen  Zwecken  zu  benutzen.  Man  wollte  sichtbar  die  billigere  Maschinen- 
arbeit an  die  Stelle  der  kostspieligeren  Handarbeit  treten  lassen.  Doch  diese 
Mühle  war  in  den  Zeiten  der  schwedischen  Invasion  vom  Kommandanten 
von  Dresden  zerstört  worden,  damit  sich  der  Feind  nicht  derselben  bedienen 
könne,  ward  aber  gerade  damals  in  den  Jahren  1712  und  1713  durch  Böttger, 
der  auch  hier  wieder  die  Erbschaft  Tschirnhausens  antrat,  sie  aber  wie  immer  ver- 
mehrte, mit  vieler  Mühe  und  unter  Einführung  mannigfacher  Verbesserungen  auf 
dem  Eisenhammer  an  der  Weißeritz  unterhalb  Plauens  bei  Dresden  wieder  auf- 
gerichtet 2°').  Doch  ist  es  niemals  zum  Schleifen  des  Steinzeugs  an  dieser  Stelle 
gekommen,  da  die  hierzu  nötigen  Maschinen  fehlten  und  auch  wegen  Geldmangels 
nicht  beschafft  werden  konnten  ^"S). 

Daneben  aber  verzichtete  Böttger  trotz  des  Glanz  verleihenden  Schliffs  doch 
durchaus  nicht  ganz  auf  das  sonst  in  der  Keramik  zu  diesen  Zwecken  so 
übliche  Mittel  einer  Glasur.  Sein  reger  Geist  erfand  mittelst  Zutaten  von 
Kobalt  oder  Braunstein ^o»)   eine  schwarze  Glasur,  mit  der  er  das  ganze  Steinzeug 


Die  Glasur.  79 

von  oben  bis  unten  überzog  2^°).  Böttger  scheint  auf  die  Erfindung  dieser  Glasur, 
die  er  schon  sehr  früh,  d.  h.  am  Anfang  des  Jahres  1710  zur  Anwendung  brachte^ii), 
ganz  besonders  stolz  gewesen  zu  sein,  schon  deshalb,  weil  eine  solche  Spezialität, 
wie  er  selber  sagte,  noch  niemals  aus  ,, Indien"  gekommen  wäre.  Ihre  Anwendung 
erfolgte  freilich  zunächst  aus  rein  praktischen  Gründen:  sie  sollte  jene  Gefäße, 
die  infolge  der  mangelhaften  Öfen,  wie  oben  gezeigt ^i^)^  nicht  garbrennen  wollten 
und  daher  porös  blieben,  wasserdicht  machen,  und  sie  ist  damit  wiederum  ein  Be- 
weis jener  über  alle  Schwierigkeiten  triumphierenden  genialen  Kraft  Böttger s,  die 
bei  seinen  Arbeiten  uns  auf  Schritt  und  Tritt  entgegentritt.  Schließlich  aber 
sorgte  Böttger  dann  auch  noch  für  die  koloristische  Belebung  seiner  Erzeugnisse 
durch  Anwendung  von  Lack-  und  Emailfarben ^^2)  sowie  Vergoldungen 2^*)  und  ließ 
auch  viele  Stücke  in  Gold  und  Silber  fassen,  ja  wohl  auch  mit  Steinchen,  Gra- 
naten und  Silberfiligran  besetzen.  Die  künstlerische  Ausgestaltung  dieses  neuen 
keramischen  Erzeugnisses  fiel  damit  reich  genug  aus.  Sie  hat  damals  sicherlich 
alle,  die  sie  zu  bemerken  Gelegenheit  hatten,  in  Erstaunen  setzen  und  von  der 
Regsamkeit  seines  Geistes  einen  neuen  günstigen  Begriff  geben  müssen.  Böttgers 
Ansehen  kann  dadurch  nur  gestiegen  sein. 

Und  diese  Regsamkeit  wiederholte  sich  nur  in  der  praktischen  Ausnutzung 
des  neuen  Materials:  auch  hier  offenbarte  sich,  um  diesem  möglichst  viele  Freunde 
und  damit  Käufer  zu  erwerben,  das  gleiche  Streben,  es  so  vielen  Zwecken,  als 
es  nur  irgend  erlauben  wollte,  dienstbar  zu  machen.  Zwar  das  am  Anfange  jeden- 
falls vom  König  angeregte  oder  doch  von  ihm  stark  unterstützte  Streben  nach  dem 
Großen,  Monumentalen  und  Phantastischen,  das  in  dem  Gründungspatent  der 
Manufaktur  so  deutlich  zum  Ausdruck  gekommen  war,  wird  wohl  recht  bald  an 
den  technischen  Schwierigkeiten  seine  Grenzen  gefunden  haben.  Doch  auch  der 
eigentliche  Ausgangspunkt  der  ganzen  keramischen  Tätigkeit  Böttgers,  die  Her- 
stellung von  Fliesen,  muß  bald  vergessen  gewesen  sein,  da  Erzeugnisse  dieser  Art 
in  rotem  Steinzeug  später  niemals  mehr  erwähnt  werden 2^^).  Desto  besser  aber  wußte 
man  sich  an  die  wirklichen  Bedürfnisse,  Wünsche  und  Liebhabereien  der  Zeit  zu 
halten.  In  erster  Linie  natürlich  ward,  da  man  in  dieser  Beziehung  den  Chinesen 
und  Japanern  so  arg  tributpflichtig  geworden  war,  vor  allem  die  junge  Sitte  des 
Tee-,  Schokolade-  und  Kaffeetrinkens  berücksichtigt:  Tee-  und  Kaffeekannen, 
Teebüchsen,  Zuckerdosen,  Spülschalen  und  vor  allem  Tassen,  damals  Kopgen  ge- 
nannt, wurden  daher  in  großen  Mengen  angefertigt.  Zusammengestellt  bildeten 
sie  die  üblichen  Tee-  und  Kaffeegarnituren  dieser  Zeit.  Es  folgten  Geräte  für 
den  Mittagstisch :  Konfektschalen,  Salzfäßchen,  Griffe  für  Messer  und  Gabeln,  Löffel, 
„Bouteillen",  Pastetennäpfe,  Messerschalen,  Butterbüchsen  u.  dgl.  m.  Ganze  Speise- 
service aus  diesem  Stoffe  konnten  dagegen  noch  nicht  hergestellt  werden.  Dagegen 
ward  die  gute  alte  deutsche  Sitte  des  Biertrinkens  durch  Herstellung  von  Bierkrügen 
nur  um  so  mehr  berücksichtigt,  desgleichen  die  gleichfalls  noch  junge  des  Tabak- 
rauchens durch  Anfertigung  von  Pfeifenköpfen,  die  aber  in  einer  von  Böttger  um 
diese  Zeit  angelegten  Pfeifenfabrik  besonders  hergestellt  wurden^^*).  Anderen  Zwecken 


80  Die  Steinzeugfabrik. 

dienten  dann  wieder  „Bmnnen",  Weihkessel,  Stockknöpfe,  Gießkännchen  mit 
Gießbecken,  wie  man  sie  damals  zum  Abspülen  der  Hände  nach  dem  Essen 
gebrauchte,  Glocken,  Toilettengarnituren  usw.  Auch  Apothekergefäße  wurden 
aus  diesem  Stoffe  wie  früher  aus  Majolika  und  Fayence  hergestellt,  und 
damals  auch  die  Hofapotheke  in  Dresden  mit  derartigen  Erzeugnissen  aus- 
gestattet^i').  Dann  aber  kamen  die  eigentlichen  Kinder  des  Luxus  an  die  Reihe 2^®), 
diejenigen  Erzeugnisse,  deren  alleiniger  Zweck  es  war,  das  Leben  zu  verschönern: 
in  erster  Linie  „Aufsätze  für  Kamine",  an  die  das  ostasiatische  Porzellan,  da  es 
in  Europa  mit  seinen  ganz  anderen  Bedürfnissen  zum  Teil  praktisch  nicht  recht 
verwendbar  war,  die  feinere  Welt  gewöhnt  hatte,  dann  manches,  das  wohl  nur  als 
Kuriosität  anzusehen  war,  wie  „Baumäste",  Schnecken,  Eichelblätter,  reine  Nipp- 
sachen, wie  sie  eine  Zeit,  der  es  gut  geht,  zu  lieben  pflegt.  Von  besonderer  Be- 
deutung aber  war,  daß  das  neue  Material,  in  dem  Streben,  sein  Gebiet  soweit  als 
nur  irgend  möglich  zu  erweitern,  auch  in  den  Dienst  der  hohen  Kunst  gestellt  ward : 
es  ward  damit  ein  neues  Material  für  die  Plastik,  aus  dem  Vitellius-,  Apollo-  und 
Kinderköpfe,  ,, kleine  römische"  Bonifatiusstatuen,  auch  Basreliefs,  Bilder,  Kruzifixe 
und  dergl.  hergestellt  wurden. 

Damit  aber  war  der  Wunsch  der  möglichst  vielseitigen  Verwendung  dieses 
Materials  durchaus  in  Erfüllung  gegangen.  Fast  alles,  was  später  das  18.  Jahrhundert 
in  Porzellan  hergestellt  hat,  das  ward  hier  jetzt  schon  in  dem  Material  des  roten 
Steinzeugs  vorweg  gebildet 2^^).  Es  ist  in  dieser  Beziehung  ein  ausgesprochener 
Vorläufer  des  europäischen  Porzellans  geworden,  das  diesem  die  Arbeit  stark 
erleichtert  hat.  Doch  was  am  meisten  bei  seiner  ganzen  Durchbildung  und 
Ausnutzung  in  Erstaunen  setzt,  das  ist  die  erstaunliche  Schnelligkeit,  mit 
der  sie  damals  erfolgt  ist,  die  nur  verständlich  wird,  wofern  man  annimmt,  daß 
bereits  vor  der  Begründung  der  Manufaktur  die  Hauptverzierungsarten  des  neuen 
Produktes  feststanden  und  erprobt  waren.  Schon  im  Jahre  1710,  da  die  Manu- 
faktur kaum  eben  erst  gegründet  war,  waren,  als  Böttger  zum  erstenmal  auf  der 
Leipziger  Ostermesse  seine  neuen  Erzeugnisse  zum  Verkaufe  ausbot,  fast  alle  oben 
angeführten  Verzierungsarten  vorhanden.  Auch  unter  den  Steinzeugen,  die  Böttger 
im  April  desselben  Jahres  an  den  König  sandte,  befanden  sich  schon  die  wunder- 
barsten und  kompliziertesten  Sachen,  Krüge  mit  Granaten  verziert,  mit  Silber- 
beschlägen, Schmelzwerk  (Emailfarben)  u.  dgl.  m.^^oj  Später,  im  Jahre  1711  ^^i), 
hat  er  als  neues  Verzierungsmittel  allem  Anscheine  nach  nur  noch  das  Ätzen 
vorschlagen  können,  wiederum  ein  Versuch,  die  Handarbeit  durch  eine  mechanisch 
wirkende  Kraft  zu  ersetzen,  auf  die  er  wahrscheinlich  dadurch  kam,  daß  er  als 
Apotheker  am  Beginn  seiner  Lehrzeit  sich  viel  mit  der  Ätzkunst  beschäftigt 
hatte ^2^).  Auch  finden  sich  in  diesen  Jahren  zum  erstenmal  ,, marmorierte"  Ge- 
fäße erwähnt,  bei  denen  er  sicherlich  Erfahrungen,  die  er  bei  dem  Versuch,  me- 
lierte Fliesen  herzustellen,  gesammelt  hatte,  beim  roten  Steinzeug  anzuwenden 
versuchte  2^^).  Neue  praktische  Verwendungsmöglichkeiten  aber  schienen  dadurch 
gegeben,   daß  er,  wie  es  z.  B.  im  Anfang  des  Jahres  1712  geschah,  die  Herstellung 


Verwendung  des  Steinzeugs. 


81 


Abb.  i6.    Böttgersteinzeug.    Schwenkkessel,  geschliffen,  mit  kalter  Goldmalerei. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hohe  21  cm. 


ganzer  Tafelservice,  ferner  Gartentöpfe,  Bilderrahmen,  selbst  Schränke  u.  dgl. 
in  Aussicht  stellte,  ja  gelegentlich  selbst  daran  dachte,  das  Material  seiner  Dauer- 
haftigkeit wegen  in  die  Architektur  einzuführen  ^^4^^  [^v  welcher  Absicht  er  wohl 
Balustraden,  Kragsteine  usw.  versprach,  was  natürlich  alles  damals  um  der  tech- 
nischen Schwierigkeiten  willen  nicht  zur  Ausführung  kommen  konnte.  Seine  Haupt- 
bestrebungen in  der  eigentlichen  Fabrikation  jedoch  war  in  diesen  Zeiten  ersicht- 
lich, ihre  Herstellungskosten  zu  verringern,  um  die  Fabrikate  billiger  verkaufen  zu 
können.  Im  Januar  des  Jahres  1712  rühmte  er  sich,  daß  nun  die  Stücke  schon 
durch  die  ,, sich  täglich  perfektionierenden  Arbeiter"  mit  weniger  Kosten  hergestellt 
werden  könnten,  daß  er  aber  sonst  zur  Verbesserung  dieser  Fabrikation  fast  nichts 
mehr  zu  kontribuieren  wisse  2^^).  Man  hat  dann  von  weiteren  Verbesserungen  auf 
diesem  Gebiete  auch  in  der  Tat  nichts  mehr  vernommen. 

Diese  rege  Tätigkeit  Böttgers  hatte  natürlich  inzwischen  ein  starkes  Anwachsen 
des  Fabrikbetriebes  zur  Folge  gehabt.    Dennoch  ist  er  für  die  Begriffe,  die  wir  uns 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan. 


82  Die  Steinzeugfabrik. 

heute  von  einer  keramischen  Anstalt  zu  machen  pflegen,  damals  recht  klein  gewesen 
und  ist  es  zu  hehzeiien  Böttgers  auch  immer  geblieben.  Ein  einziger  Brennofen  stand, 
wie  bereits  erwähnt,  in  diesen  Zeiten  der  Fabrik  zur  Verfügung.  Die  Zahl  der 
Arbeiter  soll  in  den  Jahren  1710  und  1711  zwischen  33 — 40  geschwankt  ^s«)  haben, 
unter  denen  sich  8 — 10  Massenbereiter  und  Brenner,  9 — 12  Töpfer,  2  Kapselmacher 
befanden,  weiter  10 — 12  Glasschneider  und  Schleifer,  von  denen  freilich,  wie  erwähnt, 
nur  ein  kleiner  Teil  in  Meißen  selber  arbeitete,  1  Zeichner,  2  Vergolder,  2  Email- 
lierer und  1  Lackierer,  die  gleichfalls  nicht  in  Meißen  wohnten.  Am  Ende  des  Jahres 
1712  betrug  die  Zahl  der  Arbeiter  43.  Es  gab  damals  u.  a.  1  Lackierer,  1  Gold- 
arbeiter, 1  Maler,  1  Filigranarbeiter,  welch  letztere  drei  jedoch  nur  nach  Bedarf 
beschäftigt  wurden,  dann  6  Glasschleifer  in  Dresden,  3  in  Meißen,  10  in  Böhmen, 
weiter  4  Massenbereiter,  3  Brenner,  6  Töpfer,  3  Kapselmacher,  2  Schlemmer  des 
Kapseltons  und  2  Schilderer  des  ,, guten  Porzellans",  die  wohl  bereits  für  das  wirk- 
liche Porzellan  arbeiteten  2^').  Mehrere  der  Arbeiter  hatte  Böttger  schon  bei  seinen 
früheren  alchimistischen  Arbeiten  beschäftigt  gehabt,  wie  die  Arbeiter  Görhig^ 
Wieden,  Wildenstein,  Gelbrich,  vor  allem  aber  die  beiden  tüchtigsten  unter  ihnen, 
die  bereits  oben  erwähnten  David  Köhler  und  Johann  Schubert,  die  mit  ihm 
bereits  auf  dem  Königstein  gewesen  waren,  und  die  dann  in  dieser  Zeit,  wie  er- 
wähnt, in  der  Regel  die  Gedanken  und  Experimente  Böttgers  im  Feuer  durchzu- 
probieren hatten  ^^^). 

Hinsichtlich  der  Größe  der  Bestände,  die  mittels  dieses  Arbeitspersonals  herge- 
stellt wurden,  erfahren  wir,  daß,  als  im  Frühjahr  des  Jahres  1710  das  neue  Produkt 
auf  der  Leipziger  Ostermesse  zum  erstenmal  dem  Publikum  zum  Verkauf  angeboten 
wurde,  der  Wert  der  dorthin  gesandten  fertigen  Waren  auf  fast  4000  Taler  taxiert 
wurde  ^^^),  während  ungefähr  der  gleiche  Bestand  noch  in  Meißen  zurückgeblieben 
sein  soll  2^").  Im  Oktober  desselben  Jahres  wird,  während  die  damalige  Michaelis- 
messe mit  Waren  im  Wert  von  4000  Talern  beschickt  ward,  der  in  Meißen  vor- 
handene Vorrat  auf  6000  Taler  taxiert  ^^i).  Im  September  des  folgenden  Jahres 
befanden  sich  auf  dem  Dresdner  Lager  2000  Stück  ^32)^  für  Meißen  dagegen  werden 
in  der  zweiten  Hälfte  dieses  Jahres  12 — 13  000  rohe  und  gebrannte  Geschirre 
angegeben,  neben  270  Zentner  roher  Materiahen  und  Massen  ^^^).  Um  die  Mitte 
des  Jahres  1713  schätzte  Böttger  das  Inventar  seiner  Fabrik  auf  60  000  Taler  23*). 
Eine  Steigerung  des  Betriebes  war  unverkennbar. 

Der  Betrieb  selber  aber  ward  fortdauernd  so  geheimnisvoll  wie  möghch 
betrieben.  Von  Anfang  an  wob  sich  um  die  Tätigkeit  der  neuen  Manufaktur  ein 
Schleier  der  Verschwiegenheit,  wie  von  Anfang  an  ja  um  die  Person  ihres  Be- 
gründers. Alle  wichtigeren  und  inteUigenteren  Personen,  die  mit  der  Manufaktur 
in  Verbindung  standen,  wie  die  beiden  Nehmitz,  Pabst,  Bartelmei  hatten  heilige 
Eide  schwören  müssen,  nie  bis  an  ihr  Lebensende  über  das,  was  hier  getrieben 
würde,  zu  sprechen  oder  anderen  Mitteilungen  zu  machen.  Zwar  hatte  man  ja,  wie 
schon  erwähnt,  das  Geheimnis  der  Erfindungen  Böttgers,  um  es  nicht  mit  seinem 
Tode  für  immer  verschwinden  zu  lassen  und  so  seine  ganze  reiche,  vielversprechende 


Fabrikationsbetrieb. 


83 


Tätigkeit  zunichte  zu  machen,  wohl  oder  übel  zweien  Menschen  mitteilen  lassen, 
aber  es  doch,  damit  keiner  die  ganzen  Geheimnisse  wisse  und  beherrsche,  geteilt 
und  den  Dr.  Bartelmei  nur  das  Brennen,  den  Dr.  Nehmitz  nur  die  Präparation  der 
Massen  erlernen  lassen.  Auch  sollte,  damit  diese  beiden  Besitzer  des  Arkanums 
nicht  in  unnötige  Versuchung  geführt  würden,  niemand  erfahren,  wer  diese 
Besitzer  wären  ^s^).  Weiter  ward  auch,  damit  außerhalb  der  Fabrik  niemand  auch 
nur  eine  Ahnung  bekäme,  aus  welchen  Materialien  sich  die  neuerfundenen  Massen, 
sowohl  die  des  roten  Steinzeugs  wie  auch  des  Por- 
zellans zusammensetzten,  durch  die  Instruktion 
für  das  Direktorium  vom  24.  Januar  1710  das 
Böttger  bereits  schon  für  seine  alchimistischen  Ar- 
beiten zuerteilte  Privileg  erneuert,  daß  alle  zu 
seinen  Arbeiten  notwendigen  Materialien  nach 
Vorzeigung  eines  Passes  oder  Attestes  von  Seiten 
des  Direktoriums  „unter  den  Thoren  oder  auf 
Posten  und  Landkutschen  weder  angehalten,  noch 
an  Accise  etwas  davon  verlanget,  oder  die  An- 
gebung pretendiret,  am  wenigsten  aber  eröffnet 
oder  visitiret  werden  mögen"  ^s«).  Gleichzeitig  ward, 
wie  schon  erwähnt,  die  Albrechtsburg  militärisch 
bewacht  und  sogar  —  was  für  damalige  Zeiten 
etwas  ganz  Besonderes  war  —  nächtliche  Beleuch- 
tung eingeführt.  Kein  Unbefugter  durfte  sie  be- 
treten. Selbst  dem  Bettmeister  der  Burg,  der 
die  Schlüssel  derselben  hatte,  ward  der  Haupt- 
schlüssel abgefordert  und  ihm  derselbe  versiegelt 
wieder  zugestellt  mit  der  Weisung,  sich  desselben 
nur  in  der  äußersten  Not  zu  bedienen  ^37)^  Ganz 
besonders  aber  suchte  man  sich  der  Arbeiter  zu 
versichern,  hierbei  vor  allem  zu  verhindern,  daß  sich 
durch  ihren  etwaigen  heimlichen  Weggang  von  der 
Manufaktur  auch  die  Kenntnis  über  ihren  Betrieb 
verbreiten  möchte.  Anfangs  hatte  in  dieser  Be- 
ziehung der  Statthalter  von  Fürstenberg  dem  Könige  den  Vorschlag  gemacht,  die  Ar- 
beiter fast  wie  Gefangene  festzuhalten  oder  sogar  zu  Arbeitern  Übeltäter  zu  nehmen, 
die  zum  Festungsbau  verurteilt  wären ^»s).  Doch  hatte  man  davon  Abstand  ge- 
nommen und  die  Arbeiter  zunächst  in  Pflicht  genommen  und  ihnen  ihre  Stellung  in 
der  Fabrik  dadurch  angenehm  zu  machen  gesucht,  daß  man  ihnen  eine  ganze  Reihe 
von  Vergünstigungen  und  Privilegien  gewährte,  dies  aber  wieder  für  so  wichtig  gehal- 
ten, daß  man  das  königliche  Edikt,  das  diese  festsetzte,  schon  vor  dem  die  Be- 
gründung der  Manufaktur  anzeigenden  Patent  erließ.  Die  auf  diese  Weise  ge- 
währten „Immunitäten  und  Freiheiten"  bestanden  vor  allem  in  der   Befreiung 


Abb.  17.    Böttgersteinzeug.    Vase, 
geschliffen,  mit  kalter  Vergoldung. 

Königl.  Porzellansammlungf,  Dresden. 
Höhe  31  cm. 


84  Die  Steinzeugfabrik. 

von  allen  in  solchen  Fällen  sonst  üblichen  Personallasten,  in  der  Befreiung  von  den 
Zünften  und  in  der  Gewährung  eigener  Jurisdiktion  ^»s),  letzteres  wohl  zu  dem 
Zwecke,  daß  keiner  von  dem  Personal  gezwungen  werden  konnte,  vor  fremden 
Gerichten  auszusagen,  wobei  leicht  irgendein  Geheimnis  hätte  ausgeplaudert  werden 
können.  Dann  aber  vor  allem  durch  ausreichende  Bezahlung,  die  man  sich  be- 
mühte, wenn  es  nur  irgend  die  Umstände  gestatteten,  stets  auch  zur  rechten  Zeit 
erfolgen  zu  lassen  ^^o).  Ganz  besonders  aber  sorgte  man  dafür,  daß  keiner,  der  in 
der  Fabrik  arbeitete,  von  der  Fabrikation  mehr  erfuhr,  als  unbedingt  nötig  war. 
So  hatten  die  Massenbereiter  keine  Ahnung  vom  Brennen,  die  Brenner  keine  von 
der  Bereitung  der  Masse  und  alle  zusammen  wieder  nicht  von  der  Glasur.  Trotz- 
dem behandelte  man  die  Massenbereiter  wie  auch  die  Brenner  mit  ganz  besonderer 
Nachsicht.    Sie  schienen  fürs  Weglaufen  noch  immer  zuviel  zu  wissen. 

Und  so  kam  wirklich  mit  Aufbieten  aller  Kräfte  und  vieler  Umsicht  unter 
Böttgers  eigentlicher,  wenn  auch  nicht  amtlicher  Oberleitung  das  erste  brauchbare 
Produkt  der  vielen  Manufakturen,  die  Böttger  gründete  oder  gründen  sollte, 
zustande,  und  es  galt  nun  dasselbe  in  die  Welt  hinauszutragen  und  ihr  anzubieten, 
um  nun  endlich  neben  den  vielen  bisherigen  Ausgaben  auch  Einnahmen  zu  haben 
und  seine  ganzen  Unternehmungen  auch  als  wirklich  nutzbringend  zu  erweisen. 
Böttger  scheint  in  dieser  Beziehung,  wie  immer,  sehr  optimistisch  gedacht  oder 
jedenfalls  zur  Beruhigung  des  Königs  alle  Gründe  hervorgesucht  zu  haben,  die 
einen  glänzenden  Absatz  seines  neuen  Erzeugnisses  mit  voller  Sicherheit  zu  prophe- 
zeien schienen.  Vor  allem  scheint  er  hierbei  etwas  allgemein  seine  Hoffnung  darauf 
gestützt  zu  haben,  daß  dieses  ,, Porzellan",  schon  deshalb  allen  anderen  künst- 
lerischen Erzeugnissen  der  damaligen  Zeit,  wie  Gold-  und  Silberarbeiten,  Lack- 
arbeit und  Samt,  hinsichtlich  seines  Absatzes  weit  überlegen  wäre,  weil  es,  von 
dem  Chinas  und  Japans  abgesehen,  in  Europa  gänzlich  konkurrenzlos  dastände, 
den  ostasiatischen  Erzeugnissen  aber  dadurch  weit  überlegen  wäre,  daß  man  seins 
ganz  nach  Belieben  bestellen  und, wenn  esz.  B.  zerbrochen,  sofort  wieder  nachverlangen 
könnte.  Auch  wäre  es  ja  an  sich  ein  sehr  schönes  Erzeugnis,  das,  da  es  am  Anfang 
auch  noch  den  Reiz  des  Neuen  haben  würde,  und  es  nun  einmal  in  der  Natur  des 
Menschen  läge,  durch  solche  Neuheit  gereizt  zu  werden,  viele  zum  Kaufen  ver- 
leiten würde  ^^i).  Schon  im  November  des  Jahres  1709  hatte  daher  Böttger,  als 
die  zur  Untersuchung  seiner  Erfindungen  eingesetzte  Kommission  zum  zweiten 
Male  zusammentrat,  einen  ausführlichen  Bericht,  betitelt  ,,Unvorgreifliche  Ge- 
danken über  meine  Joh.  Friedr.  Böttgers  theils  denen  Ausländern  nachgeahmten, 
theils  durch  mich  selbst  neuerfundenen  Manufakturen"  vorgelegt,  in  dem  er 
sich  über  den  Absatz  seiner  Erzeugnisse  ausführlich  verbreitet  und  den 
sichersten  Erfolg  in  Aussicht  gestellt  hatte  2^^).  Man  erwartete  damals  nichts  weniger 
als  jährlich  für  40  000  Taler  Ware  abzusetzen  und  dadurch  gleich  im  ersten  Jahre 
der  Fabrikation  schon  alle  geleisteten  Vorschüsse  zurückerstatten  zu  können^*^).  Ja, 
Böttger  verstieg  sich  sogar  so  weit  —  kaum  sollte  man  dies  für  möglich  halten !  — , 
seinen  neuen  Erfindungen  eine  gewisse  politische  Macht  beizulegen,  indem  er  die 


.   Absatzversuche.  85 

seltsame  Ansicht  aussprach,  die  ostindische  Kolonie  müsse  sich  künftig,  um  des 
Porzellanhandels  nicht  ganz  verlustig  zu  gehen,  Sachsens  annehmen  und  es  — 
wohl  durch  Geldbeiträge  —  gegen  äußere  Feinde  schützen,  eine  Ansicht,  mit  der 
er  wohl  wiederum  stark  an  die  Leichtgläubigkeit  des  Königs,  die  ihn  bisher  durch 
alle  Fährnisse  so  glücklich  gerettet  hatte,  appellierte,  die  aber  auch,  wie  so  manches 
andere,  was  Böttger  später  getan  und  geraten  hat,  bewies,  daß  seine  geniale, 
weitschauende  Erfindernatur  sich  auch  bisweilen  etwas  arg  ins  Gebiet  des  Phan- 
tastischen zu  verlieren  drohte. 

Als  dann  der  Verkauf  der  angefertigten  Sachen  wirklich  seinen  Anfang  nahm, 
richtete  man  naturgemäß  sein  erstes  Augenmerk  auf  jene  großen,  allgemeinen 
Kaufmärkte  des  Jahres,  die  Messen,  die  damals  in  der  Tat  die  günstigsten  Verkaufs- 
gelegenheiten darstellten,  zugleich  auch  die  Hauptmöglichkeit,  etwas  Neues  schnell 
und  ganz  allgemein  bekannt  zu  machen.  Die  wichtigsten  und  berühmtesten  Messen 
dieser  Art  fanden  damals,  wie  bekannt,  —  zum  nicht  geringen  Vorteil  für  diese  ganz 
neue  Produktion  5ö^iger5,  —  in  Sachsen  selber  statt,  in  Leipzig,  und  diese  Leipziger 
Messen,  die  von  alters  her  dreimal  im  Jahre  abgehalten  zu  werden  pflegten,  zu 
Neujahr,  Ostern  und  Michaelis,  sind  in  der  Tat  jahrhundertelang  die  Konzentra- 
tionspunkte des  deutschen  Handels  gewesen,  die  selbst  für  das  Ausland  von  der 
größten  Bedeutung  waren.  Zu  ihnen  strömten  aus  ganz  Deutschland  und  dem 
Auslande  die  Kaufleute  zusammen,  um  ihre  Abrechnungen  zu  halten  und  neue 
Ware  anzubieten  oder  zu  kaufen.  Auf  ihnen  aber  kam  durch  den  Frohsinn  und 
Feste  liebenden  König  August  den  Starken  jetzt  auch  alles  zusammen,  was  Geld 
und  Rang  hatte,  um  sich  hier  zu  vergnügen.  Sie  waren  damals  zum  Rendezvous- 
platz der  vornehmen  Welt  geworden,  zu  dem  sich  selbst  die  Fürsten  von  nah  und 
fern  mit  ihrem  Gefolge  einfanden  24*).  Mit  fieberhafter  Eile  hatte  daher  Böttger, 
um  ja  nicht  die  erste  günstige  Gelegenheit  zu  verlieren,  sein  neues  Produkt  abzu- 
setzen, sobald  die  Manufaktur  begründet  worden  war,  die  künstlerische  Ausbildung 
desselben  in  die  Hand  genommen,  so  daß  er  tatsächlich  imstande  war,  schon 
auf  die  im  Mai  stattfindende  Ostermesse  des  Jahres  1710  Waren  hinzusenden, 
deren  Wert  er  auf  3857  Taler  9  Groschen  taxierte,  denen  er  aber  auch  zugleich 
einige  Proben  des  neuerfundenen  Porzellans  sowie  eine  Schachtel  mit  10  Pfund 
des  von  ihm  damals  bereits  gewonnenen  künstlichen  Borax  mitgab.  Auch 
wurden  ihnen  Abdrücke  des  Manufakturpatentes  in  holländischer,  französischer 
und  lateinischer  Sprache  beigelegt.  Die  Waren,  die  aber  meist  nur  einzelne 
Stücke,  noch  keine  kompletten  Service  oder  Garnituren  waren,  unter 
denen  sich  jedoch  schon  Stücke  von  ganz  ungewöhnlicher  Schönheit 
befanden,  wurden  in  Leipzig  auf  der  Petersstraße  zum  Verkauf  ausgeboten. 
Das  Direktorium  selber,  das  ganz  besonders  sich  der  „Verdebitirung" 
der  Böttger^GhBii  Erzeugnisse  annehmen  sollte,  war  vollzählig  mit  zwei  Kaufdienern 
und  einem  Aufwärter  erschienen.  Auch  hatte  es  einige  Glasschleifer  mitge- 
nommen, die  jedem,  was  er  wünschte,  z.  B.  sein  Wappen  oder  seinen  Namenszug, 
sofort  in  das  Steinzeug   einschneiden  sollte.      Man  suchte  eben  dem  Publikum 


86  Die  Steinzeugfabrik. 

so  sehr,  wie  nur  irgend  möglich,  entgegenzukommen  ^^)  und  für  das  neue  Produkt 
zu  gewinnen.  Auch  zur  Michaelismesse  desselben  Jahres  wurden  Waren,  diesmal  im 
Werte  von  4000Talern  gesandt  und  auch  noch  die  nächsten  beschickt; dann  allerdings 
trat  eine  Lücke  ein,  und  erst  die  Messe  zu  Ostern  1712,  für  die  man  dem  Oberfaktor 
der  von  Tschirnhausen  gegründeten  Dresdner  Glashütte,  der  dort  wohl  zunächst 
die  Erzeugnisse  dieser  anbieten  sollte,  eine  Partie  mitgegeben  hatte,  wurde  wiederum 
besucht,  dann  die  Michaelismesse  1712  sowie  die  Neujahrsmesse  1713,  für  die  eine 
Kaufmannswitwe  einige  Stücke  in  Kommission  mitnahm  ^^^). 

Doch  mit  dem  Besuche  dieser  Messen  begnügte  man  sich  nicht.  Man  suchte 
seine  Kreise  weiterzuziehen,  noch  weitere  Verkaufsmöglichkeiten  aufzusuchen. 
So  ließ  Böttger  schon  im  Jahre  1710  mit  der  im  Juni  stattfindenden  Peter-  und 
Paulsmesse  zu  Naumburg  einen  Versuch  machen,  indem  er  sich  dazu  des  dorthin 
eigener  Geschäfte  wegen  reisenden  Buchhalters  Ebischen  bediente.  Dieser  nahm 
für  etwa  300  Taler  mit  24').  Dann  dachte  man  aber  auch  an  die  größeren 
Handelsstädte  Deutschlands.  Im  Juli  dieses  Jahres  wurden  durch  den  Kaufdiener 
Stürzel  nach  Berlin  und  Hamburg  Waren  im  Werte  von  fast  1000  Talern  überbracht, 
dem  auch  bereits  für  200  Taler  Fliesen  und  Gefäße  aus  der  Rund-  und 
Steinbäckerei  beigegeben  werden  konnten  ^^s).  Dann  schienen  sich  als  wichtige 
Verkaufsstellen  noch  die  Modebäder  darzubieten,  an  denen  sich  die  vornehme 
Welt  in  der  guten  Zeit  des  Jahres  zur  Kur  oder  nur  zum  Vergnügen  ihr  Stelldichein 
gab  und,  wie  man  wohl  richtig  kalkulierte,  ans  Geldausgeben  dort  gewöhnt,  sich 
auch  nicht  lange  scheuen  würde,  neue  und  ,, kuriose"  Sachen  zu  erwerben. 
Daher  ward  schon  gleich  nach  der  ersten  Leipziger  Ostermesse  ein  Teil  der  übrig- 
gebliebenen Waren  durch  den  ebengenannten  Stürzel,  nach  dem  nahegelegenen 
Badeort  Karlsbad  oder,  wie  man  damals  zu  sagen  pflegte,  König-Karls-Bad 
gesandt 249),  ein  Versuch,  der  freihch,  da  er  nicht  wiederholt  ward,  kaum  geglückt 
sein  dürfte.  An  Dresden  selber  jedoch,  in  dem  diese  Erfindung  doch  gemacht 
worden  war,  scheint  man  damals  noch  weniger  gedacht  zu  haben.  Hier  ward 
eine  öffentliche  Verkaufsstelle  erst  im  Jahre  1715  errichtet,  da  für  ein  festes  Lager 
einerseits  die  hergestellten  Waren  noch  nicht  ausreichten,  andererseits  die  Unkosten 
zu  hoch  erschienen  ^^o). 

Indessen  so  planvoll  auch  die  Auswahl  aller  der  Orte  erfolgte,  an  denen 
Böttger  seine  Erzeugnisse  als  neue  Ware  einführen  wollte,  so  schwankend  und 
unsicher  erfolgte  die  Durchführung  derselben,  da  man  nicht  im  Besitz  irgend- 
wie umfassender  Geldmittel  bald  alle  größeren  Unkosten  zu  vermeiden  suchte. 
Zwar  hatte  man  ja  anfangs  den  Verkauf  durch  die  Angestellten  der  Manufaktur 
selber  zu  bewerkstelligen  versucht.  Da  aber  sich  die  Unkosten  dieses  Verfahrens  — 
nach  der  ersten  Leipziger  Ostermesse  hatten  sie  700  Taler  betragen !  ^ßi)  — 
als  viel  zu  hoch  herausgestellt  hatten,  so  versuchte  Böttger  nun  seine  Waren  zu- 
nächst kommissionsweise  loszuwerden..  Freilich  auch  hier  ohne  größeren  Erfolg. 
Die  Geschäftswelt  dieser  Zeit  verhielt  sich  merkwürdig  spröde  gegen  die  neue 
Erfindung,    Nur  kleinere  Geschäfte  konnten  auf  diese  Weise  durchgeführt  werden. 


Der  Verkauf.  87 

So  hatte  Böttger  schon  1710  jemandem  Waren  in  Kommission  nach  der  Lausitz 
gegeben,  auch  auf  den  Leipziger  Messen  besorgten  fremde  Leute  den  Verkauf 
so  nebenher  ^^^).  Schließlich  ward  jede  nur  einigermaßen  günstig  erscheinende  und 
nicht  viel  Kosten  verursachende  Gelegenheit  aufgegriffen,  um  die  neue  Ware  los- 
zuwerden. Selbst  das  an  der  Fabrik  tätige  Personal  und  deren  Famihenbeziehungen 
wurden  ausgenutzt.  So  ward  z.  B.  im  Jahre  1711  einem  Goldschmiede  in 
Augsburg,  Tobias  Bauer  mit  Namen,  dessen  Sohn  bei  Böttger  gearbeitet  hatte, 
eine  Partie  Waren  in  Kommission  gegeben,  desgleichen  einem  Sekretär  /.  Ph. 
Schmidt  in  Wien ^^s),  dessen  Bruder  Inspektor  der  von  Böttger  gegründeten  Schleif- 
und Poliermühle  werden  sollte,  was  freilich  der  Fabrik  keinen  großen 
Vorteil  brachte,  dafür  aber  doch  wenigstens  die  neue  Erfindung  an  weiteren  Stellen 
bekannt  machte,  namentlich  nun  auch  in  der  alten  Kaiserstadt  Wien,  die  damals 
mit  ihrem  reichen  Adel  durchaus  als  der  Mittelpunkt  des  vornehmen  Lebens 
Deutschlands  gelten  konnte.  Doch  kamen  auch  gelegentlich  —  wie  es  scheint, 
bereits  in  diesen  Jahren  —  Bestellungen,  selbst  aus  dem  Auslande  vor,  gewiß  zur 
nicht  geringen  Befriedigung  Böttgers.  Darunter  war  wohl  die  merkwürdigste  die 
eines  gewissen  Portugiesen  Almeida,  der  für  300  Taler  Waren  ankaufte,  um  sie,  wie 
man  später  erfuhr,  in  Portugal  mit  Leichtigkeit  wieder  für  900  Taler  an  den 
Mann  zu  bringen,  freilich  nur  polierte,  da  solche  aus  ,, Indien"  nicht  zu  kommen 
pflegten  und  darum  eine  ganz  besondere  Ware  darstellten  ^^*). 

Trotz  aller  dieser  Bemühungen  und  dem  vielseitigen  Ausbieten  entsprach  je- 
doch merkwürdigerweise  die  Aufnahme  dieses  ersten  keramischen  Erzeugnisses 
Böttgers  wie  seiner  Erfindungen  überhaupt  in  der  Öffenthchkeit  durchaus 
nicht  den  Erwartungen,  die  man  in  allen  beteihgten-;  Kreisen  gehegt  hatte. 
Zunächst  scheint  man  ihnen  schon  gleich  nach  ihrer  in^vier  Sprachen  etwas 
pomphaft  erfolgten  Bekanntmachung  ein  ziemlich  deutliches  Mißtrauen  entgegen- 
gebracht zu  haben:  man  wollte  einfach  nicht  glauben,  daß  das,  was  bisher  schon 
so  lange  und  so  vielfach  versucht  worden  war,  d.  h.  die  Erfindung  des  Porzellans, 
nun  endlich  gelungen  sein  sollte,  noch  dazu  an  einer  Stelle,  von  der  es  damals  wohl 
niemand  erwartet  hatte.  Die  ganze  Geheimtuerei,  mit  der  diese  Erfindungen 
gemacht  worden  war,  tat  nun  ihren  Schaden.  Auf  die  Aufforderung  hin,  die  in 
jener  Bekanntmachung  enthalten  war,  Geld  oder  künstlerisches  und  technisches 
Können  in  den  Dienst  der  neuen  Manufaktur  zu  stellen,  war  nicht  das  Geringste 
erfolgt.  Kein  Kapitalist,  kein  Künstler,  kein  Handwerker  stellte  sich  freiwillig 
zur  Verfügung,  ebensowenig  wie  vorher  die  biederen  Töpfermeister  trotz  unmittel- 
barer Aufforderung  sich  zur  Übernahme  der  technischen  Arbeit  hatten  gewinnen 
lassen  wollen.  Erst  die  Beschickung  der  ersten  Leipziger  Ostermesse,  d.  h.  das 
unmittelbare  Vorzeigen  der  gewonnenen  Resultate,  verschaffte  ihnen  Glauben  und  den 
Erzeugnissen  dem  entsprechenden  Absatz.  Die  neuen  Erfindungen  erregten  sogar  hier 
eine  gewisse  Sensation  ^55)  Dennoch  wurde  damals  nur  etwas  über  die  Hälfte  der 
angebotenen  Waren,  d.  h.  für  1993  Taler  verkauft,  da  man  sich  allgemein  über  die 
hohen  Preise  beklagte  2^*),  und  auch  dies  war  mehr  eine  Folge  des  Beifalls,  den  das 


88 


Die  Steinzeugfabrik. 


neue  Produkt  des  Steinzeugs  bei  den  die  Messe  besuchenden  Fremden  als  bei  den 
Einheimischen  fand.  Die  einheimische  Kauf  mannsweit  scheint  sich  vielmehr  so 
gut  wie  ganz  ablehnend  gegen  die  neuen  Erfindungen  verhalten  zu  haben,  ja,  wenn 
man  dem  Bericht  des  Direktoriums  an  den  König  über  diese  Messe,  an  der  es  ja  per- 
sönlich teilgenommen  hatte,  trauen  will  ^s')^  so  hat  es  damals  sogar  nicht  an  Intrigen 
gefehlt,  um  den  Verkauf  des  neuen  Produktes  möglichst  zu  erschweren.  Wahr- 
scheinlich war  den  Kaufleuten,  die  den  Vertrieb  des  ostasiatischen  Porzellans  in 
festen   Händen   hatten,   das  Aufkommen   dieser  neuen  Artikel,   die,  wenn  sie  so 

ausfielen,  wie  man 
in  Dresden  erhoffte, 
fast  konkurrenzlos 
wurden,  gar  nicht 
sosehr  willkommen. 
Auch  scheinen  die 
neuen  Erfindungen 
trotz  der  vorheri- 
gen allgemeinen 
Publikation  damals 
noch  gar  nicht  so 
bekannt  geworden 
zu  sein,  wie  man  es 
wohl  hätte  erwarten 
können^ss).  Eswar, 
wie  wir  heute  sagen 
würden,  für  dieselbe 
nicht  früh  genug 
Reklame  gemacht 
worden.  Und  dann 
darf  man  nicht 
ganz  vergessen  — 
wenigstens  empfand 
man  dies  später  in 
Böttgers  Umgebung  selber  ^^s)  — ^  daß  man  den  Mund  doch  wohl  gleich  etwas  zu  voll 
genommen  hatte.  Man  hatte  in  der  Bekanntmachung  bereits  von  der  Erfindung 
des  wirklichen  Porzellans  geredet,  als  würde  es  nun  bald  völlig  brauchbar  sein,  und 
nun  konnte  man  als  Verkaufsobjekt  nur  das  rote  Steinzeug  darbieten,  vom  Porzellan 
dagegen  nur  einige  wenige  Probestücke,  deren  Aussehen  bei  dem  Laien  wohl  eher 
gegen  als  für  die  neue  Erfindung  sprach.  Dadurch  wird  aber  dann  auch  das 
rote  Steinzeug  an  Ansehen  und  Wertschätzung  stark  verloren  haben. 
Auf  den  folgenden  Messen  scheint  es  in  dieser  Beziehung  sogar  noch  ungünstiger 
gegangen  zu  sein  ^ßo).  Auch  die  Verkaufsversuche  außerhalb  Sachsens  brachten 
nur  wenig  ein.    Der  größte  Teil  der  Waren  mußte  in  Kommission  zurückbleiben. 


Abb.  i8.    Böttgersteinzeug.    Schwenkkessel,  geschliffen,  mit  kalter  Vergoldung, 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.    Höhe  22  cm. 


Geringer  Absatz. 


89 


Nur  der  Ruf  der  neuen  Erfindungen  drang  dadurch  in  immer  weitere  Kreise. 
Dies  allgemeine  Mißtrauen  gegen  die  neuen  Erfindungen,  das  freilich  zunächst 
das  ja  auch  an  sich  weniger  wertvolle  Produkt  des  roten  Steinzeugs  betraf, 
sich  aber  bei  allen,  die  irgend  etwas  bei  einer  Unterstützung  derselben  zu  ris- 
kieren hatten,  in  merkwürdiger  Weise  wiederholte,  ist  eine  seltsame  Tatsache. 
Wenn  man  aber  hierbei  den  einfachen  Töpfermeistern  Dresdens  verzeihen  mag, 
daß  sie  sich  ganz  am  Anfange,  als  sich  die  Resultate  der  neuen  Erfindungen  noch 
in  ihrer  kümmerlichsten  Form  darboten,  nicht  gern  mit  ihr  einlassen 
wollten,  so  ist  das  Fernhalten 
der  deutschen  Kaufmannschaft 
von  diesen  neuen  Erfindungen, 
sowie  Böttgers  späteres  fast  ganz 
vergebliches  Bemühen,  von  Fi- 
nanzleuten größere  Kapitalien 
für  seine  Manufakturen  zu  ge- 
winnen oder  eine  Kompanie  zu 
begründen,  ein  Zeichen  von  der 
SchwerfäUigkeit  und  ÄngstHch- 
keit  des  damaligen  deutschen 
Kapitals,  das  nur  zu  gut  be- 
weist, wie  wenig  dieses  damals 
noch  an  industrielle  Gründungen 
größeren  Stils  und  weiterer 
Sicht  gewöhnt  war,  und  nur 
das  mag  hierfür  einigermaßen 
zur  Entschuldigung  dienen  — 
wie  es  auch  tatsächlich  damals 
als  solche  angeführt  worden 
ist 2")  — ,  daß  man  es  den  da- 
mahgen  Kaufleuten  nicht  ganz 
verdenken  konnte,  ihr  Geld  in 
Erfindungen     und    industrielle 

Anlagen  zu  stecken,  die,  wenn  man  das  ganze  Geheimnis  derselben  nicht  aufs  Spiel 
setzen  wollte,  auch  für  sie  noch  in  starkem  Dunkel  belassen  werden  mußten.  Das 
ergab  allerdings  für  sie  ein  Risiko,  das  ihrem  ängstlichen  Verhalten  zur  Er- 
klärung dienen  kann. 

Hauptabnehmer  der  erzeugten  Waren  aber  blieb  unter  diesen  Umständen  der 
König  selber,  der  ja  von  Anfang  an  für  diese  Erfindung  Böttgers  so  großes 
Interesse  gezeigt  und  ihr  auch  das  größte  Vertrauen  entgegengebracht  hatte. 
Schon  vor  der  ersten  Leipziger  Messe,  auf  der  das  rote  Steinzeug  dem  Publikum 
zum  erstenmal  zum  Verkauf  dargeboten  wurde,  soll  der  König  zur 
Neujahrsmesse   unter      der    Hand     eine     ganze    Menge     der    damals      bereits 


Abb.  19.    Schwenkkessel  in  Silber  getrieben.    Grünes  Gewölbe, 
Dresden.    Höhe  21  cm. 


90  Die  Steinzeugfabrik. 

fertiggestellten  Stücke  nach  Leipzig  haben  schaffen  lassen,  um  sie  voll  Stolz 
den  damals  dort  anwesenden  Fürsten  als  Erzeugnis  seines  Landes  vorzulegen  ^^^). 
Mehrfache  Sendungen  an  den  König  werden  dann  in  der  Folgezeit  erwähnt,  so 
schon  am  20.  April  1710  jene  oben  erwähnte  Auswahl  besonders  schöner  und  reich 
verzierter  Stücke,  deren  Liste  die  damals  schon  so  weit  vorgerückte 
künstlerische  Ausbildung  des  neuen  Produktes  beweist  ^^^).  Wieviel  der  König 
im  ganzen  dann  aber  von  diesem  neuen  Produkte  im  Laufe  der  Jahre  entnommen 
haben  muß,  das  beweist  am  besten  der  heute  noch  an  derartigen  Stücken  so  reiche 
Bestand  der  Königlichen  Porzellansammlung  zu  Dresden.  Erbeläuft  sich  noch  immer 
auf  weit  über  800  Stücke,  von  denen  viele  von  einer  Größe  und  Pracht  sich  zeigen, 
wie  sie  sonst  kaum  wieder  vorkommen.  Vor  allem  aber  sollte  ihm  das  neue  Er- 
zeugnis zu  Geschenken  dienen,  die  nicht  nur  den  Ruhm  seiner  Freigebigkeit,  sondern 
auch  den  der  neuen  in  seinen  Landen  gemachten  Erfindungen  durch  alle  Länder 
tragen  sollte,  ja  er  hatte  wohl  sogar  gelegentlich  die  Absicht,  dasselbe  zum  Zwecke 
solcher  Geschenke  ganz  für  sich  reservieren  zu  lassen.  In  diesem  Sinne  übernahm 
er  auf  der  Leipziger  Ostermesse  des  Jahres  1711  für  350  Taler  ,, Manufakturwaren", 
um  sie  durch  den  damaligen  Kammerpräsidenten  Baron  von  Löwendal  dem  König 
von  Dänemark  ,,präsentiren"  zu  lassen;  so  erhielt  der  päpstliche  Nuntius  Piazza  ein 
großes  Kruzifix  aus  poliertem  Steinzeug  u.  dgl.  m.  -®*),  und  es  ist  damals  auch  ge- 
rühmt worden,  daß  alle  diese  Stücke  vom  König  auch  wirklich  bar  bezahlt  worden 
sind.  Durch  keine  Tat  aber  hat  der  König  wohl  deutlicher  seinen  Stolz  auf  die 
neue  Erfindung  dokumentiert,  als  dadurch,  daß  er  nachweislich  gleich  am  Anfang 
dieser  Zeit  durch  seinen  Residenten  Bertry  aus  Amsterdam  mehrere  Stücke  nach 
,, Ostindien",  d.  h.  nach  China  oder  Japan  senden  ließ,  damit  die  Leute  dort  nicht 
weiter  glaubten,  sie  wären  „die  Klügsten  auf  der  Welt".  Er  wollte  den  Chinesen  und 
Japanern  zeigen,  daß  nun  endlich  die  Europäer  auch  auf  diesem  Gebiete  nicht  mehr 
ihnen  gegenüber  zurückstehen  müßten  ^^^).  Doch  auch  im  übrigen  zeigte  der  König 
das  größte  Interesse  für  seine  neuen  Manufakturen  und  ihren  Begründer.  Er  fuhr 
fort,  wenn  er  in  Dresden  anwesend  war,  letzteren  auf  der  Festung  aufzusuchen  oder 
ihn  zu  sich  zu  befehlen.  War  er  abwesend,  so  gingen  eigenhändige  Handschreiben 
an  Böttger  ab,  wie  er  ja  auch  Böttger  gestattet  hatte,  so  oft  er  wollte,  sich  an  ihn 
persönlich  zu  wenden  ^e«).  Auch  seine  Geliebte,  die  Gräfin  Kosel,  besuchte  ihn 
im  Oktober  des  Jahres  1711,  Wieb  bei  ihm  bis  ,, späten  Abend",  versprach  sich 
für  ihn  in  einer  bestimmten  Angelegenheit  zu  verwenden  und  häufiger 
wiederzukommen 287).  Zweimal  war  der  König  in  dieser  Zeit  auch  in  Meißen,  um  die 
Manufaktur  persönlich  zu  besichtigen;  zuerst  am  Dreikönigstage  des  Jahres  1711, 
in  Begleitung  des  Fürsten  von  Radziwill  und  des  Grafen  von  Legnasco.  Er  besah 
die  bisher  bei  der  Manufaktur  gemachten  Anstalten,  schrieb  seinen  Namen, 
ganz  wie  es  heutzutage  zu  geschehen  pflegt,  in  ein  großes  Buch  ein  und 
übernachtete  auch  auf  der  Burg.  Dann  kam  er  noch  einmal  am 
11.  Juli  1712  268).  Ina  übrigen  sorgte  der  König  nach  wie  vor  dafür,  Böttger 
„mancherley    Ergötzlichkeit"    zu    verschaffen   und    ihn    bei    guter    Laune    und 


Abb.  20.    Böttgersteinzeug.    Große  Deckelvase,  geschliffen,  mit  kalter  Vergoldung. 
Künigfl.  Por^ellansammlung,  Dresden.     Hohe  55  cm. 


92  Die  Steinzeugfabrik. 

dadurch    arbeitsfreudig    zu    erhalten  ^ß»).      Er  ließ  es  von  seiner  Seite  an  nichts 
fehlen. 

Wichtiger  jedoch  als  diese  persönliche  Anteilnahme  des  Königs  an  den  neuen 
Erfindungen  und  dem  Erfinder  selber  war,  daß  der  König  trotz  des  soeben  erst 
beendigten  unglücklichen  Krieges  von  Anfang  an,  soweit  es  in  seinen  Kräften 
stand,  alles  tat,  um  jene  Mittel  zu  gewähren,  deren  sie  zu  ihrer  Begründung  und 
Weiterführung  bedurften,  ja  daß  er  sich  damals  immer  bereitfinden  ließ,  neue  zu 
bewilligen,  so  oft  die  Unternehmungen  solche  zu  erfordern  schienen,  ja  hierbei 
schließlich  selbst  vor  persönlichen  Opfern  nicht  zurückschreckte.  Er  glich  damals 
einem  Kaufmann,  der,  wenn  er  die  feste  Überzeugung  von  der  Rentabilität  eines 
Unternehmens  gewonnen  hat,  unentwegt  an  seinen  Stern  glaubt  und  sich  in  keiner 
Weise  durch  anfängliche  Mißerfolge  oder  anderer  Abraten  zurückschrecken  läßt. 
Schon  gleich,  nachdem  er  den  Plan,  die  Manufakturgründungen  Tschirnhausens 
diMVch.  Böttger  wieder  aufzunehmen  genehmigt  hatte,  hatte  er  ja  der  General-Akzis- 
kasse die  Anweisung  erteilt,  sogleich  200  Taler  und  vom  1.  Oktober  ab  bis  zu 
fernerer  Verordnung  alle  Monate  deren  400  an  den  Geheimkämmerer  Starke 
auszahlen  zu  lassen,  ,,zur  Versorgung  des  vom  Königstein  nach  der  Vestung  zu 
Dresden  gebrachten  Bötticher'"''  2'°).  Doch  da  sich  bald  herausgestellt  hatte,  daß 
diese  Summe  in  keiner  Weise  ausreichte,  so  war  ja  schon  am  20.  Januar  des 
Jahres  1708  der  Befehl  an  die  General-Akziskasse  gegangen,  vom  1.  Februar  an 
diese  Summe  um  150  Taler  zu  erhöhen,  daneben  auch  noch  einmal  450  Taler  ,,zu 
einer  gewissen  extraordinaire  Bedürfniß"  zu  bewilligend'^),  ja  diese  Summe  ward 
durch  Verordnung  vom  21.  April  dieses  Jahres  um  noch  200  Taler  monatlich  er- 
höht ^'^'^),  so  daß  jetzt  Böttger,  da  er  daneben  auch  aus  der  Rentkammer  monatlich 
100  Taler  erhielt  —  man  weiß  nicht  genau  seit  wann^'^  — ,  jeden  Monat  850 Taler  em- 
pfing, freilich  für  seine  gesamten  Unternehmungen  und  Experimente.  Der  alljährliche 
Zuschuß  des  Königs  für  die  Böttgerschen  Unternehmungen  betrug  demnach,  noch 
bevor  die  eigentliche  Hauptmanufaktur  begründet  war,  zumindesten  8000  Taler, 
eine  für  diese  Zeit  ganz  ansehnliche  Summe,  wofern  sie  nur  immer  auch  wirklich 
ausgezahlt  ward.  Sie  ist  denn  auch  nach  der  Begründung  derselben  nicht  mehr 
erhöht  worden.  Nur  gelegentliche  Zuschüsse  wurden  noch  bewilligt,  so  namentlich 
die  ansehnliche  Summe  von  6000  Talern,  die  für  das  im  Jahre  1711  für  Meißen  pro- 
jektierte Brennhaus  verwandt  werden  sollten,  von  denen  Böttger  allerdings  zunächst 
nur  1000  Taler  ausgezahlt  erhielt,  wodurch  dieses  für  die  ganze  Fortentwicklung 
der  Manufaktur  so  wichtige  Gebäude,  wie  oben  bereits  geschildert,  dann  gar  nicht 
zustande  kam  2'*).  Daneben  versuchte  der  König  die  Fabrikunkosten 
bedeutend  zu  vermindern,  vor  allem  dadurch,  daß  er  den  Manufakturen  Holz, 
Ton  und  dergleichen  Dinge  unentgeltlich  oder  gegen  eine  geringe  Vergütung  anwies 
und  auch  alles  zur  Fabrikation  nötige  Material  akzisefrei  nach  Meißen  gelangen 
ließ  2'^).   Der  König  tat  damit  in  der  Tat  alles,  was  damals  in  seinen  Kräften  stand. 

Dennoch  wollte  die  neue,  mit  so  vielen  Hoffnungen  begründete  Manufaktur 
in  Meißen  in  keiner  Weise  so  emporblühen,  wie  man  es  damals    von    ihr    ganz 


Ungünstige  Lage  der  Fabrik. 


93 


allgemein  erwartet  hatte,  in  keiner  Weise  sich  zu  jenem  lebhaft  produzierenden, 
geldspendenden  Institut  erweitern,  als  welches  es  vor  allem  vom  König  und 
Böttger  begründet  worden  war.  Es  machten  sich  hier  gleich  am  Anfange  jene 
Übelstände  in  empfindlichster  Weise  bemerkbar,  die  dann,  so  lange  wenigstens 
Böttger  lebte,  diese  Manufaktur  zu  ihrem  größten  Schaden  nicht  wieder  verlassen 
sollten  und  ihre  gesunde  Entwicklung  am  Anfange  so  stark  behindert  haben.  Die 
ganze  Anlage  dieser  Fabrik  war  von  vornherein  verfehlt. 

Zunächst  fehlte  es  ihr  von  Anfang  an  an  einer  wirklich  geschäfts-  und  sach- 
kundigen Leitung,  die  es  verstanden  hätte,  das  neue  Produkt  technisch  wie  kauf- 
männisch rationell  auszunutzen.  Weder  Böttger  noch  die 
beiden  Nehmitz  noch  Dr.  Bartelmei  hatten  jemals  weder 
einen  industriellen  noch  einen  kaufmännischen  Betrieb 
kennen  gelernt,  sie  waren  auf  diesem  Gebiete  reine  Di- 
lettanten, ohne  irgendwelche  Erfahrung  und  Routine, 
die  sonst  in  diesen  Dingen  Sicherheit  und  Zielbewußtheit 
zu  verleihen  pflegt.  Unstetigkeit  des  Betriebes,  nament- 
lich in  kaufmännischer  Beziehung  ein  ewiges  Tasten  und 
Versuchen  war  daher  hier  die  Signatur  des  Tages;  es 
mußten  erst  viele  Erfahrungen  gemacht,  viele  Ent- 
täuschungen erlebt  sein,  bevor  man  wußte,  was  zu  tun 
und  zu  lassen  war,  und  diese  alle  kosteten  Lehrgeld  und 
kosteten  Zeit,  was  beides  einem  schnellen  Aufblühen 
des  Unternehmens  sehr  entgegen  war. 

Dann  aber  war  es  gewiß  ein  großer  Übelstand,  daß 
nicht  einmal  derjenige,  der  der  eigentliche  Mittelpunkt 
und  die  treibende  Kraft  dieser  ganzen  Unternehmungen 
war,  der  Erfinder  selber,  der  sicherlich  durch  natürliche 
Begabung  manches  ersetzt  hätte,  was  den  übrigen  an 
Routine  abging,  sich  mit  ganzer  Kraft  diesen  neuen  Unter- 
nehmungen widmen  konnte.  Böttger  blieb  während 
dieser  ganzen  Zeit  der  Gefangene  auf  der  Venusbastei, 
der  mit   der  Außenwelt   so  gut  wie  gar    nicht  verkehren 

durfte,  darum  auch  gar  nicht  in  irgendeiner  Weise  auf  diese  wirken  konnte. 
Man  hätte  ihn  am  liebsten  anfangs  der  Sicherheit  wegen  nicht  einmal 
nach  Meißen  gelassen;  doch  war  die  persönliche  Gegenwart  des  eigentlichen  An- 
stifters der  dortigen  Manufaktur  bisweilen  doch  so  nötig,  daß  man  ihn  unmöglich 
ganz  von  dort  hätte  fernhalten  können.  So  mußte  man  ihn  schon  gleich  nach  der 
Verlegung  der  Manufaktur  auf  die  Albrechtsburg  dorthin  für  fast  eine  Woche 
lassen,  da  außer  ihm  selbst  niemand  die  Orte  zur  Anlegung  der  Öfen  und  zur 
Präparierung  der  Massen  richtig  anzuweisen  vermochte  ^'^).  Weitere  Besuche 
folgten  am  10.  November  1710  und  am  4.  Januar  1711 2").  Dann  erhielt  er  auf 
seinen  ausdrücklichen  Wunsch  vom   Könige   die  Erlaubnis,  häufiger  als  bisher 


Abb.  21.    Böttgersteinzeug. 
Geschliffen,  mit  freihändig  auf- 
gelegten Blumen. 
Königl.  Porzellansammlung', 
Dresden. 
Höhe  24  cm. 


94  Die  Steinzeugfabrik. 

nach  Meißen  fahren  zu  dürfen,  zugleich  mit  der  Vergünstigung,  dort  mit  seinem 
Gefolge  auf  Kosten  des  Königs  speisen  zu  dürfen  ^^s).  Allzuviel  Gebrauch  hat  er 
jedoch  dann  nicht  von  dieser  Erlaubnis  gemacht.  Er  ist  in  diesem  Jahre  nur 
noch  zwei,  im  folgenden  nur  dreimal  auf  der  Albrechtsburg  gewesen  ^'s).  Das 
war  für  die  Einrichtung  und  Leitung  einer  so  schwierigen  Fabrik,  wie  es  die  des 
Steinzeugs  war,  nicht  allzuviel. 

Noch  schlimmer  für  das  neue  Unternehmen  jedoch  war  es,  daß  es  für 
Böttger  durchaus  Nebensache  bleiben  mußte,  daß  Böttger  daneben  derartig  mit 
anderen  Arbeiten  und  Verpflichtungen  überhäuft  war,  daß  er,  auch  wenn  er  es 
gewollt  hätte,  doch  in  keiner  Weise  die  Zeit  gefunden  hätte,  sich  seiner  mit  seiner 
ganzen  Kraft  anzunehmen.  In  Böttger  summierte  sich  jetzt  sowohl  seine  ganze 
bisherige  eigene  Tätigkeit  wie  auch  die  Tschirnhausens,  soweit  sie  dessen  industrielle 
Bestrebungen  betraf:  er  blieb  zunächst  nach  wie  vor  der  Alchimist,  der  Gold- 
macher, als  der  er  zuerst  nach  Dresden  gebracht  worden  war,  von  dem  man  trotz 
seiner  Erfindungen  noch  immer  die  goldenen  Berge  erhoffte,  die  man  von  ihm 
von  Anfang  an  erwartet  hatte,  daneben  aber  auch  der  große  ,,Inventor",  als  der 
er  sich  soeben  dokumentiert  hatte,  dessen  Hauptaufgabe  es  war,  alle  bisherigen  indu- 
striellen Unternehmungen  sowohl  Tschirnhausens  wie  seine  eigenen  in  Gang  zu 
halten  und  zu  verbessern,  sowie  möglichst  viele  neue  auf  Grund  neuer  Erfindungen 
ins  Leben  zu  rufen  und  er  hat  sich  aller  dieser  Aufgaben  damals  auch  mit  allem 
Fleiße  und  großer  Unermüdlichkeit  unterzogen.  Wieviel  allerdings  Böttger  damals 
noch  an  seinen  alchimistischen  Bestrebungen  gearbeitet,  und  ob  er  damals  noch 
selber  gehofft  hat,  die  großen  Erwartungen  des  Königs,  die  er  in  dieser  Beziehung 
erweckt  hatte,  wirklich  erfüllen  zu  können,  läßt  sich  heute  nicht  mehr  feststellen. 
Fest  steht,  daß  5öifger5  Rolle  als  Alchimist  nach  Erfindung  des  Porzellans  noch  keines- 
wegs ausgespielt  war.  daß  vielmehr  der  König  von  ihm  in  dieser  Beziehung  noch  immer 
die  größten  Dinge  erhoffte,  ja  noch  im  September  des  Jahres  1709,  als  Böttger  bereits 
das  Porzellan  erfunden  hatte,  die  Kleinigkeit  von  etwa  60  Millionen  Talern, 
die  Universaltinktur  und  dergleichen  Dinge  mehr  ^so),  Böttger  scheint  freilich 
gerade  damals,  vielleicht  nur  um  die  goldige  Freiheit  endlich  wieder  zu  erlangen, 
oder  weil  er  sich  nun  nach  seinen  doch  ziemlich  bedeutenden  Erfindungen 
so  ziemlich  sicher  fühlte,  dem  Könige  sein  Unvermögen  in  dieser  Sache  einge- 
standen, ihn  auch  um  Gnade  wegen  der  bisherigen  Täuschungen  gebeten  und  ihm 
dabei  auch  ein  sehr  wehmütiges,  hierauf  bezügliches  Gedicht  eingesandt  zu  haben^^^). 
Doch  dürfte  dies  Selbstbekenntnis,  als  es  ihm  doch  nicht  die  Pforten  zur 
Freiheit  zu  öffnen  vermochte,  bald  wieder  vergessen  worden  sein,  und  noch  vier 
Jahre  später,  im  Jahre  1713,  hdii  Böttger  in  Gegenwart  des  Königs  und  vieler  Zeugen 
einen  scheinbar  durchaus  erfolgreichen  Tingierungsversuch  gemacht,  bei  dem  vor 
aller  Augen  Gold  und  Silber  aus  Kupfer  und  Blei  hervorzugehen  schienen,  das 
einzige  derartige  Experiment  Böttger's,  von  dem  wir  noch  die  Dokumente  sowie 
auch  die  Resultate  selber  besitzen  ^82).  Auch  später,  noch  kurz  vor  seinem  Tode, 
hat  er  mit   dem  König   über   diese  Dinge   wieder    verhandelt    und    ihm   wieder 


I 


Böttgeüs  übrige  Verpflichtungen. 


95 


Abb.  23.    Böttgersteinzeug.    Thee-  und  Kaffeekannen  mit  eingeschnittener  Ornamentik. 
König-l.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  Kaffeekanne  15,5  cm. 


Großes  versprochen  ^83)^  ja,  so  lange  Böttger  lebte,  ist  er  stets  der  Goldmacher 
geblieben,  als  welcher  er  zuerst  in  der  Geschichte  auftauchte.  Man  hat  seine  Fähig- 
keit, künstlich  Gold  und  Silber  zu  erzeugen,  damals  niemals  ganz  anzuzweifeln 
gewagt,  und  erst  mit  ihm  selber  dürfte  der  König  die  letzten  Hoffnungen  begraben 
haben. 

Doch,  mag  Böttger  die  Fortführung  dieser  seiner  ersten  Rolle  vielleicht  auch 
nicht  allzuviel  Zeit  gekostet  haben,  vielmehr  er  nur  dann  darauf  zurückgekommen 
sein,  wenn  es  sein  hoher  Herr  und  Gebieter  einmal  wieder  von  ihm  verlangte, 
so  hat  er  doch  in  dieser  Zeit  eine  erstaunliche  Tätigkeit  und  Unternehmungs- 
lust als  Inventor  und  Organisator  der  industriellen  Bestrebungen  entfaltet,  neben 
der  seine  Beschäftigung  mit  der  Manufaktur  tatsächlich  nur  als  eine  Nebenaufgabe 
erscheinen  kann.  Es  ist  ihm  damals  in  der  Tat  völlig  Ernst  mit  dieser  Tätigkeit 
gewesen:  er  ging  mit  gleichem  Eifer  darauf  aus,  die  Manufakturen,  die  sich  schon 
einrichten  ließen,  auch  wirklich  einzurichten,  wie  auch,  den  vielen  Eingebungen 
seines  unruhigen,  unermüdlichen  Geistes  folgend,  neue  Erfindungen  zu  machen, 
um  jenen  Unternehmungen  neue  hinzuzufügen,  und  fast  die  ganze  Last  und 
Verantwortung  dieser  ausgedehnten  Arbeiten  lag  auf  seinen  Schultern 
allein.  Zunächst  bemühte  er  sich  hierbei,  das  alte  von  Tschirnhausen  übernommene 
Erbe  wieder  aufzurichten.  So  war  er  vom  Jahre  1709  an  dem  Pächter  der  von 
■Tschirnhausen  eingerichteten  Glashütten,  die  unter  der  schwedischen  Invasion 
stark  gelitten  hatten  ^^^),  behilflich,  dieselben  wieder  in  Stand  zu  bringen. 
Dann  ging  er  seit  dem  Januar  1710  an  die  Wiederaufrichtung  der  Schleif-  und 
Poliermühle,  die  an  die  Weißeritz  unterhalb  Plauens  bei  Dresden  verlegt  ward^^^), 
wobei  jedoch,  um  sie  vor  Hochwassergefahr  zu  schützen,  große  kostspielige  Be- 


96  Die   Steinzeugfabrik. 

festigungsarbeiten  ausgeführt  werden  mußten,  die  viel  Geld  kosteten,  später 
aber  auch  völlig  ihre  Pflicht  taten.  Dann  gab  sich  Böttger  alle  Mühe,  seine  erste 
industrielle  Gründung,  die  Steinbäckerei,  mit  der  es  gar  nicht  vorangehen  wollte, 
auf  den  Damm  zu  bringen,  indem  er  zunächst  die  beiden  ,, Holländer",  da  sie  es 
durchaus  nicht  verstanden,  die  Fliesen  zu  glasieren,  entließ,  dann,  als  sie  sich  nach 
kurzer  Zeit  mit  einem  Dreher,  den  sie  aus  der  bereits  früher  erwähnten 
ßraunschweiger  Fayencefabrik  mitgebracht  hatten,  wieder  bei  ihm  meldeten, 
in  Meißen  Hohlgefäße  arbeiten  ließ.  Die  Rundbäckerei  aber,  die  auch 
bisher  nichts  Rechtes  zuwege  gebracht  hatte,  verpachtete  er  Johanni  1712  an  ihren 
bisherigen  Meister  Eggebrecht,  wobei  er  ihm  freilich  für  die  nächsten  Jahre  die 
Pacht  noch  erließ,  ihm  auch  einen  kleinen  Vorschuß  gewährte,  wodurch  sie 
dann  auch  ganz  erfreulich  in  Gang  kam  ^^^).  Dann  kamen  völlige  Neugründungen  an 
die  Reihe:  zunächst  ward  auf  Veranlassung  eines  zufällig  in  Sachsen  befindlichen 
Pfeifenmachers  aus  Magdeburg  im  Juni  1710  zu  Meißen  in  einem  in  der  Stadt 
eigens  dafür  gemieteten  Hause  2^')  eine  Tabakspfeifenfabrik  angelegt,  deren  Betrieb 
so  groß  ward,  daß  8 — 9  Gehilfen  erforderlich  waren,  ein  ganz  neues  Unternehmen 
Böttger  s,  mit  dem  er  der  holländischen  Pfeifenindustrie  Konkurrenz  machen  wollte  ^®^). 
Hierauf  ging  er  ernstlich  daran,  auch  jene  Schmelztiegelfabrik  zu  errichten,  die 
er  bereits  im  November  des  Jahres  1709  in  Aussicht  gestellt  hatte  "^*).  Sie  sollte  den 
Kampf  mit  den  damals  als  unübertrefflich  geltenden  „hessischen  Schmelztiegeln" 
aufnehmen,  die,  da  sie  Böttger  sicher  selber  sehr  viel  bei  seinen  Experimenten  ge- 
braucht haben  wird,  seine  Nachahmungslust  wohl  ganz  besonders  herausgefordert 
haben  werden,  sobald  er  das  Gebiet  der  Keramik  betrat.  Schon  im  November  1710 
hatte  er  zu  diesem  Zweck  einen  Tiegelmacher  aus  Hessen  kommen  lassen,  der 
mit  sächsischen  Materialien  hatte  Versuche  machen  müssen,  die  günstig  ausgefallen 
waren,  ihn  aber  dann  wieder,  weil  seine  vielen  übrigen  Unternehmungen  zur 
weiteren  Verfolgung  dieser  Sache  ihm  noch  keine  Zeit  ließen,  entlassen  müssen. 
Im  Jahre  1712  jedoch  ließ  er  ihn  wieder  zurückkommen  und  neue  Versuche  an- 
stellen, die  wieder  vielversprechend  ausfielen.  Als  man  aber  hierauf  die  Sache 
überkalkulierte,  stellte  es  sich  heraus,  daß  nicht  viel  damit  zu  gewinnen  sei.  So 
ließ  Böttger  kurz  entschlossen  diese  Unternehmung  wieder  eingehen  2^°).  Um  so 
mehr  aber  schien  ihm  daran  gelegen  zu  sein,  die  schon  im  März  des  Jahres  1709  dem 
König  mitsamt  seinen  hauptsächlichsten  keramischen  Erfindungen  angezeigte  künst- 
liche Gewinnung  des  Borax  fabrikmäßig  auszunutzen ^»i).  Er  kam  auf  die  Begründung 
einer  derartigen  Fabrik  immer  wieder  zurück,  hatte  auch  seinen  Gehilfen  Steinbrück 
bereits  zu  ihrem  Leiter  und  die  Küche  auf  der  Albrechtsburg  nebst  dem  darunter 
liegenden  Gewölbe  als  Herstellungslokal  ausersehen,  und  nur,  weil  das  neue  Brenn- 
haus für  das  rote  Steinzeug  dort,  wie  oben  gezeigt,  nicht  zustande  kam  und  so 
jene  Räumlichkeit  nicht  frei  wurde,  mußte  die  Begründung  dieser  Fabrik  vor 
der  Hand  unterbleiben  ^^^).  Aber  immerhin  gab  es  auf  diese  Weise  Zeiten,  in 
denen  Böttger  nicht  weniger  als  acht  Fabriken  unter  sich  hatte. 


Neue  Projekte. 


97 


Abb.  24.    Böttgersteinzeng:.    Nachbildnng  chinesischer  Gelitte. 
Herzogliches  Museum,  Gotha.     Höhe  der  Tasse  in  der  Mitte  5  cm. 


Daneben  aber  tauchten  in  dieser  Zeit  gänzlich  neue  Projekte  auf,  die  sicherHch 
auf  wirklichen  Versuchen  beruht  haben  werden,  die  aber  wiederum  einen  Teil 
von  Böttgers  Kraft  und  Zeit  in  Anspruch  genommen  haben  müssen.  Bereits  im 
Jahre  1711,  also  erst  zwei  Jahrenach  der  Vollendung  der  Erfindung  des  Porzellans, 
wußte  er  einer  im  März  tagenden  neuen  Kommission  ^^^)  eine  ganze  Reihe  derartiger 
neuer  Bestrebungen  mitzuteilen.  Da  will  er  vor  allem  Öfen  konstruieren, 
um  Erze  mit  zwei  drittel  Ersparung  des  bisher  verwandten  Holzes  ausschmelzen 
zu  können.  Diese  Öfen  sollten  dabei  nicht  so  gesundheitsgefährdend  auf  Menschen 
und  Umgebung  wirken,  wie  die  bisher  üblichen,  sie  sollten  auch  das  Seigern,  Ab- 
treiben, Feinbrennen  und  ,, alles,  was  sonst  bei  Bergwerken  erfordert  würde",  mit 
weniger  Kosten,  als  bisher  dazu  erforderlich  war,  durchführen.  Da  will  er  weiter 
mittelst  dieser  Öfen  ,,Aqua  fortis,  Aqua  regis,  Spiritus  Nitri,  Salis  Vitriolis  Sul- 
phuris"  aus  Landesmaterialien  gleichfalls  mit  geringeren  Kosten  als  bisher 
üblich  herstellen,  ferner  sie  bei  der  Herstellung  der  Blaufarben,  beim  Sieden  des 
Vitriols  und  Salpeters,  beim  Brauen,  Salzsieden  usw.  verwenden.  Dann  gab  er 
vor,  aus  Landesmaterialien  Farben  herstellen,  die  durchaus  dem  be- 
rühmten Ultramarin  gleichkämen,  einen  künstlichen  Bernstein  erzeugen  und  schließ- 
lich gar  einen  Liquoren  bereiten  zu  wollen,  durch  den  tote  Körper  konserviert 
werden  konnten  -^^),  kurz,  Böttgers  Erfindungen  fingen  damals  an,  sich  ins  Grenzen- 
lose zu  verlieren,  und  drohten,  wenn  sie  wirklich  gemacht  und  ausgenutzt  werden 
sollten,  so  ziemlich  seine  ganze  Kraft  in  Anspruch  zu  nehmen.  Und  dabei  hatte 
Böttger  noch  die  Verpflichtung,  die  damals  als  die  allerwichtigste  erscheinen  mußte, 
deren  Erfüllung  daher  auch  wohl  jetzt  am  gebieterischsten  von  ihm  verlangt 
worden  ist,  die  fabrikmäßige  Herstellung  des  echten  Porzellans  in  die  Wege  zu 
leiten! 

Bei  dieser  Überfülle  von  Arbeiten  und  Verpflichtungen,  die  sich  noch  dazu 
auf  den  verschiedensten  Gebieten  bewegten,  konnte  in  der  Tat  von  einem  kon- 
sequenten Arbeiten  desjenigen,  der  alle  diese  Sachen  angeregt  hatte,  in  diesen 
Jahren  kaum  die  Rede  sein,  und  man  kann  darum  wirklich  nur  erstaunt  sein  und 
muß  vor  der  Arbeitskraft  und  Arbeitslust  Böttgers  alle  Hochachtung  bekommen, 
daß  er  trotz  alledem  sein  rotes  Steinzeug  damals  und  in  so  erstaunlich  kurzer  Zeit 


Zimmermann     MeüSner  Porzellan. 


98  Die  Steinzeugfabrik. 

so  weit  gebracht  hat.  Doch  noch  andere  Übelstände  und  Mißlichkeiten 
kamen  hinzu,  den  gesunden  Fortgang  der  jungen  Manufaktur  in  Meißen  in  jeder 
Weise  zu  hemmen.  Zunächst  war  die  Organisation  derselben  die  denkbar  schlechtste, 
die  Leitung  eine  durchaus  unstete  und  zu  steten  Reibereien  führende.  Der  König  hatte 
ja  zwar  am  Anfange,  wie  bereits  gezeigt,  ddi  Böttger  nicht  mit  der  Außenweltver- 
kehren konnte,  im  übrigen  auch  seinen  neuen  Erfindungen  und  sonstigen  Dingen  nach- 
gehen sollte,  ein  besonderes  Direktorium,  bestehend  aus  dem  Kammerrat  Nehmitz 
und  dem  Sekretär  Matthis,  eingesetzt,  dem  die  eigentliche  Leitung  der  Manufaktur 
anvertraut  worden  war.  Aber  schon  nach  der  Beschickung  der  ersten  Ostermesse 
im  Jahre  1710  brach  der  Konflikt  zwischen  dem  Direktorium  und  Böttger 
aus.  Böttger  war  damals  aufs  äußerste  entrüstet  über  die  Höhe  der  Meß- 
unkosten, die,  wie  erwähnt,  700  Taler  betragen  hatten,  sowie  über  die  willkürliche 
Erhöhung  seiner  Taxen,  wodurch  die  neuen  Waren  so  teuer  geworden  waren,  daß 
jeder  sich  über  ihren  enormen  Preis  beklagt  hatte.  Auch  behauptete  er,  daß  man 
bei  der  Abrechnung  diese  Erhöhung  gar  nicht  in  Betracht  gezogen  und  die 
auf  der  Messe  eingegangenen  Gelder  dergestalt  repartiert  hätte,  daß  weder,  wie 
verabredet  gewesen  wäre,  seine  Schulden,  die  er  wegen  Geldmangels  für  die  Manu- 
faktur schon  damals  hatte  machen  müssen,  bezahlt  worden  wären,  noch 
er  für  sich  und  seine  Fabriken  auch  nur  das  Geringste  erhalten  hätte  ^^^). 
Es  waren  dies  Beschuldigungen,  die  man,  nach  dem  späteren  Verhalten 
des  Direktoriums  zu  schließen,  wohl  nicht  als  ganz  ungerechtfertigt 
bezeichnen  kann.  Die  Folge  war,  daß  Böttger  dem  Direktorium  die  Abgabe 
weiterer  Waren  verweigerte,  dafür  aber  ihren  Vertrieb  auf  eigene  Faust 
versuchte  2^^).  Doch  die  Reue  kam  bald:  der  Erfolg  blieb  aus,  und  schon 
wenige  Monate  später,  am  4.  August,  ließ  Böttger,  da  ihm  alle  Gelder  zur  Weiter- 
führung der  Fabrik  fehlten,  dem  Direktorium  die  völlige  Übernahme  der  Admini- 
stration der  Fabrik  antragen.  Er  erbot  sich  hierbei,  dem  Direktorium  nicht 
nur  für  mehr  als  6000  Taler  Waren  zu  übergeben,  auch  in  Zukunft  ihm  mit  ,, gutem 
Rat"  zur  Seite  stehen  zu  wollen,  ja  er  versprach  sogar,  monatlich  800  Taler  von 
den  ihm  vom  König  zur  Unterhaltung  und  Aufrichtung  seiner  Manufakturen 
übergebenen  Geldern  zuzuschießen,  wofür  er  nur  die  Übernahme  der  bisher  für 
die  Werke  gemachten  Schulden  verlangte.  Dem  Direktorium  scheint  dies  An- 
erbieten durchaus  genehm,  ja  wohl  mehr  als  willkommen  gewesen  zu  sein,  doch 
suchte  es  sich  zunächst  durch  allerhand  Anfragen  Böttger  gegenüber  für  die  Zukunft 
sicher  zu  stellen.  Es  fragte  u.  a.  an,  ob  mit  der  Übernahme  der  bereits  instand 
gesetzten  Steinzeugfabrik  zu  Meißen  auch  die  aller  übrigen  bereits  begründeten 
oder  in  nächster  Zeit  zu  begründenden  verbunden  sein  sollte,  ob  ihm,  dem  Direk- 
torium, die  Arbeiter  ganz  allein  unterstellt  würden  und  es  dieselben  bei  Bedarf 
entlassen  dürfte,  ob  ihm  ferner  mit  den  Waren  auch  eine  gewisse  Quantität  Masse 
übergeben  würde  u.  dergl.  m.  Als  es  aber  auch  noch  einen  Reservefonds  zur  Unter- 
stützung der  Manufakturen,  sowie  —  angeblich,  um  nach  einem  etwaigen  Tode 
Böttgers  sein  Werk  fortsetzen  zu  können  —  sich  auch  der  Arbeiter  zu  versichern 


Reibereien. 


99 


suchte,  die  durch  ihre  Arbeit  um  die  Arkana  wußten,  zerschlug  sich  die  ganze  An- 
gelegenheit, und  Böttger  ward  aufgefordert,  das  „Manufakturnegotium"  wenigstens 
so  lange  zu  behalten, bis  auch  die  Borax-  und  die  Schmelztiegelfabrik  inGang  gebracht 
wären  und  die  Arkanisten  ihre  Arkana  so  weit  beherrschten,  daß  auch  nach 
Böttgers  Tode  die  Manufakturen  weiter  betrieben  werden  könnten  297).  So  blieb 
zunächst  alles  beim  alten  und  auch  ein  Versuch  des  Direktoriums,  das  zu  diesem  Zwecke 
einen  Abgesandten  nach  dem  damals  in  der  Nähe  von  Danzig  sich  aufhaltenden 
König  abgeschickt  hatte,  Böttger  zur  Abtretung  aller  Manufakturen  zu  be- 
wegen, scheiterte,  obwohl  es  ihm  gelungen  war,  einen  ausdrücklichen 
Befehl  des  Königs  zu  seinen  Gunsten  zu  erlangen  ^»s).  Doch  erst,  nachdem 
Böttger  selber  Steinbrück  zum  König  gesandt  hatte,  führte  der  König 
um  die  Wende  des 
Jahres  diejenige 
Scheidung  der 

Machtbefugnisse 
herbei,  die  hinsicht- 
lich dieser  Ver- 
hältnisse als  die 
einzig  richtige  gel- 
ten konnte  und 
allein  eine  gewisse 
Garantie  für  eine 
ruhige  Weiterent- 
wicklung der  Un- 
ternehmungen ge- 
währte :  durch  ein 
Dekret  vom  28.  De- 
zember 1710  ward 

Böttger  die  Administration  der  Meißner  Manufaktur  für  einige  Zeit  recht- 
lich übertragen  ^a»).  Böttger  sollte  darnach  die  ganze  Arbeit  in  der  Fabrik 
selber  in  die  Hand  nehmen,  für  Anschaffung  der  Materialien  und  Besoldung  der 
Arbeiter  Sorge  tragen  und  den  Verkauf  der  Waren  besorgen.  Das  Direktorium 
aber  erhielt  nur  wenige  Tage  darauf,  am  5.  Januar  des  folgenden  Jahres,  eine 
Verordnung,  nach  der  es  sich  mit  der  Jurisdiktion  und  dem  Engagement  der  Arbeiter 
begnügen,  im  übrigen  sich  aber  in  keine  Sachen  ,, melieren"  solle,  die  Böttger  allein 
etwas  angingen.  Auch  sollte  es  ihm  alle  Konzepte  der  die  Manufaktur  betreffenden 
Schriftstücke  zur  Signatur  vorlegen.  Damit  h.a.tte Böttger  vor  der  Hand  völlig  gesiegt 
und  fast  die  ganze  Leitung  seiner  Manufakturen  in  Händen,  das  Verhältnis 
zwischen  Direktor  und  Verwalter  aber  sich  fast  in  sein  Gegenteil  umgewandelt. 
Diese  Verordnung  ist  dann  bis  zu  Michaelis  verlängert  worden,  nachdem  Nehmitz, 
da  der  Kommerzienrat  Matthis  inzwischen  gestorben  war,  schon  am  25.  Januar 
1711,   durch    ein    königliches    Dekret    zumal    einigen  Generaldirektor    aller   ge- 


Abb.  2$.    BSttgfersteinzeofT.    Große,  geschliffene  Schale. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Durchmesser  47,5  cm. 


100  Die  Steinzeugfabrik. 

gründeten   und   noch   zu    begründenden  Manufakturen  Böttgers  ernannt  worden 
war 


3C0\ 


Doch  auch  hiermit  waren  die  Schwierigkeiten  hinsichtlich  der  Verwaltung 
der  neuen  Manufakturen  durchaus  nicht  beseitigt,  die  gegenseitigen  Reibereien  nicht 
aus  der  Welt  geschafft.  Böttger  scheint  jetzt  darauf  ausgegangen  zu  sein,  den  König 
zu  bewegen,  ihm  für  eine  Zeitlang  die  ganze  Verwaltung  zu  überlassen  ^oi).  Auch 
die  damals  gerade  tagende,  später  weiter  erwähnte  zweite  Kommission  suchte  sich 
dieser  Angelegenheit  anzunehmen,  aber  ohne  Erfolg.  Doch  da  Matthis, 
der  auf  Seiten  des  Direktoriums  die  eigentlich  treibende  Kraft  bei  allen 
diesen  Reibereien  gewesen  zu  sein  scheint,  gestorben  war,  ist  damals  zunächst 
etwas  mehr  Ruhe  und  Frieden  in  diese  Angelegenheit  gekommen. 

Doch  bald  darauf  trat  eine  neue  Erschütterung  ein,  die  man  damals 
wohl  nach  allem,  was  vorangegangen  war,  am  allerwenigsten  erwartet 
hat.  Schon  im  Februar  des  Jahres  1712  bat  Böttger  den  König,  dem  er  noch  kurz 
vorher  im  Januar  einen  ausführlichen,  sehr  optimistischen  Bericht  über  seine  ganze 
bisherige  industrielle  Tätigkeit  nebst  dem  untertänigsten  Danke  für  die  aufgetragene 
Administration  der  acht  bisher  von  ihm  in  Angriff  genommenen  Fabriken  zu- 
gesandt hatte,  diese  Administration  niederlegen  zu  dürfen.  Doch  sollte  dies  erst 
zu  Pfingsten  geschehen,  damit  er  denjenigen,  den  der  König  zu  seinem  Nachfolger 
ernennen  würde,  vorher  noch  genügend  anlernen  könnte  ^°2).  Man  vermag  heute 
nicht  mehr  recht  zu  erkennen,  was  Böttger  damals  zu  diesem  Schritt  bewogen  hat. 
Vielleicht,  daß  es  nur  ein  Schachzug,  eine  reine  Komödie  war,  um  seine  Unent- 
behrlichkeit  in  helleres  Licht  zu  stellen  und  dadurch  seine  bisherige  Stellung  zu 
befestigen,  wenn  nicht  noch  zu  erweitern  ^"^^^  vielleicht  auch,  daß  es  sich  nur  um  eine 
vorübergehende  Laune  handelte.  Er  selbst  gab  damals  als  Grund  seines  Ent- 
schlusses die  vielen  Hindernisse  an,  auf  die  er  bei  der  Aufrichtung  seiner  Manu- 
fakturen gestoßen  wäre,  sowie  die  vielen  und  mächtigen  Feinde,  die  er  sich 
hierbei  zugezogen  hätte,  mit  denen  er  sicherlich  den  Generaldirektor  sowie  auch 
die  Hüter  der  Arkana,  die  beiden  Doktoren,  meinte,  die  in  der  Ta.i  Böttger  schon 
damals  nicht  entfernt  so  unterstützt  zu  haben  scheinen,  wie  sie  es  nach  des  Königs 
Befehl  hätten  tun  müssen.  Auch  würde  er,  durch  Niederlegung  der  Administration 
mehr  Zeit  gewinnen,  seinen  übrigen  Erfindungen  nachzugehen,  es  würden  gleich- 
zeitig auch  die  Arkanisten  eifriger  in  der  Erlernung  ihrer  Arkana  werden,  als  jetzt, 
wo  sie  sich  doch  nur  allzusehr  noch  auf  ihn  verließen.  Zu  gleicher  Zeit  legte  Böttger 
einer  damals  tagenden  dritten  Kommission  einen  Entwurf  vor,  in  dem  er  in 
nicht  weniger  als  40  Artikeln  zeigte,  was  alles  ein  guter  Administrator  zu  beachten 
hätte,  und  bat  sie  auch,  sein  Abschiedsgesuch  beim  Könige  beantragen  zu  wollen. 

Der  König  willigte  durchaus  ein.  Als  aber  dann  Böttger  einen  Nachfolger  an- 
geben sollte  und  als  diesen  Steinbrück  bezeichnete,  der  immer  mehr  sein  Vertrauter 
geworden  war,  da  geriet  diese  ganze  Angelegenheit  ins  Stocken,  anscheinend,  weil 
sich  ganz  andere  Persönlichkeiten,  die  man  wohl  nicht  mit  Unrecht,  unter  jenen 
von  Böttger  damals   als    seine  Feinde  bezeichneten    Personen    sucht,    auf    diese 


I 


Schwankungen  in  der  Verwaltung.  101 

Nachfolgerschaft  Hoffnung  gemacht  hatte.  Man  verlangte  von  Steinbrück  eine 
hohe  Kaution,  die  dieser  arme  Teufel  nicht  zu  leisten  vermochte  ^°*),  und  da  ist 
denn  auch  bald  von  dieser  ganzen  Sache  nicht  mehr  die  Rede,  und  es  blieb 
wieder  alles  beim  alten. 

Durch  dieses  ewige  Schwanken  in  der  obersten  Leitung  der  Fabriken  aber 
konnte  in  ihren  Betrieb  durchaus  nicht  jene  Stetigkeit  und  Sicherheit  gelangen, 
die  ein  jedes  derartige  Unternehmen  und  namentlich,  wenn  es,  wie  hier  diese, 
noch  jung  ist,  ganz  unbedingt  erfordert.  Dieses  Schwanken  hatte  vor  allem  wohl 
darin  seine  Ursache,  daß  das  Direktorium,  sei  es  aus  Ehrsucht,  sei  es  aus  rein  selbst- 
süchtigen Gründen,  allem  Anscheine  nach  Böttger  gar  zu  gern  von  der  Leitung 
seiner  Manufakturen,  nachdem  er  sie  begründet  und  eingerichtet,  abgeschoben 
hätte,  um  sie  dann  selber  in  die  Hand  zu  nehmen,  wohl  in  dem  festen  Glauben, 
daß  sie,  richtig  geleitet,  eine  stattliche  Einnahmequelle  darstellen  würden. 
Namentlich  der  Kommerzienrat  Matthis,  ein  undankbarer  Geselle,  der 
Böttger,  wie  erwähnt,  allein  seine  Beförderung  zu  verdanken  hatte,  scheint  in 
dieser  Beziehung  ganz  feste  Absichten  gehabt  zu  haben.  Er  war  es  ja,  wie  er- 
wähnt, zunächst  gewesen,  der  Böttger,  angeblich  um  ihn  in  seinen  vielen 
Arbeiten  zu  erleichtern,  auf  die  Idee  gebracht  hatte,  eine  besondere  Direktion  für 
seine  Manufakturen  einsetzen  zu  lassen.  Dann  aber  im  September  des  Jahres  1710, 
zu  der  Zeit,  da  der  Streit  um  die  Leitung  der  Manufakturen  so  ziemlich  am 
heftigsten  tobte,  hatte  er,  um  von  Böttger  wieder  Waren  zum  Verkauf  zu  bekommen — 
wohl  wissend,  daß  dieser  sie  nach  den  Erfahrungen  der  ersten  Messe  nicht  wieder 
freiwillig  herausgeben  würde  —  zu  einem  bedenklichen  Mittel  gegriffen:  er 
hatte,  ohne  daß  Böttger  damals  auch  nur  eine  Ahnung  von  diesen  Machenschaften 
hatte,  mit  Hilfe  eines  Kaufmannes,  namens  Joh.  Gottlieh  Schwartze,  der  aber  nur 
ein  Strohmann  war,  eine  Gesellschaft  unter  der  Firma  Schwartze  &  Co.  gegründet 
mit  einem  Kapital  von  4000  Talern,  zu  dem  Dr.  Nehmitz  zwei  Drittel,  ein  anderer 
Arzt  Dr.  Bussius,  dem  man  Hoffnung  auf  den  Kommerzienrattitel  gemacht 
hatte,  den  Rest  hergegeben  hatte  ^°^).  Mit  dieser  Gesellschaft  schloß  das  Direk- 
torium nun  einen  regelrechten  ausführlichen  Kaufvertrag  ab,  dessen  15  Paragraphen 
ihr  zunächst  eine  Provision  von  6%  auf  alle  übernommenen  Waren 
zusicherte,  daneben  aber  auch  hinsichtlich  des  Verkaufes  des  Steinzeuges 
wie  auch  des  Porzellans,  sobald  dessen  wirkliche  Fabrikation  beginnen  würde, 
ein  völliges  Monopol  in  die  Hände  gab.  Dieser  Vertrag  ward  zunächst  nur  bis  zur 
Ostermesse  des  folgenden  Jahres  geschlossen,  dann  aber  bis  Michaelis  verlängert, 
gleichzeitig  in  ihm  aber  bestimmt,  daß  die  Kompanie  wegen  Abnahme  von  Waren 
nur  mit  dem  Direktorium  verhandeln  solle,  wodurch  Böttger  gezwungen  ward,  nun 
doch  diesem  seine  Waren  wieder  auszuliefern.  Auch  ward  in  den  Zeitungen  be- 
kannt gemacht,  daß  künftig  das  „neue  sächsische  Porzellan"  nur  bei  dieser  Firma 
in  Leipzig  zu  haben  wäre. 

Auf  diese  Weise  wurden  in  der  Tat,  ohne  daß  Böttger  damals  das  geringste  geahnt 
zu  haben  scheint,  die  Michaelismesse  des  Jahres  1710,  dann  die  Neujahrs-  und 


102  Die  Steinzeugfabrik. 

Ostermesse  des  folgenden  Jahres  beschickt.  Wie  weit  jedoch  das  Direktorium 
hierbei  mit  seinen  Absichten  reüssiert,  und  ob  es  damals  überhaupt  auf  seine 
Kosten  gekommen  ist,  ist  nicht  bekannt.  Daß  aber  hier  in  der  Tat  unerlaubte 
Nebenabsichten  vorlagen  und  nicht  etwa  eine  wirklich  gut  gemeinte  Unter- 
stützung der  Manufaktur  lediglich  aus  Interesse  für  dieselbe,  darüber 
kann  wohl  kein  Zweifel  bestehen.  Bei  einer  aufrichtigen  Unterstützung  mit  barem 
Gelde  seitens  des  Direktoriums  hätte  es  eines  solchen  Geheimbundes  sicherlich 
nicht  bedurft,  da  Böttger  dann,  wie  mit  Sicherheit  anzunehmen,  allen  Argwohn  ver- 
gessen, vielmehr  mit  beiden  Händen  eine  Gelegenheit  ergriffen  haben  würde,  die 
ihm  das  reichte,  dessen  er  damals  am  meisten  bedurfte :  Kapital.  So  wird  man  das 
Mißtrauen,  das  Böttger  damals  gegen  das  Direktorium  und  nach  Matthis  Ahlehen  gegen 
Nehmitz  und  die  ihm  Nahestehenden  gehabt  und  das  bald  immer  größere  Formen 
annahm,  durchaus  nicht  für  ganz  unbegründet  halten  dürfen.  Er  hatte  es  hier 
entschieden  nicht  mit  so  ganz  ehrlichen  Leuten  zu  tun,  denen  gegenüber  es  wohl  gut 
war,  etwas  auf  der  Hut  zu  sein.  Der  Hof  August  des  Starken  war  damals  ja,  wie 
jeder,  an  dem  der  Absolutismus  herrscht,  ein  nur  zu  günstiger  Nähr- 
boden für  alle  möglichen  Intriguen  und  selbstsüchtige  Bestrebungen,  die  durch 
die  häufige,  lange  Abwesenheit  des  Königs  von  seinem  Stammlande  nur  zu 
sehr  erleichtert  wurden.  Andererseits  aber  darf  man  nicht  ganz  übersehen, 
daß  Böttger,  der  lebhafte  Geist,  der  in  seinen  jungen  Jahren  so  lange  ein  Gefangener 
war,  als  solcher  beständig  scharf  bewacht  wurde  und  dabei  jahrelang  gezwungen 
ward,  um  jeden  Preis  etwas  zu  machen,  was  er  nicht  machen  konnte,  auch 
mit  der  Zeit  wohl  ein  wenig  arg  mißtrauisch  geworden  war,  auch  reizbar  und  nervös, 
und  darum  Dinge  witterte,  namentlich  solche,  die  ihm  schaden  konnten,  die 
aber  gar  nicht  da  waren.  Es  war  dies  psychologisch  nur  zu  leicht  erklärlich. 
Auch  gehörte  er  zu  jenen  Leuten,  die  stolz  auf  ihr  wirkliches  Können — Böttger 
hatte  auf  diesen  Stolz  nach  seinen  keramischen  Erfindungen  wohl  auch  einigen 
Anspruch  — ,  sich  ,, nicht  gern  drein  reden  lassen"  3°^)  und  stark  ,, eifersüchtig" 
auf  ihr  Wissen  sind.  Es  war  klar,  daß  es  nicht  immer  leicht  war,  mit  einer 
derartig  veranlagten  Persönlichkeit  zusammen  zu  arbeiten. 

Auf  alle  Fälle  aber  waren  diese  Reibereien  zwischen  Böttger  und  der  Gegen- 
partei nun  einmal  da  und  sie  haben  den  weiteren  Gang  dieser  Unternehmungen 
nun  unausgesetzt  begleitet,  nicht  gerade  zu  ihrem  Vorteil.  Weit  schlimmer  für  die 
Fortentwicklung  der  Manufakturen  jedoch  war,  daß  auch  die  materiellen  Unter- 
stützungen, die  der  König  ihnen  angedeihen  lassen  wollte,  ihnen  vielfach  nicht  in 
dem  von  ihm  beabsichtigten  Maße  zuteil  wurden.  Es  war  leicht  für  den  König, 
Böttger  durch  die  Rentkammer  und  das  Akzisekollegium,  Geld  anweisen  zu 
lassen,  schwerer  jedoch  für  diese,  die  alle  Mühe  hatten,  des  Königs  eigene  Ver- 
schwendungs-  und  Prunksucht  nach  den  traurigen  Zeiten,  die  Sachsen  soeben 
durcherlebt  hatte,  nur  einigermaßen  zu  befriedigen,  diese  Summen  auch  wirklich 
herbeizuschaffen,  zumal  sie,  allem  Anscheine  nach,  in  keiner  Weise  so  wie  der 
König  selber  von  der  Nützlichkeit  dieser  zunächst  nur  Gelder  verschlingenden 


Traurige  finanzielle  Lage. 


103 


Neugründungen  überzeugt  waren.  Der  Kleinmut,  den  gegenüber  diesen  bisher 
alle,  die  mit  ihnen  in  Berührung  gekommen  waren  und  durch  ihre  Unterstützung 
etwas  hatten  riskieren  sollen,  gezeigt  hatten,  wiederholte  sich  auch  hier.  Die 
Böttger  vom  König  zugewiesenen  Summen  liefen  daher  keineswegs  glatt  ein  oder 
bheben  einfach  ganz  aus,  desgleichen  die  zur  Fabrikation  nötigen  Materialien,  vor 
allem  der  Ton  und  das  Brennholz,  deren  kostenlose  Anlieferung  der  König  ja 
gleichfalls  befohlen  hatte  ^o').  Böttger  hat  sich  hierüber  oft  genug  beklagt,  darüber 
dem  Könige  wie  auch  dem  Direktorium  bewegliche  Briefe  geschrieben,  ohne  daß 
sich  aber  dadurch  die  Sache  ernstlich  gebessert  hätte.  Wie  sollte  dies  aber  auch 
geschehen  ?     Woher  sollte  man  Geld  beschaffen,  das  nicht  da  war  ? 

Dies  Ausblei- 
ben der  regelmäßi- 
gen Unterstützun- 
gen des  Königs 
aber  zusammen  mit 
dem  Ausbleiben  je- 
ner großen  Ver- 
kaufserträgnisse, 
auf  die  man  so  op- 
timistisch von  vorn- 
herein mit  voller 
Sicherheit  gerech- 
net hatte,  brachten 
die  ganzen  Böttger- 
schen  Unterneh- 
mungen und  damit 
auch  die  Meißner 
Manufaktur  von 
vornherein  in   eine 

äußerst  fatale  finanzielle  Lage,  zumal  sie  von  vornherein  auf  eine  völlig  un- 
zureichende finanzielle  Basis  gestellt  worden  waren.  Es  fehlte  -ihnen,  um  es  kurz 
zu  sagen,  von  Anfang  an  vöUig  jegHches  eigentliche  Anlagekapital,  auf  das  sich 
jede  derartige  industrielle  Gründung  zu  stützen  pflegt  und  das  ihr  dann  auch  viel- 
fach verbleibt,  indem  sie  es  nur  mehr  oder  weniger  hoch  zu  verzinsen  hat,  ja 
überhaupt  jegliches  Kapital,  um  ein  etwaiges  Schwanken  in  der  Bilanz,  wie  es  sich 
bei  jedem  derartigen  Unternehmen  und  namentlich  an  seinem  Anfange  ereignen 
kann,  mit  aller  Ruhe  ertragen  zu  können.  Gerade  aber  die  Böttgerschen  Unter- 
nehmungen hätten  solche  Unterstützungen  in  erster  Linie  nötig  gehabt,  da  ihre 
ganze  Einrichtung  und  ihr  ganzer  Betrieb  von  vornherein  ein  ganz  ungewöhnlich 
komplizierter  und  darum  kostspieliger  war.  Zwar  ersparte  die  Hauptmanufaktur 
dadurch  eine  ganz  beträchtliche  Summe  und  war  sonstigen  Fabrikgründungen 
gegenüber  ganz  besonders  glücklich  gestellt,  daß  sie,  da  ihr  das  königliche  Schloß 


Abb.  26.    BSttgersteinzengr.    Gefäß  in  Nantilusform  mit  Emailfarbe  bemalt. 

Königl,  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  13  cm. 


104  Die  Steinzeugfabrik. 

der  Albrechtsburg  kostenfrei  zugewiesen  worden  war,  ein  eigentliches  Fabrik- 
gebäude weder  zu  erbauen  noch  zu  verzinsen  brauchte.  Dafür  aber  mußte  Böttger 
in  Dresden  zurückbleiben,  und  dadurch  der  Betrieb  vielfach  ein  doppelter  werden: 
es  mußten  mehr  Arbeiter  gehalten,  es  mußten  doppelte  Öfen  gebaut  werden. 
Und  dann  der  zeit-  und  geldraubende  unablässige  Verkehr  zwischen  Dresden  und 
Meißen  und  umgekehrt,  um  diese  beiden  getrennten  Arbeitsstätten  in 
beständiger  Verbindung  miteinander  zu  erhalten!  Dazu  kamen  die  unge- 
wöhnlich hohen  Löhne  für  die  Arbeiter,  die  man  anfangs  bezahlen 
mußte,  um  überhaupt  nur  welche  für  die  Fabrik  zu  gewinnen  ^^^),  sowie  die  hohen 
Besoldungen  für  Persönlichkeiten,  die  an  sich  mit  dem  Fabrikbetriebe  nichts  zu 
tun  hatten,  in  anderen  derartigen  Betrieben  sich  auch  nicht  zu  wiederholen  pflegen : 
für  das  Direktorium  der  Fabrik,  das  ja  eigentlich  nur  eine  Ersatzbehörde  für  den 
in  seiner  Tätigkeit  nach  außen  hin  beschränkten  eigentlichen  Leiter  Böttger 
war,  dessen  Direktor  aber  allein  jeden  Monat  150  Taler  außer  Reisespesen  erhielt, 
für  die  beiden  Arkanisten  Dr.  Nehmitz  und  Dr.  Bartelmei,  sowie  auch  für  die  Be- 
wachungen Böttgers  wie  der  Meißner  Manufaktur.  Weiter  dann  die  kauf- 
männische Unkenntnis  aller  derjenigen  Personen,  die  an  der  Leitung  der  Manu- 
faktur irgendwie  beteiligt  waren,  eine  Unkenntnis,  die  der  Manufaktur  in  der  That 
sehr  viel  Lehrgeld  gekostet  hat,  wie  ja  gleich  die  Unkosten  der  Beschickung  der 
ersten  Leipziger  Messe  den  dritten  Teil  des  ganzen  dort  erzielten  Ertrages  verzehrt 
hatten^*'^).  Dann  weiter  war  es  für  keine  der  Neugründungen  ein  Glück,  daß  bei 
so  schwachen  finanziellen  Kräften  von  Anfang  an  so  viele  derartige  Gründungen 
fast  auf  einmal  vorgenommen  und  immer  noch  wieder  neue  geplant  wurden,  ohne 
daß  man  sich  auch  nur  im  entferntesten  darüber  klar  war,  woher  die  Deckung  der 
Unkosten  genommen  werden  sollte,  ja  nicht  einmal  immer  sich  vorher  —  man 
denke  an  die  Schmelztiegelf abrik ^^°)  —  überlegt  hatte,  ob  eine  jede  auch  wirklich  ren- 
tabel sein  könne.  Und  schheßlich  scheint  die  Seele  aller  dieser  Unternehmungen  der 
Inventor  selber,  der  schheßlich  ja  auch  ganz  ihr  geschäftlicher  Leiter  geworden 
war,  zu  seinem  Unglücke  durchaus  kein  Finanzgenie  gewesen  zu  sein,  das  mit 
den  Summen,  die  ihm  zur  Verfügung  standen,  gut  hauszuhalten  und  sie  gerade 
immer  an  diejenige  Stelle  seiner  vielen  Unternehmungen  zu  dirigieren  gewußt 
hätte,  wo  sie  zur  Zeit  am  meisten  gebraucht  wurden  oder  die  besten  Früchte 
tragen  konnten.  Böttger  war  durchaus  nicht  das,  was  man  einen  Verschwender  ^i^) 
nennt,  er  war  kein  Mensch,  der  das  Geld  nur  so  ausstreute  und  vertat,  weil  ihn 
Großmannsucht,  krankhafte  Energielosigkeit  oder  was  sonst  bei  derartigen  Ver- 
irrungen  sich  als  unnormale,  verderbhche  Triebkraft  erweist,  ihn  dazu  veranlaßte, 
aber  er  war  auch  durchaus  kein  sparsamer  Mensch.  ,, Indifferent  und  sorglos  für 
das  Künftige",  so  hat  ihn  derjenige  geschildert,  dem  wir  allein  von  allen  seinen 
Zeitgenossen  eine  ausführliche  Charakterisierung  von  ihm  verdanken ^i^)^  als  einen, 
,,dem  es  nicht  fehlen  könne  und  deswegen  das  Geld  nicht  achtet  als  soweit  er  es 
täghch  vonnöten  hat".  Dazu  war  er  ,,Depenseur  in  Experimenten",  ,, guttätig 
und  hberal"  und  auch  hierbei  wenig  „econom".  Schheßhch  noch  ziemhch  unbeständig, 


Geldmangel.  105 

da  er  leicht  von  einer  Sache  auf  die  andere  verfiel,  immer  etwas  Neues  vorhatte 
und  nur  solange  in  einer  Sache  eifrig  war,  solange  diese  wirklich  etwas 
Neues  war.  Das  aber  waren  gewiß  alles  Eigenschaften,  die  ihn  auch  unter 
gewöhnlichen  Umständen  zu  keinem  guten  Haushalter  gemacht  hätten,  in  der 
Lage  aber,  in  der  er  sich  befand,  in  der  er  zu  gleicher  Zeit  für  eine  ganze  Reihe  der 
verschiedensten  Unternehmungen  zu  sorgen  hatte,  ihn  nur  zu  leicht  dazu  verführen 
mußten,  die  relativ  geringen  und  durchaus  unzureichenden  Summen  so  zu  zer- 
splittern, daß  sie  schließlich  an  keiner  Stelle  ausreichten  und  jene  Zinsen  trugen, 
die  von  ihnen  so  dringend  erwartet  wurden. 

Daß  aber  unter  diesen  Umständen  die  Böttgerschen  Fabriken  und  somit  auch 
die  Meißner  Manufaktur  nur  allzubald  an  starkem  Geldmangel  litten,  und  daß 
dieser  Übelstand  dann,  da  unausgesetzt  die  Mittel  fehlten,  ihm  abzuhelfen,  bald 
chronisch  und  darum  für  ihr  Bestehen  immer  gefährlicher  wurde,  kann  nicht  als 
Wunder  erscheinen.  Schon  am  2.  November  1710,  also  bereits  im  ersten  Jahre 
der  Begründung  der  Fabrik,  schrieb  Böttger  dem  König  einen  bewegten  Brief,  in 
dem  er  ihm  den  , .bevorstehenden  Ruin"  der  Fabrik  anzeigte,  falls  er  nicht  besser 
mit  Geld  unterstützt  würde  ^^^).  Klagen  dieser  Art  ziehen  sich  dann  durch  alle 
weiteren  Briefe  Böttgers,  oft  in  der  verzweifeisten  Form,  da  durch  den  Geldmangel 
oft  der  ganze  Bestand  der  jungen  Unternehmungen  ernstlich  in  Frage  gestellt  ward 
und  so  Böttgers  ganze  bisherige  Tätigkeit  ganz  ohne  sein  Verschulden  völlig  resul- 
los  zu  verlaufen  drohte.  Er  behinderte  in  der  Tat  oft  genug  die  Weiterarbeit  in  den 
Manufakturen,  oft  genug  die  Weiterarbeit  Böttgers  in  seinem  Laboratorium,  er 
bewirkte  allein  dadurch,  daß  es,  wie  oben  gezeigt,  wegen  fehlender  Gelder  nicht 
möghch  war,  ein  dem  ganzen  Betriebe  angemessenes  Brennhaus  in  Meißen  zu  er- 
richten, daß  weder  die  Steinzeugfabrik  vergrößert,  noch  die  Boraxfabrik,  mit  der 
es  Böttger  so  wichtig  hatte,  eingerichtet  ward.  Die  größte  Gefahr  jedoch  drohte 
der  Manufaktur  zu  Meißen  dadurch,  daß  man  einen  Teil  der  Arbeiter,  die  man 
anfangs  aus  der  Kasse  der  Generalakzise  besoldet  hatte,  dann  aber  nach  der 
ersten  Messe  aus  der  der  Manufaktur  bezahlt  werden  sollten  ^i«),  falls  man  sie 
nicht  bezahlen  konnte,  schheßhch  entlassen  mußte,  oder  daß  sie  von  selber  ent- 
liefen. Das  aber  hieß  die  ganzen  Geheimnisse  der  neuen  Erfindungen  preisgeben, 
den  König  und  sein  Land  völHg  um  den  aus  ihnen  erhofften  Gewinn  bringen. 
Böttger  ist  sich  dieser  großen  Gefahr  von  Anfang  an  bewußt  gewesen,  nicht  minder 
der  König.  Er  hat  daher  alles  getan,  um  einem  derartigen  Unglück  vorzubeugen: 
es  scheint  immer  seine  größte  Sorge  gewesen  zu  sein,  an  erster  Stelle  die 
Arbeiter  zu  bezahlen  ^is)  er  hat  damals,  wie  er  ausdrücklich  betont  hat, 
keinen  entlassen,  von  dem  er  annehmen  konnte,  daß  er  durch  seine  Tätig- 
keit etwas  von  den  Arkanis  der  Fabrik  wußte  und  sich  auch  immer  aufs 
heftigste  gegen  derartige  Anschuldigungen,  wenn  solche,  wie  es  scheint,  von 
Seiten  des  Direktoriums  dem  König  überbracht  wurden,  gewehrt  ^^^).  Nur  einige 
Dreher  und  Former,  denen  die  eigenthchen  Geheimnisse  fremd  waren,  gelegent- 
lich entlassen  ^1'),    aber  zum  Teil  nachher  wieder  angenommen  worden,  ja,  wenn 


1. 


106  Die  Steinzeugfabrik. 

es  von  ihm  allein  abgehangen  hätte,  so  wären  eher  noch  mehr  Arbeiter  einge- 
stellt worden. 

Daneben  aber  gab  man  sich  alle  Mühe,  um  die  Übelstände  selber,  die  diese 
Gefahren  hervorriefen,  möglichst  zu  beseitigen  und  namentlich  die  Manufaktur  zu 
Meißen  auf  eine  gesunde  Grundlage  zu  stellen.  Böttger  selber,  dem  das  Schick- 
sal seiner  Gründungen  in  dieser  Zeit  schon  um  seiner  selbst  willen  ganz  sichtbar 
am  Herzen  gelegen  hat,  tat  in  dieser  Beziehung  alles,  was  er  nur  irgend  konnte. 
Er  schrieb  Briefe  über  Briefe  an  den  König,  bat  und  flehte  um  Geld  und  sonstige 
Unterstützungen,  schickte  herzzerreißende  oder  ganz  rosige  Berichte,  je  nachdem 
es  die  Lage  erforderte,  verhandelte  mit  dem  Direktorium  und  brachte  Vorschläge  auf 
Vorschläge.  Am  Anfange  der  Begründung  der  Meißner  Manufaktur  hatte  er  seine 
ganzen  ihm  vom  König  bewilligten  Gelder  dazu  verwandt,  um  diese  erst  einmal  in 
Gang  zu  bringen  2^^).  Auch  zu  rein  persönlichen  Opfern  zeigte  er  sich  bereit,  wenn 
er,  wie  er  es  im  Jahre  1712  angibt,  um  Geld  für  seine  Unternehmungen  zu  sparen, 
seine  Abendmahlzeiten  einzog  und  erklärte,  lieber  Brot  und  Salz  essen,  als  den 
Untergang  seiner  Fabrik  mit  ansehen  zu  wollen  ^^^).  Auch  das  Direktorium  sann, 
wie  es  seine  Pflicht  war,  auf  Abhilfe;  aber  es  bewies  dabei  einen  ziemlichen  Klein- 
mut, der  seltsam  absticht  von  dem  unermüdlichen  Wagemut  Böttger s,  wenn  es 
im  August  1710,  als  es  m\i  Böttger  wegen  Abgabe  der  Administration  verhandelte, 
vorschlug,  den  König  zur  Unterstützung  der  Manufakturen  zwar  um  einen  ,, zu- 
länglichen Fond"  anzugehen,  so  lange  dieser  aber  noch  nicht  festgesetzt  wäre,  die 
Arbeiterzahl  der  Manufaktur  zu  reduzieren  ^^o)^  ein  Vorschlag,  der  natürlich  aus 
den  oben  angeführten  Gründen  die  allerwenigste  Aussicht  auf  die  Billigung  des 
Königs  hatte. 

Vor  allem  aber  griff  man  jetzt  auf  Böttgers  Anregung  hin  wieder  zu  dem  Uni- 
versalmittel aller  verzweifelten  Situationen,  zu  dem  einer  Kommission.  Als  daher 
Böttger  im  Jahre  1711  dem  Könige  zu  diesem  Zwecke  einen  ausführlichen  Be- 
richt über  die  Lage  der  Manufakturen  eingesandt  hatte,  beschloß  dieser,  da  die 
frühere  Kommission,  die  Böttgers  erste  Erfindungen  hatte  prüfen  müssen,  wegen 
Abwesenheit  oder  sonstiger  Behinderung  ihrer  Mitglieder  sanft  entschlafen  war,  auf 
Böttgers  ausdrücklichen  Wunsch,  eine  neue,  jene  bereits  mehrfach  erwähnte  zweite 
Kommission  ins  Leben  zu  rufen,  zu  der  jetzt  mit  Ausnahme  des  Bergrats  Pahst 
und  des  Hof-  und  Justizienrat  von  Döring,  ganz  neue  Mitglieder  ernannt  wurden, 
der  General  Graf  von  Wackerbarth,  Geheimer  Rat  Seebach,  der  Kammerbergrat 
Graf  von  Löschgewandt  (auch  Leschgewanx  geschrieben)  Diese  Kommission,  die 
am  12.  März  1711  berufen  und  am  23.  März  in  Böttgers  Wohnung  auf  der 
Fest-ung  zusammentrat,  nahm  ihre  Aufgabe  weit  ernster  als  die  erste.  Sie  hielt  bis 
zum  Mai  Sitzungen  ab,  fuhr  mit  Böttger  nach  Meißen  hinaus,  um  die  Zustände  in 
der  Fabrik  selber  an  Ort  und  Stelle  kennen  zu  lernen,  und  suchte  sich  mit  allen 
Fragen  ernsthaft  zu  befassen,  die  damals  für  die  Manufaktur  und  ihr  Weiterbe- 
stehen sowie  die  ganzen  übrigen  Arbeiten  Böttgers  in  Betracht  kamen.  ^^^)  Sie 
hatte  sich  hierbei  zunächst  mit  einer  ganzen  Reihe  von  Instruktionen  zu  befassen, 


Die  zweite  Kommission.  107 

die  Böttger  als  damals  ernannter  Administrator  der  Manufaktur  entworfen  hatte, 
und  die  einen  ganz  energischen  Versuch  Böttgers  darstellten,  seine  Macht  gegenüber 
den  ihm  beigegebenen  Personen  zu  wahren  und  eine  regelrechte  Organisation  in 
seine  Gründungen  hineinzubringen.  Sie  bezogen  sich  auf  Dr.  Nehmitz,  auf  Dr. 
Bartelmei  wie  auch  auf  Steinbrück,  der  in  diesem  Jahre  zum  Inspektor  der 
Manufaktur  ernannt  worden  war,  dann  auf  den  Buchhalter  und  Baumaterialien- 
schreiber und  waren  vorher  dem  König  vorgelegt  worden.  Die  Arbeiter,  die 
Massenbereiter,  Brenner,  Dreher  und  Former  hatten  schon  früher,  d.  h.  am 
16.  August  1710^22)^  iiipe  Instruktionen  im  Namen  des  Direktoriums  erhalten. 
Dann  ward  die  Kommission  weiter  auf  eine  Eingabe  des  Direktoriums  hin  be- 
auftragt, auch  das  Verhältnis  zwischen  ihm  und  Böttger  zu  prüfen  und  so  zu 
regeln,  daß  nicht  daraus  für  das  Werk  Verwirrung,  vielmehr  eine  wirkliche  Unter- 
stützung erfolge,  ferner  festzustellen,  wieviel  Personen  zum  Direktorium  nötig 
seien,  woher  es  bezahlt  werden  sollte  u.  dergl.  m.  Auch  die  noch  immer  nicht  be- 
endeten Differenzen  mit  dem  Domkapitel  zu  Meißen  sollten  einer  neuen  Prüfung 
unterzogen,  schließlich  auch  etwaige  persönliche  Differenzen  zwischen  Böttger  und 
dem  Direktorium  geschlichtet  werden.  Und  nicht  eher  sollte  die  Kommission  aus- 
einandergehen, bis  alle  diese  Punkte  in  Ordnung  gebracht,  hierüber  an  den  König 
berichtet  und  ihr  die  Genehmigung  zur  Auflösung  zugegangen  wäre. 

Dann  aber  hatte  die  Kommission  sich  vor  allem  mit  Böttgers  ganzer  Tätigkeit, 
seinen  bereits  erfolgten  Gründungen  und  seinen  Versprechungen  zu  beschäftigen. 
Es  handelte  sich  hier  noch  einmal  um  eine  gründliche  Prüfung  der  ganzen  bisherigen 
industriellen  Unternehmungen  Böttgers,  namentlich  hinsichtlich  ihrer  Rentabilität 
und  ihrer  Bestandsfähigkeit,  auf  Grund  derer  wohl  noch  einmal  erwogen  werden 
sollte,  ob  diese  wirklich  alle  aufzurichten,  beziehungsweise  fortzusetzen  sich  lohne. 
Zunächst  wurden  zu  diesem  Zwecke  die  beiden  Inhaber  der  Arkana,  Dr.  Bartelmei 
und  Dr.  Nehmitz  hinsichtlich  ihrer  Kenntnis  dieser  befragt,  welche  beide  durch  be- 
sondere Attestate  sie  als  durchaus  vorhanden  erklärten.  Dann  suchte  man  sich 
über  das  Vorhandensein  der  für  die  ^öMgerschen  Unternehmungen  notwendigen 
Materialien  in  Sachsen  selber  zu  vergewissern,  auf  welche  Anfrage  Böttger  mehrfach 
versicherte,  daß  diese  mit  Ausnahme  der  spanischen  Soda,  welche  er  zur  Glasur 
der  ,, holländischen  Gefäße"  gebrauche,  sich  dort  in  so  großen  Mengen  befänden, 
daß  sie  nicht  zu  ,, konsumieren"  wären,  und  er  versprach  dann  auch  für  die  Soda 
ein  ,, Surrogat"  aus  Landesmaterialien  zu  erfinden.  Auch  seien  diese  Materialien  in 
keiner  Weise  an  sich  wertvoll,  so  daß  ihr  Bezug  ohne  große  Kosten  erfolgen, 
ihre  Verarbeitung  aber  um  so  größeren  Gewinn  einbringen  könne.  Dann  war 
von  der  Borax-,  der  Schmelztiegel-  und  den  anderen  Fabriken  die  Rede,  es 
wurden  Proben  vom  roten  Steinzeug,  vom  Delfter  Gut,  vom  Borax,  der  Masse 
für  die  Schmelztiegel  sowie  auch  vom  Porzellan  vorgelegt,  hierauf  in  Gegenwart 
des  Dresdner  Münzmeisters  eine  von  Böttger  angegebene  Erzausschmelzungs- 
probe  vorgenommen,  die  allgemeinen  Beifall  fand!  Dann  aber  brachte  Böttger  dÄB 
Verhandlungen    auf    diejenige  Angelegenheit,    die  damals  als   die  für  die  Manu- 


108  Die   Steinzeugfabrik. 

fakturen  wichtigste  zu  gelten  hatte,  auf  die  Beschaffung  der  für  ihre  Weiter- 
entwicklung nötigen  Fonds,  auf  ihre  weitere  Finanzierung,  und  hier  überschüttete 
Böttger  förmlich  die  Kommission  mit  Vorschlägen,  die  zwar  seiner  Erfindungsgabe 
alle  Ehre  machten,  zum  Teil  aber  ihn  doch  wieder  als  einen  ziemhch  phantastischen 
Kopf  hinstellten,  der  nur  zu  leicht  sich  Träumen  hingab,  die  sich  über  alle 
Möglichkeiten  hinweg  zu  setzen  drohten. 

Er  machte  hier  zunächst  der  Kommission  drei  Vorschläge:  es  sollte  auf  alle 
„alchymistischenlabores"in  Sachsen  ein, ,impost"gelegtwerden, ein  Beweis, wie  allge- 
mein damals  diese  mit  dem  Goldsuchen  so  eng  verbundenen  Bestrebungen  in  Sachsen 
gewesen  sein  müssen.  Es  sollte  ferner  aller  Colditzer  und  Waldenburger  Ton,  der 
außerhalb  seiner  eigenen  Manufakturen  verarbeitet  würde,  im  Preise  erhöht,  der 
Überschuß  aber  der  Manufakturkasse  zugeführt  werden,  es  sollte  von  den  ,, Stuhl- 
zinsen", die  auf  die  Webstühle  zu  Zittau,  deren  es  wohl  1500  gäbe,  gelegt  seien, 
entweder  alljährlich  oder  ein  für  allemal  eine  gewisse  Summe  an  die  Manufaktur- 
kasse gezahlt  werden.  Inzwischen  jedoch  sollte,  so  schlug  er  weiter  vor,  da  die 
Ausführung  dieser  Vorschläge  wohl  einige  Zeit  beanspruchen  würde,  der  König 
3000  Taler  Silber  vorschießen,  und  zwar  mit  Hilfe  jenes  alten  Silbergeschirres, 
das  auf  dem  Dresdener  Laboratorium  befindlich  wäre  und  wohl  von  Böttger 
selber  dort  benutzt  wurde,  dann  auch  des  Silbers,  so  in  Freiberg  die  ,, Zehende- 
kasse" unter  dem  Namen  des  ,, Wiegenbandes"  in  Rechnung  führte  und  schließ- 
lich auch  durch  Silber  aus  der  Münzkasse.  Weiter  sollte  die  Rentkammer 
4000  Taler,  teils  bar,  teils  an  Colditzer  Ton,  Zwickauer  roter  Erde,  Holz 
usw.  vorstrecken,  wofür  sie  seine  monatlichen  100  Taler,  wahrscheinlich  da  er 
sie  doch  nicht  regelmäßig  ausbezahlt  erhielt,  behalten  könne,  dann  aber 
auch  die  Generalakziskasse  auf  Böttgers  monatliche  750  Taler  6000  Taler  auf 
einmal  vorschießen.  Weitere  Vorschüsse  wären  dann  zu  verlangen  von  der 
Steuer,  der  Kriegskasse  wegen  Lieferung  , .polnischen  Bleies",  auch  Salpeters, 
von  den  Magistraten  zu  Dresden,  Leipzig  und  Zittau,  der  Zehendenkasse  zu 
Freiberg  wegen  Lieferung  von  Kobalt,  Silbei glätte,  Braunstein,  weißer  Erde 
u.  dergl.  m.  Auch  ging  Böttger  geradezu  schon  auf  einen  Zwangsabsatz  seiner 
Erzeugnisse  aus,  wenn  er  weiter  vorschlug,  daß  alle  diejenigen,  ,,so  da  neu 
anbauen  und  dafür  aus  der  Generalakziskasse  ein  Gewisses  zu  genießen  haben", 
eine  Partie  der  in  der  Steinbäckerei  hergestellten  Fliesen  mit  verwenden  und 
natürlich  auch  bezahlen  sollten."  Man  sieht,  Böttger  suchte  damals  Himmel  und 
Erde  in  Bewegung  zu  setzen  und  das  halbe  Sachsen  aufzustören,  nur  um  seine 
industriellen  Anlagen  zu  retten  und  ihnen  ein  neues  Anlagekapital  zu  verschaffen. 

Er  schätzte  damals  das  Kapital,  das  ihm  zur  rationellen  Fortführung  seiner 
Unternehmungen  nötig  schien,  auf  etwa  18  000  Taler,  und  zwar  berechnete  er  für 
Aufrichtung  eines  Gebäudes  für  die  Brennöfen  sowohl  zum  weißen  als  auch  roten 
Porzellan  1500  Taler,  für  ein  gleiches  Gebäude  für  die  Boraxmanufaktur  1500  Taler, 
für  die  Schmelztiegelfabrik  500  Taler,  weiter  an  Instrumenten  für  die  Fabriken 
des  weißen  und  roten  Porzellans   400  Taler,   für   die    des  Borax  1500  Taler,   der 


Die  dritte  Kommission.  109 

Schmelztiegel  200  Taler,  an  solchen  für  Maler,  Töpfer  und  andere  Arbeiter 
200  Taler,  dann  an  Materialien  zum  weißen  Porzellan  200  Zentner  Colditzer  Ton, 
zum  roten  Porzellan  1000  Zentner  hinter  Zwickau  brechender  Erde,  zu  Glasuren 
und  ungenannten  Ingredienzien  2000  Taler,  zu  Kapseln  für  die  roten  und  weißen 
Geschirre  1000  Taler,  zum  Borax  1000  Taler,  wie  schließlich  zu  den  Schmelztiegeln 
1000  Taler.  Es  war  gewiß  eine  ganz  richtige  Berechnung,  die  Böttger  hier  vorge- 
nommen hatte,  die  den  thatsächlichen  Bedürfnissen  seiner  Anstalten  durchaus 
entsprochen  haben  wird  Als  aber  dann  die  Kommission  hierüber  dem  König 
Bericht  abgestattet  und  wahrscheinlich  von  diesem  eine  vöUig  abschlägige  Antwort 
erhalten  hatte,  ließ  er  sich  doch  dazu  herbei,  diese  Summe  auf  ein  Drittel,  d.  h. 
auf  6000  Taler,  zu  reduzieren.  Diese  Summe  ließ  ihm  der  König  dann  auch  in  der 
Tat  durch  die  Rentkammer  anweisen,  die  sie  ihm  allerdings  nicht  auf  einmal, 
sondern  nur  ganz  allmählich  ausgezahlt  hat.  Es  ist  dies  jene  Summe,  mit  der 
Böttger  damals  vergeblich  versucht  hat,  das  neue  Brennhaus  in  Meißen  aufzu- 
richten. 

Mit  der  Befürwortung  dieser  Summe  aber  war  die  Arbeit  dieser  Kommission 
zu  Ende.  Sie  faßte  im  Mai  dieses  Jahres  einen  Bericht  an  den  König  ab,  in  welchem 
zunächst  diejenigen  Vorschläge  Böttgers  angegeben  wurden,  welche  „praktikabel" 
wären,  denen  dann  aber  auch  eigene  hinzugefügt  wurden,  darunter  vor  allem  der 
sehr  zweckdienliche,  auch  von  Böttger  gebilligte,  daß  künftig  die  Gelder  für  seinen 
eigenen  Unterhalt  von  denen  für  die  Manufakturen  bestimmten  streng  getrennt 
würden.  ^^3)  Dann  aber  scheint  dies  alles  hier  ruhig  ad  acta  gelegt  und  auf  alle 
diese  Vorschläge  nicht  die  geringsten  Maßnahmen  getroffen  worden  zu  sein. 
So  war  auch   diese   Kommission  in  der  Hauptsache  resultatlos  verlaufen. 

Doch  Böttger  vermochte  sich  hierbei  nicht  zu  beruhigen.  Von  neuem  bat  er 
nur  wenige  Monate  später  um  eine  neue  Kommission,  und  schon  am  25.  Juli  des- 
selben Jahres  ward  diese,  die  sog.  dritte  Kommission,  zusammenberufen,  die  mit 
Ausnahme  zweier  Räte,  an  deren  Stelle  der  Geheime  Kriegsrat  Holzbrinck  getreten 
war,  aus  den  Mitgliedern  der  vorangegangenen  bestand  ^24^  Ihre  Aufgabe  war  dies- 
mal vor  allem,  die  Verhältnisse  in  der  Meißner  Manufaktur  genau  zu  untersuchen. 
Sie  hatte  den  Auftrag,  ein  vollständiges  Inventar  der  in  Meißen  befindlichen  Sachen 
aufzunehmen,  weiter  festzustellen,  ob  alle  Angestellten  der  Fabrik  regelmäßig 
ihre  Löhne  erhalten  hätten,  dann  zu  prüfen,  wie  Böttger  die  neuen  Manufakturen 
des  Borax,  der  Schmelztiegel,  der  Tabakspfeifen  aufrichten  wolle,  hierauf  eine 
Übersicht  der  Unterhaltungskosten  und  der  Einnahmen  der  Meißner  Fabrik  zu 
geben  und  schließlich  auch  Pläne  wegen  des  Absatzes  der  fabrizierten  Waren  aus- 
zuarbeiten. Wenn  dieses  geschehen  wäre,  dann  sollte  dieselbe  Untersuchung  auch 
mit  den  übrigen  industriellen  Anlagen  Böttger^  vorgenommen  werden. 

Schon  am  2.  August  1711  fuhren  von  dieser  Kommission  der  Geheime  Rat 
von  Seebach,  der  Kriegsrat  ifon  Holtzbrinck  und  Hofrat  von  Döring  mit  Böttger  nach 
Meißen,  um  die  Fabrik  dort  in  Augenschein  zu  nehmen  und  aufs  eingehendste  durchzu- 
prüfen.   Der  Befund  war  nach  einem  Bericht  an  den  König  folgender:  es  befänden 


110  Die  Steinzeugfabrik. 

sich  dort  zurzeit  12  000 — 13  000  Stück  roher  und  gebrannter  Geschirre  und  270 
Zentner  an  rohen  Materialien  und  Massen.  Die  Arbeiter  hätten  „nach  ihrem  eigenen 
Geständnis  ihre  Löhnungen  alle  richtig  und  völlig  erhalten".  Des  Administrators 
Vorschläge  zur  Einrichtung  der  neuen  Fabrik  und  Aufführung  der  Gebäude  wären 
gut  und  praktikabel.  Es  war  mithin  ein  glänzendes  Zeugnis,  das  diese  durchaus 
unparteiischen  Leute  damals  der  bisherigen  Tätigkeit  Böttgers  ausstellten,  das 
klar  beweist,  daß  Böttger  in  dieser  Beziehung  bisher  völlig  seine  Pflicht  getan,  in 
dieser  Beziehung  in  keiner  Weise  das  Vertrauen,  das  in  ihn  vom  König  gesetzt 
war,  getäuscht  hatte.  Böttger  konnte  mit  diesem  Teil  der  Ergebnisse  der  Kommission 
durchaus  zufrieden  sein.  Aber  gleichzeitig  mußte  die  Kommission  hinzufügen,  daß 
die  Böttger  seit  der  vorigen  Kommission  angewiesenen  6000  Taler  durchaus  nicht 
von  der  Kammer  vollständig  ausgezahlt  worden  wären,  und  im  übrigen  konnte 
auch  sie  nur  die  früheren  Vorschläge  Böttgers  betreffs  einer  ausreichenderen 
finanziellen  Unterstützung  der  Fabrik  wiederholen  und  ihr  Gutachten  über  die- 
selben abgeben  ^^5).  sie  ist  dann  fast  ein  halbes  Jahr  lang  nicht  wieder  zusammen- 
getreten, bis  sie  im  Februar  des  folgenden  Jahres  eine  neue  Sitzung  abhielt,  in  der 
sie  auf  Böttgers  Wunsch  alle  ,, Oberbedienten"  der  Manufakturen  aufforderte,  einen 
Bericht  abzufassen  über  alle  ,, Gebrechen",  die  sie  an  den  Manufakturen  bisher 
beobachtet  hätten,  und  Vorschläge  über  deren  Beseitigung  sowie  auch  über  eine 
günstige  Verkaufsmethode  der  angefertigten  Waren  zu  machen.  Doch  als  darauf 
im  März  Böttger  durch  die  Kommission  auch  die  Niederlegung  seiner  Administration, 
wie  oben  bemerkt,  versuchte,  hat  sie  sich  dieser  Sache  zwar  durchaus  mit  Eifer 
angenommen,  ist  dann  aber,  als  aus  dieser  Angelegenheit  nichts  wurde,  gleichfalls 
wieder,  ohne  einen  Schlußbericht  abgefaßt  zu  haben  oder  vom  König  auf- 
gehoben zu  sein,  sanft  entschlummert,  und  es  hat  dann  Jahre  gedauert,  bis  wieder 
ein  derartiges  Institut  ins  Leben  gerufen  ward.  Zunächst  hatte  das  an  sich  so 
wohlfeile  Mittel  einer  Kommission  für  Böttger  völlig  versagt. 

Erreicht  hatte  Böttger  durch  dieselben  eigentlich  weiter  nichts,  als  daß 
eine  gewisse  Regelung  des  Verhältnisses  zwischen  ihm  und  seinen  Mitarbeitern  ein- 
getreten war,  die  ein  ruhigeres  Weiterarbeiten  zu  verheißen  schien,  daß  ihm  als 
Abschlagssumme  für  seine  großen  Bedürfnisse  6000  Taler  zugewiesen  worden 
waren,  die  er  aber  noch  nicht  einmal  alle  erhalten  hatte,  und  daß  schließlich  der 
letzte  Kommissionsbericht  über  die  an  sich  günstige  Lage  seiner  Manufakturen 
die  Wahrheit  seiner  früheren  eigenen  Angaben  über  sie  bestätigt  hatte,  die  sicher- 
lich auch  dem  König  neuen  Mut  gemacht  haben  wird,  das  angefangene  Werk 
weiter  mit  Geduld  und  Zuversicht  fortzusetzen.  Das  eigentliche  Grundübel 
jedoch  der  ganzen  Anlage,  dasjenige,  das  sich  von  Jahr  zu  Jahr,  ja  von  Monat  zu 
Monat  mehr  und  mehr  bemerkbar  machte,  der  Geldmangel,  der  Mangel  an  Kapital, 
war  nicht  behoben  worden.  Hier  war  Böttger  nach  allen  Sitzungen,  Untersuchungen 
und  Verhören  damals  ebenso  weit  wie  vordem  und  starrte  in  eine  ziemlich 
hoffnungslose  Zukunft.  Fast  wie  Verzweiflung  sieht  es  daher  schon  damals  aus, 
wenn  er  um  diese  Zeit  den  Vorschlag  machte,  die  Manufaktur,  um  ihr  das  kostspielige 


Gefährliche  Abhilf  mittel.  Hl 

Hin-  und  Rücktransportieren  der  Waren  von  Dresden  nach  Meißen  und  um- 
gekehrt zu  ersparen,  wieder  nach  Dresden  zu  verlegen  ^^*),  oder  wenn  man  im 
Jahre  1712  ernstlich  daran  dachte,  zur  Verminderung  des  Etats  den  ganzen  Betrieb 
einzuschränken  und  deswegen  auch  schon  umfassende  Untersuchungen  anstellte  ^^7). 
Vernünftiger  war  es  da  schon,  wenn  jetzt  zu  Böttgers  nicht  geringer  Freude  ernst- 
lich der  Vorschlag  erwogen  ward,  für  das  ganze  Land,  in  dem  jetzt  durch  des  Königs 
Wille  eine  ausgedehnte  Industrie  festen  Fuß  fassen  sollte,  eine  ,,Kommerzien- 
deputation"  ins  Leben  zu  rufen,  die,  mit  wirklichen  Sachverständigen  besetzt,  sich 
der  neuen  industriellen  Gründungen  annehmen,  sie  beaufsichtigen  und  unterstützen 
sollte.  Doch  war  auch  dieses  wiederum  nur  eine  Anweisung  auf  eine  fernere  Zukunft, 
da  damals  diese  Deputation  noch  nicht  zustande  kam. 

Was  aber  jetzt  die  ganze  Lage  Böttgers  und  seiner  Manufakturen  so  ganz  be- 
sonders schlimm  machte,  das  war,  daß  nun  auch  der  König,  der  für  alle 
diese  bisher  ein  so  unerschütterlich  großes  Interesse  gezeigt  hatte,  in 
keiner  Weise  mehr  in  der  Lage  war,  ihnen  mit  dem  zu  helfen,  was  ihnen  damals 
am  allermeisten  not  tat,  ja  was  bereits  anfing,  zum  schi'eiendsten  Bedürfnis  zu  werden. 
Der  König  hatte  bereits  Unsummen  an  Böttger  abgegeben,  als  er  noch  seinen  rein 
alchymistischen  Arbeiten  nachging,  er  hatte  dann  zu  allgemeinem  Erstaunen  ^^) 
seine  Manufakturen  zu  einer  Zeit  gegründet,  da  das  Land  durch  den  eben  erst 
beendigten  Krieg  gänzlich  darniederlag,  freilich  ja  in  der  Absicht,  eben  die  Wunden, 
die  er  geschlagen,  dadurch  zu  heilen,  er  hatte  ihnen  Gelder  angewiesen,  soviel  er 
nur  konnte,  und  auch  beständig  auf  ihre  Auszahlung  gedrungen,  daneben  auch 
Sorge  dafür  getragen,  daß  alle  Erzeugnisse,  die  er  für  sich  selber  den  5ö«gerschen 
Fabriken  entnahm,  bar  bezahlt  wurden  ^^s).  Aber  er  war  dagegen  nicht  immer 
fähig  gewesen,  in  der  Ungunst  der  damaligen  Zeiten  durchzusetzen,  daß  seine 
Anweisungen  an  die  öffentlichen  Kassen  damals  auch  immer  ausgezahlt  wurden. 
Neue  und  größere  Anweisungen  an  diese  wären  daher  so  gut  wie  nutzlos  gewesen, 
ja  hätten  fast  den  Schein  der  Lächerlichkeit  an  sich  gehabt.  Da  ließ  er  sich  um  die 
Mitte  dieses  Jahres,  am  27.  Juh  1712,  herbei,  ein  von  Böttger  in  seiner  Not  selbst 
entworfenes  Dekret  zu  erlassen,  durch  welches  er  allen  „denjenigen,  so  mit  dem 
Administrator  Böttger  derer  Manufakturen  halber  kontrahieren  und  ihm  kreditieren 
würden,  alles  genehm  zu  halten,  auch  auf  den  Fall,  daß  5ö«ger  vor  der  Wieder- 
bezahlung mit  dem  Tode  abgehen  sollte,  vor  derselben  Manufakturschulden  zu 
stehen  und  solche  zu  bezahlen"  33°) .  Er  setzte  Versprechungen,  Anweisungen  für  die 
Zukunft  an  die  Stelle  von  wirklichen,  augenblicklichen  Taten.  Damit  war  Böttger 
zurzeit  nur  wenig  geholfen.  Aber,  was  schlimmer  war,  er  erhielt  dadurch  nun  von 
Königs  Gnaden  ein  Instrument  in  die  Hände,  das  ihm  wohl  in  der  Tat  gelegenthch 
einige  Hilfe  bringen  konnte,  das  aber  im  übrigen  nur  zu  leicht  zu  mißbrauchen 
war,  und,  wenn  mißbraucht,  dann  zu  den  verzweifeltsten  Situationen  führen 
konnte.  Man  bedenke,  daß  Böttger  kein  Geschäftsmann  war,  daß  Geldverwalten 
überhaupt  immer  seine  schwache  Seite  gewesen  zu  sein  scheint,  die  ihm  auch 
unter    gewöhnhchen  Verhältnissen    schon  Schaden    genug   zufügen  konnte,  und 


112  Die  Steinzeugfabrik. 

man  wird  begreifen,  welchen  Versuchungen  nun  Böttger  auf  diesem  Gebiete 
ausgesetzt  war  und  welchen  (gefahren  er  entgegenging.  Von  nun  an,  da  er 
gleichsam  auch  die  finanzielle  Leitung  seiner  Unternehmungen  in  die  Hände 
bekommen  hatte  und  Geld  in  dieselben  stecken  durfte,  so  viel  er  nur  wollte 
und  konnte,  von  nun  an  beginnt  die  finanzielle  Zerrüttung  der  kaum  erst  be- 
gründeten Manufakturen  und  es  traten  bald  Zustände  ein,  die  alle  Tatkraft  be- 
denklich lähmen  und  die  Weiterentwicklung  der  Unternehmungen  stark  beein- 
trächtigen, ja  vielleicht  sogar  ganz  in  Frage  stellen  mußten.  Es  war  in  der 
Tat  eine  böse  Zeit,  die  begann,  wie  sie  sicherlich  keiner  erwartet  hatte,  der 
die   Begründung  dieser  Manufakturen  beschlossen  oder  gefördert  hatte. 

Gerade  in  dieser  Zeit  begann  die  fabrikmäßige  Herstellung   des  Porzellans. 


IV.  Das  Böttgersteinzeug. 


Abb.  27.    Böttgersteinzeug.     Medaille  mit 
dem  Bildnis  Papst  Clemens  XI. 

Herzogliches  Museum,  Gotha. 


Kein  Geringerer  als  Gottfried  Semper  hat  das 
Verdienst  Böttgers,  das  rote  Steinzeug  erfunden  zu 
haben,  fast  ebenso  hoch  gestellt,  wie  das  seiner 
Erfindung  des  Porzellans  3^^),  und  einer  unserer 
bedeutendsten,  jetzt  lebenden  keramischen  Kenner 
hat  einmal  beim  Anbhck  des  größten  erhaltenen 
Bestandes  dieses  Produktes  seine  Erfindung  und 
seine  künstlerische  Durcharbeitung  als  das  viel- 
leicht ruhmreichste  Blatt  der  Geschichte  der 
deutschen  Keramik  bezeichnet.  Damit  mag  die 
Bedeutung  der  Erfindung  dieses  Produktes  hin- 
reichend charakterisiert  sein.  Dennoch  wird  das 
Urteil  dieser  beiden  Männer  vielen  überraschend 
erscheinen.  Denn  gerade  so  wie  das  Böttger- 
steinzeug zur  Zeit  seiner  Erfindung  und  ersten  Herstellung  durch  die  des  Porzellans 
stark  in  den  Hintergrund  gedrängt  worden  ist,  und  zwar  so  stark,  daß  es,  sobald 
das  Porzellan  wirklich  fabrikmäßig  hergestellt  wurde,  zum  größten  Teil  fast  un- 
mittelbar wieder  vom  Schauplatz  verschwand,  gerade  so  hat  es  dann  auch  später 
in  keiner  Weise  jene  allgemeine  Beachtung  gefunden,  die  es  seinem  ganzen  Innern 
wie  äußern  Werte  nach  verdient.  Es  ist  eben  das  Bessere  immer  der  Feind  des 
Guten.  Und  doch  kann  darüber  nicht  der  geringste  Zweifel  herrschen,  daß  dies 
Produkt  vor  der  Ausnutzung  des  Porzellans  das  edelste  keramische  Erzeugnis 
dargestellt  hat,  das  die  gesamte  europäische  Keramik  bisher  erfunden  oder  auch 
nur  hergestellt  hat,  daß  es  sich,  trotzdem  es  von  Haus  aus  die  Nachahmung  eines 
ganz  exotischen  Produktes  darstellte,  dennoch  als  eines  der  selbständigsten  Er- 
zeugnisse der  europäischen  Keramik  gegeben  hat  und  daß  es  schließlich  eine 
künstlerische  wie  technische  Ausgestaltung  erfuhr,  so  mannigfaltig  und  so  edel, 
so  materialgemäß  und  erschöpfend,  wie  sie  selbst  dem  Porzellan,  das  ihm  ja  sonst 
in  so  vielen  Punkten  überlegen  ist,  oder  sonst  irgend  einem  anderen  keramischen 
Produkt  in  Europa  niemals  zuteil  geworden  ist.  So  liegt  in  der  Tat  in  der 
Erfindung  und  Durchgestaltung  des  Böttgersteinzeugs  eins  der  ruhmreichsten 
Kapitel  aller  Keramik  vor,  und  wir  haben  daher  allen  Grund  darauf  stolz  zu 
sein,  daß  dies  Kapitel  wie  ja  in  der  Hauptsache  auch  das  des  Porzellans  bei  uns  in 

Deutschland  sich  abgespielt  hat. 

8 

Zimmermann,  Meißner   Porzellan. 


114  Das   Böttgersteinzeug. 

Hierbei  kann  es  kein  Zweifel  sein,  daß  für  diese  glänzende  und  reiche  Aus- 
gestaltung dieses  Produktes  in  erster  Linie  der  eigentliche  Urheber,  der  Erfinder 
desselben,  der  Begründer  aller  der  damaligen  keramischen  Unternehmungen  in 
Betracht  kommt.  Tschirnhausen,  der  Mitarbeiter  und  Berater  Böttgers,  war  schon 
im  Jahre  1708  gestorben,  wahrscheinhch  ja  unmittelbar,  nachdem  dasselbe  erfunden 
war  3^2)  j  ijj^  übrigen  sind  alle  Ausgangspunkte  dieser  Ausgestaltung  so  rein 
technische  gewesen  und  war  die  durch  die  Gefangenschaft  Böttgers  beträchtlich 
eingeengte  Umgebung  so  arm  an  wirklich  bedeutenden  oder  auch  nur  sachver- 
ständigen Persönlichkeiten,  Böttger  selber  dagegen  eine  so  bedeutende  und  er- 
finderische Kraft,  daß  man,  wenn  man  absieht  von  den  rein  künstlerischen 
Formungen,  der  Erfindung  der  Modelle  und  dergleichen  von  diesem  großen  Ver- 
dienste auch  nicht  das  Geringste  ihm  abzuziehen  Veranlassung  hat.  Es  ist  dies 
auch  niemals  versucht  worden,  weder  in  neuerer  Zeit  noch  in  den  Berichten  seiner 
Zeitgenossen,  die  Böttger  überall  in  dem  Mittelpunkt  des  ganzen  Betriebes  wirkend 
sehen  lassen,  ohne  den  man  überhaupt  bei  allen  diesen  Angelegenheiten  kaum  das 
Geringste  zu  tun  vermochte.  Dies  schnelle  Hineinfinden  aber  in  ein  für  ihn  doch 
gänzlich  unbekanntes  Gebiet,  dieser,  man  möchte  sagen,  eingeborene  künstlerische 
Instinkt,  der,  ohne  eigentlich  künstlerisch  produktiv  zu  sein,  doch  überall  und 
namentlich  in  technischer  Beziehung  die  richtige  Grundlage  zur  künstlerischen 
Ausgestaltung  Ues  neuen  Produktes  herauszufinden  verstand,  die  völlig  souveräne 
Selbständigkeit,  mit  der  er  diesem  ganzen  Stoffgebiet  gegenübertrat,  sind  ein 
neuer  Beweis  für  die  bedeutende  Persönlichkeit  dieses  Mannes,  für  die  Rührigkeit 
und  Gewandtheit  seines  Geistes  wie  vor  allem  für  sein  spezifisches  Erfindungs- 
vermögen, das  ihm  eine  besondere  Stellung  in  der  Geschichte  des  menschlichen 
Geistes  verschaffen  muß.  Sie  bestätigen  völlig,  was  Steinbrück,  der  ihn  so  genau 
kannte,  über  ihn  damals  gesagt  hat,  daß  sein  Verstand  von  ,, ungemeiner  Pene- 
tration" sei,  daß  er  sich  ,,in  alles  finden  könnte",  daß  er  immer  etwas  Neues  will, 
,,inventieux"  wäre  und  auf  Dinge  gedenke,  ,,die  anderen  Leuten  nicht  in  den  Sinn 
kommen"  ^33)  u^d  go  reden  noch  heute  diese  Taten  deutlich  genug  von  seinem 
wirklichen  Können  und  lassen  erkennen,  wie  stark  der  Eindruck  seiner  Persön- 
lichkeit gewesen  sein  muß,  als  sie  noch  in  voller  Kraft  das  vollbrachte,  was  heute 
als  etwas  Vergangenes,  aber  Fertiges  vor  uns  liegt. 

Erhalten  hat  sich  sein  erstes  Erzeugnis  noch  an  vielen  Stellen  und  in  großer 
Anzahl,  am  meisten  jedoch  trotz  des  alles  durcheinander  werfenden  Kunsthandels 
in  Deutschland.  Hier  befindet  sich  der  weitaus  größte  Bestand  in  der  Kgl.  Porzellan- 
sammlung zu  Dresden,  der  mit  wenigen  Ausnahmen  sicherlich  jene  Erzeugnisse 
darstellt,  die  schon  zu  Böttgers  Lebzeiten  in  den  Besitz  des  Königs  gelangten  und 
dann  dauernd  dort  gebheben  sind.  Dieser  Bestand,  der  fast  800  Stücke  um- 
faßt, ist  so  reich  und  mannigfaltig,  daß  man  mittelst  seiner  schon  fast  die  ganze 
Ausbildung,  die  dieses  erste  keramische  Erzeugnis  Böttgers  gewonnen  hat,  erkennen 
kann.  Den  zweitgrößten,  doch  schon  bedeutend  kleineren  Bestand,  der  aber 
immerhin  noch  etwa  300  Stück  umfaßt,  besitzt  das  Herzoghche  Museum  zu  Gotha, 


Die  Masse.  ij^ 

darunter  einige  der  allerinteressantesten  Stücke,  die  man  kennt.  Der  Rest  ist 
über  deutsche  Schlösser  und  öffentliche  und  private  Sammlungen  verteilt.  Jedoch 
ist  zu  bemerken,  daß  man  vielfach  noch  immer  mit  dem  Böttgersteinzeuge  verwandte, 
aber  meist  bedeutend  minderwertigere  Produkte  verwechselt,  obgleich  die  Tren- 
nung dieser  von  dem  wirklichen  Böttgersteinzeug  für  den,  der  die  an  sich 
sehr  deutlichen  Unterschiede  einmal  erkannt  hat  3^*),  gar  nicht  schwer 
ist.  Diese  Trennung  aber  ist  durchaus  nötig;  denn  nur  dann,  wenn 
das  Böttgersteinzeug  völlig  von  diesen  Schlacken  befreit  ist,  wird  man 
die  volle  technische  und  künstlerische  Bedeutung  dieses  Produktes  erkennen 
können. 

Darnach  stellt  sich  das  Böttgersteinzeug  in  rein  keramischer  Beziehung  als 
ein  Produkt  aus  einer  eisenhaltigen  Erde  dar,  der  noch  ein  Flußmittel  hinzuge- 
setzt ist.  Diesem  Eisengehalt  verdankt  es  seine  schöne  rote  oder  rotbraune  Farbe, 
da  die  der  Erde  beigemischten  Eisenteile  im  oxydierenden,  d.  h.  Sauerstoff  ent- 
haltendem Feuer  des  Brennofens  sich  mit  diesem  Sauerstoff  verbinden.  Diese  Ver- 
bindung ändert  sich  nach  der  Stärke  und  Länge  des  Brandes,  indem  zunächst  als  ein- 
fachste Verbindung  Eisenoxydul  (Fe  0)  entsteht,  um  schließlich  bei  noch  stärkerer 
Erhitzung  im  oxydierenden  Feuer  durch  weitere  Aufnahme  von  Sauerstoff  als 
Eisenoxyduloxyd  {Fe^  O3)  zu  enden,  in  welchem  Stadium  freilich  die  Masse  bereits 
die  Grenze  der  Verschlackung  erreicht  hat.  Gleichzeitig  mit  dieser  chemischen 
Zusammensetzung  ändert  sich  aber  auch  die  Farbe,  die  von  einem  hellen  gelblichen 
Rotbraun  zu  einem  immer  dunkleren  übergeht,  bis  sie  schließlich  ein  immer  unan- 
sehnlicheres, schmutziges,  schwärzliches  oder  graues  Aussehen  bekommt,  das  durch 
nichts  mehr  an  die  früheren  warmen,  rötlichen  Töne  dieses  Stoffes  erinnert  ^^^), 
Doch  vollzieht  sich  dieser  Umwandlungsprozeß  zunächst  nur  an  der  Oberfläche, 
erfaßt  nicht  sogleich  die  ganze  Masse,  so  daß  die  äußere  Schicht  schon  durchaus 
schwärzlich  oder  grau  erscheinen  kann,  indes  der  eigentliche  Kern  noch  völlig 
die  alte  rote  Farbe  zeigt. 

Alle  diese  Stadien  finden  sich  im  Böttgersteinzeug  vertreten,  sie  mußten  sich 
dort  vorfinden,  da  Böttger  infolge  seiner  primitiven  Brennöfen,  wie  oben  gezeigt, 
durchaus  nicht  allen  Stücken  in  einem  und  demselben  Brande  die  gleiche  Hitze 
zu  geben  vermochte.  So  gibt  es  hier  mit  vielen  Übergängen  eine  helle  und  eine 
dunklere  Gattung  und  schließlich  noch  jene  gänzlich  oder  nur  gefleckt  schwärzlich- 
graue, die  lange  Zeit,  wohl  um  ihres  Aussehens  willen,  den  völlig  sinnlosen,  leider 
noch  immer  viel  gebrauchten  Namen  des  ,, Eisenporzellans"  erhalten  hat.  Es  ist 
jenes  Steinzeug,  über  dessen  Entstehen  im  Brande,  wie  oben  erwähnt  ^^^),  Böttger 
anfangs  nicht  wenig  betrübt  war,  bis  sein  alle  Zeit  erfinderischer  Geist  auch  hier 
wieder  aus  der  Not  eine  Tugend  zu  machen  wußte  und  diesem  Übelstande  Reize 
entlockte,  die  den  künstlerischen  Wert  seiner  Produkte  um  ein  bedeutendes  hoben. 
Die  häufigste  Gattung  jedoch  ist  die  mittlere,  die  dunkelrote;  sie  scheint  damals 
auch  die  bevorzugte  gewesen  zu  sein,  da  fast  alle  reicheren  und  veredelten  Stücke 
ihr  angehören.    Dennoch  üben  auch  die  helleren  Stücke,  namentlich,  wenn  sie  ge- 


116 


Das  Böttgersteinzeug. 


schliffen  sind,  einen  ganz  besonderen  Reiz  aus,  wobei  freilich  wohl  ihre  Seltenheit 
auch  ein  wenig  mitsprechen  dürfte. 

Ganz  allgemein  genommen,  ist  jedoch  die  Herstellung  eines  keramischen  Pro- 
duktes aus  einer  derartigen  eisenhaltigen  Erde  wohl  keine  besondere  Tat  gewesen. 
Die  Natur  liefert  diese  Erde  an  vielen  Stellen  der  Erdoberfläche,  und  an  den  ver- 
schiedensten Stellen  hat  man  sie  daher  auch  zur  keramischen  Verarbeitung  heran- 
gezogen, auch  lange  Zeit  schon,  hevor  Böttger  es  versuchte.  Schon  die  alten  Römer 
hatten  ihre  schwach  gebrannte,  aber  schön  rot  gefärbte  sog.  samische  Ware,  auch 
terra  sigillata  genannt,  die  zu  den  erfreulichsten  keramischen  Erzeugnissen 
des  Altertumes  gehört  ^^').  In  China  läßt  sich  das  rote  Steinzeug,  das  B öttger  Ani.a.Q 
zu  seiner  Nacherfmdung  gegeben  hat,  bis  ins  16.  Jahrhundert  ^^^)  verfolgen.    Auch 

die  japanische  Keramik  kennt  in  dem  sog.  Bizen- 
yaki  ein  sehr  schönes  verwandtes  Produkt 2^^),  und 
daß  die  holländische  und  englische  Keramik  schon 
vor  Böttger,  wie  dieser  angeregt  durch  die  Erzeug- 
nisse Chinas,  sich  in  gleichen  Nachahmungen  ver- 
sucht hat,  ist  bereits  früher  erwähnt  worden 3*°). 
Auch  in  Deutschland  gab  es  bereits  vor  Böttger  im 
17.  Jahrhundert  ein  gleichfalls  rot  gefärbtes  aber 
sonst  keramisch  sehr  minderwertiges,  bisher  frei- 
lich noch  gar  nicht  beachtetes  Produkt,  das  in 
Anlehnung  an  die  ebengenannten,  in  dieser  Zeit 
schon  mehrfach  ausgegrabenen  römischen  Ton- 
waren den  Namen  Terra  sigillata  führte,  eine  Be- 
zeichnung, die  man  später  vielfach  allen  roten  ke- 
ramischen Erzeugnissen,  ja  gelegentlich  selbst  dem 
Böttgersteinzeug  beilegte  ^^^).  Nach  Böttger  haben 
sich  die  Versuche  bis  in  unsere  Zeit  hinein  nur  ver- 
doppelt, die  Erzeugnisse  derselben  sind  heute  zum 
Teil  kaum  noch  auseinander  zu  halten.  Aber  der  rein 
keramische  Wert  aller  dieser  Produkte  ist  sehr  ver- 
schieden, je  nach  der  Güte  der  Masse  und  ihrer  Festig- 
keit nach  dem  Brande.  Ein  großer  Teil  derselben,  z.  B.  fast  alle  holländischen  Pro- 
dukte, verdienen,  da  sie  nur  ganz  leicht  gebrannt  sind,  durchaus  nicht  den  Namen 
Steinzeug,  den  man  ihnen  so  oft  gibt.  Man  darf  sie  daher  nur  als  schwach  gebrannte 
Tonwaren  bezeichnen.  Das  Erzeugnis  Böttger s  jedoch  —  und  dies  hebt  seine  Er- 
findung um  ein  ganz  beträchtliches  —  kann  als  ein  ganz  besonders  feines  und  festes 
bezeichnet  werden,  ja  als  eins  der  allerbesten,  die  überhaupt  je  in  diesem  Stoffe 
gemacht  worden  sind,  als  das  allerbeste  auf  jeden  Fall,  das  bis  dahin 
aus  ihm  hergestellt  worden  war.  Es  stellt  sich  in  seiner  Zusammensetzung  als 
sehr  feinkörnig  heraus,  so  sehr,  daß  seine  Oberfläche  im  Gegensatz  zu  dem  gleich- 
falls vorzüglichen  chinesischen  Steinzeug  mit  seiner  rauheren  Oberfläche  glatt,  ja  fast 


Abb.  28.    Böttgersteinzeug.    Krug, 
marmoriert  und  geschliffen. 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden. 
Höhe  22,5  cm. 


Vergleich  mit  verwandten  Produkten. 


117 


wie  fettig  glänzend  erscheint,  wodurch  es  freilich,  wenn  nicht  geschUffen,  auch  nicht 
so  warm  in  dem  Ton  erscheint  wie  jenes.  Es  ist  ferner  ungemein  fest  und  kom- 
pakt, daher  es  im  Bruch  auch  vielfach  auffallend  scharfkantig  wird.  Freilich 
gibt  es  daneben  eine  ganze  Anzahl  Stücke,  vor  allem  in  der  Dresdner  Porzellan- 
sammlung, die  äußerst  schwach  gebrannt  erscheinen  und  darum  gleichfalls  auf 
den  Namen  Steinzeug  keinen  Anspruch  machen  dürfen.  Doch  hat  hier 
allein  die  Schuld  an  den  primitiven  Öfen 
Böttgers  gelegen,  die,  wie  sie  bald  viele 
Stücke  zu  scharf,  so  andere  viel  zu 
schwach  brannten.  Die  Masse  an  sich 
war  immer  fähig,  ein  wirklich  festes 
Steinzeug  abzugeben. 

In  der  Färbung  erscheint  die  Masse 
in  der  Regel  durchaus  gleichmäßig,  doch 
finden  sich  mehrfach  auch  dunklere 
Flecke  und  Streifen,  die  zunächst,  da  sie 
von  einer  nicht  völlig  ausreichenden 
Durcharbeitung  derselben  vordem  Brande 
zeugen,  als  technische  Fehler  angesehen 
werden  könnten.  Doch  Böttgers  genialer 
Blick  hat  auch  hier  wieder  sofort  schein- 
bare Schwächen  in  wirkliche  Vorzüge 
umgewandelt.  Diese  Abschattierungen 
dienten  ihm  dazu,  durch  ihre  Verstär- 
kung seinem  Produkt,  das  er  ja  Jaspis- 
porzellan genannt  hatte,  weil  er  es  als 
die  Nachahmung  eines  Edelgesteines  be- 
zeichnen wollte,  diesen  Charakter  nur  noch 
zu  erhöhen.  Doch  bleibt  die  Wirkung 
dieser  Abschattierungen  durchaus  dezent, 
ja  kommt  eigentlich  nur  erst  durch  den 
Schliff,  der  den  Grundton  der  ganzen  Masse 

vertieft,  richtig  heraus.  Auf  alle  Fälle  ist  diese  aus  dem  Stoffe  selber  heraus- 
genommene Belebung  ungemein  reizvoll.  Sie  hat  eine  neue  Nuance  geschaffen 
in  diesem  an  Nuancen  an  sich  schon  so  reichen  Stoffe. 

Doch  ist  Böttger  in  diesem  Streben,  die  Masse  durch  Abschattierungen 
zu  beleben,  noch  bedeutend  weiter  gegangen.  Im  Jahre  1711  hatte  er,  wie  oben 
gezeigt,  der  2.  Kommission  gemeldet,  daß  er  jetzt  auch  ,, marmorierte"  Gegen- 
stände hergestellt  hätte  und  Erzeugnisse,  die  auf  diese  Bezeichnung  allen  Anspruch 
machen,  haben  sich  in  der  Tat  auch  in  einigen  Exemplaren  erhalten.  Die  Porzellan- 
sammlung zu  Dresden,  das  Kunstgewerbemuseum  zu  Köln,  das  Germanische 
Museum    in    Nürnberg  ^*^)    besitzen  u.    a.    Bierkrüge,    erstere    auch    noch    eine 


Abb.  29.    Böttgersteinzeng:.    Krug,  marmoriert  und 
geschliffen,  mit  in  hellerer  Muse  eingelegter 
Landschaft. 

Sammlung:  Oppenheim,  Berlin. 


,j[?i3  ^^  Böttgersteinzeug. 

Teekanne,  die  eine  ziemlich  lebhafte,  durchaus  regellos  beieinander  befindliche 
Abschattierung  von  braunen,  an  dem  Nürnberger  Krug  selbst  grauen  und  schwärz- 
lichen Tönungen  zeigen  und  so  in  der  Tat  die  Bezeichnung  ,, marmoriert"  gar  wohl 
verdienen.  Die  Technik  derselben  ist  freilich  nicht  ganz  klar.  Es  scheint  sich 
hier  nicht  um  ein  Durcheinanderkneten  verschiedenfarbiger  Massen  zu 
handeln,  wie  es  die  Japaner  z.  B.  bei  ihrem  bekannten  Ise-Banko  -  yaki 
genannten  Produkte  zu  tun  pflegen.  Es  scheint  vielmehr,  daß,  da  die  Ab- 
schattierungen  der  Massen  nicht  bis  zu  den  inneren  Wandungen  durchgehen,  auf 
irgend  eine  Weise  unregelmäßige  Vertiefungen  in  die  äußere  Oberfläche  hineinge- 
graben zu  sein,  die  dann  mit  Tonen  von  anderer  Farbe  wieder  ausgefüllt  wurden 
(Abb.  28).  Für  diese  Technik  spricht  auch  ein  seltsames  Stück  der  Sammlung  Oppen- 
heim in  Berlin  (Abb.  29)  wiederum  ein  Bierkrug,  in  dem  eine  ganze  Landschaft 
mit  Palmen,  Häusern  und  Chinesen    in    hellerer  Tönung  auf    dunklerem  Grunde 

erscheint,  die  gleichfalls  durch 
verschiedenfarbige  Tonarten  her- 
vorgerufen ist,  die  aber  hier  na- 
türlich nur  eingelegt  sein  können, 
eine    höchst    merkwürdige    und 


^0m^  ^m^    •— *  1     «-^  ^^s.    X         eine     uounsi     iiieiKwuruige    uiiu 

Lt  f         ^  J\         \  i       A        ^^^     jetzt    ganz  vereinzelt     da- 

J^  \^    O         c/V.o'  K^OK      stehende     Snielerei.     durch    die 


(Tl.  JB 


stehende  Spielerei,  durch  die 
Böttger  wohl  wieder  einmal  sein 
ganzes  Können  dokumentieren 
wollte. 

Häufig  findet  sich  dann  noch 

Abb.  30.    Beispiele  von  Markierungen  für  den  Brand  anf  Bottgersteinzeng.      die  Oberfläche    dcS     Böttgersteiu- 

Königl.  PorzellansammlunE:,  Dresden.  •  ..i •_    _  „r 

*  ^'  zeugs,  wie  man  es  übrigens  auch 

am  chinesischen  vielfach  sehen 
kann,  mit  kleinen  schwarzen  Pünktchen  übersät,  die  bei  richtigem  Einfall  des 
Lichtes  leicht  zu  schimmern  anfangen.  Es  sind  Eisenausscheidungen  des  eisen- 
haltigen Tons,  die  im  Brande  entstanden  sind.  Sie  tragen  freilich  zur  künstle- 
rischen Erscheinung  dieses  Produktes  nicht  weiter  bei. 

Ein  anerkannter  Vorzug  jedes  richtigen  Steinzeugs  ist,  was  weiter  die  Formung 
dieses  Erzeugnisses  anbetrifft,  seine  große  Plastizität,  d.  h.  seine  Fähigkeit,  im 
feuchten  Zustande  bis  zu  einer  gewissen  Grenze  jede  Form  die  man  ihm  zu 
geben  beliebt,  anzunehmen  und  gewisse  Zeit  zu  bewahren.  Es  kommt  in  dieser 
Beziehung  ganz  dem  Modellierton  der  Künstler  gleich  ^*^).  Die  geeignetste  Tech- 
nik der  Formung '  desselben  ist  daher  das  Aufdrehen,  weniger  das  Pressen  in 
Formen  ^*).  Auch  die  Masse  des  Böttgersteinzeugs  ist,  obwohl  sie  als  künstliche 
Vermengung  zunächst  nicht  das  darstellt,  was  man  für  gewöhnlich  einen 
Steinzeugton  zu  nennen  pflegt,  eine  äußerst  plastische  gewesen,  ja  sie 
scheint  oft  eher  zu  zäh  als  zu  weich  gewesen  zu  sein.  Denn  erscheint 
seine   Oberfläche     auch    gegenüber     der     des    chinesischen     roten     Steinzeugs 


Eigenarten   der  Masse. 


119 


Abb.  3f.    Böttgersteinzeag.     Gefäße  mit  den  in  Abb.  30  wiedergegebenen  Markierungen. 

König-1.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hohe  des  Leuchters  19  cm. 


glatt  und  glänzend,  so  fällt  sie  dagegen  doch  oft  durch  streifenartige 
Unebenheiten  auf,  die  bei  den  aufgedrehten  Gegenständen  vielfach  eine  wagerechte, 
sehr  oft  aber  auch  eine  spiralförmig  aufsteigende  Richtung  aufweisen  und  um  so 
stärker  auftreten,  je  gewölbter  die  Flächen  sind,  an  denen  sie  sich  zeigen,  bei  den 
geformten  dagegen  eine  senkrechte  Tendenz  annehmen,  ein  sicherer  Beweis,  daß 
nur  ein  relativ  starker  Druck  hier  eine  zähe  Masse  zu  formen  vermocht  hat.  Ebenso 
auffallend  ist  auch  das  starke  Sichtbarbleiben  der  Nähte  bei  allen  Formungen, 
die  selbst  an  ganz  geschliffenen  Gegenständen  noch  als  dunkel  gefärbte  Streifen 
auftreten.  Diese  starke  Plastizität  der  Masse  verrät  sich  auch  in  den 
Resultaten  der  plastisch-künstlerischen  Behandlung.  Alle  durch  Formung,  d.  h. 
durch  senkrecht  auf  die  Fläche  der  Masse  erfolgten  Druck  hergestellten 
plastischen  Verzierungen  erweisen  sich  als  nicht  allzu  scharf, 
namentlich  neben  der  erstaunlich  plastischen  Klarheit  des  auf 
diese  Weise  verzierten,  an  sich  doch  grobkörnigeren  chinesischen 
Steinzeugs.  Dagegen  fallen  alle  auf  der  Drehscheibe  unter  größerem 
Drucke  resp.  durch  direktes  Einschneiden  entstandenen  Profilie- 
rungen durch  eine  ganz  erstaunliche  Schärfe  und  Kantigkeit  auf,  wie 
man  sie  so  leicht  wohl  an  keinem  anderen  keramischen  Produkte  wieder  finden 
wird.  Man  hat  diese  besondere  Eigenart  dieses  Produktes  damals  auch  gar 
wohl  erkannt  und  sie  sichtbar  ausgenutzt,  indem  man  den  in  diesem  Materiale 
hergestellten  Gegenständen  mit  Hilfe  der  Drehscheibe  eine  kräftige,  ausdrucks- 
volle, markante  Silhouette  gab,  mit  reich  gegliederten  Füßen,  reich  profilierten 
Bäuchen  und  Einfassungen  und  vor  allem  hochgezogenen  und  gleichfalls  sehr  reich 
profilierten  oberen  Endungen,  wie  Knöpfen  oder  Spitzen,  so  daß  die  Erzeugnisse 
in  diesem  Materiale  vielfach,  und  namenthch  wenn  sie  auf  der  ganzen  Fläche 
geschliffen  sind,  eher  das  Aussehen  von  Drechslerarbeiten,  als  von  rein  keramischen 


Abb.  32. 

Schwerter- 

marke. 


120 


Das    Böttgersteinzeug. 


Abb.  33.    Böttgersteinzeug:  im  Stil  getriebener  Silberarbeiten. 
König^l.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  Vase  in  der  Mitte  26  cm. 


Produkten  erhielten(Abb.40  u.  42).  Dadurch  aber  hat  dies  Material  einen  sehr  graziösen 
und  eleganten  Charakter  erhalten,  wie  ihn  bisher  —  man  denke  nur  an  das  dagegen 
so  plump  erscheinende  rheinische  Steinzeug  der  Renaissancezeit  —  kein  Steinzeug 
und  auch  nachher  wohl  nur  selten  gezeigt  hat.  Es  ist  dadurch  ein  wirklich  höheres 
Kulturprodukt  entstanden,  in  einer  höfischen  Sphäre  und  auch  durchaus  für  deren 
Ansprüche  und  Neigungen  geschaffen.  Der  Garbrand  dieser  Masse  kann  dann  aber  an 
sich  durchaus  nicht  so  leicht  gewesen  sein,  wie  man  nach  Böttgers  schneller  Be- 
herrschung desselben,  namentlich  gegenüber  dem  des  Porzellans,  wohl  vermuten 
könnte.  Die  Hitze  zu  ihrer  Garbrennung  braucht  freilich  nicht  allzu  hoch  zu 
sein  —  es  genügt  hierfür  schon  die  Goldschmelzhitze  ^^)  —  aber  das  Produkt  darf  auf 
keinen  Fall  zu  scharf  gebrannt  werden,  da  es  infolge  von  stets  vorhandenen  Un- 
reinlichkeiten  des  Tons  gar  leicht  zu  schmelzen  und  zu  verschlacken  beginnt^*') 
und  dadurch  jenes  unschöne,  schwärzliche  Aussehen  erhält,  das  bereits  oben 
charakterisiert  worden  ist.  Man  kann  daher  wohl  begreifen,  was  für  Mühe 
Böttger  mit  dem  Brennen  auch  dieses  Produktes  in  Anbetracht  seiner  primitiven 
Öfen  gehabt,  wie  viel  Ausfall  sich  namentlich  anfangs  nach  j  edem  Garbrand  heraus- 
gestellt hat  und  wie  sehr  es  damals  in  seinem  Interesse  gelegen  haben  muß,  diesen 
Ausfall  dann  doch  noch  auf  irgend  eine  Weise  zu  verwerten.  Im  übrigen  ist  aber 
auch  beim  Brande  dieses  Produktes  sehr  darauf  zu  achten,  daß  die  Masse  bei  ihrer 
Schwindung  im  Ofen  infolge  mangelnder  Homogenität,  schlechten  Aufdrehens  oder 
ungleicher  Hitzeverteilung  sich  nicht  zieht,  spaltet  oder  reißt.  Wie  die  erhaltenen 
Stücke,  namentlich  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  beweisen,  hat  Böttger  diese 


Marken. 


121 


mär  "^    . 

1 

^:                                                                                      '«■■1 

Abb.  34.    BSttgersteinzeag,  von  chinesischem  Porzellan  und  Steinzeng  abgeformt. 

Künigl.  Porzellansammlung-  Dresden.     Höhe  der  Flasche  links  19  cm. 


Gefahren  nur  zur  genüge  kennen  gelernt:  es  gibt  ihrer  genug,  die  sich  arg  verzogen, 
oder  Rissein  den  Wandungen,  an  den  oberen  Rändern  oder  den  Füßen  erhalten  haben. 
Auch  Formungsnäte  sind  wieder  aufgeplatzt,  aufgesetzte  plastische  Verzierungen 
wieder  abgesprungen,  selbst  blasenartige  Gebilde,  die  von  Luftbeimengungen  des 
Tons  herrühren,  kommen  vor.  Überhaupt  lassen  viele  Stücke  der  Dresdner 
Porzellansammlung,  die  wohl  zum  Teil  die  ersten  an  den  König  gesandten  Proben 
dieses  neuen  Produktes  darstellen,  auch  sonst  noch  stark  die  Sauberkeit  der 
Arbeit  vermissen :  Fingerabdrücke,  schlechte  Rundungen  fallen  auf,  und  so  sieht 
man  allen  diesen  Erzeugnissen  oft  genug  das  schwere  Ringen  Böttgers  mit  diesem 
Material  selbst  noch  lange  nach  der  Erfindung  desselben  an,  jenes  Ringen,  bei 
dem  ihn  ja,  wie  oben  gezeigt  worden  ist,  nicht  einmal  die  Fachleute,  d.  h.  die 
Töpfer,  genügend  haben  unterstützen  können. 

Als  dauernde  Zeugen  dieser  Mühen  dürfen  aber  wohl  jene  mehrfach  am  Boden 
der  Gefäße  sich  befindenden,  in  der  Regel  mittelst  eines  Stempels  eingedrückten 
Marken  angesehen  werden,  die  bald  aus  verschieden  sich  kreuzenden,  bisweilen 
an  unsere  früheren  Hausmarken  erinnernden  Linien  bestehen,  die  aber  mit  der  späteren 
bekannten  „Schwertermarke"  des  Meißner  Porzellans  noch  nichts  zu  tun  haben, 
bald  Buchstaben  und  Zahlen,  unter  denen  sich  namentlich  der  Buchstabe  C  und 
die  Zahl  13  häufiger  finden,  zeigen.  Auch  kommt  bisweilen  ein  B  vor,  das  jedoch 
mit  dem  Namen  Böttger  nichts  zu  tun  hat  (Abb.  30).  In  allen  diesen  Fällen 
handelt  es  sich  noch  keineswegs  um  sogenannte  Fabrikmarken,  die  die  Stücke,  die 
sie  tragen,  als  Erzeugnisse  derjenigen  Fabrik  erkennbar  machen  sollten,  die 
diese  Marken  als  die  ihrige  führt.  Die  berühmte  ,, Schwertermarke"  des  Meißner 
Porzellans,  so  benannt  nach  den  beiden,  dem  sächsischen  Wappen  entnommenen 
Kurschwertern  ist  bekanntlich  erst  mehrere  Jahre  nach  Böttgers  Tode  aufge- 
kommen,   als     die     Begründung      der      ersten     Konkurrenzanstalt    zu    Wien, 


122 


Das  Böttgersteinzeug. 


die  Anwendung  einer  solchen  kennzeichnenden  Marke  nötig  machte  ^*').  Bei  obigen 
Marken  handelt  es  sich  dagegen  ausschließlich  um  Fabrikationsmarkierungen,  um 
Zeichen,  durch  die  Stücke,  mit  denen  man  Versuche  machte,  nach  dem  Brande 
wiedererkennbar  waren.  Sie  finden  sich  daher  auch  ganz  besonders  häufig  an 
weniger  geglückten  Exemplaren  3*^)  (Abb.  31),  Daß  aber  ihr  Vorkommen  gar 
nicht  so  selten  ist,  das  ist  ein  neuer  Beweis  für  das  viele  Probieren,  dem  Böttger  sich 
unterziehen  mußte,  bevor  ihm  die  Fabrikation  selbst  dieses  leichteren  Produktes 
wirklich  gelang.  Daneben  freilich  erblickt  man  bisweilen,  wenn  auch  recht 
selten,  auch  auf  Böttgersteinzeugen  die  eben  beschriebene  Schwertermarke 
(Abb.  32).     Sie  stellt  sich  aber  entweder  als  eine  spätere  Zutat  dar  an  Stücken,  die, 

obwohl  früher  fa- 
briziert, zu  einer 
Zeit  verkauft  wur- 
den, da  jedes  Stück 
Meißner  Porzellan 
schon  das  Meißner 
Abzeichen  erhielt, 
oder  auch  als  ein 
späteres  Fabrikat 
in  diesem  Mate- 
riale,  das  aller- 
dings nach  Bött- 
gers  Tode,  wie 
weiter  unten  ge- 
zeigt werden  wird, 
nur  noch  sehr 
selten  verarbei- 
tet worden  sein 
kann  349). 

Die  künstle- 
risch formale  Aus- 
gestaltung dieser  Masse  ist  aber  dann  nach  der  technischen  Durcharbeitung 
mit  dem  größten  keramischen  Verständnis  und  dem  erstaunlichsten  künst- 
lerischen Geschmacke  erfolgt.  Als  Haupturheber  derselben  kann  nur  der 
Goldschmied  Irminger  angesehen  werden,  von  dem  Böttger  selber  gesagt 
hat,  daß  er  aus  schlechten  Töpfern  gute  gemacht  hätte  ^^^).  Doch  darf 
man  wohl  durchaus  annehmen,  daß  auch  auf  diesem  Gebiete  Böttger,  der  doch 
der  eigentliche  Mittelpunkt  aller  seiner  Unternehmungen  gewesen  ist,  ihm  für 
die  Hauptrichtungen,  nach  denen  sich  die  Kunst  in  seinem  neuen  Material  ent- 
falten sollte  und  die  Techniken,  deren  er  sich  dabei  bedienen  könnte,  Weisungen 
angegeben  haben  wird.  Irminger  war  ja  vom  Könige  zur  künstlerischen  Ausge- 
staltung dieser  neuen  keramischen  Masse  ausdrücklich  berufen  worden,  er  ist  die 


Abb.  35.    Chinesische  Teekanne  in  rotem  chinesischem  Steinzeug  (rechts)  mit  ihrer 
Abformung  in  Böttgersteinzeug  (links). 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Hohe  der  chinesischen  Kanne  i6  cm. 


Künstlerische  Gestaltung. 


123 


Abb.  36.    Chinesische  Porzellanfigur  mit  ihrer  Abformnng  in  Böttgersteinzeng. 

Königl.  Porzellansammlungf,  Dresden.     Hölie  der  Steinzeug-figur  37  cm. 

einzige  künstlerische  Persönlichkeit,  die  schon  am  Anfange  und  dann  dauernd  mit  der 
Manufaktur  in  Verbindung  gestanden  hat,  neben  der  der  erst  später  und  viel  seltener 
erwähnte  Hofarchitekt  Leplat  keine  irgendwie  maßgebende  Rolle  mehr  gespielt 
haben  kann.    Irminger  aber  hat  dann  seine  gar  nicht  so  leichte  Aufgabe  mit  gerade- 


124  Das  Böttgersteinzeug. 

zu  glänzendem  Geschicke  gelöst.  Obwohl  lediglich  Goldschmied  und,  als  solcher 
gewohnt,  mit  einem  ganz  anderen  Materiale  zu  arbeiten,  hat  er,  der  ja  auch  den 
für  die  Manufaktur  gewonnenen  Töpfern  erst  das  richtige  Aufdrehen  ihres  eigenen 
Materials  hat  beibringen  müssen  ^^*),  sich  mit  erstaunlichem  Geschick  in  diesen 
neuen  Stoff  hineingearbeitet  und  ihn  schließlich  beherrscht,  wie  ein  gelernter  Ver- 
treter dieses  Faches,  Trotzdem  er  sogar  die  Modelle,  wie  bereits  berichtet  ^^^), 
vorher  in  die  Materialien  seiner  eigenen  Kunst,  in  Kupfer  und  Silber,  getrieben  hat, 
finden  sich  doch  verhältnismäßig  nur  wenige  Formungen  im  Böttgersteinzeug,  denen 
man  ihren  Ursprung  aus  der  Kunst  des  Goldschmiedes  heraus  anzusehen  vermag. 
Es  sind  dies  z.  B.  die  Modelle  der  dann  für  das  Meißner  Porzellan  noch  so 
lange  typisch  bleibenden  Zuckerdose,  wie  auch  mehrerer  Leuchter,  die  durchaus 
die  typischen,  eckigen,  scharfkantigen  Formen  damaliger  im  Barockstil  gehaltener 
Silberarbeiten  zeigen  (Abb.  33.  Vgl.  auch  Abb.  18  mit  19).  Auch  die  bereits  er- 
wähnte Vorliebe  für  hochgezogene  und  reich  profilierte  Knöpfe  und  Spitzen  findet 
ihre  Analogien  in  der  gleichzeitigen  Goldschmiedekunst,  doch  kam  ihr  ja  hier  auch 
das  Material  in  so  überraschender  Weise  entgegen.  Auch  finden  sich  einige  Formen, 
die  stark  an  die  wenigen  noch  erhaltenen  Goldschmiedearbeiten  Irmingers  erinnern 
(vgl.  Abb.  13  mit  42).  Doch  sind  dies  alles  nur  Ausnahmen  gegenüber  der  großen 
Menge  der  den  eigentlichen  Typus  dieses  Steinzeugs  darstellenden  Modelle,  in 
denen  ein  Zusammenhang  mit  der  Goldschmiedekunst  sich  kaum  wird  nach- 
weisen lassen. 

In  diesen  aber  hat  Irminger  eine  wirklich  erstaunliche  Selbständigkeit  an 
den  Tag  gelegt,  die  ihn  als  einen  durchaus  schöpferischen  Künstler  kennzeichnet, 
mögen  sie  sich  auch  noch  so  sehr  in  der  Formenwelt  des  damaligen  Barocks  be- 
wegen, über  die  naturgemäß  damals  kein  Künstler  hinausgekommen  ist.  Soviel 
wie  möglich  aber  hat  sich  Irminger  ferngehalten  von  der  Formensprache  der 
Vorbilder  dieses  Steinzeugs,  der  des  chinesischen  roten  Steinzeugs,  ja  auch  von  der 
des  Porzellans,  Denn  warum  auch?  Genau  wie  später  das  Porzellan  Böttgers,  sollte 
auch  sein  erstes  keramisches  Erzeugnis  durchaus  keine  getreue  Kopie  des 
chinesischen  sein.  Es  sollte  dieses  nicht  bloß  nachahmen,  es  sollte  dasselbe  auch 
verbessern,  und  Böttger  hat  sich  ja  von  Anfang  an  und  in  gewisser  Beziehung  wohl 
mit  Recht  gerühmt,  daß  er  es  übertroffen  hätte.  So  hatte  man  damals  in  der 
Tat  nicht  die  geringste  Veranlassung,  am  eigenen  Erzeugnis  die  fremde  Formen- 
sprache des  chinesischen  zu  imitieren,  zumal  dieses  vielfach  wie  früher  erwähnt, 
einen  auch  der  chinesischen  Keramik  sonst  ziemlich  fremden,  stark  grotesken 
und  naturalistischen  Charakter  zeigte,  der  damals  sicherlich  nicht  jedermanns  Ge- 
schmack gewesen  ist,  vor  allem  aber  auch  nicht  Böttgers  selber.  Denn  Böttgers 
Ansicht  über  den  ästhetischen  Wert  der  damaligen  chinesischen  Porzellane  hat 
sich  noch  völlig  erhalten  in  jenem  schon  angeführten  Memoriale,  betitelt  ,,un- 
vorgreif liehe  Gedanken",  das  er  im  November  des  Jahres  1709  der  ersten 
Kommission  zur  Empfehlung  seiner  neuen  Erfindungen  vorgelegt  hatte.  Hier  hat 
er  wörtlich  gesagt:   „Ob  wohin  die  Indianer  sich  eine  große  Klugheit  und  be- 


Selbständigkeit  der  Formen. 


125 


sondere  Geschicklichkeit  in  Wissenschaften  und  Künsten  vor  allen  anderen  Na- 
tionen beymessen  und  aus  solcher  Arroganz  keinen  Scheu  tragen  sich  selbst  in 
hoc  passu  zwey,  denen  Europäern  aber  nur  ein  Auge  zuzuschreiben.  So  will 
doch  solches  aus  ihren  Porcellain  Fabriquen,  wen  man  die  schlechten  Erfin- 
dungen, die  meist  plumpen  Fagons  und  die  absurden  Desseins  ihrer  Mahlerey 
an  denen  Indianischen  weissen  und  rothen  Gefässen  betrachtet,  nicht  erhellen. 
Das  einzige,  welchem  sie  durch  die  sehr  lange  Uebung  endtl.  eine  zieml.  guthe 
Arth  zu  geben  gelernet  sind  die  zum  Thee-  Caffe  und  Chocolate-Trinken 
benöthigten  Geschirre;  fast  alle  anderen  Gefässe  und  Figuren  aber  sind  wahr- 
hafftig  so  ungeschickt  und  irregulair,  dass  man  oft,  was  dieses  oder  jenes  be- 
deuten solle,  darüber  zu  schreiben  nöthig  hätte."  So  woUte  man  gar  nicht 
das  eigene  Erzeugnis  mit  dem  fremden  verwechselt  haben,  man  war  viel  zu 
stolz  auf  die  eigene  Tat.  Auch  war  damals  noch  nicht  die  Zeit  gekommen,  da 
China  und  seine  Kunst  in  Europa  so  allgemein  Mode  war,  wie  es  vor  kurzem  bei 
uns  Japan  gewe- 
senist.  Die  China- 
mode ist  bekannt- 
lich erst  im  Ro- 
koko Frankreichs 
zu  ihrer  vollenEnt- 
faltung  gekom- 
men und  hat  sich 
mit  diesem  dann 
über  die  ganze  da- 
malige Kulturwelt 
verbreitet. 

Indessen  gibt 
es  von  dieser  Regel  eine  Ausnahme,  eine  kleine  Gruppe  von  Steinzeugen,  die 
sich  als  völlig  getreue  Nachbildungen  chinesischer  Vorbilder  darstellen. 
Es  sind  in  der  Hauptsache  kleinere  Teekannen  mit  naturalistischen  Blumen- 
zweigen, chinesischen  Symbolen,  kleinen  landschaftlichen  Szenerien,  Ranken 
mit  nackten  Kindern  in  flachem  Relief,  deren  Henkel  und  Ausgüsse  Drachen- 
formen u.  dergl.  zeigen  (Abb.  34),  dann  weiter  chinesische  Figuren  wie  die  Göttin 
der  Barmherzigkeit  Kuan-nin  und  der  heilige  Laot-se.  Zu  ihnen  gehören  noch  eine 
höchst  seltsame  Teekanne,  um  deren  zylindrische  Form  sich  in  freiem  Abstände 
Molche  schlingen,  eine  kugelige  Flasche  mit  langem  Hals  u.  dergl.  m.  Alle 
diese  Stücke  geben  sich  auf  den  ersten  Blick  als  rein  mechanische  Abformungen 
chinesischer  Vorbilder,  und  in  der  Tat  besitzt  die  Kgl.  Porzellansammlung  in 
Dresden  die  meisten  dieser  Vorbilder  noch  heute  unter  ihren  chinesischen  Stein- 
zeugen und  Porzellanen,  oder  sie  lassen  sich  wenigstens  als  noch  in  jetzigem  oder 
früherem  könighch  sächsischen  Besitz  befindlich  nachweisen  3^^)  (Abb.  35).  So  ist 
die  oben  genannte  Göttin  der  Barmherzigkeit  von    einer  der    zahlreichen   Kuan- 


Abb.  37.    Bottgersteinzeng.    Tassenformen. 
Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.    Höhe  der  großen  Tasse  in  der  Mitte  lo  cm. 


126  ■      Ds^s  Böttgersteinzeug. 

ninfiguren  der  oben  genannten  Sammlung  abgeformt  (Abb.  36),  der  heilige 
Laot-se  von  einer  im  königlichen  Schloß  zu  Moritzburg  befindlichen  Porzellan- 
figur, die  mit  Molchen  besetzte  Kanne  von  einem  jetzt  im  Britischen 
Museum  befindlichen,  nachweislich  aber  früher  dem  alten  Bestände  der  Dresdner 
Porzellansammlung  zugehörigen  Stücke,  während  die  übrigen  fast  alle  hier  ihre  Vor- 
bilder im  chinesischen  roten  Steinzeug  haben.  Unzweifelhaft  haben  wir  es  hier 
mit  Verlegenheitsarbeiten  zu  tun,  mit  Versuchen  Böttgers,  seinem  neuen  Material 
bald  nach  seiner  Erfindung  eine  künstlerische  Form  zu  geben,  zu  einer  Zeit,  da  ihm 
noch  kein  Künstler,  noch  kein  Irminger  zur  Seite  stand,  der  selbständige  Erfindungen 
machen  konnte.  Diese  Notlage  wiederholte  sich  dann  wohl  für  ihn,  da  Irminger 
kein  Plastiker  war,  als  er  in  seinem  Material  auch  rein  plastische  Sachen  ausführen 
lassen  wollte,  eine  Vermutung,  die  schon  dadurch  ihre  Bestätigung  finden  dürfte, 
daß  auch  fast  alle  figürlichen  Erzeugnisse,  die  rein  europäischen  Charakter  zeigen, 
Abformungen  irgendwelcher  Vorbilder  sind.  Man  darf  daher  wohl  mit  Recht  in 
dem  größten  Teil  jener  auf  diese  Weise  abgeformten  Gefäße  die  frühesten 
künstlerischen  Erzeugnisse  in  der  neu  erfundenen  Masse  erblicken,  ja  vielleicht 
in  der  oben  beschriebenen  kugeligen  Flasche  mit  langem  Hals,  da  sie  sich  in 
der  Dresdner  Porzellansammlung  noch  heute  in  zahllosen  und  gänzlich  verschieden 
ausgefallenen,  ja  zum  Teil  ziemlich  mißglückten  Exemplaren  befindet,  das 
eigentliche  Versuchsstück  von  noch  einfacher  und  darum  bequemer  Form,  mit 
dem  Böttger  seine  ersten  Experimente  ausgeführt  hat  (Abb.  31  u.  34). 

Im  übrigen  jedoch  sind  Böttger  wie  Irminger  bewußt  der  chinesischen  Formen- 
gebung  aus  dem  Wege  gegangen.  Selbst  die  Gegenstände,  die  mit  den  chinesischen 
Gebräuchen  selber  von  China  herübergekommen  sind,  erscheinen  im  Böttgerstein- 
zeug selten  in  der  reinen  ursprünglichen  Form.  Die  Teetasse  entlehnt  vielfach 
ihre  Gestalt  demjenigen  Trinkgefäß,  das  vor  der  Einführung  der  Tasse  das  inEuropa 
gebräuchlichste  gewesen  ist:  dem  Becher  (Abb.  37),  und  der  Teetopf  erscheint 
zwar  in  der  Regel  in  der  gedrückt  kugeligen  Gestalt,  die  ihm  in  China  allmählich 
die  Praxis  verliehen  hat,  aber  er  wird  fast  immer  mit  plastischen  Ornamenten  in 
rein  europäischem  Stil  so  sehr  belebt,  daß  seine  chinesische  Grundform  stark 
verschleiert  erscheint  (Abb.  40).  Und  auch  das  beweist  zur  Genüge,  daß  Böttger 
bei  den  genannten  Abformungen  und  den  freieren  Nachbildungen  chinesischer  Ori- 
ginale durchaus  gar  nichts  an  der  spezifisch  chinesischen  Formensprache  gelegen 
war,  daß  die  Formen  seiner  Kaifeekannen  wieder  türkischen  Vorbildern  nachge- 
bildet sind,  von  denen  namentlich  die  eine,  die  als  Deckel  eine  Art  Turban  mit 
einem  Halbmond  in  schwachem  Relief  zeigt,  wieder  als  eine  mechanische  Ab- 
formung  einer  orientalischen  Metallarbeit  erscheint  (Abb.  38).  Böttger  hat  eben 
die  Geschirre,  die  ursprünglich  fremdländischen  Gebräuchen  dienen  sollten,  zu- 
nächst jenen  nachgebildet,  die  in  jenen  fremden  Ländern  diesen  Gebräuchen 
gewidmet  und  darum  mit  diesen  zusammen  nach  Europa  gelangt  waren. 

Alle  diese  unmittelbaren  Nachbildungen  fremder  Vorbilder  konnten  jedoch 
auch  deshalb  nur  als  Vorläufer  betrachtet  werden,  da  sie  in  der  Regel  zu  unbe- 


Anlehnungen. 


127 


friedigend,  zu  nichtssagend,  ja  selbst  zu  unpraktisch  ausfielen,  als  ddiQ  Böttger  sich 
bei  seinem  eifrigen  Bestreben,  in  diesem  seinem  neuen  Materiale  etwas  durchaus 
Gefälliges,  die  Käufer  Anlockendes  zu  schaffen,  damit  hätte  begnügen  können.  Sie 
verschwinden  daher  oder  treten  fast  ganz  in  den  Hintergrund,  sobald  Irminger  in 
der  Manufaktur  auftaucht  und  nun  sein  Gestaltungswerk  mit  so  viel  technischem 
Geschick  und  so  erstaunlich  gutem  Geschmack  beginnt,  daß  es  nicht  zum  wenig- 
sten ihm  zu  verdanken  ist,  wenn  das  rote  Steinzeug  Böttgers  zu  einem  der  künst- 
lerisch reizvollsten  keramischen  Produkte  geworden  ist,  ja  man  kann  geradezu 
sagen,  Irminger  ist  fast  die  einzige  Persönlichkeit  in  der  ganzen  Umgebung  Böttgers 
gewesen,  die  ihm  wirklich  eine  Stütze,  eine  Förderung  bei  der  Ausbildung  seiner 
keramischen  Arbeiten  bedeutet  und  zu  ihrer  Vervollkommnung  beigetragen  hat. 
Es  ist  daher  für  Böttger  ein  ganz  besonderer  Glücksfall  gewesen,  daß  der  Zufall  ge- 
rade diese  Persön- 
lichkeit ihm  zur 
Seite  gestellt  hat, 
und  er  ist  sich 
dessen,  wie  die 
große  Wertschät- 
zung, die  er  diesem 
Künstler  immer  ge- 
zeigt hat,  ersehen 
läßt,  auch  immer 
bewußt  gewesen^^*). 
Der  Stil  des 
Böttgersteinzeugs 
aber,  wie  er  nun 
durch  Irminger  ge- 
schaffen ward,  be- 
ruhte sowohl  auf  der  Aufdrehung,  wie  auf  der  Formung  und  deren  beider 
Vermischung.  Die  ganz  in  Formen  hergestellten  Gegenstände  zeigen  noch  am 
stärksten  den  Stil  des  Goldschmiedes  oder  gehören  geradezu  zu  jenen  bereits 
genannten  Arbeiten,  die  ganz  wie  Nachbildungen,  ja  wie  Ab  formungen  von 
Silberarbeiten  erscheinen  (Abb.  33).  Sicherlich  sind  diese  es  gewesen,  für  die 
Irminger,  wie  oben  erwähnt,  die  Modelle  in  Silber  und  Kupfer  getrieben  hat, 
ja  man  darf  sie  wohl  auch,  da  es  durchaus  natürlich  erscheint,  daß  man  am 
Anfange  einer  neuen  Technik  sich  am  wenigstens  weit  von  seiner  früheren  zu 
entfernen  wagt,  als  seine  frühesten  Entwürfe  ansehen.  Dann  wäre  vielleicht 
eine  kleine  Flasche  in  der  bekannten,  damals  auch  in  Silber  sehr 
beliebten  Form  der  flachgedrückten  Pilgerflasche,  da  sie  sich  in  der  königlichen 
Porzellansammlung  in  auffallend  vielen  und  ganz  verschieden  ausgefallenen  Exem- 
plaren befindet,  als  das  erste  Versuchsstück  anzusehen,  mit  dem  Irminger  sich  in 
das  ihm  ganz  neue  Material  hineinzuarbeiten  versucht  hat  (Abb.  33).  Zu  dieser  Gruppe 


Abb.  38.    BSttgersteinzeag:.    Formen  von  Kaffeekannen. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  der  Kanne  in  der  Mitte  i6  cm. 


128 


Das  Böttgersteinzeug. 


Abb.  39.    Böttgersteinzeug  mit  durchbrochener  Arbeit. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden,     Höhe  der  Schale  in  der  Mitte  22,5  cm. 


geformten  Gegenstände  gehören  vor  allem  die  oben  genannte  Zuckerbüchse,  die 
Leuchter,  ferner  ein  in  der  Porzellansammlung  zu  Dresden  befindlicher  flacher 
Korb  mit  durchbrochenem,  flechtwerkartigem  Rande  und  schwachem  Relief  in 
der  Mitte   (Abb.  39  rechts)    ein  Pokal,  ein  Becher,  Salzfässer  u.  dergl.  m. 

Freilich  war  das  Ergebnis  dieser  Ausformungen  infolge  der  früher  erwähnten 
Zähigkeit  der  Masse  kein  allzu  günstiges.  Nur  an  den  Kanten,  an  den  Profilierungen 
war  eine  gewisse  Schärfe  der  Formen  zu  erreichen,  Ornamente  jedoch,  die  mittelst 
der  Metallform  in  die  Fläche  gedrückt  wurden,  kamen  in  der  Abformung 
nicht  scharf  heraus,  hoben  sich  vor  allem  nicht  klar  vom  Grunde  ab.  Deshalb 
ist  man  gewiß  bald  von  dieser  Methode  des  Abformens  im  Ganzen  wieder 
abgegangen  und  hat,  sobald  dieTöpfer  durch.  Irminger  das  Aufdrehen  gelernt  hatten, 
in  der  Hauptsache  jenen  Typus  desBöttgersteinzeugs  geschaffen,  dessen  technische 
Grundlage  das  Aufdrehen  auf  der  Drehscheibe  war.  Hier  kam  die  starke 
Plastizität  der  Masse  desBöttgersteinzeugs  den  Absichten  gar  sehr  entgegen:  eine 
scharfe,  ausdrucksvolle  ProfiHerung  ließ  sich  ermöghchen,  die  Wirkung  genug 
tat,  um  jeden  eigentlichen  Schmuck,  jede  Ornamentik  entbehren  zu  können.  Viele 
derartige  Gefäße  sind  daher  durchaus  glatt  gehalten  worden,  namenthch  Pokale, 
Bierkrüge,  Tassen,  Schalenu.  dergl.,  die  einen  ganz  besonderen  Reiz  und  etwas  wunder- 
bar Einheithches  erhielten,  falls  nachher  die  ganze  Oberfläche  glatt  geschliffen  ward 
(Abb. 42).  Sie  gehören  unbestreitbar  zu  den  schönsten  und  vornehmsten  Erzeugnissen 
in  diesem  Material.  An  einigen  wenigen  Stücken,  z.  B.  Schalen  und  einem  einer 
chinesischen  Porzellanlaterne  nachgebildeten  Gefäße  der  Dresdner  Porzellan- 
sammlung finden  sich  aber  auch  Durchbrechungen,  die  gleichfaUs  der  zähe 
plastische  Ton  in  großer  Schärfe  gestattete  (Abb.  39).  Böttger  wollte  hier  jedenfalls 
beweisen,  daß  er  in  seinem  Material  auch,  wie  die  Chinesen  Gefäße  mit  durch- 


Aufgelegte  Verzierungen. 


129 


Abb.  40.    BSttgersteinzeng-  mit  anfgeleg^ten,  geformten  Verzierungen. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  der  Vase  in  der  Mitte  39  cm. 


brochenen  Wandungen  herzustellen  wüßte.  Dann  aber  schritt  man  weiter  zu 
reicherer  plastischer  Bildung,  zur  Ornamentierung.  Doch  die  Mittel,  die  man 
hierbei  anwandte,  waren  die  bisher  am  Steinzeug,  sowohl  dem  deutschen,  wie 
auch  dem  chinesischen  ganz  allgemein  üblichen :  die  Ornamente  wurden  für  sich 
in  kleinen  Hohlformen  geformt  und  dann  an  die  Wandungen  der  aufgedrehten 
Hohlgefäße  nach  einem  ganz  bestimmten  Rythmus  angesetzt.  Hierbei  fiel  zwar 
wiederum  die  Detaillierung  der  einzelnen  Abformungen  nicht  gerade  scharf  aus, 
auf  keinen  Fall  so  auffallend  scharf,  wie  beim  chinesischen  Steinzeug,  aber  die 
aufgelegten  Ornamente  hoben  sich  jetzt  infolge  ihrer  natürlichen  Dicke  wenigstens 
als  Ganzes  scharf  von  der  Wandung  der  Gefäße  ab,  so  daß  sie  dennoch  bedeutend 
dekorativer  wirkten,  als  Reliefs,  die  mit  der  ganzen  Wandung  zugleich  geformt 
wurden,  ja  man  konnte  dieses  Sichabheben  vom  Grunde  durch  leichtes  Aufbiegen 
oder  Unterschneiden  der  Ränder  der  aufgesetzten  Reliefs  noch  verstärken  und 
erhielt  so  in  der  Tat  für  diese  Erzeugnisse  einen  sehr  reizvollen  Schmuck, 
der,  da  er  immer  noch  halbwegs  mechanisch  war,  sich  leicht  ermög- 
hchen  ließ  und  auch  nicht  viel  kostete.  Freilich  war  eine  gewisse  Sorg- 
falt und  Sauberkeit  der  Arbeit  auch  hier  durchaus  erforderlich.  Man  durfte 
vor  allem  beim  Auflegen  der  für  sich  geformten  Rehefs  auf  die  Wandung 
weder  einen  zu  starken  Druck  ausüben,  da,  wie  viele  erhaltene  Stücke  zeigen, 
die  Wandung  leicht  nachgab,  noch  auch  einen  zu  schwachen,  da  die  Reliefs 
dann   leicht,   wie    es    vielfach   geschehen,  im    Feuer    statt    sich    festzubrennen 

Zimmerm»nn,  Meifiner  Forzell*n.  9 


130 


Das  Böttgersteinzeug. 


wieder    absprangen.      Für    gewöhnlich    jedoch    hat    man    die    richtige  Mitte  zu 
treffen  gewußt   (Abb.  40  u.  43). 

Die  auf  diese  Weise  geformten  Ornamente  halten  sich  durchaus  im  Stil  des 
damaligen  Barocks:  sie  zeigen  in  der  Regel  das  senkrecht  emporsteigende  oder 
sich  zur  Seite  drehende  starkgelappte  Akanthusblatt  dieser  Zeit.  Daneben  findet 
sich  auch  ein  langgezogenes  schilfblattartiges  Gebilde.  Auch  knospenartige  Formen 

kommen  vor.  Sie  alle  wurden  in  Reihungen  um  die 
Gefäße  gelegt,  meist  als  Belebung  und  Markierung 
der  Ränder  oder  sonst  zu  betonender  Stellen.  Da- 
neben gab  es  Maskerons,  Satyr-  und  Löwenköpfe, 
auch^  Blumenbuketts,  die  einzeln,  aber  in  bestimm- 
ten Rhythmen  mitten  auf  die  Wandungen  gesetzt 
wurden  (Abb.  43).  Ganz  in  Formen  wurden  die  reicher 
gestalteten,  mit  Tierköpfen  u.  dergl.  versehenen  Henkel 
und  Ausgüsse  hergestellt  (Abb.  33).  Bisweilen  jedoch 
hat  man  mit  dieser  mechanischen  Formung  doch  noch 
eine  gewisse  Freihändigkeit  der  Arbeit  zu  verbinden 
gesucht.  Man  hat  einzelne  Blätter  für  sich  geformt  und 
in  Verbindung  mit  frei  modellierten  oder  auch  wieder 
geformten  Blumen,''^wie  Rosen  und  Vergißmeinnicht, 
dann  auch  Knospen  [und  Früchten  zu  kleinen  Sträußen 
und  Ranken  auf  den  Wandungen  zusammengesetzt 
(Abb.  21  u.  41).  Doch  ist  diese  Technik,  die  nachher 
für  das  Porzellan  Böttgers  eine  sehr  gebräuchliche  ge- 
worden ]  ist,  im  Steinzeug  noch  ziemlich  selten  ange- 
wandt; sie  scheint,  wie  auch  schon  ihr  Vorkommen 
fast]  nur  [an  geschliffenen  Stücken  beweist,  erst  im 
Porzellan  aufgekommen  und  von  diesem  auf  das 
Steinzeug  übertragen  worden  zu  sein. 
[*>.  Immer  jedoch  ist  von  aller  dieser  Ornamentik 
ein  durchaus  bescheidener  Gebrauch  gemacht  worden. 
Sie  drängt  sich  niemals  auf,  bedeckt  nie  die  ganzen 
Wandungen,  zerstört  nie  den  Gesamteindruck  der 
Form.  Es  hat  auch  in  dieser  Beziehung  hier  wie- 
der ein  seiner  selbst  sicherer  Geschmack  geherrscht,  der  nicht  etwa  aus 
Freude  über  eine  Technik  oder  ein  Schmuckmittel  in  seiner  Anwendung  sich 
nie  hat  genug  tun  können  und  so  aus  einem  Verschönerungsmittel  sein  volles  Gegen- 
teil gemacht  hat.  Erstaunlich  jedoch  wird  immer  die  Mannigfaltigkeit  und  Ab- 
wechslung der  Formen  und  Modelle  bleiben,  die  damals  in  so  kurzer  Zeit  in  diesem 
neuen  Materiale  geschaffen  worden  sind,  bedenkt  man,  wie  gleichbleibend  und 
stereotyp  sonst  in  der  Regel  die  Formen  in  der  Keramik  bis  dahin  zu  sein  pflegten, 
wie  wenig  Abwechslung  in  der  Formensprache  auch  das  deutsche  Steinzeug  bisher 


Abb.  41.    Böttgersteinzeug. 

Vase,  geschliffen,  mit  freihändig 

aufgelegten  Ranken. 

KBnigl.  Porzellansammlung,  Dresden. 

Höhe  34  cm. 


Das  Schleifen. 


131 


Abb.  42.    Böttgersteinzengf,  g^latt  geschliffen. 
K6nigl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  des  Pokals  in  Mitte  31  cm. 


gezeigt  hatte.  Ja,  man  kann  geradezu  sagen,  die  Keramik  hatte  bis  dahin  einen 
solchen  Reichtum  in  einem  und  demselben  Materiale  überhaupt  noch  nicht  und 
auch  später  kaum  wieder  gesehen.  Und  auch  hier  blickt  wohl  wieder  der  rastlos 
vorwärtstrebende,  nach  den  verschiedensten  Richtungen  hin  sich  bewegende  Geist 
Böttgers  durch,  der  auch  andere  in  gleicher  Weise  zu  beleben  und  anzufeuern 
wußte,  hier  wieder  in  dem  Streben,  seine  neuen  Erzeugnisse  mögUchst  vielen 
Neigungen  anzupassen  und  ihnen  dadurch  Liebhaber  und  Käufer  so  viel  als  nur 
irgend  möglich  zu  gewinnen. 

Die  originellste  Ta.i  Böttgers  in  der  künstlerischen  Ausgestaltung  seines  Produktes 
aber  wird  dann  immer  die  Oberflächenbehandlung  desselben  bleiben:  vor  allem 
das  Schleifen.  Das  Schleifen,  d.  h.  das  vöUige  Glätten  der  Oberfläche  bis  zur 
Glanzerzeugung  hat  erst  seinem  Steinzeug  jene  wunderbare  Veredlung  gegeben,  die 
das  in  stofflicher  Beziehung  mit  an  die  Spitze  der  deutschen,  ja  überhaupt  aller 
Keramik  stellt;  es  hat  ihm  erst  jene  Qualitätserhöhung  verliehen,  die  es  fähig  ge- 
macht hat,  sich  als  rein  menscUiches  Erzeugnis  an  die  Seite  jener  Naturgebilde  zu 
stellen,  die  zu  den  allerschönsten,  den  allerb egehrtesten  gerechnet  werden:  den  Edel- 
gesteinen,  so  daß  es  damals  seinen  stolzen  Namen  „Jaspisporzellan"  mit  vollem 
Rechte  trug.  Und  in  der  Tat,  man  vergißt  dann  gar  leicht  vor  ihm  den  Eindruck 
des  reinen  Kunstproduktes.  Durch  diesen  Schliff  erhielt  erst  das  Steinzeug  seinen 
tiefen,  satten  Ton,  seinen  lebhaften  Glanz  und  seine  ganze  Delikatesse;  es  erhielt 
dies  alles  aus  sich  selber,  aus  seinem  eigenen  Stoff  heraus,  nicht  mittelst  irgend 
einer  fremden  Zutat,  wie  sie  immer  eine  mit  der  Masse  selber  meist  gar  nicht 
organisch  verwachsende  Glasur  darstellt,   und  durch  kein  anderes  Mittel  hätte 


132 


Das  Böttgersteinzeug. 


Abb.  43.    Böttgersteinzeug,  geschliffen,  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  Deckelvase  26  cm. 


Böttger  je  die  gleichen  Wirkungen  erreichen  können.    So  ist  unstreitig  das  Schleifen 
die  schönste  Veredlung  gewesen,  die  diesem  Stoffe  widerfahren  konnte. 

Auf  welche  Weise  Böttger  damals  dazu  gekommen  ist,  diese  ursprünglich  ledig- 
lich der  Stein-  und  Glaskunst  angehörende  Technik  auch  auf  die  Keramik  zu 
übertragen,  daß  dieses  sich  für  ihn  fast  wie  von  selber  aus  seinen  früheren  keramischen 
Arbeiten  und  denen  Tschirnhausens  ergab,  ist  früher  schon  dargestellt  worden. 
Auf  alle  Fälle  führte  er  auf  diese  Weise  eine  ganz  neue  Kunsttechnik  in  die  Keramik 
ein,  die  für  dieselbe  eine  große  Bereicherung  bedeutete,  von  der  er  selber  freilich 
den  reichsten  Gebrauch  gemacht  hat.  Der  Schliff  als  Kunstmittel  hat  nach  ihm  hier 
nur  noch  gelegentlich  wieder  Anwendung  gefunden  ^^^).  Er  ist,  da  er  in  der  Haupt- 
sache Handarbeit  ist,  doch  wohl  für  gewöhnlich,  besonders  aber  heute,  da  diese  ganz 
allgemein  als  die  teuerste  Arbeitsweise  gelten  kann,  ein  zu  teures  Verschönerungs- 
mittel, als  daß  es  auf  die  Dauer  im  großen  angewandt  werden  könnte,  zumal  in 
unserer  Zeit,  die  Dank  den  vielen  Surrogaten,  die  sie  erfunden,  so  wenig  Sinn  mehr 
für  die  stoffliche  Qualität  besitzt.  So  werden  diese  Erzeugnisse  Böttgers,  ganz 
abgesehen  von  ihren  rein  künstlerischen  Vorzügen,  schon  um  dieser  Technik 
willen  immer  eine  ganz  besondere  Stellung  in  der  Keramik  einnehmen. 

Der  Anfang  mit  dem  Schliff  wurde,  wie  oben  gezeigt,  gemacht,  um  Fliesen 
in  diesem  Material  nach  Art  der  „Delfter"  den  schönen  Glanz  dieser  zu  verleihen, 
ohne  sich  hierbei  wie  bei  jenen  einer  Glasur  zu  bedienen.  Probestücke  nach  dieser 
Richtung  hin,  die  seinerzeit  wohl  dem  Könige  vorgelegt  sind,  haben  sich  in  der 
Dresdner  Porzellansammlung  erhalten  (Abb.  8).  Es  sind  mehrere  10 — 12  cm 
lange  Platten  von  eigenartig  ausgeschweiften  Begrenzungen  aus  einer  noch  un- 
reinen, zum  Teil  schmutzig  braunroten  oder  gelbroten  Masse,  die,  unsauber  hinge- 


Geschliffene   Stücke. 


133 


Abb.  44.    Böttg^ersteinzeng:,  gemnschelt. 

Künig-l.  Porzellansammlung,  Dresden,     Höhe  der  Deckelvase  21,5  cm. 


strichen,  meist  streifig  erscheint,  zum  Teil  auch  noch  recht  schwach  gebrannt  ist,  so 
daß  sie  noch  gar  nicht  für  Steinzeug  gelten  kann.  Auf  mehreren  derselben  finden 
sich  Schleif  versuche  in  verschiedenen  Stadien  dieses  Prozesses.  Auch  tragen 
zwei  derselben  auf  der  Rückseite  eingegrabene  Zeichen,  einmal  den  Buchstaben  B, 
das  andere  Mal  die  Zahl  6,  wiederum  Wiedererkennungszeichen  nach  dem  Brande^'). 
Daneben  haben  sich  in  der  Porzellansammlung  und  auch  sonst  noch  vielfach 
Stücke  erhalten,  namentlich  Schalen,  die  gleichfalls  nur  angeschliffen  sind  und 
darum  wohl  ebenfalls  nur  als  Probestücke  angesehen  werden  dürfen. 

Geschliffen  aber  wurde,  wie  die  noch  erhaltenen  Gegenstände  zeigen,  sicherlich 
der  größte  Teil  der  angefertigten  Stücke,  schließlich  sogar  dann  jedes  Stück. 
Damit  ward  angezeigt,  daß  damals  kein  Stück  Böttgersteinzeug  für  ganz  vollendet 
galt,  das  nicht  diese  Verfeinerung  der  Oberfläche  erhalten,  dessen  Masse  nicht  ihre 
ganze  Veredlung  empfangen  hatte.  Hierbei  wurden  die  Gegenstände  entweder 
ganz  oder  nur  teilweise  geschliffen.  Ersteres  geschah  in  der  Regel  nur  mit  den 
allein  durch  Aufdrehung  entstandenen,  für  deren  Form  sich  eben  diese  Technik 
ganz  besonders  eignete.  Für  viele  derselben  gab  diese  Technik  den  einzigen 
Schmuck  ab,  der  aber  infolge  der  dadurch  erfolgenden  Verfeinerung  der  Masse 
völlig  ausreichte,  um  ihnen  den  Charakter  des  Kostbaren  und  Edlen  zu  geben 
(Abb.  42).  Waren  aber  Ornamente  aufgelegt,  so  mußte  man  diese  natürlich,  da  deren 
plastischer  Bewegung  der  Schliff  nicht  nachkommen  konnte,  ungeschliffen  lassen,  wo- 
durch ein  Gegensatz  des  Ungeschliffenen  und  Geschliffenen,  entstand,  der  durchaus 
nicht  schlecht  wirkte  (Abb.  43).  Nur  war  es  freilich,  wenn  man  den  Grund  schliff, 
vielfach  nicht  möglich,  mit  dem  Rade  bis  an  die  Kante  dieser  Ornamente  zu  ge- 
langen, wodurch  deren  nächste  Umgebung  gleichfalls  ungeschliffen  bheb,  was  kaum 
als  ein  Vorzug  ihrer  Erscheinung  anzusehen  war  (Abb.  15).  Geformte  Gegenstände  je- 
doch wurden  gleich  den  aufgesetzten  Reliefs  fast  niemals  ganz  geschliffen.  Dagegen 
hat  man  bisweilen  versucht,  selbst  plastisch  verzierte  Henkel,  Ausgüsse,  Knöpfe, 


134 


Das  Böttgersteinzeug. 


Figuren  u.  dergl.  auf  diese  Weise  zu  behandeln,  doch   ohne  daß  hier  diese  Arbeit 
immer  befriedigend  ausgefallen  wäre. 

Der  teilweise  Schliff  jedoch  erstreckte  sich  meist  auf  Kanten  und  Bänder. 
Hier  jedoch  berührte  sich  diese  Technik  bereits  mit  der  Technik  des  Schneidens 
d.  h.  des  Eingrabens  vertiefter  Verzierungen  in  die  Masse,  die  gleichfalls  der  Glas- 
technik entnommen,  ja  gerade  damals,  wie  erwähnt,  in  Böhmen,  Schlesien  und 
durch  Tschirnhausen  diuch.  in  Sachsen  die  Modetechnik  der  Zeit  geworden  war.  Diese 
Technik  führte  zunächst  zu  Grundmusterungen,  mit  denen  man  die  Gegenstände 

ganz  oder  teilweise  versah.  Hierbei  fand 
eine  sehr  häufige  Anwendung  das  so- 
genannte ,, Muscheln",  das  Einschneiden 
sich  gleichmäßig  aneinanderreihender, 
rundlicher,  eckiger,  selbst  bienenzellen- 
artiger  Vertiefungen,  durch  die  der 
Glanz  und  die  Reflexe  an  den  betreffen- 
den Gegenständen  stark  vermehrt  wur- 
den. Eine  derartige  Verzierung  bedeckte 
oft  den  ganzen  Grund.  Daneben 
pflegte  man  sie  auch  mit  sich  kreu- 
zenden Linien  zu  versehen,  in  der 
Mitte  jeder  Raute  eine  kreisrunde  Ver- 
tiefung anzubringen  und  ähnliche  Dinge 
mehr  vorzunehmen  (Abb.  44).  Dann 
aber  ging  man  zur  eigentlichen  Orna- 
mentik über,  die  man  dem  Stil  des  Ba- 
rocks entnahm  und  grub  Verzierungen 
im  Stil  des  damaligen  Laub-  und  Ban- 
delwerks oder  Berninische  Grotesken 
ein,  die  oft  sehr  zierlich  und  graziös 
ausfielen  und  einen  gewissen  Reichtum 
zeigten  (Abb.  23  u.  45).  Auch  Wappen 
und  Monogramme  entstanden  so,  da 
man  ja  schon  auf  die  erste  Leipziger  Ostermesse  des  Jahres  1710  zu  diesem 
Zwecke  mehrere  Glasschleifer  nach  dort  hinübergenommen  hatte  ^^''),  so  na- 
mentlich auch  für  den  König  das  verschlungene  A.  R.  (Augustus  Rex).  Da- 
neben gab  es  auch  kleine  figürliche  Darstellungen  in  Medaillons,  die  an 
Kameen  erinnern  (Abb.  45),  und  ähnliche  Dinge  mehr.  Doch  ist  im  allge- 
meinen die  Auswahl  der  hier  angewandten  Ornamente  nicht  allzu  reich  gewesen. 
Es  fehlte  vielleicht  an  Vorlagen.  Immer  aber  hat  auch  auf  diesem  Gebiete 
Mäßigung  gewaltet:  man  hat  die  an  sich  leichte  Technik  niemals  durch  allzu 
reiche  Ornamentik  mißbraucht.  Bereichert  aber  wurde  sie  noch  dadurch,  daß 
man  vielfach  einen  Teil  der  herausgeschliffenen  Ornamentik  matt  ließ,  währenp 


Abb.  45.    Böttgersteinzeug,  geschnitten. 
Königl.  Porzellansammlung-,   Dresden,     Höhe  17  cm. 


Schleifen  und  Schneiden. 


135 


man  den  übrigen  blank  polierte,  wodurch  man  drei  verschiedene  Abtönungen 
an  einem  Stücke  gewann,  die  von  diesem  unzertrennbar  waren. 

Eine  ganz  hervorragende  Bedeutung  aber  erhielten  beide  Techniken,  das 
Schleifen  wie  das  Schneiden,  für  die  im  Feuer  schwarz  gewordenen  Stücke  des 
„Eisenporzellans"  ^^).  Durch  deren  geistvolle  Anwendung  ward  hier  nicht 
nur  etwas  anscheinend  Verdorbenes  wieder  brauchbar  gemacht,  sondern  gerade- 
zu ungewöhnlich  reizvoll  gestaltet  und  das  Böttgersteinzeug  damit  um  eine  neue 
interessante  Abart  bereichert.  Denn  durch  das  Schleifen  erhielt  die  an  sich  so 
trübe  und  schmutzige  Oberfläche  dieser  Stücke  einen  äußerst  angenehmen, 
schwärzlichen  oder  grauen  glänzenden  Ton,  schliff  man  aber 
weiter  und  kam  die  alte,  schöne,  rote  Farbe  in  mehr  oder 
weniger  starker  Lebhaftigkeit  wieder  zutage,  so  lag  vor 
Böttgers  Augen  die  ganze  Möglichkeit  des  Kameenschnittes 
und  der  Überfanggläser,  und  er  hat  sie  auch  reichhch  aus- 
nutzen lassen,  indem  er  derartige  Stücke  zum  Teil  bis  zur 
roten  Masse  durchschleifen  ließ,  indes  der  übrige  Teil  ent- 
weder zu  glänzendem  Grauschwarz  geschhffen  oder  auch 
stellenweise  stumpf  gelassen  ward.  Hierdurch  erhielt 
Böttger  wiederum  an  einem  und  demselben  Stücke  drei 
verschiedene,  diesmal  aber  sich  noch  schärfer  voneinander 
absetzende  Tönungen,  die,  völlig  aus  dem  Stücke  selber 
herausgewachsen,  von  diesem  unzertrennbar  waren.  Das 
Raffinement  der  technisch  -  künstlerischen  Behandlung 
dieser  Masse  konnte  in  der  Tat  nicht  weiter  getrieben 
werden. 

Dieses  Entfernen  der  schwärzlichen  Schale' erfolgte  oft 
durch  den  Schliff  der  ganzen  Flächen,  wodurch  ihre  Ober- 
fläche vielfach,  da  der  Schwärzungsprozeß  nicht  immer 
gleich  tief  in  die  Masse  gedrungen  war,  wieder  etwas 
Marmoriertes  erhielt,  oder  durch  das  Einschneiden  von 
Ornamenten,  die  sich  dann  hell  vom  dunkleren  Grunde 
abhoben.       Die     Porzellansammlung    zu    Dresden .  besitzt 

zwei  Stücke,  an  denen  letztere  Technik  ihre  höchste  Steigerung  erfahren  und 
zu  Wirkungen  geführt  hat,  die  für  gewöhnhch  kaum  von  einem  künstlich  her- 
gestellten Produkt  erwartet  werden.  Das  eine  stellt  eine  zylindrische  Vase  mit  auf- 
gelegten Masken  und  Blättchen  dar,  an  der  die  Wandung  wie  die  Blätter  stumpf  grau- 
braun gelassen  worden,  dagegen  die  aufgelegten  Masken  noch  in  demselben  Ton, 
die  vertieften  Ornamente  aber  bis  zur  roten  Masse  durchgeschliffen  sind  (Abb.  46). 
Das  zweite  ist  ein  reich  geformter  Teetopf,  an  dem  der  Grund  durch  tiefes  Weg- 
schleifen wundervoll  braun  marmoriert  ausgefallen  ist,  indes  die  erhabenen  Orna- 
mente zum  Teil  stumpf,  zum  Teil  geschliffen,  in  der  ursprünglich  schwärzlich- 
braunen Farbe    belassen  sind.    Es  sind  dies  sicher  Stücke,    in  denen  Böttger  dem 


Abb.  46.    Schwarz  gebranntes 

Bottgersteinzeog    („Eisenpor- 

zellan")   z.  T.    bis  zum  roten 

Kern  dnrchgeschliffen. 

König-1.  Porzellansammlung', 
Dresden.    Höhe  24,5  cm. 


136  Das    Böttgersteinzeug. 

Könige  sein  höchstes  Geschick  in  der  kunsttechnischen  Behandlung  seiner  Masse 
hat  zeigen  wollen,  und  dieser  wird  sie  damals  ebenso  bewundert  haben,  wie  wir 
es  heute  tun  müssen.  Tatsächlich  wird  sich  kaum  wieder  ein  keramisches  Produkt 
finden,  das  nur  entfernt  an  diese  Ausnutzung  rein  keramischer  Verzierungs- 
möglichkeiten herankommt. 

Doch  selbst  mit  dieser  genialen  Anwendung  des  Schliffes  und  des  Schnittes, 
die  seinem  Produkt  schon  so  viele  Spielarten  gab,  ist  Böttgers  lebhafter  Geist  noch 
nicht  zufrieden  gewesen.  Er  erfand  noch  ein  anderes  Verschönerungsmittel,  das 
gleichfalls  denjenigen  Reiz  gab,  nachdem  sich  die  den  starken  Effekten  zuneigende 
Barockkunst  immer  so  ganz  besonders  gesehnt  hat:  den  Glanz.  Dieses  Mittel  ist 
die  schwarze  Glasur  gewesen,  mit  der  er  einen  Teil  seiner  Stücke  bereits  auf  jener 
ersten  Ostermesse  im  Jahre  1710,  auf  die  sie  zum  ersten  Male  zum  Verkauf  ausge- 
boten wurden,  versehen  hatte.  Mit  dieser  schwarzen  Glasur  erfand  Böttger  für 
sein  Steinzeug  wiederum  eine  neue  Abart,  auf  die  er,  wie  erwähnt,  ziemlich  stolz 
war,  schon  deshalb,  weil  die  Chinesen  diese  nicht  besäßen,  und  er  hatte  in  der 
Tat  einigen  Grund  dazu :  es  war  in  der  Regel  eine  ziemlich  dick  aufliegende 
Glasur  von  einer  tiefen  bläulich-  oder  bräunlich  schwarzen  Farbe  ^^^),  die  oft 
wunderbar  lüstrierte,  bisweilen  so  stark,  daß  man  manche  der  mit  ihr  versehenen 
Stücke  im  übrigen  gänzlich  undekoriert  lassen  konnte.  Sie  hatten  ihre  Farben- 
pracht dann  schon  durch  sich  selber  empfangen.  Hergestellt  wurde  sie  wie  die 
noch  erhaltenen  Rezepte  besagen,  aus  Braunstein  oder  Kobalt ^^°).  Darnach 
ist  dann  eben  auch  ihre  Farbe  verschieden  ausgefallen. 

Der  Grund  ihrer  ersten  Anwendung  scheint  jedoch  zunächst  keineswegs  ein 
künstlerischer,  vielmehr  in  der  Hauptsache  ein  rein  praktischer  gewesen  zu  sein. 
Bei  genauerer  Prüfung  der  auf  diese  Weise  glasierten  Stücke  wird  man  bald  ent- 
decken, daß  ein  großer  Teil  derselben  äußerst  schwach  gebrannt  ist  und  stark  porös 
erscheint,  so  daß  sie  auf  den  Namen  Steinzeug  schon  gar  keinen  Anspruch  mehr 
machen  können.  Wir  haben  hier  eben  zum  größten  Teil  jene  früher  erwähnten 
Stücke  vor  uns,  die  infolge  der  primitiven  Öfen  Böttgers  nicht  zum  vollen  Garbrande 
gelangten  und  darum  so  porös  blieben,  daß  an  ein  Schleifen  ihrer  Oberfläche  nicht 
zu  denken  war,  sie  auch  durchaus  durchlässig  für  Flüssigkeiten  blieben.  Auch  war 
das  Aussehen  infolge  der  geringen  Geschlossenheit  ihrer  Masse  kein  allzu  schönes. 
Für  alles  diese  sollte,  wie  ausdrücklich  berichtet  wird  3*^),  die  Glasur  das  Aushilfs- 
mittel sein,  das  Böttger  hier  mit  derselben  Genialität,  mit  der  er  sich  immer  aus 
derartigen  Verlegenheiten  herauszuhelfen  wußte,  anwandte,  und  das  dann  wieder 
aus  einem  Notbehelf  ein  wunderbares,  in  seiner  Art  einziges  Schmuckmittel  ward. 

Ganz  konsequent  war  es  dabei,  daß  diese  Stücke  fast  immer  ganz  glasiert 
wurden,  auch  der  Boden,  die  Standfläche,  weshalb  man  vielfach  nach  dem  Brande, 
da  die  weich  gewordene  Glasur  das  Gefäß  am  Boden  der  Kapsel  hatte  festkleben 
lassen,  dieses  gewaltsam  wieder  abreißen  mußte,  wovon  sich  noch  heute  Spuren  er- 
halten haben.  Auch  ist  bezeichnend,  daß  gerade  die  von  den  chinesischen  Stücken 
abgeformten   Steinzeuge,    die  sicherlich  als  die  allerfrühesten  anzusehen  sind  und 


Die  schwarze  Glasur. 


137 


Abb.  47.    Böttgersteinzeug,  schwarz  glasiert  mit  bunter  LackmalereL 

Künig^l.  Porzellansammlung,  Dresden.    Höhe  der  mittleren  Vase  41,5  cm. 


darum  wohl  auch  am  wenigsten  im  Brande  geglückt  sind,  mit  dieser  Glasur  ver- 
sehen sind.  Und  schließlich  finden  sich  bisweilen,  so  in  der  Porzellansammlung 
zu  Dresden,  ganz  festgebrannte,  aber  leicht  gesprungene  Stücke,  die,  damit  sie  den- 
noch Flüssigkeiten  zu  halten  imstande  wären,  mit  dieser  schwarzen  Glasur  im 
Innern  ganz  ausgegossen  worden  sind,  wobei  bisweilen  die  Glasur  zum  Spalt  hinaus- 
drang und  außen  einen  zunächst  nicht  gleich  erklärlichen  schwarzen  Fleck  gebildet 
hat.  Dann  aber  freilich  ist  diese  unverkennbar  auch  ein  reines  Schmuckmittel 
geworden,  lediglich  dazu  bestimmt,  dem  Steinzeug  eine  neue  Abart  zu  geben  und 
neue  Käufer  für  dasselbe  anzulocken. 

Hierbei  aber  ist  es  merkwürdig,  wie  das  glasierte  rote  Steinzeug  für  kurze  Zeit 
unter  den  Einfluß  zweier  Techniken  gerät,  mit  denen  es  sonst  nicht  das  Geringste 
zu  tun  gehabt  hat.  Zunächst  wird  die  Formengebung  für  eine  ganze  Gruppe  größerer 
Stücke  gänzlich  abhängig  von  der  Delfter  Fayence,  so  sehr,  daß  viele  schwarz 
glasierte  Stücke  sich  als  direkte  Nachbildungen  jener  Gefäßformen  darstellen,  zu 
denen  die  Delfter  Töpfer  die  Formen  ihrer  Vorbilder,  der  chinesischen  Porzellane, 
umgebildet  hatten,  in  der  Hauptsache  wohl  schon,  weil  sie  in  dieser  Veränderung 
unter  der  schweren  Fayenceglasur  besser  zum  Ausdruck  kamen.  Abgesehen  von 
zylindrischen  sogenannten  Stangenvasen,  die  sich  noch  ganz  an  die  chinesischen 
Vorbilder  halten,  handelt  es  sich  hier  um  einfache,  bauchige,  rundliche  Formen 
mit  verhältnismäßig  weiten  Ausladungen,   so   namentlich  kröpf  artigen  Gebilden 


138 


Das  Böttgersteinzeug. 


Abb.  48.    Böttg^ersteinzeug,  schwarz  glasiert,  mit  Lackmalerei  vorwiegend  in  Qold. 

Königl,  Porzellansammlung',  Dresden.     Höhe  der  Flasche  19  cm. 


am  Halse,  wie  sie  so  ganz  besonders  charakteristisch  für  die  Delfter  Fayencen 
dieser  Zeit  sind  (Abb.  47).  Unzweifelhaft  haben  derartige  Stücke  die  Vorbilder 
abgegeben,  damit  auch  hier  unter  einer  dickeren  Glasur  die  Formengebung  noch 
zur  Geltung  gelangte.  Sehr  wahrscheinlich  aber  ist  es,  daß  ihre  Formen  hier  ein- 
geführt wurden  durch  jenen  Töpfer  Eggebrecht  aus  Berlin,  der  dort  in  der  Fayence- 
fabrik gearbeitet  und  dann  die  Dresdner  Töpfer,  die  zuerst  das  neuerfundene 
Steinzeug  Böttgers  formen  sollten,  wie  oben  erwähnt,  in  der  Kunst  des  Auf- 
drehens  zu  vervollkommnen  gesucht  hatte  ^^2).  Es  lag  nahe  genug,  daß  er  sich 
hierbei  zunächst  an  die  ihm  von  früher  her  geläufigen  Formen  hielt. 

Der  andere  fremde  Einfluß  aber  erfolgte,  sobald  Böttger  darauf  ausging, 
seine  schwarze  Glasur  farbig  zu  beleben.  Böttger  hat  hierbei  allerdings  die  Farben 
nicht  einbrennen,  sondern  als  einen  allerdings  bedeutend  weniger  dauerhaften 
Schmuck  nur  mittelst  Lackfarben  oder  kalter  Vergoldung  auftragen  lassen,  ein 
Schmuck,  der  allerdings  heute,  da  diese  Farben  auf  die  Dauer  ihre  Frische  nicht 
beibehalten  konnten,  meist  trübe  und  schmutzig  und  darum  nicht  immer  sehr  er- 
freulich wirkt,  früher  jedoch,  wie  heute  einige  noch  besser  erhaltene  Stücke  zeigen, 
jedenfalls  sehr  zum  festlichen  Gesamteindruck  dieser  glänzenden  Erzeugnisse 
beigetragen  haben  wird.  Nach  diesen  muß  daher  auch  der  ästhetische  Wert  dieser 
Verzierungsart  beurteilt  werden,  dahingegen  sich  ihr  technischer  von  selber  durch 
ihre  Unhaltbarkeit  verurteilt  hat. 

Unverkennbar  jedoch  hat  hier  die  schwarze  Farbe  der  Glasur  Böttger  an 
die  bekannten  gleichfarbigen  japanischen  Lackarbeiten  erinnert,  die  damals  gleich- 
falls mit  dem  Porzellan  in  größeren  Mengen  aus  Ostasien  nach  Europa  gelangten, 
von  denen  der  König  damals  auch  eine  recht  stattliche  Anzahl  besaß,  die  freilich 
später  fast  ganz  zugrunde  gegangen  ist.  Auf  einmal  taucht  hier  ein  unverkennbar 
ostasiatisches  Element  auf,  wie  es  in  dieser  Treue  sonst  kaum  in  dieser  ganzen 


Malereien  auf  der  schwarzen  Glasur. 


139 


Kunst  vorkommt.  Graziöse  Blatt-  und  Blütenzweige,  kleine  Landschaftsausschnitte, 
Häusergruppen,  Figuren,  Hausgeräte  u.  dergl.  finden  sich  vielfach  leicht  über  die 
größeren  Flächen  der  Glasur  hingestreut,  die  unmittelbare  Kopien  nach  derartigen 
Lackarbeiten  zu  sein  scheinen.  Auch  ist  die  Farbenstimmung  diesen  sehr  verwandt, 
wo  nicht  dieselbe  (Abb.  47  u.  48).  Die  Grundfarbe  der  Zeichnung  ist  Gold,  entweder 
als  geschlossener  Farbenauftrag  oder  als  breitere  Konturierung,  dazu  kommen  be- 
scheidene farbige  Zutaten  in  rötlichen,  weißlichen,  bräunlichen,  früher  wohl  auch 
grünlichen  Tönen.  Es  ist  eine  Malerei  von  einem  Charakter,  wie  er  sich  sonst 
nirgends  wieder  auf  den  keramischen  Erzeugnissen  Böttgers  findet,  wie  er  sich  auch 
sonst  in  der  gleichen  Treue  der  Nachbildung  chinesischer  Vorbilder  damals  in 
der  Kunst  nur  selten  wiederholt  hat.  Dieselben  Farben  aber  werden  dann  vielfach 
noch  benutzt,  um  an  den  von  chinesischen  abgeformten  Stücken  die  durch  das 
Aufliegen  der  dicken 
Glasur  ganz  unklar  ge- 
wordenen Reliefs  wie- 
der klar  vom  Grunde 
zu  lösen   (Abb.  48). 

Daneben  freilich 
kommt  in  diesen  Male- 
reien auch  die  freie 
Phantasie  und  das 
europäische  Kunstele- 
ment zur  vollen  Gel- 
tung. Es  beginnen 
hier  schon  jene  freie- 
ren, zum  Teil  etwas 
grotesken  Dichtungen 
über  das  Leben  und 
Treiben  der  Chinesen 
und  Japaner,  die  man  allgemein  als  ,,Chinoiserien"  zu  bezeichnen  pflegt  und  die 
vor  allem  unmittelbar  nach  Böttgers  Tode  durch  den  Emailmaler  und  späteren 
künstlerischen  Leiter  der  Manufaktur  Herold  im  Meißner  Porzellan  noch  eine  so 
große  Rolle  spielen  sollten.  Doch  verschwindet  oft  auch  jedes  fremdländische 
Element,  und  nun  füllen  die  Flächen  naturalistisch  gehaltene  Blumenstücke,  Aus- 
schnitte aus  Grotesken  im  Stile  Berninis  oder  das  sogenannte  Laub-  und  Bandel- 
werk usw.  aus,  kurz  jene  ganze  Ornamentik,  die  für  diese  Zeit  des  Barocks 
charakteristisch  ist.  Alle  aber  sind  sie  sehr  farbig  'gehalten,  dagegen  tritt  das 
Gold  hier  stark  zurück.  Die  Gesamterscheinung  dieser  Stücke  ist  dadurch  nicht  so 
glänzend,  wie  die  der  früheren  Gruppe,  dafür  aber  war  sie  sicherlich  farbig  lustiger, 
wenn  freilich  auch  gerade  diese  Gattung  infolge  des  Trübwerdens  der  vielfach  sehr 
breiten  Färb  flächen  jetzt  von  allen  wohl  den  am  wenigsten  günstigen  Eindruck 
macht. 


Abb.  49.    Bottgersteinzeng,  schwarz  glasiert,  mit  bis  znr  roten  Masse  dnrcfageschliffener 
Ornamentik.   König-1.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  Flasche  17  cm. 


140 


Das   Böttgersteinzeug. 


Abb.  50.    Böttgersteinzeug:,  mit  Emailfarben  bemalt. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden,    Höhe  der  Kaffeekanne  15,5  cm. 


Doch  Böttger  wäre  nicht  der  vielseitige,  rastlos  Neues  kombinierende  Geist 
gewesen,  als  welcher  ihn  seine  ganze  übrige  Tätigkeit  zeigt,  hätte  er  nicht  diese 
schwarze  Glasur  auch  noch  zu  mancherlei  anderen  dekorativen  Wirkungen  be- 
nutzt. So  findet  sich  einmal  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum  ein  vorzüglich 
erhaltener  Bierkrug,  dessen  Grund  auf  der  Glasur  eine  gesprenkelte,  aventurin- 
artige  Zeichnung  erhalten  hat,  so  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  eine  kleine 
plastische  Schöpfung,  eine  Kindergruppe,  die  schwarz  glasiert  und  mit  bunten 
Lackfarben  bemalt  ist  (Abb.  67).  Die  schönste  Bereicherung  jedoch  erfuhr  diese 
Gattung  dadurch,  daß  Böttger  gelegentlich  auch  noch  das  Glasieren  und  Schneiden 
miteinander  verband,  indem  er  gerade,  wie  beim  schwarzgewordenen  Steinzeug 
Ornamente  durch  die  Glasur  bis  in  die  rote  Masse  hineinschneiden  ließ,  so  daß 
nun  ein  roter  Schmuck  auf  schwarzem  Grunde  stand,  eine  Polychromie,  die 
wiederum  nur  mit  dem  Gefäße  selber  zugrunde  gehen  konnte,  zu  ganz  besonders 
reizvoller  Harmonie  aber  sich  an  Stücken  aus  dunkler  getönter  Masse  erhob  (Abb.  49). 

Bei  allen  diesen  Bestrebungen,  das  schwarz  glasierte  Steinzeug  künstlerisch 
reicher  auszugestalten,  war  Böttger  vor  allem  auf  die  Erhöhung  der  koloristischen 
Wirkung  seines  Steinzeugs  ausgegangen.  Er  hat  dies  auch  vielfach  beim  unglasierten 
versucht,  wenn  auch  hier  immer  die  plastische  Wirkung  die  Hauptsache  geblieben 
ist.  Namentlich  Vergoldungen  kommen  häufig  vor,  die  freilich  noch  nicht  ein- 
gebrannt werden  konnten,  dafür  jedoch  vortrefflich  auf  dem  braunen  Grunde 
standen.  Sie  erscheinen  hier  entweder  als  Ornamente  für  sich  (Abb.  16),  oder  als  Er- 
höhungen und  Belebungen  der  plastischen  Ornamente,  namentlich  der  aufgesetzten 
Reliefs.  Ihre  Verwendung  ist  hierbei  wieder  sehr  zurückhaltend  und  mit  großem  Ge- 


Weitere  Ausschmückung. 


141 


schmack  erfolgt  (Abb.  16).  Daneben  aber  finden  sich  auch  gerade  wie  bei  den  chine- 
sischen Steinzeugen  eingebrannte  Emailfarben  in  gelb,  grün,  blau  und  weiß,  diese  alle 
von  heller  lichter  Tönung^^^).  Sie  sind  fast  immer  an  geformten  Gegenständen  an- 
gewandt und  dienen  hier  gleichfalls  meist  zur  Betonung  der  nicht  sehr  heraustreten- 
den Reliefs.  Doch  kommen  gelegenthch  auch  ornamentale  Malereien  unmittel- 
bar auf  dem  flachen  Grunde  vor.  Schheßlich  aber  ging  Böttger  so  weit, 
nach  der  Sitte  der  Zeit,  die,  wie  das  Grüne  Gewölbe  in  Dresden  zur  Genüge 
zeigt,  gern  kostbare  Materiaüen  miteinander  verband,  um  dadurch  ihren  gegen- 
seitigen Wert  zu  erhöhen,  sein  keramisches  Material  gleichfalls  mit  edleren  Materi- 
alien in  Verbindung  zu  bringen.  Daß  man  hierbei  die  Gefäße  montierte,  d.  h.  daß 
man  ihnen  Einfassungen  und  Verzierungen  von  Metall,  namentlich  von  ver- 
goldetem Silber  gab,  ist 
selbstverständlich.  Einige 
sehr  schöne  Stücke  dieserArt 
in  Verbindung  mit  Schmelz- 
arbeiten  haben  sich  im  Grü- 
nen Gewölbe  erhalten  (Abb. 
51).  Origineller  war  schon, 
daß  man  vielfach  Filigran- 
arbeiten aus  Silberdraht,  die 
die  Gefäße  meist  als  Bänder 
umziehen,  anbrachte.  Dann 
aber  hat  man  die  Gefäße 
auch  mit  Edelsteinen  besetzt, 
mit  Türkisen,  vor  allem 
aber  mit  böhmischen  Gra- 
naten, die  man  meist  recht 
reizvoll  in  der  Mitte  der 
aufgesetzten  Blumen  an- 
brachte 2**).  Doch  mit  allen  diesen  Verschönerungsmitteln  verließ  Böttger  schon 
den  eigentlichen  Boden  der  Keramik,  deren  Reich  ausschließlich  das  im  Feuer 
Geborene  zu  sein  pflegt,  wenn  er  auch  seiner  eigenen  Zeit  eine  sicherlich  sehr 
interessante  und  willkommene  Spezialität  damit  schuf.  Es  war  aber  auch  sicher- 
lich auf  rein  keramischem  Wege  nach  so  vielen  anderen  Verzierungsarten  für  sein 
neues  Material  nichts  Neues  mehr  aufzufinden. 

Unerschöpflich  erwies  sich  dagegen  in  der  Tat  die  rein  praktische  Verwendungs- 
möglichkeit desselben.  Die  Fülle  der  aus  ihm  geschaffenen,  den  verschiedensten 
Zwecken  dienenden  Gegenstände  ist  in  der  Tat  erstaunlich.  Man  erkennt  auch 
hier  wieder  aus  den  uns  heute  noch  erhaltenen  Gegenständen  deutlich  genug, 
wie  sehr  Böttger  es  am  Herzen  gelegen  haben  muß,  das  Anwendungsgebiet  seines 
neuen  Materials  nach  allen  Seiten  zu  erweitern.  Da  sind  Tassen,  Teetöpfe,  Tee- 
dosen und  Kaffeekannen    in   den    verschiedensten    Formen,  da  gibt  es  Schalen, 


Abb.  51.    Böttgersteinzeng:,  geschliffen,  mit  Qoldschmiedearbeit  verziert. 

(Aus  einem  Aufsatze  Dingling-ers). 
Grünes  Gewölbe,  Dresden.     Höhe  15  cm. 


Abb.  52.    BSttgersteinzeug;.    Große  Deckelvase,  geschliffen,  mit  Lackmalerei  in  Qold. 

Königl.  Porzellansammlun^,  Dresden.     Höhe  62,5  cm. 


Gegenstände. 


143 


Zuckerdosen,  Löffel,  Messergriffe,  Salzfässer,  Bierseidel,  Leuchter,  Flaschen,  Becher, 
Schenkkannen,  Petschafte  und  Flakons.  Dann  große  mörserartige  Gebilde, 
die  damals  Schwenkkessel  genannt  wurden  und  wohl  zum  Ausspülen  von  Gläsern 
dienten  (Abb.  16  u.  18),  ferner  große  Deckelschalen,  die  als  Pastetennäpfe  gedient 
haben  (Abb.  15).  Ganz  besonders  zahlreich  aber  stellt  sich  das  eigentliche 
Luxus-  und  Ziergerät  dar,  jene  Vasen,  Aufsätze  und  Pokale,  mit  denen 
man  damals  in  dem  prunkliebenden  Zeitalter  des  Barocks  Kamine, 
Schränke,  Tische  und  Konsolen  zu  besetzen  liebte.  An  ihnen  ist  die  ganze  Kunst, 
die  diesem  Material  durch  Böttger  zuteil  geworden  ist,  am  reichsten  und 
vollendetsten  zur  Durchführung  gekommen,  und  so  sind  sie  vielfach  Schöpfungen 
geworden,  denen  an  Qualität  und  Delikatesse  nicht  viel  andere  keramische  Dinge 
zur  Seite  zu  stel- 
len sind.  Bewun- 
derswert  ist  aber 
an  vielen  Stücken 
die  Größe.  Ist  es 
ja  auch  Böttger  in 
dieser  Beziehung, 
wie  bereits  er- 
wähnt, nie  gelun- 
gen, die  aufs  höch- 
ste gespannten 
Erwartungen  des 
Königs,  die  in 
dem  Gründungs- 
patente der  Ma- 
nufaktur so  deut- 
lich zum  Ausdruck 
gekommen  waren, 
vollauf  zu  befrie- 
digen,   so   hat  er 

doch  immerhin  in  dieser  Beziehung  keramisch  sehr  Achtbares  geleistet,  wenn 
er  Vasen  von  62  cm  Höhe  (Abb.  20  u.  52)  und  Schalen  von  48  cm  Breite  (Abb.  25) 
tadellos  zu  Wege  zu  bringen  gewußt  hat.  Sie  werden  ihm  freilich  bei  der  Klein- 
heit seiner  Brennöfen  genug  Mühe  bereitet  haben. 

Ein  ganz  besonderes  Interesse  aber  hat  dann  Böttger  sichtbar  daran  gehabt, 
sein  Material  auch  in  den  Dienst  der  reinen,  zwecklosen  Kunst  zu  stellen,  einmal 
um  dadurch  sein  Anwendungsgebiet  wieder  um  ein  Beträchtliches  zu  erweitern, 
dann  auch  wohl,  um  das  Ansehen  desselben  dadurch  zu  steigern,  daß  er  es  mit 
den  sonstigen  edleren  Materialien  der  Plastik,  wie  Marmor,  Bronze  usw.  auf  eine 
Stufe  stellte.  Dadurch  aber  hat  Böttger  auch  eine  bedeutende  Tat  für  die  Plastik 
getan:  denn  zum  ersten  Male  seit  der  Antike  gab  es  nun  wieder  eine  spezifisch 


Abb.  53.    BSttgersteinzeug.    Fig^nren,  von  chinesischen  Arbeiten  abgeformt 

König-1.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hohe  der  mittleren  Figfur  lo  cm. 


144 


Das  Böttgersteinzeug. 


keramische  Skulptur  und,  wenn  sie  auch  damals  noch  ziemlich  gering 
geblieben  ist,  so  ist  sie  es  doch  in  erster  Linie  gewesen,  die  bald  den  Anstoß  gab 
zu  einer  anderen  keramischen  Plastik,  die  eine  ganz  andere  Bedeutung  gewinnen 
und  eine  Entwicklung  finden  sollte,  die  sich  bis  auf  unsere  Tage  erstreckt  hat  und 
wohl  auch  niemals  ganz  wieder  aufhören  wird:  zur  Porzellanplastik.  Die  Plastik 
in  Böttgersteinzeug  muß  tatsächhch  als  die  Vorläuferin  dieser  betrachtet  werden, 
sie  ist  zum  Teil  auch,  wie  sich  später  herausstellen  wird,  unmittelbar  aus  dieser 

herausgewachsen.  Und  so 
ist  Böttger  auch  Begründer 
der  neueren  keramischen 
Plastik  geworden  und  hat 
dadurch  die  europäische 
Kunst  um  ein  beträcht- 
liches und  sehr  reizvolles 
Gebiet  erweitert. 

Anregung  zu  dieser 
neuen  Kunst  empfing  frei- 
lich Böttger  unzweifelhaft 
wiederum  von  der  chine- 
sischen Kunst.  Allerdings 
hat  es  hier  im  roten  Stein- 
zeug, wie  es  scheint,  nie 
eine  eigentliche  Plastik  ge- 
geben, obwohl  das  an  sich 
so  plastische  Material  sich 
dazu  gar  wohl  geeignet 
hätte,  um  so  reicher  da- 
gegen im  Porzellan,  das 
zwar  in  China  für  gewöhn- 
lich eine  mehr  auf  rein 
koloristische  Wirkungen 
ausgehende  Kunst  gewesen 
ist,  dennoch  aber  in  der  Pro- 
vinz Fuchien  eine  ganz  besondere  Speziahtät  geschaffen  hat,  die  infolge  einer  unge- 
wöhnhch  schönen  Masse  gänzhch  auf  farbige  Ausschmückung  verzichtete,  sich  viel- 
mehr allein  zur  Ausschmückung  von  Gefäßen  der  Plastik  bedient  hat.  Zahllose  große 
und  kleine  Götterbilder  und  symboMsche  Gebilde  sind  auf  diese  Weise  ge- 
schaffen worden;  realistische  Darstellungen  des  täglichen  Lebens,  Menschen  wie 
Tiere,  schlössen  sich  ihnen  an.  Es  findet  sich  viel  Dutzendware  darunter,  die 
kaum  auf  den  Namen  einer  höheren  Kunst  Anspruch  machen  kann,  doch  auch 
manches  erstaunhche  Werk,  in  dem  die  chinesische  Kunst  ihr  höchstes  Können 
entfaltet  hat.    Auch  jetzt  werden  derartige  Schöpfungen  noch  sehr  geschätzt. 


Abb.  54.    Böttgersteinzeug.    Großer  Kinderkopf. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hübe  15  cm. 


Plastik. 


145 


Es  war  klar,  daß  Böttger,  der  ja  sein  neues,  schon  Porzellan  genanntes  Material 
dem  der  Chinesen  zum  mindesten  gleichstellen,  wenn  nicht  dasselbe  beständig  über- 
treffen lassen  wollte,  diese  Plastik  nicht  allein  ihrem  Porzellan  überlassen  konnte. 
Er  mußte  zeigen,  daß  auch  sein  Material,  sollte  es  wirklich  dem  chinesischen  gleich- 
kommen, zu  diesen  Dingen  geeignet  wäre.  Mit  unmittelbaren  Abformungen 
chinesischer  Werke  begann  er  daher  wohl,  als  ihm  noch  keine  europäische  Kunst 
und  noch  kein  eigener  Künstler  für  diese  Zwecke  zur  Verfügung  standen,  und  so 
stammen  aus  dieser  Zeit  wohl  jene  schon  früher  erwähnten  Kuaninbilder^^^),  deren 
chinesisches  Porzellanvorbild  sich  noch  heute  in  der  Dresdner  Porzellansamm- 
lung erhalten  hat  (Abb.  36).  Ihnen  schlössen  sich  kleinere  Figürchen  an,  so 
namentlich  ein  häufig  vorkommender,  niederhockender  Chinese  (Abb.  53),  dann 
stehende  Figürchen,  von  denen  einige  fast 
wie  Abformungen  jener  kleinen  bekannten 
chinesischen  Specksteinfigürchen  aus- 
schauen, die  damals  gleichfalls  häufig  mit 
dem  Porzellan  und  den  Lackarbeiten  aus 
China  nach  Europa  gelangten  und  hier 
vielfach  gesammelt  und  zur  dekorativen 
Aufstellung  verwandt  wurden  (Abb.  53). 
Dann  aber  hat  man  sich  auch  auf  diesem 
Gebiete,  gerade  wie  bei  den  Gefäßen, 
vom  chinesischen  Geschmacke  losgesagt 
und  sich  durchaus  dem  rein  europäischen 
ergeben.  Allem  Anscheine  nach  handelt 
es  sich  jedoch  auch  hier  meistens  wieder 
um  Abformungen  von  anderen  Werken, 
die  Böttger  irgendwie  in  die  Hände  ge- 
fallen sind.  Hierfür  spricht  schon  die 
Verschiedenheit  des  Stils  dieser  Werke 
sowie    auch     ihrer    Motive.     Auch  stellt 

sich  in  der  Tat  ein  kleiner  Apollokopf  als  eine  getreue  Nachbildung  nach  Lorenzo 
Berninis  berühmter  Marmorgruppe  Apollo  und  Daphne  dar,  die  sich  in  der  Villa 
Borghese  zu  Rom  befindet  (Abb.  63),  während  ein  anderer  Kopf  die  Züge  des 
Kaiser  Vitellius  zeigt,  die  gleichfalls  nur  einem  antiken  Vorbilde  nachgebildet  sein 
können  (Abb.  55).  Neben  diesen  kleineren  Köpfen  findet  sich  dann  noch  eine 
größere  Kinderbüste  mit  seitwärts  geneigtem  Kopfe  (Abb.  54)  3^^),  ein  Putto,  der 
sich  eine  Muschel  hinters  Haupt  hält  (Abb.  66),  ein  Bergmann,  der  als  Leuchter 
gedient  zu  haben  scheint  (Abb.  10)  usw.  Vor  allem  aber  sind  dann  noch  jene  kleinen 
Statuetten  zu  erwähnen,  in  denen  Böttger  den  eigentlichen  Urheber  und  Förderer 
aller  seiner  Arbeiten  in  diesem  Materiale  zu  verewigen  getrachtet  hat,  den  König 
August  den  Starken  selber.  Zwei  Entwürfe  dieser  Art  scheinen  damals  gemacht 
zu  sein.    Für  gewöhnlich  erscheint   der  König  in  pomphaft-heroischer  Haltung, 


Abb.  55.    Böttgersteinzeug.    Kopf  des  Kaisers  Vitellias. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden,    Höhe  lo  cm. 


Zim  mermann,  Meißner  Porzellan. 


10 


146 


Das  Böttgersteinzeug. 


Abb.  56.    Böttgersteinzeug.    Figuren  aus  der  „italienischen  Komödie",  fast  ganz  geschliffen. 

Herzog-1.  Museum,  Gotha.     Höhe  der  mittleren  Fig-ur  19  cm. 


mit,  stolz  zurückgeworfenem  Kopf,  angetan  mit  Panzer  und  lang  herabwallendem 
Mantel,  auf  dem  Haupt  meist  ein  Lorbeerkranz  (Abb.  12),  somit  jeder  Zoll  ein 
König  der  absolutistischen  Zeit  ^^').  Daneben  findet  sich  jedoch  auch  'einmal  — 
im  Zähringer  Museum  zu  Karlsruhe  —  eine  etwas  größere,  schwarz  glasierte 
Statuette  mit  kalter  Vergoldung,  die  etwas  weniger  heroisch  und  pomphaft  er- 
scheint.    Der  König  trägt  hier  auch  eine  Allongeperücke. 

'  !  Alle  diese  genannten  Figuren  wurden  geformt,  wie,  ganz  abgesehen  von 
ihrem  häufigeren  Vorkommen,  schon  die  Formennähte  beweisen,  die  an  vielen  der- 
selben ziemlich  störend  hervortreten.  Die  Formung  fiel  meistens  wieder  etwas  matt 
aus,  so  daß  Augen,  Fingernägel,  Falten  u.  dergl.  noch  nachträglich  nachbossiert 
werden  mußten.  Einige  Male  wurden  die  Figuren  auch,  wie  erwähnt,  mit  schwarzer 
Glasur  überzogen  und  auch  die  Kinderköpfe,  die  große  Flächen  darboten, 
vielfach  ganz  geschliffen.  Daneben  gibt  es  aber  noch  eine  ganze  Reihe 
von  Arbeiten,  die,  da  sie  keine  Formnähte  zeigen  und  sich  bisher  auch 
so  gut  wie  immer ^^^)  nur  in  einem  einzigen  Exemplare  haben  nachweisen 
lassen,  durchaus  als  Einzelarbeiten  in  diesem  Materiale  anzusehen  sind.  Die 
Zahl  der  Werke  dieser  Art  ist  freilich  nicht  groß,  aber  es  handelt  sich  hier 
immer  um  ausgezeichnete  künstlerische  Arbeiten,  an  denen  das  Material  des  Stein- 
zeugs wieder  mit  dem  höchsten  technischen  Raffinement    behandelt   worden    ist. 


Einzelwerke. 


147 


Abb.  57.    Böttg^ersteinzens:.    Pig^nren  ans  der  „italienischen  Komödie",  fast  ganz  geschliffen. 
Herzogl.  Museum,  Gotha.     Höhe  der  mittleren  Figur  16  cm. 


Die  schönsten  Stücke  dieser  Art  befinden  sich  im  Herzoglichen  Museum  zu  Gotha. 
Hauptwerk  ist  hier  ein  40  cm  hohes,  auf  einem  Barocksockel  sich  erhebendes 
Kruzifix,  ein  edles,  ruhiges  Werk  von  einem  unbekannten,  nicht  unbedeutenden 
Künstler  modelliert,  zugleich  eine  keramische  Arbeit,  deren  technische  Verfeine- 
rung nicht  mehr  zu  überbieten  war.  Denn  Sockel  wie  Figuren  sind  hier  aus 
dunkelbrauner,  leicht  marmorierter  Masse  hergestellt,  indes  das  Kreuz  die  hellere 
zeigt,  dann  aber  ist  alles,  mit  Ausnahme  des  Lendenschurzes  des  Heilandes,  poliert, 
so  daß  das  Ganze  wie  aus  kostbarem,  edlem  Gestein  gefertigt  erscheint.  Es  ist 
eine  ganz  hervorragende  Tat  der  Kunst  wie  der  Technik  (Abb.  58). 

Daneben  gibt  es  hier  im  Böttger-Steinzeugschonsechs  Figuren  jener  italienischen 
Komödie,  die  später  im  Porzellan  noch  eine  so  große  Rolle  spielen  soUte.  Alle  sind 
sie  lebhaft  grotesk  bewegt  mit  dem  erregten  Gestenspiel  und  dem  phantastischen 
Kostüm,  das  zu  ihren  Rollen  gehört.  In  technischer  Beziehung  jedoch  sind  sie 
gerade  umgekehrt  behandelt  wie  das  genannte  Kruzifix:  hier  sind  die  Kleider  ge- 
schliffen, indes  das  Fleisch  ungeschliffen  geblieben  ist.  So  erkennt  man  in  dieser 
abweichenden  Behandlung  das  Bestreben,  Körper  wie  Gewandung  durch  verschieden- 
artige Oberflächenbehandlung  deutlich  voneinander  abzuheben,  dabei  aber  in 
jedem  Falle  doch  der  Technik  des  Schleif ens,  als  der  das  Material  veredelnden  das 

10* 


Abb.  58.    BSttgersteinzeug.    Kruzifix,  znm  größten  Teil  geschliffen. 

Herzogl.  Museum,  Gotha.     Höhe  40  cm. 


Medaillons.  149 

Übergewicht  zugeben.  Rein  künstlerisch  genommen,  stellen  sich  auch  diese  Arbeiten 
als  recht  achtbare  Leistungen  dar^^^)  (Abb.  56  u.  57).  Verwandte  Figuren  haben  sich 
dagegen  bisher  nur  an  wenigen  Stellen  nachweisen  lassen.  Ein  vornehmer  Mann  in 
stolzer  Haltung,  angetan  mit  kurzem  Pelzmantel  und  der  Pelzmütze  auf  dem  Kopf, 
sicherlich  ein  Woywode,  der  auf  die  durch  den  König  damals  so  eng  gewordenen 
Beziehungen  zwischen  Sachsen  und  Polen  hinweist,  befindet  sich  im  Herzog- 
lichen Museum  in  Braunschweig  (Abb.  64),  ein  nackter  Jüngling  mit  pathetisch 
erhobenen  Händen,  der  sich  an  einen  Baumstamm  lehnt,  im  Berliner  Kunst- 
gewerbemuseum, ein  Bauer  mit  seltsam  verzerrter  Grimasse  und  übereinander 
gelegten  Händen  in  der  Sammlung  Heidelbach  zu  Paris  (Abb.  69)^'°).  Sehr  häufig 
können  derartige  Einzelschöpfungen  demnach  nicht  gemacht  worden  sein.  Es 
handelt  sich  ja  aber  hier  auch  in  der  Tat  um  Arbeiten,  die  nicht  mehr  als  Fabrikr 
wäre,  sondern  schon  als  reine  Kunstwerke  anzu- 
sehen sind. 

Neben  diesen  plastischen  Rundschöpfungen  lag  es 
dann  aber  für  Böttger,  der  ja  so  vielfach  seine  Gefäße 
durch  Relief  Zieraten  ausschmücken  ließ,  ungemein 
nahe,  die  reine  Kunst  in  seinem  Materiale  auch  durch 
Herstellung  von  Reliefs  zu  erweitern,  deren  Her- 
stellungstechnik naturgemäß  wieder  die  Formung 
war,  bei  der  man  sich  hier  Gipsformen  bediente  ^'^). 
Ausdrücklich  hat  Böttger  unter  den  Dingen,  die  er 
aus  seinem  Steinzeug  machen  ließ,  auch  „Basreliefs" 
erwähnt.    Eine  ganze  Reihe  solcher  Rehefs  hat   sich       ^"^^^  s^-,.»»"»"*'''"." "l"  ^'?°"1.°" 

'='  ...  °"t  "B"!  Bildnis  Maria  der  Katholischen 

erhalten,    unter  denen  als  typische  Spezialität  kleine  von  England. 

Medaillons    erscheinen,    die    in    schwach     erhabenen         (Nach  einer  Medaiiie  von  xrezzo.) 

Kunigl.  Porzellansammlung,  Dresden. 

Reliefs    die  Porträts  bekannter  Persönlichkeiten,  vor  Durchmesser  $,$  cm. 

allem  von  Zeitgenossen,  zeigen.     So  erblickt  man  auf 

derartigen  Arbeiten  in  der  Königlichen  Porzellansammlung  zu  Dresden  den  Zar 
Peter  den  Großen  (Abb.  65),  den  Vater  König  August  des  Starken  Johann 
Georg  IV.  (Abb.  62),  auf  gleichen  Arbeiten  des  Herzoglichen  Museums  in  Gotha: 
den  damaligen  Papst  Clemens  XI.  (Abb.  27),  weiter  vermutlich  den  Herzog 
Friedrich  II.  von  Gotha  und  das  Porträt  Böttgers  selber 3'2)  (Abb.  1).  Ob  es  sich 
hier  aber  um  originale  Arbeiten  oder  in  der  Hauptsache  um  Abförmungen  von 
Medaillen  handelt,  hat  sich  zurzeit  noch  nicht  feststellen  lassen.  Als  sichere  Ab- 
formung  nach  einer  solchen  kann  bisher  nur  ein  kleines,  im  Besitz  der  Dresdner 
Porzellansammlung  befindhches  Medaillon  mit  dem  Bildnis  Maria  der  Katholischen 
bezeichnet  werden :  es  ist  von  einer  bekannten  Medaille  des  italienischen  Medailleurs 
Jac.  Trezzo  aus  dem  Jahre  1555  abgeformt  worden  (Abb.  59.)  Doch  ist  auch  für 
alle  übrigen  Stücke  ein  derartiges  Herstellungsverfahren,  da  sie  Medaillen  durch- 
aus ähnlich  erscheinen,  wohl  anzunehmen.  Auch  eigneten  sich  diese  durch  ihre 
relativ  schwache  Erhebung  recht  gut  für   die  Abformung   in   dem    etwas   zähen 


-150 


Das  Böttgersteinzeug. 


Material.  Technisch  sind  sie  fast  alle  gleich  behandelt,  es  ist  auch  hier  wieder 
wie  bei  den  freihändigen  Figuren  der  Gegensatz  zwischen  Geschhffenem  und  Nicht- 
geschliffenem  ausgenutzt  worden.  Der  Grund  dieser  Medaillen  erscheint  dabei 
fast  immer  geschliffen,  wobei  auch  der  Gegensatz  zwischen  der  geschwärzten  und 
der  rot  gebhebenen  Masse  gelegenthch  ausgenutzt  worden  ist.  So  stellen  sich 
diese   Gegenstände   in  der  Tat  als  sehr   reizvolle    und   delikate  Erzeugnisse  dar, 

die  das  allgemeine  Kunst- 
niveau dieses  Materials 
wiederum  um  ein  be- 
trächtliches erhöhen. 

Daneben  aber  kom- 
men bisweilen  auch 
größere  Reliefs  vor,  wie 
es  scheint  ausschließlich 
religiösen  Inhalts,  die 
sämtlich,  soweit  sie  bis- 
her bekannt  sind,  in 
der  Porzellansammlung 
zu  Dresden  vertretensind. 
Das  größte  Relief  dieser 
Art,  das  20  cm  in  der 
Höhe  und  16  cm  in  der 
Breite  mißt,  stellt  in 
starker  Erhebung  den 
schmerzvoll  erhobenen 
Kopf  eines  alten  Heiligen 
dar  im  pathetischen  Stil 
der  Barockkunst  (Abb. 
60).  Ein  bedeutend  klei- 
neres Relief  zeigt  gleich- 
falls in  stärkerer  Erhe- 
bung als  Bruststück 
Judith  mit  dem  Kopf 
des  Holofernes  in  ver- 
wandter Kunstauffassung 
(Abb.  61)  während  ein  anderes,  nur  sehr  schwach  erhabenes  die  Madonna  mit  dem 
Jesusknaben,  dem  heiligen  Joseph  und  dem  Johannesknaben  vorführt  (Abb.  68). 
Letzteres  hat  sich  wegen  seiner  Dünnheit  stark  im  Brande  gezogen  und  ist 
auch  sonst  noch  ziemlich  mäßig  ausgefallen.  Geschliffen  ist  an  allen 
diesen  Stücken  nur  der  Grund  des  Judithreliefs.  Geradezu  auffallend  jedoch 
erscheint  der  katholische  Inhalt  aller  dieser  Reliefs.  Bedenkt  man  aber, 
daß  unter  den  Medaillons   sich  auch  der  damalige   Papst   wie  die   schon  längst 


Abb.  6o.    Böttgersteinzeug.    Großes  Relief  mit  dem  Kopf  eines  Märtyrers. 
König^l.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hohe  20  cm. 


Reliefs. 


151 


verstorbene  Maria  die  Katholische  von  England  befinden,  so  wird  man  wohl  zu 
der  Vermutung  gedrängt,  daß  entweder  der  so  ganz  gegen  den  Willen  seines 
Volkes  katholisch  gewordene  König  sie  selber  bestellt  hat  oder  daß  diesem  durch 
ihren  Inhalt  in  diesem  Zeitalter  höfischer  Schmeichelei  eine  ganz  besondere  Auf- 
merksamkeit erwiesen  werden  sollte.  Für  das  große  Publikum  können  sie  kaum 
bestimmt  gewesen  sein. 

Damit  jedoch  war  Böttger,  nachdem  er  nun  sein  künstlich  erzeugtes  kera- 
misches Material  auch  der  reinen  Kunst  übergeben 
hatte,  mit  dessen  Ausnutzung  in  künstlerischer 
wie  technischer  Beziehung  zu  Ende,  und  er  hatte 
damit  auch  wahrlich  genug  getan.  In  der  Tat, 
es  wird  nach  allem  dem,  was  gesagt  worden,  wohl 
niemand  im  Zweifel  sein,  daß  es  niemals  ein  kera- 
misches, ja  überhaupt  nur  ein  Kunstmaterial  ge- 
geben hat,  das  in  so  kurzer  Zeit  zu  solcher 
Durchbildung,  zu  solcher  Mannigfaltigkeit,  zu  sol- 
cher Veredlung  gelangt  ist  wie  dieses.  Überreich 
in  den  Spielarten,  edel  und  einfach  in  den  For- 
men und  in  der  mannigfachsten  praktischen  Ver- 
wendung, bietet  es  sich  in  der  Tat  dar  als  eine 
der  glänzendsten  Taten  der  bisherigen  Keramik, 
der  auch  wohl  in  Zukunft  diese  nicht  allzuviel 
gleiche  noch  wird  zur  Seite  setzen  können.  Zu- 
gleich aber  tritt  wohl  in  ihr  der  so  ungemein  rege, 
immer  erfinderische  und  niemals  in  Verlegenheit 
geratene  Geist  Böttgers,    des  Urhebers  aller  dieser 

Dinge,  uns  heute  noch  am  sichtbarsten  vor  die  Augen,  viel  klarer  und  deuthcher 
als  durch  alles  das,  was  man  über  ihn  aus  dem  Moder  der  Akten  und  sonstigen 
Dokumente  seiner  Zeit  wieder  herauszuheben  und  zu  neuem  Leben  zurückzuführen 
vermag,  und  wir  gewinnen  ihr  gegenüber  das  Gefühl,  daß  auch,  wenn  Böttger 
die  größte  Tat  seines  Lebens,  die  Erfindung  des  Porzellans  und  seine  wirkliche 
Ausnutzung  nicht  gelungen  wäre,  dennoch  sein  Name  niemals  vergessen  worden 
wäre,  vielmehr  sein  Träger  immer  als  einer  der  bedeutendsten  Keramiker  aller 
Zeiten  dagestanden  hätte,  der  die  Keramik  um  ein  wirklich  bedeutendes  Kapitel 
bereichert  hat.     Das  ist  schon  des  Ruhmes  genug  für  einen ! 


Abb.  6i.    Bottgfersteinzeug.    Relief  mit  der 
Darstellung  der  Judith. 

Künigl.  Porzellansammlungf,  Dresden. 
Höhe  II  cm. 


V.  Die  Meißner  Manufaktur  als  Porzellanfabrik  (1713-1719). 


Abb.  62.    Bötfgersteinzeug.  Medaillon 
mit  dem  Bildnis  des  Kurfürsten 
Johann  Georg  IV.  von  Sachsen. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden. 
Höhe  9  cm. 


Die  Erfindung  der  farbig  gefleckten  Fliesen  sowie 
die  im  Anschlüsse  daran  erfolgte  des  roten  Steinzeugs 
hatte  für  die  des  Porzellans  keine  Verzögerung  und 
keinen  nutzlosen  Kräfteaufwand  bedeutet.  Im  Gegen- 
teil, sie  war  der  eigentliche  Wegweiser  zu  diesem  Ziele 
gewesen,  ohne  den  Böttger  vielleicht  niemals  dasselbe  er- 
reicht hätte,  ja  nur  zu  leicht  wieder  auf  jene  Abwege 
geraten  wäre,  die  alle  seine  Vorgänger  bisher  so  völlig 
weit  vom  eigentlichen  Ziele  abgeführt  hatten.  Für  die 
Brauchbarmachung  des  Porzellans,  für  seine  fabrik- 
mäßige Herstellung  jedoch  stellte  sich  namentlich 
letztere  Erfindung  als  der  Hemmschuh  dar,  der  sie  weit 
langsamer  zur  wirklichen  Ausreifung  brachte,  als  es 
wohl  ohne  jene  ersten  Erfindungen  geschehen  wäre. 
In  dem  sichtbaren  Bestreben,  möglichst  schnell  dem 
Könige,  den  er  bisher  so  lange  schon  durch  seine  alchi- 
mistischen Mißerfolge  in  seinen  schönsten  Hoffnungen 
betrogen  hatte,  endlich  etwas  wirklich  Brauchbares  und  finanziell  .Verwertbares 
in  die  Hände  zu  geben,  hatte  er  die  an  sich  minderwertigere,  aber  viel  leichter  aus- 
nutzbare Erfindung  des  roten  Steinzeugs  der  bedeutend  kostbareren,  aber  auch 
viel  schwerer  zu  verwertenden  des  Porzellans  vorgezogen,  ihr  zunächst  seine  ganze 
Zeit,  seine  ganze  Kraft,  seine  ganzen  Mittel  zur  Verfügung  gestellt  und  darüber 
die  weitere  Ausbildung  des  Porzellans  stark  vernachlässigt,  sie  auf  freiere  Tage 
verschiebend,  war  aber  auch  dann  noch  durch  alle  seine  vielen  Nebenbeschäfti- 
gungen und  sein  rastloses  Weiterstreben  nach  allen  möglichen  Zielen  hin  in 
dieser  Tätigkeit  durchaus  behemmt  worden. 

Und  doch  verlangte  gerade  das  Porzellan,  ebenso  wie  zu  seiner  Erfindung, 
die  ja  eigentlich  eine  doppelte  war,  auch  zu  seiner  weiteren  Durchbildung,  zu  seiner 
Herrichtung  für  eine  fabrikmäßige  Ausnutzung  eine  ganze  Kraft,  die  wiederum  mit 
scharfem  Geist,  vieler  Umsicht  und  niemals  in  Verlegenheit  geratender  Gewandheit 
gepaart  sein  mußte.  Denn  nicht  umsonst,  d.h.  nicht  ohne  Aufwand  großer  geistiger 
Mittel,  kann  das  edelste  Produkt  der  Keramik  gewonnen  werden :  nicht  nur  seine 
einmalige  Erfindung  war  eine  große  Tat,  auch  seine  regelmäßige  Herstellung,  seine 
Erzeugung  und  Ausnutzung  im  großen  eine  schwierige  Sache,  und  daß  auch  diese 


Schwierigkeiten  der  Porzellanfabrikation. 


153 


Böttger  gelang,  ganz  ohne  irgendwelche  Beihilfe  und  in  verhältnismäßig  so  kurzer, 
noch  dazu  auch  von  anderen  Dingen  so  stark  in  Anspruch  genommener 
Zeit,  das  ist  ein  neues  Verdienst  des  Erfinders  des  Porzellans,  das  neben  dem 
seiner  eigentlichen  Erfindung  bisher  wohl  noch  niemals  genügend  betont  worden 
ist,  das  ist  ein  Verdienst,  das  Böttgers  große  und  ganz  ungewöhnUche  Begabung 
noch  einmal  in  der  glänzendsten  Beleuchtung  zeigt,  noch  einmal  ihn  in  die  erste 
Reihe  der  Keramiker,  ja  der  Techniker  überhaupt  stellt,  ja  das  allein  genügen  würde, 
Böttgers  Name  für  alle  Zeiten  in  der  Geschichte  der  Techniken  zu  einem  der  ange- 
sehensten zu  machen.  Er  hat  damit  würdig  und  wahrhaft  glänzend  die  keramische 
Mission,  die  ihm  das  Schicksal  gestellt  hat,  zu  Ende  geführt. 

Diese  besonderen  Schwierigkeiten  des 
Porzellans,  die  es  so  weit  abrücken  von  allen 
übrigen  keramischen  Erzeugnissen  der  Welt, 
beruhen  in  erster  Linie  auf  seinem  ganz  be- 
sonderen und  äußerst  kapriziösen  Verhalten 
im  Brande:  das  Porzellan,  d.h.  die  Porzellan- 
masse, ist  vor  dem  Brande,  wie  alle  kerami- 
schen Tone,  ein  sogenannter  plastischer  Stoff, 
d.  h.  ein  Stoff,  der  innerhalb  gewisser,  durch 
die  Schwerkraft  seiner  Masse  bestimmter  Gren- 
zen jegliche  Form  und  Gestalt  annimmt,  die 
ihm  des  Menschen  Hand  zu  geben  beliebt. 
Es  gehört  in  dieser  Beziehung  nicht  zu  den  ke- 
ramisch dankbarsten  Stoffen,  da  die  meisten 
rein  keramischen  Tone  diese  Eigenschaft  in 
noch  weit  höherem  Grade  besitzen,  immerhin 
aber  ist  sie  auch  ihm  in  durchaus  genügender 
Weise  eigen.  Doch  im  Scharffeuer  des  Gar- 
brandes, in  jener  gewaltigen  Glut,  die,  wenn 
sie  ihm  gegenüber  ihre  vollen  Dienste  tun  soll,  sich  bis  zur  gewaltigen  Höhe  von  fast 
1500  •*  erheben  muß,  welche  Veränderung  seines  ganzen  Wesens !  In  dieser  Glut  ver- 
liert es  völlig  seine  innere  Festigkeit  im  Gegensatz  zu  so  gut  wie  allen  übrigen 
keramischen  Materien,  die  in  der  ihnen  zugebenden,  bedeutend  geringeren  Glut 
des  Garbrandes  nur  zusammentrocknen,  hier  erweicht  es  durch  seine  glas- 
artigen Bestandteile,  die  Flußmittel,  die  Glasur  fängt  an  zu  schmelzen,  zugleich 
beginnt  auch  die  Verdampfung  seiner  wässerigen  Bestandteile,  damit  der  Zu- 
sammentrocknungsprozeß,  die  ,, Schwindung".  Die  ganze  Porzellanmasse  gerät 
in  eine  innere  und  äußere  Bewegung,  und  es  hebt  bald  ein  Zerren  und  Ziehen 
an,  das  durch  die  nun  in  ihrer  Macht  gestärkte  Schwerkraft  eine  starke 
Neigung  nach  unten  zu  annimmt  und  nur  zu  leicht,  wenn  dieser  nicht  von 
vornherein  entgegengearbeitet  ist,  auch  wirklich  bis  zu  ihrer  letzten  Konsequenz 
durchführt. 


Abb.  63.    Bottgersteinzeng.    Apollokopf 
(nach  Bernini). 

Künig-1.  Porzellansammlung,  Dresden.   Höhe  10  cm. 


154  Die  Porzellanfabrik. 

Auf  diese  Veränderungen  im  Garbrand  hat  daher  die  ganze  Behandlung  des 
Porzellans  von  vornherein  die  größte  Rücksicht  zu  nehmen,  soweit  dies  überhaupt 
im  voraus  möglich  ist.  Die  Masse  muß  vorher  aufs  allersorgfältigste  durch- 
gearbeitet, sie  muß  völlig  homogen  sein,  damit  das  Erweichen  wie  auch  die  Schwin- 
dung überall  in  gleichem  Maße  vor  sich  geht.  Dann  muß  die  Masse  so  aus  ihren  ver- 
schiedenen Bestandteilen  zusammengesetzt  sein,  daß  ihr  Erweichen,  die  das  Gar- 
brennen herbeiführt,  zur  richtigen  Zeit,  d.  h.  bei  dem  gewünschten  Hitzegrade 
erfolgt,  und  schließHch  ist  es  nötig,  die  formale  Gestaltung  des  Porzellans  so  vor- 
zunehmen, daß  sie  gleichfalls  beide  Veränderungen  erträgt,  daß  sie  in  der  Glut 
des  Feuers  die  Masse  nicht  verzerren  und  nicht  zerreißen  läßt  oder  sie  zu  gänzlichem 
Um-  oder  Zusammenfallen  bringt.  Hauptschwierigkeit  aber  bleibt  dann  immer 
noch  der  Garbrand  selber,  seine  richtige  Leitung  von  Anfang  bis  zu  Ende,  sowie 
die  Konstruktion  der  dazu  verwandten  Öfen. 

Da  ist  zunächst  darauf  zu  achten,  daß  seine  Temperatur  nur  langsam,  aber 
dabei  durchaus  stetig  steigt,  damit  sich  die  einzelnen  Massenteilchen  nicht  sprung- 
weise nähern,  vielmehr  in  aller  Ruhe  und  Gleichmäßigkeit  jenes  kristallinische 
Gefüge  bilden,  das  für  das  echte  Porzellan  so  charakteristisch  ist.  Zu  hohe  Tempe- 
raturen führen  zum  Verziehen  oder  zum  Fließen,  die  Kapseln,  die  die  Porzellan- 
gegenstände vor  der  unmittelbaren  Einwirkung  des  Feuers  schützen,  verändern 
ihren  Schwerpunkt,  stürzen  ein  und  begraben  unter  ihren  Trümmern  die  ganze 
Hoffnung,  die  in  ihnen  steckte.  Zu  niedrige  Temperaturen  verhindern  dagegen 
das  völlige  Schmelzen  der  Glasur,  so  daß  sie  nach  dem  Brande  leicht  rissig  wird. 
Feuchtes  Feuerungsmaterial  kann  wieder  leicht  die  Farbe  des  Porzellans 
verändern,  und  so  drohen  dem  Porzellan  im  Brennofen  die  mannigfachsten  Gefahren, 
die  man  zunächst  gar  nicht  vorhersehen,  wenn  ihre  Wirkungen  erfolgt  sind,  in 
ihren  Ursachen  kaum  immer  erkennen  kann,  und  alle  diese  Schwierigkeiten 
werden  nur  verdoppelt  dadurch,  daß  die  zur  Verfügung  stehende  Masse  sich  nicht 
.  immer  gleich  bleibt,  sich  nicht  immer  gleich  bleiben  kann,  da  schon  die  Rohmate- 
rialien, vor  allem  das  Kaolin,  von  Haus  aus,  und  wenn  es  auch  derselben  Lager- 
stätte entstammt,  sich  verändern.  Und  so  ist  alles  im  Brennprozeß  des  Por- 
zellans eitel  Laune  und  Zufall,  die  der  Mensch  durchaus  nicht  ganz  in  seiner  Hand 
hat,  die  nur  erst  unsere  Zeit  mit  ihrer  entwickelten  Wissenschaft  und  Technik  so 
ziemlich  zu  bändigen  verstanden  hat  ^'^). 

Es  ist  darum  in  der  Tat  kein  Wunder,  daß  Böttger  mit  der  praktischen  Ausnutzung 
der  Porzellanerfmdung  nicht  gleich  zustande  kam,  daß  er  eher  ein  Steinzeug-  als 
ein  Porzellanfabrikant  ward.  Er  stand  nach  seiner  Porzellanerfmdung  noch  immer 
vor  den  schwierigsten  Problemen  der  Keramik,  er  stand  vor  solchen,  die  der  ganzen 
bisherigen  europäischen  Keramik  gänzlich  ferngelegen,  für  die  er  sich  nirgends  in 
ihrem  Bereich  auch  nur  die  geringsten  Anregungen  oder  Erfahrungen  holen  konnte. 
So  mußte  er  wieder  selber  suchen  und  forschen,  experimentieren  und  pro- 
bieren, prüfen  und  kritisieren  und  immer  neue  Wege  einschlagen,  wenn  die  bis- 
herigen nicht  zum  Zißle  führen  wollten.   Er  mußte  ganz  allein  und  aus  eigener  Kraft 


Die  ersten  Porzellane. 


155 


jene  reiche  Erfahrung  sammeln,  die  zum  Betriebe  der  Porzellanfabrikation 
durchaus  nötig  ist,  für  die  aber  eines  unbedingt  nötig  war:  Zeit  und  wieder  Zeit. 
Auch  konnte  er  sich  hierbei  wieder  nur  auf  die  Beihilfe  jener  beiden,  allerdings 
wirklich  tüchtigen  und  zuverlässigen  Arbeiter  stützen,  den  David  Köhler  und  den 
Joh.  Georg  Schuberth,  die  schon  von  Anfang  an  in  Böttgers  Diensten  standen,  durch 
die  er  schon  immer  alle  seine  Gedanken  durchs  Feuer  hatte  probieren  lassen  *'*). 
Kein  Wunder  daher,  daß  Böttger,  der  inzwischen  noch  eine  ganze  Reihe  neuer 
Fabriken  ein-  oder  wieder  einzurichten,  daneben  noch  auf  alle  möglichen  neuen 
Erfindungen  zu  sinnen  hatte,  und  selbst  in  seiner  Por- 
zellanarbeit mehrfach  durch  Geld-  und  Materialmangel 
arg  behindert  ward 3'^),  erst  vier  Jahre  nach  der  vollen- 
deten Erfindung  des  Porzellans  auch  seine  fabrik- 
mäßige Herstellung  wirklich  gelang.  Erst  von  .dem 
Jahre  1713  an  kann  die  königliche  Porzellanmanu- 
faktur zu  Meißen  auch  wirklich  als  eine  Porzellan- 
manufaktur betrachtet  werden  3'^). 

Die  ersten  Porzellanproben,  mit  denen  Böttger 
an  die  ÖffentUchkeit  trat,  sind  nur  ungeformte  Por- 
zellanstücke gewesen.  Böttger  rühmte  sich  daher  in 
jener  Anzeige  vom  28.  März  1709,  in  der  er  zum  ersten 
Male  dem  König  ein  Verzeichnis  der  ihm  bis  dahin  ge- 
lungenen Erfindungen  überreichte,  auch  durchaus  nicht, 
in  Porzellan  damals  schon  Gefäße,  wie  er  es  gleichzeitig 
bei  seinen  übrigen  keramischen  Erfindungen  tat,  son- 
dern nur  den  ,, guten,  weißen  Porcellain"  herstellen  zu 
können 3").  Über  diesen  Standpunkt  scheint  dann  aber 
Böttger,  wahrscheinlich  weil  er  in  dieser  Zeit  unermüd- 
hch  an  der  Durchbildung  des  roten  Steinzeuges  zu  ar- 
beiten, auf  dem  Gebiet  des  Porzellans  aber  zunächst 
mit  der  Verbesserung  der  Glasur  zu  tun  hatte,  fast 
ein  ganzes  Jahr  lang  nicht  hinausgekommen  zu  sein. 
Noch  das  Gründungspatent  der  Porzellanmanufaktur 
vom  23.  Januar  1710  redet  nur  von  ,, bereits  ziemhchen 
Probestücken  von  dem  weißen  Porzellan,  sowohl  glasurt 

als  unglasurt,  welche  genugsam  Anzeigung  geben,  daß  aus  denen  in  Unseren  Landen 
befindlichen  Materiahen  ein  dem  Ost-Indianischen  Porzellan  sowohl  an  Durchsichtig- 
keit als  anderen  dabey  erforderlichen  Eigenschaften  gleichkommendes  Gefäße  können 
und  mögen  fabriziert  werden",  und  spricht  dann  in  jenem  Optimismus,  der  diese  ganze 
Anfangszeit  der  Böttgerschen  Industriegründungen  wie  überhaupt  sein  ganzes  Tun 
charakterisiert  hat,  immer  nur  noch  die  Hoffnung  aus,  daß  ,,in  Zukunft  bey 
rechter  Einrichtung  und  Veranstaltung  dergleichen  weißes  Porzellan,  wie  bereits 
bei  dem  rothen  erweisUch  gemacht  worden,  dem  Indianischen  an  Schönheit  und 


Abb.  64.  Böttgersteinzeag;.  Figur  eines 
Woywoden. 

Herzogfl.  Museum,  Braunschweigf. 
Höhe  9  cm. 


156  Die  Porzellanfabrik. 

Tugend,  noch  mehr  aber  an  allerhand  Facons  und  großen,  auch  massiven  Stücken, 
als  Statuen,  Columnen,  Servicen  usw.  weit  übergehen  möchte"  ^'^).  Auch  dem 
König  weiß  er  am  20.  April  dieses  Jahres  in  jener  Sendung,  die  hinsichtlich  seines 
roten  Steinzeugs  schon  eine  wahre  Musterkarte  der  feinsten,  bisher  in  diesem  Ma- 
teriale  hergestellten  Erzeugnisse  darstellt,  und  auch  bereits  sechs  Stück  ,,blattgen", 
d.  h.  Fliesen  aus  der  Steinbäckerei  enthielt,  nur  „ein  Paketgen  mit  4  Stücken  weißen 
porcellain"  vorzulegend'^).  Aber  als  man  es  dann  nur  ganz  kurze  Zeit  darauf  wagt, 
der  Öffentlichkeit  mit  den  ersten  Erzeugnissen  des  roten  Steinzeugs  auch  die  Re- 
sultate der  Porzellanerfmdung  vorzuführen,  auf  der  Leipziger  Ostermesse  im  Mai 
dieses  Jahres,  da  bestanden  die  Proben  des  ,, weißen  durchsichtigen  Porcellains"  be- 
reits aus  neun  Stück  Eichelblättern,  einem  Tabakspfeifenkopf,  einem  kleinen 
Schüsselchen  und  einem  achtpassigen  Schälchen,die  alle  glasiert  waren,  zu  denen  dann 
noch  fünf  unglasierte  Schälchen  kamen ^^°).  Böttger  muß  daher  kurz  vorher,  sicher- 
lich um  schon  auf  dieser  Messe  einigermaßen  ansehnliche  Resultate  seiner  Erfindung 
vorzeigen  zu  können,  mit  aller  Gewalt  sich  daran  gemacht  haben,  auch  diesen 
Stoff  in  künstleriche  und  praktische  Form  zu  bringen,  wobei  er  ersichtlich  die  leichter 
zu  bewerkstelligende  Herstellung  von  flachen  Gebilden  der  schwierigeren  von  rund- 
lichen, d.  h.  von  Rundgefäßen,  vorzog. 

Er  hatte  damit  eine  neue  Stufe  erreicht,  die  neue  Hoffnungen  erwecken  mußte. 
Von  da  an  klingen  die  Nachrichten  über  die  technische  Verbesserung  und  praktische 
Ausnutzung  des  Porzellans  nun  auch  immer  günstiger.  Schon  am  28.  Juni  1710  ließ 
Böttger  an  den  König  ,,zwei  Gefäße  von  weißem  Porcellain"  senden,  von  denen  das 
eine  glasiert,  das  andere  unglasiert,  beide  aber  bemalt  waren  und,  zwar  auf  Grund 
einer  ,, ungewöhnlichen"  Zeichnung,  in  mehreren  Farben.  Böttger  hatte  demnach 
in  seiner  unermüdlichen  Neuerungslust,  nachdem  es  ihm  kaum  erst  gelungen 
war,  aus  seiner  Porzellanmasse  Gefäße  herzustellen,  sich  damals  bereits  schon  an 
die  farbige  Bemalung  derselben  gewagt.  Freilich  noch  ohne  Erfolg;  denn  er  muß 
damals  selber  gestehen,  daß  auf  dem  glasierten  Porzellan  noch  nicht  alle  Farben 
„recht  geflossen"  sind,  und  gibt  als  Entschuldigung  hierfür  an,  daß  sie  nicht  alle 
dasselbe  ,,hohe"  Feuer  auszuhalten  vermöchten.  Doch  würde,  wenn  die  blaue 
Farbe  allein  angewendet  würde,  etwas  durchaus  Zufriedenstellendes  zustande 
kommen.  Wenn  aber  die  Glasur  an  diesen  Stücken  auch  ,,ein  wenig  bestäubt" 
erschiene,  so  käme  dies  allein  durch  einen  Unglücksfall  her,  durch  das  Zerspringen 
einer  Kapsel.  Für  gewöhnlich  wäre  die  Glasur  seiner  Porzellane,  wie  auch  von 
anderer  Seite  bezeugt  worden,  schneeweiß  ^^^). 

Am  1.  September  desselben  Jahres  weiß  dann  der  Kriegsrat  von  Holzbrinck 
dem  Könige  zu  berichten,  daß  er  ,,von  Porzellan  ohne  Farbe"  so  schöne  Gefäße 
und  von  so  zarter  Glasur  gesehen,  daß  es  von  keinem  indianischen, ,, zum  wenigsten 
so  viel  mir  vorkommen"  zu  unterscheiden  ist.  Böttger  war  demnach  damals  mit 
Sicherheit  bereits  imstande,  wenigstens  einen  Teil  seiner  Porzellane  in  tadellosem  Zu- 
stande aus  dem  Brennofen  hervorgehen  zu  lassen.  Als  dann  auf  ^ö^gers  Wunsch  1711 
die  zweite  Kommission  zusammentrat  ^^^j^  legte  er  ihr  gleich  am  Anfange  ,,rohe",  d.h. 


Verbesserungen.  j[57 

unbemalte  Gefäße  vor,  die  ihm  zu  bemalen  freilich  damals  noch  immer  nicht  recht 
gelingen  wollte.  Doch  bezeichnete  er  damals  seine  Porzellane  bereits  als  „Kauf- 
mannsgiit",  das  er  freilich  sehr  verbessern  würde,  sobald  ihm  ein  tüchtiger  Ofen 
zur  Verfügung  stände.  Auch  forderte  er  die  Kommission  auf  ihr  Befragen,  was 
sie  dem  Könige  über  das  Porzellan  melden  sollte,  auf,  mit  ihm  in  das  „Gewölbe"  zu 
kommen,  in  dem  er  am  Porzellan  arbeitete,  und  hier  weitere  Proben  in  Augen- 
schein zu  nehmen,  die  er  in  den  ganz  ,, unvollkommenen"  Öfen  gebrannt  hätte. 
Am  15.  April  konnte  daraufhin  die  Kommission  an  den  König  berichten,  daß 
Böttger  ihr  Proben  von  weißem  Porzellan  vorgezeigt  habe,  von  denen  „einige" 
hinsichtlich  der  Glasur  und  auch  sonst  wohlgeraten  wären^^^).  Die  Möglichkeit, 
brauchbare  Porzellangefäße  herzustellen,  stand  demnach  damals  fest. 

Im  August  desselben  Jahres  aber  sprach  Böttger  dann  die  feste  Hoffnung  aus, 
daß  die  Fabrik  des  weißen  Porzellans  in  zwei  Mo- 
naten gegründet  sein  soUe^^*),  und  tatsächlich 
konnte  er  im  Januar  des  folgenden  Jahres  dem 
König  in  einem  jener  ausführlichen  Berichte,  die 
dem  Ersuchen  um  Niederlegung  seiner  Administra- 
tion vorausgingen,  berichten,  daß  die  Fabrik  des 
weißen  Porzellans  bereits  instand  sein  würde,  wo- 
fern es  nicht  an  einem  Platze  zur  Erbauung  der 
nötigen  Öfen  gemangelt  hätte,  auch  seien  ,, durch 
einige  Töpfer  weiße  Porcellain-Geschirre  verfertigt, 
davon  bereits  eine  Anzahl  von  2 — 300  Stück  parat" 
wären^^^),   wobei    freilich   nicht    gesagt  wurde,  von        ^^^-  ^^-  Böttgersieinzeag.  Medaiuon 

.,  ,.  -  Ti-i  "•'   •'*™   Bildnis   Peter   des    Großen. 

Wie  vielen  diese  die  geglückten  waren.      Im  Apnl        Konigi.  Porzeiiansammiung,  Dresden. 
vermochte  er  dann  der  dritten  Kommission  weitere  Durchmesser  7  cm. 

Proben  vorzulegen,  die  nun  auch  von  ihr  für  wirk- 
liches ,, Kaufmannsgut"  erklärt  wurden^^^).     Damit  schien  Böttger  jetzt  wirklich 
am   Ziel  einer   Sehnsucht   zu   sein   und  wirklich  ein  praktisch  verwertbares  Por- 
zellan liefern  zu  können. 

Doch  immer  noch  nicht  allsogleich.  Denn  erst  im  folgenden  Jahre  gelang  es 
Böttger  nach  neuen  großen  Verbesserungen,  „eine  solche  Quantität  von  Porzellanen 
herzustellen,  daß  man  damit  ein  Gewölbe  garnieren",  d.  h.  einen  Verkaufsstand 
errichten  konnte^^').  Die  Ostermesse  des  Jahres  1713,  auf  der  das  Porzellan 
zum  ersten  Male  wieder  seit  der  des  Jahres  1710  in  der  Öffentlichkeit  erschien,  ist 
aber  dann  in  der  Tat  die  erste  gewesen,  auf  der  das  in  Europa  neu  erfundene  Por- 
zellan zum  ersten  Male  zum  Verkaufe  kam,  wenn  auch  nur  noch  erst  in  Form  von 
kleineren  Gegenständen,  da  eben  die  Öfen,  die  Böttger  damals  allein  zur  Verfügung 
standen,  für  größere  viel  zu  klein  waren.  Damit  aber  war  man  nun  wirklich  end- 
lich am  heißersehnten  Ziel  dieser  ganzen  Arbeit  angelangt:  man  besaß  endlich 
ein  in  Europa  gefertigtes,  wirklich  verkaufbares  Porzellan,  man  konnte  jetzt  wirk- 
lich, wie  man  es  von  Anfang  an  gewollt  hatte,  den  seltsamen  Völkern  im  fernen  Osten 


158  I^iß  Porzellanfabrik. 

auf  einem  ihnen  bisher  ganz  allein  gehörenden  Gebiete  Konkurrenz  machen.  Ein 
Gefühl  berechtigten  Stolzes  muß  sicherlich  damals  alle  hierbei  beteihgten  Kreise 
durchzogen  haben  und  Böttgers  Ansehen  damals  bedeutend  gestiegen  sein 

Am  25.  Juni  1713  konnte  nun  Steinbrück  in  der  Tat  melden,  daß  die  Fabrik 
des  „weißen  feinen  Porcellains"  jetzt  ihre  Vollkommenheit  erhalten  habe,  ,,so  daß 
daran  fast  nichts  mehr  zu  fehlen  scheinet  und  nur  noch  blos  auf  deren  Gonservation 
zu  gedenken  sei"  ^^^).  Bald  darauf  teilte  Böttger  dem  Direktor  Nehmitz  mit,  daß 
der  König  jetzt  mehr  Porzellan  befehlen  könne,  da  die  Werke  dazu  imstande 
wären^^^).    Man  war  jetzt  völlig  mutig  geworden. 

Unermüdlich  muß  Böttger  daran  gearbeitet  haben,  um  trotz  seiner  vielen 
Nebenbeschäftigungen  und  sonstigen  Verpflichtungen  damals  so  weit  zu  gelangen, 
daß  er  mit  solcher  Zuversichtlichkeit  eine  derartige  Aufforderung  an  den  König 
richten  durfte,  um  so  mehr,  da  jene  Masse,  mittelst  der  er  zuerst  das  Porzellan 
erfunden  und  die  er  zuerst  als  solche  seiner  Umgebung  gezeigt  hatte,  als  es  dann 
an  die  Praxis  gehen  sollte,  sich  doch  in  jeder  Beziehung  verbesserungsbedürftig 
erzeigt  hatte.  Die  erste  Masse,  deren  wichtigster  Bestandteil  der  Colditzer  Ton 
war,  als  deren  Flüsse  Kreide,  Alabaster,  Marmor  oder  auch  Spat,  mithin  für  ge- 
wöhnlich eine  kalkhaltige  Materie  zu  gelten  hatten,  bewährte  sich  nicht  auf  die 
Dauer.  Sie  erwies  sich  für  die  Massenfabrikation  durchaus  nicht  als  geeignet.  Ihre 
Schwindungstendenz  war  zu  groß.  Die  aus  ihr  gefertigten  Gegenstände  zeigten 
eine  starke  Neigung,  sich  zu  krümmen,  sich  zu  senken  oder  ganz  umzustürzen^'*'), 
so  daß  das  meiste,  was  aus  ihr  gefertigt  ward,  im  Feuer  verdarb,  ohne  daß  man 
die  richtigen  Mittel  zu  dauernder  Abhilfe  zu  finden  wußte.  Es  war  der  reinste 
Zufall,  was  und  wieviel  jedesmal  im  Brande  gelang,  und  nicht  umsonst  nannte 
der  Inspektor  Steinbrück  den  Ofen,  in  dem  das  Porzellan  gebrannt  ward,  einen 
„Glückstopf"  ^'^).  So  machte  sich  Böttger  von  neuem  wieder  ans  Experimentieren, 
er  änderte  an  der  Zusammensetzung  der  Masse,  er  änderte  an  den  Öfen,  er 
änderte  an  dem  Brande.  Vor  allem  aber  sah  er  sich  nach  neuen  Erden  um.  Noch 
im  Jahre  1711  erging  ein  Befehl  an  das  sächsische  Oberbergamt,  von  ,, allen  in 
den  erzgebirgischen  Kreisen  befindlichen  weißen  Erden  oder  Letten"  Proben  ein- 
zusenden^^^).  Es  war  klar,  Böttger  ging  darauf  aus,  den  Colditzer  Ton  durch  einen 
anderen  sich  gleichfalls  weißbrennenden  und  zugleich  feuerbeständigen  zu  ersetzen. 

Da  fiel  Böttger  durch  dieses  konsequente,  gleichsam  geologische  Absuchen 
des  Landes  jenes  Material  in  die  Hände,  das  dann  für  die  ganze  folgende  Zeit,  ja 
für  fast  ganze  150  Jahre  der  eigentliche  Hauptbestandteil  des  Meißner  Porzellans 
werden  sollte:  die  sogenannte  „Schnorrsche  Erde"  von  Aue,  einem  kleinen  Örtchen 
dicht  bei  Schneeberg  gelegen,  im  westlichen  Erzgebirge.  Er  war  damit  auf  eins  der 
berühmtesten  Kaolinlager  Europas  gestoßen  und  hatte  nun  endlich  gefunden, 
was  er  so  sehr  suchte  und  dessen  er  auch  wirklich  dringend  bedurfte.  Er  war 
wieder  einen  Schritt  vorwärts  gekommen. 

Diese  ,, weiße  Erde"  von  Aue  war  hier  überhaupt  erst  vor  kurzer  Zeit  ent- 
deckt worden,  zu  Beginn  des  Jahres  1700,  als  man  am  dortigen  Heidelberg  Eisen- 


Die  Schnorrsche  Erde. 


159 


steine  abbauen  wollte.  Sie  lag  dort  freilich  —  alten  Nachrichten  zufolge  —  nir- 
gends frei  zutage,  war  vielmehr  auf  einer  hohen  Granitkuppe  durch  eine  mehrere 
Meter  mächtige  Schieferhülle  verdeckt  und  mußte  daher  bergmännisch  bearbeitet 
vrerden^^^),  was  anfangs  im  Raubbau  geschehen  sein  solP"*),  dann  aber  mit  wirk- 
licher Methodik  erfolgte.  So  entstand  hier  die  berühmte  „Weiße  Erden -Zeche 
St.  Andreas",  die  erst  seit  wenigen  Jahren  wie  so  vieles  andere  Bergmännische 
im  Erzgebirge,  wieder  eingegangen  ist.  Sie  bietet  jetzt  ein  Bild  vollkommensten 
Verfalls  dar.^'^).  Der  Besitzer  dieser  Lage  war  Veit  Hans 
Schnorr,  einer  der  reichsten  und  wohlhabendsten  Fabrikanten 
des  Erzgebirges^^*).  Böttger  hat  diese  Erde  vielleicht,  wie 
berichtet  wird,  schon  im  Jahre  1710  zu  Gesichte  bekommen 
und  durchprobiert  ^^').  Doch  erst  im  folgenden  Jahre 
scheint  ihm  ihre  ganze  Bedeutung  für  sein  Porzellanwerk 
aufgegangen  zu  sein.  In  diesem  bittet  er  in  einem  Memoriale 
vom  30.  Mai  die  damals  tagende  zweite  Kommission,  da- 
für einzutreten,  daß  in  Zukunft  die  ,, sogenannte  Schnorr- 
sche Erde"  nur  für  seine  Manufaktur  abgegeben  und  sonst 
niemandem  etwas  davon  verkauft  werden  dürfe^^^).  Auch  zog 
er  damals  durch  das  Schneeberger  Oberbergamt  weitere 
Erkundigungen  über  diese  Erde  ein^^^).  Man  sieht,  welchen 
Wert  er  damals  bereits  auf  sie  legte. 

Diese  Schnorrsche  Erde  ward  jetzt  der  wesentliche  Be- 
standteil seines  Porzellans  und  wohl  die  Ursache,  daß  jetzt 
die  Herstellung  der  Porzellangefäße  weit  besser  gelang  als 
vorher,  wenn  auch  freilich  noch  immer  nicht  in  zufrieden- 
stellender Weise.  Noch  im  Jahre  1713,  also  zur  Zeit,  da 
man  bereits  die  fabrikmäßige  Herstellung  des  Porzellans 
begann,  hatte  man  die  Porzellanmasse  im  Brande  tatsäch- 
lich noch  so  wenig  in  seiner  Gewalt,  daß  man,  wenn  die  Ge- 
schirre in  den  Ofen  gesetzt  waren,  sie,  wie  man  sagte,  noch 
immer  ,,dem  Glücke  überlassen"  und  abwarten  mußte,  ob 
etwas  oder  nichts  geraten  und  gut  wieder  herauskommen 
würde*"®).  Der  einzige  Unterschied  gegen  früher  war  daher  wohl,  daß  jetzt  überhaupt 
immer  etwas  in  jedem  Brand  oder  mehr  als  vordem  gelang.  EndUch  jedoch  im  Jahre 
1715  kam  man  durch  ,, fleißiges  Nachsinnen  und  Observieren"  so  weit,  daß  nicht  mehr 
so  viel  ,, ungeratenes"  Gut  aus  dem  Ofen  herauskam  *°^).  Doch  noch  immer  befrie- 
digte die  Masse  nicht  ganz.  Böttger  experimentierte  daher  unverdrossen  weiter.  Da 
gelang  es  ihm  endlich  im  folgenden  Jahre,  eine  Masse  herzusstellen,  die  die  un- 
schätzbare Eigenschaft  besaß,  „fast  gar  nicht"  zu  schwinden.  Und  nun  gerieten 
auch  in  der  Tat  im  Brande  beinahe  alle  Geschirre,  wofern  sie  „von  den  Drehern 
oder  Formern,  ehe  sie  ins  Feuer  kamen,  nicht  bereits  zuvor  verwahrlost  ge- 
wesen" -»0*). 


Abb.  66.    Böttgersteinzeu;. 
Pntto  mit  Mnschel. 

König-].  Porzellansammlung', 

Dresden. 

Höhe   19  cm. 


160  Die  Porzellanfabrik. 

Die  Herstellung  dieser  Masse  gelang  Böttger  dadurch,  daß  er  damals  merk- 
würdigerweise die  Schnorrsche  Erde  wieder  aufgab  und  an  deren  Stelle  wiederum 
eine  neue  setzte,  die  —  wir  wissen  leider  nicht  genau,  an  welcher  Stelle  —  „ein 
paar  kleine  Meilen"  von  Dresden  gefunden  wurde.  Diese  Erde  war  ihm  gleichsam 
ins  Haus  getragen  worden:  der  Pächter  des  Orts,  wo  sie  gefunden  ward,  hatte  ihn 
benachrichtigt,  ,,daß  daselbst  schöne  Letten  und  Erden  anzutreffen  seien",  und 
Böttger  hatte  alsbald  einen  Angestellten  der  Fabrik,  namens  Johann  Georg  Mehlhorn, 
dort  hingesandt,  einen  ehemaligen  Tischler,  der  früher,  wohl  durch  Böttger s  Beispiel 
angeregt,  gleichfalls  auf  Porzellan  ,, laboriert"  hatte,  dabei  aber  so  herunter- 
gekommen war,  daß  er  Böttger  um  Dienstanstellung  bitten  mußte,  der  aber 
doch  wohl  einige  Sachkenntnisse  auf  diesem  Gebiet  besessen  zu  haben  scheint. 
Er  sollte  Proben  von  den  bezeichneten  Erden  holen^"^).  Diese  Masse  ist  dann 
nachweisbar  bis  Mitte  Mai  des  Jahres  1717  verwendet  worden  und  soll  sich  auch 
weiter  glänzend  bewährt  haben*^*).  Dann  aber  ist  man  doch  zur  Schnorrschen 
Erde  wieder  reumütig  zurückgekehrt  und  bei  ihr  geblieben.  Im  Jahre  1718  zwang 
man  daher  sogar  Schnorr,  den  Besitzer  derselben,  sich  verbindlich  zu  machen, 
der  Meißner  Manufaktur  immer  so  viel  Erde  zu  liefern,  als  sie  bedurfte  und 
auf  die  Barzahlung  wenigstens  ein  Jahr  warten  zu  wollen.  Er  soll  dafür  freilich 
den  Preis  derselben  beträchtlich  erhöht  haben  *°^).  Trotzdem  aber  war  Böttger 
durchaus  der  ganz  richtigen  Meinung,  daß  die  zum  Porzellan  nötige  Erde  an  vielen 
Stellen  zu  finden  wäre,  wenn  er  auch  freilich  stark  übertrieb,  wenn  er  behauptete, 
daß  sie  in  Sachsen,  im  Gegensatz  zu  China,  das  in  dieser  Beziehung  an  eine  ganz 
bestimmte,  nur  an  einer  Stelle  sich  findende  Masse  gebunden  wäre,  an  hundert 
Orten  anzutreffen  wäre.  Neben  diesen  das  Kaolin  darstellenden  Erden  bedurfte 
Böttger  zu  seinem  Porzellan  aber  damals  merkwürdigerweise  immer  noch  des  früheren, 
durch  jene  als  Hauptbestandteil  der  Porzellanmasse  verdrängten  Colditzer  Tons"®), 
doch  nur  zu  dem  Zwecke,  die  Plastizität  der  neuen,  an  sich  nicht  sehr  plastischen 
Massen  zu  erhöhen*^').  Dieser  Colditzer  Ton  ist  sogar  auch  nach  Böttgers  Tode 
noch  Jahrzehnte  lang  ein  Hauptbestandteil  der  Meißner  Masse  geblieben"^).  Auch 
dieses  Material  suchte  Böttger  daher  damals  ebenso  wie  die  Schnorrsche  Erde  in 
festere  Hände  zu  bekommen,  wobei  er  sich  derselben  Mittel  bediente  "^). 

Als  Flußmittel  hatte  Böttger  zu  seinem  Porzellan,  wie  gezeigt,  von  Anfang  an 
kalkhaltige  Materien  benutzt,  wenn  er  auch  daneben  schon  gleich  am  Anfange, 
wie  erwähnt,  mit  Spaten  Versuche  gemacht  hatte.  Bei  diesen  kalkhaltigen  Fluß- 
mitteln ist  es  zu  seinen  Lebzeiten  auch  durchaus  geblieben,  und  noch  lange  nachher 
ist  Alabaster  das  immer  bevorzugte  Flußmittel  des  Meißner  Porzellans  gewesen*^"). 
Daneben  wurde  bisweilen,  wenn  auch  scheinbar  sehr  selten,  Kreide  verwandt. 
Den  Alabaster  bezog  man  die  ganze  Zeit,  wie  gleichfalls  noch  lange  Zeit  nachher, 
noch  immer  von  Nordhausen,  aus  einem  Bruche,  der  etwa  IV2  Stunden  von  dieser 
Stadt  gelegen  war*").  So  aber  ist  es  gekommen,  daß  Böttger,  wie  auch  die  ganze 
folgende  Zeit,  über  ein  sogenanntes  Kalkporzellan  nicht  hinausgekommen  ist, 
ein  Porzellan,  das  in  seiner  Masse  mehr  jenem  für  England  so  typischen  Knochen- 


Die  Masse. 


161 


porzellan  ähnelt,  das  heute  noch  immer  das  eigenthche  Porzellan  Englands  dar- 
stellt, als  dem  späteren  und  jetzigen  Meißner  Porzellan,  aber  freilich  eine  ganz 
andere,  weit  härtere  Glasur  besaß  als  jenes.  Er  hat  demnach  von  dem  jetzigen, 
ganz  allgemein  bei  uns  gebräuchlichen  Feldspatporzellan  noch  kaum  etwas  ge- 
ahnt "^).  Ebensowenig  enthielt  seine  Masse  Quarz,  jenen  durch  seine  Leicht- 
flüssigkeit die  Fabrikation  des  Porzellans  so  erleichternden  Zusatz,  der  heute  von 
so  vielen  Porzellanfabriken  verwandt  wird*^^).  Er  hat  bekanntlich  im  Meißner  Por- 
zellan niemals  Eingang  gefunden,  und  gerade  seiner  Abwesenheit  hat  dieses  immer 
seine  ganz  besondere  Güte,  namentlich  hinsichtlich  seiner  Härte,  zu  verdanken 
gehabt. 

Was  die  Zusammenmischung  der  drei  Bestandteile  des  Porzellans  anbetrifft,  so 
besaß  man  schon  damals,  wie  es  auch  später  ganz  allgemein  üblich  war,  eine  ganze 
Reihe  verschieden  zusammengesetzter  Massen.  Die  beste  derselben  war  „um 
zwei  Grade  härter"  als  das  chine- 
sische Porzellan.  Für  größere  Gegen- 
stände, die  schwerer  garbrannten, 
ward,  wie  es  gleichfalls  später  ganz 
allgemein  üblich  ward,  eine  gröbere 
Mischung  verwandt*^*).  Gemischt 
wurden  die  Massen,  wie  die  erhaltenen 
Rezepte  dieser  Zeit  zeigen,  schon  da- 
mals nach  Gewicht.  Solche  Mischun- 
gen waren  z.  B.:  10  Pfund  weiße 
Schnorrsche  Erde,  5  Pfund  Colditzer 
Ton,  3  Pfund  Alabaster;  eine  andere, 
die  als  ,, weiße  ordinäre"  Masse  be- 
zeichnet    ward:    20     Pfund     weiße 

Schnorrsche  Erde,  10  Pfund  Colditzer  Ton,  3  Pfund  Kreide.  Bei  allen 
Mischungen  blieb  das  Verhältnis  von  Schnorrscher  Erde  und  Colditzer  Ton  wie 
2:1.  Nur  die  Quantität  des  Flußmittels  veränderte  sich,  damit  dann  auch  die 
Härte  des  Porzellans  und  die  Gradhöhe  seines  Garbrandes.  Von  der  Glasur,  die 
Böttger  verwandte,  wissen  wir  leider  weniger.  Nach  einem  noch  dem  Jahre  1719 
angehörenden  Rezepte  waren  ihre  Bestandteile  folgende:  24  Pfund  Colditzer 
Ton,  12  Pfund  Kiesel,  6  Pfund  Kreide"^).  Gemahlen  wurden  die  Bestandteile  schon 
damals,  wie  es  später  immer  üblich  war,  auf  einer  „Reib-  und  Glasurmaschine". 
Doch  besaß  die  Manufaktur  zu  Meißen  keine  eigene.  Der  Ersparnis  der  Anschaffungs- 
kosten halber  ward  hierzu  die  im  ,, Böhmischen  Haus"  zu  Alt-Dresden  für  die  Rund- 
bäckerei aufgestellte  verwendet,  die  diese  Arbeit  gar  wohl  mit  vollziehen  konnte. 
Diese  ward  damals,  da  sie  durch  einen  besonderen  Zufall  zerstört  worden  war, 
erneuert  und  bedeutend  verbessert.  Sie  bestand  aus  Holz  und  Eisen  und  besaß 
acht  Gänge.  Sie  war  wiederum  eine  eigene  Erfindung  Böttgers,  über  die  er  wieder 
einigen  Stolz  empfand  *^^). 


Abb.  67 


BSttgersteinzeag.    Kinderg^rnppe,  schwarz  g^lasiert  und 
mit  Lackfarben  bemalt. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  8  cm. 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan. 


11 


162  Die  Porzellanfabrik. 

So  war  das  Porzellan  beschaffen,  das  Böttger  schließlich  nach  endlosem  Hin- 
und  Herprobieren  und  vielen  Enttäuschungen  gewonnen  hatte  und  das  er  dann 
als  die  wichtigste  Tat  seines  kurzen,  aber  erfolgreichen  Lebens  der  Nachwelt  hinter- 
lassen hat,  das  Porzellan,  auf  das  sich  nicht  nur  das  ganze  Meißner,  sondern  auch 
das  ganze  übrige  europäische  Porzellan  dann  weiter  aufgebaut  hat.  Böttger  war 
nicht  wenig  stolz  auf  sein  Produkt  und  seine  Vorzüge.  Vielfach  hat  er  —  mit  vollem 
Rechte  —  seine  besondere  Härte  gerühmt"^);  er  bezeichnete  es,  wie  erwähnt,  im 
günstigsten  Falle  als  zwei  Grade  härter  als  das  „ostindische".  So  rühmte  er  sich 
auch  hier  wieder,  wie  früher  bei  seinem  roten  Steinzeug,  sein  Vorbild,  das  chinesi- 
sche Porzellan  nicht  nur  nachgeahmt,  sondern  sogar  übertroffen  zu  haben.  Auch 
galt  es  damals  in  der  Substanz  für  viel  kompakter  als  das  porösere  chinesische, 
welcher  Unterschied  sich  namentlich  im  Bruche  zeigte  *^8).  Aber  freilich  gerade 
dadurch,  daß  sein  Pozellan  so  hart  war  und  zu  einem  Garbrande  einen  ganz 
ungewöhnlichen  Hitzegrad  erforderte*"),  hatte  Böttger  auch  hinsichtlich  seiner 
technischen  Bewältigung  mit  ganz  besonderen  Schwierigkeiten  zu  kämpfen,  hatte 
er  eine  Arbeit  zu  leisten,  die  eine  weichere  Masse  ihm  zum  größten  Teile  erspart 
hätte.  Er  ist  sich  dieses  Unterschiedes  zwischen  seiner  Masse  und  dem  der  Chinesen 
damals  auch  durchaus  bewußt  gewesen  und  hat  ihn  gelegentlich  als  Entschuldigung 
verwandt,  wenn  ihm  einmal  wieder  etwas  im  Feuer  nicht  gelingen  wollte. 

Mit  diesen  Massen  konnte  dann,  nachdem  vor  ihrer  Zusammensetzung  die 
einzelnen  Bestandteile  gut  präpariert  waren,  d.  h.  der  kaolinhaltige  Ton  gut  ge- 
schlemmt, die  den  Fluß  liefernden  Stoffe  kalizniert  und  gemahlen  waren  *20),  die 
eigentliche  Töpferarbeit  beginnen.  Hierbei  hat  sich  Böttger  zunächst  durchaus 
auf  die  Erfahrungen  stützen  können,  die  er  bereits  mit  dem  roten  Steinzeug  ge- 
macht hatte.  Nur  daß  freilich  auch  hier  wieder  die  Arbeit  der  Formung  eine  be- 
deutend schwierigere  war  als  bei  jenem,  da  das  Porzellan  gegenüber  dem  Stein- 
zeug immer  einen  bedeutend  schlechteren  plastischen  Stoff  darstellt,  ja  wohl  einen 
der  schlechtesten,  die  es  in  der  Keramik  überhaupt  gibt.  Doch  sind  über  besondere 
Schwierigkeiten  dieses  Teils  der  Arbeit  damals  keine  Klagen  laut  geworden. 

Die  Schwierigkeiten  des  Garbrandes  seiner  Porzellanmassen  aber  hat  dann 
Böttger  nur  um  so  stärker  kennen  gelernt:  sie  waren  in  der  Tat  gewaltige,  bedenkt 
man  die  außerordentlichen  Hitzegrade,  die  zu  diesem  das  Porzellan  verlangt, 
Hitzegrade,  wie  sie  die  ganze  Technik  damals  kaum  noch  kannte.  Das  Brenn- 
problem war  ja  überhaupt  nach  dem  der  eigentlichen  Erfindungen  das  wichtigste 
in  der  ganzen  keramischen  wie  sonstigen  Tätigkeit  Böttgers.  Es  hat  ihn  sein  ganzes 
Leben  hindurch  unablässig  beschäftigt,  gerade  wie  seinen  Vorgänger  Tschirn- 
hausen. Es  hat  ihn  auch  gerade  in  dieser  Zeit,  da  er  sich  mühte,  das  Porzellan 
fertigzustellen,  ganz  besonders  stark  in  Anspruch  genommen,  wobei  er  vor  allem 
wieder  —  vielleicht  schon,  weil  es  ihm  oft  genug  an  Brennmaterial  oder  dem 
Gelde,  um  solches  zu  kaufen,  fehlte  —  auf  die  möglichst  rationelle  Ausnutzung  des 
Brennmaterials  ausging,  auf  die  Herstellung  von  Sparöfen,  wie  wir  heute  sagen 
würden,  deren  Nutzanwendung  er  dann  auf  so  viele  Gebiete,  wie  nur  irgend  mög- 


Das  Brennproblem. 


163 


lieh,  zu  erweitern  trachtete.  So  glaubte  er  schon  im  Jahre  1711*2i)  der  damals 
tagenden  zweiten  Kommission  „schlichte,  jedoch  der  Natur  konforme"  Öfen  ver- 
sprechen zu  können,  durch  die,  obwohl  ^k  des  Holzes  und  des  Gebläses  erspart, 
auch  weniger  Leute  gebraucht  würden,  doch  weit  mehr  Erze  geschmolzen 
und  weniger  Schlacken  erzeugt  werden  sollten,  als  durch  alle  bisher  üblichen. 
Auch  sollten  sie  nicht  so  gesundheitsgefährdend  sein  und  auch  auf  die  Umgegend 
nicht  so  abtötend  wirken*22).  Und  daß  es  ihm  mit  diesen  Bestrebungen  Ernst 
war,  beweist  eine  in  Gegenwart  mehrerer  Minister  mittelst  dieser  Erfindung  auf 
der  Festung  zu  Dresden  abgehaltenen  Schmelzprobe  mit  nicht  mehr  als  sechs 
neuerbauten  Öfen,  die  ihn  nicht  weniger  als  1000  Taler  kostete^^s)  ÄhnHche 
Brennproben  wurden  mit  Öfen  vorgenommen,  die  Böttger  für  das  Bierbrauen  er- 
fand, ein  für  Sachsen  ungemein 
wichtiges  Gewerbe,  dem  um  diese 
Zeit  nachweislich  nicht  weniger 
als  3000  Menschen  angehörten*^*). 
Diese  Probe  ward  zuerst  im  Jahre 
1714  auf  dem  Gute  des  Direktor 
Nehmitz  Roßthal  bei  Dresden, 
vorgenommen*25)^  dann  aber  vor 
allem  im  Jahre  1716,  angeregt 
durch  verwandte  Versuche,  die 
von  anderer  Seite  gemacht  worden 
waren,  Sie  führten  zu  glänzenden 
Resultaten*^«),  die  allgemeinen 
Beifall  fanden  und  Böttger  auch 
als  Meister  auf  diesem  Gebiete 
hinstellten. 

Mit  den  Porzellanöfen  jedoch, 
die  ein  weit  schwierigeres  Problem 

als  alle  ebengenannten  darstellten,  kam 5öifgerkeineswegs  so  schnell  zustande.  Mit  den 
für  den  Garbrand  des  roten  Steinzeugs  konstruierten  Öfen  war  hier,  wo  ganz  andere 
Hitzegrade  erzielt  werden  mußten,  zunächst  wohl  noch  nicht  allzuviel  anzufangen. 
Reichten  sie  doch  —  namentlich  infolge  ihrer  so  ungleich  verteilten  Hitze  —  selbst 
für  dieses  einfachere  Produkt  noch  nicht  aus.  Während  daher  in  Meißen  die  fabrik- 
mäßige Herstellung  des  Steinzeugs  schon  durchaus  im  Gang  war,  war  Böttger  mit 
dem  Porzellan  in  dieser  Beziehung  noch  nicht  über  das  Stadium  des  Experiments 
hinausgekommen,  und  nicht  umsonst  häuften  sich  auf  der  Jungfer  die  Schutt- 
haufen der  aufgebauten  und  wieder  eingerissenen  Öfen^^'),  als  ein  deutliches  Zeichen 
von  Böttgers  unablässigem  Ringen  auf  diesem  Gebiete.  Erst  in  dem  für  die  Ent- 
wicklung des  Porzellans  so  wichtigen  Jahre  1713  kam  Böttger  endhch  auch  hier 
so  weit,  Öfen  zu  konstruieren,  die  allen  Anforderungen  zu  entsprechen  schienen, 
und  er  war  dann  wiederum  so  stolz  darauf,  daß  er  dem  Könige  ihre  Risse  vorlegen 

11* 


Abb.  68.    Bött^ersteinzeng;.  Relief  mit  Madonna  und  heil.  Joseph. 
Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.     Höhe  ii  cm. 


j[64  I^ic  Porzellanfabrik. 

ließ.  Sie  müssen  aber  auch  nach  der  Beschreibung,  die  Steinbrück  hinterlassen 
hat,  wahre  Wunderwerke  gewesen  sein^^s).  ,,Was  sotane  Öfen  betrifft,  so  berichtet 
er,  so  sind  solche  von  gantz  neuer  und  besonderer  invention,  ja,  aus  der  innersten 
Natur  des  Feuers,  der  Luft  und  beyder  Combination  herausgenommen,  sintemahl 
die  Luft  hier  mit  dem  Feuer  sich  gleichsam  vereiniget  und  es  durch  einen  unglaub- 
lichen Zug  dermaßen  subtiliret,  daß  es  eher  eine  feurige  Luft,  als  dem  ordinairen 
elementarischen  Feuer  ähnlich  siehet,  den  sonst  bei  allen  Oefen  gewöhnlichen 
und  sehr  incommoden  Rauch  verzehret  es  gäntzlich  und  läßt  sogar  von  dem  Holtz 
kaum  so  viel  zurück,  daß  man  sehen  könne,  womit  gefeuert  werde.  Die  Structur 
dieser  Oefen ....  ist  so  avantageuse,  daß  dadurch  alle  Hitze  menagiret  und  davon 
keine  (wie  sonst  geschiehet)  unnützlich  verjaget  wird.  Uebrigens  ist  dieses  herr- 
liche inventum  universal  und  dienet  zu  allen  laboribus,  wo  etwas  gebrandt,  ge- 
schmolzen oder  abgedünstet  werden  soll.  Die  Arbeith  aber  wird  dabey  verrichtet 
1)  in  weniger  Zeit,  2)  mit  weniger  Holtz,  3)  mit  weniger  Personen  und  4)  ohne  in- 
commoditet  beydes  des  Rauchs  und  der  fatiganten  Hitze  welche  sonst  den  Leuten 
bey  der  gleichen  Arbeith  auszustehen  haben." 

Dieser  Ofen  scheint  darnach  durchaus  die  Lösung  aller  jene  Probleme  ge- 
geben zu  haben,  die  Böttger  bei  seinen  gesamten  Brennversuchen  erstrebt  hat. 
Daher  es  wohl  auch  kein  Zufall  war,  daß  gerade  in  dem  Jahre,  in  dem  Böttger  diese 
Öfen  errichtete,  auch  zuerst  die  fabrikmäßige  Herstellung  von  Porzellangeschirr 
einigermaßen  gelang.  Freilich  den  vollen  Nutzen  hat  Böttger  aus  dieser  Erfindung 
leider  niemals  ganz  ziehen  können.  Das  Brennhaus,  das  er  schon  im  Jahre  1711 
für  das  rote  Steinzeug  auf  der  Albrechtsburg  hatte  errichten  wollen*^^),  es  kam  auch 
jetzt  nicht  zustande,  es  ist  überhaupt  nicht  mehr  zu  Böttgers  Lebzeiten  errichtet 
worden.  Die  Brennöfen  blieben  daher  in  dem  völlig  unzureichenden  Raum  der 
,, Küche"  des  Schlosses  und  waren  viel  zu  klein,  um  das  Porzellan  in  ausreichender 
Fülle,  viel  zu  niedrig,  um  es  in  größerer  Form  brennen  zu  können.  Das  Bau- 
material aber,  das  bereits  für  das  neue  Gebäude  angefahren  worden  war,  soweit 
es  das  Hochwasser  der  Elbe  verschont  hatte,  ward  jetzt  im  Jahre  1716  zum  Bau 
der  Landesschule  in  Meißen  oder  zum  Heizen  der  Öfen  verwandt^^").  Damit  war 
dieses  traurige  Kapitel  für  Böttger  endgültig  beendet. 

Doch  die  Klagen  über  diese  mißlichen  Zustände  sind  bis  zu  Böttgers  Tode 
nicht  verstummt.  Es  bheb  für  ihn  völlig  unmöglich,  größere  Quantitäten  Porzellan 
auf  einmal  oder  überhaupt  nur  ein  größeres  Stück  zu  brennen.  Als  er  letzteres 
einmal  versuchte  —  es  handelte  sich  um  eine  größere  Vase,  die  man  vorsichts- 
halber schon  vorher  in  dreiTeile  zerlegt  hatte — gelang  nur  der  Fuß;  der  Körper  hatte 
sich  nach  der  Seite  hin  gesenkt,  auf  der  das  Feuer  immer  angeschlagen  hatte, 
und  war  auch  stark  gerissen;  überdies  hatte  der  Ofen  oben  zu  schmelzen  ange- 
fangen, und  es  war  ein  großer  Tropfen  auf  die  Vase  gefallen  und  daran  kleben  ge- 
blieben, was,  wie  man  berichtete,  sehr  ,,rar"  anzusehen  gewesen  wäre.  Der 
Deckel  aber  war  schließlich  völhg  mißraten^^^).  Es  war  ein  voller  Mißerfolg,  für 
den  aber  niemand  etwas  konnte.    Und  so  kann  es  in  der  Tat  keine  Frage  sein,  daß 


Die  Öfen. 


165 


dieser  Mangel  eines  wirklich  brauchbaren  und  ausreichenden  Ofens  damals  in  der 
Tat,  wie  Böttger  und  sein  Inspektor  es  immer  angegeben  haben,  eine  der  Ursachen 
innerhalb  des  eigentlichen  Fabrikbetriebes  gewesen  ist,  daß  sich  trotz  allen 
technischen  Gelingens  ein  größeres  finanzielles  Ergebnis  aus  der  Porzellanfabrikation 
zu  Böttgers  Zeiten  niemals  hat  einstellen  wollen. 

Wie  im  einzelnen  jedoch  die  Porzellanöfen  Böttgers  ausgesehen  haben,  darüber 
sind  wir  leider  nur  wenig  unterrichtet.  Auf  alle  Fälle^^^)  benutzte  man  auch  jetzt 
noch  immer  mäßig  große,  liegende,  halbzylindrische  Öfen,  an  deren  Stirnseite 
die  Feuerung  angebracht  war,  die  mit  langen  Scheiten  trockenen  Holzes  beschickt 
wurde.  Dies  wird  bestätigt  durch  die  noch  erhaltene 
Beschreibung  eines  Böttgerschen  Ofens,  die  freiUch  noch 
der  Zeit  vor  den  großen  Verbesserungen  stammt  ^^^). 
Darnach  war  ein  solcher  Ofen  8  Ellen  lang,  von  denen 
vorne  eine  Elle  für  den  Feuer ungsplatz,  hinten  eine  für 
den  ,,Turm",  d.  h.  den  Rauchabzug  verwandt  ward, 
so  daß  für  den  eigentlichen  Garbrandraum  5  Ellen 
Länge  blieben.  Die  Breite  betrug  1%,  die  Höhe 
2 — 214  Ellen.  Er  war  oben  gewölbt.  In  der  Mitte 
befand  sich  ein  großer  Bogen  mit  einem  eingemauerten 
und  verankerten  Eisen,  das  das  Platzen  des  Ofens  bei 
zu  starker  Erhitzung  verhindern  sollte.  Es  war  dies 
in  der  Tat  noch  ein  ziemhch  primitiver  Ofen.  Viel 
größer  jedoch  werden  sie,  nach  Böttgers  Klagen  zu 
schließen,  später  auch  nicht  gewesen  sein. 

Erbaut  wurden  anfangs  diese  Öfen  wieder  aus  jenen 
feuerfesten,  weißen  Ziegeln,  aus  denen  auch  die  Stein- 
zeugöfen errichtet  worden  waren.  Anfangs  hatte  ja 
Böttger  diese  von  weither  beziehen  müssen,  wodurch 
sie  ziemlich  teuer  ausgefallen  waren*^^).  Dann  aber  war 
es  ja  Böttger,  dem  dies  Beziehen  aus  der  Ferne  gegen  sein 

ganzes  ökonomisches  Prinzip  ging,  gelungen,  derartige  Ziegel  auch  aus  sächsischen 
Materialien  herzustellen,  die  nun  in  der  Rundbäckerei  gebrannt  wurden.  Damit 
hatte  Böttger  so  nebenbei  noch  eine  neue  wichtige  keramische  Erfindung  gemacht, 
die  von  feuerfesten  Ziegeln,  die  heute  als  Chamotteziegel  bezeichnet  werden. 
Sein  unermüdlich  erfinderischer  Geist  erlahmte  nie. 

In  diese  Öfen  wurden  die  Porzellane  dann,  wie  es  schon  mit  dem  roten 
Steinzeug  und  den  Fayencen  geschehen  war,  in  Kapseln  eingesetzt,  die  aus  weißem, 
feuerfestem  Ton  hergestellt  wurden,  vielleicht  demselben,  der  auch  den  Ziegeln 
der  Brennöfen  zum  Materiale  diente.  Anfangs  warf  man  diese  Kapseln  nach  dem 
Brande  einfach  fort,  später  zerstampfte  man  sie  und  verwandte  sie  zu  neuen,  wo- 
durch, wie  Böttger  zu  betonen  nicht  unterließ,  viel  Geld  erspart*^^)  und  wiederum 
die  Fabrikation  um  ein  gutes  Stück  rationeller  eingerichtet  ward. 


Abb.  £9.    BSttgersteinzeug.    Figur 
eines  Bauern. 

Sammlung  Heidelbach,  Paris. 
Höhe  10  cm. 


166  Die  Porzellanfabrik. 

Über  das  Brennen  selber  sind  wir  dann  leider  nicht  weiter  orientiert.  Die 
Höhe  der  zum  Garbrennen  nötigen  Temperatur  ist  nicht  bekannt.  Doch  steht 
es  fest,  daß  das  Porzellan  nicht  gleich  das  erstemal  schon  völlig  gargebrannt  wurde, 
sondern  von  Anfang  an  zuerst  nur  einen  sogenannten  Verglühbrand  erhielt,  der  die 
Gefäße  nur  austrocknete  und  ihnen  die  erste  Festigkeit  verlieh*^^),  ein  Verfahren, 
das  die  Chinesen  nicht  kannten,  das  Böttger  darum  als  eine  völlige  Neuheit  in  die 
Porzellanfabrikation  eingeführt  hat,  das  aber  dann,  wie  bekannt,  der  europäi- 
schen, da  es  bei  der  Fabrikation  manches  erleichtert,  z.  B.  das  Glasieren,  bis  auf 
den  heutigen  Tag  verblieben  ist.  Nicht  unwahrscheinlich  ist,  daß  Böttger  auf 
diesen  ersten  Brand  dadurch  gekommen  ist,  daß  er  am  Anfange  versucht  hatte, 
seine  Porzellane  in  jenem  schwächeren  Feuer  zu  brennen,  in  dem  er  seine  Stein- 
zeuge garbrannte,  und  dabei  die  Vorteile  eines  solchen  ersten  schwächeren  Brandes 
entdeckte*^').  Dann  aber,  wenn  dieser  erfolgt  war,  wurden  die  Porzellane  im  soge- 
nannten „Gutbrande"  der  richtigen,  zu  ihrem  Garbrennen  erforderlichen  Glut  aus- 
gesetzt, die  für  die  damalige  Technik  in  der  Tat  eine  recht  beträchtliche  wai.  Doch 
wurde  jetzt  auch  mit  den  Porzellanen  zugleich,  sobald  diese  fabrikmäßig  herge- 
stellt wurden,  in  dieser  Glut  der  Brand  des  roten  Steinzeugs  vollzogen,  bei  dem 
immer,  um  für  dieses  die  Glut  des  Feuers  zu  mildern,  die  Kapseln,  in  denen  sieh  ^ 
diese  Stücke  befanden,  sehr  zweckmäßig  in  noch  größere  gesetzt  und  zwischen 
beide  Sand  und  Wasser  geschüttet  wurden,  so  daß  die  starke  Hitze  nicht  sogleich  an 
die  inneren  Kapseln  schlagen  konnte,  ein  Verfahren,  das  wiederum  von  Böttgers  er- 
staunlich rationellem  Sinne  Zeugnis  gibt.  Diese  Kapseln  wurden  an  den 
Seiten  zu  dreien,  in  der  Mitte  zu  vieren  übereinander  hinten  an  die  Stirnmauer 
des  Ofens  gestellt,  dort,  wo  unter  der  Feueresse  die  Hitze  am  mildesten  war.  Dann 
ward  der  gemeinsame  Garbrand  vollzogen  *3^). 

Nach  diesen  rein  technischen  Bemühungen  galt  es  dann  aber  für  Böttger,  sich 
auch  um  die  künstleiische  Durchbildung  seines  Porzellans  zu  bekümmern.  Auch 
für  das  Porzellan,  das  so  mühsam  erworbene  und  darum  so  kostbare  Produkt, 
stand  von  vornherein  fest,  daß  es  ein  besonders  feines,  künstlerisches  Erzeugnis 
werden  sollte,  damit  es  auch  in  dieser  Beziehung  mit  seinen  so  reizvollen  Vor- 
bildern aus  China  und  Japan  konkurrieren  konnte.  Freilich  über  seine  formale 
Ausgestaltung  erfahren  wir  aus  den  Dokumenten  der  Zeit  merkwürdig  wenig, 
obwohl  Böttger  anfangs  die  Absicht  bekundet  hatte,  für  diesen  Stoff,  sobald  er  wirk- 
lich praktisch  zu  verwenden  wäre,  eine  ganze  Reihe  neuer  Muster  erfinden  zu 
lassen.  Doch  als  dann  später  das  Porzellan  wirklich  so  weit  war  und  man  ernst- 
haft an  seine  künstlerische  Ausgestaltung  schreiten  mußte,  ist  davon  in  keiner 
Weise  mehr  die  Rede,  allein  aus  dem  Grunde,  weil  das  Geld  fehlte,  um  neue  Foimen 
erfinden  zu  lassen.  Jrminger,  der  Goldschmied,  an  den  man  in  dieser  Beziehung 
wieder  in  erster  Linie  zu  denken  hatte,  war  gerade  in  dieser  Zeit  über  die  Zustände 
in  der  Fabrik  sehr  ungehalten:  er  beklagte  sich  gegen  Ende  dieses  Jahres  in  einem 
persönlichen  Brief  an  den  König  bitter  darüber,  daß  wegen  der  ,, Zustände  in  der 
Fabrik"  alles  „unvollkommen  verblieben  wäre",  bat,  ihn  in  besseren  Stand  zu  setzen 


Künstlerische  Ausgestaltung.  167 

oder  ihn  für  seine  Bemühungen  und  Auslagen  zu  bezahlen  und  dann  seines  Amtes 
zu  entlassen*^^),  was  freilich  nicht  geschehen  ist.  Er  hat  aber  auch  dafür  für  die 
Fabrik  nicht  mehr  viel  getan.  Nach  wie  vor  aber  wurden  etwaige  neue  Modelle 
von  ihm  in  Kupfer  und  Silber  ausgeführt^*").  Daneben  scheint  jetzt  aber  noch  ein 
anderer  Künstler  bisweilen  für  die  Manufaktur  gearbeitet  zu  haben**^),  der  da- 
malige Oberarchitekt  des  Königs  Leplat,  ein  Mann,  den  der  König  zu  mancherlei 
künstlerischen  Dingen  verwandt  zu  haben  scheint,  z.  B.  auch  zur  Vermehrung 
seiner  Antikensammlung**^).  Er  hat  unter  anderem  mit  Jrminger  zusammen  jene 
ganz  besonders  große,  mit  dem  Wappen  der  Orleans  belegte  Vase  entworfen,  die 
wegen  der  Kleinheit  der  damaligen  Öfen  nicht  gelingen  wollte**^),  an  welches 
Werk  übrigens  beide  Künstler,  da  es  als  Geschenk  nach  Frankreich  gehen  sollte, 
selber  mit  Hand  angelegt  haben.  Weiteres  über  Leplats  Tätigkeit  erfahren  wir 
freilich  nicht. 

Auch  über  die  Verzierungsarten  des  Porzellans  wird  wenig  berichtet,  vor  allem 
nur  das,  daß  jetzt  bisweilen  Ornamente  auch  in  die  Masse  eingedrückt  wurden 
und  vor  allem  die  Gefäße  jetzt  vielfach  mit  erhabenen  Blumen,  Blättern  und 
Figuren  belegt  wurden,  was  als  besonders  wirkungsvoll  empfunden  ward***). 
Übrigens  wurden  die  Gefäße,  die  nach  den  Entwürfen  Jrmingers  und  Leplats 
verziert  werden  sollten,  als  rohe  Gefäße  von  Meißen  nach  Dresden  transportiert, 
was  schließlich  solchen  Umfang  annahm,  daß  Böttger  schon  aus  diesem  Grunde 
später  noch  einmal  die  Absicht  hatte,  einen  Teil  der  Manufaktur  wieder  nach 
Dresden  zurückzuverlegen**^). 

Vor  allem  aber  stand  fest,  daß  das  neue  Porzellan  auch  darin  dem  chinesischen 
ebenbürtig  und  konkurrenzfähig  werden  sollte,  daß  man  es  farbig  dekorieren,  daß 
man  es  zum  Träger  eines  prächtigen  Farbenkleides  machen  wollte.  Ohne  Farbe 
konnte  man  sich  damals,  da  so  gut  wie  alles  Porzellan,  das  aus  Ostasien  nach 
Europa  gelangte,  bemalt  war  oder,  wenn  nicht,  in  Europa  noch  von  spekula- 
tiven Leuten  nachdekoriert  ward,  Porzellan  anfangs  nicht  recht  denken. 
Böttger  hatte  daher  ja  schon  am  28.  Mai  1709,  als  er  sein  Porzellan  kaum  fertig  hatte, 
versprochen,  dasselbe  auch  zu  bemalen  und  dazu  blaue,  rote,  grüne,  schwarze  und 
andere  Farben  aufzufinden  und  zwar  gleich  solche,  die  sich  im  Scharffeuer,  in  dem 
das  Porzellan  gargebrannt  wird,  mit  einbrennen  ließen**^).  Er  stellte  mithin  gleich 
ein  halbes  Dutzend  sogenannter  ,, Scharf f euer-  oder  Unterglasurfarben"  in  Aus- 
sicht, ohne  damals  freilich  auch  nur  entfernt  zu  ahnen,  was  er  damit  versprach 
und  wie  wenig  von  diesem  Versprechen  er  später  halten  sollte.  Er  ahnte  nicht, 
daß  er  damit  eines  der  schwierigsten  Probleme  der  gesamten  Keramik  berührte, 
ein  Problem,  an  dem  ja  zum  Teil  selbst  unsere  technisch  so  vorgeschrittene  Zeit 
noch  immer  laboriert.  Dagegen  ließ  er  schon,  wie  bereits  früher  erwähnt,  am  21.  Juni 
1710  zwei  „Gefäße  von  weißem  Porzellan"  an  den  König  schicken,  von  denen  das 
eine  glasiert,  das  andere,  wie  es  ja  auch  ein  Teil  der  Porzellane  gewesen  war,  mit 
denen  er  soeben  die  erste  Leipziger  Messe  beschickt  hatte,  nicht  glasiert  war.  Beide 
aber  waren  bereits  mit  mehreren  Farben  bemalt  auf  Grund  einer  „ungewöhnlichen 


168  Die  Porzellanfabrik. 

Zeichnung".  Doch  diese  Farben  waren  mit  Flüssen  gemischt,  mithin  Email-  oder 
Überglasurfarben,  die  erst  nach  dem  Garbrande  in  schwächerem  Feuer  aufgebrannt 
zu  werden  pflegen,  mithin  eine  viel  leichtere  Technik  darstellteti.  Sie  scheinen  sich 
übrigens  heute  noch  beide  in  der  Porzellansammlung  zu  Dresden  erhalten  zu  haben 
(Abb.  70)**^).  Böttger  beschäftigte  sich  demnach  schon  damals  ernstlich  mit  dem 
Farbenproblem,  wenn  auch  einem  bedeutend  leichtern,  bei  dem  er  sich  noch  dazu 
stark,  wenn  auch  natürlich  nicht  gänzlich,  auf  die  Technik  der  Emaillierung  von 
Gläsern  oder  die  damals  so  stark  geübte  Emailmalerei  stützen  konnte.  Doch  konnte 
der  damalige  Versuch  noch  durchaus  nicht  als  gelungen  betrachtet  werden: 
auf  dem  glasierten  Stücke  waren  die  Farben  nicht  alle  gleich  gut  herausgekommen, 
sie  hatten  nicht  alle  den  richtigen  Emailglanz  erhalten,  weil,  wie  Böttger  sich  dem 
Könige  gegenüber  ganz  richtig  entschuldigte,  ,, einige  nicht  so  hartes  Feuer  als  die 
anderen  ausstehen  können".  Doch  meinte  er,  wenn  man  sich  allein  der  blauen  Farbe 
bedienen  würde,  so  könnte  alles  nach  seiner  ,, Vollkommenheit  tractiret  und  ge- 
handhabt" werden**^).  Es  ist  demnach  die  blaue  Überglasurfarbe  gewesen,  die 
Böttger  damals  noch  nicht  gelungen  war.  Mit  ihrer  Verbesserung  hat  er  sich  dann 
auch  in  der  Tat  in  der  nächsten  Zeit  ernstlich  abgegeben.  Wenigstens  rühmte  er 
sich  im  folgenden  Jahre  einer  neuerfundenen  blauen  Farbe  oder  Smalte,  von  der 
er  sich  wieder  wie  so  oft  Wunderdinge  versprach,  da  sie  besser  wäre,  als  die  ,, ge- 
meine blaue  Farbe  oder  Smalte",  sich  auch  zum  Malen  in  Öl,  in  Leimfarbe,  als 
Fresko  und  als  Email  eignete,  ganz  unveränderlich  in  der  Luft,  im  Winde  und 
Wasser  wäre,  im  übrigen  aber  alle  Qualitäten  des  Ultramarin  besäße**^).  Doch 
von  einer  wirklichen  Beherrschung  der  Emailmalerei  konnte  auch  damals  noch 
keine  Rede  sein.  Als  die  zweite  Kommission  im  März  1711  tagte,  zeigte  ihr 
Böttger,  wie  erwähnt*^"),  eine  Reihe  von  ,, rohen"  Porzellangefäßen  vor  und  forderte 
sie  auf,  daß  ein  jeder  sich  ein  Stück  aussuchen  und  ein  Wappen,  einen  Wahlspruch 
oder  dergl.  angebe,  den  er  in  drei  bis  vier  Tagen  in  das  betreffende  Stück  ein- 
brennen lassen  wolle.  Doch  war  er  nach  Ablauf  dieser  Zeit  noch  nicht  damit  zu- 
stande gekommen  und  bald  mußte  er  erklären,  daß  er  es  überhaupt  noch  nicht 
vermöchte. *^^)  Später  sind  dann  freilich  diese  Emailfarben  besser  gelungen,  wenn 
auch,  wie  sich  später  herausstellen  wird*^^),  niemals  in  gänzlich  zufriedenstellender 
Weise,  wie  es  doch  schon  so  bald  nach  seinem  Tode  gelingen  sollte.  Zu  Böttger?, 
Lebzeiten  hat  man  daher  die  Porzellane  vielfach  gerade  wie  auch  die  Steinzeuge 
mit  den  wenig  haltbaren  Lackfarben  bemalt,  daneben  freilich  auch  mit  Gold 
und  Silber  ^53) 

Ernstlicher  bemüht  aber  hat  sich  dann ^ö/fger,  wenigstens  eine  der  in  Aussicht  ge- 
stelltenUnterglasurfarben  für  das  Porzellan  zu  gewinnen,  die  wichtigste,  die  es  über- 
haupt für  dasselbe  gibt  und  die  im  allgemeinen  auch  am  leichtesten  hier  zu  er- 
zielen ist :  das  aus  Kobalterzen  hergestellte  Blau.  Diese  Farbe  war  darum  auch  die  erste 
gewesen,  mit  der  die  Chinesen  seit  dem  15.  Jahrhundert  ihr  Porzellan  bemalt  hatten, 
und  die  dort  immer  eine  ganz  besonders  große  Rolle  gespielt  hatte,  indem  sie  nicht 
bloß  dazu  diente,  das  gewöhnliche  Gebrauchsgeschirr  zu  beleben,  sondern  auch 


Das  Kobaltblau. 


169 


zur  Entfaltung  bedeutender  künstlerischer  Reize  J)enutzt  ward,  wie  sie  in  diesem 
Maße  kein  Volk  wieder  mit  Hilfe  dieser  Farbe  erreicht  hat.  Mit  Kobaltblau  deko- 
rierte Porzellane  sind  es  denn  auch  gewesen,  die  zuerst  in  größeren  Mengen  aus 
China  nach  Europa  seit  dem  Anfange  des  17.  Jahrhunderts  gelangten;  sie  bildeten 
noch  zu  Böttgers  Zeiten,  nachdem  in  China  schon  lange  das  Bemalen  mit  Email- 
farben begonnen  hatte,  den  Hauptschmuck  des  für  Europa  bestimmten  Export- 
porzellans. Daneben  hatte  diese  Farbe  auch  in  der  europäischen  Keramik  längst 
eine  bedeutende  Stellung  eingenommen.  Mit  Kobaltblau  schmückte  man  die 
Bierkrüge  und  -kannen  des  rheinischen  Steinzeugs,  mit  Kobaltblau  hatte  man 
vielfach  auch  die  italienischen  Majoliken  und  die  Fayencen  der  anderen  Länder  ver- 
ziert. Es  bildete  gleichfalls  ein  Hauptschmuckmittel  der  gerade  zu  Böttgers  Zeiten 
so  beliebten  Delfter  Fayencen,  die  sich  hierin  stark  an  ihre  Vorbilder,  die  chine- 
sischen Porzellane,  hiel- 
ten. Die  kobaltblaue 
Farbe  war  demnach  da- 
mals unzertrennlich  mit 
einer  höheren  Keramik 
verbunden.  Ohne  sie  vor 
allem  schien  ein  richtiges 
Porzellan  kaum  denkbar, 
damit  auch  die  Nach- 
ahmung des  chinesischen 
Porzellans  erst  halb  ge- 
lungen zu  sein.  Es  mußte 
Böttger  geradezu  wie  eine 
Pflicht  erscheinen,  diese 
Farbe  auch  an  seinen 
Porzellanen  zur  Anwen- 
dung zu  bringen. 

Es  kam  hinzu,  daß  gerade  Sachsen  hinsichtlich  des  Kobalts  damals  eine  ganz 
besondere  Stellung  einnahm:  es  besaß  in  dem  erzreichen  Erzgebirge  die  berühm- 
testen und  am  frühesten  angebauten  Kobaltbergwerke,  die  es  überhaupt  in  Deutsch- 
land gegeben  hat,  vor  allem  in  der  Gegend  von  Schneeberg,  die,  so  viel  man  weiß, 
hier  zuerst  vom  16.  Jahrhundert  an  ausgenutzt  worden  waren,  nachdem  man 
lange  dies  Metall  für  wertlos,  ja,  weil  giftig,  sogar  für  schädlich  gehalten  hatte. 
Dann  aber  war  seine  Ausbeutung  eine  Quelle  großen  Reichtums  geworden, 
namentUch  seitdem  man  vom  17.  Jahrhundert  an  damit  einen  lebhaften 
Handel  auch  nach  dem  Auslande  begonnen  hatte*^*).  Seine  Verwendung  im 
Porzellan  bedeut«te  demnach  für  Böttger  wiederum  eine  neue  Ausnutzung 
von  Landesmaterialien,  damit  eine  weitere  Befolgung  des  Prinzips,  auf  das 
sich  Böttgers  ganze  industriellen  Unternehmungen  von  Anfang  an  gestützt 
hatten. 


Abb.  70.    Glasiertes  (links)  nnd  nnglasiertes  (rechts)  BSttgerporzellan 
mit  Versnchen  in  Emailmalerei,  1710  dem  König  von  Polen  von  Böttger  vorgelegt 

Künigl.  Porzellansammlung,  Dresden.    Höhe  7V2  cm. 


170  Die  Porzellanfabrik. 

Es  ist  daher  kein  Wunder,  daß  Böttger  diese  blaue  Farbe  auf  seinem  Porzellan 
schon  gleich  nach  dessen  Erfindung  in  Aussicht  stellen  zu  müssen  glaubte  und  sich 
dann  auch  allen  Ernstes  an  ihre  Herstellung  gemacht  hat.  Auch  der  König  scheint 
für  diese  Farbe  ein  ganz  besonderes  Interesse  gehabt  zu  haben.  Hat  er  doch  sogar 
einige  Jahre  später  einen  Preis  von  1000  Talern  darauf  gesetzt,  eine  für  seine  da- 
malige Geldknappheit  gewiß  ganz  anständige  Summe*^^).  Selbst  die  Maitresse  des 
Königs,  die  Gräfin  Cosel,  schien  sich  für  dieselbe  zu  interessieren*^^).  Schheßlich 
suchten  sich  auch  nach  Böttgers  Tode  alle,  die  sich  um  seine  Nachfolgerschaft  be- 
warben, vor  allem  dadurch  beim  König  zu  empfehlen,  daß  sie  die  Herstellung 
dieser  Farbe  in  sichere  Aussicht  stellten*^').  Entweder  war  demnach  der  König  ein 
ganz  besonderer  Liebhaber  derselben  —  wie  er  denn  auch  unter  jenen  jetzt  Inder 
Porzellansammlung  zu  Dresden  befindlichen  ungeheuren  Mengen  von  Porzellanen, 
die  er  bekanntlich  für  die  Ausschmückung  des  sogenannten  japanischen  Palais 
in  Dresden-Neustadt  zusammengebracht  hat,  das  chinesische  blaue  Porzellan 
in  ganz  auf  fälliger  Weise  bevorzugt  hat  —  oder  er  versprach  sich  aus  der  Anbringung 
dieser  Farbe  und  der  dadurch  erfolgenden  Verschönerung  der  Porzellane  einen 
großen  pekuniären  Vorteil.  , 

Schon  im  Mai  des  Jahres  1710  hatte  daher  Böttger,  der  von  vornherein  das 
an  den  chinesischen  Porzellanen  zur  Anwendung  gebrachte  Unterglasurblau  als 
das  in  Sachsen  gewonnene  Kobaltblau  erkannt  haben  muß,  um  %  Zentner  des 
allerbesten  und  allerfeinsten  „„Handstein  von  der  Kobaltminera"  gebeten,  hatte 
deswegen  auch  nach  Schneeberg  geschickt,  wo,  wie  eben  erwähnt,  dergleichen  am 
besten  und  reinsten  zu  erhalten  war*^^).  Schon  in  diesem  Jahre  wurden  von  ihm 
Versuche  mit  diesen  Erzen  unternommen;  doch  wollten  sie  noch  nicht  recht  ge- 
lingen, da  nach  Böttgers  Angabe  der  Kobalt,  den  er  aus  dem  Gebirge  früher  besser 
bekommen  hätte,  diesmal  nicht  gut  gewesen  wäre.  Die  Malerei  war  ,, inwendig 
und  wenn  man  die  Gefäße  gegen  das  Licht  hielt,  ganz  deutlich  zu  sehen";  außer- 
halb aber  waren  die  Farben  noch  nicht  recht  deutlich,, durchgebrochen".  Böttger  wdigte 
diese  Resultate  noch  nicht  an  den  König  zu  senden*^^).  Vielleicht  waren  aber  diese 
Versuche  damals  überhaupt  noch  etwas  verfrüht,  da  zu  dieser  Zeit  auch  die  Masse 
und  die  Glasur  des  Porzellans  erst ,, ziemlich"  geraten  war.  Im  April  des  Jahres  1712 
erbot  sich  dann  Böttger,  in  seinen  Öfen  die  blaue  Farbe  „auf  seine  eigenen  Kosten"  herzu- 
stellen*^") und  versprach  dann  auch  einmal,  bis  Michaelis  1713  mit  der  Herstellung 
dieser  Farbe  fertig  zu  sein*^^).  Doch  in  den  folgenden  Jahren  hört  man  dann  wieder 
von  immer  neuen  Bestellungen  des  Minerals,  dessen  Anwendung  auf  das  Porzellan 
noch  immer  nicht  gelingen  wollte,  und  wiederum  wird  die  Schuld  des  Mißlingens 
auf  das  Erz  selber  geschoben:  es  sei  zu  verschieden  hinsichtlich  seiner  Güte  und 
sonstigen  Eigenschaften  und  könne  zum  Teil  auch  wegen  zu  viel  Arsens  das  zum 
Garbrand  des  Porzellans  nötige  Feuer  nicht  bestehen*^^)  Yqh  neuem  erging  daher 
im  Jahre  1715  an  das  Oberbergamt  in  Freiberg  der  Befehl,  sämtliche  Sorten  von 
Kobalterzen,  die  es  in  Sachsen  gäbe,  die  Böttger  jedoch  alle  schon  einmal  erhalten 
hatte,  an  diesen  zu  senden*^^),  ohne  daß  dadurch  freihch  die  Sache  besser  wurde. 


Mißlingen  des  Kobaltblaus.  171 

Wie  Steinbrück  zwei  Jahre  später  angab,  lag  die  Ursache  dieses  ewigen  Mißlingens 
vor  allem  an  der  großen  Geheimniskrämerei  innerhalb  der  Fabrik  selber,  die  ein  ver- 
nünftiges Zusammenarbeiten  der  einzelnen  streng  voneinander  getrennten  Ab- 
teilungen, das  für  die  Anbringung  des  Kobaltblaus  im  Porzellan  unbedingt  nötig 
war,  nicht  zuließ.  Auch  darf  nicht  vergessen  werden,  daß  das  Meißner  Porzellan, 
weil  es  härter  war  als  das  chinesische,  zu  seinem  Garbrande  eine  bedeutend  höhere 
Temperatur  erforderte,  der  also  auch  die  Kobaltfarbe  gewachsen  sein  mußte. 
Und  schließlich  war  die  Erzielung  dieser  jetzt  so  gewöhnlichen  Unterglasurfarbe 
damals  noch  gar  nicht  so  leicht,  da  man  dazu  nicht  Kobalt  allein,  sondern  eine 
Mischung  mit  anderen  Stoffen  nehmen  muß,  eine  Methode,  die  doch  nur  durch 
vieles  Experimentieren  und  Nachdenken  herausgefunden  werden  konnte,  was 
neue  Kraft  und  neue  Zeit  erforderte.  Böttger  ist  daher  auch  mit  dieser  Angelegen- 
heit, obwohl  er  versichert  hat,  daß  er  diese  Farbe  wohl  kenne,  niemals  zustande^**) 
gekommen,  und  so  ist  das  Kobaltblau  fast  das  einzige  keramische  Problem  geblieben 
unter  den  vielen,  die  ihm  am  Herzen  gelegen  haben,  das  er  trotz  aller  Anstrengungen 
nicht  zu  bewältigen  gewußt  hat*^^). 

Daß  aber  unter  diesen  Umständen,  wo  der  Herr  und  Meister  versagte,  auch 
keiner  seiner  Untergebenen,  die  durch  die  vom  Könige  ausgesetzte  Prämie  zu 
gleichen  Versuchen  gereizt  werden  mochten,  besser  mit  dieser  Sache  zustande  kam, 
war  nur  natürlich.  Zwar  rühmte  sich  damals  jener  oben  genannte  ehemalige  Tischler 
Mehlhorn,  der,  wie  erwähnt,  früher  selber  in  Porzellan  laboriert  hatte*^^),  und  dem 
Böttger  nachher,  wohl  weil  er  an  sich  ein  geschickter,  anstelliger,  wenn  auch  ziem- 
lich großmäuliger  Mann  war,  verschiedene  wichtigere  Missionen  auftrug,  die  Wissen- 
schaft zu  besitzen,  das  ,, blaue  auf  porcellain  so  gut  als  das  indianische  ist"  ver- 
fertigen zu  können.  Nur  müsse  man  ihm  dazu  ,, einen  Ofen  und  die  anderen  nötigen 
Requisiten"  zur  Verfügung  stellen.  Auch  ging  er  so  weit,  diese  Behauptung  in 
einer  Zeitung  öffentlich  bekannt  zu  machen.  Als  aber  Böttger  dann  auf  seinen  Vor- 
schlag einging  und  ihm  das  Gewünschte  zur  Verfügung  stellte,  da  ward  es  in  dieser 
Sache  ganz  still,  trotz  jener  Tausend  Taler,  die  jenem,  wenn  er  jene  Wissenschaft 
wirklich  gehabt  hätte,  doch  sicher  zugefallen  wären*^'),  und  so  wird  es  auch  mit 
seinem  Können  wohl  nicht  allzu  weit  hergewesen  sein.  Die  Darstellung  der  blauen 
Unterglasurfarbe  aber  ist  auf  diese  Weise  erst  nach  Böttger^  Tode  wirklich  gelungen, 
dann  aber  auch  erstaunlich  schnell.  Es  ist  vor  allem  damals  Böttgers  bester  Ar- 
beiter gewesen,  der  mehrfach  erwähnte  David  Köhler,  derjenige,  der  von  allen 
Persönlichkeiten  um  Böttger  schheßlich  am  tiefsten  in  seine  Porzellanarbeit  ein- 
drang, der  nun  endlich  im  Jahre  1720  auch  mit  dieser  Farbe  glücklich  zurecht  kam^^^). 
Freilich  so  wundervoll  wie  auf  dem  chinesischen  ist  das  Blau  auf  dem  Meißner 
Porzellan  niemals  gelungen :  es  hat  hier  niemals  die  gleiche  Tiefe,  das  gleiche  Feuer 
erreicht,  auch  ist  es  hier  nie  zu  so  künstlerischen  Wirkungen  benutzt  worden.  Das 
Meißner  Porzellan  hat  in  dieser  Beziehung  niemals  seine  Vorbilder  erreicht. 

Doch  noch  eine  ganz  besondere  Farbe  gelang  Böttger,  auf  die  er  nicht  wenig 
stolz  gewesen  ist:  die  sogenannte  „Perlmutter-  oder  Opalglasur",  die  aber  keine 


172  Die  Porzellan f ab rik. 

Glasur,  sondern  nur  eine  Farbe  war,  nichts  destoweniger  dem  Porzellan  ein  ,, neues 
und  sehr  schönes  Ansehen"  gab^^^),  wie  sich  später  herausstellen  wird,  eine  metal- 
lisch glänzende  Farbe  von  violetter  Färbung,  auf  die  er  vielleicht  schon  früher  durch 
seine  alchimistischen  Studien,  als  er  noch  die  Metalle  durchprüfte,  gestoßen  sein 
mag.  Sie  bedeutete  in  der  Tat  eine  eigenartige  Bereicherung  seiner  keramischen 
Palette  und  stellt  zugleich  Böttger  auch  als  den  Einführer  der  Lüsterfarben  in  das 
Porzellan  dar,  deren  Verwendung  in  diesem  später  noch  so  oft  versucht  werden  sollte. 

Wenn  aber  im  übrigen  Böttger  mit  allen  Versuchen,  sein  Porzellan  farbig  zu 
beleben,  nicht  recht  zustande  kam,  so  wenig,  daß  noch  im  Jahre  1717  Steinbrück 
,,die  Farben  oder  die  Malerey  auf  das  weiße  ,, Porzellan"  unter  diejenigen  Proposi- 
tionen Böttgers  rechnete,  die  er  versprochen,  aber  bis  zu  diesem  Jahre  noch  nicht 
durchgeführt  hatte  *^°),  so  darf  man  ihm  dies  Mißlingen  durchaus  nicht  allein  als 
Unvermögen  anrechnen.  Vielmehr  lag  die  Sache  so,  daß  zu  dieser  Ver- 
schönerung seines  Porzellans  damals  auch  gar  kein  zwingender  Anlaß  vorlag,  da 
dieses,  sobald  es  auf  den  Markt  kam,  sofort  auch  unbemalt  so  stark  verkauft 
ward,  daß  die  Fabrik,  die  ja  freilich  in  ihrer  Weiterentwicklung  durch  das  Fehlen 
ausreichender  Öfen  völlig  gehemmt  war,  die  Nachfrage  in  keiner  Weise  befriedigen 
konnte.  Auch  hatte  Böttger  gleich  am  Anfange,  als  die  fabrikmäßige  Herstellung 
des  Porzellans  begann,  es  für  eine  Ersparnis  im  Fabrikationsbetriebe  angesehen, 
wenn  von  einer  Bemalung  des  fast  durchgehends  plastisch  verzierten  Porzellans 
abgesehen  wurde.  Er  hielt  eine  solche,  wofern  nicht  einer  oder  der  andere  es  auf 
,,  Japanische  Arth"  nachgemalt  zu  haben  verlangte,  für  durchaus  nicht  erforder- 
lich *'^).  Kein  Wunder  also,  daß  Böttger,  der  in  dieser  Zeit  noch  genug  anderes 
zu  tun  hatte  und  noch  immer  mit  neuen,  aussichtsreichen  Plänen  umging,  damals 
durchaus  keinen  großen  Zwang  empfand,  sich  mit  einer  Sache  zu  beschäftigen, 
die  ihm  nur  Zeit  und  Geld  gekostet  hätte,  ohne  daß  irgend  jemand  nach  ihr  be- 
sonders dringend  verlangte.  Sie  konnte  ruhig  auf  spätere,  freiere  Zeiten  aufgeschoben 
werden,  zumal  Böttger  damals  sicher  geglaubt  haben  wird,  dies  ja  nicht  allzu- 
schwierige Problem,  wenn  wirklich  nötig,  in  kürzester  Zeit  lösen  zu  können. 

Zur  Durchführung  der  Malereien,  die  aber  dennoch  ausgeführt  wurden, 
hatte  Böttger  zunächst  etliche  Knaben  abrichten  lassen,  die  vielleicht  mit  den 
Malern  /.  D.  Stechmann  und  Anselm  Bader  identisch  sind,  deren  Tätigkeit  für  die 
Manufaktur  sich  vom  Oktober  des  Jahres  1712  an  nachweisen  läßt  *'2).  ihre  Ver- 
mehrung erschien  damals  Böttger,  wohl  weil  das  Porzellan  immer  besser  gelang, 
durchaus  erforderlich.  Seit  dem  Jahre  1713  ist  daher  vor  allem  der  Maler  und 
Goldarbeiter  Funke  als  ,, Emaillemaler"  für  die  Manufaktur  tätig  gewesen  und 
hat  hier  nachweislich  mit  Schwarz,  Grün,  Purpur,  Blau,  Dunkelpurpur  und  Rot 
gemalt,  und  zwar  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  mit  denselben  Farben,  mit  denen  er 
seine  Goldarbeiten  zu  emaillieren  pflegte*'^).  Neben  ihm  wurden  später  noch  ein 
gewisser  Joh.  Chr.  Schaff ler  und  Jonathan  Pappelbaum  genannt*^*)  sowie  vor 
allem  Joh.  Gottfried  Mehlhorn,  ein  Sohn  des  öfters  genannten  Vertrauten  Böttgers. 
Sie  alle  lebten  jedoch  nicht  in  Meißen,  sondern  blieben  in  Dresden,  wohin  von 


Die  Arbeiter.  173 

dort  aus  demnach  die  zu  bemalenden  Gegenstände  wieder  hingesandt  werden 
mußten.  Unter  allen  diesen  scheint,  weil  am  häufigsten  genannt,  Funke  am 
meisten  für  die  Manufaktur  tätig  gewesen  zu  sein. 

Über  die  mit  allen  diesen  Mitteln  hergestellten  Gegenstände  erfahren  wir  aus 
den  Dokumenten  der  Zeit  leider  nur  recht  wenig.  Eine  Preisliste  hat  sich  hier, 
wie  beim  roten  Steinzeug*'^),  nicht  erhalten.  DeutHch  geht  nur  aus  allem,  was  uns  in 
dieser  Beziehung  überliefert  worden,  hervor,  daß  man  damals  im  Porzellan  nicht  ent- 
fernt das  hat  erreichen  können,  was  man  anfangs  von  ihm,  wie  vom  roten  Steinzeug, 
namentlich  beim  Erlaß  des  Gründungspatents  der  Manufaktur  im  Jahre  1710  er- 
hofft hatte,  daß  man  durchaus  weder  große  ,, Statuen"  gebildet  noch  ,,Columnen"^"*) 
errichtet  hat.  War  es  doch,  wie  oben  bereits  erwähnt,  nicht  einmal  möglich 
gewesen,  die  von  Irminger  und  Leplat  entworfene  große  Vase,  obgleich  sie  in  drei 
Stücke  zerlegt  worden  war,  in  den  primitiven  Öfen,  die  zur  Verfügung  standen, 
zu  brennen  *'').  So  mußte  auch  noch  im  Jahre  1717  die  Herstellung  von  Tafel- 
servicen,  Statuen,  Basreliefs,  Spiegeln,  Bilderrahmen,  Gueridons,  Büsten,  Ofen- 
füßen, Wandleuchtern  als  eine  Hoffnung  ausgesprochen  werden,  deren  Erfüllung 
man  erst  von  der  Zukunft  erwarten  konnte  ^'^)  und  somit  das  ganze  Streben  nach 
dem  Großen  und  Monumentalen,  das  so  recht  ein'Ausfluß  der  Barockzeit  war,  auf 
eine  bedeutend  spätere  Zeit  verschoben  werdtn,  wo  es  dann  freilich,  wie  die 
wunderbaren  Schätze  der  Königlichen  Porzellansammlung  zu  Dresden  es  noch 
heute  beweisen,  in  überraschender  Weise  zur  Durchführung  gelangt  ist. 

Diese  ganze  Arbeit  der  praktischen  Ausnutzung  der  Porzellanerfmdung  aber 
erfolgte  damals,  ohne  daß,  wie  es  doch  hätte  sein  müssen,  das  Personal  vermehrt 
wurde;  im  Gegenteil,  es  ward  wegen  der  schlechten  finanziellen  Lage,  in  der  sich 
die  Fabrik  damals  befand,  die  sich  beim  Beginn  der  Fabrikation  des  Porzellans 
nur  noch  vermehrte,  eher  vermindert.  Im  Jahre  1716  zählte  die  Fabrik  daher  nur 
noch  18  eigentliche  Arbeiter,  darunter  4  Brenner,  4  Dreher,  5  Former  und  1  Hand- 
langer, zu  denen  dann  noch  die  eigentlichen  Verzierer  des  Porzellans,  die  Maler, 
hinzukamen  *'^).  Im  folgenden  Jahre  finden  wir  etwa  20  Arbeiter  ^^°)  und  auch 
bei  Böttgers  Tode  betrug  ihre  Zahl  nur  noch  20,  unter  denen  sich  3  Massenbereiter, 
3  Brenner,  zum  Teil  auch  Maurer  genannt,  5  Töpfer  oder  Dreher,  1  Kapsel- 
dreher und  4  Former  befanden  ^^i).  Der  Betrieb  der  Meißner  Manufaktur  ist  also, 
solange  Böttger  lebte,  ein  recht  kleiner  gewesen,  er  hat  mit  dem  späteren  Groß- 
betriebe dieser  Anstalt  noch  gar  nichts  zu  tun  gehabt. 

Die  Arbeiter  selber  aber  sind  im  großen  und  ganzen  dieselben  geblieben  wie 
am  Anfange.  Als  bester  Arbeiter  galt  immer  noch  David  Köhler,  den  Böttger  damals 
so  hoch  schätzte,  daß  er  ihn  gelegentlich  sogar  dem  Könige  empfahl.  Er  scheint 
ihm  auch  in  der  Tat  bei  allen  seinen  Bestrebungen  recht  viel  zu  verdanken  gehabt 
zu  haben.  Für  den  besten  Töpfer  galt  dagegen  bis  zu  Böttgers  Tode  Peter  Geithner, 
jener  Töpfer,  den  Böttger  ganz  am  Anfange  seiner  keramischen  Tätigkeit,  nachdem 
die  Dresdner  Töpfer  völlig  versagt  hatten,  aus  Pirna  hatte  holen  müssen,  der  aber 
damals  selber  noch  so  wenig  sein  eigenes  Handwerk  kannte  ^^^).     Inspektor  der 


174  Die  Perlmutterglasur. 

Fabrik  aber  blieb  nach  wie  vor  Steinbrück.  Doch  bUeb  dieser,  da  Böttger  vorgab, 
ihn  in  Dresden  dringend  nötig  zu  haben,  nicht  mehr  wie  früher  ständig  in  Meißen, 
so  daß  er  sich  nicht  mehr  viel  um  die  Fabrik  kümmern  konnte.  Dafür  aber 
trat  er  in  dieser  Zeit  Böttger  dadurch  noch  näher,  daß  er  sich  mit  seiner  Schwester 
verehelichte.  Denn  Böttger  hatte  in  dieser  Zeit  einen  großen  Teil  seiner  Familie 
nach  Dresden  kommen  lassen,  darunter  auch  seine  verwitwete  Mutter,  für  die 
er  in  jeder  Beziehung  sorgte. 

Als  eigentliche  Leiter  des  inneren  Betriebes  der  Fabrik  galten  jedoch  auch 
in  dieser  Zeit  noch  immer  die  beiden  Arkanisten  Dr.  Nehmitz  und  Dr.  Bartelmei. 
Beiden  waren  ja  die  Geheimnisse  des  echten  Porzellans,  natürlich  wieder  einem  je- 
den nur  zu  seinem  Teil,  schon  lange  vor  dessen  wirklicher  Ausnutzung  mitgeteilt 
worden,  Dr.  Bartelmei  das  Geheimnis  der  Masse  ja  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
schon  spätestens  am  Ende  des  Jahres  1708  *^^).  Auch  in  der  selbständigen  Her- 
stellung dieses  Produktes  hatten  sie  sich,  nachdem  Böttger  ihnen  die  dazu  nötigen 
Handgriffe  gezeigt  hatte,  geübt.  Mehrfach  hatte  man  auch  auf  Befehl  des  Königs 
Erkundigungen  über  den  Stand  ihrer  Kenntnisse  und  ihres  wirklichen  Könnens 
auf  den  ihnen  zugewiesenen  Gebieten  eingezogen,  vor  allem  durch  die  im  Jahre 
1711  und  1712  tagenden,  ihre  Sache  überall  sehr  ernst  nehmenden  Kommissionen  *ä*), 
die  ihnen  ja  auch  zum  ersten  Male  ihre  durch  Böttger  ausgearbeitete,  vom  Könige 
bestätigte,  sehr  ausführliche  Instruktionen  einhändigten.  Aber  merkwürdig,  mit 
der  Ausführung  dieser  Aufträge  ging  es  nicht  so  glatt  vonstatten,  wie  man  bei 
der  Wichtigkeit  dieser  ganzen  Angelegenheit  wohl  hätte  erwarten  können.  Böttger 
hat  sich  mehrfach,  so  noch  im  März  des  Jahres  1712  vor  der  zweiten  Kommission 
darüber  beklagt,  daß  die  „den  Arcanis  zugeordneten  Personen"  nicht  genügend 
Fleiß  in  der  Ausübung  ihrer  Wissenschaften  an  den  Tag  legten,  daß  vielmehr  noch 
immer  die  ganze  Arbeit  in  der  Fabrik  sich  auf  ihn  selber  stützen  müsse  *^^).  Nament- 
lich scheint  es  bei  Dr.  Nehmitz  mit  der  Herstellung  der  Glasur  des  Porzellans  ge- 
hapert zu  haben.  Böttger  hatte  ihn  zwar  schon  vor  November  des  Jahres  1710 
mehrfach  in  seiner  Gegenwart  ihre  Präparation  vornehmen  lassen,  sie  war  aber 
noch  nicht  ganz  befriedigend  ausgefallen,  was  Böttger  allerdings  zum  Teil  selber 
auf  die  Mangelhaftigkeit  der  dabei  benutzten  Öfen  schieben  mußte  *^^).  Noch  im 
Januar  des  Jahres  1712  meinte  dann  Böttger,  daß  Nehmitz  sich  auf  diesem  Gebiete 
noch  etwas  „perfektionieren"  müsse,  dann  freilich  würde  er  in  kurzer  Zeit  mit  der 
Glasur  wirklich  zustande  kommen.  Andererseits  aber  scheint  Böttger  diese  beiden 
Leute  auch  gar  nicht  sonderUch  in  ihrer  Arbeit  unterstützt  zu  haben.  Noch  am 
Ende  des  Jahres  1710  vermischte  Böttger  die  Materialien  zur  Porzellanglasur  selber 
in  seiner  Behausung,  so  daß  Dr.  Nehmitz  damals  noch  nicht  zu  bekennen  wagte, 
daß  er  ihre  Herstellung  wie  die  der  schwarzen  Glasur  des  Steinzeugs  schon  be- 
herrsche ^^').  Im  April  des  folgenden  Jahres  berichteten  dann  beide  Arkanisten 
vor  der  Kommission,  daß  sie  die  Materialien,  die  sie  für  die  ihnen  aufgetragenen 
Experimente  brauchten,  sich  bei  ,, Materialisten",  wo  ,,sie  auch  allesamt  zu  be- 
kommen wären",  selber  gekauft  und  mit  diesen  experimentiert  hätten.     Allem 


mm 


Die  Arkanisten.  175 

Anscheine  nach  hatte  Böttger  ihnen  die  zu  ihren  Versuchen  nötigen  Stoffe  gar  nicht 
ausgehändigt  ^^^).  Als  sie  dann  aber  beide  vor  dieser  Kommission  verlangten, 
auch  an  die  Orte  reisen  zu  dürfen,  wo  die  zu  den  keramischen  Arbeiten  Böttgers 
erforderlichen  Stoffe  sich  befänden  und  für  diese  Reisen  wie  auch  für  ihre  Experi- 
mente, einerlei,  ob  sie  erfolgreich  ausfielen  oder  nicht,  eine  gewisse  Entschädigung 
verlangten,  ja  auch  den  Wunsch  aussprachen,  daß  die  ihren  Abteilungen  zu- 
gewiesenen Arbeiter  auch  nur  für  diese  und  nicht  auch  für  andere  arbeiten  sollten, 
widersetzte  sich  Böttger  diesen  an  sich  doch  durchaus  billigen  Forderungen,  deren 
Erfüllung  sicherhch  auch  im  Interesse  des  Werks  gelegen  hätte  *^^). 

Grund  für  dieses  eigenartige  Vorgehen  Böttgers  war  wohl,  daß  er  mißtrauisch 
geworden  war  durch  die  früher  angedeuteten,  scheinbar  selbstsüchtigen  Absichten 
des  Direktoriums  und  ihres  Kreises  und  —  vielleicht  auch  nicht  ganz  ohne 
Grund  —  befürchtend,  daß  man  ihm  seine  Manufakturen  gänzlich  entziehen  wolle, 
durchaus  keine  Neigung  hatte,  sich  aller  seiner  Arkana  zu  entledigen  und  Mitwisser 
heranzuziehen,  die  ihn  dann  ohne  große  Mühe  hätten  ersetzen  können.  Anderer- 
seits aber  hatten  Dr.  Bartelmei  und  Dr.  Nekmitz  auch  wohl  ihrerseits  gar  kein  be- 
sonderes Interesse  daran,  sich  der  ihnen  übertragenen  Aufgaben  mit  wirklicher 
Lust  und  Liebe  zu  unterziehen,  einerseits,  da  bei  dem  damals  schon  eingeris- 
senen großen  Geldmangel  nur  zu  oft  die  ihnen  ausgesetzten  Besoldungen  ausblieben, 
andererseits,  da  sie  in  der  Tat  Böttger  nicht  sehr  günstig  gesinnt  gewesen  zu  sein 
scheinen  und  wohl  auch  heimliche  Mithelfer  jener  Bestrebungen  gewesen  sind  — 
wenn  tatsächlich  damals  solche  vorgelegen  haben  —  Böttger  als  unfähig,  seine 
Fabriken  zu  leiten,  hinzustellen  und  sie  ihm  zu  entziehen. 

Daß  aber  unter  diesen  Umständen  beide  keine  allzu  große  Lust  bezeugten, 
sich  den  ihnen  übertragenen  Aufgaben  zu  unterziehen  und  Böttgers  Manufak- 
turen ernsthaft  zu  unterstützen,  liegt  auf  der  Hand.  Immer  seltener  sind  daher 
beider  Besuche  in  Meißen  geworden.  Dr.  Bartelmei  reiste  in  manchem  Jahre  kaum 
einmal  nach  dort.  Dr.  Nehmitz  war  oft  ein  halbes  Jahr  nicht  da.  Da  nun  auch 
der  Inspektor  Steinbrück,  obwohl  dieser  ein  äußerst  gewissenhafter,  selbstloser  Mann 
war,  der  der  Fabrik  gern  mit  allen  Kräften  geholfen  hätte,  gerade  von  der  Zeit 
an,  da  die  eigentliche  Fabrikation  des  Porzellans  begann,  von  Böttger  in  Dresden 
zurückgehalten  wurde  *^"),  so  hätte  der  Fabrikationsbetrieb  in  Meißen  bald  vöUig 
zusammenbrechen  müssen,  hätten  sich  hier  nicht  jene  beiden  trefflichen  Arbeiter, 
denen  Böttger  so  vieles  verdankte,  David  Köhler  und  Georg  Schuberth,  vor  allem 
aber  der  erstere  dieser  Sache  mit  ganzem  Eifer  und  vielem  Geschick  angenom- 
men. Beide  waren  durch  die  Praxis,  d.  h.  dadurch,  daß  sie  früher  in  Dresden  alle 
Experimente  Böttgers  durchs  Feuer  probiert  hatten,  längst  Mitwisser  der  gesamten 
Arcana  geworden.  Nun  kümmerten  sie  sich,  die  an  sich  ja  nur  einfache  Massenbe- 
reiter waren,  da  die  „Oberbedienten"  sie  so  im  Stiche  ließen,  auch  Böttger  selbst 
jetzt  selten  nach  Meißen  kam,  auch  um  die  Abteilung  des  Brennens  und  der  Glasur, 
und  bald  konnten  jene  gänzlich  entbehrt  werden.  So  handelten  sie  nun  gänzlich 
selbständig,   vergrößerten   oder   änderten  auf  eigene   Hand    die  Öfen,  und  nur 


j^76  ^^^  Porzellanfabrik. 

wegen  der  Glasuren  mußten  sie  bisweilen  noch  Dr.  Nehmitz  angehen,  da  dieser  die 
Materialien  dazu  in  seinem  Verschluß  hatte.  Auf  diese  Weise  aber  ging  durch 
Jahre  hindurch  die  Arbeit  in  Meißen  eigentlich  wie  von  selber,  und  sind  dort  zwei 
einfache  Arbeiter,  von  denen  der  eine,  Köhler,  damals  sogar  kaum  erst  30  Jahre 
alt  war,  die  eigentlichen  Betriebsleiter  der  Manufaktur  gewesen  *^'^),  ein  seltsames 
Schauspiel,  wenn  man  bedenkt,  wie  groß  die  Zahl  derjenigen  Personen  war,  die 
an  der  eigentlichen  Leitung  der  Fabrik  teilnehmen  sollten  und  welche  Kosten 
diese  der  Fabrik  fortdauernd  verursachten.  Doch  war  die  Aufrechterhaltung  des 
Betriebes  auf  diese  Weise  nur  dadurch  möglich,  daß  innerhalb  desselben  alles  so 
ziemlich  beim  alten  blieb :  es  wurden  keine  neuen  technischen  Versuche  mehr  ge- 
macht und  eben  auch  kaum  neue  Modelle  mehr  erfunden.  Ein  jeder  arbeitete 
hier  weiter  nach  der  alten  bisherigen  Methode,  jahraus,  jahrein.  Ein  Fort- 
schritt in  der  Fabrikation  aber  war  damit  so  gut  wie  ausgeschlossen. 

Im  übrigen  jedoch  blieb  die  Geheimtuerei  in  der  Fabrik  nach  wie  vor  dieselbe, 
wurde  vielmehr  jetzt,  wo  es  sich  um  das  Porzellan  handelte,  nur  noch  mit 
um  so  größerer  Strenge  durchgeführt.  Das  Schlemmhaus,  in  dem  die  Massen 
präpariert,  und  das  Brennhaus,  in  dem  die  Öfen  standen,  blieben  völlig  voneinander 
getrennt.  Die  Arbeiter  jenes  sollten  dieses  und  umgekehrt  auf  keinen  Fall  be- 
treten, die  eigenthchen  Töpfer  hatten  zu  keinem  von  beiden  Zutritt.  Fremde 
aber  durften  die  Fabrik  um  keinen  Preis  besehen,  es  wären  denn  sehr  hochgestellte 
gewesen,  denen  man  eine  derartige  Bitte  nicht  gut  hätte  abschlagen  können.  Ver- 
antwortlich für  alles  dieses  war  zunächst  der  Inspektor  Steinbrück,  dessen  wich- 
tigste Aufgabe  es  war,  auf  die  Geheimhaltung  der  Arkana  zu  achten,  ein  etwaiges 
heimliches  Entfernen  der  Arbeiter,  zu  dem  Zwecke,  ihre  in  Meißen  gesammelten 
praktischen  Erfahrungen  an  anderer  Stelle  für  höheren  Lohn  zu  verwerten,  zu 
verhindern.  Es  ward  alles  getan,  um  die  Erfindungen  Böttgers,  die  dem  Lande 
bereits  so  viel  Geld  gekostet  hatten,  dafür  aber  auch  große  Einnahmequellen  für 
dasselbe  zu  werden  versprachen,  dem  Lande  zu  erhalten.  Aber  freilich,  erleichtert 
ward  dadurch  der  Betrieb  innerhalb  der  Fabrik  nicht.  Es  war  schwer  und  äußerst 
umständlich,  die  einzelnen  so  hermetisch  voneinander  getrennten  Abteilungen  der 
Fabrikation  zu  einem  wirklich  harmonischen  Zusammenarbeiten  zusammenzu- 
bringen, so  daß  die  Massenbereiter  ihre  Masse  herstellten  mit  Rücksicht  auf  den 
folgenden  Brand,  die  Brenner  ihren  Brand  nach  der  Zubereitung  der  Masse  rich- 
teten, und  doch  erfordert  gerade  das  so  schwierige  und  launenhafte  Material  des 
Pjorzellans  wie  kaum  ein  anderer  von  Menschen  bearbeiteter  Stoff  zu  einem  nur 
einigermaßen  sicheren  Gelingen  ein  derartiges  harmonisches  Zusammenarbeiten, 
eine  Berücksichtigung  aller  Phasen  seines  Entstehens  von  einem  Gesichtspunkte 
aus  im  höchsten  Maße,  ganz  abgesehen  davon,  daß  alle  Verbesserungen  doch  nur 
auf  diese  Weise  vorgenommen  werden  konnten.  Klagen  über  diese  Zustände,  über 
diese  Zerteilung  der  Manufaktur  in  lauter  einzelne  sich  schroff  gegenüberstehende 
Betriebe  sind  daher  damals  auch  keineswegs  selten  gewesen.  Das  Unwesen  des 
Arkanistentums,  das  die  Meißner  Manufaktur  lange,  selbst  bis  tief  ins  19.  Jahr- 


Der  Absatz.  177 

hundert  hinein,  begleitet  und  selbst  damals  ihr  noch  so  sehr  geschadet  hat**^)^  (j^  es 
gar  zu  leicht  zu  Verknöcherungen  oder  auch  Bequemtuerei  führte,  machte  sich  schon 
gleich  an  ihrem  ersten  Anfange  bemerkbar,  nur  war  diese  Geheimtuerei  damals,  wo  die 
Erfindungen  Böttgers  und  seine  ganze  Fabrikation  wirklich  noch  ein  volles,  von  nieman- 
dem ganz  aufgedecktes  Geheimnis  war,  durchaus  eine  Notwendigkeit,  ein  notwendiges 
Übel,  bei  dem  die  Vorteile  zugleich  mit  den  Nachteilen  ertragen  werden  mußten. 

Daß  aber  unter  allen  diesen  erschwerenden  Umständen  die  Fabrikation  des 
Porzellans  auf  der  Albrechtsburg  wirklich  zustande  kam  und  auch  ihre  niemals 
gestörte  Fortsetzung  fand,  erscheint  fast  wie  ein  Wunder  und  spricht  für  die  Güte 
der  Fabrikationsmethode,  sowie  für  den  Fleiß  und  das  ernste  Wollen  der  Ar- 
beiter. Es  ist  ein  Verdienst  Böttgers  gewesen  und  zugleich  ein  besonderes  Glück 
für  ihn,  das  nicht  zu  gering  angeschlagen  werden  darf.  Ohne  das  Zusammentreffen 
beider  wäre  Böttger  entschieden  nicht  so  weit  mit  seinen  keramischen  Bestrebungen 
gelangt  und  hätte  sicherlich  seinen  Nachfolgern  nicht  ein  so  großes  und  sicheres 
Erbe  hinterlassen  können,  wie  er  es  nun  getan  hat.  Sie  konnten  wirklich  auf  diesen 
Resultaten  weiter  bauen,  durch  diese  zu  einer  wirklich  rationellen  Fabrikations- 
methode gelangen. 

Hinsichthch  des  Absatzes  der  auf  diese  Weise  hergestellten  Fabrikate  besaß 
man  wiederum  von  Anfang  an,  wie  beim  Steinzeug,  den  größten  Optimismus, 
in  diesem  Falle  wohl  mit  größerem  Rechte,  da  es  sich  hier  doch  um  ein  viel  reiz- 
volleres und  auch  brauchbareres  Produkt  handelte.  Auch  verstand  man  es  jetzt, 
belehrt  durch  die  üblen  Erfahrungen,  die  man  durch  das  ziemlich  zerfahrene  Aus- 
bieten des  roten  Steinzeugs  an  allen  möglichen  Plätzen  gemacht  hatte,  den  Verkauf 
in  bessere  Form  zu  bringen.  Böttger  beauftragte  seit  Neujahr  1713  damit  aus- 
schließlich seine  eigenen  Leute,  und  zwar  anfangs  seinen  damaligen  Faktor,  den 
Dresdner  Schneider  Gottfried  Lesch,  der  ihm  auch  Geld  auf  seine  Waren  vorge- 
schossen hatte,  später  jedoch  seinen  Buchhalter.  Der  Verkauf  erfolgte  zunächst 
wieder  auf  der  günstigsten  Kaufgelegenheit  der  Zeit,  der  Leipziger  Messe.  Auf 
der  Ostermesse  des  Jahres  1713  war  es  daher  auch,  wie  berichtet,  daß  das  neue 
Porzellan  zum  ersten  Male  zum  Verkaufe  ausgeboten  ward.  Wiederum  hatte  man 
hier  seinen  Stand  auf  der  Peterstraße  aufgeschlagen,  dann  nahm  man  sich  aber 
auch  ein  „Gewölbe"  im  Auerbachshofe,  wo  bis  zum  Jahre  1717  zehn  Messen  ab- 
gehalten wurden.  Doch  fand  in  diesem  Gewölbe  der  Verkauf,  der  teils  ein  Detail-, 
teils  ein  Engrosverkauf  war  —  namentlich  ein  Berliner  und  ein  Magdeburger  Kauf- 
mann pflegten  hierbei  große  Partien  zu  bestellen  — ,  nur  während  der  Messen  statt. 
Für  einen  Verkauf  das  ganze  Jahr  hindurch  fehlte  das  Geld  und  wegen  der  geringen 
Produktion  auch  die  Ware.  Böttger  selber  nahm  sich  hierbei  der  Sache  mit  größtem 
Eifer  an.  Er  ist  in  der  Zeit  von  Michaelis  1714  bis  Michaelis  1715  nicht  weniger 
als  fünfmal  nach  Leipzig  hinüber  gefahren,  wobei  er  das  letzte  Mal  auch  Stein- 
brück mitnahm  ^^^). 

Zugleich  begann  jetzt  der  Verkauf  auch  in  der  Hauptstadt  selber:  von  Micha- 
elis 1715  an  wurde  auf  dem  Neumarkt  in  Dresden  ein  offenes  Gewölbe  bezogen. 

Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  1^ 


178  Die  Porzellanfabrik. 

Auch  für  Meißen  war  das  gleiche  beabsichtigt,  doch  unterblieb  dies,  wie  in 
Leipzig,  aus  Mangel  an  Mitteln  wie  Waren  *^*).  Dagegen  hatte  man  schon  seit 
1711  in  6  Zimmern  der  unteren  Etage  des  Albrechtschlosses  ein  kostbares 
Warenlager  eingerichtet,  mit  Spiegelwänden  und  dergleichen,  das  sich  aber  als 
ziemlich  nutzlos  herausstellte  und  viele  nun  völlig  nutzlose  Kosten  verursacht 
hatte  ^»5). 

Mit  einer  weiteren  Verbreitung  des  Porzellans,  mit  dem  Hinaustragen  des- 
selben in  das  übrige  Deutschland  oder  gar  ins  Ausland,  scheint  sich  dagegen  die 
Fabrik  damals  nicht  mehr  befaßt  zu  haben.  Man  überließ  dies  dem  Zufall  oder 
den  Wiederverkäufern.  Im  Jahre  1717  jedoch  schien  Böttger  endlich,  wie  eres  zur 
Vereinfachung  des  Geschäftes  von  Anfang  an  gewünscht  hatte,  Aussicht  zu  haben, 
den  Gesamtverkauf  der  erzeugten  Waren  einem  einzigen  Kaufmann  oder  einer 
einzigen  Gesellschaft  übertragen  zu  können  ^^^).  Doch  scheint  der  Kontrakt  nicht 
zustande  gekommen  zu  sein.  Etwas  mißtrauisch  stand  man  übrigens  auf  Seiten 
der  Manufaktur  einer  solchen  Verbindung  von  Anfang  an  gegenüber,  da  man  — 
wohl  nicht  ohne  Grund  —  besorgte,  daß  jemand,  der  bei  einem  solchen  Vertrage 
soviel  von  seinem  Gelde  daranwagte,  auch  Einfluß  auf  die  Manufaktur  zu  ge- 
winnen hoffte  und  dabei  leicht  hinter  ihre  Arkana  gelangen  könnte  ^^^).  Das  aber 
wäre  ein  Nachteil  für  die  ganze  Unternehmung  gewesen,  den  der  Vorteil  einer 
kaufmännischen  Vereinfachung,  den  ein  solcher  Kontrakt  bedeutet  hätte,  in  keiner 
Weise  aufgewogen  hätte. 

Der  Absatz  aber,  den  das  Porzellan  dann  an  den  genannten  Verkaufsstätten 
fand,  entsprach  durchaus  den  großen  Erwartungen,  die  man  von  Anfang  an  in  dieser 
Beziehung  gehabt  hatte.  Was  früher  bereits  vom  roten  Steinzeug  erhofft  worden 
war,  das  traf  beim  Porzellan  jetzt  wirklich  ein:  schon  auf  der  ersten  Leipziger 
Ostermesse  im  Jahre  1713  ward  es  stark  verkauft  ^^^);  dann  stieg  der  Absatz  von 
Messe  zu  Messe  —  man  hatte  in  dieser  Beziehung  niemals  zu  klagen  *^^)  —  und 
bald  war  der  Begehr  nach  diesem  neuen  Erzeugnis  so  groß,  daß  die  Nachfrage 
das  Angebot  überstieg.  Mehrfach  mußten  Besteller  wegen  Mangel  an  Waren  ab- 
gewiesen werden,  zum  großen  Schaden  der  Fabrik,  da  sie  sich  daraufhin  dauernd 
von  ihr  abwandten.  So  erging  es  z.  B  dem  Pariser  ,,Glastrafiquanten"  Launoy, 
der  weder  für  Geld  noch  gute  Worte,  nicht  einmal  gegen  Barzahlung,  das  geringste 
erlangen  konnte  ^^^).  Man  durfte  in  dieser  Beziehung  vollauf  zufrieden  sein.  Doch 
darf  man  hierbei  nicht  übersehen,  daß  der  völlige  Ausverkauf  der  Manufaktur 
nicht  zum  wenigsten  die  Folge  ihrer  relativ  sehr  geringen  Produktion  war,  die  ihre 
Ursache  in  den  mangelhaften  Brennöfen  hatte.  Man  kam  einfach  mit  dem  Brennen 
der  Porzellane  der  immer  lebhafteren  Nachfrage  und  selbst  der  Produktion  nicht 
nach.  Ganze  Zimmer  befanden  sich  noch  im  Jahre  1717  in  der  unteren  Etage  des 
Meißner  Schlosses  voll ,, roher"  Gefäße,  die  einfach  nicht  gebrannt  werden  konnten^"^). 
Böttger  hatte  deshalb  bisweilen,  erfinderisch  wie  immer,  die  Absicht,  aus  dieser  Not 
eine  Tugend  zu  machen,  indem  er  durch  Einstellung  des  gesamten  Verkaufs  der 
Waren  für  eine  gewisse  Zeit  das  Publikum  immer  begehrlicher  nach  ihnen  machen 


Ungünstige  Lage  der  Fabrik.  179 

wollte,  wodurch  er  dann  die  Preise  für  sie  erhöhen  zu  dürfen  glaubte.  Doch  hat 
er  dies  Experiment  niemals  auszuführen  gewagt. 

Daneben  trat  freilich  das  Interesse  für  Böttgers  erstes  keramisches  Produkt, 
das  rote  Steinzeug,  das  niemals  allzu  groß  gewesen  zu  sein  scheint,  nun  stark  in 
den  Hintergrund.  Schon  auf  der  Ostermesse,  auf  der  das  Porzellan  zum  ersten 
Male  zum  Verkauf  ausgeboten  wurde,  wollte  man  vom  ,, roten"  nichts  Rechtes  mehr 
wissen  ^^^),  auf  der  im  Jahre  1715,  die  Böttger  selber  besuchte,  blieb  er  bereits  mit 
ethchen  tausend  Stück  sitzen  ^^^).  Endlich  im  Jahre  1717  mußte  man  gestehen, 
daß  von  dem  roten  Steinzeug  immer  viel  auf  Lager  geblieben  sei,  da  einerseits 
das  Porzellan  den  Verkauf  desselben  gehemmt  hätte,  dann  auch,  weil  man  zu  oft 
mit  den  Formen  gewechselt  hätte,  wodurch  manches  zu  rasch  antiquiert  wäre,  schließ- 
lich aber  auch,  weil  aus  den  übrig  gebliebenen  Stücken  nichts  Komplettes  zusammen- 
gestellt werden  könne.  Bisweilen  aber  würde  doch  noch  nach  dem  roten  gefragt 
und  dann  ginge  auch  wohl  ab,  was  man  loszuwerden  kaum  noch  erwartet  hätte, 
darunter  sogar  Stücke,  die  wegen  irgend  eines  Fehlers  niemals  als  wirkliches  Kauf- 
mannsgut angesehen  worden  wären  ^^^).  Neu  hergestellt  wurde  daher  seit  dem 
Jahre  1717  nur  noch  poliertes:  nur  noch  das  verfeinerte  und  künstlerisch  durch- 
geführte konnte  von  da  an  infolge  seiner  besonderen  Reize  neben  dem  weißen 
Porzellan  auf  Liebhaber  und  Abnehmer  hoffen.  Doch  waren  für  dasselbe  im  Jahre 
1717  nur  noch  vier  Glasschleifer  tätig,  und  zwar  ausschließlich  in  Böhmen,  die  man 
um  ihrer  Wohlfeilheit  und  ihres  Fleißes  willen  den  einheimischen  vorzog  ^^'').  Alles 
übrige  jedoch,  alles  einfachere  ward  damals  schon  nicht  mehr  fabriziert  und  ge- 
hörte demnach  bereits  der  Vergangenheit  an. 

Dennoch  trotz  dieses  ziemlich  unerwarteten  Ausfalls  hätte  die  Meißner  Manu- 
faktur als  Porzellanfabrik  infolge  des  so  regen  Absatzes  seines  neuen  Fabrikates 
vielleicht  bald  einen  bedeutenden  Aufschwung  genommen  und  wäre  wirklich  — 
wie  es  der  König  anfangs  so  lebhaft  erwartet  hatte  —  ein  industrielles  Unternehmen 
geworden,  das  sich  selbst  getragen,  ja  vielleicht  sogar  wirkliche  Überschüsse  erbracht 
hätte,  wäre  eben  nicht  die  ganze  Basis,  auf  die  sich  jetzt  die  Fabrik  in  ihrer  zweiten 
Phase  aufbaute,  von  vornherein  gänzlich  morsch,  ja  gänzlich  hoffnungslos  ge- 
wesen, und  hätten  die  Verhältnisse,  die  sie  zu  einer  solchen  gemacht  hatten,  nicht 
ungestört  und  hoffnungslos  weiter  gedauert,  ja  sich  eher  verschlimmert  als  ver- 
bessert. Jetzt  rächte  sich  die  ganze  bisherige  Vergangenheit  der  jungen  Fabrik  als 
Steinzeugfabrik,  so  kurz  sie  auch  immer  gewesen  war,  jetzt  ihre,  man  möchte  sagen, 
leichtfertige  Begründung  ohne  ausreichendes  Anlagekapital,  das  ein  derartiges, 
anfangs  so  kostspieliges  Unternehmen  wenigstens  über  die  ersten  Gründungs  jähre 
hätte  hinweghelfen  können,  jetzt  auch  die  völlig  zersplitterte,  stets  Neues  beginnende. 
Neues  planende Tätigkeit5öifger5,  sein  wenig  ökonomischer  Sinn,  sowie  die  schlechte 
Organisation  der  Fabrik  und  das  Verhalten  vieler  ihr  gegenüber,  die  helfen  sollten  und 
doch  aus  vielerlei  Gründen  nicht  helfen  konnten  und  wollten.  Es  war  eine  böse  Zeit. 

Zunächst  mußte  sich  aus  der  nun  eintretenden  Unabsetzbarkeit  des  roten 
Steinzeugs  ergeben,  daß  so  gut  wie  alle  Mühen  und  Kosten,  die  bisher  auf  dieses 

12* 


I 


180  Die  Porzellanfabrik. 

verwandt  worden  waren,  sich  als  völlig  vergeblich  herausstellten,  daß  sie  einem 
Kapital  glichen,  das  kaum  noch  die  geringsten  Zinsen  mehr  trug.  Verloren  waren 
damit  alle  bisherigen  und  zum  Teil  recht  kostspieligen  Erfahrungen,  alle  jene 
Methoden,  die  sich  nur  auf  die  Herstellung  dieses  keramischen  Produktes  bezogen 
hatten,  und  es  stellte  sich  jetzt  als  ganz  besonders  verhängnisvoll  heraus,  daß 
man  so  unmittelbar  hintereinander  zwei  Produkte  hergestellt  und  auf  den  Markt 
geworfen  hatte,  die  so  eng  miteinander  verwandt  waren,  daß  der  Absatz  des  besseren 
den  des  minder  guten  naturgemäß  völlig  verdrängen  mußte.  Mit  anderen  Worten: 
Böttger,  der  vor  allem  den  fernen  Völkern  des  Ostens  hatte  Konkurrenz  machen 
wollen,  war  sein  eigener  Konkurrent  geworden  und  mußte  nun  selber  erfahren, 
wie  sehr  ein  solcher  Konkurrenzkampf  schädigen  kann. 

Daneben  konnten  auch  die  übrigen  Unternehmungen  Böttgers,  die  einen  so 
großen  Teil  der  ihm  zur  Verfügung  gestellten  Gelder  verschlungen  hatten, 
nur  als  noch  völlig  gewinnlose,  ja,  wenn  sie  weiter  bestehen  sollten,  stets  nur  neue 
Unterstützungen  verlangende  Anlagen  angesehen  werden.  Mehrere  derselben  waren 
damals  ja  sogar  bereits  wieder  eingegangen,  das  in  sie  gesteckte  Kapital  demnach 
völlig  verloren,  so  die  Schmelztiegel-,  die  Pfeifenfabrik  und  die  Steinbäckerei. 
Hinsichtlich  der  ersteren  hatte  sich  bereits  im  vergangenen  Jahre  ^°^),  als  mit 
sächsischen  Erden  Versuche  gemacht  worden  waren,  herausgestellt,  daß  sie,  trotz- 
dem diese  Versuche  sehr  gut  gelungen  waren,  wegen  der  geringen  Absatzmöglichkeit 
der  erzeugten  Produkte  in  keiner  Weise  rentabel  sein  würde.  Man  hatte  hier  dem- 
nach aufs  Geradewohl  ein  Werk  begonnen,  ohne  sich  auch  nur  im  geringsten  über 
seine  Rentabilität  vorher  informiert  zu  haben.  Die  Tabakpfeifenfabrikation  war 
gleichfalls  an  sich  recht  gut  vonstatten  gegangen  ^o').  10  000  Stück  konnte  Böttger 
auf  die  Leipziger  Michaelismesse  des  Jahres  1713  senden.  Doch  schon  vorher 
hatte  sich  der  Meister,  der  freilich  ein  unordentlicher  Geselle  gewesen  sein  soll, 
da  er  sich  keinen  weiteren  Profit  von  dieser  Fabrikation  versprach,  zurückgezogen, 
und  damit  war,  da  Böttger  keinen  Ersatz  für  ihn  fand,  auch  diese  Fabrik  an  ihr 
Ende  gelangt.  Böttgers  erste  industrielle  Gründung  aber,  die  Steinbäckerei,  die 
inzwischen  sogar  nach  Meißen  verlegt  worden  war  und  dort  Rundgefäße  herstellen 
sollte,  ging  an  der  Unfähigkeit  ihrer  Arbeiter  zugrunde.  Im  März  des  Jahres  1713 
mußte  der  sogenannte  ,, holländische"  Meister  und  sein  Geselle  zum  zweiten  Male 
entlassen  werden,  und  damit  war  es  auch  mit  dieser  Fabrik  zu  Ende  ^°^).  Dagegen 
entwickelte  sich  freilich  die  Rundbäckerei,  die  ja  seit  17^12  ab.  Peter  Eggebrecht  verpach- 
tet war,  bedeutend  besser.  Es  gelang  hier,  wirklich  brauchbare  Rundgefäße  herzu- 
stellen. Doch  Böttger  hatte  für  die  beiden  ersten  Jahre  keine  Pacht  verlangt  und 
noch  dazu  300  Taler  Vorschaß  zugesagt.  Von  Rentabilität  dieses  Unternehmens 
konnte  daher  für  ihn  gleichfalls  noch  keine  Rede  sein.^°^)  Die  Schleif-  und  Polier- 
mühle aber,  die  Böttger  gleichsam  als  ein  Vermächtnis  Tschirnhausens  damals  sehr 
am  Herzen  gelegen  zu  haben  scheint,  war  eben  erst  unter  sehr  vielen  Kosten 
wieder  aufgerichtet,  worden  ^^°),  und  vollends  die  Boraxfabrik,  sie  stand  noch  ganz 
auf  dem  Papier,  da  für  sie  wegen  des  nicht  erbauten  neuen   Brennhauses  noch 


Drohende   Krisis.  181 

immer  kein  passendes  Lokal  gefunden  worden  war.  Böttger  hatte  demnach  mit  allen 
seinen  bisherigen  Unternehmungen  finanziell  noch  gar  nichts  erreicht. 

So  war  es  denn  in  der  Tat  kein  Wunder,  daß  gerade  damals,  als  die  fabrik- 
mäßige Herstellung  des  Porzellans  gelang  und  man  die  ersten  in  Europa  herge- 
stellten Porzellanwaren  auf  den  Markt  brachte,  die  Manufaktur  zu  Meißen  ungünstiger, 
denn  je  dastand,  ja  geradezu  vor  einer  Krisis,  wie  sie  eine  solche  wohl  kaum  je  wieder 
erlebt  hat:  ihre  ganze  Existenz,  die  kaum  begonnen,  war  schon  wieder  ernsthch 
in  Frage  gestellt.  Denn  es  fehlte  in  dieser  Zeit  einfach  völlig  an  Geld,  an  Geld,  um 
die  bisherige  Fabrik  weiter  fortzuführen,  an  Geld,  um  die  jetzt  neu  zu  begründende 
einzurichten.  Gleich  das  Jahr  1713  setzte  mit  einem  für  Böttger  äußerst  schweren 
Verlust  ein:  die  gefährUche  Vollmacht,  die  der  König  ihm.  im  Jahre  1712  erteilt 
hatte,  Geld  aufnehmen  zu  dürfen,  wofür  er  selber  einstehen  wollte  ^'^),  trug  ihre 
ersten  verderblichen  Früchte.  Böttger  hatte  sich  in  seiner  Not  mit  den  wichtigsten 
Geldleuten  der  Zeit,  den  Juden,  eingelassen  und  war,  geschäftsunkundig  und  auch 
gleichgültig  in  Geldsachen  wie  er  war,  natürlich  tüchtig  von  diesen  übers  Ohr 
gehauen  worden.  Auf  2000  Taler  gab  er  dem  Könige  gegenüber  den  Schaden  an, 
der  ihm — wir  wissen  nicht  genau,  auf  welche  Weise — durch  diese  Wucherer  erwachsen 
wäre,  ein  Verlust,  der,  wenn  er  sich  wirklich  bis  zu  dieser  Höhe  erhoben  hat,  für 
Böttger  in  dieser  Zeit,  da  er  bereits  so  arg  in  der  Klemme  saß  und  noch  dazu  eine 
so  besonders  wichtige  Aufgabe  vor  sich  hatte,  tatsächlich  ein  recht  fataler  gewesen 
sein  muß.  Zumal  er  dadurch  —  wohl  durch  das  Betreiben  seiner  nächsten  Um- 
gebung —  auch  noch  in  den  Verdacht  geriet,  die  Vollmacht  des  Königs  mißbraucht 
zu  haben,  ein  Vorwurf,  der  selbst  bis  zu  den  Ohren  des  Königs  gelangte  und  dort 
auch  wirklich  einige  Verstimmung  erregt  zu  haben  scheint,  so  daß  Böttger  sich 
genötigt  sah,  sich  vor  dem  Könige  zu  verteidigen  und  ihm  zwei  Kreditbriefe  zu- 
rückzugeben. Gleichzeitig  hatte  Böttger  die  große  Enttäuschung  erleben 
müssen,  daß  auch  eine  Anweisung,  die  der  König  dem  Hofjuden  Jonas  Meyer 
betreffs  eines  Darlehens  für  Böttger  während  seiner  Anwesenheit  in  Dresden  ge- 
geben hatte,  ihm  nicht  das  geringste  nützte;  denn  sobald  der  König  Dresden  den 
Rücken  gewandt  hatte,  hatte  sich  jener  nicht  mehr  um  sein  Versprechen  ge- 
kümmert 512)^  und  so  wollte  sich  auch  diese  Geldquelle,  die  an  sich  schon  für  Böttger 
so  ziemlich  ein  letztes  Mittel  bedeutet  hatte,  nicht  auftun,  und  er  war  auch  hier 
wieder  so  weit  wie  zuvor. 

Dabei  verschlang  die  Fabrik  damals  jeden  Monat  ungefähr  das  Doppelte  von 
dem,  was  ihr  zur  Verfügung  stand  "'),  und  es  fehlte  für  die  Fabrikation  an  den 
wichtigsten  Materiahen:  es  fehlte  das  Brennholz,  es  fehlte  der  Colditzer  Ton,  selbst 
das  Material  für  die  Kapseln  "*),  und  so  drohte  der  kostbare  Sommer,  wo,  wie 
Böttger  angab,  alles  billiger  zu  haben  wäre,  gänzlich  ungenutzt  vorüberzugehen,  ohne 
daß  man  das  neu  gewonnene  und  so  aussichtsreiche  Produkt  nun  auch  wirküch 
hätte  ausnutzen  können.  Dabei  harrte  auch  alles  noch  seiner  Bezahlung,  die  Ar- 
beiter wie  die  ,, Oberbedienten".  Und  schon  drohte  eine  allgemeine  Fahnenflucht 
zu  beginnen,  die  Ratten  das  sinkende  Schiff  zu  verlassen.    Schon  im  Juni  dieses 


182  Die  Porzellanfabrik. 

Jahres  reichte  Steinbrück,  sonst  ein  so  ruhiger  Mann,  da  er  keine  Bezahlung  mehr 
erhielt  und  darum  lieber  eine  andere  Stellung  annehmen  wollte,  seine  Entlassung 
ein  ^1^),  zu  gleicher  Zeit  auch  der  Direktor  der  eben  erst  wieder  aufgerichteten 
Schleif-  und  Poliermühle  ^^^).  Im  November  endlich  verlor  sogar  auch  Irminger, 
der  Goldschmied,  die  Lust  an  der  Weiterarbeit,  ^i')  Allen  vorangegangen 
aber  war  der  Inventor  selber:  schon  am  4.  Juni  hatte  auch  dieser  den  Wunsch 
seiner  Entlassung  ausgesprochen.  "^)  Es  war  sein  zweiter  freiwilliger  Abdankungs- 
versuch.    Damit  schien  alles  für  die  Fabrik  verloren  zu  sein. 

Böttger  selber  war  in  dieser  Zeit  in  der  traurigsten,  niedergeschlagensten,  ja 
selbst  in  verzweifelter  Stimmung,  ein  Beweis,  wie  sehr  ihm  das  Schicksal  seiner 
Manufakturen  wirklich  am  Herzen  gelegen  hat.  Er  schien,  wie  Steinbrück  damals 
berichtete  ^^^),  seiner  bisherigen  Verrichtungen,  seiner  Administration,  ja  des  Lebens 
selbst  überdrüssig  zu  sein.  ,,Da  gehet  er  den  ganzen  Tag  allein  herum  in  seinen 
Meditationen,  da  ist  keine  Lust,  noch  Munterkeit  mehr  in  ihm:  er  ist  zu  allen 
Dingen  verdrießlich  und  darf  man  ihm  öfters  von  vorfallenden  Affairen  nichts  ge- 
denken, bis  der  .allzugroße  Chagrin  wieder  vorüber:  In  Summa  es  jammert  einen 
becht,  wenn  man  sieht,  wie  er  sich  unaufhörlich  martert  und  ängstiget,  ohne  daß 
er  dadurch  etwas  ausrichten  kann."  Und  Steinbrück  sprach  dann  gar  die  Befürch- 
tung aus,  ddiß> Böttger  vielleicht,  ,,wie  wohl  eher  geschehen",  seinen  ,, Chagrin  wieder 
vertrinken  möchte,  wodurch  er  vor  der  Zeit  alt  und  grau  werde  und  eher  sein  Leben 
erschließen  müßte",  eine  Befürchtung,  die,  wie  der  spätere  Ausgang  dieser  Ent- 
wicklung zeigen  wird,  durchaus  nicht  ohne  Begründung  war. 

Um  das  Unglück  voll  zu  machen,  verfiel  Böttger  nun  auch  noch  in  eine  schwere 
Krankheit,  so  schwer,  daß  damals  an  seinem  Aufkommen  ernstlich  gezweifelt  wurde. 
Böttger  war  anfangs,  als  er  nach  Dresden  kam,  von  stahlfe^ter  Gesundheit  und 
großer  Körperkraft  gewesen.  Aber  das  beschränkte  Leben  als  Gefangener 
durch  so  viele  Jahre  hindurch,  der  Verdruß  über  den  Verlust  seiner  Freiheit  in 
so  jungen  Jahren,  dazu  die  ihm  immer  mangelnde  Fähigkeit,  sich  selber  irgendwie 
zu  schonen,  und  schließlich  die  starke  Neigung  zu  Spirituosen  und  Tabak,  die  er 
sich,  wie  es  so  leicht  zu  geschehen  pflegt,  in  seiner  Gefangenschaft  angewöhnt  hatte, 
hatten  seine  Gesundheit  stark  untergraben.  Jetzt,  da  er  so  krank  ward,  fürchtete 
man  stark,  daß  er  das  Fleckfieber  bekäme,  was  jedoch  glücklicherweise  nicht  eintrat. 
Aber  er  blieb  mehrere  Wochen  in  großer  Hitze  und  Mattigkeit  im  Bett  liegen, 
und  als  er  wieder  aufstand,  waren  seine  Augen  dermaßen  schwach  geworden,  daß  er 
nicht  mehr  schreiben  und  lesen  konnte  ^2°)  und  Steinbrück  aus  Meißen  nach  Dresden 
berief,  damit  er  ihm  vorlese  und  für  ihn  schreibe,  wodurch  eben,  wie  erwähnt, 
Steinbrücks  guter  Wille  und  Tatkraft  für  die  Manufaktur  fast  völlig  verloren  ging. 
Böttger  hat  sich  von  dieser  Krankheit,  wenn  seine  Augen  mit  der  Zeit  auch  wieder  etwas 
besser  wurden,  nie  wieder  ganz  erholt,  vielmehr  ging  es  von  nun  an  mit  seiner  Gesund- 
heit beständig  bergab.   Er  hatte  den  Höhepunkt  seiner  Arbeitskraft  überschritten. 

Dennoch  schrieb  Böttger,  kaum  wieder  hergestellt,  Briefe  über  Briefe  an  den 
König  und  an  Nehmitz,  als  den  Direktor  der  Fabrik,  die  beide  damals  in  Warschau 


Verschlimmerung  der  Lage.  183 

waren,  in  denen  er  die  ganze  Lage  seiner  Manufakturen  schilderte  und  dringend 
um  Abhilfe  bat.  An  einem  Tage  schickten  sogar  Böttger  und  Steinbrück  zugleich  an 
Nehmitz  Briefe  ab  *2i).  Davon  war  der  sehr  ausführhche  Brief  Steinbruchs  sehr 
sachlich  und  verständig  gehalten.  Er  schilderte  darin  mit  jener  Klarheit  und 
Ge\Nissenhaftigkeit,  die  Steinbrück  immer  auszeichneten,  die  ganze  damalige  traurige 
Lage  der  Fabrik  sowie  die  Ursachen,  die  zu  dieser  geführt  hatten,  die  natürhch 
alle  auf  den  chronischen  Geldmangel  hinausliefen.  Böttgers  Brief  war  dagegen  sehr 
erregt:  ,,Bis  anhero",  so  beginnt  er,  „habe  nach  Inhalt  Ihrer  Briefe  die  Manu- 
facturiers  mit  guthen  Worten  bezahlet.  Nunmehro  aber,  da  vermöge  Ihres  letzten 
Schreibens  die  1000  Thaler  in  sehr  harter  Species  empfangen,  so  werde  mich  be- 
mühen, selbige  damit  auszuzahlen.  Dieweilen  mir  aber  die  Münze  ganz  fremd 
vorkombt,  so  werde  sehen,  wie  weit  sie  solche  acceptiren  wollen.  Es  seynd  bis  dato 
keine  Kinder  sondern  lauter  erwachsene  Männer  bey  den  Werken  employirt  ge- 
wesen, welche  schon  vor  langer  Zeit  von  Selbsten  gehen  gelernt.  Ich  muß  also 
abwarten,  was  selbige  nach  meiner  Vorstellung  thun  oder  lassen  werden."  Längst 
glaubte  ja  Böttger  vollen  Grund  zu  der  Annahme  zu  haben,  daß  Nehmitz  absicht- 
hch  nicht  alles  täte,  um  die  Fabrik,  so  lange  Böttger  sie  leitete,  in  Flor  zu  bringen. 
Dies  Mißtrauen  gegen  ihn  zieht  sich  von  jetzt  ab  fast  durch  alle  seine  Briefe  hin- 
durch, und  Böttger  hatte  daher  auch  bereits,  um  wenigstens  einen  unparteiischen 
Zeugen  zu  haben,  den  Rat  Seebach,  der,  wie  erwähnt,  Mitglied  der  beiden  letzten 
Kommissionen  gewesen  war,  nach  Meißen  gebeten,  damit  er  den  sicher  bevor- 
stehenden Untergang  der  Fabrik  bezeugen  könne  ^^2).  xjm  aber  der  Not  selber  zu 
steuern,  hatte  Böttger  zunächst  mindestens  1000  Taler  verlangt,  dann  aber  auch 
eine  gänzlich  neue  Organisation,  d.  h.  die  bisherige  Leitung  der  Fabrik  entweder 
durch  eine  Sozietät  oder  eine  einflußreiche  Persönlichkeit  zu  ersetzen.  Durchaus  aber 
war  er  gegen  eine  Direktion,  wie  sie  bisher  bestand:  ,,So  viel  Köpfe,  so  viel  Sinne", 
das  war  für  seine  Ablehnung  die  Motivierung.  Er  hatte  in  dieser  Beziehung 
mit  seinem  Direktorium  und  den  beiden  Doktoren  üble  Erfahrungen  genug  ge- 
macht 523). 

In  dieser  Not  konnte  der  König  wieder  als  der  einzige  gelten,  der  helfen  konnte. 
Denn  Böttgers  Kredit,  den  der  König  ihm  so  weitherzig  durch  sein  Dekret  besiegelt 
hatte,  hatte  sich  als  durchaus  nicht  genügend  herausgestellt.  Böttger  selber 
klagte,  daß  seine  Obligationen  und  Wechselbriefe  nicht  angenommen  würden 
und  sandte  hierbei  sogar  jenes  Dekret,  das  der  König  ihm  im  Juli  des  vergangenen 
Jahres  für  den  Hofjuden  Jonas  Meyer  ausgestellt  hatte,  da  es  ihm  ja  doch  nichts 
genützt  hatte,  an  diesen  wieder  zurück.  Von  der  Kammer  und  der  Generalakzise 
aber  war  für  ihn,  nachdem  sie  schon  bisher  so  widerwiUig  ihm  die  vom  Könige  an- 
gewiesenen Gelder  herausgerückt  hatten,  eine  Extrabewilhgung  nicht  mehr  zu  er- 
warten. Rechnete  sich  doch  erstere  aus,  daß  sie  allein  bis  zum  November  dieses 
Jahres  für  Böttgers  sämtliche  Manufakturen  bereits  die  statthche  Summe  von 
31  346  Talern  ausgegeben  hätte,  wofür  Böttger  freilich  den  Wert  des  Inventars 
und  des  Warenvorrats  in  seinen  Fabriken  auf  60  000  Taler  taxierte.   Unglücklicher- 


184  Die  Porzellanfabrik. 

weise  war  der  König  damals  nicht  in  Dresden.  Er  hielt  sich  in  Warschau  auf.  So 
verging  viel  Zeit,  bis  ihn  die  Briefe,  die  ihm  die  traurige  Lage  der  Fabrik  schil- 
dern sollten,  erreichten  und  die  Antwort  zurückkommen  konnte.  Und  dann  schien 
unglücklicherweise  jetzt  auch  die  Zeit  gekommen  zu  sein,  da  der  König,  nach- 
dem er  zu  diesen  Manufakturen,  die  er  ursprünglich  als  große  und  sichere  Ein- 
nahmequellen für  seinen  Staat  zu  gründen  gemeint  hatte,  bisher  nichts  als  Geld 
hatte  vorschießen  müssen,  die  Geduld  verlor,  Anfangs  wollte  er  daher  die  Antwort 
auf  Böttgers  Bitten  aufschieben  bis  zu  seiner  Rückkehr  nach  Dresden  ^^4).  Dann 
aber,  auf  Böttgers  unablässige  Klagen  hin  gab  er,  nachdem  er  vorher  anscheinend 
zu  gleichem  Zwecke  bei  der  Manufaktur  eine  größere  Menge  bar  zu  bezahlenden 
Porzellans  bestellt  hatte,  wenigstens  eine  Verfügung  wegen  — natürlich  wieder  kosten- 
freier —  Lieferung  des  damals  so  fehlenden  Colditzer  Tons  ^^^),  damit  wenigstens 
die  Arbeit  nicht  länger  stockte  und  nicht  gänzlich  zwecklos  soviel  Menschen  be- 
soldet würden.  Bares  Geld  freilich  wollte  oder  konnte  auch  er  damals  der  Fabrik 
nicht  anweisen  ^^6)^  und  es  war  dem  König  vielleicht  auch  wirklich  nicht  ganz  zu 
verdenken,  wenn  er  jetzt  sich  endlich  scheute,  in  ein  Unternehmen,  das  bisher  so 
wenig  Aussichten  auf  Erträgnisse  gezeigt  hatte,  noch  weiteres  Kapital  hinein- 
zustecken. So  verfiel  er  auf  einen  Ausweg,  der  einer  Gewaltmaßregel  gleichkam: 
er  befahl  —  wahrscheinlich  dem  königlichen  Leihamte  — ,  daß  Böttgern  seine  für 
2100  Taler  versetzten  Juwelen  ohne  Entgelt  ^^7)  —  der  König  entnahm  dafür  nur 
eine  Partie  Porzellan  —  wieder  herausgegeben  werden  sollten,  damit  er  sie  wieder 
von  neuem  versetzen  könnte,  ein  Finanzkunststückchen,  das  bezeichnend  genug 
ist  für  diese  Zeit,  da  der  absolutistische  Wille  eines  Herrschers  noch  so  ziemlich 
alles  vermochte.  Hiermit  war  diese  Krisis  zunächst  zu  Ende.  Böttger  erhielt  im 
Juli  vom  Geheimen  Kämmerer  Steinhausen  die  Jawelen  ausgeliefert  und  versetzte 
sie  in  der  beabsichtigten  Weise,  freilich  nicht  ohne  einige  Mühe  und  nicht  ohne 
daß  er,  der  hierbei  auf  2500  Taler  gehofft  hatte,  sich  wieder  übervorteilt 
glaubte  528). 

Auf  alle  Fälle  jedoch  hatte  Böttger  auf  diese  Weise  wieder  etwas  bares  Geld 
in  die  Hände  bekommen,  um  wenigstens  den  allerwichtigsten  Anforderungen  des 
Augenblicks  Genüge  leisten  zu  können.  Im  gleichen  Monat  schrieb  er  an  Nehmitz 
einen  ruhigen,  versöhnlichen  Brief ,  in  dem  er  ihm  wieder  Frieden  anbot  und  gelobte, 
seinen  Feinden  ,, durch  Wohlthun  feurige  Kohlen  aufs  Haupt  zu  laden"  ^^s).  Von 
einer  Änderung  in  der  Leitung  der  Manufaktur  oder  gar  einer  Abdankung  Böttgers 
war  aber  dann  wieder  nicht  weiter  die  Rede.  Der  König  selber  scheint  auch  auf 
den  damaligen  Wunsch  Böttgers  niemals  recht  eingegangen  zu  sein,  und  auch  Böttger 
sprach  sich  jetzt  selbst  gegen  die  Begründung  einer  Sozietät  aus,  obwohl  es  an  sich 
jetzt  nicht  schwer  sein  könne,  eine  solche  zu  finden  5^°).  Nur  scheint  man  damals 
ernstlich  an  die  Einrichtung  jener  bereits  erwähnten  Kommerziendeputation 
gedacht  zu  haben,  der  alle  Manufakturen  des  Landes  unterstellt  werden  sollten. 
Es  sollten  dadurch  wirkliche  Fachleute  mit  der  Beaufsichtigung  derartiger  Anstalten 
beauftragt  werden,  worüber  Böttger  große  Freude  empfand.  Doch  meinte  er,  dürften 


Ungenügende  Abhilfe.  185 

derselben  nicht  allzu  viele  angehören,  „denn  mit  vielen  hält  man  Haus,  mit  wenigen 
kommt  man  aus"  ^^^).  Er  zeigte  auch  hier  wieder  die  Furcht  vor  einer  zu  viel- 
köpfigen Regierung,  die  er  so  gründlich  kennen  gelernt  hatte. 

Gleichzeitig  aber  erhielt  nun  Böttger  im  Frühling  des  Jahres  1714  etwas,  was 
ihm  zunächst  höher  dünken  mußte  als  alle  Unterstützungen  durch  Geld  und  sonstige 
schöne  Dinge:  am  19.  April  ward  ihm  vom  König  nach  13  jähriger  Gefangenschaft 
die  Freiheit  wieder  geschenkt  ^^^).  Wir  wissen  nicht  genau,  was  den  König  dazu 
bewogen  hat,  Böttger  gerade  damals  das  zu  geben,  wonach  er  schon  so  lange 
und  so  lebhaft,  aber  bisher  immer  vergeblich  verlangt  hatte.  Wahrscheinlich  hing 
dieser  Entschluß  mit  der  damaligen  Lage  der  Fabrik  zusammen:  die  wieder- 
gewonnene Freiheit  sollte  wohl  auf  der  einen  Seite  Böttger  Mut  zu  weiterer  Arbeit, 
andererseits  ihm  aber  auch  als  eigentlichem  Leiter  seiner  Anstalten  mehr  Bewegungs- 
freiheit geben,  ihn  hierbei  vor  allem  unabhängiger  von  dem  Direktorium  machen, 
das  ihm  bisher  ja  doch  nicht  allzuviel  genützt  hatte.  Auch  war  der  König  damals 
wieder  in  Dresden  und  konnte  sich  so  persönlich  von  den  Leistungen  und  der 
Tätigkeit  Böttgers  überzeugen,  wie  er  denn  auch  2  Tage  nach  jener  Freilassung 
noch  einmal  nach  Meißen  —  wie  es  scheint  zum  letzten  Male  zu  Böttgers  Leb- 
zeiten —  hinausgefahren  ist  und  dort  die  Fabrik  aufs  eingehendste  untersucht 
hat  ^^3).  Auf  alle  Fälle  war  dieser  Akt  der  Freilassung  von  selten  des 
Königs  damals  Böttger  gegenüber  ein  großes  Vertrauensvotum.  Er  beweist, 
daß  seine  Stellung  beim  König  trotz  der  damals  so  mißlichen  Lage  der 
Fabriken  und  trotz  der  Intrigen,  die  gegen  ihn  anscheinend  im  Gange  waren, 
damals  in  keiner  Weise  erschüttert  war,  daß  der  König  sich  vielmehr  durchaus 
schon  auf  seinen  Charakter  verheß  und  keineswegs  befürchtete,  daß  Böttger,  wie 
es  damals  durchaus  nicht  ausgeschlossen  zu  sein  brauchte,  wegen  des  mißlichen 
finanziellen  Standes  seiner  Unternehmungen  sich  aus  dem  Machtbereiche  des- 
jenigen entfernen  möchte,  dem  er  hierfür  allein  verantwortlich  war.  Böttger  war 
vielmehr  damals  dem  Könige  noch  immer  der  große  Mann,  von  dem  er  so  viel  er- 
hoffte, und  dem  er  zugleich  dankbar  war  für  alles,  was  er  ihm  bereits  geleistet  hatte. 
Er  hat  diesen  Glauben  an  Böttger  nie  verloren. 

Wenige  Monate  nach  jener  besonderen  Gunstbezeugung  befahl  dann  'der  König 
seinem  Statthalter,  dem  Fürsten  von  Fürstenberg,  sowie  seinem  Geheimen  Konsilium, 
sich  in  seiner  so  häufig  erfolgenden  Abwesenheit  von  Dresden  und  Sachsen  über- 
haupt der  neuen  Manufakturen  aufs  eifrigste  anzunehmen  und  ihnen  ihren 
vollen  Schutz  zuzuwenden.s34)  Einen  Monat  später  erhielt  darauf  Böttger  vom  Ge- 
heimen Kabinett  auf  seinen  eigenen  Wunsch  ein  Dekret,  laut  dessen  ihm  die  Admini- 
stration der  Manufaktur  bis  auf  weiteres  von  neuem  übertragen  wurde  mit  der 
ausdrücklichen  Machtbefugnis,  alles  in  ihr  nach  seinem  Willen  zu  ordnen.  Bediente 
und  Arbeiter  nach  seinem  Ermessen  anzunehmen  und  abzudanken  u.  dergl.  m.  ^^^). 
Es  ist  dies,  wie  es  scheint,  das  letzte  Dekret  gewesen,  durch  das  Böttgers  Stellung 
zur  Manufaktur  geregelt  worden  ist.  Er  war  nun  frei  und  fast  unumschränkter 
Leiter  seiner  Gründungen. 


186  Die  Porzellanfabrik. 

Doch  freilich  mit  Wohltaten  und  Vergünstigungen  und  selbst  der  erneuten 
Befestigung  seiner  Stellung  war  Böttger  jetzt  in  seiner  unglücklichen  Lage  nicht 
mehr  zu  helfen.  Immermehr  machte  sich  die  Unsolidität  der  ersten  Anlage  seiner 
Fabriken  für  ihn  fühlbar,  die  ganze  Zerfahrenheit  ihrer  Leitung,  die  Eifersüchteleien 
und  Intrigen,  die  um  sie  gesponnen  wurden.  Unablässig  forderten  die  aufgenommenen 
Gelder  ihre  Zinsen,  forderten  die  Fabriken  ihre  Zuschüsse  und,  da  der  König  kein 
Geld  herausrückte  und  auch  die  für  die  Bezahlung  der  von  ihm  der  Manufaktur 
entnommenen  Porzellane  angewiesene  Summe  bei  Böttger  nicht  eintraf,  so  blieb 
diesem,  sollten  seine  Unternehmungen  nicht  dem  sicheren  Bankrott  verfallen, 
in  der  Tat  nichts  weiter  übrig,  als  weiter  und  immer  weiter  Schulden  zu  machen, 
nur  um  mit  dem  einen  Loch  das  andere  verstopfen  zu  können.  Damals,  im  Jahre  1714, 
gelang  es  ihm,  vor  allem  durch  die  Vermittlung  eines  Advokaten  namens  Vollhardt, 
den  er  jetzt  nach  seiner  Freilassung  kennen  gelernt  hatte  ^^^),  den  Kammerherrn 
Baron  von  Gersdorff  zur  Hergabe  von  2000  Talern  gegen  das  Versprechen  der  Wieder- 
gabe schon  am  1.  Februar  des  folgenden  Jahres  zu  bewegen,  wofür  er  ihm  die  ge- 
samten Bestände  der  Fabriken  sowie  sein  eigenes  Vermögen  verpfändete  ^^'). 
Vollhardt  scheint  zu  diesem  Liebesdienst  vor  allem  durch  das  Versprechen  Böttgers 
bewogen  zu  sein,  an  Stelle  Steinbruchs,  der  einen  Dienst  in  der  Oberlausitz  be- 
kommen sollte,  Inspektor  der  Meißner  Manufaktur  zu  werden,  ^^s)  go  hatte  Böttger 
wenigstens  wieder  etwas  Geld  in  Händen  und  konnte  für  einige  Zeit  aufatmen. 
Da  aber  traf  Böttger  und  seine  Manufakturen  ein  Schlag,  wie  er  ihn  damals  wohl  am 
wenigsten  erwartet  hatte,  und  wie  er  auch  damals  für  die  Manufakturen  kaum  weniger 
schlimm  kommen  konnte:  am  29.  Dezember  dieses  Jahres  ließ  der  König  Böttger 
von  Warschau  aus  melden,  er  wolle  für  die  Manufakturen  künftig  kein  Geld  mehr 
hergeben,  sie  sollten  sich  von  nun  an  selber  erhalten  ^^^),  und  am  1.  Januar  1715 
wurde  dieser  Beschluß  des  Königs  förmlich  zum  Dekret  erhoben  ^^°).  In  der  Tat 
sind  vom  1.  Januar  des  Jahres  1715  die  regelmäßigen  Besoldungen  Böttgers  so 
gut  wie  ganz  eingestellt  worden.  Nur  die  100  Taler,  die  er  jeden  Monat  aus  der 
Rentkammer  empfangen  hatte,  sind  ihm  auch  weiter  noch  zugestellt  worden  ^*^). 
Was  aber  sollte  ihm  diese  kleine  Summe  nützen  gegenüber  den  vielen  finanziellen  An- 
forderungen, die  damals  an  ihn  gestellt  wurden,  und  dem  fast  gänzlichen  Versiegen 
aller  übrigen  Hilfsmittel  ?    Es  war  in  der  Tat  ein  herber  Schlag  für  ihn. 

Wir  wissen  nicht,  wodurch  der  König  damals  so  plötzlich  zu  diesem  für  Böttger 
so  grausamen  und  auch  ihm  selber  so  schweren  Schaden  drohenden  Entschluß 
gelangt  ist,  der  seinem  ganzen  bisherigen  und  auch  seinem  späteren  Verhalten  den 
j5öifgerschen  Gründungen  gegenüber  so  gar  nicht  entsprach.  War  ihm  wirklich  damals 
Böttger  und  seinen  ununterbrochenen  Geldforderungen  gegenüber  die  Geduld  ge- 
rissen, oder  hatten  jene  Leute  —  der  Kammerrat  Nehmitz  war  ja  gerade  damals 
in  Warschau  — ,  jene  ,, Antagonisten",  wie  Böttger  sie  damals  zu  nennen  pflegte, 
die  Böttger  nicht  wohlwollten  und  ihm  in  seinen  Unternehmungen  absichtlich 
nicht  zu  unterstützen  schienen,  endlich  beim  König  ihm  gegenüber  den  Sieg 
davongetragen.       Denn    Böttger    und    seine    Gründungen    scheinen    nun    wirk- 


Die  Vollhardtsche  Sendung.  187 

lieh  ganz  in  das  Intrigenspiel  des  Hofes  geraten  zu  sein,  an  dem  bei  einem  durch 
Schmeicheleien  und  große  Versprechungen  nur  zu  leicht  zu  gewinnenden  Ober- 
haupt auf  krummen  und  versteckten  Wegen  gar  leicht  zu  erreichen  war,  was  offene 
und  gerade  nicht  zu  gewähren  vermochten,  und  wo  die  Selbstsucht  und  der  Ehr- 
geiz daher  nur  zu  oft  ein  leichtes  Spiel  fanden.  In  der  Tat  fehlt  es  jetzt  nicht  an 
sicheren  Anzeichen,  daß  damals  irgend  etwas  Schlimmes  gegen  Böttger  im  Gange 
war:  sein  Petschaft,  mit  dem  er  seine  persönlichen  Briefe,  darunter  auch  seine 
,, Handbriefe",  an  den  König  zu  siegeln  pflegte,  war  ihm  abhanden  gekommen^^^), 
und  gleichzeitig  erfolgte  auf  seine  sämtlichen  Briefe  an  den  König  nach  Warschau, 
worin  er  ihm  vielerlei  wichtige  Mitteilungen  gemacht  hatte,  u.  a.  auch,  daß  sich 
jetzt  einige  Kaufleute  bereit  erklärt  hatten,  gegen  gewisse  vom  König  zu  appro- 
bierende Bedingungen  die  Manufakturen  zu  übernehmen  ^^^),  ferner  auch  um  Er- 
stattung von  Vorschüssen  gegen  Porzellanlieferungen  gebeten  ^^*)  hatte,  nicht  die 
geringste  Antwort.  Es  war  Böttger  daher  bei  seinem  nun  einmal  vorhandenen  und 
wohl  nicht  gerade  unbegründeten  Mißtrauen  durchaus  nicht  übel  zu  nehmen,  wenn 
er  jetzt  die  starke  Vermutung  hatte,  es  sei  mit  seinen  Briefen  mittelst  des  ver- 
schwundenen Petschafts  beim  König  Mißbrauch  getrieben  worden  und  er  durch 
diese  wie  auch  durch  andere  Machenschaften  seiner  Gegner  beim  Könige,  seinem 
bisherigen  Gönner,   völlig  in  Ungnade  gefallen. 

In  dieser  Not  beschloß  Böttger,  um  das  ganze  Netz  dieser  vermeintlichen 
Intrigen  auf  einmal  zu  durchbrechen,  mit  aller  Energie  vorzugehen  und  dasjenige 
Mittel  anzuwenden,  das  ihn  in  dieser  Angelegenheit  am  sichersten  zum  Ziele  zu 
führen  schien:  er  beschloß,  einen  Vertrauten  direkt  nach  Warschau  an  den  König 
zu  senden  und  ihn  durch  diesen  über  die  ganzen  Verhältnisse  der  Manufakturen 
und  ihre  traurige  Notlage  aufzuklären.  Zu  diesem  Vertrauten  aber  ward  der  eben 
genannte  Advokat  Vollhardt  ernannt,  der,  da  er  sich  bei  der  Vermittlung  der 
von  Gersdorffschen  Gelder  selber  stark  verpflichtet  hatte,  wohl  selber  ein  großes 
Interesse  an  der  Weiterentwicklung  der  Manufakturen  gehabt  haben  wird.  Diesem 
gab  Böttger  im  Februar  eine  ganze  Reihe  von  Briefen,  Berichten  und  Vorschlägen 
an  den  König  mit,  nebst  genauester  Instruktion  für  einen  eventuellen  mündlichen 
Vortrag  beim  Könige  ^^^),  und  schon  wenige  Wochen  später  traf  Vollhardt  in  Warschau 
mit  Pferden  und  Bedienung  ein  ^*^). 

In  diesen  Schriftstücken  hatte  Böttger  zunächst  ausführhch  den  Grund  der 
Sendung  Vollhardts  angegeben,  er  hatte  die  Entwendung  seines  Petschafts  mit- 
geteilt, auf  die  Intrigen  seiner  Feinde  hingewiesen,  dann  auf  den  drohenden  Ruin 
der  Fabriken  aufmerksam  gemacht,  durch  den  mit  Sicherheit  unermeßlicher 
Schaden  für  den  König  zu  erwarten  wäre,  da  dadurch  nicht  nur  seine  ,,Gloire" 
sinken,  sondern  auch  sein  Land  die  schwerste  finanzielle  Einbuße  erleiden 
würde.  Denn  nicht  nur  würde  alles  bisher  aufgewandte  Kapital  verloren  sein, 
die  sich  verlaufenden  Arbeiter  würden  Veranlassung  geben  zur  Aufrichtung  gleicher 
Fabriken  an  anderer  Stelle,  das  ganze  bisher  so  sorgsam  behütete  Geheimnis  des 
Porzellans  stände  demnach  ernstlich  in  Gefahr  u.  dergl.  m.    Zur  Verbesserung  und 


188  Die  Porzellanfabrik. 

Weiterführung  der  Fabrik  hatte  er  dann  drei  Vorschläge  gemacht :  es  sollte  ent- 
weder die  Fabrik  ihm,  Böttger,  auf  Lebenszeit  als  Eigentum  überlassen  oder  Kauf- 
leuten übergeben  werden  oder  auch  schließlich  dem  Könige  verbleiben.  Im  übrigen 
aber  betonte  Böttger  mit  ganz  besonderem  Nachdruck,  daß  an  sich  die  Fabriken 
durchaus  in  gutem  Stande  wären,  daß  ihr  Wert  an  Waren,  Inventar  und  Gebäuden 
sich  auf  nicht  weniger  als  150  000  Taler  beliefe,  wodurch  die  bisherigen  Zuschüsse 
des  Königs  bei  weitem  übertroffen  würden,  und  gab  schließlich  dann  als  Ursache 
ihrer  bisherigen  Unrentabilität  eine  ganze  Reihe  von  Gründen  an,  die  alle  den 
beständigen  Geldmangel  und  die  vielen  Nebenausgaben  zur  Grundlage  hatten. 

Käme  es  aber  zu  einer  persönlichen  Audienz  beim  Könige,  dann  sollte  Voll- 
hardt  ihm  mitteilen,  daß  Böttger  zwar  schon  Quittungen  für  das  ihm,  dem  Könige, 
zugesandte  Porzellan  erhalten  habe,  aber  noch  durchaus  kein  Geld,  vor  allem  aber 
ihn  darum  bitten,  die  so  plötzlich  ausgefallenen  Monatsgelder  ihm  wieder  anzuweisen, 
desgleichen  wenigstens  die  dringendsten  Schulden  zu  bezahlen;  dafür  wolle 
er  für  die  von  ihm  selber  mittelst  der  aufgenommenen  Gelder  gemachten  Vorschüsse 
kein  bares  Geld  vom  Könige  verlangen,  sondern  ihm  wiederum  Porzellan  liefern, 
das  er  dann  zu  bezahlen  hätte.  Würde  dann  aber  derjenige  von  seinen  drei  Vor- 
schlägen angenommen,  der  ihm  die  Fabrik  nehmen  würde,  dann  sollte  Vollhardt 
dafür  Sorge  tragen,  daß  ihm  eine  Pension  ausgesetzt  würde,  wofür  er  sich  ver- 
pflichte, auch  weiter  im  Interesse  des  Königs  zu  arbeiten  und  neue  Erfindungen 
zu  machen. 

In  Warschau  hatte  Vollhardt  nur  zu  bald  Gelegenheit,  zu  erkennen,  daß  Böttgers 
Vermutungen  hinsichtlich  der  Machenschaften  seiner  Gegner  nicht  so  ganz  un- 
richtig gewesen  waren:  Monate  lang  mußte  er  warten,  ohne  daß  er  beim  Könige 
vorgelassen  wurde.  Böttger  geriet  darüber  in  Verzweiflung.  An  sich  schon  in  schlech- 
tester Stimmung,  da  er  sich  seinen  einen  Arm  stark  verletzt  hatte  und  zeitweilig 
auch  bettlägerig  war,  schrieb  er  Briefe  über  Briefe  an  Vollhardt,  den  er  zu  weiterem 
Ausharren  ermahnte  und  richtete  am  18.  April  ein  erneutes  Schreiben  an  den  König 
in  so  kläglichem  Tone,  wie  er  wohl  wenige  an  ihn  abgefaßt  hat.  ,,Ich  weiß  wohl,  daß 
ich  ein^Mensch  bin,  welcher  Fehlern  und  Schwachheiten  unterworfen  ist,  so  daß  es 
leicht  hätte  mögen  seyn  können,  entweder  durch  den  Trunk  oder  aus  anderen 
Uhrsachen  Fehler  zu  begehen,  welche  man  dann  zu  exaggeriren  nicht  würde  er- 
mangelt haben",  so  beginnt  dieses  Schriftstück.  Dann  spricht  er  die  Vermutung 
aus,  daß  der  König  ihm  allen  Anscheine  nach  jegliche  Subsistenz  benehmen  wolle, 
obwohl  er  seit  dem  Ausgang  des  Jahres  1714  keine  weitere  Beihilfe  vom  Könige 
verlangt  hätte ;  aber  er  hätte  doch  gehofft,  daß  er  die  getanen  Vorschüsse,  die  sich 
auf  über  9000  Taler  beliefen,  durch  Porzellanlieferungen  hätte  wieder  ausgleichen 
dürfen.  Statt  dessen  hätte  er  sich,  völlig  ohne  Unterstützung  gelassen,  wieder 
mit  fremden  Leuten  einlassen  müssen,  und  nun  sei  er  in  der  schlimmsten  Lage. 
„Meine  Eltern"^*'),  so  fährt  er  fort,  „fangen  bereits  an  zu  weinen  und  zu  winseln  und 
zu  wehklagen,  meine  Freunde  aber  werden  traurig,  betrübt  und  lassen  allmählich 
die  Hände  sinken.    Meine  Feinde  werden  hingegen  aufgeblasen,  fangen  schon  an 


Die  VoUhardtsche  Sendung.  139 

über  mein  Unglück  zu  frohlocken,  und  mögen  gedenken,  durch  diese  Gelegenheit 
mich  dahin  zu  verleithen,  etwas  zu  begehen,  welches  meinem  Gewissen  und  meiner 
Seele  nachtheilig,  meiner  Ehre  aber  höchst  schädlich  sein  könnte."  Und  er  bittet 
dann  schließlich,  zu  bedenken,  daß  er  seine  neuen  Werke  sonder  Vorlag  und  Vor- 
schuß aufzurichten  gehabt  hätte  und  daß  diese  trotzdem  in  gutem  Stand  wären 
und  ihr  Gesamtwert  150  000  Taler  betrüge,  daß  demnach  ihre  anscheinend  so  un- 
günstige Lage  durchaus  nicht  zu  verwundern  wäre. 

Doch  auch  dieser  Brief,  so  wehmütig  und  eindringlich  er  war,  verfehlte,  wenn 
er  wirklich  dem  Könige  zu  Gesichte  kam,  völlig  seine  Wirkung.  Plötzlich  im  Mai 
erhielt  Vollhardt,  ohne  die  geringste  ,,allergnädigste  Resolution"  vom  König  er- 
halten zu  haben,  den  Befehl,  von  Warschau  abzureisen.  Doch  gelang  es  ihm  trotz- 
dem, noch  eine  allerdings  ergebnislos  verlaufene  Audienz  beim  Könige  zu  erlangen. 
Als  er  hierauf  aber  beim  Grafen  von  Werthern  sich  verabschiedete  und  seine  ihm 
von  Böttger  übergebenen  Papiere  zurückverlangte,  die  er  dem  Kammerrat  Nehmitz 
und  dem  Kriegsrat  Holzbrinck,  als  er  einmal  krank  darniederlag,  auf  einen 
angebhchen  Befehl  des  Königs  ausgehändigt  hatte,  da  stellte  sich  zu  seinem 
nicht  geringen  Erstaunen  heraus,  daß  eins  der  allerwichtigsten  Schriftstücke  Böttgers 
fehlte,  dagegen  sich  unter  ihnen  das  angeblich  von  Böttger  selber  entworfene  Kon- 
zept zu  einer  „allergnädigsten  Resolution"  befand,  die  den  Interessen  Böttgers 
schnurstracks  zuwiderlief,  um  so  mehr  aber  den  Privatinteressen  gewisser  anderer 
günstig  war.  Damit  schien  der  Beweis  für  ein  Intrigenspiel  gegen  Böttger  erbracht 
zu  sein,  und  Vollhardt  verfehlte  nicht,  dem  Könige  die  Feststellung  dieser  Tatsachen 
in  einem  Briefe  mitzuteilen  und  ihm  gleichzeitig,  nachdem  er  nun  bereits 
seit  20  Wochen  in  Warschau  sich  aufhalte,  nun  doch  noch  um  eine  Resolution  zu 
bitten.  Auch  wollte  ihm  der  Graf  von  Werthern  damals  eine  neue  Audienz  beim 
Könige  verschaffen. 

Es  ist  indessen  nicht  bekannt,  ob  diese  Audienz  damals  wirklich  statt- 
gefunden und  wie  weit  sie  in  diesem  Falle  Erfolg  gehabt  hat.  Sicher  ist  nur,  daß 
Böttger  wenigstens  das  Geld  für  das  Porzellan,  das  er  dem  König  geUefert  hatte, 
nun  wirklich  erhielt  und  daß  er  von  nun  an  wieder  häufiger  an  den  König  schrieb, 
wobei  er  sich  aber  jetzt  —  wohl  aus  Mißtrauen  —  merkwürdigerweise  der  franzö- 
sischen Sprache  bediente.  In  allen  diesen  Briefen  aber  hielt  er  es  für  nötig,  sich 
aufs  neue  gegen  eine  ganze  Reihe  von  Anschuldigungen  zu  verteidigen,  die,  wie 
er  wieder  angab,  nur  ersonnen  wären,  um  ihn  als  Leiter  der  Fabrik  um  allen  Kredit  zu 
bringen.  Denn  er  wäre  niemals  schroff  gegen  die  Arbeiter  gewesen  und  hätte  auch 
nie  die  besten,  wie  man  ihm  vorgeworfen,  abgedankt,  auch  hätte  er  niemals  Geld 
für  sich  vertan,  um  ein  üppiges  Leben  zu  führen,  wie  er  ja  auch  nichts  Eigenes 
besäße.  Sollte  er  aber  etwa  am  Anfange  seiner  wiedergewonnenen  Freiheit  einen 
oder  den  anderen  Fehler  —  ,, daran  ich  mich  doch  keineswegs  zu  erinnern  weiß"  — 
begangen  haben,  so  lebe  er  der  alleruntertänigsten  Zuversicht,  Seine  Majestät 
würden  mit  Rücksicht  auf  seine  lange  Einsamkeit  ihm  dies  ,,pardonniren".  Dagegen 
sei  ihm  aber  in  der  schlimmsten  Weise  von  seinen  Gegnern  mitgespielt  worden.  Denn 


190  Die  Porzellanfabrik. 

Dr.  Bartelmei  hätte  nicht  die  Massen  bereitet,  Dr.  Nehmiiz  nicht  die  Glasuren, 
damit  in  der  Fabrik  nicht  weiter  gearbeitet  werden  könne;  man  suche  zu  verbreiten, 
er  wolle  den  König  verlassen  und  sich  zu  einer  anderen  ,, Macht"  begeben,  und  auch 
die  Arbeiter  würden  gegen  ihn  aufgehetzt,  indem  man  ihnen  mitteilte,  er  würde 
bald  seines  Amtes  entsetzt  werden.  Auch  wüßte  er,  daß  man  dem  Könige  ein  ganzes 
Register  von  Schulden  vorgelegt  hätte,  die  er  nie  gemacht,  desgleichen  auch 
eine  ganze  Reihe  vonProjekten,  die  er  nie  beabsichtigt  hätte,  u.dergl.  m.  ^^^).  Gleich- 
zeitig scheint  er  dann  aber  neue  Vorschläge  betreffs  der  Fortführung  der  Manu- 
fakturen gemacht  zu  haben.  Darnach  sollte  der  König  ihm  die  Direktion  der  Manu- 
fakturen zwar  noch  weiter  überlassen,  ihm  aber  dafür  die  letzten  Vorschüsse  in 
der  Höhe  von  3000 — 4000  Taler  wieder  vergüten,  die  dann  in  Form  von  Porzellan- 
waren zurückerstattet  werden  sollten,  dann  aber  zugleich  irgendeine  Person  er- 
nennen, die  dem  Werke  mit  beistehen  und  berichten  sollte,  wozu  die  ihm  zur  Ver- 
fügung gestellten  Gelder  verwandt  würden.  Sie  sollte  auch  die  Schlüssel  zu  den 
Kassen  haben  ^*^).  Es  scheint,  daß  Böttger  so  am  besten  zu  verhindern  hoffte, 
daß  seine  Gegner  von  neuem  ihn  beschuldigen  könnten,  daß  er  die  für  die  Manu- 
fakturen ausgesetzten  Gelder  für  seine  eigene  Person  verwende. 

Wir  wissen  nicht  genau,  was  schließlich  der  Enderfolg  aller  dieser  fast  leiden- 
schaftlichen Bemühungen  Böttgers  gewesen  ist,  wie  weit  sie  den  Einfluß  seiner 
Gegner  beim  König  lahmgelegt  haben,  und  ob  er  damals  gleich  die  volle  Gunst  bei 
ihm  wieder  gewann.  Nicht  unmöglich  ist  es,  daß  der  König  vorübergehend 
die  Absicht  gehabt  hat,  Böttger,  der  bisher  ja  nur  Administrator  seiner 
Fabriken  war,  auch  an  Stelle  von  Nehmitz  zum  Generaldirektor  derselben  zu  machen, 
die  man  ihm  dann  ,,wie  bishero"  —  so  lautet  merkwürdigerweise  der  Ausdruck  — 
„gäntzlich  und  eigentümlich"  bis  an  sein  Lebensende  überlassen  wollte.  Gleich- 
zeitig sollte  er  zum  Bergrat  ernannt  werden  ^^°).  Inspektor  aber  sollte  dann, 
damit  5ö^^ger  in  seinen  Arbeiten  erleichtert  würde  und  sich  seinen  vielen  anderen  Ver- 
pflichtungen ungestörter  hingeben  könne,  der  Advokat  Vollhardt  werden.  Er  würde 
damit  Steinbrück  bei  Böttger  verdrängt  haben  ^^^).  In  Wirklichkeit  aber  scheint 
der  König  schließlich  nur  das  bereits  im  Jahre  1714  vom  Statthalter  und  dem 
geheimen  Konsilium  ausgestellte  Dekret,  nach  dem  Böttger  bis  auf  weiteres  die  ganze 
Administration  der  Porzellanmanufaktur  behalten  sollte,  erneuert  zu  haben,  jetzt 
aber  mit  der  Gültigkeitsdauer  bis  zu  seinem  Tode.  Dafür  sollte  er  sich  nur  ver- 
pflichten, die  Arcana  nicht  zu  verbreiten,  die  Mitwisser  derselben  richtig  zu  be- 
zahlen, vom  Inventar  der  Fabriken  nichts  zu  ruinieren  oder  abhanden  kommen  zu 
lassen,  dem  Könige  Porzellan  gegen  Barzahlung  zu  liefern  und  von  allen  verfertigten 
Waren  zwei  Proben  bei  der  Manufaktur  zu  belassen,  im  übrigen  aber  den  Fabrik- 
betrieb nach  Kräften  zu  verbessern  und  auch  die  Arkanisten  richtig  anzuleiten. 
Für  die  Schleif-  und  Poliermühle  dagegen  wollte  der  König  merkwürdigerweise 
damals  noch  weiter  jeden  Monat  einen  Zuschuß  von  100  Talern  leisten.  Es  ward 
mithin  schließlich  von  Böttgers  drei  durch  Vollhardt  dem  König  in  Warschau  über- 
mittelten Vorschlägen  derjenige  angenommen,  durch  den  die  Porzellanfabrik,  auf 


Die  erste  Konkurrenzfabrik.  191 

die  der  König,  weil  er  dadurch  allen  übrigen  Fürsten  überlegen  war,  so  besonders 
stolz  war,  ihm  und  seinem  Lande  erhalten  blieb,  ohne  daß  sie  diesem  scheinbar 
noch  Kosten  verursachte. 

Inzwischen  jedoch  hatte  sich  außerhalb  Meißens  und  Sachsens  etwas  ereignet, 
das  für  die  ganze  Weiterentwicklung  der  Meißner  Manufaktur  die  schlimmsten 
Folgen  haben  konnte:  Plötzlich  im  März  dieses  Jahres  hatte  sich  der  Ruf  verbreitet, 
es  sei  in  Preußen,  dem  Nachbarlande  Sachsens,  dem  man  einst  die  so  wertvolle 
Person  des  Erfinders  entzogen  hatte,  in  dem  Orte  Plane  an  der  Havel,  auf  dem 
Schlosse  des  preußischen  Ministers  von  Görne  eine  Fabrik  angelegt  worden,  die 
imstande  wäre,  gleichfalls  Porzellan  herzustellen  und  sich  anschickte,  der  Meißner 
Manufaktur  ernsthafte  Konkurrenz  zu  machen.  Ja,  das  Gerücht  ging  sogar  noch 
weiter  und  behauptete,  daß  die  zur  Herstellung  des  Porzellans  nötigen  Materialien 
für  diese  Fabrik  viel  billiger  zu  haben  wären,  als  für  die  Meißner,  und  daß  auch 
die  Arbeitslöhne  dort  viel  niedriger  wären,  daß  mithin  diese  Fabrik  von  vornherein 
auf  einer  viel  besseren  Basis  stände  als  jene  und  ihr  daher  in  der  Tat  wohl  die 
empfindlichste  Konkurrenz  würde  machen  können  ^^2). 

Diese  beunruhigende  Nachricht  war  inzwischen  auch  dem  Könige  nach 
Warschau  durch  den  sächsischen  Gesandten  in  Berlin  gesandt  worden,  und  dieser 
hatte  hierauf  höchst  erregt  diese  Mitteilungen  an  Böttger  senden  lassen  mit  der  Auf- 
forderung, sich  hierüber  zu  erklären.  Vor  allem  sollte  er  angeben,  ob  er  jemanden 
aus  der  Fabrik  entlassen  oder  ob  jemand  von  dort  entwichen  sei.  In  der  Tat  war 
auch  Grund  zu  solcher  Aufregung  genug  vorhanden:  denn  etwas  Schlimmeres 
konnte  der  jungen  Fabrik  in  ihrer  damaligen  Lage  wohl  kaum  zustoßen,  als  die 
Begründung  einer  Konkurrenzfabrik,  die  sie  mit  einem  Schlage  um  ihren  Haupt- 
vorzug hinsichtlich  ihrer  Rentabilität  zu  bringen  drohte :  um  ihre,  von  China  und 
Japan  abgesehen,  völlige  Konkurrenzlosigkeit  in  Europa. 

Tatsächlich  stellte  sich  nur  zu  bald  heraus,  daß  hier  der,  wenn  auch  nicht 
an  sich  erste,  so  doch  der  erste  anscheinend  wirklich  geglückte  Versuch  vorlag, 
eine  der  Böttgerschen  Erfindungen  nachzumachen.  Denn  es  hatten  allerdings  schon 
vorher  im  Jahre  1713  ^^^)  zwei  Arbeiter  Böttgers,  die  aber  nicht  einmal  in  der  Por- 
zellanfabrik, sondern  nur  in  der  Rund-  und  Steinbäckerei,  hier  freilich  zum 
Teil  in  Meißen  gearbeitet  hatten,  sich  heimlich  dort  einen  Ofen  gebaut  und  Por- 
zellan nachzumachen  versucht.  Als  sie  dann  aber  auch  einen  Massenbereiter  und 
Brenner  aus  der  Manufaktur  hatten  an  sich  locken  wollen,  war  die  Sache  ans  Licht 
gekommen,  die  Leute  waren  verhaftet  worden,  dann  aber,  da  sich  bald  heraus- 
stellte, daß  ihre  Versuche  durchaus  lächerlicher  Art  gewesen  waren  und  sie  vom 
Porzellan  auch  nicht  die  geringste  Ahnung  besaßen,  wieder  entlassen  worden.  Dies- 
mal jedoch  lag  die  Sache  bedeutend  ernster.  Ein  ehemahger  Arbeiter  Böttgers, 
Samuel  Kempe  mit  Namen,  der  aber  niemals  in  der  Manufaktur  zu  Meißen  ge- 
arbeitet, vielmehr  nur  ,, Handarbeit"  in  Böttgers  Laboratorium  auf  der  Jungfer 
geleistet  hatte,  hatte  dem  Minister  Görne  in  Berlin  seine  Dienste  angeboten,  indem 
er  vor  allem  angab,  für  die  Porzellanfabrikation  vortreffliche  neue  Öfen  erfunden 


192  Die  Porzellanfabrik. 

zu  haben.  Dies  hatte  dann  zur  Begründung  der  Fabrik  in  Plane  Veranlassung 
gegeben.  Dieser  Kempe  hatte  übrigens  immer  für  ein  höchst  verdächtiges  Indi- 
viduum gegolten.  Er  war  ursprünglich  Bergmann  in  Freiberg  gewesen,  von  dort 
Diebereien  wegen  entwichen;  dann  hatte  ihn  Tschirnhausen  in  sein  Laboratorium 
aufgenommen.  Aber  nach  dessen  Tode  war  er  von  neuem  des  Diebstahls  über- 
führt ^^*)  und  auf  5ö«ger5  Veranlassung  zwei  Jahre  lang  auf  der  Festungswache  ge- 
fangen gehalten  worden.  Da  aber  hier  seine  Gesundheit  stark  litt,  er  allem 
Anscheine  nach  auch  große  Reue  an  den  Tag  legte,  so  hatte  Böttger,  der  immer 
ein  gutmütiger  Mensch  gewesen  ist,  sich  seiner  erbarmt,  ihn  unter  dem  festen  Ver- 
sprechen völliger  Besserung  wieder  in  Gnaden  aufgenommen  und  ihn  in  der  oben 
bezeichneten  Weise  in  seinem  Laboratorium  beschäftigt.  Dann  war  er,  nachdem 
er  inzwischen  bei  Böttger  wieder  in  Ungnade  gefallen  war,  plötzlich  unsichtbar 
geworden.  Doch  Böttger  hatte  hierauf  nicht  allzuviel  acht  gegeben.  Selbst  als  er 
erfuhr,  daß  er  in  Brandenburg  wäre  und  dort  Böses  vor  hätte,  gab  er  sich  doch 
keine  große  Mühe,  obwohl  sich  Gelegenheit  dazu  bot,  ihn  zurückzuholen,  entweder 
weil  er  ihm  doch  nicht  allzuviel  zutraute,  oder  weil  es  ihm  an  Geld  fehlte,  ihn  wieder 
zurückzugewinnen.  Auch  scheint  Böttger  hinsichtlich  der  Bewahrung  seiner  Arkana 
überhaupt  immer  etwas  leichtfertig  gedacht  und  in  dieser  Beziehung  bei  weitem 
nicht  alle  Vorsicht  angewandt  zu  haben,  die  man  wohl  von  ihm  hätte  er- 
warten können.  Denn  stolz  darauf,  so  viel  Bedeutendes  und  Nützliches,  von  andern 
bisher  nie  Gefundenes  aus  eigener  Kraft  aufgefunden  und  fertiggestellt  zu  haben, 
glaubte  er  nun  auch  ganz  allein  derartiges  zuwege  bringen  zu  können,  und  zu 
Steinbruchs  nicht  geringem  Schrecken  hatte  er  oftmals  sich  gerühmt,  er  wollte 
ruhig  die  Materialien,  die  Öfen  und  alles  übrige  zu  seinen  keramischen  Erzeugnissen 
Erforderliche  jedermann  zeigen,  es  würde  doch  niemand  mit  diesen  Dingen  reüs- 
sieren. Nun  aber,  als  die  so  beunruhigenden  Nachrichten  aus  Plane  eintrafen 
und  als  eigentlicher  Urheber  der  dortigen  gefährlichen  Unternehmungen  sein 
früherer  Arbeiter  Kempe  sich  herausstellte,  mußte  er  doch  einsehen,  daß  er  sich 
betreffs  dieses  bedenklich  geirrt  hatte,  mußte  er  erkennen,  daß  der  Spitzbube  doch 
auf  irgendeine  Weise  sich  Kenntnis  von  den  Arkanis  verschafft  hatte  und  allem 
Anscheine  nach  wirklich  imstande  war,  von  seinen  Erfindungen  Gebrauch  zu  machen 
und  seiner  Manufaktur  ernstlichen  Schaden  zuzufügen.  Die  ganze  Sache  war  jetzt, 
im  Jahre  1715,  da  sie  allgemeiner  bekannt  ward,  für  Böttger  fatal  genug,  nament- 
lich in  Anbetracht  seiner  damaligen  äußerst  traurigen  Lage  und  des  ziemlich 
dreisten  Gebarens  seiner  Gegner,  die,  wie  er  fürchtete,  sicherlich  auch  dies  Ereignis 
wieder  zu  seinen  Ungunsten  auszunutzen  trachten  würden.  Er  mußte  in  der  Tat 
befürchten,  daß  dadurch  sein  gerade  damals  allem  Anscheine  nach  beim  König 
stark  erschüttertes  Ansehen  nun  noch  mehr  leiden  würde. 

Für  Böttger  war  daher  die  wichtigste  Aufgabe,  zunächst  einmal  festzustellen, 
was  diese  Fabrik,  von  der  jetzt  soviel  Aufhebens  gemacht  wurde,  nun  eigentlich 
wirklich  zu  leisten  vermöchte.  Hierzu  reichte  ihm  diese  bald  selber  die  Hand. 
Es  waren  von  dort  Briefe  an  einen  der  Töpfer  der  Rundbäckerei  in  Altdresden 


Die  erste  Konkurrenzfabrik. 


193 


Abb.  71.    BStt^erporzellan.    Formen  von  Theekannen. 

König-l.  Porzellansammlung',  Dresden.    Höhe  der  Theekanne  in  der  Mitte  zi  cm. 


gesandt  worden,  mit  der  Aufforderung,  heimlich  ethche  gute  Dreher  und  Former 
für  Plane  zu  gewinnen,  welche  Briefe  jedoch  in  Böttgers  Hände  gerieten.  Böttger 
freilich,  der  in  dieser  Zeit  wieder  einmal  besonders  argwöhnisch  war,  hielt  diese 
Briefe  zunächst  wieder  für  eine  Intrige,  allem  Anscheine  nach  dazu  bestimmt, 
ihm  die  besten  Arbeiter  der  Fabrik  zu  ,, korrumpieren".  Er  sandte  sie  deshalb  dem 
Könige  nach  Warschau,  zugleich  mit  der  Versicherung,  daß  man  sich  vor  der  neuen 
Fabrik  nicht  allzusehr  zu  fürchten  habe.  Gleichzeitig  jedoch  bediente  er  sich  ihrer 
mit  großem  Geschick,  um  mit  ihrer  Hilfe  einen  Spion  direkt  ins  feindliche  Lager 
zu  senden.  Der  schon  mehrfach  genannte  Mehlhorn,  dem  damals  Böttger  in  der 
Tat  viel  Zutrauen  geschenkt  haben  muß,  mußte  der  Fabrik  in  Flaue  auf  diese 
Briefe  hin  seine  Dienste  anbieten,  auch  gleich  Porzellanproben,  als  angeblich  von 
ihm  selbst  fabriziert,  hinsenden,  und  schon  am  15.  April  traf  er  in  Plane  ein. 
Er  spielte  hier  seine  Rolle  mit  großer  Umsicht.  Vier  Tage  lang  konnte  er  ungestört 
Umschau  halten,  nach  welcher  Zeit  er  seiner  Verpflichtung  gemäß  wieder  nach 
Dresden  zurückkehrte*").  Sein  Bericht  kann  freilich  damals  ßö^iger  nur  halbe  Freude 
bereitet  haben:  die  rote  Masse  und  die  Öfen  dazu,  alles  war  hier  bereits  vorhanden 
und  recht  gut ;  es  fehlte  nur  die  schwarze  Glasur  und  dann  glücklicherweise  völlig 
das  Porzellan.  Dagegen  schien  auch  hier  die  finanzielle  Lage  der  Fabrik  durchaus 
nicht  erfreulich,  ja,  der  Herr  von  Görne  sogar  gar  nicht  abgeneigt  zu  sein, 
gegen  eine  bestimmte  Summe  die  kaum  begründete  Fabrik  dem  Könige  von 
Polen  abzutreten.  Tatsächlich  war  bereits  der  Kammerrat  Nehmitz,  der  gleich- 
falls in  dieser  Zeit  nach  Plane  gefahren  war,  mit  Herrn  von  Görne  über  diesen  Punkt 
in  Verbindung  getreten  und  hatte  auch  ein  Projekt  ausgearbeitet,  demzufolge  beide 
Fabriken  vereinigt  werden  sollten,  wofür  freilich  Görne  die  gesamten  Unkosten  in 
Gestalt  vieler  Tausende  von  Talern  zurückerstattet  haben  wollte.  Er  hoffte  auf 
diese  Weise  die  Konkurrenz,  die  von  dieser  Fabrik  aus  drohte,  völlig  beseitigen 
zu  können. 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan. 


13 


194  Die   Porzellanfabrik. 

Doch  Böttger  vermochte  eine  wirkliche  Gefahr  für  die  eigene  Manufaktur 
in  der  Begründung  dieser  Konkurrenzanstalt  nicht  zu  erblicken.  Von  dem  Plan, 
beide  Fabriken  zu  vereinigen  und  dafür  eine  Unsumme  Geldes  auszugeben,  wollte 
er  nicht  das  geringste  wissen.  Vielmehr  schickte  er  einen  weitläufigen  Bericht 
an  den  König,  in  dem  er  von  neuem  versicherte,  daß  die  neue  Fabrik  in  keiner 
Weise  der  Meißner  Manufaktur  schaden  könnte;  denn  diese  sei  ja  schon  viel  zu  weit 
voraus  und  arbeite  viel  besser  und  billiger  als  jene,  auch  hätte  man  in  Sachsen 
die  Materialien  im  Lande  selber,  während  man  in  Flaue  sie  erst  aus  Sachsen  holen 
müsse,  was  man  ja  mit  Leichtigkeit  verbieten  könne.  Viel  vernünftiger  würde  es 
dagegen  sein,  das  Geld,  das  man  zum  Ankauf  jener  Fabrik  verwenden  wolle,  zur 
Unterstützung  der  eigenen  zu  benutzen,  die  dann  vollends  imstande  sein  würde, 
das  Aufkommen  der  andern  zu  verhindern.  Man  sieht,  Böttger  suchte  mit  ziemlicher 
Schlauheit,  aus  der  Anlage  der  Konkurrenzanstalt  sogar  noch  Kapital  für  die  eigene 
zu  gewinnen.  Dagegen  führte  er  freilich  den  wichtigsten  Grund,  der  gegen  den 
Ankauf  dieser  Fabrik  damals  sprach,  in  keiner  Weise  an,  daß  nämlich  das  rote 
Steinzeug  ja  nach  der  Herstellung  des  wirklichen  Porzellans,  wie  alle  bisherigen 
Messen  und  sonstigen  Verkaufsgelegenheiten  zur  Genüge  gezeigt  hatten,  damals 
als  gar  kein  irgendwie  kuranter  Artikel  mehr  aufzufassen  war,  daß  demnach  eine 
Fabrik,  die  sich  allein  auf  diesen  zu  stützen  hatte,  bald  genug  von  selber  zugrunde 
gehen  mußte.  Wahrscheinlich  trug  Böttger  deshalb  Bedenken,  dies  Argument  dem 
Könige  mitzuteilen,  weil  er  dadurch  ja  gleichzeitig  einen  großen  Teil  seiner 
eigenen  bisherigen  Tätigkeit  als  ziemlich  nutzlos  dargestellt  haben  würde,  was  gerade 
damals  dem  Könige  mitzuteilen,  doch  wohl  durchaus  nicht  zweckmäßig  gewesen  wäre. 

Glücklicherweise  drang  Böttgers  vernünftige  und  ruhige  Meinung  damals  beim 
König  durch,  wahrscheinlich  schon,  weil  sie  weniger  kostspielig  war  als  Nehmitz' 
Vorschlag.  Man  ließ  die  Fabrik  in  Plane  ruhig  weiter  arbeiten  und  kümmerte  sich 
nicht  mehr  allzuviel  um  sie.  Nur  fuhr  Böttger  zur  Michaelismesse  dieses  Jahres  mit 
Steinbrück  zusammen  nach  Leipzig,  um  dort  die  etwa  60  Stücke  der  Fabrik,  die 
dort  bereits  ausgestellt  waren,  zu  besichtigen,  die  sich  aber  alle  als  viel  schlechter, 
namentlich  hinsichtlich  ihrer  Schwere,  ihrer  Formen  und  ihrer  Ausführung,  daneben 
aber  auch  noch  viel  teurer  als  seine  eigenen  Erzeugnisse  herausstellten.  Doch  auch 
das  Geld,  das  Böttger  bei  dieser  Gelegenheit  erbeten  hatte,  um  seine  Manufaktur 
konkurrenzfähiger  gegenüber  der  neuen  zu  machen,  traf  nicht  ein.  Es  blieb  alles 
beim  alten,  und  Böttger  hatte  so  auch  aus  dieser  an  sich  so  fatalen  Angelegenheit 
keinen  weiteren  Nutzen  für  seine  Fabrik  erlangen  können. 

Inzwischen  aber  hatte  der  ewige  Geldmangel  und  das  plötzliche  Stocken  der 
bisherigen  Zuschüsse  des  Königs  für  die  Fabrik  die  übelsten  Früchte  getragen:  es 
war  endlich  doch  der  immer  so  sehr  gefürchtete  Moment  da,  wo  Böttger  die  Arbeiter 
der  Manufaktur  für  längere  Zeit  nicht  mehr  hatte  bezahlen  können.  Im  allgemeinen 
hatten  sich  freilich  diese  Arbeiter  als  fleißige  und  ruhige  Leute  erwiesen,  die,  weil 
sie  arm  und  meist  verheiratet  und  mit  Kindern  versehen  waren,  dazu  auch  ver- 
hältnismäßig hohen  Lohn  erhielten,  zunächst  auch  kaum  irgendeine  Veranlassung  ge- 


Verhalten  der  Arbeiter. 


195 


habt  hätten,  sich  ungebührlich  zu  benehmen,  Sie  arbeiteten  fleißig  in  der  Manu- 
faktur, obwohl  sie  dort  eigentüch,  wie  Böttger  in  Anspielung  auf  die  mangelhafte 
Leitung  der  Fabrik  selber  sagte:  doch  ,, Schafe  ohne  Hirten"  wären.  Nur  ent- 
standen jetzt  immer  häufiger  Reibereien  und  Eifersüchteleien  durch  die  scharfe 
Trennung  der  einzelnen  fast  hermetisch  voneinander  abgetrennten  Abteilungen 
der  Massenbereitung  und  der  des  Brennens.  Auch  war  es  für  die  Disziphn  dieser 
Leute  natürlich  durchaus  nicht  günstig,  daß,  da  Bv.Bartelmei  und  Nehmitz  sich  jetzt 
fast  gar  nicht  mehr  um  die  Leitung  der  Fabrik  kümmerten,  ihr  Betrieb  nur  noch 
durch  zwei  Arbeiter,  wenn  auch  durch  die  erfahrensten  und  von  Böttger  am  meisten  in- 
struierten, aufrecht  erhalten  wurde.  Denn  es 
liegt  in  der  Natur  des  Menschen,  daß  man  wilhger 
seinem  wirkUchen  Vorgesetzten,  als  Seines- 
gleichen gehorcht.  Dann  aber  scheinen 
auch  die  Widersacher  Böttgers  bisweilen  ab- 
sichtlich die  Arbeiter  aufgehetzt  zu  haben,  um 
durch  eine  Störung  oder  Hemmung  des  Betriebes 
Böttger  beim  König  in  Mißkredit  zu  bringen ^^ß). 
Dennoch  konnte  Steinbrück  noch  im  Jahre 
1717  dem  Könige  berichten,  daß  man  bisher 
noch  gar  keinen  Gebrauch  von  der  der  Ma- 
nufaktur verliehenen  höheren  Jurisdiktion  zu 
machen  gehabt  hätte.  Von  kleinen  Strafen 
abgesehen,  hätte  sich  alles  so  ziemlich  von 
selber  reguliert  ^^').  Gefährlich  aber  konnten 
alle  diese  Leute  dann  werden,  wenn  ihnen  ihr 
Lohn,  auf  den  sie  und  die  Ihrigen  völlig  ange- 
wiesen waren,  gar  nicht  oder  wenigstens  nicht 
zur  richtigen  Zeit  ausgezahlt  wurde.  Darum 
hatte  man  hierfür  bisher  stets  die  größte 
Sorge  getragen :  der  König,  die  Kommissionen, 
alle  hatten  sie  über  diesen  Punkt  immer  die 
eingehendsten     Nachforschungen      angestellt, 

und  tatsächlich  war  die  Ablohnung  der  Arbeiter  immer  allem  anderen  vor- 
gegangen. Böttger  war  daher  durchaus  berechtigt,  wie  er  es  auch  oft  getan 
hat,  diese  Tatsache  mit  ganz  besonderem  Nachdrucke  zu  betonen.  Nur 
während  der  ersten  großen  Krisis  im  Jahre  1713,  als  die  Löhnung  eine  ge- 
raume Zeit  völlig  ausblieb,  waren  daher  die  ,,Manufakturier",  wie  die  Arbeiter 
damals  hießen,  unwillig  geworden:  „Desorders  und  Uneinigkeiten"  waren  ent- 
standen, Mißachtung  gegen  die  Vorgesetzten  hatte  sich  eingestellt,  und  es  waren 
auch  bereits  böse  Worte  gegen  sie  gefallen  ^^^).  Man  konnte  dies  Benehmen  den 
in  großen  Nöten  sich  befindenden  Leuten  wohl  in  der  Tat  nicht  ganz  übelnehmen. 
Aber  dann  war  nach  Erstattung  des  Lohnes  alles  wieder  zur  Ruhe  zurückgekehrt. 

13* 


Abb.  72.    Böttg:erporzelIan.    Bierkrag  mit  dem  anf- 
gesetzten  Monogramm  König  Angnst  des  Starken. 

Sammlung-  List,  Magdeburg-.     Höhe  i6  cm. 


196  Die  Porzellanfabrik. 

Nun  aber,  nachdem  der  König  Böttger  seit  dem  Beginn  des  Jahres  1715  so  plötzlich 
und  so  unvermutet  aller  bisherigen  Unterstützungen,  auf  die  mit  Sicherheit 
zu  rechnen  er  wohl  ein  gewisses  Recht  gehabt  hatte,  beraubt  hatte,  als  er  neben 
den  geringen  Erträgnissen  seiner  Fabrik  nichts  anderes  als  Schulden  und  Wechsel 
besaß,  die  zu  bestimmten  Zeiten  ausgelöst  werden  mußten:  wie  sollte  da  Böttger 
mit  der  Auslöhnung  fortfahren,  wie  sollte  er  den  Arbeitern  auch  nur  dasjenige  geben, 
was  ihnen  zum  täglichen  Unterhalt  ganz  unumgänglich  nötig  war  ?  Zwei  Monate 
lang  blieb  nun  der  Lohn  aus.  Und  so  von  allen  Mitteln  entblößt,  durch  den  drohen- 
den Hunger  zur  Verzweiflung  gebracht,  sahen  sich  die  Arbeiter  zur  Selbsthilfe  ge- 
zwungen. Im  April  dieses  Jahres  sind  sie  auf  den  eigenen  Rat  Böttgers,  der  wohl 
selber  nicht  mehr  aus  noch  ein  wußte,  nachdem  er  sie  freilich  anfangs  als  Pflicht- 
vergessene und  Rebellen  zu  behandeln  versucht  hatte,  in  hellem  Haufen  nach 
Dresden  gezogen,  um  hier  ihr  gutes  Recht  zu  fordern.  Hier  ist  ihnen  dann  durch 
Dr.  Bartelmei,  dem  die  Sache  doch  wohl  etwas  zu  bunt  ward,  ihr  Lohn  in  der  Höhe 
von  mehreren  1000  Talern,  die  er  sich  dann  von  den  Erträgnissen  der  Michaelismesse 
dieses  Jahres  hat  wieder  zurückerstatten  lassen,  richtig  ausgezahlt  worden.  Doch 
reizte  dieser  Erfolg  dann  freilich  zu  Wiederholungen,  die  auch  nicht  ausblieben. 
Inzwischen  jedoch  war  diese  Sache  dem  Könige  hinterbracht  worden.  Energisch 
befahl  er,  wohl  wissend,  was  hier  auf  dem  Spiele  stand,  dem  Kammerrat  Neh- 
mitz,  die  damals  wieder  fälligen  Löhne  sofort  richtig  auszahlen  zu  lassen.  Dies 
geschah  für  die  Monate  Juli  und  August;  dann  freilich  hielt  Nehmitz  wieder  mit 
den  Zahlungen  ein,  ein  neues  ,,Lauffen"  nach  Dresden  begann,  und  Nehmitz  er- 
stattete den  Lohn  wieder  bis  zum  Februar  des  folgenden  Jahres.  Hierauf  ließ 
der  König  die  weiteren  Löhnungen  durch  seinen  geheimen  Kämmerer  Starke  aus- 
zahlen. Damit  war  diese  fatale  Angelegenheit,  die  eine  ernste  Gefahr  für  die 
Manufaktur  und  ihre  Geheimnisse  bedeutet  hatte,  erledigt,  und  die  Arbeiter  gingen 
wieder  wie  vorher  fleißig  und  ohne  Murren  ihrer  Arbeit  nach  ^^®).  Der  König  aber 
hatte  damit  seinen  Entschluß,  die  Manufaktur  nicht  mehr  mit  Geld  zu  unter- 
stützen, doch,  durch  die  Umstände  gezwungen,  wohl  oder  übel  wieder  aufgeben 
müssen. 

Der  traurige  Zustand  aber,  in  den  die  Manufaktur  durch  den  ewigen  Geld- 
mangel geraten  war,  war  durch  diese  kleinen  Abhilfen  nicht  aus  der  Welt 
zu  schaffen.  Die  3000  Taler,  die  der  König  auf  der  Michaelismesse  für  Porzellan 
Böttger  hatte  auszahlen  lassen,  von  denen  aber  vorher  noch  die  von  Dr.  Bartelmei 
vorgestreckten  Arbeitslöhne  abgingen,  scheinen  in  dieser  Zeit  das  einzige  bare  Geld 
gewesen  zu  sein,  das  Böttger  von  seilen  des  Königs  empfing.  So  mußte  die  Lage 
der  Fabrik,  da  die  Hauptursache,  die  sie  herbeigeführt  hatte,  in  keiner  Weise  be- 
seitigt war,  nur  immer  schlimmer  werden,  nur  immer  drückender  auf  dem  Urheber 
aller  dieser  Unternehmungen  lasten,  ohne  daß  dieser  auch  nur  im  entferntesten  ahnte, 
wie  er  sich  ohne  anderer  Leute  Hilfe  aus  ihr  befreien  könne.  Selbst  Betrügereien 
scheinen  jetzt,  da  Böttger  mehr  und  mehr  die  Kontrolle  über  seine  Unternehmungen 
verlor,  in  seiner  unmittelbaren  Umgebung  vorgekommen  zu  sein,  die  seine  ganze 


Verschlimmerung  der  Lage.  197 

finanzielle  Lage  noch  mißlicher  gestalteten  ^^°).  Und  nun  ist  die  weitere  Geschichte 
der  Meißner  Manufaktur  bis  zu  Böttgers  nahem  Ende  nichts  als  eine  unablässige 
Folge  von  Klagen  und  Beschuldigungen,  von  Projekten  und  Untersuchungen,  aus 
denen,  da  das  einzige,  was  allein  diesen  traurigen  Zuständen  ein  schnelles  Ende 
hätte  bereiten  und  zugleich  die  Manufaktur  wieder  auf  eine  gesunde  Basis  hätte 
stellen  können,  nicht  erfolgte :  eine  reichliche  Unterstützung  mit  Geld  und  eine  rich- 
tige Organisation,  für  die  Böttgerschen  Unternehmungen  nicht  das  geringste  wirklich 
Nützliche  hervorging.  So  blieb  die  Meißner  Manufaktur  bis  zu  Böttgers  Tode 
ein  äußerst  schlecht  fundiertes  und  völlig  unzureichend  organisiertes  Unternehmen, 
das  in  keiner  Weise  wirkliche  Einnahmen  erzielen,  in  keiner  Weise  dem  Lande 
jenen  Nutzen  bringen  konnte,  um  dessentwillen  der  König  anfangs  diese  ganzen  in- 
dustriellen Unternehmungen  ins  Leben  gerufen  hatte.  In  dieser  Beziehung  ist 
daher  Böttgers  ganze  Tätigkeit,  wenigstens  so  lange  er  selber  lebte,  eine  völlig 
verfehlte  gewesen. 

Zunächst  ward  nun  zur  Abwechselung  einmal  auch  Dr.  Bartelmei  noch  im 
November  des  für  die  Fabrik  und  Böttger  so  ganz  besonders  traurigen  Jahres  1715 
beauftragt,  Vorschläge  betreffs  Weiterführung  der  Fabrik  zu  machen.  Er  gab 
deren  nicht  weniger  als  achtzehn  an,  unter  denen  die  interessantesten  waren,  Böttger, 
wie  dieser  selbst  es  wünschte,  aus  der  Administration  zu  entlassen,  alle  Arkana einem 
einzigen  Menschen  anzuvertrauen,  kurante  Sachen  billiger  zu  verkaufen,  größere 
dagegen  desto  teurer,  vor  allem  aber  die  Manufaktur,  da  der  Transport  des 
Holzes  nach  Meißen  und  der  Warentransport  nach  Dresden  sich  zu  teuer  stellte, 
,, sobald  die  Einwohner  es  tragen  könnten",  wieder  nach  Dresden  zurückzu- 
verlegen  ^^^),  welche  Vorschläge  jedoch  eben  alle  nur  wieder  Vorschläge  blieben. 

Dann  aber  spitzten  sich  die  unglücklichen  finanziellen  Verhältnisse  der 
Fabrik  für  Böttger  derartig  zu,  daß  selbst  seine  eigene  Person  nun  nicht  mehr  sicher 
zu  sein  schien:  am  4.  Januar  des  Jahres  1716  wurde  Böttger  wegen  Wechselschuld 
verklagt  und  auch  sogleich  verhaftet.  Damit  ward  sogar  das  eigentliche  Oberhaupt 
der  Fabrik  ihr  für  einen  Augenblick  entzogen.  Doch  dies  Ereignis  war  dem  König 
sofort  nach  Polen  gemeldet  worden,  und  schon  traf  der  Befehl  ein,  Böttger  sofort 
des  Arrestes  zu  entheben  ^^^■).  Auch  scheint  es,  daß  der  König  sich  jetzt  seiner 
Manufakturen  wieder  etwas  liebevoller  angenommen  hat;  denn  aus  diesem  Jahre 
liegen  —  gewiß  ein  gutes  Zeichen  für  die  damaligen  Zustände  in  der  Fabrik  — 
fast  gar  keine  weiteren  Nachrichten  über  sie  vor.  Gewiß  war  diese  Ruhe  die 
Folge,  daß  nun  der  König  wenigstens  für  die  Bezahlung  der  Arbeiter  volle  Sorge 
getragen  hatte.  Die  zunächst  schwierigste  Frage  für  die  Fabrik  war  dadurch  ge- 
löst und  damit  ein  Anlaß  zu  unmittelbarer  Beunruhigung  beseitigt. 

Bald  darauf  jedoch  wurde  Böttger  wieder  krank  und  flößte  ernstliche  Be- 
sorgnisse ein.  Unverzüglich  befahl  da  der  König  dem  Kriegsrat  von  Holzbrinck 
nach  Meißen  zu  gehen  und  dort  sich  mit  den  Arcanis  der  Fabrik  vertraut  zu 
machen  ^^^),  ein  deutliches  Zeichen,  daß  der  König  den  eigentlichen  Arkanisten 
damals  durchaus  nicht  traute.   Dann  freilich  erholte  sich  5öffger  wieder  merkwürdig 


198  Die  Porzellanfabrik. 

schnell,  ja  es  schien  sogar,  als  ob  seine  Gesundheit  wieder  bedeutend  fester  werden 
wollte,  als  sie  es  seit  langem  gewesen  war.  Aber  an  eine  Möglichkeit,  von  seiner  Seite  aus 
energisch  in  die  so  arg  verfahrenen  Verhältnisse  seiner  Fabriken  einzugreifen,  war 
nicht  zu  denken,  so  lange  nicht  auch  von  anderer  Seite  wirklich  wirkungsvolle 
und  ernst  gemeinte  Hilfe  kam.  An  sich  war  allerdings  der  Stand  der  Manufakturen 
auch  jetzt  noch  durchaus  nicht  übel.  Es  war  alles  zu  ihrem  Betriebe  vorhanden, 
und  dieser  Betrieb  lief  trotz  des  Fehlens  der  eigentlichen  Oberleitung,  auch  jetzt 
noch  wie  von  selber.  Alle  Arbeiter  hatten  sich  völlig  eingelebt,  ja  sich  sogar  durch 
die  nun  schon  mehrjährige  Übung  stark  vervollkommt^^*).  Aber  freilich  der  Betrieb 
blieb  nach  wie  vor  viel  zu  klein,  um  sich  irgendwie  rentieren  zu  können.  Es  fehlte 
eben  das  Geld,  um  mehr  Arbeiter  einstellen  zu  können,  es  war  ja  noch  immer  nicht 
vorhanden,  um  das  immer  so  ersehnte  Brennhaus  zu  errichten,  das  größere 
Brände  und  damit  eine  Steigerung  der  Produktion  gestattet  hätte.  Auch  die  Pro- 
duktion selber  blieb  so  umständlich  und  kostspielig,  daß  selbst  Böttger  damals 
wieder  daran  gedacht  zu  haben  scheint,  die  Manufaktur  oder  wenigstens  einen 
Teil  derselben  nach  Dresden  zurüokzuverlegen  und  sie  dann  vielleicht  nur  noch 
für  den  König  arbeiten  zu  lassen  ^^^).  Auch  rächte  sich  immer  mehr  die  fehlende 
Organisation  des  Ganzen,  das  Fehlen  der  eigentlichen  Oberleitung.  Selbst  Böttgers 
Autorität  hatte,  wie  er  selbst  damals  gestand,  den  Arbeitern  gegenüber  stark 
gelitten,  seitdem  er  ihnen  nicht  selber  mehr  ihren  Lohn  auszahlte.  Doch  scheint 
es  Böttger,  wie  Steinbrück  angedeutet  hat  ^^^),  auch  sonst  nicht  immer  verstanden 
zu  haben,  trotz  der  Dekrete,  die  ihn  zum  alleinigen  Leiter  der  Manufakturen  ge- 
macht hatten,  seine  Autorität  genügend  durchzusetzen  und  überhaupt  das  ganze 
Unternehmen  in  eine  richtige  Organisation  zu  bringen.  Auch  ließ  er  auch  jetzt 
noch  nicht  den  rechtmäßig  eingesetzten  Inspektor  der  Manufaktur  Steinbrück, 
wie  dieser  es  in  seiner  Gewissenhaftigkeit  und  seinem  wirklichen  Interesse  für  die 
Manufaktur  aufs  lebhafteste  wünschte  ^"),  für  längere  Zeit  nach  Meißen,  obwohl 
er  jetzt  seiner,  da  er  seine  Korrespondenz  jetzt  meistens  durch  andere  führen  ließ, 
kaum  noch  in  Dresden  selber  bedurfte,  ja  Böttger  scheint  ihn,  der  damals  einer  der 
wenigen  war,  die  ihm  wirklich  hätten  helfen  können,  wohl  aus  irgendeiner  jetzt 
entstandenen  Abneigung  gegen  ihn,  oder  weil  andere  sich  hei  Böttger  einzuschmeicheln 
und  gegen  ihn,  den  so  ehrlichen  und  biederen  Charakter  zu  intrigieren  wußten, 
bald  geradezu  launenhaft  behandelt  zu  haben,  so  daß  der  arme  Steinbrück,  da 
Böttger  nichts  mehr  recht  war,  was  er  tat,  bald  nicht  mehr  wußte,  ob  er  noch  für 
die  Manufaktur  arbeiten  sollte  oder  nicht  ^^^).  Böttger  war  wohl  von  Haus  aus 
immer  ein  etwas  launenhafter  Mensch,  der,  wie  es  genialen  Leuten  zu  gehen  pflegt, 
leicht  momentanen  Eingebungen  folgte  und  nur  das  tat,  was  ihm  gefiel.  Auch  war 
er  durch  seine  Krankheiten  ernstlich  geschwächt,  wie  nicht  minder  durch  die  schon 
mehrfach  erwähnte  Vorliebe  für  geistige  Getränke  und  starkes  Tabakrauchen, 
die  gerade  dann  am  stärksten  auszubrechen  pflegte,  wenn  es  ihm  am  schlechtesten 
ging.  Seine  Energie  und  seine  geistige  Behendigkeit  waren  daher  damals  schon 
sichtbar  erlahmt,  und  so  war  es  nicht  weiter  verwunderlich,  daß  unter  den  an  sich 


Weitere  Verschlimmerung  der  Lage. 


199 


doch  braven  Arbeitern 
in  Meißen  nun  doch 
so  manches  einriß, 
was  stark  nach  Des- 
organisation und  Un- 
botmäßigkeit aussah 
und  eine  gewisse  Ge- 
fahr für  die  Manu- 
faktur zu  werden 
drohte.  Es  bildeten 
sich  unter  ihnen  Par- 
teien und  Cliquen ; 
man  verleumdete  und 
schikanierte  sich  ge- 
gensei tig,weigerte  sich, 
wohl  gar  miteinander 
zu  arbeiten,  verlangte, 
drohend,  daß  man 
sonst  fortgehen  würde, 
sein  eigenes  Zimmer 
und  wollte  sich  dann 
schließlich  auch  von 
gar  keinem  mehr  et- 
was sagen  lassen,  son- 
dern ganz  für  sich 
allein  und  nach  eige- 
nem Gutdünken  ar- 
beiten, ein  Arbeits- 
system, das  dem  einer 
Fabrik  nicht  ge- 
rade zu  entsprechen 
schien,  kurz,  es  war 
alles,  wie  Steinbrück 
sich  damals  aus- 
drückte, in  eine  ,,hon- 
teuse  Confusion"  ge- 
raten 569). 

Diese  Zustände 
waren  im  Jahre  1717 
so  schlimm  und  für  die 
Manufaktur  so  gefahr- 
drohendgeworden, daß 


Abb.  73.    BSttgerporzellan.    Große  Deckelvase  mit  freihändig;  aufgelegten  Blumen. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  54  cm. 


200  Die  Porzellanfabrik. 

« 
Steinbrück,  sicherlich  der  gewissenhafteste  Mann,  der  damals  mit  der  Manu- 
faktur in  Verbindung  stand,  es  nun  nicht  mehr  länger  ausgehalten  zu 
haben  scheint  und  in  aller  Stille  mit  Hilfe  aller  ihm  damals  zur  Verfügung 
stehenden  Mitteln  unter  dem  Titel  ,,Allerunterthänigste  Nachrichten  von 
dero  neuen  Manufakturen,  wie  solche  angefangen  und  bis  zu  Ihro  Majestät 
jetzigen  allerhöchsten  Gegenwärtigkeit  in  dero  hiesigen  Erblanden  fortgetrieben 
worden",  einen  Bericht  zusammenstellte,  der  in  Buchform  auf  fast  306  Seiten  ein 
vollständiges  Bild  der  ganzen  bisherigen  Entwicklung  der  industriellen  Gründungen 
Tschirnhausens  und  Böttgers  gab  und  hieraufgestützt,  Verbesserungsvorschläge 
für  die  Zukunft  zu  geben  suchte.  Dieses  Buch  wollte  er  dem  Könige,  der  damals 
endlich  einmal  wieder  in  Dresden  anwesend  war,  überreichen;  doch  ist  es  dazu, 
allem  Anscheine  nach,  nicht  gekommen,  so  daß  in  dem  zunächst  beabsichtigten 
Sinne  Steinbruchs  Arbeit  ganz  vergeblich  gewesen  ist  ^^°).  Dafür  aber  ist  Stein- 
brück durch  dieses  Werk,  ohne  es  gewollt  zu  haben,  der  eigentliche  Geschicht- 
schreiber Böttgers  und  seiner  Manufakturen  geworden,  derjenige,  dem  allein  wir  es 
zu  danken  haben,  wenn  wir  heutzutage  wirklich  imstande  sind,  uns  ein  klares  Bild 
von  dieser  Persönlichkeit  und  seiner  ganzen  Tätigkeit  zu  machen,  wie  dies  im  vor- 
liegenden Buch  versucht  worden  ist.  Er  hat  sich  dadurch  um  die  Erkenntnis  dieser 
ganzen  Zeit  ein  ganz  unberechenbares,  bleibendes  Verdienst  erworben,  zumal  dies 
Werk  mit  einer  Klarheit  und  Sachlichkeit  geschrieben  ist,  die  für  die  damalige  Zeit 
nur  in  Erstaunen  setzen  können.  In  diesem  ausführlichen  Berichte  gab  Steinbrück 
zunächst  die  Entwicklung  der  einzelnen  Unternehmungen  Böttgers  wie  Tschirn- 
hausens an  und  schilderte  ihren  damaligen  Stand.  Für  die  Meißner  Manufaktur 
lautete  diese  Schilderung  durchaus  nicht  ungünstig:  Steinbrück  betonte  mehrfach, 
daß  sie  in  durchaus  gutem  Zustande  sich  befände  und  'auf  ,,dem  poinct"  wäre, 
sich  selbst  zu  erhalten  ^^^).  Er  sprach  dann  in  ruhiger  Weise  von  den  ,, Fatali- 
täten", die  die  Manufakturen  in  ihrer  bisherigen  Entwicklung  gefunden  hätten, 
von  den  vielen  Fehlern,  die  gemacht  wären,  und  auch  von  dem  Entstehen 
der  Konkurrenzfabrik  in  Flaue,  die  freilich  auch  ihm,  wie  schon  vor  zwei  Jahren 
Böttger,  keine  Gefahr  für  die  Meißner  Manufaktur  zu  bedeuten  schien.  Dann  aber 
kam  er  auf  die  vorzunehmenden  Verbesserungen  zu  sprechen,  und  hier  verlangte 
er  charakteristischerweise  vom  Könige  schon  keineswegs  große  Unterstützungs- 
geldermehr—  wohl  in  der  Hoffnung,  daß  die  Arbeiter  nach  wie  vor  vom  König  regel- 
mäßig besoldet  würden,  im  übrigen  aber  die  Manufaktur  bei  richtiger  Leitung  sich 
selbst  erhalten  könne  —  sondern  allein  die  Mittel  zur  Errichtung  des  nun  seit  sechs 
Jahren  von  Böttger  immer  so  heiß  ersehnten  Brennhauses.  Er  bestätigte  damit 
das  Fehlen  dieses  als  die  unleugbare  Hauptursache  des  sich  nicht  weiter  ausdehnen- 
den Betriebs  der  Fabrik  und  ihrer  dadurch  ausbleibenden  Rentabilität.  Dann  aber 
verlangte  er  vor  allem  eine  straffere  Organisation,  indem  er  vorschlug,  daß  nur  eine  ein- 
zige Persönlichkeit  alle  Arkana  kennen  und  beherrschen  solle  ^'2) ,  und  zugleich  ein  Ober- 
aufseher ernannt  würde,  dem  das  gesamte  Personal  unterstellt  würde  ^'^).  Er  hatte  da- 
mit die  Grundübel,  an  denen  die  Manufaktur  damals  litt,  durchaus  richtig  erkannt. 


.   Abhilf s versuche.  201 

Wir  wissen  heute  leider  nicht,  warum  dieses  mit  so  viel  Liebe  und  Ehr- 
lichkeit und  in  der  edelsten  Absicht  geschriebene  Buch  dem  Könige  allem  Anscheine 
nach  damals  nicht  vorgelegt  worden  ist;  doch  kann  man  wohl  mit  Recht  vermuten, 
daß,  wenn  es  vorgelegt  worden  wäre,  es  wohl  schwerlich  eine  größere  Wirkung 
getan  hätte,  als  alle  jene  vielen  anderen  Untersuchungen,  Klagen  und  Projekte 
von  Seiten  Böttgers,  der  Kommissionen  und  der  sonst  an  den  W^erken  beteiligten 
Personen,  die  ihm  vorangegangen  waren.  Und  doch  lagen  die  Verhältnisse  gerade 
in  diesem  Jahre,  wie  oben  angegeben,  derart,  daß  es  nicht  mehr  so  weiterging, 
daß  notwendig  Böttger  Hilfe  und  Unterstützung  von  anderer  Seite  bedurfte. 
So  mußte  Böttger,  der  wenige  Jahre  vorher  noch  nichts  wieder  von  einer  Kom- 
mission hatte  wissen  wollen,  weil  er,  vöUig  mißtrauisch  geworden,  niemanden 
mehr  für  unabhängig,  für  unparteiisch  hielt  ^'*),  doch  wieder  an  dieses  an  sich  so 
wohlfeile  Hilfsmittel  denken,  und  so  stellte  er  im  Herbst  dieses  Jahres  dem 
Könige  vor,  wie  infolge  seiner  Krankheit  und  der  Abwesenheit  des  Königs  ,, ver- 
schiedene Mängel"  in  den  Manufakturen  eingerissen  wären  und  bat  dringend  um 
die  Wiedereinsetzung  einer  Kommission. 

Daraufhin  erging  am  20.  Oktober  1717  an  die  Herren  cow  Löwendahl,  Watz- 
dorf,  Alemann  und  Kriegsrat  Holtzbrinck  der  Befehl,  sich  zu  einer  Kommission  zu- 
sammenzutun und  Böttgers  Angaben  näher  zu  untersuchen  ^'^^).  Böttger  scheint 
dieser  Kommission  zunächst  einen  ausführlichen  Bericht  über  den  damaligen 
Zustand  seiner  Fabriken  vorgelegt  zu  haben,  wobei  er  einmal  sein  Herz  gründhch 
ausgeschüttet  zu  haben  scheint.  Er  wies  zunächst  darauf  hin,  daß  sich  infolge 
seiner  Krankheit  die  Disziplin  in  der  Fabrik  stark  gelockert  hätte,  daß  Neid  und 
Mißhelligkeiten  dadurch  entstanden  wären,  daß  jeder  weiter  herrschen  wolle,  als 
ihm  angewiesen  sei.  Dann  kam  er  auf  die  alten  Anschuldigungen  zurück,  daß 
,, dieser  oder  jener"  die  gesamten  W^erke  hätte  an  sich  reißen  wollen,  und  machte 
hier  jetzt  geradezu  den  Kammerrat  Nehmitz  und  seinen  Bruder  namhaft.  Auch 
wiederholte  er,  daß  weder  letzterer  noch  Dr.  Bartelmei  sich,  wie  ihnen  doch  auf- 
getragen sei,  der  Arkana  wirklich  angenommen  hätten.  Dr.  Bartelmei  wäre  sogar 
drei  Jahre  lang  gar  nicht  mehr  zur  Fabrik  gekommen,  dafür  sollte  er  seinen  Stall- 
knecht dort  hingeschickt  haben,  der  hier,, Stänkereien"  gemacht  hätte,  u.  dergl.  m. 
Diese  Pflichtvergessenheit  aber  sei  Ursache,  daß  auf  ihm  allein,  obwohl  er  krank 
sei  und  immer  sein  baldiges  Ende  vorhersehen  könne,  die  ganze  Last  der  Manu- 
fakturen ruhe.  Als  Zeugen  für  alle  diese  Angaben  führte  er  den  vielgenannten 
Mehlhorn  an;  auch  solle  man  die  Arbeiter  vernehmen,  die  alle  bekunden  würden, 
daß  Böttger  an  allen  diesen  Dingen  keine  Schuld  trüge.  Dann  aber  kam  er  zu  den 
Verbesserungsvorschlägen:  es  solle  eine  Person  ernannt  werden,  die,  damit  er  selber 
nicht  von  der  Last  der  Arbeit  erdrückt  würde,  alle  Streitigkeiten  erledigen  solle.  Einer 
anderen  aber,  die  er  später  namhaft  machen  wolle,  die  ihn  in  seinen  Arbeiten  unter- 
stützen solle,  wolle  er  Mitteilung  von  allen  seinen  Arkanis  machen.  Über  die  für 
die  Manufaktur  bestimmten  Gelder  jedoch  könnten  gern  andere  disponieren, 
doch  freilich,  wie  es  nur  naturgemäß  wäre,  nicht  ohne  sein  Vorwissen  ^"•).    Hierauf 


202  Die  Porzellan fabrik. 

scheint  Böttger  Rechenschaft  über  das  an  der  Manufaktur  arbeitende  Personal 
und  seine  Notwendigkeit  für  dieselbe  abgelegt  zu  haben,  wobei  es  in  seiner  Gesamt- 
heit durchaus  als  unentbehrlich  hingestellt  und  hinsichtlich  seines  Fleißes  auch 
belobt  wurde,  selbst  gegen  die  Belassung  von  Dr.  Nehmitz  schien  er  merkwürdiger- 
weise damals  nichts  zu  haben.  Aber,  wie  immer,  betonte  er,  daß  der  eigentlichen 
Arbeiter,  der  Massenbereiter,  Porzellanbrenner  und  Dreher,  wenn  das  Werk  wirk- 
lich etwas  abwerfen  solle,  eher  zu  wenig  seien.  Damit  bezeichnete  Böttger,  gerade 
wie  durch  sein  beständiges  Verlangen  nach  einem  neuen  und  größeren  Brennhaus, 
durchaus  wieder  die  Kleinheit  des  Betriebes  der  Manufaktur  als  das  Haupthindernis 
ihrer  Rentabilität. 

Doch  auch  die  Einberufung  dieser  Kommission  scheint  wieder  gänzlich  ohne 
Erfolg  geblieben  zu  sein  und  die  Kommission  auch  nicht  lange  getagt  zu  haben. 
Nach  wie  vor  blieb  Böttger  der  Leiter  seiner  Fabrik,  nach  wie  vor  schoß  der  König 
die  allernotwendigsten  Summen  zu.  Sie  betrugen  im  Jahre  1718  wiederum  3144 
Taler,  d.  h.  262  Taler  monatlich,  die  das  Akzisekollegium  bezahlte  ^'').  Aber  ein 
größeres  Kapital  zur  völligen  Sanierung  der  gänzlich  verfahrenen  Verhältnisse 
bekam  Böttger  auch  jetzt  nicht  in  die  Hände,  und  so  konnte  er  selber  keine  wesent- 
lichen Verbesserungen  treffen,  da  fast  alles  Geld,  was  er  in  die  Hände  bekam,  für 
die  aufgenommenen  Schulden  verwandt  werden  mußte,  ja  für  diese  nicht  ein- 
mal ausreichte. 

Doch  mit  Böttgers  Kraft  ging  es  nun  langsam  zu  Ende.  Krank,  wie  er 
schon  seit  Jahren  war,  wie  es  scheint,  infolge  einer  starken  Herzlähmung  ^^^)  und 
noch  dazu  oft  genug  geschwächt  durch  einen  Lebenswandel,  der  für  ein  solches 
Leiden  nicht  gerade  der  zuträglichste  war,  dem  er  sich  aber,  je  schlimmer  die  Ver- 
hältnisse in  seiner  Fabrik  wurden,  nur  desto  leidenschaftlicher  hingab,  dazu,  allem 
Anscheine  nach,  einer  von  jenen,  die  nur  fähig  sind  zur  Arbeit,  wenn  ihnen  diese 
leicht  vonstatten  geht,  wenn  sich  keine  Hindernisse  ernstlich  ihnen  in  den  Weg 
stellen,  scheint  jetzt,  wo  er  an  der  Möglichkeit  einer  Weiterentwicklung  seiner 
Manufakturen  nahezu  verzweifelte,  auch  sein  Interesse  für  seine  Gründungen 
mehr  und  mehr  erlahmt  zu  sein  und  damit  auch  seine  Willenskraft  und  sein  reger 
Geist,  die  früher, .als  er  noch  voller  Hoffnung  in  die  Zukunft  blickte,  sich  in  so 
wunderbarer  Weise  betätigt  hatten.  Über  seine  Beziehungen  zu  seinen  Manu- 
fakturen, über  Arbeiten  für  dieselben  in  dieser  Zeit  erfährt  man  fast  gar  nichts. 
Dagegen  erwacht  jetzt  merkwürdigerweise  ganz  auffällig  noch  einmal  wieder  die 
Experimentierlust,  ja  die  alchimistische  Tätigkeit  seiner  früheren  Zeit  beginnt 
damals  scheinbar  von  neuem,  und  Böttger  wird  wieder  der  Goldsucher,  als 
welcher  er  zuerst  in  dieser  ganzen  Entwicklung  aufgetaucht  ist.  Sogar  ein  ganz 
neuer  Vertrag  mit  zahlreichen  Paragraphen  wird  damals  im  Jahre  1718  von  ihm 
mit  dem  Könige  hierüber  abgeschlossen,  in  dem  er  genau  mit  derselben  Zuversicht 
wie  am  Anfange  die  baldigste  Erfüllung  seiner  großen  Bestrebungen  in  sichere 
Aussicht  stellte,  für  welche  Arbeiten  sogar  der  König,  der  doch  für  seine  Manufak- 
turen so  wenig  Geld  übrig  hatte,  nicht  nur  eine  nach  allen  bisherigen  Mißerfolgen  auf 


Letzte  Arbeiten  Böttgers. 


203 


diesem  Gebiete  erstaunlich  große  Summe,  nämlich  nicht  weniger  als  2400  Taler 
jährlich  versprach  ^'^),  sondern  ihm  auch  eine  neue  Persönlichkeit,  den  früheren 
Kommerzienkommissarius  Meerheim,  zur  Seite  stellte,  einen  Mann,  der,  so  viel 
wir  erfahren,  früher  in  Bergwerksachen  gearbeitet,  vor  allem  aber  sich  dann  ähn- 
lichen chemischen  und  alchimistischen  Studien  und  Experimenten  wie  Böttger 
hingegeben  hatte  ^^°),  im  allgemeinen  aber  ein  Nichtswisser  und  Prahlhans,  der 
später  der  Fabrik,  da  er  sein  früheres  Zusammenarbeiten  mit  Böttger  stark  aus- 
zunutzen trachtete,  noch  recht  viel  zu  schaffen  machen  sollte.  Mit  ihm  hat  Böttger 
in  den  letzten  Jahren  seines  Lebens,  soweit  ihm  hierzu  noch  die  Kraft  und  die 
Lust  blieb,  scheinbar  aufs  engste  zusammengearbeitet,  mit  einer  Heimlichkeit 
und  Abgeschlossenheit,  die  wieder  an  die  ersten  Jahre  seiner  Tätigkeit 
erinnert.  Ihm  sollte  jetzt  aber  Böttger  auch  alle  seine  bisher  noch  nicht  zur  Aus- 
führung gelangten  Arkana  offenbaren.  Damit  war  Meerheim  gleichsam  zum 
Nachfolger  Böttgers  bei  seinem  allem  Anscheine  nach  jetzt  nahe  bevorstehenden 
Tode  ernannt  worden.  Ob  freilich  diese  Wiederaufnahme  der  früheren  Arbeiten 
von  Böttger  selber  ausging, 
dürfte  zweifelhaft  sein. 
Wahrscheinlicher  ist  da- 
gegen, daß  der  König,  be- 
vor es  zu  spät  war,  aus 
ihm  noch  so  viel  als  irgend 
möglich  herauslocken,  ja 
ihm  die  Möglichkeit  geben 
wollte,  noch  einmal  seine 
Kraft  als  Goldmacher  zu 
erproben,  in  der  Hoffnung, 

sie  doch  noch  zum  Ziele  gelangen  zu  sehen.  Er  konnte  allem  Anscheine  nach 
in  dieser  Beziehung  seinen  früheren  Glauben  an  ihn  durchaus  noch  nicht  völlig 
aufgeben. 

Doch  auch  jetzt  war  alles  Hoffen  vergeblich.  Man  erfährt  nicht,  daß  Böttger 
mit  Meerheim  zusammen  damals  auch  nur  das  geringste  Brauchbare  zustande 
gebracht  hätte.  Es  war  auch  kaum  noch  zu  erwarten.  Denn  Böttger  verlor,  von 
seiner  Krankheit  mehr  und  mehr  geschwächt  und  immer  verzweifelter  über  die  Ver- 
hältnisse, die  ihn  umgaben,  jetzt  immer  mehr  seinen  moralischen  Halt  und  gab 
sich  jetzt  völlig  jenem  Laster  hin,  zu  dem  er  schon  immer  Neigung  gehabt 
hatte,  so  oft  ihm  etwas  in  die  Quere  ging:  er  verfiel  völlig  dem  Trünke,  ja 
bald  scheint  er  „fast  täglich  betrunken"  und  meist  nicht  recht  ,,bei  Verstände" 
gewesen  zu  sein  ^^^). 

Damit  aber  war  alles  verloren,  sowohl  für  ihn  selber  wie  für  seine  Fabriken. 
In  diesen  war  nun  bald  an  eine  Ordnung  der  Dinge,  so  lange  er  lebte,  nicht  mehr  zu 
denken.  Es  konnte  hier  so  ziemlich  jeder  tun  und  lassen,  was  ihm  beliebte.  Dazu 
kam,  daß  Böttger  die  Arbeiter  nicht  mehr  verpflichtete  und  daß  sich  an  ihn,  den 


Abb.  74.    Böttgerporzellan  mit  eingestempelten  Verzierungen. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  linken  Tasse  s  cm. 


204  Die  Porzellanfabrik. 

jetzt  völlig  willenschwachen,  kranken  Mann  alle  möglichen  Individuen  drängten, 
die  ihn  über  seine  Arkana  auszuhorchen  suchten,  vor  denen  er  auch,  wenn  er  im 
Rausche  war,  ungeniert,  wie  selbst  vor  Dienern  und  gänzlich  Fremden,  über  diese 
geredet  haben  soll  ^^^).  Selbst  Steinbrück,  der  freilich  damals  von  Böttger  ganz 
besonders  schlecht  behandelt  zu  werden  glaubte,  riß  jetzt  die  Geduld,  und  aus  einem 
bisher  aufrichtigen  Bewunderer  dieses  Mannes  ward  jetzt  ein  lebhafter  Ankläger, 
der  erstaunlich  harte  Worte  über  ihn  fallen  ließ  und  dringend  nach  Abhilfe  in  der 
Manufaktur  verlangte.  ,,Wer  siehet  also  nicht",  ließ  er  sich  einmal  in  einem  im 
Januar  1719  geschriebenen,  die  damaligen  Zustände  der  Fabrik  ausführlich 
schildernden  Berichte  vernehmen,  ,,daß  der  gute  Herr  die  Welt  nur  zu  amüsieren 
suche  und  dadurch,  daß  er  bey  der  Manufactur  mit  Fleiß  alles  in  Confusion  geraten 
läßt  und  andere,  die  ihre  Pflicht  gern  beobachteten,  daran  hindert,  nichts 
besseres  intendire,  als  glauben  zu  machen,  er  habe  bei  dieser  Manufaktur  bereits 
so  viel  zu  schaffen,  daß  man  ihn  mit  mehrerer  Arbeit  verschonen  müsse.  Dabei 
er  jedoch  so  unbillig  verfährt  daß  er  alle  Fehler  auf  andere  schiebet,  sich  aber  mit 
seiner  nun  über  5  Jahre  anhaltenden  Krankheit  schützet,  wie  wohl  noch  in  heftigem 
Zweifel  stehet,  ob  er  ebenso  krank  sey  oder  recht  gesund  zu  sein  begehre  ?"  ^^^) 
Es  ist  in  der  Tat  ein  trauriges  Bild,  das  Steinbrück  uns  da  von  dem  einst  so  tätigen 
und  energischen  5öffger  sehen  läßt,  das  wohl  beweist,  daß  es  nun  bald  mit  ihm  zu 
Ende  ging.  Und  noch  einmal  versuchte  Steinbrück  damals,  wohl  weil  ihn  die  Ent- 
rüstung so  blind  machte,  daß  er  nicht  recht  an  Böttgers  Krankheit  glauben  wollte, 
die  traurigen  Verhältnisse  in  der  Manufaktur  zu  ändern,  indem  er  im  Februar 
dieses  Jahres,  ganz  kurz  vor  dessen  Tode,  ein  Projekt  entwarf,  durch  das  er  u.  a. 
den  König  veranlassen  wollte,  damit  wenigstens  alle  Arbeiter  bezahlt  und  alle 
Bedürfnisse  des  Werks  befriedigt  würden,  die  für  die  Manufaktur  damals  noch 
zur  Verfügung  gestellten  Summen  zu  verdoppeln  und  gleichzeitig  eine  andere 
Persönlichkeit  an  ihre  Spitze  zu  setzen  ^^^).  Es  war  das  letzte  Projekt,  das  für  die 
Manufaktur  zu  Böttgers  Lebzeiten  gemacht  wurde.  Denn  von  nun  an  ging  es  mit 
ihm  unwiderruflich  zu  Ende.  Schon  von  Oktober  des  vergangenen  Jahres  an 
soll  er  beständig  bettlägerig  und  unfähig,  wieder  aufzustehen,  gewesen 
sein.  ^85)  Jetzt  verschlimmerte  sich  sein  Zustand  von  Tag  zu  Tag  mehr,  und  im  März 
des  folgenden  Jahres  gab  es  dann  für  ihn  selber  keinen  Zweifel  mehr,  daß  sein  Tod 
nahe  bevorstände.  Daher  verlangte  er  am  8.  d.  Mts.  das  Abendmahl,  bat  Stein- 
brück, seinen  Schwager,  für  ein  ehrliches  Begräbnis  zu  sorgen  und  seiner 
Mutter  und  Schwestern  sich  anzunehmen,  und  übertrug  dann  Steinbrück  und  Meer- 
heim die  Administration  der  Fabrik,  bis  der  König  anderes  befehlen  würde,  wobei 
er  noch  eindringlich  riet,  „das  Porcellain-Werk  nicht  von  den  aparten  Arbeiten 
Meerheims  trennen  zu  lassen"  ^^®).  Dann  war  es  zu  Ende:  am  13.  d.  Mts.  hatte  er 
ausgelitten. 

Doch ^  noch  wenige  Monate  vor  seinem  Tode  hatte  er  es  erleben  müssen, 
daß  das  Geheimnis  seiner  großen  Erfindung  nun  doch  ernstlich  gefährdet  ward: 
am  5.  Januar  war  aus  Meißen  die  Schreckenskunde  nach  Dresden  gelangt,  daß 


Böttgers  Ende.  205 

einer  der  besten  Arbeiter  der  Fabrik,  der  Massenbereiter  und  Brenner  Stöltzel, 
ein  Arkanist,  der,  seit  6  Jahren  an  der  Manufaktur  tätig,  fast  alle  ihre  Geheim- 
nisse kennen  konnte,  ganz  plötzlich  desertiert  sei,  anscheinend  doch  aus  keinem 
anderen  Grunde,  als  um  in  einem  anderen  Lande  eine  Konkurrenzfabrik  begründen 
zu  helfen.  Und  bald  genug  erfuhr  man  denn  auch,  daß  er  sich  nach  Wien  gewandt 
habe,  wo  sich  ein  gewisser  Du  Pasquier,  ein  Holländer  von  Geburt,  schon  seit  ge- 
raumer Zeit  vergeblich  abmühte,  mit  Hilfe  einer  anderen  aus  Böttgers  Um- 
gebung stammenden,  doch  weit  weniger  erfahrenen  Persönlichkeit  eine  Kon- 
kurrenzfabrik ins  Leben  zu  rufen  ^®').  Diese  Nachricht  verdiente  durchaus  die 
Aufregung,  die  sie  hervorrief.  Denn  tatsächhch  bedeutete  die  Entweichung  dieses 
Mannes,  da  er  in  Wien  mit  seinen  Absichten  bald  völlig  zustande  kam,  die  erste 
Preisgebung  des  so  ängstlich  gehüteten  Geheimnisses  des  Porzellans,  und  so  ist  das 
Ende  Böttgers  zeitlich,  freilich  ganz  ohne  sein  Wollen  und  wohl  auch  eigentlich 
ohne  sein  Verschulden  ^^^)  auch  der  Anfang  der  Weiterverbreitung  seiner  Haupt- 
erfindung geworden.  Damit  schien  diese  für  Sachsen  und  seinen  König  stark 
entwertet  und  beide  um  ihr  bisher  so  ängstlich  verteidigtes  kostbares  Monopol 
gekommen  zu  sein.  Es  war  in  der  Tat  kein  angenehmer  Abschluß  der  Böttger- 
schen  Zeit. 


VI.  Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  75.    Böttgerporzellan.    Abformnng: 
einer  chinesischen  Qötzenfigur,  mit  Email- 
farben bemalt. 

Sammlung  v.  Dallwitz,  Berlin. 
Höhe  10  cm. 


Es  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen:  nicht 
ganz  dieselbe  glänzende  und  reiche  Ausbildung,  die 
Böttgers  erstes  brauchbares  keramisches  Erzeugnis, 
das  rote  Steinzeug,  wie  die  noch  heute  erhaltenen 
Stücke  zeigen,  gefunden  hat,  ist  auch  dem  Pro- 
dukt seiner  edelsten  und  wertvollsten  Erfindung, 
dem  Porzellan,  zuteil  geworden.  Man  findet  hier 
nicht  jene  Fülle  von  Gattungen  und  Spielarten,  die 
dort  so  sehr  überraschen  muß,  nicht  jene  technische 
und  künstlerische  Erschöpfung  dieses  Materials,  die 
bei  jenem  kaum  noch  einen  Weg  zu  neuen  Taten 
übrig  ließ.  Es  erscheint  gleichmäßiger,  eintöniger, 
es  läßt  noch  viele  und  wichtige  Möglichkeiten  für 
die  Zukunft  offen.  Es  hat  den  technischen  wie  künst- 
lerischen Reichtum  dieses  Stoffes  noch  in  keiner 
Weise  erschöpft. 
Grund  hierfür  war  vor  allem,  daß  die  künstlerische  wie  technische  Durch- 
bildung des  Porzellans  in  jeder  Beziehung  viel  schwieriger  ist,  als  die  des  anderen 
keramischen  Produktes  Böttgers,  dann  aber  sicherlich  auch,  daß,  als  Böttger  glück- 
lich im  Jahre  1713  nach  endlosen  Mühen  so  weit  mit  seinem  neuen  Produkt  ge- 
kommen war,  daß  man  zur  Not  an  eine  fabrikmäßige  Herstellung  desselben  denken 
konnte,  Böttger  sich  durch  die  früher  erwähnten  mißlichen  Verhältnisse,  in  die  er 
durch  seine  früheren  Gründungen  geraten  war,  bereits  in  einer  so  üblen  Lage  befand, 
daß  seine  Tatkraft  und  die  Behendigkeit  seines  Geistes  damals  entschieden  arg 
gelitten  hatten.  Es  fehlte  der  Mut  zu  neuen  Taten,  zu  neuen  Versuchen  und  neuem 
Spekulieren.  Dazu  kam  jedoch  auch,  daß  das  neue  Produkt,  sobald  es  wirklich 
zum  Verkauf  kam,  schon  in  der  Form,  in  der  es  zuerst  dargeboten  ward,  ganz 
außerordentlich  gefiel,  ja,  man  kann  wohl  sagen,  reißend  abging,  so  sehr,  daß  die 
Fabrik  schon  damals  gleich  der  Nachfrage  nicht  mehr  genügen  konnte,  in 
Anbetracht  der  an  sich  so  geringen  Produktion,  die  die  geringe  Zahl  der  vor- 
handenen Öfen  verursachte.  Wozu  sollte  da  Böttger,  dem  ja  bereits  damals  nur  zu 
oft  zu  allem  und  selbst  dem  Notwendigsten  das  Geld  fehlte,  wenn  nicht  aus  reiner 
Experimentierlust,  auch  hier,  wie  bei  seinem  Steinzeug,  sich  Arbeiten  und  Ver- 


Ausbildung  des  Böttgerporzellans. 


207 


Abb.  76.    BSttg^erporzellan  mit  glatten  Wandungen. 

Königl.  Porzellinsammlung-,  Dresden.     Höhe  der  Kanne  25  cm. 


suchen  unterziehen,  nach  denen  damals  zunächst  kein  Mensch  verlangte  ?  Wozu 
hier  Zeit  und  Geld  verlieren,  da  noch  so  viele  andere  und  lebhafter  verlangte  Arbeiten, 
die  wirkliche  Einnahmequellen  zu  werden  versprachen,  seiner  harrten.  Dennoch 
war  das  Porzellan  ein  zu  bedeutender  und  auch  zu  interessanter  Stoff,  als  daß  er 
Böttger,  den  Erfinder,  den  Experimentator,  nicht  doch  zu  den  mannigfachsten 
und  verschiedenartigsten  Versuchen  angeregt  hätte,  daß  nicht  durch  ihn  seine 
alte  Experimentier-  und  Erfinderlust  erwacht  wäre,  und  so  ist  das  Gesamtbild, 
das  sein  Porzellan  heute  uns  darbietet,  doch  wiederum  ein  durch  den  Reichtum 
der  Versuche  und  Ausgestaltungsmethoden  so  überraschend  reiches  und  mannig- 
faltiges geworden,  namentlich  wenn  man  es  mit  dem  vergleicht,  was  sonst  die 
europäische  Kunst  und  Technik  auf  diesem  Gebiet  versucht  hat,  daß  wir  in  ihm 
gleichfalls  ein  zu  den  Augen  redendes  Zeugnis  seines  erfinderischen,  reichen 
Geistes  besitzen,  von  dem  sein  ganzes  Leben  und  alle  seine  Taten  uns  Kunde  geben. 
Nur  ist  freilich  auf  diesem  Gebiete  vieles  Versuch  geblieben  und  nicht  zu  jener  wunder- 
baren, nicht  weiter  zu  treibenden  Reife  gelangt,  wie  auf  dem  des  Steinzeugs:  es 
ist  noch  nicht  alles  Harmonie  und  Vollendung,  was  uns  hier  entgegentritt  und  uns, 
wie  bei  jenem,  ganz  ungetrübt  erfreuen  kann.  Aber  dafür  hat  es  mannigfache 
Anregungen  für  künftige  Zeiten  gegeben,  die  dann  vollendeten,  was  Böttger  hier 
erst  erstrebt  hat,  ja  es  hat  sogar  vielfach  dem  europäischen  Porzellan  für  seine 
ganze  weitere  Zukunft  die  Wege  gewiesen,  und  vor  allem,  es  ist  als  Stoff  selber  in 
der  kurzen  Zeit,  in  jenen  wenigen  Jahren,  in  denen  Böttger  an  seiner  Erfindung 
und  deren  Durchgestaltung  gearbeitet  hat,  zu  einem  Grad  der  Vollendung  gelangt, 
wie  es  vielleicht  nie  wieder  jejjiandem  —  man  vergleiche  damit  nur,  wie  sich  später 
noch  alle  weiteren  Porzellangründungen,  die  Böttgers  Erfindung  haben  nachmachen 
wollen,  haben  quälen  müssen,  bis  sie  zu  nur  einigermaßen  befriedigenden  Resultaten 


208 


Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  77.    BSttgerporzellan.    Theegfeschirr. 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.     Höhe  der  Theedose  13,5  cm. 

ZU  kommen  vermochten  —  in  so  kurzer  und  außerdem  noch  so  arbeitserfüUter 
Zeit  geglückt  ist.  Der  keramische  Techniker  wird  immer  vor  dieser  Tatsache  allein 
die  größte  Bewunderung  Böttger  gegenüber  hegen  müssen. 

Erhalten  hat  sich  von  diesen  Inkunabeln  des  Meißner  wie  des  europäischen 
Porzellans  trotz  der  verhältnismäßig  geringen  Produktion  genügend,  um  sich  von 
ihnen  noch  heute  ein  klares  Bild  machen  zu  können.  Es  ist  namentlich  die  König- 
liche Porzellansammlung  zu  Dresden,  die  noch  aus  den  Tagen  der  Entstehung 
dieses  Produktes  einen  fast  lückenlosen  Bestand  desselben  von  etwa  370  Stücke 
mit  allen  seinen  Spielarten  besitzt.  In  diese  Sammlung  muß  daher  jeder  gehen, 
der  diese  Erzeugnisse  wirklich  kennen  lernen  will.  Ein  anderer  größerer  Bestand 
hat  sich  dagegen  nirgends  erhalten.  Nur  vereinzelte  Stücke  finden  sich  in  den 
übrigen  sächsischen  Schlössern,  dann  in  vielen  öffentlichen  und  Privatsammlungen  ^^^) 
Sie  kommen  aber  gegenüber  dem  oben  genannten  Bestände  kaum  in  Betracht. 

Auf  Grund  dieses  Materials  stellen  sich  die  Meißner  Porzellane  der  Böttger- 
schen  Zeit  als  Erzeugnisse  von  ganz  besonderem  Charakter  dar,  so  sehr,  daß  sie 
sich  deutlich  abheben  von  allem,  was  sonst  in  Porzellan  geschaffen,  und  sich  zu 
einer  scharf  umgrenzten  Gruppe  zusammenschließen,  die  als  solche  schon  auf 
den  ersten  Blick  erkennbar  ist.  Diesen  besonderen  Charakter  verdanken  sie  in  erster 
Linie  ihrer  Entstehungsgeschichte,  jener  eigenartigen  Entwicklung,  die  die  Porzellan- 
erfindung Böttgers  bis  zu  ihrem  schließlichen  Abschluß  genommen  hat:  sie 
haben  in  dieser  Beziehung  ihren  Ursprung  und  ihr  frühes  Entstehen  nie  ver- 
leugnen können. 

Zunächst  ist  die  Masse  der  Böttger&Qh.Qn  Porzellane  immer  gelblich,  genauer 
gesagt  creme-  oder  elfenbeinfarbig.  Böttger  hat  bekanntlich  diesen  Mangel  seines 
Porzellans  selber  im  Jahre  1711  vor  einer  der  Kommissionen,  die  seine  Erzeugnisse 
damals  untersuchten,  eingestanden  ^^").  Nur  schob  er  damals  die  Schuld  auf  die 
Glasur,  da  doch  sichtbar  die  darunterliegende  Masse  die  gelbe  Farbe  zeigt.  Ganz 
weißes  Porzellan  herzustellen,  wie  es  die  heutige  Porzellanindustrie  merkwürdiger- 


Die  Masse.  209 


Abb.  78.    BSttgerporzellan  mit  doppelten,  durchbrochenen  Wandnng:en. 
Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hühe  des  Deckelnapfs  17  cm. 

weise  für  ihre  unumgängliche  Pflicht  hält  und  wie  es  der  Meißner  Manufaktur 
auch  bald  nach  Böttgers  Tode  gelang,  ist  Böttger,  nach  den  erhaltenen  Stücken 
zu  urteilen,  nie  geglückt,  obwohl  Steinbrück  im  Jahre  1717  seltsamerweise  be- 
hauptete ^^^),  daß  das  Porzellan  Böttgers  weißer  wäre,  als  das  chinesische.  Wenn  sich 
daher  dennoch  bisweilen  Porzellane,  im  Charakter  der  Böttgerschen  Zeit  finden,  die 
eine  durchaus  weiße  Masse  zeigen  —  die  Königliche  Porzellansammlung  zu  Dresden 
besitzt  deren  eine  ganze  Reihe  —  so  können  diese  getrost  als  spätere  Nachbildungen 
und  Ausformungen  der  Böttgerschen  Modelle  angesehen  werden,  da  nachweislich, 
d.  h.  wie  die  erhaltenen  Porzellane  selber  zeigen,  auch  nach  Böttgers  Tode  die  Masse 
des  Meißner  Porzellans  die  gelbe  Farbe  noch  für  eine  geraume  Zeit  nicht  verloren 
hat.  Ursache  dieser  gelben  Tönung  sind  fremde  Beimengungen  der  Grundstoffe 
des  Porzellans  gewesen  ^^'^),  die  Böttger  noch  nicht  zu  entfernen  wußte,  deren  Ein- 
wirkung auf  seine  Masse  er  daher  wohl  oder  übel  mit  in  den  Kauf  nehmen  mußte, 
ohne  sich  darüber  Rechenschaft  geben  zu  können. 

Doch  ist,  im  Grunde  genommen,  diese  gelbliche  Tönung  des  Böttgerschen 
Porzellans  durchaus  kein  so  großes  Unglück  für  dasselbe  gewesen:  sie  wirkt  warm 
und  durchaus  sympathisch.  Sie  vermeidet  in  gewisser  Weise  den  Eindruck  des 
Kalten,  den  Porzellan  nur  zu  leicht  hervorruft.  Böttger  hatte  daher  völlig  Recht, 
sie  nicht  unbedingt  als  Fehler  anzuerkennen,  wohingegen  die  durchgehend  weiße 
Farbe  unseres  heutigen  Porzellans  eine  Einseitigkeit  ist,  die  dieser  Stoff  durchaus 
nicht  verlangt,  und  die  der  Chinese  daher  auch  nicht  kennt.  Vielmehr  besitzt  er  in 
einem  auch  bei  uns  noch  heute  sehr  geschätzten  Porzellan,  das  in  der  Provinz  Fuchien 
schon  seit  Jahrhunderten  hergestellt  wird,  und  das  auch  damals  zu  Böttgers  Zeiten 
häufig  nach  Europa  gelangte,  eine  Spezialität,  die  einen  ganz  verwandten  warm 
gelblichen  Ton  zeigt,  der  dort  immer  für  so  reizvoll  gegolten  hat,  daß  man  ihm  gegen- 
über auf  eine  weitere  farbige  Ausschmückung  verzichtet  und  sich  nur  einer  rein 
plastischen  bedient  hat.  Auch  das  Böttgersche  Porzellan  blieb  ja,  wie  bereits  er- 
wähnt, meist  ohne  Farbe  und,  wenn  es  daher  trotzdem  in  seiner  Art  immer >recht 

Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  14 


210 


Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  79.     Böttgerporzellan.    Frühes  Versuchstfick  mit  aufgelegten,  geformten  Verzierungen. 

Königfl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Durchmesser  27,5  cm. 


reizvoll  gewirkt  hat,  so  ist  dies  wohl  eben  nicht  zum  wenigsten  dieser  gelblichen 
Tönung  seiner  Masse  zuzuschreiben. 

Eigenartig  ist  weiter  an  der  Porzellanmasse  Böttgers,  daß  sie  weniger  durch- 
sichtig, weniger  kristallinisch  erscheint,  als  in  der  Regel  die  des  europäischen  und 
vor  allem  des  chinesischen  Porzellans.  Ursache  ist  hier  sicherlich  das  bereits  früher 
erwähnte  völlige  Fehlen  des  sonst  der  Porzellanmasse  als  dritter  Bestandteil  so 
oft  beigemischten  Quarzes,  der  ja  zunächst  die  Aufgabe  hat,  die  Temperatur  des 
Garbrandes  zu  erniedrigen,  dann  aber  auch  die  Masse  glasartiger,  durchscheinender, 
kristallinischer  zu  machen,  was  vielen  als  ein  besonderer  Reiz  erscheint.  Auch 
die  Glasur  liegt  dicker  und  zäher  auf,  als  sie  es  sonst  beim  Porzellan  zu  tun  pflegt, 
fällt  aber  schon  an  den  frühesten  Stücken  auf  durch  ihre  wundervolle  Glätte  und 
Sauberkeit,  namentlich,  wenn  man  sie  mit  der  des  chinesischen  und  japanischen  Por- 
zellans vergleicht  und  auch  mit  der,  die  später  die  Porzellanfabriken  des  18.  Jahrhun- 
derts in  Europa  zunächst  zuwege  gebracht  haben.  Überhaupt  kann  man  nur  staunen 
über  die  beispiellose  Geschicklichkeit,  mit  der  Böttger  in  so  kurzer  Zeit  mit  der 
so  schwierigen  Zusammensetzung  der  Porzellanmasse  und  ihrer  Glasur  zustande 
gekommen  ist,  wie  sauber  und  rein  er  sie  beide  in  so  kurzer  Zeit  hergestellt  hat, 
vergleicht  man  damit  gleichfalls  wieder,  wie  sauer  es  in  dieser  Beziehung  den  später 
entstandenen  Porzellan  Fabriken  Europas  vielfach  geworden  ist,  um  hier  schließlich 


Die  Masse. 


211 


zu  Resultaten  zu  gelangen,  die  denen  Böttgers,  obwohl  ihnen  doch  nun  schon  eine 
reiche  Tradition  zur  Verfügung  stand,  in  der  Regel  durchaus  noch  nicht  gleich 
kamen.  Es  ist  hierbei  besonders  erstaunlich,  wie  gut  schon  von  Anfang  an  Böttger 
sein  Porzellan  als  Material  gelungen  sein,  wie  er  hier  Brauchbarkeit  und  Qualität 
schon  gleich  am  Anfange  getroffen  haben  muß;  denn  Stücke,  die  hinsichtlich  der 
Masse  sowie  der  Glasur  etwas  zu  wünschen  übrig  lassen,  die  Flecke,  Glasurver- 
dickungen oder  sonstige  Fehler  und  Unreinlichkeiten  zeigen,  wie  man  sie  später  unter 
den  Erzeugnissen  der  übrigen  Porzellanfabriken  Europas  auf  Schritt  und  Tritt 
entdeckt,  finden  sich  fast  niemals.^^^)  Und  dabei  war  Böttger  auf  diesem  Gebiete 
ja  kein  gelernter  Fachmann,  es  standen  ihm  auch  keine  Fachleute  zur  Seite:  er 
mußte  alles  aus 
sich  selber  schöp- 
fen, alles  aus  ei- 
gener Erfahrung 
kennenlernen,  und 
so  darf  man  vor 
diesen  Erzeug- 
nissen wohl  wieder 
sagen,  daß  es  nur 
eine  wirklich  ganz 
ungewöhnliche  Be- 
gabung gewesen 
sein  kann,  die  hier 
zu  so  bedeutenden 
und  so  ungewöhn- 
lichen Resulta- 
ten in  so  kurzer 
Zeit  hat  gelangen 
können. 

Freilich,  der  Kampf  mit  dem  launigen  Element  des  Feuers,  der  fortgesetzte 
Mangel  ausreichender  Öfen,  den  Böttger  so  oft  beklagt  hat,  und  überhaupt  die  ganze 
Schwierigkeit  dieser  Technik  hat  an  seinen  Porzellanen  nur  zu  deutliche  Spuren 
hinterlassen:  große,  oft  klaffende  Brandrisse,  namentlich  an  den  die  ganze  Last 
der  Gefäßkörper  tragenden  Füßen,  an  den  Rändern  der  Gefäße  und  den  Deckeln 
oder  den  Stellen,  wo  Ornamente  angesetzt  sind,  finden  sich  oft  genug.  Je  größer 
das  Stück  war,  desto  größer  ist  natürlich  auch  das  Risiko  in  dieser  Beziehung  gewesen. 
Die  größten  Vasen,  die  sich  aus  dieser  Zeit  erhalten  haben,  die  eine  Höhe  von  über 
60  cm  besitzen  und  vielleicht  mit  jener  Vase  in  Verbindung  stehen,  die  Irminger 
und  Leplat  wenigstens  bis  zum  Jahre  1717  noch  nicht  hatten  brennen  können^'*), 
konnten  gleich  jener  noch  nicht  in  einem  Stück  gebrannt  werden  (Abb. 84  u.  89). 
Der  für  sich  gebrannte  Fuß  mußte  ihnen  nachträglich  angeschraubt  werden. 
Auch  kommen  Vasen  vor,  die  merkwürdigerweise  gar  keinen  Boden  besitzen  ^^^). 

14* 


Abb.  8o.    Wahrscheinlich  Böttgerporzellan,  mit  g;eschliffener  Oberfläche. 

Kunstgewerbemuseum  in  Frankfurt  a.  M.     Durchmesser  14  cm. 


212  Das  Böttgerporzellan. 

Immerhin  aber  ist  es  erstaunlich,  wie  tadellos  selbst  größere  Stücke  damals  aus 
dem  Ofen  herauskamen,  wie  man  sich  denn  überhaupt  nicht  genug  darüber  ver- 
wundern kann,  wie  sehr  und  in  wie  kurzer  Zeit  doch  auch  hier  wieder  Böttger 
Herr  der  Technik  geworden  ist,  jener  Technik,  die  ja  im  allgemeinen  so  schwierig 
ist,  daß  sie  selbst  unsere  in  dieser  Beziehung  mit  so  vielen  technisch-wissenschaft- 
lichen Hilfsmitteln  ausgestattete  Zeit  noch  nicht  mit  absoluter  Sicherheit  beherrscht. 

Interessant  ist  es  hierbei,  daß  sich  eine  Anzahl  von  Stücken  erhalten 
hat,  die  sich  schon  durch  ihre  ganze  äußere  Erscheinung  als  sehr  frühe  Ver- 
suchsstücke Böttgers  ausweisen.  Zwar  von  jenen  „blattgen"  oder  Fliesen,  durch 
die  Böttger  seine  neue  Erfindung  zuerst  der  Öffentlichkeit  wie  auch  dem  Könige 
bekannt  gemacht  hat^^^),  hat  sich  keins  mehr  gefunden,  dagegen  scheinbar  eine 
ganze  Reihe  von  Stücken,  die  aus  der  Zeit  stammen,  da  Böttger  eben  damit  begann, 
seine  Porzellanmasse  zur  Herstellung  von  Gefäßen  und  dergleichen  zu  verwenden. 
Vielleicht  gehört  eins  derselben  sogar  noch  der  Zeit  an,  da  J?ö«ger  noch  gar  nicht  die 
Glasur  zu  seinem  Porzellan  besaß  ^^').  Es  ist  dies  eine  im  Frankfurter  Kunstgewerbe- 
museum befindliche,  nicht  sehr  tiefe  Schale,  von  schmutziger,  gelblich  gefleckter 
Masse,  auf  der  in  regelmäßigen  Abständen  kleine,  flache,  muschelartig  gezeichnete 
Reliefs  sich  befinden,  die  aber  keine  Glasur  trägt,  dafür  aber  an  der  Oberfläche  gänzlich 
geschliffen  ist  (Abb.  80).  Die  ausgesprochene  gelbliche  Tönung  der  Masse  bringt 
sie  in  der  Tat  den  späteren  Erzeugnissen  Böttgers  im  Porzellan  schon  recht  nahe, 
noch  mehr  jedoch  die  Anwendung  der  Technik  des  Schleifens,  die  ja,  wie  aus  allem, 
was  vorhergesagt  ist,  hervorgeht,  eine  Tsch  irnhausen  und  Böttger  ganz  besonders  eigen- 
tümliche Verzierungsart  gewesen  ist,  sich  sonst  aber  kaum  wieder  in  größerem  Maße 
in  der  Keramik  angewendet  findet.  Sie  kann  daher  eigentlich  nur  diesem  Kreise 
angehören,  und  es  erscheint  dann  als  nur  zu  natürlich,  daß  Böttger  im  Jahre  1708, 
als  er  seine  Porzellanmasse  erfunden  hatte,  aber  mit  der  Glasur  noch  nicht  zurecht 
kam,  sich  gelegentlich  einmal  zur  Glanzerzeugung  an  seinem  Porzellan  jenes  Mittels 
bedient  hat,  das  er  zur  selben  Zeit  zu  gleichen  Zwecken  an  seinem  Steinzeug  ver- 
wandte ^^^).  Es  ist  damit  ein  einmaliger  Notbehelf  gewesen,  der  aber  eben,  da 
für  das  Porzellan,  sollte  es  damals  wirklich  für  Porzellan  gelten,  die  Glasur  un- 
bedingt erfunden  werden  mußte,  nur  ein  reiner  Notbehelf  bleiben  konnte. 

Dieser  Schale  schließt  sich  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  eine  größere 
Anzahl  von  Gegenständen  an,  an  denen  schon  die  Kunst  sichtbar  zu  Worte  kommen 
sollte  (Abb.  78, 79  u.  81).  Es  sind  in  der  Hauptsache  Tassen,  große  und  kleine  Schalen, 
große  Deckelnäpfe,  daneben  eine  Art  Vase  und  becherförmige  Gebilde  von  einer  Art 
der  Verzierung  und  Gestaltung,  die  von  allem  abweicht,  was  sonst  für  das  Porzellan 
Böttgers  typisch  ist.  Sie  erscheinen  darum  als  eine  ganz  besondere  Gruppe.  Unter 
ihnen  erblickt  man  zunächst  eine  etwa  27  cm  breite  Schale,  deren  äußere  Wandung 
mit  vom  Rande  herabhängenden  flachen  Reliefs  von  lambrequinartiger  Gestaltung 
ringsum  belegt  ist,  die  schon  wegen  der  schwach  erhabenen  und  daher  im  glasierten 
Porzellan  sehr  unklar  zum  Ausdruck  kommenden  Ornamentik,  ganz  wie  Aus- 
formungen aus  Goldschmiedestanzen  oder  dergleichen  erscheinen  (Abb.  79).  Dieses 


Versuchstücke. 


213 


Abb.  8i.    Böttgerporzellan.    Versuchstück  mit  durchbrochener,  doppelter  Wandung. 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.     Durchmesser  32  cm. 


Stück  freilich  steht  bisher  ganz  vereinzelt  da,  alle  übrigen  zeigen  eine  ganz  andere 
und  merkwürdig  komplizierte  Gestaltung :  sie  haben  doppelte  Wandungen,  von  denen 
die  äußere  auf  Grund  linearer  Muster  gänzlich  durchbrochen  ist.  Doch  dieser  Ver- 
such ist  durchaus  nicht  immer  geglückt:  zahlreiche,  z.  T.  weit  klaffende  Brand- 
risse haben  sich  eingestellt,  an  den  26 — 30  cm  breiten,  innen  sehr  dickwandigen 
Terrinen  haben  die  schweren,  großen  Knöpfe  auf  den  Deckeln  das  ganze  Gitter- 
werk des  Deckels  herabgedrückt,  dadurch  teilweise  zerrissen  und  dann  auch  die 
darunterliegende  innere  Wandung  gesprengt  (Abb.  81).  Unzweifelhaft  hat  der  stets  auf 
sein  Können  und  seine  angeborene  Geschicklichkeit  sich  verlassende  Böttger  mit  diesen 
Arbeiten  damals  bereits  eine  große  Tat  begehen  und  nichts  Geringeres  nachahmen 
wollen,  als  die  schwierige  Technik  der  in  ganz  verwandter  Weise  durchbroche- 
nen chinesischen,  wenn  auch  bedeutend  kleineren  Porzellangefäße,  von  denen  die 
Königliche  Porzellansammlung  zu  Dresden,  aus  der  damaligen  Zeit  stammend, 
noch  heute  eine  große  Anzahl  besitzt,  und  hat  hierbei,  da  Hochmut  nur  zu  leicht 
vor  den  Fall  kommt,  manch  böse  Erfahrung  gemacht.  Daß  aber  diese  Stücke  zum 
größten  Teil  wirklich  schon  den  ersten  Zeiten  der  Porzellanherstellung  angehören, 
das  beweist  ihr  eigenartiger  Fuß,  der  bei  vielen  derselben  ziemlich  dünn  und 
bandartig  gestaltet,  mit  dem  Boden  des  Gefäßes,  zu  dem  er  gehört,  nicht  fest  ver- 
wachsen, \ielmehr  vielfach  zerrissen  und  losgebrochen  und  auch  nicht  immer  kreis- 
förmig erscheint.  Wir  haben  es  daher  unzweifelhaft  mit  frühen  Arbeiten  des  ersten 
Töpfers  Böttgers  Geitner  zu  tun,  der,  wie  bereits  früher  berichtet^"),  anfangs 
mit  dem  Aufdrehen  der  Gefäße  gar  nicht  zurecht  kam,  und  dem  namentlich  die 
Füße  der  Gefäße  nicht  gelingen  wollten,  da  er  sie,  wie  ausdrücklich  erwähnt  wird  ^^°), 
für  sich  drehte  und  dann  erst  aufsetzte,  wodurch  sie  dann  so  wenig  mit  jenen  ver- 
wuchsen, daß  sie  im  Feuer  nachher  vielfach  sich  wieder  lösten,  bis  Eggebrecht  ihn 


214  Das  Böttgerporzellan. 

dann  lehrte,  den  Boden  erst  beträchtlich  dick  zu  gestalten  und  aus  ihm  den  Fuß  heraus- 
zudrehen. Eine  ganze  Reihe  dieser  Gefäße  hat  in  der  Tat  auch  schon  diesen  dickeren, 
mehr  wulstartigen  Fuß,  der  sich  dann  auch  bedeutend  besser  bewährt  hat®"^). 

Ebenso  eigenartig,  ja  geradezu  fast  völlig  von  dem  im  Stil  abweichend,  was 
man  sonst  im  europäischen  Porzellan  zu  sehen  gewohnt  ist,  stellt  sich  dann  auch  die 
Kunst  im  Porzellane  Böttgers  dar.  Denn  als  dieses  Porzellan  seine  allererste  Kindheit 
überstanden  hatte,  und,  da  seine  Herstellung  endlich  mit  größerer  Sicherheit  gelang, 
als  ein  „wirkliches  Kaufmannsgat"  fabrikmäßig  in  vielen  Exemplaren  her- 
gestellt ward  und  nun  auch  seine  künstlerische  Ausgestaltung  erhalten  mußte,  da 
ist  es,  wie  die  erhaltenen  Stücke  aufs  klarste  zeigen,  völlig  in  die  Abhängigkeit 
vom  roten  Steinzeug  geraten,  dessen  künstlerische  Ausgestaltung,  weil  der  seinigen 
um  Jahre  vorangegangen,  fertig  vor  ihm  lag,  ja  es  ist  geradezu  ein  Abklatsch 
desselben  geworden.  Dieselben  Modelle,  dieselben  Formen  sind  auch  für  diesen 
neuen  Stoff  verwandt,  neue  scheinen  so  gut  wie  gar  nicht  verfertigt  zu  sein.  So 
gibt  es  im  Porzellan  in  der  Tat  fast  gar  keine  einzige  Form,  die  sich  nicht  auch 
im  roten  Steinzeug  nachweisen  läßt  oder  wenigstens  ganz  diesem  verwandte  Formen 
zeigt,  mit  alleiniger  Ausnahme  vielleicht  eines  in  diesem  Stoff  sehr  häufigen,  ganz 
hohen,  schlanken,  mehr  becherförmigen  Tassentypus,  der  im  roten  Steinzeug  bisher 
noch  nicht  angetroffen  worden  ist,  dessen  eigenartige  Form  aber  freilich  auch  nicht 
durch  besondere  künstlerische  Gestaltung,  sondern  schon  durch  einfaches  Auf  drehen 
erzielt  ward  (Abb.  90  u.  91).  Damit  aber  bestätigen  die  noch  erhaltenen  Porzellane 
völlig,  was  früher  bereits  gesagt  worden  ist,  daß,  als  das  Porzellan  am  Beginn  des  Jahres 
1713  endlich  zur  Fabrikware  wurde  und  für  seine  künstlerische  Bearbeitung  bereit 
stand,  es  völlig  an  Geld  fehlte,  für  dasselbe  neue  Modelle,  neue  Formen  zu  schaffen, 
so  daß  man  damals  eben  wohl  oder  übel  die  des  Steinzeugs  auf  das  Porzellan  übertragen 
mußte.  Irminger  aber,  der  Hauptgestalter  des  roten  Steinzeugs  Böttgers,  ist  damit, 
ohne  eigentlich  eine  neue  Arbeit  zu  tun,  auch  der  des  ersten  Porzellans  geworden, 
der  Begründer  der  europäischen  Porzellankunst,  die  freilich  nachher  ganz  andere, 
von  dieser  gänzhch  abseitsführende  Wege  gewandelt  ist.  Neben  ihm  kann  die 
Tätigkeit  des  gleichfalls  damals  genannten  Leplat  ^^^),  da  Werke  von  seiner  Hand 
sich  nicht  nachweisen  lassen  und  sich  auch  unter  den  erhaltenen  Stücken  dieser 
Zeit  kaum  ein  solches  von  abweichendem  Charakter  befindet,  kaum  in  Betracht  ge- 
kommen sein. 

Und  so  erblickt  man  auch  unter  den  Böttgerporzellanen  die  reich  und  klar  pro- 
filierten Rundgefäße  mit  den  zierlich  und  reich  gedrehten  Knöpfen  auf  den  Deckeln, 
weiter  die  als  Ganzes  in  Formen  gepreßten,  reliefierten  oder  mit  den  in  Formen 
für  sich  gepreßten,  dann  an  die  Wandungen  angesetzten  Reliefs,  wie  Blätter,  Masken, 
Blumenbouquets  gezierten  Stücke  und  ähnliches  mehr,  genau  so,  wie  man  dies  am 
roten  Steinzeug  zu  sehen  gewohnt  ist  (Abb.  82,  83,  84  usw.).  Auch  kommt  wohl  an 
einigen  Stücken  gleicher  Technik,  z.  B.  an  zwei  Bierkrügen  der  Sammlung  vonDall- 
witz  in  Berlin  und  der  Sammlung  List  in  Magdeburg,  das  bekannte  verschlungene 
Monogramm  des  Königs  vor  (Abb.  72),  das  diese  Stücke  ausdrücklich  als  für  den 


Die  Gestaltung. 


215 


Abb.  82.    BSttgerporzellan  mit  anfgeleg^teti,  geformten,  antikisierenden  Verziernngen. 

Königl.  Porzellansammlung  Dresden.     Hübe  der  großen  Vase  37,5  cm. 

König  oder  wenigstens  seine  Hofhaltung  angefertigt,  dokumentiert.  Der  erste 
europäische  Porzellanstil  ist  aber  auf  diese  Weise  entgegen  lang  geglaubten  und  immer 
wiederholten  Ansichten  in  keiner  Weise  ein  chinesischer  gewesen;  er  hat  in  dieser 
Beziehung  sogar  äußerst  wenig  von  jenen  Erzeugnissen  entlehnt,  die  doch  zu 
seiner  Erfindung  die  alleinige  Anregung  gegeben  haben.  Erst  nach 
Böttgers  Tode  ist  geschehen,  was  man  bisher  immer  schon  seiner  eigenen  Zeit 
zugeschrieben  hat,  ist  das  Meißner  Porzellan  auch  in  künstlerischer  Beziehung 
ganz  vom  chinesischen  Porzellan  abhängig,  ja  z.  T.  seine  unmittelbare  Kopie 
geworden  ^°3)^  Unter  Böttger  dagegen  kam  die  europäische  Kunst,  die  Kunst 
des  Barocks,  im  Porzellan  genau  so  zur  ungetrübten  Erscheinung,  \\ie  im 
Steinzeug,  und  nur  die  Malerei  nahm  auch  hier  bisweilen  einen  Charakter  an,  der 
bereits  den  damals  beginnenden  Einfluß  der  ostasiatischen  Kunst  auf  die  euro- 
päische verrät. 

Es  kann  jedoch  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  die  Ablehnung  des  chine- 
sischen Porzellanstils  auch  diesmal  wieder  ein  völlig  bewußter  war.  Noch  mehr 
als  beim  Steinzeug  hatte  Böttger  beim  Porzellan,  als  der  doch  so  viel  schwierigeren 
und  viel  bedeutungsvolleren  Erfindung,  das  größte  Interesse  daran,  seine  eigenen 
Porzellanerzeugnisse  auch  als  solche  erkennen  zu  lassen,  und  wiederum  erklärte 
er  ja  —  und  in  gewisser  Beziehung  mit  vollem  Recht,  —  daß  seine  Nachahmung  viel 
besser  wäre,  als  seine  Vorbilder  *°*).  So  hatte  er  auch  hier  wieder  alle  Veran- 
lassung, sich  von  ihnen  stilistisch  so  weit  als  möglich  zu  entfernen  und  in  dieser 
Beziehung  seine  eigenen  Wege  zu  wandeln,  und  es  kann  darum  auch  durchaus 


216 


Das  Böttgerporzellan. 


nicht  als  ein  Zufall  gelten,  daß  gerade  jene  Formen,  die  durch  mechanisches 
Abformen  von  chinesischen  Vorbildern  —  wahrscheinlich,  wie  gezeigt  ^°^),  nur 
aus  Not  —  hergestellt  worden  waren,  im  Porzellan  nur  sehr  selten  anzutreffen 
sind,  hier  jedenfalls  nicht  entfernt  den  Raum  einnehmen,  wie  im  Steinzeug 
(Abb.  83).  Viele  Formen  dieser  Art  sind  im  Porzellan  überhaupt  nicht  mehr  nach- 
weisbar. Man  sieht,  als  das  Porzellan  nun  wirklich  fabrikmäßig  hergestellt  ward, 
da  war  der  mehr  zufällig  dem  Steinzeug  aufgezwungene  chinesische  Stil  bereits 
so  gut  wie  völlig  überwunden  und  der  rein  europäische  triumphierte  jetzt  völlig. 
Ob  freilich  das  erste  europäische  Porzellan  hierbei  in  künstlerischer  Beziehung 

gewonnen  hat,  ist 
eine  andere  Frage. 
Steinzeug  und  Por- 
zellan sind  kunst- 
technisch ganz  ver- 
schiedene Dinge. 
Gerade  der  Haupt- 
vorzug des  erste- 
ren,  der  dem 
Böttgersteinzeug 
in  ganz  hervor- 
ragendem Maße 
eigen  gewesen  zu 
sein  scheint,  seine 
große  Plastizität, 
seine  leichte  Bild- 
samkeit fehlt  dem 
Porzellan.  Das 
Porzellan  hat  wohl 
von  allen  kera- 
misch anwendbaren  Stoffen  am  wenigsten  die  Fähigkeit,  in  feuchtem  Zu- 
stande die  ihm  gegebene  Form  zu  bewahren,  und  Böttger  war  ja  sogar,  wie 
früher  berichtet,  um  die  Plastizität  seiner  Masse  zu  erhöhen,  gezwungen  gewesen, 
zu  den  beiden  Hauptbestandteilen,  dem  Kaolin  und  dem  Alabaster,  noch  den  Ton  von 
Colditz  hinzuzusetzen.  Darum  hat  auch  das  Volk,  das  das  Porzellan  zuerst  erfand 
und  ihm  auch  seinen  reinsten  Stil  gegeben  hat,  die  Chinesen,  ihm  von  Anfang  an 
in  formaler  Beziehung  einen  möglichst  einfachen,  unbestimmten  Charakter  ver- 
liehen, um  es  dafür  vor  allem  nach  seiner  malerischen  Seite  hin  auszubilden.  Auch 
der  klassische  europäische  Porzellanstil,  den  nachher  der  große  Plastiker  der 
Meißner  Manufaktur  Kandier  diesem  Materiale  gegeben  hat,  bewegt  sich,  obwohl 
vorwiegend  plastischer  Natur,  doch  nur  in  unbestimmten,  selbst  verschwommenen 
Formen.  Alles  Geradlinige,  Scharfkantige  ist  hier  überall  nur  eine  Ausnahme. 
Dazu  kommt  dann  noch  die  Einwirkung  der  Glasur.    Indem  sie  alle  Formen  um- 


Abb.  83.    Böttg^erporzellan.    Chinesische  Nachbildungen. 

König-1.  Porzellansammlung',  Dresden.    Höhe  der  Flasche  in  der  Mitte  22,5  cm. 


Abb.  84.    BSttgerporzellan.    Große  Vase  mit  aufg^elegten,  greformten  Verzierungen. 

Konigl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  64  cm. 


218 


Das  Böttgerporzellan. 


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Abb.  85.    Böttgerporzellan,  mit  freihändig  aufgelegten  einzelnen  Blumen  und  Blättern. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Höhe  der  mittleren  Vase  28,5  cm. 


fließt,  mildert  sie,  mag  sie  auch  noch  so  dünn  aufgetragen  sein,  die  plastischen 
Unterschiede,  macht  sie  dieselben  unbestimmter  und  verschwommener,  als 
gewollt  war,  und  so  wird  die  ursprünglich  beabsichtigte,  künstlerische  Wirkung 
in  keiner  Weise  so  erreicht,  wie  sie  eben  ursprünglich  beabsichtigt  war  und  Unklar- 
heit, Ausdruckslosigkeit  muß  die  notwendige  Folge  davon  sein.  Jeder  echte,  material- 
gerechte Porzellanstil  muß  daher  von  vornherein  auf  diese  beiden  Eigentümlich- 
keiten des  Porzellans  Rücksicht  nehmen:  er  muß  auf  jede  Korrektheit,  jede  vöUige 
Bestimmtheit  verzichten  und  nur,  wenn  er  dies  tut  mit  aller  Konsequenz,  wird 
er  zu  völlig  befriedigenden  Leistungen  kommen  können. 

Darum  aber  mußte  die  fast  mechanisch  vor  sich  gehende  Übertragung  des 
plastisch  so  klaren,  scharfen  Stils  des  5ö«gerschen  Steinzeugs  auf  das  Porzellan, 
die  jenem,  weil  aus  ihm  heraus  geboren,  so  völlig  angemessen  war,  von  vornherein 
als  ein  Fehler  erscheinen,  der  seiner  Ausgestaltung  nicht  zum  Heile  gereichen 
konnte.  Was  dort  klar  und  scharf  gedacht  war,  ward  hier  weich  und  unbestimmt 
und  verlor  dadurch  ganz  seinen  ursprünglichen  Charakter:  die  reichen  Profilierungen 
erschienen  nun  verschwommen  und  ausdruckslos,  die  aufgesetzten  Reliefs  lösten 
sich  nicht  mehr  scharf  vom  Grunde.  Es  kommt  etwas  Unklares,  Unbestimmtes, 
ja  Krauses  und  selbst  Schwächliches  in  die  ganze  Erscheinung  dieser  Porzellane, 
zu  dem  sich  das  Gefühl  eines  z.  T.  nutzlosen  Kunstaufwandes  gesellt,  das  diesen 
Schöpfungen  vielfach  etwas  Unbehagliches  gibt,  namentlich  gegenüber  den  ostasi- 
atischen, an  denen  immer  alles,  was  gewollt,  auch  wirklich  zum  Ausdruck  gelangt 
ist.  Der  Stil  der  Böttgerporzellane  ist  daher  weit  entfernt  davon,  schon  für  muster- 
gültig gelten  zu  können. 


Schwächen  des  Stils.  219 

Es  scheint,  als  ob  man  diesen  Übelstand  schon  damals  bisweilen  empfunden, 
als  ob  man  schon  damals  nach  einem  anderen  Porzellanstil  sich  gesehnt  hätte. 
Plastik  im  Porzellan  ist  durchaus  nicht  unangebracht,  wenn  freilich  auch  durchaus 
nicht  das  wesentliche  Kunstelement  desselben;  nur  muß  diese  Plastik  von  vorn- 
herein auf  das  Unbestimmte,  Unbegrenzte  angelegt  sein  und  trotzdem  dabei  größere 
Unterschiede  in  den  Erhebungen  und  Senkungen  zeigen.  Im  Böttgerporzellan 
tauchen  daher  oft  auch  Gegenstände  mit  plastischen  Blumensträußen  auf, 
deren  Blätter  und  Blumen,  vorher  einzeln  geformt  oder  frei  modelliert,  dann  leicht 
und  locker  in  freihändiger  Arbeit  auf  die  Wandungen  der  Gefäße  gesetzt  sind,  von 
denen  sie  sich  dann  aufs  deutlichste  abheben  (Abb.  85  u.  86).  Es  ist  dies  eine  gänzlich 
neue  Gestaltungsmethode,  auf  deren  Anwendung  im  Porzellan,  wie  früher  erwähnt ^<'*), 
Böttger  damals  ausdrücklich  hingewiesen  hat,  die  sich  aber  zugleich  bereits  stark 
in  den  Gleisen  bewegt,  die  später  der  Schöpfer  des  klassischen  europäischen 
Porzellanstils,  Kandier,  für  das  Porzellan  eingeschlagen  hat.  Jedenfalls  gehören 
schon  damals  diese  Schöpfungen  zu  den  reizvollsten,  die  sich  unter  den  Böttger- 
schen  Porzellanen  entdecken  lassen.  Daneben  finden  sich  dann  noch,  wenn  auch 
sehr  selten,  Porzellane  mit  eingedrückten  Verzierungen,  auf  die  Böttger  gleichfalls, 
wie  oben  erwähnt  ®°'),  als  auf  eine  besondere  Neuheit  aufmerksam  gemacht  hat.  Der- 
artige von  der  darüberliegenden  Glasur  wieder  ausgefüllte  Vertiefungen  in  der  Masse 
sind  gleichfalls  eine  dem  Porzellan  durchaus  angemessene  Verzierungsmethode,  die 
namentlich  von  den  Chinesen  mit  Vorliebe  angewandt  worden  ist.  Doch  bedarf 
sie,  um  wirklich  wirkungsvoll  zu  werden,  wie  es  die  Chinesen  getan  haben,  der 
Anwendung  farbiger  Glasuren.  Die  durchsichtige  Glasur  jedoch,  die  Böttger  allein 
zur  Verfügung  stand,  vermochte  hier  noch  keine  allzu  großen  Effekte  zu  erzielen, 
und  so  ist  diese  Verzierungsmethode  unter  Böttger  auch  allem  Anscheine  nach  nicht 
allzuoft  zur  Anwendung  gelangt  (Abb.  74). 

Durch  die  mechanische  Übertragung  des  Steinzeugstils  auf  das  Porzellan  ist 
aber  dessen  Stil  von  Anfang  an  so  bestimmt  worden,  daß  er  in  erster  Linie  ein 
plastischer  ward.  Der  Stil  des  Steinzeugs  ist  in  der  Regel  plastisch  ^°^),  der  des 
roten  Steinzeugs  konnte  es  schon  deshalb  werden,  da  es  in  seinem  sich  rot  brennenden 
Ton  schon  Farbe  genug  besaß,  um  anderer  farbiger  Zutaten  entbehren  zu  können. 
Auch  konnte  diese  rote  Farbe  kein  für  Malerei  sehr  geeigneter  Grund  sein. 
Für  das  Porzellan  dagegen  lag  zunächst  zur  Entfaltung  eines  spezifisch  plastischen 
Stils  keine  Veranlassung  vor,  die  sich  irgendwie  aus  dem  Wesen  oder  dem  Stil 
dieses  Materials  ergab.  Im  Gegenteil,  Porzellankunst  ist,  wie  der  größte  Teil  der 
Keramik  zeigt,  in  der  Hauptsache  farbige  Kunst  ^°^).  Der  schönste  Schmuck  des 
Porzellans  ist  immer  sein  bunt  schillerndes  Farbenkleid  gewesen.  Das  lehrt  der 
ganze  Verlauf  seiner  Entwicklung,  das  schon  sein  frühester  Anfang,  da  es  in  China 
zunächst  als  Nachahmung  von  farbigem  Edelgestein  erfunden  ward.  Das  verlangt 
auch,  wofern  der  Grundsatz  richtig  ist,  daß  jeder  Stoff  nach  derjenigen  Seite  hin 
künstlerisch  sich  entwickeln  soll,  auf  der  seine  besten  künstlerischen  Fähigkeiten 
liegen,  sein  ganzes  Wesen,  da  es  von  vornherein  dank  seinem  weißen  Grund  mehr 


Abb.  86.    Bottgerporzellan.    Große  Vase  mit  freihindig:  aufgelegten  Weinranken. 

Konigl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hohe  42  cm. 


Plastischer  Charakter  des  Stils. 


221 


Abb.  87.    B5ttg;erporzellaii  mit  aufgelegten,  geformten  Blnmen. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  der  Deckelvase  31  cm. 

denn  irgend  ein  anderer  nicht- keramischer  Stoff  dazu  veranlagt  ist,  Träger  einer 
glänzenden  Farbenskala  zu  werden.  Das  europäische  Porzellan  fing  daher  eigent- 
lich, als  es  den  Stil  des  roten  Steinzeugs  schlechtweg  übernahm,  an  seinem  falschen 
Ende  an,  es  geriet  auf  künstlerische  Abwege,  die  es  freilich  —  zu  seinem  Heile  — 
nach  Böttgers  Tode  bald  wieder  verlassen  hat.  Die  Erfindung  des  roten  Steinzeugs 
vor  der  des  Porzellans  hat  aber  damit  nicht  bloß,  wie  oben  gezeigt  worden  ^i°), 
dessen  eigentliche  Fabrikation  zunächst  sehr  gehemmt,  sie  hat  für  dasselbe  auch  in 
künstlerischer  Beziehung  eine  nicht  unbeträchtliche  Schädigung  bedeutet,  sie  hat 
die  Entwicklung  eines  materialgerechten  Porzellanstils  in  Deutschland  aufgehalten. 
Kein  Zweifel  daher,  wäre  seine  Erfindung  ohne  die  des  Steinzeugs  oder  vor  der- 
selben vor  sich  gegangen,  hätten  hier,  als  jenes  aufkam,  nicht  alle  Formen,  die  für 
dieses  geschaffen,  so  bequem  zur  Verfügung  gestanden,  das  Porzellan  hätte  damals, 
unter  dem  unmittelbaren  Einfluß  seines  technischen  Vorbildes,  des  chinesischen 
Porzellans,  eine  gänzlich  andere  Gestaltung  erhalten  und  Böttger  damit  auch  in 
dieser  Beziehung,  wie  in  so  vielen  anderen,  eine  Arbeit  geleistet,  auf  die  die  folgenden 
Generationen  hätten  aufbauen,  die  sie  hätten  weiter  entwickeln  können.  Es  kann 
eben  nichts  seine  Entwicklung  verleugnen. 

Trotz  alledem  aber  hat,  wie  bereits  früher  gezeigt,  Böttger  auf  den  farbigen 
Schmuck  des  Porzellans  durchaus  nicht  verzichten  wollen.  Wie  hätte  auch  er,  der 
unermüdhche  Experimentator,  an  jenen  Problemen  der  Farbe  achtlos  vorüber- 
gehen können,  die  ihm  das  chinesische  Porzellan  von  Anfang  an  als  die  wich- 
tigsten nach  der  Erfindung  selber  vor  Augen  hielt!   Hatte  er  doch  sogar  auch  das 


222  Das  Böttgerporzellan. 

rote  Steinzeug,  das  solches  Schmuckes  doch  gar  nicht  bedurfte,  mit  Malereien  "ver- 
sehen lassen!  Nur  freilich  scheint  sein  Interesse  und  darum  auch  sein  Eifer,  nach 
den  heute  noch  erhaltenen  Porzellanen  zu  urteilen,  nach  dieser  Seite  hin  in  der  Tat 
nicht  allzu  groß  gewesen  zu  sein:  er  ist  hier  nur  zu  recht  wenigen  wirklich  ganz 
befriedigenden  Resultaten  gelangt.  Aber  freilich  das,  was  er  auf  diesem  Gebiete 
trotzdem  versucht  und  getan  hat,  reicht  völlig  aus,  um  Böttger  auch  hier 
wieder  als  jenen  beweglichen,  stets  erfinderischen  Geist  zu  dokumentieren, 
als  welchen  ihn  seine  ganze  übrige  Geschichte  zeigt.  Auch  hier  erkennt  man  wieder 
das  Suchen  und  Probieren  nach  den  verschiedensten  Seiten  hin,  das  Erschöpfen 
möglichst  vieler  Möglichkeiten,  das  vor  allen  bei  der  technischen  wie  künstlerischen 
Ausbildung  des  roten  Steinzeugs  so  merkwürdig  auffiel.  Gewiß  hätte  er  diese  Seite 
des  Porzellans,  hätte  er  länger  gelebt  oder  wäre  er  länger  bei  voller  Kraft  geblieben, 
noch  weiter  entwickelt  und  wäre  auch  hier  zu  durchaus  befriedigenden  Resultaten 
gelangt,  namentlich  wenn  man  sieht,  wie  leicht  sonst  später  viel  weniger  begabten 
Leuten  die  Beherrschung  der  Porzellanmalerei  gelingen  sollte.  So  aber  ist  es  auf 
diesem  Gebiete  vielfach  nur  bei  Anregungen  und  Versuchen  geblieben,  die  erst  nach 
Böttgers  Tode  wirklich  brauchbare  Resultate  herbeiführen  sollten. 

So  gut  wie  alle  Techniken,  durch  die  man  Porzellan  farbig  dekorieren  kann, 
hat  Böttger  versucht,  er  hat  sich  an  leichte  wie  schwere  herangewagt.  Nur  mit 
farbigen  Glasuren,  in  denen  die  Chinesen  immer  Meister  gewesen  sind,  hat  Böttger 
sich  merkwürdigerweise  nicht  abgegeben.  Sie  scheinen  auch  gerade  damals  in 
China  nicht  Mode  gewesen  und  auch  nach  Europa,  wenn  auch  die  Dresdner  Porzellan- 
sammlung eine  ganze  Anzahl  derselben  besitzt,  nicht  allzu  häufig  gekommen  zu 
sein  ^1^).  Man  verlangte  im  Zeitalter  des  Barocks  beim  Porzellan  allem  Anscheine 
nach  mehr  nach  seinem  schimmernden  Weiß,  nach  seiner  glänzenden  Glasur,  nach 
seinen  leuchtenden  Farben.  Denn  Glanz  und  Pracht  ging  dieser  Zeit  —  das  zeigen 
die  vielen  Vergoldungen  und  sonstigen  Überdekorierungen,  die  man  damals  nament- 
lich den  unbemalten  oder  nur  mit  Blaumalerei  versehenen  Porzellanen  Ostasiens  noch 
nachträglich  in  Europa  zuteil  werden  ließ  —  noch  über  die  bloße  Farbe.  Der  Effekt 
triumphierte  damals  über  die  rein  künstlerische  Wirkung,  und  in  der  Tat  muß  man 
gestehen,  daß  derartig  farbig  glasierte  Porzellane,  wenn  man  sie  sich  nach  der  Sitte  der 
Zeit,  auf  Konsolen  vor  die  Wand  aufgestellt  denkt,  auch  nicht  entfernt  die  dekorative 
Wirkung  hervorzurufen  vermögen,  wie  weißgründige  und  bemalte.  Etwas  Ernstes, 
Düsteres  haftet  ihnen  im  Vergleich  zu  diesen  immer  an,  und  so  ist  die  scheinbar 
geringe  Neigung  des  Barocks  für  diese  gar  wohl  erklärlich.  Sind  ja  doch  auch  fast 
noch  zwei  volle  Jahrhunderte  seit  dieser  Zeit  vergangen,  bis  endlich  in  Europa 
der  Reiz  dieser  farbig  so  vornehmen  Produkte  entdeckt  und  voll  gewürdigt  ward, 
und  geschieht  dies  auch  heute  noch  immer  erst  von  einer  kleineren  Gemeinde, 
deren  Sinn  schon  besonders  wieder  entwickelt  ist  für  die  intimeren  Reize  der 
Farbenwelt. 

Von  allen  Maltechniken  jedoch  hat  Böttger  auch  im  Porzellan  wieder  keine  so 
häufig     angewandt,    wie    die    Lackmalerei,    die    ja    der    ausschließlich    farbige 


Bemalung. 


223 


Abb.  88.    Bottgerporzellan,  mit  Lackfarben  bemalt, 

Köni^I.  Porzellansammlung,  Dresden.    Höhe  der  Deckelvase  27  cm. 


Schmuck  seiner  schwarz  glasierten  Steinzeuge  gewesen  ist.  Sie  war  naturgemäß 
auch  hier  wieder  die  leichteste,  die  keiner  besonderen  Übung,  vor  allem  keiner 
besonderen  keramischen  Erfahrung  bedurfte.  Es  genügte  für  diese  Zwecke  völlig, 
was  Böttger  in  dieser  Beziehung  aus  Berlin  mitgebracht  haben  kann,  wofern  es 
wirklich  wahr  ist,  was  berichtet  wird,  daß  er  sich  dort  als  Apothekerlehrling  viel 
mit  der  Lackierkunst  abgegeben  hat  ^^^).  Dieser  farbige  Schmuck  des  Porzellans 
ist  freilich  heute  eine  in  der  Keramik  gänzlich  unbekannte  Technik,  sie  gehört 
auch  in  Anbetracht  ihrer  Vergänglichkeit  durchaus  nicht  in  diese  für  gewöhnlich 
nur  Dauerhaftes  schaffende  Technik  hinein.  Sie  war  aber  damals  in  dieser  Zeit 
des  keramischen  Ringens  und  Strebens,  der  Neugründungen  und  Nacherfmdungen 
in  der  Keramik  durchaus  nicht  etwas  so  Ungewöhnliches.  Zahlreiche  Fayencen 
dieser  Zeit,  meist  unbestimmbarer  Herkunft,  haben  sich  erhalten,  an  denen  diese 
Technik,  wohl  weil  man  mit  den  Scharffeuerfarben  noch  nicht  zurecht  kam,  ver- 
wandt worden  ist  ^^^).  Auch  auf  dem  Gebiet  des  Porzellans  war  es  damals  allgemein 
üblich,  einfachere  chinesische  und  japanische  Porzellane  u.  a.  durch  Zutaten  in 
Lackmalerei  und  kalter  Vergoldung  reicher  und  darum  kostbarer  auszugestalten. 
Böttger  führte  demnach  in  die  Keramik  gar  keine  Neuerung  ein,  als  er  sich  für  seine 
Porzellane  der  gleichen  Technik  bediente;  er  benutzte  hier  nur  ein  Mittel,  das  schon 
immer  zur  Erzielung  eines  bequemen,  wohlfeilen  Schmuckes  gedient  hatte.  Seine 
Anwendung  aber  fand  es  auch  hier  wieder  wie  beim  Steinzeug  zunächst  zur  Loslösung 
des  Rehefschmuckes  von  den  Wandungen  der  Gefäße  (Abb.  88).  Hierbei  wurden  die 


Abb.  89.    Böttgersteinzeug.    Große  Vase,  mit  Lackfarben  ganz  fibermalt. 

Königl.  Porzellansamralung-,  Dresden.     Hühe  68  cm. 


Lackmalerei.  225 


Abb.  90.    Böttgerporzellan  mit  ornamentaler  Emailmalerei. 
König!.  Porzellansammlung,  Dresden.    Höhe  des  Deckeltopfes  14  cm. 

stilisierten  Ornamente  meist  vergoldet,  die  freihändig  aufgesetzten  Blätter  und  Blumen 
dagegen  vielfarbig  bemalt,  und  zwar  in  naturalistischem  Sinne,  die  Blätter  grün, 
die  Blumen  gelb  und  rot.  Seltener  finden  sich  Lackmalereien  unmittelbar  auf  der 
Wandung  der  Gefäße,  wie  z.  B.  auf  einigen  Vasen  der  Dresdner  Porzellansammlung, 
die  als  Motive  dieselben  Blumenstücke  zeigen,  wie  die  gleich  zu  erwähnenden 
Malereien  in  Emailfarben.  DochbesitztdanebendiePorzellansammlungauch(Abb.89) 
zwei  Exemplare  der  größten  Vasen,  die  damals  in  diesem  Stoffe  hergestellt  worden 
sind,  die  merkwürdigerweise  von  oben  bis  unten  gänzlich  mit  roter  Farbe 
zugedeckt  sind,  auf  die  dann  ein  großer  Reichtum  an  Barocklambrequins  und 
-gitterwerk ,  in  Goldmalerei  aufgetragen  worden  ist.  Es  muß  eine  ganz  besondere 
Bewandtnis  mit  diesen  ihren  Grundstoff  so  völlig  verbergenden  Vasen  gehabt  haben; 
denn  merkwürdigerweise  finden  sich  fast  dieselben  Vasen  in  Holz  geschnitzt  und 
in  der  gleichen  Weise  bemalt  im  Residenzschloß  zu  Dresden  und  im  Schloß  zu 
Moritzburg  bei  Dresden  ^^^). 

Über  die  ästhetische  Wirkung  dieser  Lackmalereien  freilich  vermögen  wir  uns 
heute  gerade  wie  beim  glasierten  Steinzeug  keine  rechte  Vorstellung  mehr  zu  machen. 
Sicherlich  wird  sie  damals  eine  recht  lebhafte  und  glänzende  gewesen  sein, 
wenn  freiUch  auch  immer  nur  ein  Notbehelf,  eine  Augenblicksdekoration,  ent- 
schuldbar in  der  Kindheit  einer  neuen  Kunst,  da  die  Technik  mit  ihrem  Wollen 
noch  nicht  immer  Schritt  zu  halten  vermag.  Heute  ist  ihre  Wirkung  natürlich  eine 
recht  unerfreuliche,  doppelt  unerfreulich,  da  sie  in  ihrer  Stumpfheit-  und  Trübe 
im  stärksten  Gegensatz  zu  dem  Glanz  und  der  Reinheit  der  Porzellane  stehen, 
die  sie  verzieren  sollen.  Trotz  alledem  ist  die  Lackmalerei  auf  Porzellan  selbst 
nach  Böttgers  Tode  keineswegs  gleich  aufgegeben  worden.  Sie  ist  dort  weiter  ein 
Notbehelf  gebUeben,  und  als  daher  später  der  König  August  der  Starke  und  sein 

Zimmermann,  Meiüner  Porzellan.  lö 


226  Das  Böttgerporzellan. 

Nachfolger  in  ihrem  Streben  nach  dem  Großen  Monumentalvasen  und  große  Tiere 
in  Porzellan  schaffen  ließen,  da  mußte  man,  da  man  diese  großen  Stücke  mit  Email- 
farben noch  nicht  zu  bemalen  verstand,  wieder  zur  Lackmalerei  greifen  und  be- 
malte merkwürdigerweise  selbst  damals  wieder  auf  diese  Weise  ganze  Stücke  von 
oben  bis  unten,  ohne  dabei  freilich  zu  besseren  Resultaten  zu  gelangen. 

Daneben  aber  hditBöttgersich.  ja  auch  schon  früh,  wie  mehrfach  erwähnt,  auf  die 
Emailmalerei,  die  Malerei  mit  einzubrennenden  Schmelzfarben,  gestürzt,  auf  jene 
Technik,  mit  der  ein  großer  Teil  seiner  Vorbilder  in  China  und  Japan,  und  zwar  ge- 
rade die  schönsten,  wenn  auöh  erst  seit  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  verziert  wurden. 
Unzweifelhaft  muß  diese  Technik  Böttger,  da  er  sich  so  früh  an  dieselbe  machte, 
recht  leicht  erschienen  sein.  Farbige  Glasflüsse  einbrennen  auf  einen  glasartigen  oder 
Metallgrund  war  eine  von  der  Glasindustrie,  der  Emailmalerei  und  Goldschmiede- 
kunst wie  in  anderen  Ländern,  so  auch  in  Deutschland  schon  seit  lange  geübte 
Technik.  Dazu  gab  es  wieder  die  üblichen  früher  erwähnten  Rezeptbücher  ^^^) 
mit  Kunckels  berühmter  Ars  vitraria  an  der  Spitze,  die  in  dieser  Beziehung  sich 
ganz  besonders  ergiebig  zeigt.  Von  diesen  Techniken,  die  damals  kein  Geheimnis 
mehr  darstellten,  konnte  Böttger  zunächst  ausgehen;  aber  freilich  bald  genug  muß 
er  empfunden  haben,  daß  die  unmittelbare  Übertragung  derselben  auf  das  Porzellan 
hier  noch  nicht  zum  Ziele  führen  konnte,  da  die  Glasur  des  Porzellans  sich  mit  dem 
Glase  oder  dem  Email  in  dieser  Beziehung  doch  nicht  völlig  deckt.  So  fielen  seine 
Emailfarben  trübe,  schmutzig,  fleckig  und  unansehnlich  aus,  sie  zeigen  nichts 
von  dem  Glanz,  der  Reinheit  und  der  glasartigen  Durchsichtigkeit  (siehe  Titelbild 
u.  Abb.  90),  die  sonst  Emailfarben  auf  Porzellan  üblich  zu  sein  pflegt,  und  sie 
sind  zu  seinen  Lebzeiten  dann  auch  nicht  viel  besser  geworden,  obwohl  sie  doch 
schon  so  bald  nach  seinem  Tode  von  seinem  Nachfolger,  dem  Wiener  Emailmaler 
Herold  so  glänzend  hergestellt  werden  sollten:  sie  haben  in  dieser  Beziehung  eine 
merkwürdige  Ähnlichkeit  mit  jenen  Malereien  bekommen,  die  bald  darauf  außerhalb 
der  Fabrik  von  Email-  und  sonstigen  Malern  um  des  eigenen  Gewinnes  wegen 
auf  weißes,  unbemaltes  Porzellan  aufgetragen  wurden,  eben  wohl  deshalb,  weil 
auch  hier  die  Übertragung  von  Emailfarben,  die  für  einen  anderen  Malgrund  be- 
stimmt waren,  auf  die  Glasur  des  Porzellans  nicht  gleich  gelingen  wollte  ^^^). 

Böttger  hat  übrigens  von  diesen  Emailfarben  auch  nicht  allzuhäufigen  Ge- 
brauch gemacht.  Nur  verhältnismäßig  recht  wenige  auf  diese  Weise  bemalte  Stücke 
haben  sich  heute  noch  erhalten,  die  meisten  wieder  in  der  Dresdner  Porzellan- 
sammlung, dann  im  Zähringer  Museum  zu  Karlsruhe  und  der  Sammlung  des 
Dr.  V.  Daliwitz  in  Berlin.  Sie  zeigen  aber  alle,  daß  Böttger  damals  in  der  Bemalung 
seiner  Porzellane  auf  eine  überraschend  lebhafte,  leuchtende  Farbenskala  ausging, 
so  leuchtend  und  frisch,  wie  es  das  Porzellan,  selbst  das  ostasiatische  nur  selten 
gezeigt  hat.  Man  bemerkt  hier  namentlich  ein  lebhaftes  Gelb,  ein  fröhliches  Blau 
und  ein  saftiges  Grün,  daneben  ein  Karminrot,  das  weit  entfernt  ist  von  jenem 
unbestimmten,  aus  Mangan  hergestellten  Violett,  mit  dem  sich  später  die  meisten 
Porzellanfabriken  des  18.   Jahrhunderts,  sogar  die  Meißner  selber  haben  trösten 


Emailmalerei. 


227 


Abb.  91.    B5ttg;erporzellan  mit  Malerei  in  Eisenrot. 

König-l.  Porzellansammlung',  Dresden.     Höhe  der  Obertassen  8  cm. 


müssen,  da  sich  ein  wirklich  reines  Rot  oder  Rosa  scheinbar  so  schwer  auffinden 
ließ.  Daneben  freilich  gibt  es  hier  auch  einige  weniger  schöne  Töne:  ein  bräun- 
liches Eisenrot,  ein  trübes  graues  Grün,  ein  recht  stumpfes  Violett,  die  freilich  nur 
so  nebenher  verwandt  sind,  so  daß  sie  die  Leuchtkraft  der  übrigen  nicht  zu  beein- 
trächtigen vermögen.  Am  wenigsten  geglückt  ist  von  allen  diesen  Farben  zumeist 
die  blaue,  sie  ist  zum  Teil  weder  blau  noch  irgendwie  glänzend  ausgefallen,  und 
es  bestätigt  sich  hier  nur,  was  aus  Böttgers  Lebzeiten  über  die  Erfahrung,  die  dieser 
mit  dieser  Farbe  gemacht  hat,  berichtet  worden  ist^^^). 

Alle  diese  Emailfarben  wurden  für  gewöhnlich  auf  einem  Stücke  gemeinsam 
angewandt.  Daneben  ist  es  von  Wichtigkeit,  daß  5ö«ger,  wohl  angeregt  durch  gleich- 
artige Malereien  auf  Glas  —  auch  wohl,  weil  es  für  ihn  am  Anfange  nicht  allzu 
leicht  sein  mochte,  alle  die  verschiedenen  Emailfarben,  die  ihm  zur  Verfügung 
standen,  auf  einmal  zufriedenstellend  einzubrennen — auch  bereits  auf  den  Gedanken 
kam,  Malereien  nur  in  einer  Farbe  auf  seinem  Porzellan  ausführen  zu  lassen,  eine 
Malerei,  die  der  Porzellankunst  dann  dauernd  verblieben  ist,  ja  in  ihr  bisweilen 
eine  bedeutende  Rolle  gespielt  hat.  Hier  steht  man  natürlich  noch  vor  den  ersten 
Anfängen,  auch  scheint  diese  Malweise,  da  sich  fast  nur  in  der  Dresdner  Porzellan- 
sammlung einige  wenige  Stücke  dieser  Art  erhalten  haben  ^^^),  nur  äußerst  selten 
angewandt  zu  sein.  Auch  hat  man  sich  damals  hierzu  nur  der  Rosafarbe,  des  Eiseri- 
rots  und  vielleicht  auch  des  Schwarzlots  bedient.  Aber  fast  alle  diese  Stücke  scheinen 
zu  bestätigen,  daß  diese  Technik  damals  in  der  Tat  um  ihrer  Leichtigkeit  willen 
angewandt  ward:  die  Farben  sind  gut  herausgekommen,  sie  wirken  sauber  und 
klar,  obwohl  die  Malerei  selber  bereits  recht  kompliziert,  ja  raffiniert  ist.     Diese 

lö* 


228 


Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  92.    Böttgerporzellan  mit  Malereien  in  Lüsterfarbe. 
Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  der  linken  Tasse  8  cm. 


Stücke  gehören  überhaupt  in  koloristischer,  wie  auch  in  zeichnerischer  Beziehung 
zu  den  erfreulichsten,  die  unter  Böttger  geschaffen  worden  sind  (Abb.  91  u.  96). 
Die  originellste  Farbe  jedoch,  die  jBöWger  angewandt  hat,  ist  eine  Lüsterfarbe,  seine 
bereits  früher  erwähnte  ,, Perlmutterglasur"  gewesen,  die  aber,  wie  damals  schon 
selber  angegeben  wurde,  keine  Glasur  war:  eine  Farbe  von  blaßviolettrosa  Tönung 
mit  mehr  oder  weniger  lebhaftem  Metallglanz.  Die  Anwendung  einer  solchen  Lüster- 
farbe war  für  die  Keramik  an  sich  keine  Neuerung,  da  die  orientalische,  spanische 
und  auch  die  italienische  Majolika  sie  bereits  gekannt  hatte,  sie  war  es  nur  für  das 
Porzellan,  da  sie  bis  dahin  dem  ostasiatischen  Porzellan  durchaus  fremd  gewesen 
war  ^19).  Sie  wurde  allem  Anscheine  nach  aus  Knallgold *2°)  hergestellt  und  Böttger 
wird  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  zu  dieser  Farbe  schon  durch  seine  früheren 
alchimistischen  Experimente  gelangt  sein.  Er  verwandte  sie  nun  zu  Grundierungen, 
d.  h.  zum  Bedecken  der  ganzen  Wandungen,  oder  auch  zur  Ornamentik,  bisweilen 
inVerbindungmit  den  vorhergenannten  Emailfarben  (Abb.  92).  Technisch  ist  freilich 
diese  Farbe  meist  noch  nicht  sehr  geglückt:  sie  erscheint  oft  recht  blaß,  auch 
stellenweise  wie  ausgeblichen,  was  namentlich  an  den  geschlossenen  Grundierungen 
auffällt.  Jedenfalls  ist  zu  Böttgers  Zeiten,  soweit  man  heute  noch  sehen  kann, 
noch  niemals  jene  Tiefe,  jene  Gleichmäßigkeit  des  Tons  und  jene  Kraft  des  Lüsters 
erreicht  werden,  wie  es  später  geschehen  sollte :  auch  hier  hat  Herold  erst  erreicht, 
was  Böttger  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  schon  vorgeschwebt  hat.  Im  allgemeinen 
jedoch  muß  gesagt  werden,  daß  man  mit  derartigen  Lüsterfarben  in  der  Keramik 
niemals  allzuviel  anzufangen  gewußt  hat.  Neben  dem  scharfen  Glänze  der  Glasur  er- 
scheint der  einer  solchen  Farbe  meist  überflüssig,  ja  selbst  störend.  Dennoch  ist  diese 
Farbe  die  einzige  von  allen  gewesen,  die  Böttger  längere  Zeit  überlebt,  die  einzige, 
die  auch  später  noch  unter  seinem  Nachfolger  längere  Zeit  Verwendung  gefun- 
den hat. 


Gold-  und  Silbermalerei.  229 


Abb.  93.    Böttgerporzellan  «it  Malereien  in  Silber. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.     Höhe  des  Theetopfes  13  cm. 

Eine  reiche  und  teilweise  sehr  originelle  Verwendung  hat  dann  aber  Böttger 
mit  eingebrannter  Gold-  und  Silbermalerei  vorgenommen.  Gold  und  Silber  hatten 
bisher  in  der  Keramik  keine  allzu  große  Rolle  gespielt.  Im  ostasiatischen  Porzellan 
waren  sie  fast  nur  sekundär,  nur  als  ein  Mittel  zur  Belebung  und  Glanzerhöhung 
bescheiden,  aber  äußerst  geschmackvoll  aufgetreten.  Böttger  dagegen  führte  nun 
unter  dem  Einfluß  des  nach  Glanz  und  Üppigkeit  strebenden  Barocks  und  wohl 
auch  der  damaligen  Glaskunst  auch  die  selbständige  und  ausschheßliche  Ver- 
wendung dieser  beiden  Metalle  in  das  Porzellan  ein,  wie  er  es  ja  mit  dem  Gold 
auch  schon  bei  seinem  Steinzeug  getan  hatte,  ohne  es  freilich  bei  diesem  gleich  ein- 
brennen zu  können.  Auch  beim  Porzellan  scheint  er  nicht  gleich  mit  der  Feuerver- 
goldung zurecht  gekommen  zu  sein.  Wenigstens  befinden  sich  in  der  Dresdner  Por- 
zellansammlung mehrere  der  oben  beschriebenen  schlanken  Tassen,  die  ganz  und  gar 
mit  dünnen  Goldfolien  nur  leicht  belegt  sind,  die  zum  größten  Teil  später  wieder 
abgegangen  sind  oder  jetzt  nur  noch  lose  auf  ihnen  sitzen.  Im  übrigen  jedoch  sind 
die  Gold-  und  Silbermalereien  dieser  Zeit  fast  alle  eingebrannt  und  haben  sich  auch 
als  recht  haltbar  erwiesen,  und  so  hat  auf  diesem  Gebiete  der  Malerei  Böttger  die 
Technik  völlig  zu  beherrschen  gelernt  (Abb.  93,  95  u.  97). 

Überhaupt  bildet  die  Gold-  und  Silbermalerei  wohl  das  interessanteste  und 
erfreulichste  Kapitel  der  koloristischen  Verzierungen  der  Böttgersch^n  Porzellane. 
Es  ist  zugleich  noch  einmal  wieder,  so  klein  es  an  sich  auch  ist,  ein  Tummel- 
platz des  immer  so  erfinderischen  und  beweglichen  Geistes  Böttgers  gewesen.  Er 
hat  hier  in  der  Tat  schon  beinahe  alle  Möglichkeiten,  die  die  Keramik  kennt,  aus- 
genutzt oder  wenigstens  angedeutet  und  so  der  Nachwelt  nicht  allzuviel  ganz  Neues 
mehr  auf  diesem  Gebiete  hinzuzufügen  überlassen.  Zunächst  hat  er  hierbei  die 
beiden  MetaUfarben  wieder  benutzt,  um  mittels  derselben  gerade  wie  mit  der 
Perlmutterglasur  den  ganzen  Grund  zu  bedecken.  Die  Porzellansammlung  besitzt 
mehrere  Tassen,  die  innen  und  zum  Teil  auch  außen  gänzlich  versilbert  oder  ver- 
goldet sind,  ja  an  einer  scheint  er  sogar  den  seltsamen  Versuch  gemacht  zu  haben, 
beides  zu  kombinieren,  indem  er  über  einen  Silbergrund  noch  einen  schwachen 


230 


Das  Böttgerporzellan. 


Goldschimmer  legte,  wodurch  eine  sehr  reizvolle  Abschattierung  des  Grundes 
zustande  gekommen  ist.  Dann  aber  ging  seine  Experimentierlust  weiter.  Es  finden 
sich  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  mehrere  Stücke,  auf  denen  durch  Polierung 
ganze  Zeichnungen  auf  den  Goldgrund  eingezeichnet  sind,  darunter  auch  einmal 
das  Monogramm  des  Königs  in  einer  Lorbeerumrahmung,  ein  sicherer  Beweis, 
daß  Böttger  dieses  Stück  zur  Vorlage  für  diesen  bestimmt  hatte.  Dann  aber  schwebte 
Böttger  damals  erstaunlicherweise  bereits  nichts  Geringeres  vor,  als  jene  Relief- 
vergoldung, die  Meißen  nach  wenigen  Jahrzehnten  noch  einmal  und  mit  großem 
Erfolge  versuchen  sollte  ^^^),  die  aber  dann  bekanntlich  am  Ende  dieses  Jahrhunderts 
ihre  volle,  viel  bewunderte  und  nun  auch  viel  nachgeahmte  Ausbildung  im  Wiener 
Porzellan  gefunden  hat.  Freilich,  was  hier  im  Porzellan  Böttgers  geboten  wird, 
erscheint  nur  als  ein  erster  Versuch,  der  zu  keinen  positiven  und  brauch- 
baren Resultaten  geführt  hat.  Wiederum  auf  geschlossenem  Goldgrund  lösen 
sich  hier  in  schwacher  Erhebung  die  Relieflinien,  aber  unklar,  stumpf  und 
ungleich,  fast  als  beständen  sie  aus  zerknittertem  Papier.    Ihre  Wirkung  ist  daher 

eher  trüb  als  glän- 
zend zu  nennen; 
auchhebt  sich  die 
Zeichnung  in  kei- 
ner Weise  genü- 
gend vom  Grunde 
ab.  Auf  Grund 
dieses  Resultates 
konnte  noch  kein 
Typus  geschaffen 
werden. 
In  der  Hauptsache  jedoch  ward  die  Gold-  und  Silbermalerei  genau  wie  alle 
übrige  Malerei  zu  reiner  Ornamentik  benutzt.  Sie  fiel  bald  einfach,  bald  reicher  aus. 
Jedoch  erscheinen  heute  alle  Malereien  und  Grundierungen  in  Silber,  wie  es  allen 
derartigen  Malereien  zu  ergehen  pflegt,  infolge  des  Oxydierens  dieses  Metalles 
an  der  Luft  gänzlich  schwarz.  Ihre  Wirkung  auf  dem  Porzellan  ist  freilich  dadurch 
durchaus  nicht  unangenehm  geworden,  wenn  sie  auch  natürlich  jetzt  viel  härter 
wirken,  als  da  sie  noch  im  lichten  Schimmer  des  Silbers  glänzten.  Die  keramische 
Technik  hat  daher  ja  auch  schon  seit  langem  in  der  Keramik  das  Silber  durch 
Platin  ersetzt  «22). 

Schließlich  haben  sich  in  der  Dresdener  Porzellansammlung  noch  einige  Por- 
zellane erhalten,  die  Böttgers  vergebliches  Bemühen  um  die  Erzielung  der  ko- 
baltblauen Unterglasurmalerei  der  chinesischen  Porzellane  aufs  deutlichste 
bekunden:  es  sind  drei  kleine,  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  befindliche 
Tassen,  die  sich  durchaus  als  Versuchsstücke  dadurch  darstellen,  daß  nicht  nur 
die  einzelnen  Tassen  selber  durch  Nummern  oder  Buchstaben  bezeichnet  sind, 
sondern  an  der  einen  Tasse  auch  die  einzelnen  farbig  ganz   verschieden  ausgefal- 


Abb.  94.    Böttgerporzellan.    Versnchsstücke  mit  kobaltblauer  Unterglasurmalerei. 

Königl.  Porzellansammlung-,  Dresden.     Hühe  4  cm. 


Die  Dekorationsmotive  231 

lenen  und  darum  wohl  auch  von  vornherein  verschieden  aufgetragenen  Orna- 
mente für  sich  numeriert  sind  (Abb.  94).  Alle  sind  sie  mit  jenen  chinesisch 
gehaltenen  Motiven  bemalt,  die  auch  die  übrigen  bemalten  Porzellane  Böttgers 
zeigen.  Doch  die  kobaltblaue  Farbe  ist  hier  in  der  Tat  nirgends  irgendwie  brauch- 
bar herausgekommen:  sie  ist  entweder  zu  blaß  oder  zu  dunkel  und  trüb  geworden 
und  fällt  dann  ins  schwärzliche  oder  gar  grünliche.  Gänzlich  verschwommen  aber 
stellt  sich  die  Ornamentik  selber  dar.  Um  sie  überhaupt  wieder  deutlich  zu  machen, 
hat  man  sie  nach  dem  Brande  mit  Gold  konturieren,  ja  einmal  auch  mit 
eisenroter  Malerei  versehen  müssen.  Mit  diesen  Resultaten  war  damals  noch 
nicht  das  geringste  anzufangen,  das  Problem  der  Blaumalerei  durch  sie  in  der 
Tat  noch  nicht  im  geringsten  gelöst  ^^3). 

Mit  dieser  Blaumalerei  sind  die  Malmittel,  die  Böttger  zur  Ausschmückung 
seiner  Porzellane  damals  zur  Verfügung  standen,  erschöpft  gewesen.  Dasselbe 
reiche  Bild  jedoch,  das  sie  zeigen,  gewährt  auch  die  durch  sie  bewirkte  Dekoration, 
die  Motive  und  Anwendung  derselben,  ohne  daß  freihch  damals  schon  ein  be- 
stimmter Typus  zustande  kam  ^^^),  der  auf  dem  Porzellan  dieser  Zeit  häufiger 
wiederholt  worden  wäre.  Die  verschiedensten  Einflüsse  scheinen  sich  hier  gerade 
wie  bei  der  Bemalung  des  schwarz  glasierten  roten  Steinzeugs  gekreuzt,  die  ver- 
schiedensten Vorbilder  hier  eingewirkt  zu  haben.  Nur  ist  das  Bild,  daß  sich  im 
Porzellan  darbietet,  noch  bunter,  da  die  Bemalung  dieses  wohl  einem  längeren  Zeit- 
raum angehört  und  darum  sich  hier  immer  neue  Einflüsse  hinzugesellt  haben. 
Ebenso  aber  macht  sich  auch  hier  wieder  der  chinesische  Einfluß  geltend,  wenn 
freilich  gleichfalls  der  europäische  Stil  noch  durchaus  überwiegt. 

Unter  den  Malereien  europäischen  Charakters  stehen  an  erster  Stelle  wieder 
jene  Frucht-  und  Blumenhaufen,  die,  in  die  Plastik  übersetzt,  als  Reliefs  damals 
so  oft  auf  die  Steinzeuge  wie  Porzellane  Böttgers  gesetzt  wurden,  als  Malereien 
aber  auch  auf  den  schwarz  glasierten  Steinzeugen  häufiger  vorkommen. 
Es  scheint  ein  Lieblingsmotiv  Böttgers  oder  seines  Kreises  gewesen  zu  sein,  ein 
echtes  obwohl  naturalistisches  Barockmotiv,  das  sich  wohl  in  allen  Techniken  der 
damaligen  Zeit  wiederfindet.  Daneben  dringt  aber  auch  bereits  hier  die  chine- 
sische Kunst,  die  Malerei  des  chinesischen  Porzellans  in  dieses  Stoffgebiet  ein: 
mehrfach  finden  sich  einzeln  wachsende  Blumen  auf  jenen  eigenartigen  phan- 
tastisch durchlöcherten  Felsen,  die  ein  so  stehendes  Requisit  der  chinesischen 
Pflanzendarstellung  sind  und  sicherlich  hier  von  dieser  entlehnt  worden  sind.  Nur 
ist  freilich  die  Nachbildung  dieser  Motive  damals  noch  keine  so  getreue,  wie  sie 
es  später  werden  sollte  (siehe  Titelbild). 

Verwandten  Charakters,  nur  weit  grotesker,  ist  dann  eine  Gruppe  von  jenen 
phantastischen  Darstellungen  des  chinesischen  Lebens,  den  sogenannten  „Chinoi- 
serien",  die  später,  nach  Böttgers  Tode,  freilich  in  gänzlich  anderer  Gestalt,  im 
Meißner  Porzellan  eine  so  große  Rolle  spielen  sollten,  damals  aber  wiederum  sich 
bereits  auf  dem  schwarz  glasierten  Steinzeug  vorgefunden  hatten.  Nur  erscheinen 
sie  hier  auf  dem  Porzellan  noch  phantastischer,  aber  dafür  auch  ungeschickter.  Es  sind 


232 


Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  95.     Böttg^erporzellan  mit  Malereien  in  Qold. 

König'l.  Porzellansammlung,  Dresden.    Höhe  des  Theetopfes  12  cm. 


silhouettenhafte  Darstellungen  von  Landschaften  und  Architekturen  in  Verbindung 
mit  Menschen,  die  aber  noch  stark  zurücktreten.  So  bauen  sich  z.  B.  auf  Tassen 
der  Dresdner  Porzellansammlung  mehrfach  Häusergruppen  auf  mit  wunderlichen 
Türmen  und  Kuppeln.  Spindeldürre  Bäume,  die  Palmen  vortäuschen  sollen,  ragen  da- 
zwischen empor.  Daneben  führen  Treppen  zu  einem  naiv  bewegten  Wasser  hinab, 
an  dem  wieder  seltsame  Bauten  stehen.  Dazwischen  aber  bewegen  sich  recht 
sonderbare  Figuren,  einmal  eine  Art  Indianer,  der  in  aller  Gemütsruhe  einem 
Krokodil  seine  Lanze  in  den  Rachen  bohren  will,  ein  andermal  ein  bezopfter,  tanzen- 
der Chinese,  der  fröhlich  Becken  zusammenschlägt  (Titelbild).  Auf  Tassen  des  Zäh- 
ringer Museums  in  Karlsruhe  erblickt  man  dagegen  eine  Opferszene:  ein  chine- 
sischesTempelgebäude  nebst  einem  Baum  erhebt  sich  zwischen  zwei  Fahnenstangen, 
davor  steht  ein  Priester  an  einem  von  einer  Flamme  gekrönten  Altar,  dies  alles 
in  weit  zerstreuter  Darstellung.  Es  ist  die  ganze  Konfusion  und  Unklarheit  der 
damaligen  Zeit  über  die  fernen  Länder  sowohl  des  Westens,  wie  des  Ostens,  die 
sich  hier  zusammenfindet  und  in  seltsamen  Bildern  niederschlägt,  freilich  hier 
noch  in  einer  erstaunlich  ungeschickten  Weise.  Die  Figuren  stehen  viel  zu  groß 
neben  den  Architekturen  und  Landschaftsstücken;  sie  sind  sogar  größer  als  diese. 
Bereits  hat  hier  scheinbar  die  verzerrte  Perspektive  Chinas  die  europäische  Korrekt- 
heit völlig  in  Verwirrung  gebracht.  Aber  auch  rein  künstlerisch  genommen,  sind  diese 
Arbeiten  völlig  wertlos,  Stümpereien,  denen  die  deutsche  Porzellankunst  des 
18.  Jahrhunderts  später  wenig  gleich  Schlechtes  zur  Seite  gesetzt  hat.  Freilich  scheint 
es  sich  auch  hier,  nach  der  geringen  Zahl  der  erhaltenen  Stücke  zu  urteilen,  in  erster 
Linie  um  Versuchsstücke  gehandelt  zu  haben.  Auch  kommen  alle  diese  Motive 
nur  in  Emailfarben  vor.  Sie  sind  darum  vielleicht  auch  die  Arbeiten  nur  eines 
der  Emailmaler  der  Manufaktur,  unter  denen  der  Maler  Funke,  als  der  damals 
am  meisten  genannte  ^^^),  wohl  in  erster  Linie  in  Frage  kommen  kann. 

Doch  ist  es  nicht  ganz  ausgeschlossen,  daß  die  geringe  Qualität  dieser  Male- 
reien in  Emailfarben  auch  die  Folge  einerseits  der  damals  noch  recht  wenig  brauch- 


Die  Dekorationsmotive.  233 


Abb.  96.    BSttgferporzeUan  mit  Emailmalereien  in  Rosa. 

KönigL  Porzellansammlung:,  Dresden.     Höhe  8  cm, 

baren  Farben  war,  die  dem  Künstler  jede  Freiheit  der  Arbeit  benahm,  andrer- 
seits auch  des  Bestrebens,  um  jeden  Preis  Malereien  im  chinesischen  Stil  zu 
erfinden.  Jedenfalls  finden  sich  unter  den  monochromen  Malereien,  die  im  allge- 
meinen fast  ganz  europäischen  Charakter  zeigen,  Arbeiten,  die  eine  weit  größere 
Sicherheit  der  Zeichnung  wie  der  Malerei  zeigen,  ja  zu  den  besten  Arbeiten  der 
Böttgerschen  Zeit  gehören  ^^6), 

Diese  monochromen  Malereien,  die  beinahe  rein  europäischen  Charakter  zeigen, 
scheinen  jedoch,  da  sie  wiederum  fast  nur  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  vor- 
kommen und  selbst  hier  nur  in  wenigen  Stücken,  gleichfalls  nur  Versuche  gewesen 
zu  sein,  die  sich  zu  keinem  festen  Typus  erhoben  haben.  Ihre  Motive  sind  fast  alle 
landschaftlicher  Natur.  Doch  nur  auf  zweien  dieser  Tassen,  von  denen  die  eine  die 
Darstellung  einer  Wasserburg  in  Eisenrot  gemalt  zeigt,  scheint  sich  auch  der  Maler 
jener  eben  erwähnten  phantastisch -exotischen  Landschaften  in  monochromen 
Malereien  versucht  zu  haben  (Abb.  91).  Die  übrigen  zeigen  alle  einen  gänzUch  an- 
deren Charakter  und  eine  gänzlich  andere  Durchführung.  Gemeinsam  sind  allen 
diesen  Darstellungen  Bäume  und  Felsen,  mithin  ein  gewisses  romantisches 
Element,  wie  es  zuerst  als  etwas  ganz  Selbständiges  Salvator  Rosa  in  die 
Kunst  eingeführt  hat.  Die  übrigen  Zutaten  verstärken  dies  nur:  da  sieht 
man  einmal  auf  einem  baumbestandenen  Felsen  eine  kleine  Kapelle  mit  hochauf- 
gerichtetem Kreuz  und  einigen  Häusern,  wahrscheinlich  die  Wohnstätte  jenes  Ein- 
siedlers, der  langsam  auf  einem  hoch  über  eine  von  einem  breiten  Bach  durch- 
strömte Felsenschlucht  führenden  Holzsteg  daherkommt,  während  in  der  Ferne 
eine  Kirche  auftaucht  und  eine  Burg  von  einem  hohen  Felsen  herabblickt.  Ein 
ander  Mal  erblickt  man  wiederum  eine  Kapelle  auf  einem  Felsen,  zu  der  eine 
Prozession  heraufsteigt,  indes  andere  Gläubige  noch  erst  hinauf  wollen.  Auch  hier 
tauchen  in  der  Ferne  Häuser  auf,  zu  denen  eine  breite  Straße  mit  einer  Schenke 
und  einem  Reiter  führt.  Dann  gibt  es  weiter  die  Darstellung  einer  Jagdszene: 
ein  Zelt  ist  am  Rande  eines  breiten  Stromes  aufgeschlagen,  ein  Jäger  mit  Bogen 
und  einigen  Hunden  steht  davor,  in  der  Ferne  zeigt  sich  eine  Stadt  an  einem 
Fluß,  über  den  eine  lange  Steinbrücke  führt,  darüber  aber  steigt  das  Gebirge  auf 


234 


Das  Böttgerporzellan. 


mit  vielen  hohen  Kuppen.  Die  allermerkwürdigsten  Motive  jedoch  finden 
sich  an  einer  anderen  Tasse:  sie  sind  nichts  als  eine  Reihe  einzelner  in  Abständen 
von  einander  aufsteigender  Bäume  zwischen  niedrigen  Felsen.  Figuren,  Fern- 
sichten fehlen  hier.  Ein  solches  landschafthches  Motiv,  das  auf  alle  Spuren  des 
Menschen  und  seiner  Tätigkeit  in  der  Natur  verzichtet,  ist  selbst  in  der  dama- 
ligen Landschaftsmalerei  kein  gerade  häufiges  (Abb.  91  u.  96). 

Alle  diese  Motive  stehen  in  der  Porzellankunst  des  18.  Jahrhunderts  ganz 
vereinzelt  da.  Die  spätere  Porzellanmalerei,  selbst  die  der  Meißner  Manufaktur, 
hat  sie  nicht  wieder  aufgenommen.  Sie  waren  auch  wohl  für  dieselbe  kaum 
recht  geeignet,  da  alles  Romantische  damals  doch  wohl  als  etwas  zu  schwer  für  die 

heitere,  glänzende  Kunst  des  Porzellans  gegolten  haben 
wird.  Sicherlich  aber  werden  sie  auch  damals  keine 
Originalerfindungen  gewesen  sein,  vielmehr  Nachbildun- 
gen von  Werken  der  hohen  Kunst,  wenn  sie  auch 
künstlerisch  z.  T.  so  gut  durchgeführt  sind,  daß  man 
erstaunt  ist,  dieser  geschickten  Kraft  nicht  häufiger  im 
Porzellan  Böttgers  und  der  folgenden  Zeit  zu  begegnen. 
'  Neben  diesen  Darstellungen  gegenständlichen  In- 
halts nimmt  dann  die  reine  Ornamentik  in  dem  da- 
maligen Porzellan  einen  großen  Platz  ein,  wenn  sie 
auch  keineswegs  so  reich  und  mannigfaltig  erscheint 
wie  jene.  Dafür  ist  sie  freilich  von  irgendwelchem 
orientalischen  Einfluß  noch  völlig  frei  geblieben.  Ge- 
hänge, meist  in  Form  von  ,,Laub-  und  Bandelwerk", 
in  lockerer  Anordnung,  wie  sie  damals  vielfach  aus  dem 
Lambrequins  des  Barocks  hervorgingen,  bald  einfacher, 
bald  reicher,  bisweilen  auf  den  größeren  Flächen  auch 
in  Verbindung  mit  dem  für  diese  Zeit  des  Barocks 
so  charakteristischen  Gitterwerk,  stellen  hier  das  Hauptkontingent  dar.  Sie 
finden  sich  als  Gold-,  Silber-  ^^7)^  Lüster-,  bunter  und  einfacher  Emailmalerei 
und  hängen  in  der  Regel  naturgemäß  von  den  oberen  Rändern  der  Gefäße  herab, 
indem  sie  nur  einen  Teil  ihrer  Wandungen  bedecken  (Abb.  90  u.  92),  oder  sie  umziehen 
sie  auch  gelegentlich  in  Verbindung  mit  dem  erwähnten  Gitterwerk  streifen- 
förmig (Abb.  93  u.  95).  Am  reichsten  jedoch  hat  sich  diese  Ornamentik  an  denbreiten 
Flächen  jener  großen  oben  genannten  Vasen  entfaltet,  die  von  oben  bis  unten  mit 
roter  Lackfarbe  zugedeckt  und  mit  uneingebrannter  Goldornamentik  bemalt  sind. 
Hier  namentlich  macht  sich  dies  Gitterwerk,  das  sonst  so  charakteristisch  ist 
für  das  frühe  Porzellan  der  als  erste  nach  der  Meißner  Manufaktur  begründeten 
Porzellanfabrik  zu  Wien,  besonders  breit,  so  daß  man  fast  einen  Zusammenhang 
zwischen  beiden  vermuten  möchte  (Abb.  89). 

Damit  dürfte  die  Darstellung  dessen,  was  5ö«ger  in  koloristischer  Hinsicht  für  sein 
Porzellan  getan  hat,  erschöpft  sein.   Nun  gilt  es  nur  noch  festzustellen,  daß  Böttger, 


Abb.  97.     Böttgerporzellan. 

Theedose 
mit  Grundiernng;  in  Silber. 

Sammlung  Dr.  v.  Dallwitz,  Berlin 
Höhe  13,8  cm. 


I 


Plastische  Schöpfungen. 


235 


wie  er  durch  sein  rotes  Steinzeug  schon  der  Begründer  der  europäischen  keramischen 
Plastik  geworden  war,  jetzt  auch  gleich  von  Anfang  an  jene  europäische  Porzellan- 
plastik ins  Leben  gerufen  hat,  die  in  jenem  Jahrhundert  eine  so  ungeahnte  Be- 
deutung gewinnen  sollte,  wie  sie  dann  auch  dem  Porzellan  bis  auf  unsere  Tage 
nie  wieder  verloren  gegangen  ist.  Er  ist  da- 
durch auch  auf  diesem  Spezialgebiet  seines  Ma- 
terials der  Wegweiser  geworden,  der  allen  folgen- 
den Jahrhunderten  die  Bahnen  wies,  und  hat 
sich  dadurch  wiederum  ein  neues  bedeutendes 
Verdienst  erworben. 

Veranlassung  zu  dieser  Plastik  gab  ihm  na- 
türlich zunächst  wieder  das  chinesische  Porzellan, 
das  zwar  niemals  so  lebhaft  wie  bald  das  euro- 
päische nach  einer  plastischen  Kunst  gestrebt, 
sie  niemals  so  reich  und  kunstvoll  ausgebildet 
hat,  dennoch  aber  eine  ganze  Reihe  eigenartiger, 
zuweilen  freilich  auch  etwas  grotesker  Schöpfun- 
gen auf  diesem  Gebiete  zuwege  gebracht  hat. 
Daneben  aber  auch  sein  rotes  Steinzeug,  in  dem, 
als  das  Porzellan  endlich  aufkam,  bereits  voll- 
zogen war,  was  hier  erst  beginnen  sollte.  Das 
rote  Steinzeug  wurde  daher  auch  auf  diesem  Ge- 
biete zunächst  wieder  tonangebend  und  stil- 
bildend, indem  die  Porzellanplastik  zunächst  da- 
durch entstand,  daß  man  wiederum  die  für 
das  rote  Steinzeug  geschaffenen  Formen  ganz 
oder  teilweise  für  das  neue  Material  benutzte. 
Doch  scheinen  hierbei  durchaus  nicht  alle  zur 
Verfügung  stehenden  Formen  verwandt  zu  sein. 
Man  kennt  bisher  in  Porzellan  von  den  auch  im 
roten  Steinzeug  ausgeführten  Figuren  nur  die 
große  stehende  Figur  der  Göttin  Kuan-jin  (Abb. 
107)  den  großen  Kinderkopf  (Abb.  108)  und  den 
kleinen  hockenden  chinesischen  Götzen,  der 
aber  hier  meist  auf  eine  Platte  gesetzt  und  von 
allem  möghchen  Gerät  zum  Teetrinken  umgeben 
ist  (Abb.  99),  sowie  die  Statuette  des  Königs  August 

des  Starken.  Dagegen  finden  sich  auf  der  anderen  Seite  mehrere  Porzellanfiguren, 
die  nachweisbar  oder  doch  allem  Anscheine  nach  wieder  von  chinesischen  Er- 
zeugnissen abgeformt  sind,  ohne  aber  bisher  im  Böttgersteinzeug  nachgewiesen  zu 
sein  und  die  darum  wohl  auch  erst  für  das  Porzellan  abgeformt  worden  sind.  Es  sind 
dies  eine  große  stehende  Figur  des  chinesischen  Heiligen  Laotse  (Abb.  98),  die  kleine 


Abb.  98.     Böttgerporzellan. 

Abformang  einer  chinesischen  Porzellanfignr 

des  Heiligen  Laotse. 

Künigl.  Porzellansammlung,  Dresden. 
Höhe  31  cm. 


236 


Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  99.    Böttgerporzellan.    Äbformang:  chinesischer  OStzenfigaren. 

Königl.  Porzellansamralung,  Dresden.     Höhe  des  Aufbaues  in  der  Mitte  J20  cm. 


Statuette  einer  ziemlich  steif  stehenden,  einen  Korb  tragenden  Chinesin,  ferner 
eine  kleinere,  gleichfalls  hockende  Chinesenfigur,  für  die  auch  gelegentlich,  wie  die 
Dresdner  Porzellansammlung  zeigt,  nach  chinesischem  Vorbilde  ein  kleines  Tem- 
pelchen gebaut  wurde  (Abb.  99).  Von  ersterer  Figur  hat  sich  au^h  wieder  das  Vorbild, 
von  dem  sie  abgeformt  ward,  in  einer  chinesischen  Porzellanfigur  im  Schlosse  Moritz- 
burg bei  Dresden  erhalten.  Bisweilen,  wenn  auch  sehr  selten,  finden  sich  diese 
Figuren  auch  schon  bemalt,  so  z.  B.  ein  Exemplar  des  kleinen  sitzenden'^Götzen 
in  der  Sammlung  von  Dallwitz  in  Berlin  (Abb.  75),  dann  die  großen  Kinder- 
köpfe, bei  denen  Augen,  Nase,  Mund,  Haare  und  Wangen  leicht  farbig  belebt 
sind  (Abb.  108).  Doch  ist  es  möglich,  daß  die  Bemalung  der  letzteren  schon  der 
Zeit  nach  Böttgers  Tode  angehört. 

Neben  diesen  Arbeiten  finden  sich  aber  in  der  charakteristischen  gelblichen 
Masse  des  Böttgerschen  Porzellans  eine  ganze  Reihe  meist  kleinerer  Skulpturen 
rein  europäischen  Charakters,  die  einen  ganz  anderen  Geist  als  die  eben  genannten 
atmen,  sich  aber  gleichfalls  bisher  niemals  im  Böttgersteinzeug  vorgefunden  haben. 
Es  handelt  sich  hier  auch  ersichtlich  nicht,  wie  bisher  fast  ausschließlich,  um  Ab- 
formungen  anderer  Werke,  die  oftmals  in  einem  ganz  anderen  Material  ausgeführt 
waren,  vielmehr  um  völlig  freie,  selbständige,  ausschließlich  für  das  Porzellan  ge- 
schaffene Arbeiten,  mithin  um  die  erste  wirklich  selbständige  Porzellanplastik  Euro- 
pas.   Freilich  muß  gleich  gesagt  werden,  daß  es  sich  bei  diesen  Werken  nicht  immer 


Plastische  Originalarbeiten. 


237 


mit  Sicherheit  angeben  läßt,  ob  sie  wirkhch  alle  noch  der  Böttgerschen  Zeit  und 
nicht  schon  der  unmittelbar  ihr  folgenden  angehören.  Wenn  irgendwo  auf  dem  Gebiet 
der  Frühzeit  des  Meißner  Porzellans,  dann  verwischen  sich  auf  dem  der  Plastik 
die  Grenzlinien  dieser  beiden  Perioden,  die  überhaupt  unmerklicher  ineinander  über- 
fließen, als  man  bisher  meist  angenommen  hat,  um  freilich  dann  später  zu  den 
schärfsten  Gegensätzen  sich  zu  entwickeln  ^^^).  Es  ist  daher  wohl  möglich,  daß 
alle  diese  Arbeiten  bereits  den  ersten  Jahren  der  folgenden  Periode,  der  sogenannten 
Heroldzeit,  angehören,  zumal  die  Böttgersche  Zeit  ja  auch  hinsichtUch  der  Gefäß- 
bildnerei  kaum  noch  für  das  Porzellan  neue  Bildungen  versucht  hat,  indes  mit 
Böttgers  Nachfolger  Herold  sogleich  ein  neuer 
frischer  Geist  in  die  Manufaktur  einziehen  sollte, 
der  auch  das  Gebiet  der  Plastik  nicht  außer  acht 
gelassen  hat.  Aus  dieser  Zeit  hört  man  daher 
bald  von  neuen  plastischen  Arbeiten,  es  werden 
auch  mehrere  Künstlernamen  genannt,  indes  die 
Böttgerscke  hierüber  durchaus  schweigt  und  irgend 
ein  Künstler,  der  Böttger  damals  für  solche  Ar- 
beiten zur  Verfügung  gestanden  hätte,  nicht  be- 
kannt ist. 

Hinsichtlich  der  Motive  dieser  Werke  steht 
man  hier  freilich  vor  einer  ziemUch  bunten,  selt- 
samen, z.  T.  fast  rätselhaften  Gesellschaft,  die  fast 
den  Eindruck  erweckt,  als  hätte  man  das  Porzellan 
in  seiner  Kindheit  einer  ernsteren,  gediegeneren 
Plastik' noch  nicht  für  würdig  gehalten,  als  hätte 
man  geglaubt,  in  ihm  nur  Witze  reißen  oder 
Possen  treiben  zu  dürfen,  eine  Auffassung,  die  frei- 
lich später,  da  man  in  diesem  Stoffe  mit  Gewalt 
sogar  eine  regelrechte  Monumentalplastik  zuwege 
bringen  wollte,  ins  volle  Gegenteil  umgeschlagen  ist. 

An  der  Spitze  dieser  Plastik  steht  freilich 
wieder  der  König  August  der  Starke  selber.  Der  eigentliche  Bewirker  aller 
dieser  Dinge,  er  durfte  in  diesem  Materiale,  auf  dessen  in  seinen  Landen  erfolgte 
Erfindung  er  so  stolz  war,  und  von  dem  er  sich  damals  so  glänzende  Erfolge  ver- 
sprach, nicht  fehlen.  Freilich  handelt  es  sich  auch  hier  wieder  nur  um  eine 
kleine,  kaum  11  cm  hohe  Statuette,  einem  völlig  anderen  Werke  indessen, 
als  dem  zuerst  in  Steinzeug  ausgeführten.  Zwar  ist  der  König  auch  hier 
wieder  heroisch  aufgefaßt,  zwar  krönt  auch  hier  sein  Haupt  ein  Lorbeerkranz. 
Aber  aus  dem  posenhaften  Stehen  ist  ein  effektvolles  Vorwärtsschreiten  geworden : 
energisch  wendet  sich  der  Kopf  zur  Seite,  schwingt  die  Rechte  den  Kommandostab 
und  wallt  in  großen  bauschigen  Falten  der  Königsmantel  hinterdrein  (Abb.  100). 
Das  Porzellan   konnte  wohl  in   der  Tat   in   so  kleinem  Maßstabe  keine  größere 


Abb.  loo.    Böttgerporzellan. 

Statuette  König  Aagnst  des  Starken  mit 

Emailfarben  bemalt. 

Sammlung^  Gumprecht,  Berlin.    Höhe  xi  cm. 


238  Das  Böttgerporzellan. 

Monumentalität  entfalten,  als  es  hier  geschehen.  Beide  Arbeiten,  sowohl  die  im 
Steinzeug,  wie  die  in  Porzellan,  dürften  die  besten  selbständigen  Werke  dieser  Zeit 
in  den  von  Böttger  erfundenen  Materialien  darstellen  und  auch  wohl  trotz  teil- 
weiser Verschiedenheit  der  Auffassung  von  derselben  Hand  stammen. 

Dann  aber  tauchen  wirklich  seltsame  Gebilde  auf:  man  erblickt  zunächst,  immer 
noch  in  kleinem  Maßstabe,  auf  ovalen,  gedrehten  Sockeln  zwei  fürstliche  Persön- 
lichkeiten, ein  alter,  ein  wenig  gebeugter  Herrscher,  wiederum  mit  langwallender 
Gewandung,  der  auf  dem  Kopf  eine  Art  Ritterhelm  mit  starkem  Federbusch  trägt, 
in  der  Rechten  dagegen  einen  Pokal  hält,  so  daß  er  fast  wie  ein  König  von  Thule 
erscheint;  dann  eine  Königin,  gleichfalls  in  weitwallender  Gewandung  mit  der 
Krone  auf  dem  Haupte  (Abb.  103).  Diese  beiden  Arbeiten  können  ihrem  ganzen  Stile, 
besonders  aber  der  Gewandbehandlung  nach,  von  dem  Urheber  der  Königsstatuetten 
stammen.  Was  aber  bedeuten  sie  ?  Was  besagt  ihre  so  unklare  Charakteristik  ? 
Sind  sie,  die  fast  wie  Karikaturen  auf  das  damalige  Fürstentum  aussehen,  nur 
kuriose  Einfälle  einer  seltsamen  Phantasie  ?  Oder  sind  sie  Illustrationen  zu 
irgend  einem  früheren  geschichtlichen  oder  biblischen  Ereignisse  ?  ^^^) 

Aber  dann  geht  es  noch  seltsamer  weiter.  Eine  steif  aufgestellte,  in  einem 
langen  Mantel  gekleidete  und  mit  einem  spitzen,  dreieckigen  Hut  bedeckte  Figur  gibt 
sich  unverkennbar  als  Chinese  (Abb.  103),  ein  Bauer  in  einer  fremdländischen  Tracht, 
an  den  sich  ein  Kind  in  langen  Hosen  und  mit  langen,  bis  zu  den  Beinen  herab- 
fallenden Haaren  klammert,  erscheint  fast  wie  ein  Bewohner  jener  östlichen  Ge- 
genden, die  August  der  Starke  als  König  von  Polen  seinem  Stammlande  ange- 
gliedert hatte.  Beide  fremdländischen  Völkerschaften,  für  die  sich  damals  Sachsen 
und  seine  Bewohner  besonders  interessiert  haben  müssen,  würden  demnach  schon 
damals  im  Porzellan  erschienen  sein,  wie  sie  es  später  im  18.  Jahrhundert  noch 
so  oft  tun  sollten. 

Dann  aber  kommt  als  Eigenartigstes  ein  Geschlecht  von  Zwergen,  häßlich, 
verwachsen  und  plump,  in  den  seltsamsten  Kostümen,  mit  den  seltsamsten,  meist 
aufgeregten,  wie  sprechenden  Gebärden  und  viel  zu  großen  Köpfen  und  noch  größeren 
Kopfbedeckungen  und  Perücken  ^^^).  Es  sind  Männer  und  Frauen,  mehrfach  auf 
höheren,  profilierten,  auch  ausgerundeten  Sockeln  stehend,  die  ersichtlich  Kari- 
katuren darstellen  auf  irgendwelche  Charaktere,  Berufe  u.  dgl.,  auf  Fürsten 
wie  Bürger  und  Bauern,  selbst  auch  wieder  auf  fremde  Völker.  Man  glaubt  darunter 
Ratsherren  zu  sehen,  dann  Bürgersfrauen,  Musikanten,  biedere  Handwerker,  einen 
König  in  einer  Art  Schlafrock,  merkwürdigerweise  wieder  mit  einem  Becher  in  der 
Hand,  einen  Indianer  usw.  (Abb.lOi,  102,  110).  Derartige  Figuren,  ursprünglich  eine 
Erfindung  des  seltsamen  französischen  Radierers  des  17.  Jahrhunderts  Callot,  der  sie 
in  einer  Reihe  von  Stichen  herausgegeben  hat,  sind  damals,  wie  es  ihr  häufiges 
Vorkommen  in  dieser  Zeit  zu  beweisen  scheint,  Mode  gewesen,  vor  allem  in  der 
Plastik  ^31).  Es  waren  auch  Motive,  so  recht  aus  dem  Geist  des  stets  zum  Absonder- 
lichen, Ungewöhnlichen  und  Verblüffenden  sich  hinneigenden  Barocks  erfunden, 
zugleich   auch  solche,    die  wegen  ihrer  Niedlichkeit  und  Kleinheit  gar  wohl  für 


Callot- Figuren. 


239 


Abb.  loi.    Bött^erporzellan.    Sogenannte  Callot-Pignren  mit  Emailfarben  bemalt. 

Sammlung-  Gumprecht,  Berlin.     Höhe  der  mittleren  Figur  i6  cm. 


das  immer  dem  Kleinen  und  Zierlichen  so  zugetane  Porzellan  geeignet  erschienen. 
Die  besondere  Veranlassung  aber  zu  diesen  Schöpfungen  in  Porzellan  war 
ein  neues  Werk,  eine  Folge  von  Kupferstichen,  betitelt:  ,,I1  Gallotto  resuscitato 
Oder  Neu  eingerichtetes  Zwerchen-Gabinet.  Le  Monde  est  plein  de  sots  joieux. 
Les  plus  Petits  sots  sont  les  mieux.  De  Waereld  ist  vol  Gekken-Nesten  de  Klynste 
Narren  zyn  de  beste.  1716  tot  Amsterdam  gedruckt  by  Wilhelmus  Koning".  Es 
erschien  gerade  in  dieser  Zeit,  da  das  europäische  Porzellan  zuerst  auf  den  Markt 
gelangte  und  konnte  demnach  damals  als  das  Neueste  vom  Tage  gelten.  Sein 
Inhalt  ist  eine  Folge  von  flott  und  z.  T.  ganz  witzig  gezeichneten  Karikaturen 
auf  alle  möglichen  Berufsarten  der  Zeit,  vom  Gouverneur  und  General  ange- 
fangen bis  zum  Juden  und  der  Kupplerin,  er  verspottet  stark  die  Soldaten  und 
die  Verliebten.  Einer  jeden  Figur  ist  zu  diesem  Zwecke  auch  ein  besonderer,  längerer, 
sie  charakterisierender  Name  beigeschrieben,  desgleichen  ein  die  Situation,  in  der 
sie  sich  befindet,  näher  charakterisierender  Vers.  Diesem  Werke  sind  mehrere  dieser 
Callot-Figuren  in  Porzellan  unmittelbar  entlehnt,  indem  die  Stiche,  wie  es  später 
in  der  Porzellanplastik  des  18.  Jahrhunderts  noch  so  oft  geschehen  sollte,  un- 
mittelbar in  die  Plastik  übertragen  wurden,  mit  jenen  leichten  Abänderungen, 
die  die  gebundenere  Kunst  der  Plastik  gegenüber  der  freieren  Malerei  verlangt. 
So  ist  z.  B.  in  der  Sammlung  Gumprecht  zu  Berlin,  die  aus  dem  Zusammenbringen 
derartiger  Figuren  sich  eine  ganz  besondere  Aufgabe  gemacht  hat,  ein  affektiert 
modisch  gekleideter,  auf  einen  Stock  gestützter,  eitler  Geck  dem  zwanzigsten  Stich 
dieses  Werks  entlehnt,  dessen  Figur  als  Monsieur  le  Marquis  de  Sautorelles  Obrister 
Heuschrecken  Commissarius  in  der  Liebes  declaration  bezeichnet  und  unterschrieben 
mit  dem  bezeichnenden  Verse  ist: 


240  Das  Böttgerporzellan. 


Abb.  I02.    Böttgerporzellan.    Sogenannte  Callot-Fignren. 

Künig-l.  Porzellansammlung',  Dresden.   Hübe  der  linken  Fi|^r  6  cm. 

Verzeith  mir  Mademoiselle,  mein  unvergleichlich  Kind, 
Gescheid,  holdseelig,  schön,  dergleichen  man  nicht  find. 
Erlaubt  mir  doch  ein  Visit  par  courtoisi, 
Ich  schwör  Euch,  denn  ich  bin  verliebt  a  la  folie. 

Eine  andere  Figur  derselben  Sammlung  ist  dagegen  dem  Blatt  Nr.  14  nach- 
gebildet. Hier  ist  ein  Mann  in  türkischer  Tracht  dargestellt  und  als  „Hali  Nasili 
Pascha,  dess  Visir  Knupperli  Bruder,  Statthalter  auff  der  großen  Insul  Schmeks 
in  Arschipelagus"  ihm  der  Vers  gewidmet: 

„Bey  meinem  Mahomet  hab  ich  es  längst  geschworen, 
Daß  alle  Christen  sind  in  meiner  Gewalt  verlohren, 
Sie  aber  trutzen  mich  und  spotten  meinem  Wort. 
Verbannen  Nasili  offt  in  ein  stinkhends  Orth." 

Eine  dritte,  gleichfalls  in  dieser  Sammlung,  gibt  den  ,,Riepl  Gleichdorn  Appro- 
bierter und  Privilegierter  Sauschneider  und  spanischer  äpfell-Abaldator"  wieder. 
Schließlich  zeigt  eine  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  befindliche  Figur  den 
auf  Blatt  Nr.  3  dargestellten  „Herr  Vincentz  Zipperling  ältesten  Raths- Verwandten 
zu  Hirschau  in  seinem  bequemen  Schlafpelz".  Nur  ließ  man  hier,  wie  man  es  schon 
bei  der  zuerst  erwähnten  Figur  getan  hatte,  wohl  aus  technischen  Gründen 
den  Stock,  auf  den  er  sich  stützt,  fort  und  gab  ihm  wieder  einen  großen  Trink- 
becher in  die  Hand.  Er  erscheint  damit  wieder  als  ein  Trinker,  wie  der  vorher 
erwähnte  König  oder  Ritter.  Die  meisten  dieser  Porzellanfigürchen  jedoch  finden 
sich  in  diesem  Werke  nicht.  So  können  sie  freie  Erfindungen  des  Künstlers 
sein,  der  zuerst  diese  Nachbildungen  gemacht  hat  und  dann  wohl  die  Lust  zu  eigenen, 
verwandten  Schöpfungen  in  sich  spürte,  die  freilich  dann  nicht  immer  so  interessant 
und  charakteristisch  ausgefallen  sind  wie  jene.  In  technischer  Beziehung 
jedoch  erscheinen  alle  diese  Figuren  noch  ziemlich  primitiv.  Sie  wurden  zunächst, 
wie  immer,  in  Formen  hergestellt,  dann  aber  jede  einzeln  ziemlich  eingehend 
durchgearbeitet,  wobei  man  sich,  wie  es  scheint,  meist  eines  etwas  breiten, 
kantigen   Modellierholzes    bedient  hat,    was   namentlich   an   den    Haaren,    den 


Callotfiguren. 


241 


Gewandfalten  u.  dgl.  zu  ziemlich  harten,  breiten  Furchen  geführt  hat.  Dadurch 
haben  diese  Werke  noch  nichts  von  der  späteren,  den  Porzellanfiguren  meist  eigen- 
tümlichen rundhchen  Weichheit  erhalten.  Es  bleibt  vielmehr  etwas  Skizzenhaftes, 
Unfertiges  bestehen,  das  für  den  im  übrigen  nach  dem  Brande  immer  so  vollendet 
dastehenden  Stoff  nicht  recht  angemessen  erscheint^  So  bilden  diese  ersten  selb- 
ständigen, plastischen  Schöpfungen  des  europäischen  Porzellans  zu  den  von  den 
chinesischen  Porzellanen  abgeformten  Werken  noch  einen  großen,  für  sie  nicht 
gerade  günstigen  Gegensatz,  und  die  europäische  Plastik  hat  daher  noch  recht  viel 
zu  tun  und  noch  recht  viel  zu  probieren  gehabt,  bevor  sie  den  dem  Porzellan  am 
meisten  angemessenen  plastischen  Stil  finden  sollte:  es  mußte  zu  diesem  Zwecke 
erst  eine  Persönhchkeit  kommen,  die  sich  als  Plastiker  ganz  in  dieses  Material  ver- 
tiefte, wie  es  damals,  wo  man  nicht  einmal  für  die  Gefäße  in  ihm  neue  Formen 
erfand,  noch  niemand  getan 
hatte,  es  mußte  erst  jemand 
gelernt  haben,  in  diesem 
Materiale  stilistisch  ein- 
wandfrei Gefäße  zu  bilden 
und  diese  plastisch  reicher 
zu  beleben,  bevor  man  auch 
das  schwierigere  Gebiet  der 
reinen  Plastik  in  ihm  be- 
wältigen konnte,  mit  an- 
dern Worten,  es  mußte  erst 
die  geniale  Kraft  des  Bild- 
hauers Kandier  sich  um  die 
Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
in  den  Dienst  der  Meißner 
Manufaktur   stellen,   bevor 

der  richtige    europäische  Porzellanstil  geschaffen,   bevor  auch  eine  befriedigende 
Plastik  zuwege  gebracht  werden  konnte. 

Übrigens  suchte  man  diese  Figuren  bisweilen  auch  schon  farbig  zu  beleben. 
Vergoldungen  kommen  vor,  die  Gewänder  werden  bunt  bemalt,  das  Gesicht  durch 
Fleischfarbe  belebt,  die  Stiefel  schwarz  gehalten  u.  dgl.m.  Es  zeigen  sich  hier  überall 
dieselben  lebhaften,  aber  trüben  Farben,  die  sich  auf  den  Gefäßen  dieser  Zeit  finden. 
Damit  ist  aber  hier  gleichsam  auch  schon  der  Anfang  mit  der  polychromen  Porzellan- 
plastik gemacht  worden,  die  bald  eine  so  große  Bedeutung  und  nicht  zum  wenigsten  im 
Meißner  Porzellan  gewinnen  sollte,  einer  polychromen  Plastik,  die  aber  auch 
kaum  aus  einem  anderen  Stoffe  mit  solcher  Natürlichkeit  sich  ergibt,  \\ie  aus 
diesem.  Nur  ist  damals  auch  hier  noch  alles  in  den  ersten  Anfängen  stecken  geblieben. 

Bei  weitem  technisch  sicherer  und  materialgemäßer  wirkt  dann  aber  noch  eine 
kleine  Gruppe  von  plastischen  Werken,  die  freilich  wiederum  von  einer  gewissen 
Absonderlichkeit  nicht  freizusprechen  ist.     Es   sind  kleine,   bescheidene  Tierdar- 


Abb.  103.    BöttgerporzeUan.    Verschiedene  kleinere  Figuren. 
Künig^l,  Porzellansammlung',  Dresden.     Höhe  der  Figur  in  der  Mitte  la  cm. 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan. 


16 


242 


Das  Böttger  Porzellan. 


Abb.  104.    Böttg^erporzellan.    Frosch  und  Eidechse. 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.     Hohe  des  Frosches  3  cm. 


Stellungen,  in  denen  wir  nun  auch  die  ersten  Vorläufer  jener  Tierplastik  begrüßen 
können,  die  bald  und  bis  in  unsere  Zeit  im  Porzellan,  und  wiederum  nicht  zum 
wenigsten  im  Meißner,  eine  so  große  Rolle  spielen  sollte.  Jedoch  die  Wahl  der 
Motive  erscheint  auch  hier  wiederum  sehr  bezeichnend  für  die  Gefühle,  mit  denen 
man  damals  noch  dem  Porzellan  als  rein  künstlerischem  Stoff  gegenübertrat.  Nicht 
große  bedeutende  und  interessante  Tiere  wurden,  wie  es  später  geschah,  im  Porzellan 
nachgebildet,  sondern  zunächst  das  kleine  Gewürm  der  Erde,  das  man  mit  -Füßen 
tritt  und  in  der  Natur  kaum  beachtet:  Eidechsen  und  Frösche,  freilich,  wie  die 
Dresdner  Porzellansammlung  zeigt,  in  natürlicher  Größe  (Abb.  104).  Sie  konnten  keine 
großen  Kunstwerke  werden,  mußten  auch  damals  nur  als  Spielereien-  gelten,  viel- 
leicht nur  als  Beweise,  daß  man  auch  so  etwas  in  Porzellan  darzustellen  vermochte, 
wie  es  ja  damals  auch,  nach  den  noch  heute  in  der  Dresdner  Porzellansammlung 
erhaltenen  Beispielen  zu  urteilen,  das  chinesische  Porzellan  tat.  Immerhin 
aber  erfreuen  diese  Werke  durch  die  Natürlichkeit  und  Frische  ihrer  Wiedergabe, 
was  alles   war,  was  man  wohl  bei  so  simplen  Aufgaben  erreichen  konnte. 

Damit  aber  war  auch  die  Porzellanplastik  dieser  Zeit  zu  Ende,  und  es  kann 
nun  nur  noch  auf  einige  merkwürdige,  rein  ornamentale  Reliefs  hingewiesen  werden, 
die  sich  bisher  freilich  wiederum  nur  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  haben 
nachweisen  lassen,  Reliefs,  die  jene  Frucht-  und  Blumenstücke,  nur  in  viel 
größerem  Maßstabe,  zeigen,  die  damals  den  Hauptschmuck  der  Steinzeuge  und 
Porzellane  ausmachten  (Abb.  106),  dann  auch  einmal  ein  großes  Akanthusblatt 
(Abb.  105)  und  schließlich  einige  kleinere  Blätterbündel,  darunter  auch  eins  mit 
Eichenblättern,  die  ja  ausdrücklich  damals  als  Erzeugnisse  in  Steinzeug,  wenn  auch 
ohne  Angabe  ihrer  Verwendung,  erwähnt  werden.  Was  aber  war  der  Zweck 
dieser  seltsamen  Reliefs  ?  Waren  es  Probestücke,  die  zeigen  sollten,  wie  weit  man 
die  Größe  der  für  die  Gefäße  in  Steinzeug  und  Porzellan  bestimmten  Reliefs  damals 
schon  ausdehnen  konnte,  ohne  daß  man  freilich  schon  Gefäße  gestalten  konnte, 
die  groß  genug  waren,  um  diese  als  Schmuck  aufzunehmen  ?  Oder  sollten  es 
kleine  Schmuckstücke  für  sich  sein  oder  Appliken  für  Möbel  ?  Auf  alle  diese 
Fragen  fehlt  dieAntwort,  und  so  können  sie  uns  heute  wohl  nur  zum  Beweise  dienen, 
daß  hier  mit  diesen  noch  etwas  Besonderes  im  Porzellan  angestrebt  ward,  dessen 
Endziel  wir  nicht  mehr  festzustellen  vermögen,  das  aber  auch  damals  allem 
Anscheine  nach  noch  nicht  erreicht  ward. 


Gtesamtresultat  243 

Damit  aber  geben  diese  Schöpfungen  nur  im  einzelnen  an,  was  im  allgemeinen 
der  Gesamteindruck  sein  muß,  den  das  Porzellan  dieser  Zeit,  das  Böttgerporzellan, 
als  Ganzes  in  uns  heute  erwecken  muß:  ganz  erstaunlich  weit  in  kurzer  Zeit  in 
technischer  Hinsicht  vorgeschritten,  erstaunlich  reich  auch  in  künstlerischer  schon 
nach  den  verschiedensten  Seiten  hin  ausgebildet,  und  zwar  so  sehr,  daß  die  gesamte 
Geschichte  des  Porzellans  diesem  auch  nicht  im  entferntesten  etwas  Verwandtes 
zur  Seite  zu  setzen  hat,  hat  es  technisch  wie  künstlerisch  noch  nicht  die  Höhe  er- 
reicht, die  ihm  später  beschieden  sein,  und  dann  den  Ruhm  des  Meißner 
Porzellans  ausmachen  sollte.  Aber  die  Grundlage  für  alle  Weiterarbeit  auf  diesem 
Gebiete,  in  technischer  wie  künstlerischer  Beziehung,  ist  durch  das  Porzellan, 
das  Böttger  erfunden  und  ausgebildet  hat  —  das  wird  wohl  aus  dieser  ganzen  Dar- 
stellung genügend  hervorgegangen  sein  — ,  gelegt  worden.  Nun  galt  es  nur  darauf 
fortzubauen  und  weiter  zu  arbeiten,  und  man  mußte  mit  Sicherheit  dahin  ge- 
langen, wonach  diese  ganze  Zeit  und  alle  Jahrhunderte  vorher  gestrebt  hatten,  ein 
Porzellan  zu  gewinnen,  das  künstlerisch  wie  technisch  dem  völlig  gleich  oder  doch 
wenigstens  so  nahe  wie  möglich  kam,  das  nachzubilden  man  von  vornherein  sich 
vorgenommen  hatte. 


16* 


Fortsetzung  des  Böttgerschen  Erbes. 

Am  13.  März  1719  war  Böttger  von  seinem  langen  Leiden  erlöst  worden.  Sein 
früher  Tod  mußte,  wenn  er  auch  keineswegs  unerwartet  kam,  vielmehr  schon  seit 
langem  mit  vieler  Besorgnis  befürchtet  ward,  für  alle,  die  mit  Böttger  in  irgend 
einer  Beziehung  gestanden,  ein  Ereignis  sein,  dem  Aufregung  und  Bestürzung 
folgten.  War  Böttger  doch  in  aller  Augen  durch  das,  was  er  geleistet,  eine  Persön- 
lichkeit gewesen,  die  wirklich  Großes,  ja  ganz  Ungewöhnliches  zuwege  gebracht 
hatte,  eine  Persönlichkeit,  von  der  man  auf  Grund  dieser  Leistungen  nur  immer 
noch  Neues  und  wohl  noch  Größeres,  ja  schließlich  wohl  gar  noch  die  Goldmacherei 
erwarten  zu  können  glaubte,  wie  er  denn  anscheinend  bis  zuletzt  noch  so  voller 
Pläne  und  Absichten  gesteckt  hatte,  daß  ihm  der  König  noch  einmal  unter  vielen 
Opfern  die  Möglichkeit  hatte  gewähren  wollen,  hiervon  wenigstens  noch  einen  Teil 
vor  seinem  Fortgange  zur  Ausführung  zu  bringen.  So  mußte  sein  Dahinscheiden, 
trotzdem  seine  eigentliche  Lebenskraft  und  sein  Wille  zur  Arbeit  schon  lange  er- 
lahmt waren,  dennoch  als  ein  bedeutender,  ja  unersetzlicher  Verlust  erscheinen,  dem 
man  nicht  ohne  große  Trauer  gegenüberstehen  konnte. 

Zugleich  aber  hatte  man  sich  so  sehr  daran  gewöhnt,  Böttger  als  die  Seele 
aller  seiner  Unternehmungen  zu  betrachten,  und  er  selber  auch  alles  getan,  um 
diesen  Eindruck  zu  erwecken,  daß  nun  zunächst  seine  Unternehmungen  gänzlich 
verwaist  erschienen  und  über  ihren  Fortbestand  ernstlicher  Zweifel  herrschen  konnte. 

So  galt  es  zunächst  zu  retten,  was  nur  irgend  noch  zu  retten  war,  von  Böttgers 
Wissen,  Können  und  Taten  soviel  zu  erhalten,  als  irgend  möglich  schien,  d.  h.  es 
galt,  sich  so  schnell  als  möglich  seines  Nachlasses  zu  versichern  und  diejenige  Per- 
sönlichkeit herauszufinden,  die  am  meisten  durch  Böttger  oder  sonstwie  in  den  Stand 
gesetzt  zu  sein  schien,  seine  Unternehmungen,  in  erster  Linie  natürlich  die  Por- 
zellanmanufaktur, weiter  zu  leiten  und  weiter  zu  entwickeln. 

Dann  aber  mußte  es  Hauptaufgabe  sein,  jetzt  bei  der  gänzlich  veränder- 
ten Lage  der  Verhältnisse  den  ganzen  Betrieb  dieser  Unternehmungen  so  um- 
zugestalten, daß  sie  nun  endlich  das  wurden  oder  zu  werden  versprachen,  was  man 
von  ihnen  von  Anfang  an  erhofft  hatte,  ja  weswegen  sie  überhaupt  vom  Könige 
ins  Leben  gerufen  worden  waren:  wirkliche  Einnahmequellen  für  ihn  und  damit 
auch  für  den  Staat  oder  doch  zumindest  Verzinsungen  jener  Kapitalien,  die  nun 
seit  über  10  Jahren  unablässig  in  sie  hineingesteckt  worden  waren.  Sie  sollten  nun 
endhch  diejenige  Goldquelle  werden,  die  der  König  ursprünglich,  doch  in  einem 
ganz  anderen  Umfange  von  den  alchimistischen  Künsten  Böttgers  erwartet  hatte. 


Böttgers  Nachlaß. 


245 


Hinsichtlich  der  Sicherung  seines  Nachlasses  konnte  man  in  der  Tat  nicht 
vorsichtig  und  nicht  schnell  genug  zu  Werke  gehen,  und  so  waren  hier  schon  seitens 
des  Königs  Maßregeln  getroffen  worden,  als  Böttger  noch  am  Leben  war,  sein  baldiger 
Tod  aber  schon  mit  Sicherheit  erwartet  werden  konnte.  Schon  mehrere  Monate  vor- 
her hatte  der  König  aus  Polen  durch  den  Kriegsrat  von  Holzbrinck,  der  Böttger 
immer  nahegestanden,  durch  die  ihm  anbefohlene  Erlernung  der  Arkana  ihm  aber 
noch  bedeutend  näher  getreten  war  ®^^),  —  merkwürdigerweise  —  dem  damaligen 
Kammerdiener  Böttgers  Pyrner  ein  versiegeltes  Kuvert  übergeben  lassen  mit  der 
strengen  Weisung,  es  erst  im  Falle  des  Todes  Böttgers  zu  öffnen  und  dann  die  darin 
befindhchen  Orders  den  darin  Bezeichneten  sofort  zu  übermitteln  ^^^).  Es  waren 
dies  der  Kammerrat  iVeÄmiYz,  der  Hofrat  Z)rea'er,  der  Kommissionsrat  und  Oberamt- 
mann Vockel,  sowie  Böttgers  damahger  Mitarbeiter 
Meerheim,  die  damit  den  Befehl  erhielten,  alle 
Briefe  und  Effekten  Böttgers  sofort  zu  versiegeln. 
Freilich,  als  sie  dies  nun  nach  Böttgers  Ableben 
besorgen  wollten,  war  man  ihnen  in  gewisser 
Weise  bereits  zuvorgekommen.  Nur  wenige  Wochen 
vor  Böttgers  Tode  hatten  sich  —  scheinbar  ganz 
ohne  dazu  besonders  autorisiert  zu  sein  —  der 
Kamerrat  Nehmitz  und  Dr.  Bartelmei  bei  Böttger 
eingefunden  und  ihn  bewogen,  in  Gegenwart 
seiner  Haushälterin  Klunger  und  des  obengenannten 
Kammerdieners  Pyrner,  aber  merkwürdigerweise 
unter  Ausschluß  von  Steinbruch  und  Meerheim, 
seine  stark  in  Unordnung  befindlichen  Papiere 
zu  ordnen,  in  Pakete  zu  verteilen  und  zu  ver- 
schließen ^^*).  Dennoch  erledigten  sich  die  jetzt 
Bevollmächtigten  ihres  Auftrages  mit  größter  Ge- 
wissenhaftigkeit.    Alle    Briefe   wurden   versiegelt, 

desgleichen  alle  schlechten  und  verdorbenen  Porzellane,  die  man  bei  ihm 
vorfand,  auch  alles  „Steinwerk",  wie  es  in  dem  Berichte  heißt  ^^^),  womit 
wohl,  falls  nicht  Fliesen  aus  der  Dresdener  Fayencefabrik,  Edelgesteine  ge- 
meint gewesen  sind,  die  Böttger  auf  seiner  Schleif-  und  Poliermühle  hatte 
schleifen  lassen.  Auch  ward  Meerheim  nach  Meißen  gesandt,  um  dort  im 
Verein  mit  dem  dortigen  Kreisamt  dasselbe  vorzunehmen.  Dann  ward  hierüber 
schleunigst  ein  Bericht  mittels  Staffette  an  den  König  gesandt,  der  sich 
seit  Wochen  schon  in  Fraustadt  in  Polen  befand.  Dieser  Nachlaß  Böttgers 
ist  dann  später  in  mehrere  Gruppen  geteilt  worden.  Ein  Teil  davon,  darunter 
viele  persönliche  Briefe  des  Königs,  Instrumente,  Bücher  u.  dgl.,  ward  an  diesen 
zurückgegeben,  ein  anderer,  die  Meißner  Manufaktur  betreffend.  Steinbrück  für  die 
Manufaktur  übergeben,  der  Rest  aber  für  die  finanzielle  Regelung  der  Böttgersch^n 
Angelegenheit  zurückbehalten.   Bei  dieser  Gelegenheit  kam  auch  einer  jener  Brenn- 


Abb.  105.    Böttgerporzellan. 
Geformtes  Relief,  Akanthusblatt. 

Küni^l.  Porzellansammlung',  Dresden. 
Höhe  13,5  cm. 


246  Das  Böttgersche  Erbe. 

Spiegel  Tschirnhausens,  mit  dem  einst  dieser  wie  Böttger  die  Porzellanerfindung 
begonnen  hatte,  an  die  Kunstkammer  zurück  ^^).  Wie  weit  aber  und  ob  überhaupt 
dieser  Nachlaß  Böttgers  wertvolle,  schriftliche  Aufzeichnungen  enthielt,  die  noch 
nicht  an  die  Öffentlichkeit  gelangte  Gedanken  und  Untersuchungen  von  ihm  offenbart 
hätten,  ist  heute  nicht  mehr  feststellbar.  Böttger  war  allerdings  vom  Könige  von 
Anfang  an  aufgefordert  worden,  ja  hatte  sich  eidhch  dazu  verpflichtet,  alles,  was 
er  an  Wissenschaften  und  Können  besäße,  aufzuzeichnen,  und  Nehmitz  sagt  auch 
einmal,  daß  es  Böttgers  Gewohnheit  gewesen  wäre,  sich  über  alle  seine  Pläne  und 
Absichten  weitläufig  schriftlich  auszulassen  ^^').  Erhalten  jedoch  hat  sich  von 
derartigen  Niederschriften  Böttgers  nur  sehr  wenig  ^^).  Sicherlich  aber  dürften 
sie,  wenn  sie  wirklich  damals  in  größerer  Menge  vorhanden  gewesen  sind,  da  man 
hiervon  nicht  das  Geringste  weiter  hört,  in  der  Weiterentwicklung  der  Böttger- 
schen  Unternehmungen  keine  große  Rolle  gespielt  haben.  Sie  waren  hierfür  wohl 
auch  in  keiner  Weise  erforderlich,  da  das,  was  Böttger  in  betreff  dieser  wirklich  ge- 
konnt hat,  in  der  Hauptsache  ja  längst  in  die  Praxis  getreten  und  dort  auch  bereits 
von  anderen  reichlich  erprobt  worden  war,  so  daß  weitere  schriftliche  Anweisungen 
nach  seinem  Tode  wohl  kaum  noch  vonnöten  waren. 

Die  eigentliche  Ordnung  der  Dinge  aber  nahm  eine  besondere  Kommission  in 
die  Hände,  die  aus  dem  Geheimen  Rat  von  Seebach,  dem  Freiherrn  von  Alemann 
und  dem  Kammerrat  Lesgewanx  bestand,  die  z.  T.  ja  schon  früher  in  den  Böttger- 
sehen  Angelegenheiten  tätig  gewesen  waren.  Auch  ihre  Tätigkeit  scheint  schon 
im  voraus  bestimmt  gewesen  zu  sein  ^^^).  Vor  allem  war  ihnen  aufgetragen  worden, 
darauf  zu  achten,  daß  jene  eben  genannten  Befehle  betreffs  der  Versiegelung  der 
Böttger ^dhen  Sachen  von  den  damit  Beauftragten  mit  der  größten  Gewissenhaftig- 
keit durchgeführt  wurden,  und  so  sehr  scheint  damals  dem  Könige  dies  am  Herzen 
gelegen  zu  haben,  daß  schon  -vom  17.  März,  also  wenige  Tage  nach  Böttgers  Tode 
datiert,  eine  Ordre  des  Königs  aus  Fraustadt  eintraf,  die  die  gewissenhafte  Aus- 
führung dieser  Verrichtungen  ihnen  noch  einmal  auf  die  Seele  band,  zugleich  sie 
aber  auch  darauf  zu  achten  aufforderte,  daß  die  Arbeiter  der  Manufaktur  nichts 
fortbrächten  oder  sonst  von  irgend  jemanden  irgend  etwas  gegen  die  Böttger Sich&a. 
Unternehmungen  unternommen  würde  ^*°).  Es  hatte  daraufhin  die  Kommission 
Drewern  und  Vockel  befohlen,  sich  noch  einmal  um  die  Versiegelung  der  Böttger&ch&n 
Sachen  zu  bekümmern,  vor  allem  den  Zustand  der  Siegel  zu  prüfen  ^*^),  weshalb  jetzt 
von  ihnen  auch  die  Stube,  in  der  Böttgers  Leiche  gelegen,  versiegelt  ward.  Gleich- 
zeitig wurde  jetzt  auch  der  Bestand  der  Warenlager  zu  Meißen,  Dresden  und 
Leipzig  aufgenommen  und  letzteres  ebenfalls  nach  der  Ostermesse  dieses  Jahres 
versiegelt  **2). 

Vier  wichtige  Aufgaben  hatte  dann  diese  Kommission  zu  erledigen:  sie  hatte 
zunächst  die  ganze  Lage  der  Meißner  Manufaktur  zu  untersuchen  —  von  den 
anderen  Unternehmungen  Böttgers  ist  damals  kaum  noch  die  Rede,  sie  waren  ja 
auch  fast  alle  schon  eingegangen  oder  verpachtet  — ,  ferner  die  Ursachen  ihres 
bisherigen    schlechten    Fortganges    festzustellen,    dann   Verbesserungsvorschläge 


Die  Untersuchungskommission. 


247 


zu  machen  und  schließlich  einen  Nachfolger  zu  ernennen  **^).  Zugleich  sollte  die 
Kommission,  damit  ja  keine  Gelegenheit  verginge,  Gewinn  aus  der  Manufaktur 
zu  ziehen,  mit  allen  Kräften  dafür  Sorge  tragen,  daß  schon  für  die  unmittelbar 
bevorstehende  Leipziger  Ostermesse  eine  genügende  Quantität  Waren  zum  Verkauf 
bereit  stände.   Es  sollte  in  dieser  Beziehung  nicht  das  geringste  versäumt  werden. 

Allen  diesen  Aufträgen  hat  sich  die  Kommission  mit  großem  Eifer  und  un- 
leugbarem Geschick  unterzogen,  ein  \Beweis,  wie  wichtig  sie  diese  ganze  ihr  über- 
tragene Angelegenheit  nahm.  Sie  stellte  selbst  genaue  Untersuchungen  an, 
fragte  aber  daneben  auch  alle  diejenigen  eingehend  aus,  die  dem  Werke  Böttgers 
oder  ihm  selber  nahegestanden  hatten.  So  ward  Steinbrück  verhört,  dem  sie  ein 
ganz  besonderes  Vertrauen  entgegenbrachte,  desgleichen  Meerheim,  der  seine 
Ansichten  sogar  schrifthch  einreichte, 
dann  Nehmitz  und  merkwürdigerweise 
auch  der  Advokat  Vollhard,  eine  höchst 
zweifelhafte  Person,  mit  der  Böttger  in- 
zwischen üble  Erfahrung  gemacht  hatte^^*) 
und  der  jetzt  auch  —  anscheinend  wegen 
fauler  Geldgeschichten  —  in  Arrest  saß 
und  daher  kaum  als  ein  besonderer  Ge- 
währsmann in  diesen  Angelegenheiten 
gelten  konnte.  Dabei  begnügte  sich  aber 
die  Kommission  keineswegs,  zu  unter- 
suchen und  Vorschläge  zu  machen.  Ohne 
eigentlich  dazu  autorisiert  zu  sein,  legte 
sie,  wohl  meinend,  das  Handeln  besser 
sei  als  Raten,  wo  Eile  not  tat  und  Ver- 
zug eine  schwere  Schädigung  bedeutet 
hätte,  selber  schon  energisch  s Hand  ans 
Werk  und  scheute  sich  selbst  nicht,  Geld 
auszugeben,  alles  in  der  sicheren  Erwar- 
tung späterer  einsichtsvoller  Billigung  seitens  des  Königs,  worin  sie  sich  auch 
keineswegs  getäuscht  hat.  Über  alles  dieses  aber  stattete  sie,  nachdem  inzwischen 
freihch  eines  ihrer  Mitglieder,  der  Freiherr  von  Alemann,  gestorben  war,  einen 
ausführlichen  Bericht  ab,  der  am  21.  Oktober  an  den  König  abgeschickt  ward  ^^^). 

Der  erste  Auftrag,  den  sie  hierbei  erledigt  hatte,  war  naturgemäß  die  Be- 
schickung der  Ostermesse  gewesen.  Zu  diesem  Zwecke  wurden  Steinbrück  und 
Krügelstein,  der  Ladendiener  des  Dresdner  Gewölbes,  auf  die  Messe  gesandt,  und 
die  noch  dort  befindlichen  Gegenstände  sowie  eine  große  Partie  Waren  aus  Meißen 
dort  zum  Verkauf  bestimmt.  Auch  diesmal  zeigten  hier  die  Erzeugnisse  der  Manufak- 
tur die  gleiche  Verkäuflichkeit  wie  früher,  ja  das  Ergebnis  fiel  sogar  überraschend 
günstig  aus.  Obwohl  die  zum  Verkauf  angebotenen  Waren  nicht  einmal  ein  Sorti- 
ment von  „guthen  und  kurrenten"  Waren  darstellten,  wurde  doch  von  ihnen  für 


Abb.  io6.    Bottgerporzellan.    Geformtes  Relief, 
Blumenstfick. 

König].  Porzellansaminlung,   Dresden,    Hübe  17  cm. 


248  Das  Böttgersche  Erbe. 

über  1367  Taler  verkauft  ^^).  Das  gab  der  Kommission  gleich  ein  großes  Ver- 
trauen auf  die  Rentabilität  der  Anstalt  und  machte  frischen  Mut  zu  weiterer  Arbeit. 

Dann  kam  die  weniger  erfreuliche  Untersuchung  über  die  Ursachen  des  Nicht- 
aufkommens  der  Manufaktur  an  die  Reihe.  Man  fand  sie,  wie  zu  erwarten,  zunächst 
in  Böttgers  schlechter  Verwaltung  ^^').  „Böttgers  fast  unartiger  Sinn,  auch  durch- 
gehends  gar  üble  Wirtschaft"  werden  da  als  Gründe  angeführt.  Von  ihm  sei  nie- 
mals ,, einige  Ordnung  und  wohlbestellte  Disposition"  zu  erlangen  gewesen.  Auch 
wäre  seine  ,,Subsistenz"  sehr  ,,übel"  eingerichtet  und  zugleich  mit  der  Manufaktur- 
kasse ,, vermengt"  gewesen,  aus  der  er  sich  jedesmal  ,, wieder  erholt"  hätte.  Hier- 
bei hätte  jBö^^ger  bald  diesem,  bald  jenem  die  Sachen  anvertraut  und,  da  er  in  den 
letzten  Jahren  ,,fast  täglich"  betrunken  und  infolgedessen  wenig  bei  Verstände 
gewesen  wäre,  so  hätte  mancher  ,, tiefer  in  das  Werk  zu  dringen"  und  seinen  privaten 
Vorteil  dabei  zu  erlangen  gesucht,  wodurch  manche  „widrige  und  interessierte 
Absicht  mit  untergelaufen  wäre".  Dann  aber  mußte  die  Kommission  als  Grund 
doch  weiter  angeben,  daß  das  Werk  anfangs  „allzu  groß  und  kostbar"  ausge- 
führt worden  sei,  ohne  daß  freilich  näher  bezeichnet  ward,  auf  welche  Einzel- 
heiten sich  dieser  Vorwurf  bezöge,  und  ferner,  daß  damals  auch  allerhand  ,, Dis- 
harmonien, Zänkereien,  Jalousien  und  andere  Verwirrung"  entstanden  wären,  die 
einer  gedeihlichen  Weiterentwicklung  der  Manufaktur  sehr  im  Wege  gestanden 
hätten. 

Es  war  dies  zunächst  in  der  Tat  eine  ziemlich  harte  Anklage,  die  gegen 
Böttger  ausgesprochen  ward,  eine  Anklage,  die  sich  aber  doch  weit  mehr  gegen 
ihn  als  Verwalter,  denn  als  Mensch  richtete,  und  durch  die  eben  nur  gezeigt  ward, 
daß  ein  großer  Erfinder  durchaus  nicht  immer  ein  großer  Organisator  zu  sein  braucht. 
Es  ist  lediglich  der  Mangel  an  Ordnungsinn  und  Selbstzucht,  der  hier  als  Hindernis 
einer  guten  Verwaltung  erscheint,  nicht  aber  Eigennutz  und  Selbstsucht.  Denn 
mit  keinem  Worte  ist  bei  dieser  Enduntersuchung  der  Resultate  der  Böttger- 
schen  Tätigkeit  auch  nur  im  geringsten  die  Rede  von  etwaigen  Bereicherungs- 
versuchen dieses  Mannes,  von  etwaigen  Bestrebungen,  materielle  Vorteile  aus  seiner 
Stellung  zu  ziehen,  sei  es  auch  nur,  um  ein  üppiges,  schwelgerisches  Leben  führen  zu 
können  ß^^),  da  doch,  wenn  solche  Bestrebungen  irgendwie  bei  Böttger  vorhanden 
gewesen  wären,  diese  zunächst  völlig  unparteiische  Kommission  sie  sicher  er- 
wähnt, ja  hätte  erwähnen  müssen.  Denn  jener  Vorwurf,  der  ihm  auch  hier  gemacht 
ward,  daß  er  seine  Kasse  mit  der  der  Fabrik  vermengt  hätte,  kann  nichts  dergleichen 
bedeuten:  Böttgers  Kasse  ist  neben  der  Fabrikkasse  nie  die  eines  einfachen  Privat- 
mannes gewesen.  Auch  die  anderen  Unternehmungen,  die  er  gegründet,  die  vielen 
Untersuchungen,  die  er  angestellt  hatte,  hatten  gleichfalls  immer  ihr  Geld  verlangt, 
und  wovon  hätte  Böttger,  da  ihm  der  König  seinerzeit  so  plötzlich  fast  jede  größere 
Unterstützung  entzogen  hatte,  dieses  nehmen  sollen,  wenn  nicht  von  dem  Ertrage 
derjenigen  seiner  Gründungen,  die  damals  allein  doch  wenigstens  etwas  einbrachte  ? 
Überhaupt  ward  diese  Darstellung  der  Ursachen  des  Verfalls  der  Fabrik  der  Verwal- 
tung 5ö«ge/"5  als  solcher  doch  wohl  in  keiner  Weise  gerecht,  ja  konnte  es  auch  kaum 


Ursachen  des  Verfalls  der  Manufaktur 


249 


werden,  da  sie  ja  nur  diese  Ursachen,  nicht  aber  die  weiteren  Gründe  wieder  zu  diesen 
zu  untersuchen,  nicht  eine  wirkhche  Darstellung  der  ganzen  Verwaltung  Böttgers 
zu  geben  hatte  und  deshalb  nur  auf  diejenigen 
kam,  die  in  der  letzten  Zeit,  da  eben  der  Verfall 
der  Manufaktur  eingetreten  war,  vor  aller  Augen 
sichtbar  gewirkt  hatten.  So  kam  sie  auch  gar 
nicht  darauf  zu  sprechen,  daß  die  Fabrik  von  An- 
fang an  kein  Betriebskapital  besessen  hatte,  und 
daß  Böttger  für  die  damaligen  finanziell  so  un- 
günstigen Zeiten  viel  zu  viel  auf  einmal  unter- 
nommen hätte.  Sie  kam  auch  nicht  darauf,  daß  der 
König  ihn  im  Jahre  1715  so  völhg  und  so  uner- 
wartet finanziell  im  Stich  gelassen,  in  einer  Weise, 
daß  wohl  manches  noch  viel  solider  angelegte  Unter- 
nehmen dadurch  bankerott  geworden  wäre,  und 
daß  die  Manufaktur  zur  Erhaltung  ihres  Geheim- 
betriebes jene  viel  zu  ausgedehnte  und  eigentlich 
doch  völhg  nutzlose  Oberleitung  besaß,  die  mehr 
Kosten  verursacht  hatte,  als  jemals  eine  so  junge 
und  so  schwächlich  finanzierte  Fabrik  ertragen  kann. 
Sie  verschwieg  auch,  daß  Böttger  selber  anfangs 
ein  ganz  ungewöhnlich  tätiger  Mensch  gewesen  war, 
daß  weiter  er  immer  in  erster  Linie  es  gewesen  war, 
der  nach  Abhilfe  verlangt,  der  selber  die  Vorschläge 
dazu  gemacht  hatte,  ja  hierbei  sogar  mehrfach  auf 
die  Leitung  der  Fabrik  hatte  verzichten  wollen. 
Und  endlich  ahnte  sie  auch  noch  nicht  —  denn  sie 
konnte  damals  noch  nicht  die  Geschichte  der  deut- 
schen Porzellanfabriken  des  18.  Jahrhunderts  kennen 
mit  ihren  ewig  sich  wiederholenden,  kümmerlichen 
Anfängen,  ihrem  mühsamen  Sichdurchschlagen  und 
ihrem  meist  bankerottartigen  Ende  — ,  wie  schwer 
es  damals  überhaupt  war,  eine  derartige  Fabrik, 
einen  im  damaligen  Sinne  keramischen  Großbetrieb 
ins  Leben  zu  rufen  und  zu  erhalten,  wie  wenig 
diese  Zeit  überhaupt  begriff,  wie  vieler  Opfer  und 
Anstrengungen,  welcher  weit  in  die  Zukunft  schau- 
enden Dispositionen  es  hierzu  bedurfte.  Sie  konnte 
damals  noch   nicht  erkennen,   wie  wir  es  heute  tun 

können,  daß  Böttger  vielfach  das  Opfer  des  ersten  Versuches  dieser  Art  gewesen  war, 
daß  er  für  andere,  für  eine  kommende  Zeit  hatte  Erfahrungen  sammeln  müssen,  und 
daß,  wenn  von  nun,  d.  h.  von  Böttgers  Tode  an,  es  mit  der  von  ihm  gegründeten 


Abb.  107.    B5ttg:erporzellan.    Abformung: 

der  Seite  123  abgebildeten  chinesischen 

Porzellanfig^nr. 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden. 
Höhe  36  cm. 


250  Das  Böttgersche  Erbe. 

Fabrik  wirklich  besser  ging,  Böttgers  Verwaltung  hierfür  die  wichtigsten  Lehren 
an  die  Hand  gegeben  hatte,  für  die  er  das  Lehrgeld  allein  hatte  zahlen  müssen ^*^). 

Daneben  aber  hat  die  Kommission  ja  auch  durchaus  mehrere  Punkte  als 
Ursachen  der  schlechten  Weiterentwicklung  der  Fabrik  angegeben,  die  gänzlich 
außerhalb  Böttgers  und  seiner  Verwaltung  lagen.  Sie  ist  in  dieser  Beziehung 
durchaus  gerecht  gewesen,  sie  sah  durchaus  nicht  alle  Schuld  in  jenem;  aber  auch 
hier  gab  es  mancherlei  Lücken,  und  gerade  mehrere  der  Vorschläge  und  Maßregeln, 
die  die  Kommission  dann  traf,  um  die  Verhältnisse  in  der  Manufaktur  zu  bessern, 
beweisen  deutlich,  daß  sie  auch  noch  ganz  andere  verbesserungsbedürftige  Dinge 
innerhalb  der  Manufaktur  entdeckt  hatte,  deren  Vorhandensein  und  Fortbestehen 
nicht  an  Böttger  allein  gelegen  hatte. 

Diese  Vorschläge  bestanden  naturgemäß  in  erster  Linie  darin,  Ersparnisse 
innerhalb  des  Betriebes  der  Fabrik  zu  machen,  dann  ihre  Einnahmen  zu  erhöhen. 
Um  ersterer  willen  sollten  die  seitherigen  ,, überflüssigen  und  unnötigen"  Besol- 
dungen möglichst  eingezogen,  dann  einige  Leute  entlassen  werden,  die  sich  nicht 
bewährt  hatten.  Allzuviel  zu  streichen  gab  es  hier  jedoch  nicht,  ein  deutlicher 
Beweis,  daß  das  Personal  der  Manufaktur,  das  Böttger  angestellt  hatte,  doch  fast 
durchgängig  gut  und  brauchbar  war  und  sich  unter  normalen  Verhältnissen  durch- 
aus bewährt  hatte  ®^°).  Entlassen  sollten  nur  der  Materialienschreiber  Klunger 
und  ein  Former  werden.  Dafür  aber  war  die  Kommission,  um  das  eingearbeitete 
Fabrikpersonal  zu  halten  und  weitere  Desertionen  nach  Art  Stöltzels  zu  ver- 
hindern, einsichtig  genug,  für  diejenigen  Arbeiter,  die  sich  bewährt  hatten,  Lohn- 
erhöhungen zu  beantragen.  Unter  diesen  befanden  sich  in  erster  Linie  die  Arka- 
nisten  Köhler  und  Schuberth,  deren  große  Verdienste  um  die  Aufrechterhaltung  des 
Betriebes  innerhalb  der  Manufaktur  auf  diese  Weise  vollauf  anerkannt  wurden. 
Doch  auch  einigen  Drehern  und  Formern,  selbst  Drehjungen  und  Handlangern  ward 
dasselbe  zuteil.  Es  ward  dies  eine  allgemeine  Remuneration  für  diejenigen,  die 
durch  ihre  bisherige  Arbeit  eine  solche  verdient  hatten,  die  diesen  aber  zugleich 
neuen  Mut  zur  Weiterarbeit  geben  sollte.  Dadurch  freilich  erhöhte  sich  die  monat- 
liche Gesamtsumme  der  Löhne  von  244  Taler  auf  257  ^^^).  Doch  sollte  dafür  das 
Gehalt  von  Dr.  Nehmitz,  da  seine  Tätigkeit  doch  keine  sehr  zeitraubende  wäre, 
stark  reduziert  werden.  Von  Dr.  Bartelmei  dagegen  ist  damals  merkwürdiger- 
weise hinsichtlich  der  Manufaktur  überhaupt  nicht  mehr  die  Rede.  Er  wird 
wohl  freiwiUig  von  ihr  geschieden  sein,  da  er  als  Arzt  genügend  andere  Beschäf- 
tigung hatte  und  viel  Geld  aus  der  Manufaktur  für  ihn  doch  nicht  zu  gewinnen  war. 

Dann  kamen  die  Vorschläge  zur  besseren  Organisation  des  Werkes.  Hier  ging 
der  erste  Vorschlag  dahin,  daß  jemand,  der  beständig  sich  in  Meißen  aufhielte, 
die  volle  Aufsicht  über  die  Arbeiter,  daneben  zugleich  die  Kasse  erhalten  sollte, 
und  hier  hatte  die  Kommission  gleich  energisch  eingegriffen  und  Steinbrück  diesen 
Posten  übergeben,  wodurch  dieser  kluge,  ehrliche  und  dabei  so  arbeitsame  Mann, 
der  freilich  schon  nach  wenigen  Jahren  starb,  nun  endhch  jene  Tätigkeit  entfalten 
konnte,  nach  der  ihm  im  Interesse  der  Manufaktur  schon  immer  so  heftig  verlangt 


Verbesserungsvorschläge. 


251 


hatte.  Dagegen  aber  riet  die  Kommission  dringend  davon  ab,  wieder  einen  Ober- 
direktor an  die  Spitze  des  Unternehmens  zu  stellen,  da  ein  solcher  für  die  Fabrik 
viel  zu  teuer  wäre.  Statt  dessen,  so  schlug  sie  vor,  sollten  zwei  Räte,  die  der  König 
ernennen  möchte,  die  Aufsicht  über  dieselbe  führen,  die  Rechnungen  prüfen  u.  dgl.  m. 
doch  nur  kommissionsweise  und  völlig  ohne  Entgelt.  Damit  war  auch  die 
SteUe  beseitigt,  die  der  Kammerrat  Nehmitz  bisher  bekleidet  hatte,  die  aber,  da 
Böttger  doch  allmähhch  die  ganze  Leitung  der  Fabrik  an  sich  gezogen  hatte,  vöUig 
nutzlos  geworden  war.  Ferner  ward  noch  der  bisherige  Ladendiener  in  Dresden, 
Krügelstein,  der  der  Un- 
treue dringend  verdächtig 
war,  entlassen  und  an  seine 
Stelle  ein  bewährter  Leip- 
ziger Buchhalter,  Chladni 
mit  Namen,  gesetzt,  dessen 
Kasse  aber  von  nun  an 
durch  eine  Gegenkasse,  die 
Steinbrück  in  Meißen  zu 
führen  hatte,  kontrolliert 
werden  sollte. 

Dann  aber  geschah  et- 
was, was  eine  starke  Recht- 
fertigung Böttgers  und  seines 
früheren  Begehrens  be- 
deutete und  die  bisherige 
Unmöglichkeit  der  sehn- 
lichst gewünschten  Er- 
weiterung des  Betriebes 
der  Fabrik  und  damit  auch 
der  Einnahmemöglichkeiten 
aufs  deutlichste  bekundete. 
Es  wurde  endlich  das  von 
Böttger  immer  so  ersehnte, 

von  ihm  begonnene,  dann  aber  wegen  beständigen  Geldmangels  nicht  zu 
Ende  geführte  Brennhaus  errichtet,  und  zwar  mit  Benutzung  der  von  Böttger 
bereits  gelegten  Fundamente.  In  ihm  wurde  zur  Entlastung  des  Hauptofens  in  der 
sogenannten  ,, Küche"  und  auch,  weil  nach  der  Angabe  der  Arbeiter  durch  sein 
Fehlen  bisher  noch  immer  so  viele  Stücke  im  Ofen  zersprangen  ^^^),  ein  Verglüh- 
ofen  aufgestellt.  Es  war  der  erste  positive  Eingriff  der  Kommission  in  den  eigent- 
lichen Betrieb  der  Manufaktur,  ein  Eingriff,  der  selbstverständlich  nicht  ohne  be- 
deutende finanzielle  Opfer  möglich  war,  aber  gerade  dadurch,  daß  diese  hier  in 
keiner  Weise  bei  der  damals  doch  so  bedenklichen  finanziellen  Lage  der  Fabrik 
gescheut  wurden,    nur  bewies,  wie  unbedingt  nötig  er  war,  wenn  wirklich  die 


Abb.  io8.    Böttgerporzellan.    Kinderkopl  mit  Emailfarben  bemalt. 

Königl.  Porzellansammlun^,  Dresden.    Höhe  15  cm. 


252  Das   Böttgersche  Erbe. 

Fabrik  einer  besseren  und  einträglicheren  Zukunft  entgegengehen  sollte.  Und  dabei 
reichte  diese  Erweiterung  des  Brennbetriebes  schon  in  der  allernächsten  Zeit  nicht 
mehr  aus.  Zwei  Jahre  darauf  wurden  schon  wieder  zwei  neue  Öfen  verlangt  und 
auch  gebaut *^^).  Der  Betrieb  und  Umsatz  in  der  Manufaktur  erwies  sich  eben  auch 
ferner  völlig  abhängig  von  der  Zahl  und  dem  Umfange  ihrer  Öfen. 

Gleichzeitig  ward,  um  alles  in  Meißen  für  den  Betrieb  beisammen  zu 
haben,  die  neue  Reib-  und  Glasurmühle,  die  Böttger  seinerzeit  in  Dresden  für  die 
Manufaktur  in  der  Dresdner  Fayencefabrik  hatte  herrichten  lassen,  die  aber  —  man 
erfährt  nicht  aus  welchem  Grunde  —  wieder  auseinander  genommen  worden  war, 
nach  Meißen  gebracht  und  in  dem  Keller  des  alten  Brennhauses,  der  „Küche",  auf- 
gestellt, in  dem  auch  die  für  die  Porzellanfabrikation  nötigen  Materialien,  an  denen 
es  bisher  so  oft  gefehlt  hatte,  in  genügender  Quantität  angehäuft  wurden.  Durch 
alle  diese  Verfügungen  aber  hoffte  die  Manufaktur  auf  Grund  der  Aussagen  der- 
jenigen, die  ihren  Betrieb  und  ihren  Absatz  damals  genau  kannten,  binnen  einem 
Jahre  5000  Taler  in  der  Kasse  zu  haben,  eine  recht  statthche  Summe,  die  mit  Sicher- 
heit die  Manufaktur  als  wirkliche  Einnahmequelle  in  Aussicht  stellte  und  die  dann 
auch  wirklich  nicht  ausgeblieben  ist. 

Dann  aber  hatte  die  Kommission  die  ebensowenig  angenehme  wie  leichte 
Aufgabe,  die  Zudringlichen  zur  Manufaktur  von  sich  abzuweisen.  Es  waren  die- 
jenigen, die  Böttger  und  seinen  Manufakturen  nahegestanden  und  mehr  oder  weniger 
dabei  profitiert  hatten.  Für  sie  war  der  Tod  Böttgers  das  Signal  gewesen,  jetzt 
noch  so  viel  wie  irgend  möglich  aus  ihren  früheren  Stellungen  zu  gewinnen,  oder 
sich  gar  mit  allen  Mitteln  zu  seinem  Nachfolger  aufzuwerfen.  Denn  merkwürdiger- 
weise, hierüber  war  zu  Böttgers  Lebzeiten  nicht  das  Geringste  festgesetzt  worden, 
ja  diese  Frage  scheint  damals  nicht  einmal  in  Erwägung  gezogen  zu  sein.  So  konnten 
in  der  Tat  der  Hoffenden  mehrere  sein. 

An  der  Spitze  dieser  stand  naturgemäß  der  bisherige  Manufakturdirektor 
Nehmitz,  der  ja  schon  zu  Lebzeiten  Böttgers  —  und  wohl  nicht  ganz  ohne  Grund  — 
in  den  Verdacht  gekommen  war,  der  Manufaktur  gegenüber  selbstsüchtige  Ab- 
sichten zu  verfolgen,  jedoch  als  ehemaliger  oberster  Leiter  dieser  Anstalt  jetzt  die 
begründetsten  Ansprüche  auf  die  Nachfolgerschaft  zu  haben  schien.  Nicht  eifrig 
genug  konnte  er  sich  daher  beim  Tode  Böttgers  zeigen.  Aus  diesem. Grunde  wohl 
hatte  er  noch  vor  diesem  Ereignis  jene  obenerwähnte  Ordnung  und  Verwahrung 
seiner  Papiere  vorgenommen.  Dann,  als  Böttgers  Ende  immer  näher  herannahte, 
hatte  er  Briefe  über  Briefe  an  den  König  geschrieben,  in  denen  er  auf  das  bevor- 
stehende Ereignis  hinwies,  eine  ganze  Reihe  von  Fragen  stellte  betreffs  dessen, 
was  dann  geschehen  sollte,  vor  allem  aber  vor  Meer  heim  als  etwaigen  künftigen 
Nachfolger  Böttgers  nicht  eindringlich  genug  warnen  konnte.  Er  scheint 
diesen  damals  für  seinen  gefährlichsten  Nebenbuhler  gehalten  zu  haben  ^^*),  wie 
er  denn  dem  Könige  überhaupt  riet,  in  dieser  Angelegenheit  nicht  zu  schnell  einen 
Entschluß  zu  fassen.  Dann  hatte  er  ja  auf  Befehl  des  Königs  noch  bei  der  Ver- 
siegelung des  Nachlasses  Böttgers  mitgeholfen.     Damit  aber  war  seine  Rolle  auf 


Bewerbungen  um  die  Nachfolgerschaft. 


253 


diesem  Gebiete  ausgespielt.  Die  Kommission  schob  ihn  völhg  beiseite  und  traf 
alle  Anordnungen  betreffs  der  Manufaktur,  ohne  sich  auch  nur  im  geringsten  um 
den  doch  niemals  formell  entlassenen  Direktor  derselben  zu  kümmern.  So  war 
Nehmitz  wohl  oder  übel  gezwungen,  sich  selber  an  sie  zu  wenden,  um  für  sich  zu 
retten,  was  irgend  noch  zu  retten  war.  Er  wies  hierbei  zunächst  auf  seine  früheren 
Vollmachten  und  Instruktionen  betreffs  seiner  Stellung  zur  Manufaktur  hin,  gab 
dann  zu  verstehen,  daß,  da  er  von  Anfang  an  mit  Böttger  in  innigster  Verbindung 
gestanden  hätte,  er  alle  die  „propositionen  und  engagements",  dieses  Mannes,  auch 
diejenigen,  die  noch  zur  Perfektion  kommen  sollten,  aufs  genaueste  kenne,  auch 
über  die  Persönlichkeiten  Bescheid  wüßte,  die  zur  Fortführung  aller  seiner  Unter- 
nehmungen die  geeignetsten  wären  ^^^).  So 
suchte  er  sich  auf  alle  Weise  als  völlig  un- 
entbehrlich hinzustellen.  Dann  aber  strebte 
er,  falls  diese  Bemühungen  nichts  fruchten 
sollten,  darnach,  doch  wenigstens  finanziell 
in  dieser  Angelegenheit  nicht  allzu  übel  ab- 
zuschneiden. Er  bat  die  Kommission,  ihm 
wenigstens  die  2000  Taler  wieder  zu  er- 
setzen, die  er  einst  am  Anfange  mit  Dr. 
Bussius  der  Manufaktur  vorgestreckt  hatte 
wobei  er  freilich  merkwürdigerweise  von  der 
damaligen  Gründung  der  angeblichen  Kom- 
pagnie Schwarze  &  Co.  kein  Wort  erwähnte. 
Auch  wies  er  darauf  hin,  daß  er  alljährlich 
als  Lohn  für  seine  Bemühungen  um  die 
Manufaktur  700  Taler  aus  der  Manufaktur- 
kasse hätte  erhalten  sollen,  die  ihm  aber 
bei  dem  chronischen  Geldmangel  der  Fabrik 
niemals  gezahlt  worden  wären.  ®^^). 

Nach  diesem  meldete  sich  der  Kriegsrat  von  Hol:d)rinck,  dem  der  König  dadurch, 
daß  er  ihm  im  Jahre  1717  befohlen,  sich  von  Böttger  sämtliche  Arkana  lehren  zu 
lassen  «^'),  gleichfalls  Hoffnungen  auf  dessen  Nachfolgerschaft  gemacht  hatte.  Er 
wies  hierbei  natürlich  auf  diese  seine  ihm  anbefohlenen  Kenntnisse  hin  und  versprach 
auch,  aus  der  Manufaktur  schon  binnen  Jahr  und  Tag  einen  Überschuß  erzielen  zu 
wollen.  Hierbei  aber  war  er  so  naiv  zu  erklären,  die  Fabrik  für  gewöhnlich  von 
Polen  aus  briefhch  leiten,  doch  jedes  Jahr  zu  dem  Zwecke  auch  nach  Sachsen  kommen 
zu  wollen  ^^^).  Man  konnte  sich  durch  diesen  Vorschlag,  der  keine  Ahnung  von 
den  Aufgaben  und  Pflichten  einer  Fabrikleitung  bekundete,  kaum  ungeeigneter  für 
eine  solche  hinstellen. 

Dann  aber  kam  natürlich  Meerheim,  der  letzte  Vertraute  und  selbst  Mitarbeiter 
Böttgers,  den  jener  ja  auf  seinem  Todtenbette  schon  provisorisch  zum  Direktor 
seiner  Manufaktur  eingesetzt  hatte,  und  der  sich  darum  auch  anfangs  durchaus 


Abb.  109.    Böttgerporzeilan.    Geformtes  Relief, 
Eichelblätter. 

Künigl.  Porzellansammlung',    Dresden.     Hohe  6  cm. 


254  Das  Böttgersche  Erbe. 

als  solcher  betrachtete  ^^^).  Er  nahm  demgemäß  den  Mund  auch  am  vollsten  und 
hatte  nicht  übel  Lust,  die  ganze  Erbschaft  Böttgers  als  Experimentator,  Erfinder, 
Leiter,  ja  selbst  als  Goldmacher  anzutreten.  Vor  der  Kommission  bat  er  freilich 
zunächst  nur  um  Auszahlung  der  für  seine  Arbeiten  mit  Böttger  bestimmten  Gelder, 
die  dieser  ihm  vorenthalten  hätte.  Dann  aber  wies  er  in  einer  besonderen  Eingabe 
auf  seinen  so  ganz  besonders  intimen  Umgang  mit  Böttger  hin,  fügte  ein  endloses 
Verzeichnis  alles  dessen  bei,  was  er,  sowohl  in  Kommerzien-,  Bergwerks-,  Blaufarbe- 
werksachen, in  chemischen  und  philosophischen  Dingen  vermöchte,  versprach  nichts 
weniger  als  sämtliche  Erfindungen  und  Propositionen  Böttgers,  wie  den  Borax, 
den  Liquor  zur  Erhaltung  toter  Körper,  die  blaue  Porzellanfarbe,  die  Emailfarben, 
das  Porzellan  selber  usw.  zu  erfinden,  beziehungsweise  unendlich  zu  verbessern 
und  stellte  dann  auch  den  Stein  der  Weisen  mit  einer  Sicherheit  in  Aussicht,  als 
hätte  er  ihn  bereits  in  der  Tasche.  Es  schien,  als  wollte  er  noch  einmal  den  König 
in  jenes  Reich  der  Träume  und  Phantastereien  locken,  in  dem  ihn  Böttger  lange 
genug  gelassen  hatte. 

Dann  kamen  schließlich  die  weniger  Anspruchsvollen,  darunter  die  beiden 
Mehlhorns,  der  Vater,  der  immer  noch  den  Titel  eines  Schleif-  und  Poliermühlen- 
direktors führte,  obwohl  diese  Anstalt  schon  seit  Jahren  stillstand,  und  sein  Sohn, 
der  Maler  an  der  Manufaktur.  Sie  wiesen  beide  darauf  hin,  daß  sie  eine  gute,  weiße 
Porzellanmasse  herzustellen  wüßten,  desgleichen  die  blaue  Farbe,  durch  die  sich 
damals  jeder,  der  etwas  von  der  Fabrik  wollte,  beim  Könige  beliebt  zu  machen 
suchte.  Sie  baten  deshalb  um  Anstellung  bei  der  Manufaktur  ^^°),  desgleichen  aus 
ähnlichen  Gründen  merkwürdigerweise  der  Holländer  Hieronymus  Schürmann  und 
schließlich  gar  auch  noch  Böttgers  ehemaliger  Kammerdiener  Pyrner,  der  vorgab, 
viel  Wichtiges  von  Böttger  unter  der  Hand  erfahren  zu  haben. 

Allen  diesen  Forderungen  gegenüber  hatte  die  Kommission  zunächst  keinen 
leichten  Stand.  Es  handelte  sich  hier  bei  fast  allen  um  wirkliche  Mitwisser  der 
Arkana,  mithin  um  solche,  die,  wenn  sie  sich  unbefriedigt  von  dannen  wandten, 
der  Manufaktur  großen  Schaden  zufügen  konnten.  Die  Verantwortung  der  Kom- 
mission in  dieser  Angelegenheit  war  daher  nicht  gering.  Freilich  allen  Hoffnungen 
auf  die  Oberleitung  der  Manufaktur  hatte  dieselbe  bereits  dadurch  so  ziemlich 
ein  Ende  gemacht,  daß  sie  dem  König  geraten  hatte,  keinen  Direktor  wieder 
an  die  Spitze  zu  stellen.  Damit  war  der  Fall  Holzhrinck  und  Nehmitz  in  der 
Hauptsache  schon  erledigt.  Doch  forderte  sie  letzteren  auf,  genauer  anzugeben, 
was  er  über  Böttgers  Propositionen  u.  dgl.  wüßte,  erhielt  aber  nur  ganz  allgemeine 
Angaben,  so  daß  diese  Angelegenheit  ohne  Bedenken  ad  acta  gelegt  werden  konnte. 
Ernstlicher  ging  sie  dagegen  auf  die  Angaben  der  Mehlhorns  ein.  Sie  mußten 
zunächst  in  Dresden  eine  Probe  ihres  Könnens  vor  dem  Blasebalg  ablegen,  dann 
in  den  Ofen  zu  Meißen,  die  recht  befriedigend  ausfielen.  Namentlich  wurde  sehr 
angenehm  bemerkt,  daß  die  Porzellane  hier  kaum  noch  Risse  zeigten,  wie  es  die 
in  der  Manufaktur  hergestellten  damals  nur  noch  zu  leicht  taten.  Deshalb  ließ 
man  den  alten  Mehlhorn  in  seiner  Stellung  und  setzte  den  jungen,  damit  er  als 


Abfindungen. 


255 


ledige  Person  nicht  fortginge,  vorläufig  auf  Wartegeld  und  suchte  ihn  weiter  als 
Maler  zu  verwenden.  Meerheim  aber,  den  man  ob  seiner  vermeintlichen  Kennt- 
nisse ganz  besonders  fürchtete,  schlugen  sie  vor,  weiter  an  den  Arkana  arbeiten, 
daneben  auch  die  ,, Untersuchung  von  Gebirgsarten  und  metallurgische  Arbeiten*' 
vornehmen  zu  lassen.  Er  sollte  dafür  jährHch  200 — 250  Taler  erhalten,  welche 
Summe  er  aber  später  noch  beträchtlich  höher  zu  schrauben  wußte.  Auf  seine 
alchimistischen  Anerbietungen  jedoch  ging  man  mit  keinem  Worte  ein.  Man  trug 
sicherlich  Bedenken,  den  König  noch  einmal  zu  solchen  kostspieligen  und  doch 
so  wenig  aussichtsreichen  Unternehmungen  zu  verlocken.  Dagegen  wurde  Schür- 
mann ganz  abgewiesen,  da  er  doch  nur  ein  einfacher  ,, Bedienter"  Böttgers  gewesen 
wäre  und  als  solcher  nichts  Rechtes  wüßte.  Gleichzeitig  aber  suchte  die  Manufaktur 
diejenigen,  die 
der  Fabrik  bis- 
her wirklich  ge- 
nützt hatten,  mit 
ihr  von  neuem  zu 
verbinden.  So- 
wohl   mit    dem 

Goldarbeiter 
Funke,  der  bisher 
wohl  hauptsäch- 
lich das  Bemalen 
der  Gefäße  mit 
Emailfarben  be- 
sorgt hatte,  sowie 
mit  dem  Gold- 
schmiede Irmin- 
ger  wurden  neue 

Kontrakte  geschlossen,  die  ihre  Arbeit  der  Fabrik  aufs  neue  sichern  und  nament- 
lich ihrer  künstlerischen  Weiterentwicklung  zu  gute  kommen  sollten. 

Damit  war  auch  diese  Sache  erledigt,  freilich  nicht  gerade  zur  Freude  aller 
Beteiligten.  Namentlich  der  Kammerrat  Nehmitz  scheint  damals  arg  enttäuscht 
gewesen  zu  sein  und  wohl  nicht  ganz  ohne  Grund.  Er  hatte  allerdings  wohl  eine 
etwas  andere  Behandlung  erwarten  können,  und  fast  sieht  es  aus,  als  ob  er 
damals  beim  Könige  aus  irgend  einem  Grunde  in  Ungnade  gefallen  wäre.  Vielleicht 
lag  der  Grund  zu  dieser  Behandlung  darin,  daß  er  damals  in  eine  böse  Sache 
hineingeraten  war,  die  für  ihn  ein  recht  fatales  Nachspiel  zu  seiner  bisherigen  Tätig- 
keit für  Böttger  und  seine  Manufakturen  bedeutete.  Es  war  dies  nichts  weniger  als 
der  Vorwurf  einer  mehrfachen  Unterschlagung,  die  Meerheim  und  der  Advokat 
Vollhardt  damals  bei  der  Kommission  gegen  ihn  zur  Anzeige  gebracht  hatten  ^^^), 
demzufolge  Nehmitz  sich  widerrechtlich  in  den  Besitz  von  Porzellan  gesetzt  und 
nicht  weniger  als  21  000  Taler  als  Reisegeld  liquidiert  und  von  den  Geldern  ab- 


Abb.  HO.    Böttgerporzellan.    „Callotfigaren",  die  rechte  mit  Emailfarben  bemalt 

Königl.  Porzellansammlung,  Dresden.    Hohe  der  Figur  in  der  Mitte  ii  cm. 


256  Das  Böttgersche  Erbe. 

gezogen  haben  sollte,  die  der  König  für  Böttger  angewiesen  hatte.  Es  waren  dies 
freilich  fast  alles  Anschuldigungen,  die,  wie  sich  später  herausstellte,  Vollhardt  aus 
Rachsucht  um  einer  bestimmten  Ursache  willen,  Meerheim,  anscheinend,  um 
einen  Mitbewerber  um  die  Direktorenstelle  an  der  Manufaktur  unschädlich  zu 
machen,  fast  völlig  aus  der  Luft  gegriffen  hatten,  die  damals  aber  doch  wohl  auf 
Nehmitz'  Charakter  und  Verwaltung  ein  keineswegs  günstiges  Licht  geworfen 
haben  werden. 

So  aber  hatte  die  Kommission  in  der  Tat  mit  unleugbarem  Geschick  und 
wirklicher  Energie  das  von  Böttger  hinterlassene,  aber  doch  ziemlich  verfahrene 
Werk  ins  richtige  Geleise  zu  bringen  und  eine  Basis  zu  schaffen  gesucht  für  eine 
gesunde,  rationelle  Weiterentwicklung  derselben.  Zu  ihrer  großen  Freude  wurden 
ihre  Bemühungen  auch  bald  mit  den  schönsten  Erfolgen  gekrönt,  die  ihr  für 
die  Weiterarbeit  neuen  Mut  gaben.  Was  hierbei  zunächst  das  wichtigste  war,  die 
Fabrik  hob  sich  finanziell  sofort,  und  zwar  ganz  beträchtlich.  Im  Oktober  dieses 
Jahres  konnte  Steinbrück  bereits  mitteilen,  daß  sie  in  den  letzten  5  Monaten  schon 
5430  Taler  eingenommen  hatte,  indes  in  den  9  Monaten  vorher  die  Einnahmen 
nur  4821  Taler  betragen  hatten  und  daß  begründete  Hoffnung  vorhanden  sei,  daß 
diese  bald  noch  ganz  beträchthch  steigen  würden  ^^),  ja  man  sogar  bald  schon 
auf  Überschüsse  rechnen  dürfte.  Durch  diese  Einnahmen  war  auch  die  Kommission 
allein  in  den  Stand  gesetzt  worden,  das  so  dringend  erforderliche  neue  Brennhaus 
zu  bauen  und  auch  den  verdienten  Arbeitern  der  Manufaktur  jene  Gehaltserhöhungen 
auszuzahlen,  die  sie  in  ihrem  Bericht  an  den  König  in  Vorschlag  gebracht  hatte. 
Doch  darf  bei  diesen  schnellen  finanziellen  Erfolgen  der  Kommission  nicht  über- 
sehen werden,  daß  sie  gegenüber  Böttger  nun  weder  Gelder  für  seinen  Unterhalt, 
noch  für  seine  Arbeiten  und  seine  Mitarbeiter  zu  zahlen  hatte,  desgleichen  auch 
keine  Zinsen  für  alle  jene  vielen  Schulden,  die  Böttger  im  Interesse  seiner  Manu- 
fakturen gemacht  hatte.  Letzteres  blieb  alles  der  Regelung  seines  Nachlasses 
überlassen,  und  so  konnte  die  Kommission  in  der  Tat  auch  in  finanzieller  Beziehung 
von  einer  ganz  neuen  Grundlage  anfangen  und  alle  früheren  Belastungen  der  Manu- 
faktur, die  gerade  die  Hauptursache  ihres  mangelhaften  finanziellen  Fortgangs 
gewesen  waren,  jetzt  völlig  beiseite  lassen.  Dadurch  aber  stand  sie  von  Anfang  an 
weit  günstiger  dar,  als  Böttger  es  je  getan  hatte  und  konnte  allein  weiterbauen 
auf  das,  was  seine  wirklichen  Erfolge  gewesen  waren. 

Durch  diese  bedeutenden  finanziellen  Resultate  aber  ward  die  Kommission 
jetzt  so  freudig  gestimmt  und  so  von  Mut  für  die  Weiterentwicklung  der  Manu- 
faktur erfüllt,  daß  sie  schon  im  November  dieses  Jahres  den  König  um  ihren  weiteren 
Fortbestand  bat,  was  auch  im  folgenden  Jahre  bewilligt  ward,  nur  mit  der  Be- 
stimmung, daß  für  den  verstorbenen  Freiherrn  f.  Alemann  ein  neues  Mitglied, 
der  Appellationspräsident  und  Vizebergwerksdirektor  (^.  Ponigkau,  in  die  Kom- 
mission eintreten  sollte.  Die  Kommission  wurde  damals  in  einem  Antwortschreiben 
des  Königs,  das  ihre  ganze  bisherige  Tätigkeit  für  die  Manufaktur  billigte,  direkt 
beauftragt,   die  Manufaktur  zu  beaufsichtigen,   die  Arbeiter  anzustellen  und  in 


Aufschwung  der  Fabrik. 


257 


Pflicht  zu  nehmen,  Instruktionen  auszuteilen  und  in  eihgen  Fällen  selbst  Gelder 
ohne  besondere  Bewilligung  und  spätere  Rechnungsablage  vor  der  Oberrechnungs- 
kammer auszugeben  ^^^).  Damit  war  die  Frage  der  Oberleitung  für  die  nächsten 
Jahre  erledigt.  Sie  war  zum  Heile  der  Manufaktur  in  wirkhch  tüchtige  und  zu- 
verlässige Hände  gelegt  worden,  und  die  zielbewußte,  sorgfältige  Verwaltung, 
die  jetzt  hier  herrschte,  stand  bald  im  vollsten  Gegensatze  zu  jener  Zerfahrenheit 
und  Unentschlossenheit,  die  in  den  letzten  Jahren  der  Böttgerschen  Leitung  an 
der  Tagesordnung  gewesen  war.  Nun  konnte  man  von  ihr  in  der  Tat  jene  Ent- 
wicklung und  jene  Erfolge  erwarten,  die  man  von  ihr  doch  etwas  ungeduldig  schon 
gleich  von  ihrer  ersten  Periode  erhofft  hatte. 

Und  diese  erwartete  günstige  Entwicklung  trat  auch  sofort  ein  und  führte 
bald  zu  einem  Aufschwung,  den  damals  wohl  keiner  in  diesem  Maße  schon  erwartet 
hatte.  Eine  gewisse  Gefahr 
freilich,  die  leicht  für  ihre 
Weiterentwicklung  hätte  ge- 
fährlich werden  können, 
brachte  ihr  zunächst  dieser 
plötzliche  Aufschwung.  Ihre 
finanziellen  Verhältnisse  wur- 
den sofort  überschätzt.  Kaum 
hatte  das  Akzisekollegium 
erfahren,  daß  in  der  Manu- 
fakturkasse Geld  vorhanden 
wäre,  da  weigerte  es  sich  auch 
schon,  die  Arbeiter  zu  be- 
zahlen, wie  sie  dies  bisher  für 
den  größten  Teil  noch  immer 
hatte  tun  müssen  ^^^).  Das  aber  war  der  Kommission  vöUig  gegen  ihre  Absichten, 
die  soeben  mit  so  vieler  Mühe  zusammengebrachten  Gelder  schon  gleich  wieder  aus 
der  Hand  zu  geben,  da  sie,  wie  schon  Böttger,  ganz  richtig  erkannt  hatte, 
daß  eine  so  junge  Fabrik,  wie  die  Meißner  Manufaktur,  die  noch  so  wenig  finanziell 
gefestigt  war,  dafür  aber  noch  den  ärgsten  Schicksalsschlägen  ausgesetzt  sein 
konnte,  nicht  ohne  ein  wenigstens  geringes  Betriebskapital  gelassen  werden  dürfte, 
wofern  sie  sich  wirklich  in  voller  Ruhe  ausdehnen  und  weiterentwickeln  sollte.  Sie 
bat  daher  den  König  unter  Darlegung  dieses  Grundes,  auch  ferner  die  Arbeiter 
der  Manufaktur  aus  seiner  Kasse  bezahlen  zu  lassen,  und  zwar  entweder  bis  Johannis 
oder  bis  Michaelis  dieses  Jahres  ^^),  und  hatte  auch  die  Freude,  dies  bis  Johannis 
bewilligt  zu  sehen.  Dann  freilich  traf  der  Befehl,  vom  24.  Juh  1720  datiert,  ein, 
daß  die  Manufaktur  auch  in  dieser  Beziehung  sich  selber  helfen  sollte  —  damals 
enthielt  die  Manufakturkasse  bereits  2738  Taler  ^^)  — ,  und  von  nun  an  hat  sie 
sich  auch  in  der  Tat  durch  sich  selbst  erhalten  und  wenigstens  in  dieser  Zeit  keine 
Zuschüsse  vom  König  mehr  erfordert. 


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Abb.  III.    Meißner  Porzellan,  Teetopf  mit  Watteauszene,  wahrscheinlich 
bald  nach  Böttg;ers  Tode  bemalt. 

Königl.  Porzellansammlung',  Dresden.     Hohe  ii  cm. 


Zimmermann,    Meißner  Porzellan. 


17 


258  Das  Böttgersche  Erbe. 

Inzwischen  aber  hatte  sich  als  eine  höchst  fatale  Angelegenheit  die  Ordnung 
des  Nachlasses  Böttgers  herausgestellt.  Mit  dieser  Aufgabe  hatte  die  Kommission 
wieder  als  unparteiische  Persönlichkeiten  den  Hofrat  Z)re(ver  und  den  Kommissionsrat 
Vockel,  die  ja  schon  an  der  Versiegelung  der  Böttgerschen  Briefschaften  auf  Befehl 
des  Königs  teilgenommen  hatten,  beauftragt.  Sie  hatten  bald  festgestellt,  daß 
sich  die  Schulden  Böttgers  und  seiner  Fabriken  zunächst  auf  22563  Talern  beliefen. 
Unter  den  Gläubigern  befanden  sich  der  verstorbene  Statthalter  if.  Fürstenberg  mit 
1650  Talern,  der  früher  erwähnte  Baron  v.  Gersdorf  mit  2000  Talern.  Dazu  kamen 
die  nicht  bezahlten  Löhne.  Im  übrigen  jedoch  erfahren  wir  leider  nicht,  wie 
diese  große  Summe  damals  zusammenkam,  auch  nicht,  ob  sie  auch  auf  wirklich 
ganz  berechtigten  Forderungen  beruhte  und  nicht  vielmehr  zum  Teil  auf  solchen, 
wie  sie  Nehmitz  und  Meerheim  und  vielleicht  nochmancher  andere,  der  von  der  ganzen 
Verwirrung  der  damaligen  Zustände  zu  profitieren  hoffte,  damals  gestellt  haben. 
Vor  allem  jedoch  darf  nicht  übersehen  werden,  daß  es  sich  hier  in  keiner  Weise 
um  Böttgers  Privatschulden  handelte,  sondern  um  die  seiner  Unternehmungen 
und  auch  nicht  der  Porzellanmanufaktur  allein,  vielmehr  auch  der  vielen  anderen 
Fabriken,  die  Böttger  ins  Leben  gerufen  hatte  ^"),  sowie  auch  seiner  sonstigen 
Arbeiten.  Die  Summe  dieser  Schulden  mochte  zunächst  ja  etwas  hoch  erscheinen, 
war  es  aber  doch  kaum,  bedenkt  man,  wie  wenig  Mittel  Böttger  im  allgemeinen 
für  seine  vielen  und  kostspieligen  Unternehmungen  zur  Verfügung  gestanden 
hatten,  wie  sehr  er  infolgedessen  auf  geliehene  Gelder  angewiesen  war,  die  dann  be- 
ständig ihre  Zinsen  gefordert  hatten.  Sie  scheint  auch  damals  gar  nicht  besonders 
überrascht  zu  haben:  man  vernimmt  nirgends  ein  Wort  des  Erstaunens  oder  des  Un- 
willens über  sie,  es  fällt  bei  dieser  Gelegenheit  kein  Wort  des  Tadels  für  Böttger 
und  seine  finanzielle  Wirtschaft  ab.  Und  dann  darf  man  nicht  vergessen,  daß, 
wenn  sich  auch  an  barem  Geld  nach  Böttgers  Tode  nur  herzlich  wenig  vorfand  — 
es  sollen  nur  etwa  700  Taler  gewesen  sein  ®^^)  —  doch  zum  mindesten  zu  seinem  und 
seiner  Fabriken  Nachlaß  auch  alle  bei  seinem  Tode  fertigen  Gefäße,  sowie  das  zu 
dieser  Zeit  vorhandene  Rohmaterial  zu  rechnen  waren,  was  alles  allein  die  Kommission 
in  den  Stand  gesetzt  hatte,  die  Fabrikation  resp.  den  Verkauf  damals  so  schnell 
wieder  beginnen  zu  lassen  und  daraus  die  eben  erwähnten  beträchtlichen  Vorteile 
zu  erzielen.  Auch  befand  sich  in  Meißen  noch  eine  große  Menge  von  mehr  oder 
weniger  reich  verziertem  rotem  Steinzeug,  das  ja  freilich  damals  keine  mehr  eigentlich 
kurante  Ware  darstellte  und  daher  nach  BöttgersTode  nachweislich  auch  nicht  weiter 
fabriziert  worden  ist^^^),  immerhin  aber  doch  noch  einen  recht  respektablen 
Wert  darstellte,  desgleichen  eine  große  Quantität  ungebrannter  oder  ungeschliffener 
und  unpolierter  Gegenstände  derselben  Gattung,  wie  auch  aus  jener  Zeit,  da  die 
Dresdner  Steinbäckerei  für  kurze  Zeit  nach  Meißen  verlegt  worden  war,  eine  große 
Menge  von  Fayencen,  die  freilich  nicht  glasiert  worden  waren  ^'•').  Sie  alle  mußten 
für  den  Nachlaß  Böttgers  und  seine  Regelung  gleichfalls  in  Rechnung  gezogen  werden. 

Freilich,  der  König  scheint  anfangs  nicht  übel  Lust  gehabt  zu  haben,  die  von 
Böttger  hinterlassenen  Schulden   doch   als   dessen  rein  private  ausgeben  und  den 


Schulden.  259 

Gläubigern  nur  das  zur  Verfügung  stellen  zu  lassen,  was  Böttger  wirklich  als  Eigen- 
tum besessen  hatte,  sein  Haus,  seine  Möbel  u.  dgl.  mit  der  Motivierung,  daß 
Böttger  ja  niemals  Eigentümer  der  Fabrik,  sondern  nur  gleichsam  ihr  Faktor  ge- 
wesen wäre  *'^).  Eine  solche  Auffassung  konnte  aber  doch  wohl  kaum  als  ganz 
rechtlich  angesehen  werden  und  hieß  wegen  der  unendlich  geringen  Aktiva, 
die  vorhanden  waren,  einen  großen  allgemeinen  Bankrott  ansagen.  Denn  Böttgers 
Besitztum  war  nur  sehr  gering,  seine  Möbel  waren  sogar  zum  Teil  nur  geliehen  *'*) 
Der  Rest  derselben,  sowie  das  Haus,  das  die  Nachlaßkommission  sich  beeilte 
zu  versteigern,  brachte  nur  113  Taler ^^^).  Wie  sollten  da  auch  nur  annähernd 
die  großen  Passiva  gedeckt  werden  ? 

Sowohl  die  Nachlaßkommission,  wie  auch  die  eigentliche  Untersuchungskom- 
mission konnten  sich  daher  auch  nicht  mit  der  Ansicht  des  Königs  befreunden. 
Im  Jahre  1721  stellten  sie  es  dem  Könige  in  aller  Ehrerbietung  vor,  daß  er  selber 
doch  durch  seine  eigenen  Verfügungen  mehrfach  sich  verpflichtet  hätte,  für  alle 
für  die  Manufaktur  aufgenommenen  Gelder  unbedingt  eintreten  zu  wollen  ^'*). 
Sie  wiesen  hierbei  einmal  hin  auf  das  Gründungsdekret  der  Manufaktur  vom 
23.  Januar  1710,  in  dem  der  König  selber  um  einen  ,, leidlichen  Beitrag  ihrer  fast 
großen  und  ansehnlichen  Summen,  welche  zur  Etablierung  so  vieler  und  wichtiger 
Manufakturen  unumgänglich  erfordert  werden",  seine  Untertanen  angesprochen 
hätte,  dann  aber  auch  auf  jenes  so  verhängnisvolle  Edikt  vom  Jahre  1712,  durch 
welches  er  gelobt  hätte,  alle  Wechsel  die  Böttger  aufnehmen  würde,  als  seine  eigenen 
anzuerkennen,  wobei  sogar  die  Manufaktur  mit  allen  ihren  Effekten  als  Hypothek 
eingesetzt  worden  wäre.  Zwei  Vorschläge  wurden  daher  von  ihrer  Seite  aus 
gemacht:  entweder  solle  alles  noch  vorhandene  rote  Steinzeug  einem  Kaufmann 
en  bloc  zu  eigenem  Verkauf  übergeben  werden,  wodurch  freilich  diese  Ware  sehr 
unterm  Preise  weggegeben  werden  müßte,  oder  alles  nicht  polierte  und  unge- 
schhffene  Steinzeug  sollte  nach  und  nach  poliert  und  dann  verkauft  werden, 
was  freihch  mehr  Zeit  in  Anspruch  nehmen,  für  die  Gläubiger  aber  doch 
immerhin  eine  starke  Beruhigung  bedeuten  würde.  Freilich  müßte  in  diesem 
Falle  ein  besonderer  Prozeßverwalter  eingesetzt  werden. 

Dies  war  der  König  schheßhch  biUig  genug,  am  3.  März  1722  zu  bewiUigen, 
wodurch  nun  auch  diese  Angelegenheit  nach  Möglichkeit  geordnet  war,  wenn  auch 
wohl  nicht  zu  aller  Zufriedenheit  ^'^).  Man  hat  dann  später,  um  jene  Waren 
abzusetzen,  auch  zu  einer  Verlosung  gegriffen  und  damit  in  das  Gebiet  des 
Porzellans  schon  damals  jenes  Mittel  eingeführt,  mit  dem  sich  später  noch  so 
manche  andere  Porzellanfabrik  aus  ihrer  Klemme  zu  retten  suchen  sollte  ^'^). 

Unterdessen  hatte  die  nun  die  Manufaktur  leitende  Kommission,  vom 
König  dazu  aufgefordert,  wieder  eine  ganze  Reihe  neuer  Maßregeln  getroffen,  die 
eine  weitere  Verbesserung  des  ganzen  Betriebes  bedeuteten.  So  ward  jetzt  das 
Porzellan,  um  eine  gewisse  Sicherheit  in  der  Preisbestimmung  der  einzelnen 
Waren  zu  erhalten,  nach  seinem  Ausfall  in  drei  Gruppen  geteilt,  in  Gut,  Mittel 
und  brac^").    Dann  suchte  sie  noch  einiges  Kapital  aus  dem  alten  Inventar  der 

17* 


260  Das  Böttgersche  Erbe. 

Fabrik  in  Meißen  und  der  übrigen  Unternehmungen  Böttgers  herauszuziehen, 
indem  sie  die  in  Meißen  herumliegenden,  von  Böttger  für  seine  Erfindungen  fabri- 
zierten feuerfesten  Ziegel,  sowie  auch  die  unbrauchbar  gewordenen  Kapseln  an 
Besitzer  von  Münz-  und  Schmelzöfen  zu  verkaufen  suchte®'^).  Schließlich  fragte 
sie  beim  König  an,  ob  sie  sich  auch  der  schon  so  lange  stillstehenden  Schleif- 
und Poliermühle  annehmen  sollte  und  machte  auch  deswegen  eine  ganze  Reihe 
von  Vorschlägen  ^'®). 

Der  größte  Fortschritt  aber  ging  jetzt  von  der  Fabrik  selber  aus.  Hier  war 
nun  bald  unter  den  Arbeitern,  nachdem  sie  gesehen  hatten,  daß  ihre  Bemühungen 
jetzt  volle  Anerkennung  fanden  und  sie  auch  nicht  mehr,  wie  früher  beständig 
um  ihren  Lebensunterhalt  besorgt  zu  sein  brauchten,  ein  Leben  und  Streben  aus- 
gebrochen, das  man  früher  hier  kaum  für  möglich  gehalten  hätte.  Alles  sann 
auf  Verbesserungen  und  der  Manufaktur  dienliche,  neue  Erfindungen  und  war 
nicht  eher  froh,  als  bis  dies  Ziel  wirklich  erreicht  war.  Diese  Verbesserungen  fingen 
schon  gleich  bei  der  Masse  selber  an^^°).  Hier  versuchte  man  mehrfach,  den  das  Fluß- 
mittel darstellenden  Alabaster,  den  Böttger  ausschließlich  zur  Porzellanmasse  ver- 
wendet hatte,  durch  den  sogenannten  „Siebenlehner  Stein",  der  den  für  gewöhn- 
lich, jetzt  sogar  fast  ausschließlich  in  der  Porzellanfabrikation  verwandten 
Feldspat  darstellte,  zu  ersetzen.  Doch  scheint  man  merkwürdigerweise  mit 
diesem  keine  allzu  guten  Erfahrungen  gemacht  zu  haben,  und  noch  am  Ende 
dieses  Jahrzehnts  und  später  waren  sich  alle  Arkanisten  der  Meißner  Manufaktur 
darüber  einig,  daß,  wenn  es  nur  irgend  möglich  wäre,  man  immer  Alabaster  zur 
Porzellanbereitung  weiter  verwenden  sollte  ^^i).  Damit  blieb  zunächst  in  Meißen 
das  alte  Böttger&ch.e  Rezept  bestehen  und  die  Böttger&chQ  Erfindung,  so  wie 
dieser  sie  zuerst  gemacht  hatte,  die  technische  Grundlage.  Damit  aber  blieb 
das  Meißner  Porzellan  auch  für  diese  Zeit  noch  immer  ein  reines  Kalkporzellan 
und  ward  noch  immer  nicht  jenes  Feldspatporzellan,  welches  es  später  ständig 
und  bis  in  unsere  Zeit  gewesen  ist.  Dagegen  wurde  das  Verhältnis  der  Bestand- 
teile der  Masse,  namentlich  um  dieselbe  leichter  garbrennen  zu  können,  vielfach 
verändert,  und  man  unterschied  bald  eine  strenge  oder  hartflüssige,  mittlere  und 
weiche  Masse.    Zu  jeder  Masse  gehörte  dann  natürlich  auch  eine  besondere  Glasur. 

Weit  größere  Fortschritte  machte  man  aber  dann  auf  dem  Gebiet  der  Farben. 
Hier  hatte  die  Kommission  sofort  Sorge  getragen,  daß  auch  das  alte  Problem, 
das  dem  Könige  immer  so  sehr  am  Herzen  gelegen  hatte,  daß  er  sogar  für  dessen 
Lösung  einst  die  Summe  von  1000  Talern  ausgesetzt  hatte  ^^^),  die  Erzielung  der  blauen 
Kobaltfarbe,  die  Böttger  und  seinen  Mitarbeitern  ja  noch  nicht  gelungen  war, 
noch  einmal  in  die  Hand  genommen  ward,  und  schon  im  März  des  Jahres  1720 
konnte  sie  zu  ihrer  nicht  geringen  Freude  dem  Könige  vermelden,  daß  dies  Problem 
endlich  gelöst  zu  sein  schiene,  und  zwar  nun  zugleich  von  zwei  Seiten,  von  dem 
älteren  Mehlhorn  und  von  Köhler,  wobei  dieser  durch  Verbesserung  der  Farbe, 
jener  mittels  einer  neuen  Masse  zum  Ziele  gelangt  wäre  ^^^).  Nun  sei  nur  noch 
ein  geschickter  Maler  vonnöten,  um  aus  diesen  Erfindungen  den  ganzen  VQrteil 


Verbesserungen  innerhalb  der  Fabrikation.  261 

zu  ziehen.  Auch  sandte  sie  dem  Könige  bereits  Proben,  zunächst  kleinere  Stücke, 
darunter  Teegeschirre,  dem  bald  aber  größere  folgten,  wobei  sie  dann  auch  auf  die 
versprochene  Belohnung  hinwies.  Von  diesen  gefielen  die  Köhlerschen  Proben, 
dem  König  am  besten.  Doch  wollte  er  sich  der  ausgesetzten  Prämie  nicht  recht 
mehr  entsinnen,  versprach  aber,  es  bei  fortgesetztem,  weiterem  Bemühen  an  einer 
,, billigen  Begnadung"  später  nicht  fehlen  lassen  zu  wollen  ^^*).  Sie  ist  dann  auch 
nicht  ausgeblieben. 

Zu  gleicher  Zeit  setzte  man  in  der  Manufaktur  alle  Energie  daran,  nun  auch 
gleich  den  Chinesen  und  Japanern  größere  Stücke  zu  brennen,  was  ja  zu  Böttgers 
Zeiten  gleichfalls  noch  durchaus  nicht  hatte  gelingen  wollen  ^s^).  Namentlich  dachte 
man  hierbei  an  Teller  und  Schüsseln,  überhaupt  an  ganze  Service,  dann  auch  an 
Vasen  und  Aufsätze,  und  auch  hier  kam  man  bald  so  weit,  daß  der  König  bereits  im 
September  dieses  Jahres  große  Aufsätze  bestellen  konnte,  die  zum  Teil  nun  schon  mit 
blauer  Unterglasurmalerei  bemalt  werden  konnten  ^^^).  Sicherlich  gehören  zu 
ihnen  bereits  einige  der  zahlreichen,  heute  noch  in  der  Dresdner  Porzellansammlung 
befindlichen  Vasen  dieser  Art  von  auffallend  schlanken  Formen  und  reicher  Unter- 
glasurmalerei in  chinesischem  Stil,  die  schon  früh  in  diese  Sammlung  gelangt  sind. 

Und  dann  glückte  es  in  diesem  Jahre  sogar  schon,  eine  farbige  Glasur  für  das 
Porzellan  zu  gewinnen,  jene  bekannte  dunkelbraune  Glasur,  mit  der  die  Chinesen 
vielfach  ihr  Teegeschirr  zu  bekleiden  pflegten,  die  wohl  mittelst  Mangan  gewonnen 
ward.  Es  war  ein  neuer  Triumph  der  Technik,  den  man  -zunächst  wieder 
dem  ganz  besonderen  Wunsche  des  Königs  verdankt  zu  haben  scheint'^'').  Da- 
gegen gelang  es  freilich  damals  noch  nicht,  eine  von  dem  Könige  ganz 
besonders  begehrte  gelbe  Glasur  zu  finden  ^^^),  unter  welcher  der  König  sicherlich 
jene  gelbe  Glasur  der  chinesischen  Porzellane  verstand,  die  damals,  wie  auch  heute 
ausschließlich  für  das  höchste  Oberhaupt  in  China  reserviert  war,  und  die  er  darum 
wohl  auch  gerne  für  sich  selber  benutzen  wollte  ^^^).  Doch  konnte  man  damals 
mit  der  einen  Erfindung,  durch  die  man  von  neuem  bewies,  daß  man  der  chinesischen 
Porzellankunst  immer  näher  kam,  wohl  zufrieden  sein. 

Daneben  aber  begriff  die  Manufaktur  gar  wohl,  daß  ihr  in  künstlerischer  Be- 
ziehung nichts  mehr  vonnöten  täte,  als  die  Ausbildung  der  Malerei,  als  ein  wirklich 
tüchtiger  Maler.  Die  Malerei  war  ja  bisher,  wie  gezeigt,  die  schwächste  Seite  des 
jungen  europäischen  Porzellans  gewesen®^"),  da.  Böttger  sich,  für  dieselbe  nicht  allzusehr 
interessiert  zu  haben  scheint  und  sie  auch  damals  in  der  Tat  wegen  des  so  wie  so  schon 
guten  Abgangs  des  Porzellans  nicht  unbedingt  erforderlich  erschien.  Jetzt  aber 
war  die  Produktion  stark  vermehrt  worden,  es  mußten  neue  Liebhaber  durch  neue 
Reize  gewonnen  werden.  Auch  war  es  gegenüber  dem  immer  Vorbild  bleibenden 
chinesischen  und  japanischen  Porzellane  geradezu  eine  Ehrensache,  jenen  auch 
in  dieser  Beziehung  völlig  gleich  zu  kommen.  So  war  zu  diesem  Zwecke  zunächst 
das  Personal  vermehrt  worden  durch  die  Einstellung  des  jüngeren  Mehlhorn.  Doch 
fehlte  dadurch  noch  immer  die  unbedingt  nötige  technische  und  künstlerische 
Steigerung.    Da  kam  der  Kommission  das  Glück  in  einer  Weise  entgegen,  wie  sie 


262  Das  Böttgersche  Erbe. 

es  damals  wohl  in  keiner  Weise  erwartet  hatte  und  damals  wohl  auch  kaum  gleich 
in  seiner  vollen  Bedeutung  erkannt  hat.  Stöltzel,  der  ungetreue  Arbeiter,  der 
sich  noch  wenige  Wochen  vor  Böttgers  Tode  aus  Meißen  fortgeschlichen  und  nach 
Wien  gewandt  hatte,  hatte  sich,  als  der  erhoffte  finanzielle  Erfolg  sich  dort  nicht 
gleich  einstellen  wollte,  wieder  nach  Dresden  begeben  und  dort  reumütig  um 
Wiedereinstellung  in  die  Manufaktur  gebeten,  was  ihm  auch  nach  einigem  Zögern 
unter  gewissen  Bedingungen  wieder  gestattet  ward.  Gleichzeitig  hatte  er,  wohl 
um  sich  wieder  einzuschmeicheln,  und  weil  er  wohl  wußte,  was  damals  der  Fabrik 
besonders  nötig  tat,  einen  aus  Jena  gebürtigen  Kunstmaler,  Johann  Gregorius 
Herold  mit  Namen,  mitgebracht,  der  in  Wien  schon  an  der  Manufaktur  gearbeitet 
hatte.  Dieser  hatte  als  Proben  seiner  Kunst  einige  Schälchen  mitgebracht,  die 
eine  ganz  „besondere  Geschicklichkeit"  in  der  Bemalung  verrieten  und  zeigten, 
daß  er  namentlich  mit  blauen,  roten,  aber  auch  mit  anderen  Farben  so  umzugehen 
wußte,  daß  diese  glatt  aus  dem  Feuer  herauskamen  und  auch  die  kunstmäßig 
gezeichneten  Figuren  ihre  Zeichnung  im  Feuer  beibehielten  ^^^),  wobei  er  sich  freilich 
ihm  von  Stöltzel  übergebener  Farben  bedient  hatte,  deren  Rezepte  dieser  sicherlich 
wieder  von  Böttger  empfangen  hatte  ^®^).  Ihn  nahm  die  Kommission,  da  auch  der 
König  inzwischen  dringend  die  Anstellung  eines  guten  Malers  verlangt  hatte,  sofort 
auf,  stellte  ihm  aber,  da  er  der  Nachfrage  nach  bemaltem  Porzellan  bald  nicht 
mehr  allein  genügen  konnte,  noch  zwei  Hilfskräfte  zur  Seite,  darunter  einen 
Holländer,  der  bisher  Delfter  Gut  bemalt  hatte  ^^^),  und  so  war  nun  auch  diese 
Lücke  der  Manufaktur  glücklich  ausgefüllt. 

Diese  Anstellung  Herolds  aber  hat  dann  bekanntlich  für  die  Fabrik  mehr  als 
die  Gewinnung  eines  tüchtigen  Malers  bedeutet,  der  das  Meißner  Porzellan  mehr 
oder  weniger  geschickt  bemalte.  Sie  erwies  sich  bald  als  der  Hinzutritt  einer  wirk- 
lich künstlerischen  Persönlichkeit,  die  Geschmack  mit  keramischem  Verständnis 
verband,  wie  dies  die  Manufaktur  bisher  noch  nicht  besessen  hatte,  einer  künstleri- 
schen Persönlichkeit,  die  nicht  nur  ihre  ganze  Kraft  dieser  Anstalt  widmete,  viel- 
mehr ihr  von  nun  an  seinen  eigenen  Stempel  aufdrückte.  Sie  bedeutete  mit  einem  Worte 
den  Einzug  der  Kunst  in  die  Manufaktur  schlechtweg.  Und  zugleich  erwies  sich 
Herold  als  ein  erstaunlicher  Techniker,  der  es  nicht  nur  verstand,  sich  in  die  schon 
vorhandenen  Techniken  der  Manufaktur  mit  Leichtigkeit  einzuleben  und  sie  seinem 
künstlerischen  Willen  dienstbar  zu  machen,  vielmehr  selber  erfinderisch  vorging, 
auf  seinem  eigenen  Gebiete,  dem  der  Farbe,  die  wichtigsten,  seiner  Kunst  nützlichsten 
Erfindungen  machte,  darunter  schon  wenige  Jahre  nach  seiner  Ankunft  in  Meißen 
jene  wundervollen,  transparenten,  völlig  glatt  aufsitzenden  Farben  voll  leuchtender 
Kraft,  die  von  da  an  der  Ruhm  und  der  Stolz  der  Meißner  Manufaktur  des  18.  Jahr- 
hunderts gewesen  sind  ®^^),  ja  damals  ebensowenig  von  irgend  einer  Manufaktur 
des  echten  Porzellans  übertroffen  worden  sind,  wie  sie  heute  die  Meißner 
Manufaktur  in  ihrem  ganzen  früheren  Umfange  schon  wieder  erreicht  hat, 
der  es  aber  dann  weiter  verstand,  bis  zum  Verwechseln  die  ostasiatischen  Porzellane 
als  Vorbilder  zu  kopieren  und  sein  Porzellan  mit  den  wunderbarsten  Tönen  glasur- 


Eintritt  Herolds.  263 

artig  zu  überziehen,  kurz,  der  aus  dem  Porzellan  eine  farbige  Kunst  machte,  an  die 
Böttger,  der  Techniker,  noch  nicht  entfernt  gedacht  hatte,  und  die  auch  im  euro- 
päischen Porzellan  nie  wieder  übertroffen  worden  ist. 

Alles  dies  aber  gelingt  hier  in  so  kurzer  Zeit  und  erreicht  in  so  wenigen  Jahren 
eine  so  erstaunliche  Vollendung,  daß  man  merkt,  daß  wiederum  eine  Art  Genie 
in  die  Manufaktur  eingezogen  ist  und  ihr  seine  volle  Kraft  zur  Verfügung  stellt. 
Und  so  reichen  sich  hier  schon  kurze  Zeit  nach  5ö^^e/-5  Tode,  wie  es  in  jeder  Porzellan- 
fabrikation von  echter  künstlerischer  Art  sein  sollte,  Kunst  und  Technik  aufs 
innigste  die  Hände  und  unterstützen  sich  wechselseitig,  und  es  fand  bald  ein  Auf- 
schwung der  Kunst  statt,  wie  ihn  damals  zunächst  wohl  noch  keiner  hier  erwartet 
hatte,  und  wie  er  in  der  europäischen  Porzellankunst  sich  auch  wohl  niemals  wieder- 
holt hat.  Zugleich  aber  zieht  damit  im  engsten  Anschluß  an  die  ostasiatischen 
Vorbilder,  ja  in  direkter  Anlehnung  an  sie  der  echte  Porzellanstil  in  das  Meißner 
Porzellan  ein,  jener  Stil,  der  an  die  Stelle  des  plastischen  Elements  der  Böttgerschen 
Zeit  das  farbige  setzt  und  darnach  strebt,  das  Porzellan,  wie  es  immer  sein  sollte, 
in  erster  Linie  zum  Träger  eines  bunten  Farbenkleides  zu  machen  ^^^),  das  nun  endlich 
der  Neigung  des  Barocks  zu  Prunk  und  Glanz  in  vollstem  Maße  entgegenkam. 
Damit  aber  ward  jetzt  erst  wirklich  völlig  erreicht,  was  dem  Könige,  was  Tschirn- 
hausen, was  Böttger,  ja  allen  übrigen,  die  an  irgend  einer  anderen  Stelle  nach  der 
Porzellanerfindung  eifrig  gestrebt  hatten,  immer  so  heiß  ersehnt  hatten:  ein 
Porzellan,  glänzend  und  farbenprächtig,  wie  das  der  Chinesen  und  Japaner  und 
völhg  fähig,  mit  jenem  zu  konkurrieren.  Und  nun  hatte  der  König  endlich 
allen  Grund,  auf  die  unter  seiner  Regierung  durch  Böttger  gemachte,  von  ihm  aufs 
kräftigste  unterstützte  Erfindung  stolz  zu  sein  und  sich  dieser  freudig  zu  rühmen: 
die  Meißner  Manufaktur  war  in  der  Tat  ein  Ruhmestitel  seiner  Herrschaft  ge- 
worden, ein  deutliches  Zeichen  seiner  Kunstliebe  und  seiner  so  modern  empfundenen 
industriellen  Bestrebungen,  und  sie  ist  dies  auch  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben. 

Gleichzeitig  aber  ward  sie  auch  eine  wirkliche  Einnahmequelle  für  ihn  und  sein 
Land,  die  von  nun  an  fast  ohne  Unterbrechung  keine  Zuschüsse  mehr  erforderte,  viel- 
mehr Überschüsse  einbrachte.  Im  Jahre  1720  nur  erst  9694  Taler  stark,  stiegen  die 
Einnahmen  im  folgenden  schon  auf  11 368  Taler  und  am  Ende  dieses  Jahrzehnts  be- 
lief sich  ihre  Gesamtsumme  bereits  auf  die  gewiß  erstaunliche  Höhe  von  etwa  26  930 
Taler  ^^^).  Es  war  damit  die  sichere  Aussicht  auf  eine  weitere  glänzende  und  ein- 
trägliche Fortentwicklung  der  Manufaktur  gegeben.  Damit  aber  trugen  nun  wirklich 
schon  die  Unternehmungen  Böttgers,  die  soviel  Geld  verschlungen  hatten  und  bei 
seinem  Tode  fast  schon  wie  völlig  verfehlte  Gründungen  ausgesehen  hatten,  wenigstens 
durch  seine  Hauptgründung,  die  Meißner  Manufaktur,  jene  Zinsen,  die  man  von 
ihnen  eigentlich  schon  von  Anfang  an  erwartet  hatte,  und  die  Manufaktur  hatte 
sich  endlich  als  jene  Goldquelle  herausgestellt,  die  Böttger  immer,  wenn  auch  auf 
gänzhch  andere  Weise  in  Aussicht  gestellt  hatte.  Böttger  selber  aber  war  damit 
nachträglich  doch  noch  ein  Wohltäter  Sachsens  geworden. 


264  Das  Böttgersche  Erbe. 

Indessen  seine  keramischen  Erfindungen  hatte  Böttger  —  nicht  ganz  ohne  sein 
Verschulden  —  nicht  vermocht,  kostbare  Privilegien  seines  Landes  bleiben  zu 
lassen.  Sie  hatten  schon  zu  seinen  Lebzeiten  die  Wanderung  durch  die  Welt 
angetreten.  Zuerst,  wie  gezeigt,  seine  einfachere  Erfindung,  die  des  roten  Stein- 
zeugs, auf  die  man  seinerzeit  schon  so  stolz  gewesen  war.  Schon  im  Jahre  1715 
war  die  Konkurrenzfabrik  zu  Plane  begründet  worden.  Doch  der  Verrat  dieses 
Geheimnisses  hatte  sich  bald  genug  als  bedeutungslos  herausgestellt.  Die  Plauesche 
Fabrik,  die  sich  nie  zur  Höhe  des  Betriebes  und  der  Kunst  der  Meißner  Manufaktur 
hat  erheben  können,  blieb,  wie  Böttger  es  geahnt  hatte,  für  die  Meißner  Manufaktur 
völlig  bedeutungslos,  obwohl  sie  doch  mindestens  noch  ein  volles  Jahrzehnt  weiter 
bestand  ^^').  War  doch  das  rote  Steinzeug  auch  in  Meißen  selber  durch 
die  Fabrikation  des  echten  Porzellans  völlig  entwertet  und  nur  noch  als 
Kuriosität  für  gelegentliche  Liebhaber  weitergeführt  worden,  um  schließlich  nacl;i 
Böttgers  Tode  überhaupt  nicht  mehr  angefertigt  zu  werden  ^^^),  Dies  Kapitel 
war  bald  genug  erledigt.  Dagegen  war  die  Saat,  die  Stöltzel  in  Wien  gesät  hatte, 
nur  zu  gut  aufgegangen.  Denn  schon  vor  Stöltzels  Ankunft  in  Wien  im  Jahre  1719 
hatte  hier  ein  Holländer,  namens  Du  Pasguier,  mit  Hilfe  eines  aus  Dresden  ge- 
kommenen Goldschmiedegesellen,  namens  Hunger,  der  zwar  mit  Böttger  verkehrt, 
nie  aber  in  der  Meißner  Manufaktur  selber  beschäftigt  gewesen  war  ^^^),  vergeblich 
versucht,  die  erste  Konkurrenzfabrik  gegen  Meißen  auf  dem  Gebiet  des  echten 
Porzellans  anzulegen.  Nun  aber  als  Stöltzel  sich  ihnen  anschloß,  ging  alles  besser,  und 
nur  zu  gut  waren  ja  die  Proben  gewesen,  die  er  von  dieser  Fabrik  nach  Dresden 
mitbrachte,  als  er  im  Jahre  1720  reumütig  dorthin  wieder  zurückkehrte.  Der  Beweis, 
daß  nun  auch  andere  außerhalb  der  Manufaktur  um  das  so  wichtige  Geheimnis 
des  echten  Porzellans  wußten,  war  damit  völlig  erbracht,  und,  wenn  es  auch  mit 
der  Manufaktur  in  Wien  nach  Stöltzels  Fortgange  —  er  will  dort  alles,  was  er  ange- 
legt hatte,  vorher  zerstört  und  verwüstet  haben,  —  zunächst  nicht  recht  weiter  ging 
und  die  Fabrik  nicht  aufkommen  wollte,  so  schien  dieser  scheinbare  Vorteil  für 
Meißen  doch  nur  zu  bald  wieder  einen  neuen  Nachteil  bedeuten  zu  sollen.  Gerade 
so  wie  Stöltzel  aus  diesem  Grunde  sich  von  Wien  wieder  weggewandt  hatte,  so  tat 
es  nun  Hunger,  und  da  dieser  in  Dresden  zunächst  nichts  zu  hoffen  hatte,  so  ging 
er  schon  im  Jahre  1720  auf  Veranlassung  des  venetianischen  Botschafters  in  Wien 
nach  dem  reichen,  industriellen  Venedig,  hoffend,  in  der  großen  Handelsstadt  gleich- 
falls Neigungen  für  ein  aussichtsreiches  industrielles  Unternehmen  vorzufinden  ''''"). 
Und  er  täuschte  sich  keineswegs.  Vier  Nobili  ließen  ihn  hier  unter  ihrer  Aufsicht 
arbeiten  und  wie  es  scheint,  nicht  ohne  Erfolg.  Aber  als  dann  die  Kaolinerde  aus- 
ging, die  man  sich,  wie  schon  in  Wien,  aus  Sachsen  heimlich  zu  verschaffen  ge- 
wußt hatte,  ging  Hunger  wieder  von  dannen,  indem  nun  auch  er  sich  nach 
Dresden  zurückwandte,  und  von  der  von  ihm  gegründeten  Porzellanfabrik  in  Venedig 
hat  man  dann  nicht  allzuviel  wieder  gehört  '°^).  Auf  alle  Fälle  ist  sie  damals  nichts 
weniger  als  eine  Konkurrenzanstalt  für  Meißen  geworden,  ja  man  kann  getrost 
sagen,  daß  in  beiden  Fällen,  in  Wien  wie  in  Venedig,  der  Verrat  des  Geheimnisses 


Die  ersten    Konkurrenzfabriken.  265 

der  Böttgerschen  Erfindung  der  Meißner  Manufaktur  damals  nicht  allzuviel 
geschadet  hat.  Nur  wurden  freilich  durch  sie  der  Mitwisser  immer  mehr  und 
die  Gefahr  einer  Weiterverbreitung  des  kostbaren  Geheimnisses  darum  nur 
immer  größer. 

Trotz  alledem  blieb  merkwürdigerweise  dies  Geheimnis  länger  für  die  große 
Allgemeinheit  verborgen,  als  man  nach  jenen  ersten  bösen  Ereignissen  hätte 
erwarten  können,  so  daß  Meißen  doch  noch  lange  Zeit  hindurch  der  Haupt- 
besitzer desselben  bleiben  konnte.  Man  darf  eben  nicht  vergessen,  daß  es  damals 
selbst  in  Meißen  nicht  allzu  viele  gab,  die  wirklich  um  die  ganzen  zur  Porzellan- 
fabrikation nötigen  Arkana  wußten  und  diese  waren,  wie  Köhler,  Schuberth  und 
jetzt  auch  Stöltzel,  fleißige  und  gewissenhafte  Leute,  die  jetzt  in  Meißen  den  vollen 
Lohn  ihrer  Arbeit  und  mancherlei  Aufmunterung  zu  weiterem  Streben  fanden  '^^^). 
Dazu  kam,  daß  der  Mißerfolg,  den  Stöltzel  und  Hunger  in  Wien  und  Venedig  so 
gründhch  gehabt  hatten,  und  ihre  reuige  Rückkehr  nach  Meißen  wenig  dazu  an- 
getan war,  gleich  wieder  zu  neuen  derartigen  Versuchen  anzureizen.  So  zieht  denn 
in  dieser  Zeit  zunächst  nur  der  gleich  wieder  von  Meißen  flüchtige  Hunger  herum 
und  sucht  Porzellan-  und  Fayencefabriken  in  Berlin,  Dänemark,  Schweden  und 
später  auch  in  Rußland  zu  gründen  "'^).  Ihm  hat  sich  dann  später  allem  An- 
scheine nach  der  stets  renommistische  und  begehrliche  ältere  Mehlhorn  ange- 
schlossen, der  im  Verdacht  steht,  1739  bei  der  Begründung  einer  Porzellanfabrik 
in  Kassel  mitgeholfen  zu  haben  '^o*)  und  endlich  auch  jenes  fatale  Anhängsel  der 
Meißner  Fabrik,  Meerheim,  der  1735  auf  und  davon  ging  und  in  Potsdam  mit 
einem  gewissen  Kirchner  eine  gleiche  Anstalt  zu  begründen  versuchte,  in  der  aber 
allem  Anscheine  nach  doch  nur  Glas  fabriziert  worden  ist  ''^^).  Dann  entwich 
noch  im  Jahre  1736  ein  Malergeselle  namens  Löwenfinck  nach  Bayreuth,  da  er 
von  der  dortigen  Fayencefabrik  St.  Georgen  am  See  gewonnen  worden  war, 
allem  Anschein  nach,  um  Porzellan  zu  machen  'ö^),  was  aber  dort  in  dieser  Zeit 
niemals  zustande  gekommen  zu  sein  scheint'"').  Auch  rühmte  sich  im  Jahre  1741 
in  Mannheim  ein  Sachse,  der  „Elias  Vater"  genannt  ward,  Porzellan  machen  zu 
können  '°8)  und  war  zu  diesem  Zwecke  auch  früher  schon  in  Kopenhagen  aufge- 
taucht'"^). Aber  nirgends  kam  damals  durch  diese  Überläufer  etwas  Rechtes  zustande. 
Denn  schUeßlich,  für  die  so  schwierige  Porzellanfabrikation  genügt  keine  Halbheit. 
Mit  bloßen  Rezepten  ist  hier  nicht  allzuviel  anzufangen.  Es  bedarf  hierzu  der 
sichersten  Praxis,  der  gediegensten  Erfahrung,  dann  aber  auch  der  Materialien, 
und  diese  zu  finden,  war  damals  keineswegs  leicht,  da  man  in  Sachsen  die  Ausfuhr 
der  Schnorrschen  Erde  bald  strenge  verbot,  '^°)  und  um  den  zur  Porzellanfabrikation 
unumgängUch  notwendigen  Kaolin  gleich  anderswo  aufzutreiben,  doch  weder  die 
geologischen  noch  mineralogischen  Kenntnisse  dieser  Zeit  schon  ausreichten. 
So  hören  wir  denn  auch  in  dieser  Zeit  von  keiner  weiteren  Fabrik,  in  der  mit 
Sicherheit  das  echte  Porzellan  hergestellt  worden  ist.  Die  meisten  keramischen 
Neugründer  mußten  sich  damals  noch  mit  der  Gründung  von  Fayencefabriken  be- 
gnügen,  denen  sie  freihch,    sich  selbst  zum  Tröste,  fast  immer  den  klangvollen 


266  Das  Böttgersche  Erbe. 

Namen  Porzellanfabrik  beilegten,  wodurch  freilich  ihr  wahrer  Wert  nicht  größer 
wurde  '^^). 

Trotz  alledem  war  der  Wunsch  Europas,  das  Geheimnis  des  echten  Porzellans 
zu  besitzen,  noch  immer  derselbe  geblieben,  ja  er  war  dadurch,  daß  Böttger  jetzt 
die  Nacherfindung  desselben  so  glänzend  gelungen  und  dies  noch  dazu  in  einem 
Lande  geschehen  war,  von  dem  es  vorher  so  leicht  keiner  erwartet  hatte,  nur  noch 
bedeutend  gesteigert  worden,  und  da  nun  in  dieser  Beziehung  die  Meißner  Manu- 
faktur fast  gänzlich  versagte,  von  ihr  nur  wenig  Aufklärung  zu  erwarten  war,  so 
blieben  für  die  übrige  Welt  zur  Erreichung  dieses  Zieles  nur  zwei  Wege  übrig: 
entweder  das  Problem  des  Porzellans  noch  einmal  zu  lösen,  d.  h.  die  Erfindung 
desselben  zum  dritten  Male  zu  versuchen,  oder  seine  Blicke  auf  China  zu  richten 
und  von  hier  die  erwünschte  Aufklärung  zu  erwarten. 

Sicherlich  darf  man  bei  der  ganzen  Stimmung  der  Zeit  annehmen,  daß  der 
erstere  Weg  damals  oft  genug  angetreten  worden  ist,  wenn  auch  von  derartigen 
Versuchen,  da  sie  ja  meist  in  aller  Stille  vorgenommen  wurden,  falls  sie  nicht  zum 
Resultat  gekommen  zu  sein  schienen,  nicht  allzuviel  an  die  Öffentlichkeit  ge- 
drungen ist.  Die  bekanntesten  Versuche  dieser  Art  in  Deutschland  sind  die  des 
Dr.  Joh.  Heinr.  Pott,  des  berühmtesten  damaligen  Chemikers  in  Berlin,  die,  auf 
Anregung  des  jungen  König  Friedrich  unternommen,  scheinbar  auch  im  Jahre 
1742  zu  einem  gewissen  Ziele  führten,  wobei  indes  nicht  feststeht,  ob  hierbei 
nicht  doch  vorher  schon  einige  Kenntnis  aus  Meißen  nach  Berlin  gelangt  war. 
Auch  waren  die  Resultate  nach  dem  Urteile  Meißens  noch  recht  unvollkommen, 
ja  es  scheint  überhaupt  die  „echte  Porzellanerde"  noch  gänzlich  gefehlt  zu  haben  'i^). 
Ähnliches  hören  wir  dann  auch  noch  von  einem  biederen  Töpfermeister  in  Coburg, 
namens  Dümmler,  der,  um  Porzellan  zu  gewinnen,  sein  ganzes  Vermögen  damals 
verlaboriert  haben  soll  '^^).  Aber  alle  diese  selbständigen  Versuche  dieser  Zeit  wie 
auch  der  folgenden  sind  völlig  resultatlos  geblieben.  Es  ist  nirgends,  so  viel  wir 
wissen,  aus  eigener  Kraft  das  eigenartige  keramische  Prinzip  des  Porzellans  noch 
einmal  entdeckt  worden'^^)  und  daraufhin  die  Herstellung  dieses  wertvollen  Materials 
gelungen,  und  so  bleibt  Böttger  für  alle  Zeiten  der  einzige  Nacherfinder  des  chine- 
sischen Porzellans.  Das  hebt  seine  Stellung  innerhalb  der  Keramik  noch  um 
ein  beträchtliches. 

Um  so  eifriger  jedoch  richtete  man  da  seine  Blicke  nach  China  und  um  so 
hoffnungsvoller,  da  gerade  um  die  Zeit,  als  Böttger  seine  Erfindung  gelang,  unter 
dem  großen  Kaiser  Kang-hsi  China  und  Europa  so  eng  miteinander  verbunden 
waren,  wie  nie  vorher  und  wie  auch  wohl  niemals  wieder.  Es  war  damals 
jene  merkwürdige  Zeit,  da  Europäer  Minister  am  kaiserlichen  Hofe  waren,  euro- 
päische Gelehrte  in  China  tätig  sein  durften  und  starke  Bekehrungen  zum  Christen- 
tum dort  stattfanden.  Da  mochten  auch  jene  Hoffnungen,  das  Geheimnis  des 
Porzellans  an  der  ersten  Quelle  gelöst  zu  bekommen,  nicht  ganz  ohne  Berechtigung 
erscheinen.  Man  suchte  dieses  hier  sowohl  auf  theoretische  wie  praktische  Weise 
zu  erreichen,  vor  allem  aber  forschte  man  nach  den  Materialien,  in  der  festen  Er- 


Neue  Anknüpfungen  mit  China.  267 

Wartung,  wenn  man  erst  diese  hätte,  dann  auch  bald  hinter  das  Geheimnis  ihrer 
Mischung  zu  kommen.  Zu  diesem  Zwecke  hatten  schon  am  Anfange  dieses  Jahr- 
hunderts ein  Engländer  und  ein  holländischer  Kaufmann  den  bei  den  Chinesen 
Petuntse  genannten  Feldspat,  damit  das  Flußmittel  des  chinesischen  Porzellans 
mit  nach  Europa  gebracht,  da  sie  aber  von  der  Existenz  und  Notwendigkeit  des 
Kaolins  zur  Porzellanbereitung  nichts  wußten,  mit  diesem  natürlich  nicht  das 
geringste  anfangen  können.  Arg  sollen  damals  die  Chinesen,  als  sie  hiervon  er- 
fuhren, gespottet  haben:  „Die  Herren  Europäer  wären  wunderUche  Leute.  Sie 
wollten  Körper  ohne  Knochen  machen,  da  doch  jene  ohne  diese  weder  gehen  noch 
stehen  könnten." '^^)  Dann  aber  kam  endlich  aus  China  über  diesen  Stoff  — aller- 
dings erst  13  Jahre  nach  Böttgers  Erfindung  —  ein  klares  Licht  nach  Europa.  Im 
Jahre  1722  erschienen  in  der  damaligen  viel  gelesenen  Briefsammlung  der  Lettres 
edifiantes  et  curieuses  zwei  Briefe,  die  der  Jesuitenpater  Pere  (T Entrecolles  im  Jahre 
1712  und  1722  in  China  geschrieben  hatte '^*),  in  denen  er  zum  ersten  Male  —  im 
Auftrage  der  französischen  Regierung  —  ausführliche  und  zuverlässige  Mitteilungen 
gab  über  die  Zusammensetzung  desselben  in  China,  seine  Fabrikation,  seine  Be- 
malung u.  dgl.  m.  auf  Grund  des  eingehendsten  Studiums  des  Hauptfabrikations- 
ortes des  chinesischen  Porzellans,  der  ausgedehnten  kaiserlichen  Porzellanmanu- 
faktur zu  King-te-chin.  Es  sind  Darstellungen,  die  neben  vielem  Wahren  auch  noch 
manches  Falsche  brachten,  aber  selbst  für  unsere  Zeit  die  Bedeutung  noch  nicht 
ganz  verloren  haben.  Für  die  damaligen  Zeiten  jedoch  waren  sie  trotz  ihrer  Irr- 
tümer unbezahlbar:  durch  sie  erfuhr  man  .nun  in  der  Tat  zum  ersten  Male 
ganz  allgemein,  was  eigentlich  das  Porzellan  in  der  Hauptsache  ist,  nämlich  ein 
Gemisch  zweier  Erden,  des  sogenannten  Kaolins  und  der  Petuntse,  mit  welchem 
Namen  in  China  das  Flußmittel  des  Feldspats  bezeichnet  ward.  Freilich  über 
die  besondere  Natur  dieser  beiden  Stoffe  war  hier  nur  wenig  und  auch  nicht 
immer  Richtiges,  über  ihr  besonderes  d.  h.  entgegengesetztes  Verhalten  im  Feuer 
noch  nicht  das  geringste  gesagt.  Das  Prinzip  des  Porzellans  war  damit  noch  in 
keiner  Weise  aufgeklärt.  Doch  hatte  es  von  nun  an,  da  aus  diesen  Darstellungen 
wenigstens  hervorging,  daß  das  Porzellan  ein  Gemisch  von  zweien  Stoffen 
war  und  hier  auch  über  die  Glasur,  die  Fabrikation,  die  Bemalung  desselben 
mancherlei  nützliche  Winke  gegeben  waren,  ein  jeder,  der  das  Porzellan  jetzt 
nacherfmden  und  fabrizieren  wollte,  bedeutend  leichter,  als  es  Böttger  gehabt 
hatte,  der  damals  noch  völlig  im  Dunkeln  tappend,  alles  aus  sich  selbst 
herausfinden  und  manchen  verlockenden'  Irrweg  hatte  vermeiden  müssen.  Es 
war  jetzt  wenigstens  der  erste  Anhalt  zum  weiteren  Suchen  gegeben,  jetzt 
auch  endgültig  dargetan,  daß  das  Porzellan  mit  der  Glasfabrikation,  auf 
deren  Gebiet  es  bisher,  wie  gezeigt,  fast  alle  vor  Böttger  gesucht  hatten,  nicht 
das  geringste  zu  tun  hatte,  und  so  war  wenigstens  der  Erfolg  dieses  Buches 
der,  daß  jetzt  für  den,  der  das  Porzellan  nachzuerfinden  trachte,  dieser 
gefährliche  Irrweg  in  Zukunft  vermieden  werden  konnte.  Das  war  schon  ein 
beträchtlicher  Fortschritt. 


268  Das  Böttgersche  Erbe. 

Doch  Pere  d'Entrecolles  hatte  noch  mehr  getan,  als  bloß  theoretische  Unter- 
weisungen aus  China  zu  senden.  Er  hatte,  um  gleich  auch  die  Praxis  zu  ermöglichen, 
Proben  der  beiden  genannten  Bestandteile  des  chinesischen  Porzellans  nach  Europa 
gesandt,  und  diese  waren  dem  berühmten  französischen  Physiker  Reaumur  in 
die  Hände  gefallen,  der  sie  aufs  eingehendste  untersuchte.  Das  Resultat  dieser 
Untersuchung  war  das  gewünschte :  eine  klare  Feststellung  des  wirklichen  Prinzips 
des  Porzellans.  Er  erkannte  deutlich  die  Feuerbeständigkeit  des  einen,  die  Fließ- 
barkeit  des  anderen,  und  stellte  nun  auf  Grund  dieses  Prinzips  nach  Böttger  in 
Europa  zum  ersten  Male  wirklich  selbständig  das  echte  Porzellan  her  ^^'').  Damit 
war  ein  gewisses  Ziel  glücklich  erreicht.  Aber  dann  war  es,  als  die  aus  China  mitge- 
brachten Stoffe  aufgebraucht  waren,  auch  wieder  mit  aller  Weisheit  zu  Ende. 
Es  fehlte,  wie  bei  diesen  Bestrebungen  jetzt  so  häufig,  das  Kaolin,  obwohl  Reaumur 
der  festen  Überzeugung  war,  diesen  Stoff  auch  in  Frankreich  auffinden  zu  können, 
und  auch  er,  der  große  Physiker,  mußte  jetzt  nach  Böttgers  Erfindung  noch  seine 
Zuflucht  nehmen  zu  einem  Surrogat,  einem  sogenannten  ,, entglasten"  Glase,  einem 
Glase,  das  er  künstlich  weniger  durchscheinend  und  unvollkommen  machte  '^^  ) 
Es  war  wieder  eine  Art  Frittenporzellan,  das  aber  nicht  wie  bisher  in  Frankreich 
durch  Herstellung  eines  schlechten  Glases,  sondern  durch  Umschmelzung  eines 
guten  gewonnen  wurde.  Er  war  die  genaue  Umkehrung  des  bisher  in  Frankreich 
auf  diesem  Gebiete  verfolgten  Prinzips.  Doch  irgend  eine  praktische  Bedeutung 
hat  diese  neue  und  eigenartige  Methode  Reaumurs  dann  nicht  gewonnen.  Sie  ist 
in  keiner  Weise  weiter  ausgenutzt  worden  und  so  nur  eine  interessante  Methode 
mehr  auf  diesem  Gebiete  geblieben. 

Am  planvollsten  und  energischsten  aber  ging  in  dieser  Zeit,  um  von  China 
das  langgesuchte  Geheimnis  des  Porzellans  herauszubekommen,  Rußland  vor.  Hier, 
wo  es  seit  Peter  dem  Großen  unter  den  Herrschern  Sitte  geworden  war,  alles  zu 
tun,  um  eine  einheimische  Industrie  ins  Leben  zu  rufen,  wurden  in  den  Jahren 
1743  und  1745  mit  jenen  Karawanen,  die  damals  auf  Kosten  der  Zaren  zur  Be- 
lebung des  Handels  nach  China  geschickt  zu  werden  pflegten,  auch  einige  Leute  mit- 
gesandt, denen  der  Auftrag  gegeben  war,  sich  auf  irgend  eine  Weise  an  Ort  und 
Stelle  in  den  Besitz  dieses  Geheimnisses  zu  setzen.  Davon  kam  der  erste  Ausge- 
sandte —  freilich  scheinbar  nur  wegen  nicht  genügender  Unterstützung  —  völlig 
resultatlos  wieder  zurück,  dem  zweiten  dagegen  glückte  es  wirklich,  von  einem 
Werkführer  der  kaiserlichen  Manufaktur  gegen  eine  hohe  Summe  über  das  Wesen 
des  Porzellans  Aufklärung  zu  erhalten.  Als  er  aber  zurückgekehrt,  sich  ans  Probieren 
machte,  scheint  er  zwar  etwas  Porzellanartiges  zustande  gebracht  zu  haben,  aber 
doch  nichts,  was  sich  als  wirklich  brauchbar  erwies,  und  so  war  auch  dies  Attentat 
auf  das  Geheimnis  des  chinesischen  Porzellans  völlig  vergeblich  gewesen  'i'). 

Inzwischen  jedoch  war  in  Deutschland,  dem  Lande  der  Porzellannacherfindung 
Böttgers,  ein  neues  keramisches  Leben  erwacht  und  eine  Begierde,  das  Porzellan 
nachzumachen,  wie  man  es  vorher  hier  noch  nicht  gekannt  hatte.  Bald  gab  es 
hier  kaum  einen  Fürsten  mehr,  der  nur  ein  einigermaßen  großes  Land  regierte, 


Neue  Gründungen.  269 

der  nicht  seine  eigene  Porzellanfabrik  besitzen,  sein  eigenes  Porzellan  fabrizieren 
und  verschenken  wollte.  Die  Porzellanfabrikation  war  Mode  geworden,  ein  richtiges 
Porzellangründungsfieber  durchzog  damals  dieses  Land  und  griff  auch  bald  ins 
Ausland  über.  Grund  hierfür  war  wohl  unter  anderem,  daß,  da  die  Meißner  Manu- 
faktur sich  bedeutend  vergrößert  und  auch  die  Wiener  sich  immer  lebhafter  ent- 
wickelt hatte,  es  jetzt  viel  mehr  als  früher  Persönlichkeiten  gab,  die  die  Arkana 
kannten  und  darum  auch  verraten  konnten.  Dazu  kamen  für  die  Meißner  Manu- 
faktur auch  die  diese  so  stark  beunruhigenden  Kriege  Friedrichs  des  Großen,  Und 
so  beginnt  jetzt  die  Zeit  jener  fahrenden  Adepten  und  Arkanisten,  die  wie  in  den 
vergangenen  Jahrhunderten  die  Goldmacher,  mit  mehr  oder  weniger  Wissen,  das 
sie  fast  immer  angeblich  oder  wirklich  aus  Meißen  besaßen,  durch  die  Lande  ziehen, 
überall  ihre  Dienste  anbieten  und  die  Fürsten,  wo  sie  nur  können,  dazu  ermutigen, 
ihre  eigenen  Porzellanfabriken  anzulegen.  Gar  mancher  Schwindler  und  Nichts- 
könner ist  unter  diesen,  der  oft  ebenso  rasch  verschwindet,  wie  er  aufgetaucht 
war,  doch  auch  mancher,  der  nur  zu  viel  von  diesen  Dingen  erfahren  hatte,  und 
dessen  einzige  Aufgabe  es  dann  meist  nur  noch  war,  die  richtigen  Materialien  zur 
Fabrikation  des  Porzellans  aufzufinden.  Zu  gleicher  Zeit  erscheint  jetzt  im  Jahre 
1750  auch  eine  theoretische  Schrift,  betitelt:  „das  entdeckte  Geheimnis  des  ächten 
Porcellains  sowohl  des  Chinesischen  als  Sächsischen  von  einem  Besitzer  dieses 
Geheimnisses"  '2°),  die  sich  zwar  stark  auf  die  Angaben  df  Entrecolles  stützt,  daneben 
freilich  auch  viel  Wertvolles  neu  hinzufügt,  hierbei  aber  freilich  noch  immer  nichts 
verkündet  von  jenem  Gegensatz  der  beiden  Hauptbestandteile  des  Porzellans,  den 
Böttger  seinerzeit  so  rasch  begriffen  hatte,  und  die  dadurch  noch  immer  nicht 
das  ganze  Geheimnis  dieses  Stoffes  vor  aller  Welt  enthüllte. 

Immerhin  aber  lagen  die  Verhältnisse  für  eine  allgemeinere  Porzellan- 
fabrikation in  Deutschland  jetzt  besonders  günstig,  und  so  entstehen  denn  hier 
in  rascher  Aufeinanderfolge  die  bekannten  Fabriken  von  Höchst,  Fürstenberg, 
Berlin,  Nymphenburg,  Ludwigsburg,  Frankenthal,  Fulda,  Gera,  Veilsdorf,  Volk- 
städt-Rudolstadt,  Gotha  und  viele  andere,  eine  stattliche  Anzahl  für  ein  ein- 
ziges Land  und  jene  Zeit,  in  der  Luxus  und  Komfort,  zu  dem  damals  doch  noch 
allein  das  Porzellan  zu  rechnen  war,  noch  erst  der  Besitz  einer  sehr  beschränkten 
Gemeinde  war,  was  daher  auch  nur  zu  einer  gefährlichen  Überproduktion  führen 
konnte.  Die  Geschichte  aller  dieser  Gründungen  ist  darum  auch  fast  immer  eine 
recht  traurige.  Es  fehlt  fast  immer  an  Kapital  wie  nachher  an  Absatz,  und  auch 
die  Leitung  läßt  meist  sehr  zu  wünschen  übrig.  Das  Ende  ist  daher  meist  ein 
Ende  mit  Schrecken,  und  so  macht  man  hier  fast  immer  noch  einmal  alle  jene 
Zustände  durch,  durch  die  sich  die  Meißner  Manufaktur  in  ihrer  ersten  Periode 
unter  Böttger  hatte  hindurchwinden  müssen,  die  aber  nun  durch  ihre  fast  ausnahms- 
lose Wiederholung  wie  eine  verspätete  Ehrenrettung  jener  erscheinen.  Dann  aber 
dringt  das  Geheimnis  auch  über  die  Grenzen  ins  Ausland  hinein.  Im  Jahre 
1756  war  durch  Mehlhorn  dem  Sohn  eine  Porzellanfabrik  in  Kopenhagen  begründet 
worden,  um  1760  folgte  die  von  Zürich.  Dann  gelang  es  nun  endhch  auch  in  Frank- 


270  Das  Böttgersche  Erbe. 

reich,  nachdem  Reaumur  schon  vor  so  langer  Zeit  das  Prinzip  des  Porzellans  so 
richtig  aufgedeckt  hatte,  im  Lande  selber  die  Kaolinerde  aufzufinden:  der  Graf 
i^on  Lauragais  erwarb  sich  das  große  Verdienst,  im  Laboratorium  mittelst  dieser 
die  ersten  Porzellangefäße  herzustellen  '^i).  und  bald  reihte  sich  hier,  namentlich 
nachdem  der  Graf  de  Milly  im  Jahre  1771  seine  vor  allem  in  Deutschland  über 
dies  Gebiet  gesammelten  Erfahrungen  in  seinem  Werke  l'Art  de  la  Porcelaine  '2^) 
veröffentlicht  hatte  (obwohl  auch  in  diesem  das  Grundprinzip  des  Porzellans  noch 
immer  nicht  ganz  klar  entwickelt  und  auch  das  Rezept  der  Porzellanmasse  ein 
recht  kompliziertes  war),  eine  Fabrik  an  die  andere.  Esgingen  jetzt  auch  die  schon 
bestehenden  Frittenporzellanfabriken,  darunter  auch  Sevres,  nach  langjährigen 
Versuchen  und  nicht  ohne  Beihilfe  von  Deutschland  aus  zum  Hartporzellan  über. 
Inzwischen  aber  hatte  auch  England,  wo  man  zu  Böttgers  Lebzeiten  aus  Verzweif- 
lung allen  Ernstes  einst  den  seltsamen  Vorschlag  gemacht  hatte,  Porzellan  mittels 
zermalener  Scherben  von  chinesischem  Porzellan  herzustellen,  sich  diesen  Be- 
strebungenangeschlossen, und  es  war  hier  nach  langjährigen  Untersuchungen  im  Jahre 
1768  gleichfalls  eine  Hartporzellanfabrik  ins  Leben  gerufen  worden  '^3).  Doch  hat 
sich  England  dann  bekanntlich  merkwürdig  spröde  gegen  die  Erfindung  Böttgers 
verhalten  und  bis  auf  den  heutigen  Tag  ein  von  ihm  selbst  erfundenes  Halbporzellan 
dem  echten  Hartporzellan  vorgezogen.  Dafür  aber  ward,  spätestens  im  Jahre  1770, 
eine  Porzellanfabrik  in  Philadelphia,  freilich  durch  Engländer,  angelegt'^*).  Die 
Böttgersche  Erfindung  hatte   damit  nun  auch  den  Ozean  überschritten. 

Und  von  nun  an  kann  die  Erfindung  Böttgers  und  die  Fabrikation  seines  Porzellans 
nicht  mehr  als  ein  Geheimnis  gelten,  vielmehr  nur  noch  als  eine  Sache  der  Er- 
fahrung und  des  Besitzes  der  richtigen  Erden,  die  inzwischen  an  vielen  Stellen 
gefunden  waren.  Sie  ist  damit  Gemeingut  der  ganzen  Menschheit  geworden,  das 
ihr  beständig  Annehmlichkeiten  und  Genuß  bereitet  hat,  und  ohne  das  wir  Kultur- 
menschen heute  kaum  noch  auskommen  zu  können  glauben.  Ihr  Erzeugnis  ist 
aber  dabei  langsam  in  dem  vergangenen  Jahrhundert  dank  einer  gesteigerten 
Technik  und  eines  rationelleren  Großbetriebes  aus  einem  Gegenstand  des  aus- 
gesprochensten Luxus,  als  welchen  es  sich  im  18.  Jahrhundert  noch  fast  ausschließ- 
lich bekundet  hatte,  ein  solcher  des  alltäglichen  Bedürfnisses  geworden,  den  besitzen 
und  benutzen  zu  können,  sich  heute  kaum  noch  der  Ärmste  unter  uns  wundert, 
und  nur  die  Porzellankunst  hat  unter  dieser  allgemeinen  starken  Popularisierung 
stark  zu  leiden  gehabt:  sie  hat  die  Höhe,  die  ihr  China  und  Japan  früher 
immer  und  dann  nach  Meißens  glänzendem  Vorbilde  das  übrige  Europa  im 
18.  Jahrhundert  gegeben  hat,  nicht  einzuhalten  gewußt  und  dadurch  sich  ihrer 
großen  Vergangenheit  nur  wenig  würdig  gezeigt.  Entgültig  aber  war  von  nun 
an  die  große  Rolle  ausgespielt,  die  in  den  vergangenen  Jahrhunderten  das 
ostasiatische  Porzellan  gespielt  hatte.  Aus  Gewohnheit,  aus  Kuriosität  und  weil 
es  bilHger  ist  als  das  europäische,  hat  es  zwar  noch  immer  und  bis  in  unsere 
Zeiten  in  großen  Mengen  seinen  Weg  nach  Europa  gefunden,  obwohl  die  Export- 
ware, die  jetzt  von  diesen  Ländern  zu  uns  kommt,  es  ihrem  künstlerischen  Werte 


Böttgers  Endverdienst.  271 

nach  durchaus  nicht  mehr  verdient.  Aber  ihre  Summe  ist  nur  noch  ein  ganz 
verschwindender  Bruchteil  neben  dem,  was  Europa  jetzt  selber  produziert  und 
nun  auch  seinerseits  nach  anderen  Ländern  exportiert.  Böttgers  Erfindung  aber 
ist  dadurch  schließhch  der  Ausgangspunkt  einer  glänzenden,  nur  immer  noch 
steigenden  Industrie  geworden,  die  diesem  Weltteil  Millionen  über  Millionen  erspart 
und  andere  und  wohl  noch  weit  zahlreichere  dafür  eingebracht  hat,  ja  eine  der 
ausgedehntesten  Industrien  überhaupt,  die  Deutschland  besitzt.  Böttger  aber  ist 
damit  ein  Wohltäter  unseres  Erdteils  in  seiner  Gesamtheit  geworden  und  hat  sich 
damit  den  vollen  Anspruch  erworben,  immer  unter  die  verdientesten  Männer 
unseres  Vaterlandes  gezählt  zu  werden.  Das  möge  ihm  in  Zukunft  noch  mehr  zuteil 
werden,  als  es  bisher  geschehen  ist. 


ANMERKUNGEN. 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  18 


^)  über  das  Jahr  der  Erfindung  des  chinesischen  Porzellans,  das  in  der  Regel  noch  immer 
viel  zu  weit  zurückdatiert  wird,  d.  h.  mehrere  Jahrtausende  vor  Christi  Geburt,  und  über  die 
Ursache  dieser  falschen  Datierung  vgl.  meinen  Aufsatz  in  der  Sonntagsbeilage  des  Dresdner 
Anzeigers  vom  24.  Nov.  1902. 

^)  Als  solches  Mittelding  zwischen  Glas  und  Keramik  ist  es  damals  schon  allgemein  auf- 
gefaßt worden.  So  wird  es  z.  B.  als  solches  bezeichnet  in  einem  auf  dem  Kgl.  Sächsischen  Haupt- 
staatsarchiv zu  Dresden  befindlichen  (Loc.  1341)  Manuskripte,  betitelt:  Einige  Nachrichten  von 
Porzellan,  desgl.  in  einem  Berichte  über  die  Arkana  der  Manufaktur,  den  Meerheim,  ein  späterer 
Mitarbeiter  Böttgers,  von  dem  noch  weiter  unten  (vgl.  S.  203)  die  Rede  sein  wird,  aufgezeichnet 
hat,  der  sich  jetzt  im  Besitz  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden  befindet. 

3)  Vgl.  G.  Vogt,  La  porcelaine,  Paris,  S.  138,  (bibliotheque  de  l'enseignement  des  beaux  arts), 
der  bisher  wohl  die  richtigste  Klassifikation  des  Porzellans  und  seiner  Abarten  gegeben  hat. 

*)  Bushell,  Oriental  Ceramic  Art,  New  York  1891,  S.  302.  Davillier,  Les  origines  de 
la  porcelaine  en  Europe,  Paris  et  London  1882,  S.  11. 

^)  Marco  Polos  Reisen,  übersetzt  von  August  Bürck,  Leipzig  1845,  S.  499. 

«)  So  z.  B.  durch  Odoardo  Barhosa  (1516—1519). 

')  Marco  Polo  (übersetzt  von  August  Bürck,  Leipzig  1845)  S,  392.  Der  Reisende  und 
Naturforscher  Belon  hat  dann  wohl  diesen  Zusammenhang  zwischen  Porzellan  und  Porzellan- 
muschel in  seinem  im  Jahre  1553  zu  Paris  erschienenen  Werke:  Les  observations  de  plusieurs 
singularitez  et  choses  memorables  trouvöes  en  Grece,  Asie,  Indee  etc.,  Paris  1553,  Cap.  LXXI, 
zuerst  behauptet. 

*)  Gottfried  Joh.  Merker,  Archontologia  Cosmica,  II.  Aufl.,  1649,  S.  188. 

•)  Nienhoff.  Dennoch  finden  sich  die  alten  Fabelrezepte  von  den  Muscheln  usw.  noch 
weit  bis  ins  17.  Jahrhundert  hinein,  z.  B.  bei  Haudicquer  de  Blancourt,  L'art  de  la  Verrerie. 
II.  Aufl.  S.  100.  Noch  länger  erhielt  sich  allem  Anscheine  obige  Annahme  von  einer  ganz  be- 
stimmten „Porzellanerde".  Noch  Justi  in  seinem  Werke :  Vollständige  Abhandlung  von  den 
Manufakturen,  Kopenhagen  1777,  also  noch  68  Jahre  nach  der  Erfindung  des  Porzellans  durch 
Böttger,  hält  es  für  nötig,  gegen  eine  derartige  Ansicht  zu  Felde  zu  ziehen. 

^°)  Über  die  italienischen  Porzellan  versuche  dieser  Zeit  \g\.  Davillier,  Les  origines  de  la 
porcelaine  en  Europe,  Paris  et  London  1882,  und  Guasti,  Di  Caffaggiolo  e  d'altre  fabbriche  di 
ceramiche  in  Toscana,    Firenze  1902,  S.  383  ff. 

")  Davillier,  a.  a.  O.  S.  17. 

^*)  Brogniart,  Traitö  des  arts  c^ramiques  ou  des  poteries,  II,  S.444,  hat  ein  solches  Porzellan 
auch  porcelaine  artificielle  wegen  seiner  künstlichen  Erzeugung  genannt. 

Merkwürdig  ist  es  übrigens,  daß  der  Urheber  dieser  ersten  Erfindung  ein  Alchimist,  kein  Töpfer 
oder  dergleichen  gewesen  ist,  gerade  wie  nachher  der  wirkliche  Erfinder  des  Porzellans.  Es  schien 
damit  gleichsam  schon  angedeutet  zu  werden,  aus  welchen  Kreisen,  d.  h.  nicht  aus  denen  der 
Praktiker,  sondern  aus  denen  der  Theoretiker,  der  Gelehrten  heraus  diese  schwierige  Erfindung 
gelingen  sollte. 

")  Zugunsten  dieser  Ansicht  spricht  stark,  daß  die  erhaltenen  Porzellannachahmungen 
dieser  Zeit,  die  sogenannten  Mediceerporzellane,  vielfach  nicht,  wie  man  erwarten  sollte,  chine- 

18* 


276  Anmerkungen, 

sische,  sondern  jene  persische  Ornamentik  zeigen,  mit  denen  damals  die  Chinesen  ihre  Export- 
porzellane nach  Persien  dekorierten,  um  sie  dem  Geschmacke  der  Bewohner  dieses  Landes  anzu- 
passen. Wahrscheinlich  führte  man  damals  zunächst  diejenigen  Porzellane  nach  Europa  ein, 
die  man  an  den  Küstenplätzen,  für  den  Export  nach  Persien  bestimmt,  aufgestapelt  fand.  Noch 
fast  das  ganze  17,  Jahrhundert  hindurch  ist  der  größte  Teil  alles  chinesischen  Porzellans,  das 
nach  Europa  gelangte,  auch  desjenigen,  welches  das  Aufblühen  der  Delfter  Fayence  verursachte, 
persisches  Exportporzellan  gewesen. 

^*)  Davillier,  a.  a.  O.  S.  25  und  30.  Wenn  schon  vor  dieser  Zeit,  d.  h.  im  Jahre  1504,  in 
Venedig  Schalen  aus  porcellana  contrafacta  erwähnt  werden  (vgl.  Davillier,  a.  a.  O,  S.  30),  so 
braucht  man  bei  diesen  doch  wohl  kaum  wieder  an  eine  „Porzellanerfindung"  zu  denken.  Der 
Ausdruck  contrafacta  klingt  zu  bescheiden,  als  daß  man,  wo  man  sonst  in  dieser  Beziehung  in 
der  Wahl  seiner  Ausdrücke  nicht  so  zurückhaltend  war,  schon  an  eine  auch  nur  vermeintliche 
Porzellanerfindung  denken  könnte.  Immerhin  beweist  die  Erwähnung  auch  dieser  Schalen 
wieder,  wie  sehr  gerade  in  Venedig  damals  das  Porzellan  die  Aufmerksamkeit  der  Menschen 
auf  sich  zog  und  dort  seine  Nachbildung  herbeiwünschen  ließ. 

")  Davillier,  a.  a.  O.  S.  30. 

")  Davillier,  a.  a.  O.  S.  58. 

")  Davillier,  a.  a.  O.  S.  35.  Ritrovatore  moderno  della  porcellana  wird  er  in  einemBriefe 
aus  dem  Jahre  1567  anläßlich  seines  unglücklichen  Todes  infolge  einer  Explosion  genannt. 

")  Vgl.  Guasti,  a.  a.  O.  S.  383 ff.;  Davillier,  a.  a.  O.  S.  39 ff. 

^^)  Über  den  oder  die  Urheber  dieser  „Porzellanerfindung"  herrscht  indessen  keine  volle 
Klarheit,  da  die  Nachrichten  hierüber  sich  widersprechen. 

"*')  Daneben  hat  sich  noch  ein  anderes  Porzellanrezept  dieser  Zeit  —  nämlich  aus  dem 
Jahre  1583  —  erhalten,  das  Davillier  (a.  a.  O.  S.  37)  —  ich  weiß  nicht,  aus  welchem  Grunde  • — 
für  das  des  Porzellans  von  Ferrara  erklärt.  Aus  diesem  Rezept  erkennt  man  so  recht  noch 
einmal  die  ganze  Selbsttäuschung  dieser  Zeit  hinsichtlich  ihrer  „Porzellanerflndungen". 
Darnach  soll  die  Porzellanmasse  gefunden  werden  durch  Zusammenmischung  der  Erde,  die 
man  zur  Herstellung  der  Majohka  verwandte,  mit  der  gleichfalls  für  dieselbe  benutzten 
Glasur.  Dies  Gemenge  soll  man  dann  ebenso  brennen  wie  die  Majolika.  Leichter  und  be- 
quemer konnte  man  sich  allerdings  den  Übergang  von  der  Majolika  zum  Porzellan  wohl  kaum 
denken. 

^^)  Davillier,  a.  a.  O.  S.  54  und  61,  woselbst  das  zuerst  von  Boni  in  seinem  großen  Werke 
II  Milione  di  Marco  Polo,  Florence  1827,  S.  CXLIV  veröfTenthchte,  von  ihm  auf  der  Magha- 
becchiana  in  Florenz  aufgefundene  Rezept  des  Mediceerporzellans  sich  abgedruckt  findet.  Worauf 
freihch  die  Angabe  fußt,  daß  die  in  diesem  Rezepte  genannte  „weiße  Erde  von  Vicenza"  schon 
Kaolin  war,  vermag  ich  nicht  zu  sagen  und  erscheint  mir  auch  eher  eine  bloße  Vermutung  als  eine 
wirkliche  Tatsache  zu  sein. 

^*)  Ausführliche  Liste  derselben  bei  Davillier,  a.  a.  O.  S.  89,  die  sich  wohl  inzwischen  noch 
um  einige  Stücke  vermehrt  hat,  z.  B.  um  eine  vom  Verfasser  bestimmte  Platte  im  Museum  zu 
Reichenberg  (vgl.  Mitteilungen  des  nordböhmischen  Gewerbemuseums,  Reichenberg  1903,  S.  40). 

23)  Davillier,  a.  a.  O.  S.  82 ff. 

"*)  Es  handelt  sich  hier  um  eine  ganz  kürzlich  für  die  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden 
'jrworbene  Tasse  aus  gelblicher,  durchscheinender  Masse  mit  Landschaften  im  Stil  der  Majoliken 
von  CasteUi,  die  aber  allem  Anscheine  nach  nicht  gedreht,  sondern  geblasen  ist.  Die  spe- 
zifische Glastechnik  weist  diese  Tasse  stark  nach  Venedig,  die  Landschaft  jedoch  mehr  nach 
CasteUi.    Technisch  verwandte  Stücke  finden  sich  auch  in  der  Tat  im  Museo  Correr  in  Venedig. 

2^)  Es  dürfte  hierbei  ziemlich  belanglos  sein,  daß  noch  einmal  von  Deutschland  aus  in 
dieser  Zeit  berichtet  wird,  daß  in  Mailand  ein  Geistlicher  leben  sollte,  welcher  Porzellangeschirre 
machen  könne.  Vgl.  Becher,  Närrische  Weisheit  und  weise  Narrheit,  1707,  S.  51.  Ein  GeistUcher, 
der  Töpfe  macht,  wirkt  an  sich  schon  etwas  seltsam  l 


Anmerkungen.  277 

••)  Das  erste  Kaffeehaus  in  Europa  ward  1645  zu  Venedig  gegründet,  das  erste  in  London 
1652,  das  erste  in  Deutschland  1679  zu  Hamburg.  Über  das  damalige  Leben  und  Treiben  in  den 
Kaffeehäusern  vgl.  Hettner,  Literatur  Englands,  S.  204. 

*')  Chavagnac  et  Grollier,  Historie  des  manufactures  fran^aises  de  porcelaine,  Paris 
1906,  S.  4.    Jacquemart,  Historie  de  la  porcelaine,  Paris  1862,  S.  458. 

*^)  Chavagnac  et  Grollier,  a.  a.  O.  S.  1. 

*»)  Daß  auch  in  Paris  allem  Anscheine  nach  damals  in  „Porzellan"  gearbeitet  wurde,  geht 
aus  einer  erhaltenen  Rechnung  des  Jahres  1682  hervor,  nach  der  terre  de  porcelaine  von  Havre 
nach  Rouen  und  von  dort  nach  Paris  gesandt  wurde  (s.  Vogt,  La  porcelaine,  Paris,  S.  34). 
Doch  kann  hier  nach  damahgem  Sprachgebrauch  unter  Porzellan  (vgl.  oben)  durchaus  auch 
Fayence  gemeint  sein. 

'")  Merkwürdig  ist  dabei  freilich,  wie  vorurteilslos  man  Erzeugnissen  gegenüberstand, 
wenn  sie  nicht  im  eigenen  Lande,  sondern  in  weiter  Ferne  gemacht  worden  waren.  Wir  finden 
z.  B.,  daß  damals  das  sogenannte  ,, persische  Porzellan",  ein  Frittenporzellan  von  ganz  besonderem 
Charakter,  auch  als  etwas  ganz  Besonderes  erkannt  wurde.  So  bezeichnet  z.  B.  der  Engländer 
Lister,  der  um  diese  Zeit,  d.  h.  1698,  die  Manufaktur  zu  St.  Cloud  besuchte,  dies  Porzellan,  das 
damals  bisweilen  mit  dem  ostasiatischen  Porzellan  nach  Europa  kam,  im  ausdrücklichen  Gegen- 
satz zu  dem  von  St.  Cloud  qu'une  sorte  de  matiöre  vitreuse  (Chavagnac  et  Grollier,  a.  a.  O.  S.  12). 
Später,  im  18.  Jahrhundert,  hat  Justi  in  seinem  Werke  „Vollständige  Abhandlung  von  den  Manu- 
fakturen", Kopenhagen  1777,  S.  413,  es  gleichfalls  in  den  Gegensatz  zum  echten  Porzellan  ge- 
stellt und  auf  seine  Minderwertigkeit  hmgewiesen. 

'^)  Chavagnac  et  Grollier,  a.  a.  O.  S.  9 ff. 

**)  Chavagnac  et  Grollier,  a.  a.  O.  S.  11. 

^^)  Auch  wird  im  Jahre  1614  {ygl.Demin,  Guide  de  l'amateur  de  faiences  et  porcelaines, 
nouvelle  Edition,  Paris  1863,  S.  455)  ein  Brevet  d'invention  de  cinq  ans  erwähnt,  pour  tous  Pays- 
Bas,  accordö  ä  Claes-Jansz  Wytmans  nativ  de  Bois  le  Duc  pour  la  fabrication  de  toutes  sortes 
de  porcelaines,  pareilles  en  matiöre  et  en  decors  que  Celles  des  pays  etrangers.  Doch  läßt  gerade 
der  Ausdruck  de  toutes  sortes  de  porcelaines  wohl  mit  Sicherheit  darauf  schheßen,  daß  es  sich 
hier  in  der  Hauptsache  nur  um  die  Herstellung  von  Fayencen  gehandelt  hat. 

»*)  Vgl.  über  diese  Erzeugnisse  Oud  Holland  1901,  S.  99:  Ä.  H.  van  der  Burgh,  Delfsche 
roode  Theepotten. 

ä")  Dillon,  La  porcelaine,  London  1904,  S.  241. 

2*)  Hohson,  Catalogue  of  the  Collection  of  English  Pottery  in  the  British  Museum,  Lon- 
don 1903,  S.  159. 

'')  Burton,  A  history  and  description  of  English  earthenware  and  stoneware,  London 
1904,  S.  42.     Solon,  The  Art  of  the  Old  EngUsh  Potter,  S.  17,  und  Hobson,  a.  a.  O.  S.  159. 

'*)  So  berichtet  Becher  in  seiner  bisher  nur  wenig  beachteten  Närrischen  Weisheit  und  weiser 
Narrheit,  1707,  S.  51.  Übrigens  darf  nicht  unerwähnt  bleiben,  daß  damals  noch  von  einer  anderen 
Seite  keramische  Versuche  gemacht  sind,  die  wohl  gleichfalls  auf  die  Erfindung  des  Porzellans 
ausgingen:  es  sind  die  am  Ende  des  17.  Jahrhunderts  von  einem  gewissen  Place  vorgenommenen, 
in  jedem  englischen  keramischen  Handbuch  erwähnten  (vgl.  z.  B.  Jewitt,  The  ceramic  Art  of  Great 
Britain,  London  1878,  I,  S.  460;  Hobson,  a.a.O.  S.  160;  Church,  English  Earthenware,  S.  46; 
Dillon,  a.  a.  O.  S.  242  usw.).  Überall  werden  jedoch  die  Resultate  dieser  Versuche,  von  denen 
sich  angebhch  noch  ein  Beispiel,  ein  Becher,  im  Victoria  and  Albert  Museum  zu  London  erhalten 
hat,  mehr  als  Steinzeug  denn  als  eine  Art  Porzellan  aufgefaßt.  Doch  hat  mir  Mr.  B.  Backham, 
Assistent  am  obigen  Museum,  folgende  genauere  Beschreibung  über  jenen  Becher  freundlichst 
übermittelt:  The  cup  is  of  a  hard  greyish  white  body  with  oblique  streaks  of  darken  grey  and 
is  slightly  where  the  wall  are  thin;  it  is  covered  with  a  thin  hard  glaze  (vgl.  auch  Dillon,  a.  a.  O. 
S.  242).  Danach  hat  es  sich  hier  doch  wohl  um  eine  Porzellannachahmung  gehandelt.  Auf- 
fallend ist  übrigens,  daß  der  Becher  in  der  Form  merkwürdig  mit  einigen  recht  primitiven  Bechern 


278  Anmerkungen. 

der  Kgl.  Porzellansammlung  übereinstimmt,  die  aber  nach  einer  von  Herrn  Oberbergrat  i^emfze 
in  Meißen  angestellten  chemischen  Untersuchung  durchaus  schon  feldspathaltiges,  also  sogar 
nach  Böttger  (vgl.  Kapitel  II,  IV  und  V)  entstandenes  Porzellan  darstellen,  deren  Ursprung  aber 
bisher  ein  völUges  Rätsel  ist.  Doch  muß  diese  Übereinstimmung  noch  erst  weiter  geprüft  werden, 
bevor  daraus  Schlüsse  gezogen  werden  dürfen. 

3»)  Krünitz,  Enzyklopädie,  Bd.  115,  S.  589. 

«»)  Becher,  a.  a.  O.  S.  51. 

*i)  Vgl.  hierüber  Jacguemart,  Histoire  artistique,  industrielle  et  commerciale  de  la  por- 
celaine,  S.  456.  Über  französische  Erzeugnisse  dieser  Art  (porcelaine  de  verre  genannt) :  Cha- 
vagnac  et  Grollier,  a.  a.  O.  S.  35ff. 

*^)  Über  Tschirnhausens  damahge  Porzellanversuche  vgl.  meinen  Aufsatz:  „Wer  war  der 
Erfinder  des  Meißner  Porzellans?"  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertums- 
kunde, XXVIII.  Bd.,  S.  17,  woselbst  alles  zusammengestellt  ist,  was  sich  bisher  über  diese  Por- 
zellanversuche Tschirnhausens  hat  feststellen  lassen,  und  eine  kritische  Prüfung  dieser  Angaben 
versucht  worden  ist. 

")  Vgl.  den  Brief  von  Leibniz  an  Tschirnhausen  vom  20.  Oktober  1694  in  Gerhard,  Leib- 
nizens  mathematische  Schriften,  Bd.  IV,  S.  527.  Freihch  kann  dies  Porzellan  wiederum  kein 
echtes  gewesen  sein,  da  ein  solches  nach  dem  Urteil  von  Fachmännern  auf  diese  Weise  nicht 
schmelzbar  ist. 

**)  Erhalten  haben  sich  „Porzellane",  die  man  mit  voller  Sicherheit  Tschirnhausen  noch 
heute  zuschreiben  kann,  bis  auf  den  heutigen  Tag  nicht.  Der  Tradition  nach  sollen  mehrere  eigen- 
artig geformte,  sehr  primitiv  hergestellte  und  schlecht  geglückte  Henkelkrüge  der  Dresdner 
Porzellansammlung  Arbeiten  dieses  Mannes  sein,  und  ich  habe  dies  auch  noch  in  meinem,  in  An- 
merkung 42  genannten  Aufsatze:  „Wer  war  der  Erfinder  des  Meißner  Porzellans?"  für  möglich 
erklärt.  Doch  war  immer  schon  etwas  verdächtig,  daß  in  dem  ältesten,  schon  im  Jahre  1721, 
also  nur  14  Jahre  nach  Tschirnhausens  Tode,  angefertigten  Inventare  dieser  Sammlung  sich  diese 
Krüge  nicht  als  Arbeiten  dieses  Mannes,  ja  zum  Teil  sogar  als  chinesische  Arbeiten  angeführt  fanden 
und  mehrere  derselben  noch  im  Jahre  1727  sich  noch  gar  nicht  damals  in  der  Porzellansammlung 
befanden,  daß  es  verwandte  Becher  auch  in  anderen  Museen,  z.  B.  im  British  Museum  und 
Victoria  and  Albert  Museum  in  London,  ferner  in  dem  zu  Kassel  gab,  hier  sogar  mit  Farben 
bemalt,  die  stark  nach  Frankreich,  ja  sogar  ziemhch  deutUch  nach  der  erst  17  Jahre  nach  Tschirn- 
hausens Tode  gegründeten  Fabrik  von  Chantilly  hinwiesen.  Demgegenüber  mochte  eine  Tradition, 
die,  soweit  sie  sich  heute  noch  nachweisen  läßt,  nicht  über  100  Jahre  hinausgeht,  nicht  allzuviel  be- 
deuten. Inzwischen  jedoch  hat  Herr  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen  die  Liebenswürdigkeit  gehabt, 
ein  Stück  dieser  Art  chemisch  zu  untersuchen,  und  es  hat  sich  hierbei  als  ein  feldspathaltiges, 
echtes  Kaolinporzellan  herausgestellt.  Damit  ist  aber  der  Tschirnhausensche  Ursprung  dieser 
Stücke  dauernd  abgetan,  da  es,  selbst  wenn  man  entgegen  unserer  obigen  Behauptung  auch 
das  Tschirnhausensche  Porzellan  schon  für  echtes,  kaohnhaltiges  annimmt,  doch  noch  nicht 
Feldspat  enthalten  konnte,  da  selbst  Böttger  (vgl.  oben  Kapitel  II,  V  und  VI)  diesen  bei  seinem 
Porzellan  noch  nicht  verwandt  hat.  Als  TscÄirnÄausensche  Arbeit  kann  aber  unzweifelhaft  wohl  eine 
kleine  Dose  betrachtet  werden,  die  vor  einiger  Zeit  im  Kunsthandel  aufgetaucht  ist.  Sie  war  sehr 
primitiv  und  ungeschickt  aus  einer  durchscheinenden,  aber  fleckigen  Masse  hergestellt,  besaß  keine 
Glasur,  hatte  aber  gerade  wie  später  das  Steinzeug  Böttgers  ihren  Glanz  durch  Schliff  erhalten.  Auf 
dem  Deckel  war  ziemlich  ungeschickt  die  Krönung  König  August  des  Starken  (in  der  damals 
beliebten  Symbolisierung  als  sächsischen  Herkules)  zum  König  von  Polen  dargestellt.  Auf  Tschirn- 
hausen deutete  hierbei  unzweifelhaft  hin  die  Verwendung  des  Schhffs  statt  der  Glasur,  da  er  ja, 
wie  oben  berichtet,  nicht  mit  der  Glasur  an  seinem  Porzellan  zustande  gekommen  sein  soll,  dann 
für  ihn  aber,  der  für  alle  möghchen  anderen  Dinge  schon  immer  die  Schleiftechnik  verwendet 
hatte,  die  Anwendung  dieser  auf  das  Porzellan  näher  lag,  als  für  irgend  einen  anderen.  Dazu 
aber   kommt,    daß  gerade  in  den  Jahren,    da  Tschirnhausen  seine  Porzellan  versuche  gemacht 


Anmerkungen.  279 

haben  soll,  d.  h.  im  Jahre  1699,  der  König  wirklich  zum  König  von  Polen  gekrönt  worden  ist. 
Es  lag  daher  wohl  nahe  genug,  daß  Tschirnhausen  zur  Empfehlung  seines  neuen  Erzeugnisses 
auf  demselben  auch  eine  kleine  höfische  Schmeichelei  anbrachte,  die  schon  wenige  Jahre  später, 
da  der  König  Polen  wieder  verlor,  in  keiner  Weise  mehr  angebracht  gewesen  wäre.  Das  Stück 
kann  demnach  nur  in  dieser  Zeit  hergestellt  sein.  Leider  ist  das  Stück  von  keinem  deutschen 
Museum  trotz  meines  eifrigen  Verwendens  angekauft  worden,  sondern  in  die  Sammlung 
Embden  in  Hamburg  gelangt. 

**)  Wir  bringen  hier  dies  bekannte  Medaillonbild  des  Erfinders,  obgleich  wir  keineswegs 
davon  überzeugt  sind,  daß  es  sich  um  ein  authentisches  Bild  dieses  Mannes  aus  seinen  Leb- 
zeiten handelt.  Zunächst  fällt  die  Aufschrift  „le  baron  de  Boettger"  auf,  da  Böttger  niemals 
Baron  war.  Wenn  ihn  seine  Umgebung  und  namentUch  seine  Untergebenen  auch  oft  genug  so 
anzureden  pflegten,  so  berechtigte  ihn  das  doch  nicht,  sich  selber  diesen  Titel  zu  geben.  Er  hat 
dies  auch  nie  auf  Briefen,  Akten  u.  dgl.  getan.  Wenn  dieses  Medaillon  aber  aus  seinen  Lebzeiten 
stammt,  dann  mußte  er  doch  wohl  zu  demselben  und  zu  seiner  Umschrift  die  Erlaubnis  gegeben 
haben.  Dann  aber  erscheinen  die  Züge  des  Kopfes  doch  auch  etwas  gar  zu  alt  für  einen  Menschen, 
der  nicht  über  das  37.  Lebensjahr  hinausgekommen  ist  und  vor  allem  auch  viel  zu  robust  und 
gesund  in  Anbetracht  dessen,  daß  er  (vgl.  Kapitel  V)  in  seinen  letzten  Jahren  sehr  leidend  war. 
Meiner  Ansicht  nach  handelt  es  sich  hier  im  günstigsten  Fall  um  ein  Porträt  Böttgers, 
das  erst  nach  seinem  Tode  —  vielleicht  aus  der  Erinnerung  —  gemacht  worden  ist.  Leider  ist 
dies  in  mehreren  Exemplaren  erhaltene  Medaillon  überhaupt  das  einzige  Bildnis,  das  wir 
mit  ihm  überhaupt  in  Verbindung  bringen  können. 

*')  Über  das  Jahr  der  Erfindung  des  Porzellans  vgl.  weiter  unten  Seite  51  u.  56. 

")  An  sehr  vielen  Stellen  findet  sich  die  seltsame  Angabe  abgedruckt,  daß  Böttger  vor 
allem  sein  Porzellan  so  gut  wie  zufälhg  dadurch  erfunden  hätte,  daß  ihm  das  KaoUn  mittels 
eines  gewissen  Puders  in  die  Hände  gefallen  wäre,  mit  dem  er  seine  eigene  Perücken  zu  pudern 
pflegte.  Diese  Darstellung  geht  wohl  zurück  auf  die  Angabe  Engelhardts  (a.  a.  O.  S.  416),  nach 
der  die  erst  mehrere  Jahre  nach  der  Erfindung  des  Porzellans  zu  seiner  Herstellung  in  erster  Linie 
verwandte  sogenannte  SchnorrsohQ  Erde  auf  oben  bezeichnete  Weise  von  Böttger  zuerst  gefunden 
sein  soll,  eine  Angabe,  die  freilich  wie  so  vieles  bei  Engelhardt,  namentlich  wie  sie  dort  im  ein- 
zelnen erzählt  worden  ist,  arg  romanhaft  klingt. 

**)  Nach  Engelhardt,  J.  F.  Böttger,  Erfinder  des  sächsischen  Porzellans,  Leipzig  1837, 
soll  dieser  ihm  sogar  alchimistische  Rezepte  hinterlassen  haben. 

*')  Wagner,  Geschichte  der  Chemie,  Leipzig  1854,  S.  12. 

*")  Wagner,  a.  a.  O.  S.  7.  —  Schmieder,  Geschichte  der  Alchimie,  1832,  S.  7.  —  E.  v.  Meyer, 
Geschichte  der  Chemie,  3.  Aufl.  1905,  S.  63. 

")  Wagner,  a.  a.  O.  S.  35  ff. 

")  Meyer,  a.  a.  O.   S.  53. 

*^)  So  z.  B.  Schmieder,  der  Verfasser  der  Anm.  50  genannten,  erst  im  Jahre  1832  erschienenen 
Geschichte  der  Alchimie,  die  tatsächUch  nichts  anderes  darstellt,  als  eine  lebhafte  Verteidigung 
dieser  und  aller  ihrer  Bestrebungen. 

")  Meyer,  a.  a.  O.  S.  35. 

")  Wagner,  a.  a.  O.  S.  28;  Meyer,  a.  a.  O.  S.  61. 

")  Über  den  exakten,  wissenschaftUchen  Weg  vgl.  die  folgende  Darstellung  seiner  alchi- 
mistischen Bestrebungen  in  Dresden.  Der  mystische  geht  aus  den  vielen  Äußerungen  Böttgers 
selber  über  seine  Kunst  hervor,  über  die  Engelhardt  a.  a.  O.  an  vielen  Stellen  berichtet.  Freilich 
scheint  diese  Mystik  nur  zu  oft  als  Deckmantel  für  seine  Nichtkönnen  auf  diesem  Gebiete  gedient 
zu  haben,  wozu  ihn  die  ganze  Situation,  in  der  er  sich  befand,  nur  zu  oft  gezwungen  haben  muß. 

")  Schmieder,  a.  a.  O.  S.  471. 

")  Schmieder,  a.  a.  O.   S.  601. 

")  Nach  Böttgers  eigener  Angabe  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv,  Loc.  7416,  D.  Fol.  21. 


280  Anmerkungen. 

«»)  Vgl.  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  11. 

«1)  Vgl.  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  191. 

•2)  In  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden.  Vgl.  hierüber  meinen  Aufsatz  „Der  Gold- 
und  Silberklumpen  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden"  in  der  Sonntagsbeilage  des 
Dresdner  Anzeigers  vom  6.  September  1903. 

•*)  Der  Beweis  hierfür  wird  sich  aus  der  folgenden  Darstellung  ergeben. 

**)  Es  sei  hier  noch  einmal  darauf  hingewiesen,  daß  in  vorliegendem  Werke  nicht  ein  volles 
abgerundetes  Bild  von  Böttgers  Charakter  und  seiner  ganzen  Tätigkeit  gegeben  werden  soll,  daß 
dies  vielmehr  für  eine  besondere  Biographie  dieses  Mannes  aufgespart  worden  ist. 

*ä)  Es  ist  dies  durch  Steinbrück,  den  späteren  Inspektor  der  Meißner  Manufaktur  und 
Schwager  Böttgers,  in  jenem  in  dem  Vorworte  erwähnten  (vgl.  S.  XI),  in  der  Kgl.  Porzellan- 
sammlung zu  Dresden  aufgefundenen  Berichte  über  Böttgers  ganze  industrielle  Tätigkeit  bis 
zum  Jahre  1717  geschehen. 

**)  So  hat  Btötger  von  seinem  Verhältnis  zu  Tschirnhausen  abgesehen,  auch  mit  J.  Kunckel, 
dem  berühmten  Chemiker,  in  Verbindung  gestanden.  Briefe  Kunckels  an  Böttger  haben  sich  auf 
dem  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  noch  heute  erhalten  (vgl.  hierüber  auch  Anmerkung  86). 

«')  Dr.  Nehmitz  hat  freihch  später  Böttger  wieder  verlassen,  wie  es  scheint,  weil  dieser  ihn 
njcht  leiden  konnte.  Er  zog  nach  Hamburg,  ward  aber  im  Jahr  1709  von  seinem  Bruder,  dem 
Kammerrat,  der  einer  der  Beaufsichtiger  Böttgers  war,  wieder  nach  Dresden  berufen,  um  sich 
an  den  keramischen  Arbeiten  Böttgers  zu  beteiligen.  Vgl.  in  Beilage  VI  den  unter  den  Akten 
der  Kgl.  Porzellanmanufaktur  in  Meißen  enthaltenen  Personalbericht  Steinbrücks  vom  5.  Juni 
1719  über  den  damaligen  Personalbestand  der  Fabrik. 

«*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  S.  47. 

«')  So  wenigstens  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  114. 

'")  Weißenborn,  Lebensbeschreibung  des  Ehrenfried  Walther  v.  Tschirnhausen,  Eisenach 
1866,  S.  51. 

'^)  Steinbrück,   Bericht  in  der  Kgl.  Porzellansammlung,   S.  19. 

''*)  In  dem  S.  IV  des  Vorworts  erwähnten  so  wichtigen  Meißner  Manuskript  wird  freilich 
die  ganze  Tätigkeit  dieser  beiden  Männer  als  eine  durchaus  gemeinschaftliche  dargestellt. 
Vgl.  über  diese  Frage  meinen  Aufsatz:  „Wer  war  der  Erfinder  des  Meißner  Porzellans  ?"  im  Neuen 
Archiv  für  sächsische  Geschichte,   Bd.  XXVII,  Seite  63. 

")  Fast  ausschließlich  durch  jenes  im  Vorwort  erwähnte,  von  Herrn  Oberbergrat 
Heintze  in  der  Kgl,  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  aufgefundene,  hier  in  Beilage  I  ab- 
gedruckte und  als  „Meißner  Manuskript"  weiter  zitierte  Manuskript,  über  das  er  selber  berichtet 
hat  in  „Beitrag  zur  Geschichte  der  europäischen  Porzellanfabrikation",  Zeitschrift  für  Architektur- 
und  Ingenieurwesen,  1898,  S.  387  ff.  Die  Auffindung  dieses  Manuskripts  ist  von  ganz  un- 
schätzbarem Werte  gewesen  für  die  Klarstellung  der  ganzen  Bestrebungen  Böttgers  und 
seines  wirklichen  Könnens  und  kann  zugleich  als  Grundlage  zur  Ehrenrettung  dieses  Mannes 
dienen. 

'*)  Acta  eruditorum,  1691,  S.  501,  und  1697,  S.  414,  auch  Weißenborn,  a.  a.  O.  S.  189- 

")  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung,  S.  47. 

'*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung,  S.  48. 

'')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung,  S.  48. 

")  Meyer,  a.  a.  0.   S.  34. 

")  So  wenigstens  berichtet  Engelhardt  a.  a.  O.  S.  249. 

*°)  Die  erste  urkundliche  Nachricht,  die  wir  heute  noch  von  der  damaligen  Absicht,  Manu- 
fakturen zu  gründen,  besitzen,  ist  vom  20.  November  1707  datiert.  Es  ist  jenes  schon  von  Engel- 
hardt (a.  a.  O.  S.  255)  abgedruckte,  hier  als  Beilage  II  gegebene  Kgl.  Dekret  „wegen  der  zu  seiner 
freien  Disposition  bei  Einrichtung  verschiedener  Manufakturen  demselben  (d.  i.  Böttger)  assi- 
gnierten  Geldern".    Über  die  wirkliche  Bedeutung  dieses  Dekrets   vgl.  meinen  Aufsatz:   „In 


Anmerkungen.  281 

welchem  Jahre  wurde  das  Meißner  Porzellan  erfunden?"  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Ge- 
schichte und  Altertumskunde,  Bd.  XXVII,  S.  63  ff. 

*^)  Nach  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  253)  soll  Tschirnhausen  in  einem  vom  6.  Oktober  1707 
datierten  Briefe  zuerst  Böttger  auf  die  Idee  gebracht  haben,  den  „Holländischen  Delfter"  nach- 
zumachen, eine  Idee,  die  Böttger  dann  in  der  Tat  durch  die  im  Jahre  1708  erfolgte  Begründung 
der  Steinbäckerei  (siehe  S.  33)  auch  ausgeführt  hat.  Auch  Ruehlener,  der  holländische 
Töpfer,  dem  Böttger  dann  diese  Fabrik  anvertraut  hat,  hat  später  Andeutungen  gemacht,  daß 
Tschirnhausen  Böttger  zur  Anlegung  dieser  „Steinbäckerei"  veranlaßt  hätte.  Übrigens  ist  es 
durchaus  nicht  ganz  unmöglich,  daß  Böttger  die  Idee  Tschirnhausens,  seine  industriellen  Be- 
strebungen zu  erneuern,  aufgegriffen  hat,  als  er  noch  auf  dem  Königstein  saß  —  was  er  sehr 
ungern  tat  —  als  Mittel,  um  von  dort  wieder  fortzukommen.  Engelhardt  nimmt  dies  als  ziemlich 
sicher  an.  Auch  finden  sich  auf  dem  Kgl.  Sachs.  Staatsarchiv  mehrere  Dokumente,  die  dieser 
Annahme  eine  gewisse  Berechtigung,  wenn  auch  keinen  vollen  Beweis  zu  geben  scheinen.  Nötig 
war  jedoch  wohl  ein  solches  Mittel  für  ihn  damals  nicht,  um  von  Königstein  wieder  herabzu- 
kommen; denn  Böttger  sollte  natürlich  dort  oben,  wo  er  doch  nicht  recht  arbeiten  konnte,  nur 
so  lange  sitzen,  als  der  Krieg  dauerte  und  die  Gefahr  bestand,  daß  er  entführt  werden  konnte. 

")  Siehe  S.  30. 

**)  Daß  die  Fliesenfabrik  die  erste  Manufaktur  gewesen  ist,  die  durch  Böttger  errichtet 
ward,  geht  aus  dem  Anm.  65  erwähnten  Berichte  Steinbruchs  (S.  47  und  48)  unwieder- 
legüch  hervor.  Dagegen  hat  sie  das  in  Anmerkung  73  erwähnte  „Meißner  Manuskript",  das 
den  ganzen  Gang  der  Erfindung  des  roten  Steinzeugs  und  des  Porzellans  so  folgerichtig  schildert, 
gar  nicht  erwähnt.  Doch  gab  es  hierzu,  da  die  Begründung  der  Fliesenfabrik  mit  diesen  nur  in 
ganz  losem  Zusammenhange  gestanden  hat,  auch  keine  zwingende  Veranlassung.  Dagegen 
scheint  es  gänzlich  irrig  zu  sein,  anzunehmen,  wie  es  vielfach  geschehen,  daß  die  Leiden- 
schaft des  Königs,  die  ihren  deutlichsten  Ausdruck  in  dem  Zusammenbringen  jener  ge- 
waltigen, ursprünglich  für  die  Ausschmückung  des  japanischen  Palais  bestimmten,  heute  den 
Hauptbestandteil  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden  ausm£,chenden  Porzellanmassen 
fand,  Ursache  gewesen  sei,  daß  gerade  in  Sachsen  damals  versucht  ward,  dsis  Porzellan  zu  er- 
finden, und  daß  es  hier  schließlich  erfunden  ward,  in  der  besonderen  Absicht,  die  großen  Summen, 
die  auf  diese  Weise  ins  Ausland  gingen,  dem  Lande  zu  erhalten.  Es  hat  sich  trotz  eifrigen  Suchens 
wenigstens  bis  jetzt  nicht  das  geringste  Zeugnis  dafür  gefunden,  daß  jene  Leidenschaft  des  Königs 
für  das  Porzellan  damals,  als  man  das  Porzellan  erfand,  schon  wirklich  da  war,  vielmehr  hat  sich 
für  mich  als  erstes  Jahr,  in  dem  sich  eine  innigere  Berührung  des  Königs  mit  dem  Porzellan  wirk- 
lich nachweisen  läßt,  bis  jetzt  das  Jahr  1716  ergeben,  in  welchem  Jahre  nämlich  er  das  damals 
dem  Feldmarschall  Flemming  gehörige,  dann  später  zum  „Japanischen  Palais"  gewordene  Palais 
zu  Dresden-Neiistadt  abkaufte,  das  schon  sehr  reich  mit  Porzellan  ausgestattet  war.  Erst  seit 
dieser  Zeit  lassen  sich  große  Ankäufe  in  Porzellan  von  selten  des  Königs  nachweisen. 

**)  Übrigens  ist  es  möglich,  daß  die  Begründung  dieser  Fayencefabrik  mit  einer  besonderen 
Neigung  des  Königs  zusammenhängt,  wenn  es  nämlich  wahr  ist,  was  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  254) 
berichtet,  daß  der  König  die  Absicht  hatte,  den  Schloßturm  in  Dresden  von  oben  bis  unten  mit 
Fliesen  belegen  zu  lassen. 

**)  Dies  scheint  daraus  hervorzugehen,  daß  Böttger  mehreres  versucht  hat,  für  das  in  diesem 
Werke  sich  Rezepte  vorfinden.  So  das  rote  Steinzeug  (vgl.  oben  S.  45)  sowie  auch  die  Herstellung 
eines  Liquor  zur  Konservierung  von  Leichen  u.  dgl.  Damit  soll  indessen  in  keiner  Weise  an- 
gedeutet werden,  daß  Böttger  vieles  diesem  Buche  einfach  entnommen  hat  und  dann  für  eigene 
Erfindungen  ausgab.  Denn  einfache  Rezepte  genügen  noch  lange  nicht,  etwas  in  der  Praxis 
brauchbar  erstehen  zu  lassen.  Theorie  und  Praxis  ist  nie  dasselbe  gewesen.  Sonst  würde  ja  jeder, 
der  jene  gelesen.  Gleiches  wie  Böttger  haben  machen  können,  was  ja  aber  bekanntlich  nicht  ge- 
schehen ist. 


282  Anmerkungen. 

**)  Böttger  hat  dies  selber  bei  seiner  Festnahme  in  Wittenberg  berichtet  (Kgl  Sachs.  Haupt- 
staatsarchiv, Loc.  7416,  D.  Fol.  21).  Kunckel  soll  darnach  oft  in  sein  Laboratorium  in  BerUn  ge- 
kommen sein.  Auch  haben  sich  Briefe  von  ihm  an  Böttger  im  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  zu 
Dresden  erhalten  (vgl.  auch  Anm.  66). 

®')  Über  das  in  dieser  Zeit  und  schon  früher  hochangesehene  Geschirr,  das  in  Waidenburg 
gemacht  wurde,  vgl.  Kurzvcelly,  Dorfkirche  und  Bauernhaus  im  Königreich  Sachsen,  Dresden 
1900,  S.  111.  Der  Töpferbetrieb  in  Colditz  geht  aus  dem  S.  35  erwähnten  Reiseberichte  Dr.  Bartel- 
meis  im  Kgl.  Sachs.  Hauptsaatsarchiv  hervor. 

88)  Vgl.  Beilage  Nr.  IV. 

89)  Die  wichtigste  Quelle  für  diese  Steinbäckerei,  die  später  zur  Stein-  und  Rundbäckerei 
erweitert,  noch  später  vorübergehend  in  zwei  getrennte  Betriebe  geteilt  wurde,  ist  wieder  Stein- 
bruchs Bericht  in  der  Kgl.  Porzellansammlung,  S.  47  ff. 

90)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv,  Loc.  1339,  Fol.  44. 

*^)  Von  den  Berichten  der  Reisen,  die  Bartelmei  damals  im  Interesse  der  neuen  Manufakturen 
unternahm,  haben  sich  ungemein  interessante  Aufzeichnungen  im  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
zu  Dresden  erhalten  (Loc.  1340,  IV,  Fol.  199),  die  ein  interessantes  Bild  von  den  keramischen 
Zuständen  des  nordwesthchen  Deutschlands  am  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  geben.  Ich  gedenke 
auf  diese  an  anderer  Stelle  zurückzukommen. 

9^)  Vgl.  Stieda,  Deutsche  Fayencefabriken  des  18.  Jahrhunderts;  b.  Berlin  (Keramische 
Monatshefte,  III,  S.  90). 

9')  Vgl.  über  die  Fayencefabrik  in  Braunschweig  Scherer,  Die  Fayencefabrik  in  Braun- 
schweig (Braunschweigisches  Magazin,  1896,  Nr.  6,  Beilage  Nr.  75  der  Braunschweigischen 
Anzeigen). 

**)  Merkwürdigerweise  ist  in  dem  Bericht  Bartelmeis,  auf  dem  obige  Darstellung  fußt, 
der  Name  des  Orts,  zu  dem  Dr.  Bartelmei  von  Lüneburg  aus  zog,  —  anscheinend  durch  ein  Ver- 
sehen —  nicht  genannt  worden.  Er  lag  aber  zwischen  Lüneburg  und  Lübeck,  von  jeder  Stadt 
etwa  eine  Tagereise  entfernt,  und  war  eine  große  Stadt.  Dies  kann  aber  nur  Hamburg  gewesen 
sein,  was  auch  dadurch  bewiesen  wird,  daß  Dr.  Bartelmei  hier,  als  er  ankommt,  sofort 
Dr.  Nehmitz  aufsucht,  der  früher  einer  der  Beaufsichtiger  Böttgers,  dann,  angeblich  weil  Böttger 
ihn  nicht  leiden  konnte,  nach  Hamburg  übergesiedelt  war  und  hier  als  Arzt  praktizierte  (vgl. 
Anm.  67). 

9^)  Steinbrück  in  einem  auf  der  Kgl.  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  aufbewahrten,  für 
die  ersten  Jahre  dieser  Darstellung  sehr  wichtigen  Schriftstück,  betitelt:  Geschieh ts- Kalender 
deren  Königl.  Poln.  und  Kurfürst!.  Sachs,  neuen  Manufakturen,  kürzlich  enthaltend,  was  von 
März  1709  bis  wieder  in  den  März  1712  bei  denselben  passieret  und  zu  des  Schreibers  Wissen- 
schaft kommen  nebst  einer  zweifachen  Recapitulation  nach  einem  Repertorio.  Daselbst  sub 
11.  Juni  1710  angeführt.  Damals  freilich  hatte  die  Administration  bereits  der  damalige 
Sekretär  und  spätere  Kommerzienrat  Chr.  Matthis. 

96)  "Wir  -wissen  nur  aus  Steinbruchs  Bericht  in  der  Porzellansammlung,  S.  48,  daß  die  Ver- 
suche, Porzellan  herzustellen,  erst  im  Jahre  1708  von  Böttger  unternommen  wurden;  denn  Stein- 
bruch, der  die  ersten  Porzellanversuche  Tschirnhausens  ins  Jahr  1699  setzt,  sagt  ausdrücklich, 
daß  Böttger  neun  Jahre  später  damit  angefangen  habe  als  jener,  d.  h.  also  im  Jahre  1708.  Damit 
stimmt  völlig  überein,  daß  wir  auch  erst  aus  diesem  Jahre  in  den  übrigen  Quellen  dieser  Zeit 
die  ersten  Nachrichten  über  ein  derartiges  Unternehmen  finden,  wie  oben  gezeigt  werden  wird. 

*')  Vgl.  hierüber  meinen  Aufsatz  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde, Bd.  XXVII  S.  60:   „In  welchem  Jahre  wurde  das  Meißner  Porzellan  erfunden?" 

*8)  Diese  Rezepte  befinden  sich  in  größerer  Anzahl  auf  dem  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv. 
Sie  hegen  dort  (Loc.  1340,  II)  in  einem  Umschlag  mit  der  Aufschrift:  „Aus  Baron  von  Schenks 
Papieren."  Dieser  Baron  v.  Schenk  war  einer  der  wenigen,  die  nach  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  113) 
vaii  Böttger  damals  umgehen  durften.  Daß  sie,  wenigstens  zum  größten  Teil,  von  ^ötfger  herrühren. 


Anmerkungen.  283 

darüber  kann  kein  Zweifel  bestehen.  Wie  das  oben  bezeichnete  laut  Aufschrift  in  Meißen  (wo 
Böttger  sich  damals  als  Gefangener  befand)  niedergeschrieben  ist,  so  führen  andere  geradezu 
seine  Namensunterschrift.  Einige  jedoch  scheinen,  da  sie  als  von  Tschirnhausen  herstammend 
bezeichnet  werden,  Tschirnhausensche  Angaben  zu  enthalten.  Übrigens  entstammen  nicht  alle 
diese  Rezepte  dieser  Zeit,  einige  auch  einer  späteren.  So  findet  sich  auf  einem  die  Jahres- 
zahl 1713. 

*»)  Archontologia  Cosmica  sive  imperiorum  regnorum  principatum  usw.  Commentarii  lucu- 
lentissimi  Joh.  Ludwig  Gotofredi.  II.  Ausgabe.  Frankfurt.  Sumptibus  Mathaei  Meriani  1649. 
looj  Wörtlich  heißt  die  Stelle:  B  a  r  c  e  1  i  n,  Vid.  Archontologiam  Cosmicam  Gothofredi, 
neml.  aus  dem  subtilsten,  rein  geschlemmten  Thone,  Muscheln  oder  Auster- Schalen  und  ge- 
brannten Knochen.  NB.  Es  ist  erzsonderlich,  daß  da  der  Thon  sonst  nicht  im  A  (alchimistisches 
Zeichen  für  „Feuer")  fließt,  so  bald  man  nur  den  1000.  Theil  gebrannter  Knochen  darunter  thut 
es  gleich  fließt,  wie  Wax.  NB.  Warum  sollte  man  nun  nicht  in  corpore  humano  erhärtete  und 
zehe  Sachen  solviren,  flüssig  machen  und  so  dann  evacuiren  können.  —  Letzterer  Zusatz  ist  ein 
neuer  Beweis,  wie  stark  damals  mit  der  Chemie  resp.  der  Alchimie  die  Arzneikunde  zusammen- 
hing, gleichfalls  aber  auch  eine  interessante  Probe  von  der  Beweglichkeit  und  der  Kombinations- 
fähigkeit des  Böttgerschen  Geistes. 

"^)  Die  Stelle  lautet  in  der  Archontologia  Cosmica  IL  Auflage  S.  188:  Alibi  sunt  officinae 
figulorum  in  quibus  vasa  porcellana  prostant,  quae  quamvis  varii  coloris  et  pulchritudinis  ex- 
quisitae  sint  mediocri  tarnen  veneunt  precio,  ut  visa  quinquaginta  vasa  vendi  quatuor  nummis 
regalibus.  Fiunt  autem  figulina  illa  opera  sive  vasa  hoc  modo:  cochleas  quasdam  marinas 
ovorum  testis  miscent,  aliaque  quaedam  addentes  subigunt  et  massam  conficiunt.  Hanc  sub 
terra  condunt,  ibique  eam  macerari  ad  octuagesimum  vel  centesimum  usque  anum  sinunt,  haeredi- 
busque  suis  thesauri  loco  relinquunt:  et  haec  quidem  est  sententia  Eduardi  Barbosae:  cui  alii 
accedere  se  posse  negant  usw.  Wichtig  ist  auch,  daß  an  anderer  Stelle  (S.  192)  betont  wird,  daß 
das  Porzellan  nicht  vitrea,  nicht  glasartig  wäre. 

^"2)  Dieses  Rezept  steht  zwar  auf  einem  anderen  Blatt,  dasselbe  liegt  aber  in  dem  Bogen, 
auf  dem  das  zuerst  genannte  Rezept  zwischen  vielen  anderen  steht,  gehört  also  allem  Anschein 
nach  zu  diesem. 

103)  Im  Meißner  Manuskript  wird  ausdrücklich  erwähnt,  daß  man  die  „weißen  Erden" 
damals  untersucht  hätte,  um  Porzellan  zu  gewinnen. 

i*"*)  Doch  darf  man  aus  dieser  Erwähnung  von  Kreide  durchaus  nicht  schließen,  daß  damals 

das  Porzellan  bereits  erfunden  war  oder  das  Prinzip  desselben  feststand.  Kreide  hatte  immer  schon 

in  den  Porzellanrezepten  eine  gewisse  Rolle  gespielt  und  war  auch  in  jenen  auf  S.  38  erwähnten 

Böttgers  vorgekommen  und  dort  bereits  als   Bestandteil  der  Porzellanmasse  genannt  worden. 

10«)  Loc.  1339.    2.  März,  12.  März,  26.   Juli,  29.   JuU  1708. 

1°*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  191,  192. 

107)  Ygi  Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde  XXVll.  Bd.  S.  82. 
1°*)  Die  hier  folgende  Darstellung  folgt  wieder  in  der  Hauptsache  dem  in  Meißen  von  Herrn 
Oberbergrat  Ä^em<2e  aufgefundenen,  von  ihm  auch  zuerst  publizierten  Berichte  (vgl.  die  Einleitung 
S.  VIII  und  Anm.  73).  An  der  Richtigkeit  der  dort  gegebenen  Darstellung  kann  in  der  Haupt- 
sache nicht  gezweifelt  werden.  Der  Gang  der  dort  geschilderten  Entwicklung  erscheint  so  logisch 
und  konsequent,  daß  von  einem  späteren  Nachkonstruieren,  etwa  um  das  Phänomen  der  endlich 
geglückten  Porzellanerfindung  zu  erklären,  keine  Rede  sein  kann.  Dafür  freilich  enthält  dieser 
Bericht,  wie  bereits  erwähnt,  eine  große  Lücke:  er  sagt  gar  nichts  von  der  Begründung  der  Stein- 
bäckerei. Freihch  war  er  dazu  auch  in  keiner  Weise  gezwungen;  denn  für  die  Entdeckung  des 
Prinzips  des  Porzellans  und  der  endlichen  Gewinnung  seiner  Masse  war  diese  Steinbäckerei  ganz 
ohne  Bedeutung.  Schmerzlicher  muß  dagegen  hier  das  Fehlen  der  Angabe  empfunden  werden, 
wer  nun  damals  wirklich  der  eigentliche  Erfinder  des  Porzellans  gewesen  ist,  wer  überhaupt 
die  Hauptarbeit    des    Suchens  und   Experimentierens  damals    übernahm.     Nach    obiger   Dar- 


284  Anmerkungen. 

Stellung  erscheint  die  Tätigkeit  Böttgers  und  Tschirnhausens  durchaus  als  eine  gemeinsame 
ja  zunächst  auch  als  eine  durchaus  gleich  eifrige.  Dies  ist  jedoch,  wie  ich  in  meinem  Aufsatz: 
In  welchem  Jahre  wurde  das  Porzellan  erfunden?  (Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und 
Altertumskunde  Bd.  XXVIII  S.  17)  bereits  erwähnt  habe,  allem  Anschein  nach  durchaus  nicht 
der  Fall  gewesen.  Obiger  Bericht  freilich  legt  auf  die  anscheinende  Gemeinsamkeit  der  Arbeit 
auch  nicht  das  geringste  Gewicht.  Nur  durch  die  Form  der  dort  gewählten  Darstellung  erscheint 
sie  überhaupt  als  eine  solche.  Im  übrigen  ist  diese  Darstellung  ja  keine  chronologische  Schilde- 
rung der  Erfindung,  sondern  nur  eine  solche  ihrer  inneren  Entwicklung.  Daher  brauchte 
die  Frage  nach  dem  Erfinder  des  Porzellans  hier  nicht  berührt  zu  werden,  wie  ja  hier  auch  weder 
Ort  noch  Zeit  angegeben  sind. 

^o»)  Ganz  allgemein  war  lange  Zeit  die  Ansicht  verbreitet  und  in  zahllosen  Schriften  ab- 
gedruckt, daß  Böttger  das  Porzellan  dadurch  erfunden  hätte,  daß  er  versuchte,  Schmelz- 
tiegel herzustellen,  die  er  für  seine  alchimistischen  Untersuchungen  brauchte,  die  damals 
in  bester  Qualität  aus  dem  „Hessischen"  bezogen  wurden.  Diese  Ansicht  findet  sich,  soweit 
sich  hat  feststellen  lassen,  zuerst  in  Milly,  l'art  de  la  porcelaine  1771  S.  IX.  Es  liegt  ihr  jeden- 
falls eine  Vermengung  verschiedener  Tatsachen  zugrunde.  Tatsache  ist,  daß  Böttger  auf  die 
Erfindung  dieser  Schmelztiegel,  die  er  selber  sehr  nötig  hatte,  ausgegangen  ist,  und  daß  er 
diese  Absicht  in  jener  weiter  unten  erwähnten  Anzeige  (siehe  S.  53),  in  der  er  dem  König  zum 
ersten  Male  die  Erfindung  des  Porzellans  meldet,  unter  noch  vielen  anderen  „Propositionen" 
ausspricht.  Tatsächlich  hat  er  auch  im  folgenden  Jahre,  wie  oben  gezeigt  werden  wird,  mittels 
in  Sachsen  gefundener  Erden  versucht,  diese  Absicht  auszuführen.  Er  berief  aber  hierzu  erst 
im  Jahre  1712  einen  Töpfer  aus  Hessen  und  befahl  ihm,  auch  alle  möglichen  Tone  und  Erden 
mitzubringen,  darunter  auch  roten  und  weißen  Bolus.  Vielleicht  haben  diese  Erden  später  Ver- 
anlassung gegeben,  diese  Schmelztiegelfabrikation  mit  der  Erfindung  des  Porzellans  in  Ver- 
bindung zu  setzen. 

"")  Vgl.  auch  S.  44. 

1")  Weißenborn,  a.  a.  O.   S.  191. 

^12)  Daß  diese  Erfindung  und  auch  die  folgende  des  roten  Steinzeugs  eher  gelang,  als 
die  des  Porzellans,  daß  aber  trotzdem  letzteres  von  Böttger  eher  gesucht  worden  war,  als  ersteres, 
das  geht  deutUch  aus  Steinhrücks  in  Anm.  Nr.  137  wiedergegebenen  Aussage  in  Verbindung 
mit  der  Darstellung  des  Meißner  Manuskripts  hervor. 

^13)  Es  ist  vielfach  behauptet  worden,  daß  Tschirnhausen  auch  versucht  hätte,  künstliche 
Edelsteine  herzustellen  (vgl.  z.  B.  Weißenborn,  a.  a.  O.  S.  195).  Es  lassen  sich  aber  dafür  aus 
den  Quellen  der  Zeit  nicht  die  geringsten  Anhaltspunkte  finden.  Dagegen  trifft  man  damals 
Anweisungen  dazu  in  Kunkels  berühmter  ars  vitraria,  in  Bechers  oben  erwähnter  Närrischen 
Weisheit  und  wahren  Narrheit,  ferner  in  Haudiquer  de  Blanchard,  bei  Glauber  und  vielen  andern. 
Es  war  damals  eine  Modesache  unter  den  technisch-industriellen  Bestrebungen  der  Zeit. 

11*)  Heintze,  a.  a.  O.   S.  589. 

"5)  Vgl.   S.  35. 

11*)  So  wenigstens  berichtet  Stöltzel  in  einem  der  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden 
aufbewahrten  Arkanabücher  der  Meißner  Manufaktur  aus  dem  Jahrzehnt  nach  Böttgers  Tode. 

11')  Es  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  man  anfangs  hier  nur  an  die  Errichtung 
einer  Steinbäckerei  d.  h.  einer  Fliesenfabrik,  gedacht  hat.  In  dem  „Geschichtskalender" 
Steinbruchs  (vgl.  Anm.  95)  ist  in  der  ersten  Zeit  die  Steinbäckerei  immer  deutlich  einer  etwas 
später  gegründeten  Rundbäckerei  gegenübergestellt. 

118)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  49.  Der  Name  ist  dort  nicht  genannt. 
Er  geht  aber  aus  dem  Meißner  Manuskript  und  dem  Steinbrückschen  Geschichtskalender  deut- 
lich hervor. 

11*)  Siehe  S.  35.    Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  582,  nennt  ihn  gar  den  besten  Arbeiter  der  Fabrik. 

"")  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  49. 


Anmerkungen.  285 

1«)  Vgl.  S.  33. 

'*-)  Das  geht  schon  aus  den  Abformungen  hervor,  die  Böttger  für  sein  Steinzeug  von  diesen 
chinesischen  Produkten  machen  Heß  (vgl.  S.  121  ff.). 

"3)  Vgl.  über  dies  Erzeugnis  Bushell,  Oriental  ceramic  Art,  New  York,  1897  S.  197,  317,  318. 

1**)  Der  reichste  Bestand  derartiger  chinesischer  Steinzeuge  befindet  sich  wohl  in  der  Kgl. 
Porzellansammlung  zu  Dresden,  daneben  sind  das  Museum  für  Völkerkunde  in  Berlin,  sowie 
die  Museen  zu  Gotha  und  Braunschweig  zu  nennen. 

125)  Vgl.  z.  B.  die  Eide  des  Dr.  Bartelmei  S.  39.  Sonst  ward  es  auch  viel  —  z.  B.  von  Stein- 
brück in  seinem  Bericht  in  der  Porzellansammlung  — ,  das  feine  weiße  Porzellan  genannt.  Vgl. 
über  die  damaligen  keramischen  Bezeichnungen  auch  meinen  Aufsatz  im  Neuen  Archiv  für  säch- 
sische Geschichte  und  Altertumskunde  Bd.  XXVII  S.  74. 

^*»)  Aus  einem  in  der  Kgl.  Bibhothek  zu  Dresden  befindhchen  Manuskript  betitelt:  Nach- 
richten von  denen  im  Kursächsischen  Erzgebirge  befindlichen  und  raren  Gesteinen  usw.  von 
J.  K.  Steinbrück,  Inspektor  der  Manufaktur  des  sächsischen  Porzellans  1715,  wird  Jaspis  als 
der  wohl  erste  Landedelstein  bezeichnet,  der  „poliret  und  zu  etwas  nützlichem  employiret" 
wurde.  Man  fand  ihn  damals  in  Sachsen  an  mehreren  Stellen,  sowohl  grauen,  wie  roten. 
Er  war  sehr  dicht,  nicht  so  „klüftig  und  zerrissen"  wie  andere  Gesteine. 

Übrigens  kannte  Böttger  damals  die  besonderen  Eigenschaften  des  echten  Porzellans,  trotz- 
dem er  auch  sein  rotes  Steinzeug  als  solches  bezeichnete,  ganz  genau.  In  jenem  S.  57  erwähnten 
„Unvorgreifhchen  Gedanken",  durch  die  er  im  November  1709  der  damals  zur  Untersuchung 
seiner  bisherigen  Erfindungen  eingesetzten  Kommission  diese  näher  erklärte,  sind  diese  beson- 
deren Eigenschaften  des  „Indianischen  Porzellains"  regelrecht  aufgeführt,  es  heißt  da  wörthch: 
,,So  viel  demnach  das  Indianische  Porzellain  betrifft,  so  ist  dasselbe  aus  einer  Masse  gearbeitet, 
welche,  wenn  sie  gebrannt  worden 

1.  sehr  fein  und  weiss 

2.  so  compact,  dass  sie  aus  Stahl  Feuer  schlaget,  und  in  denen  bis  jetzo  bekandten  Feuern 
zu  keinem  Fluss  gebracht  werden  mag 

3.  Ist  solche,  wenn  nicht  etwa  die  Gefässe  von  ungemeiner  Dicke  bereitet  sind,  Diaphan 
oder  durchscheinend,  und  distinguiret  sich  hierdurch  von  dem  gemeinen  Glase,  welches 
pellucide  oder  durchsichtig  ist,  auch  einmahl,  wie  das  andere  es  sei  gleich  dünne  oder 
noch  so  dicke,  also  bleibet 

4.  Lässet  die  Porcellain-Masse  mit  einer  weissen  Glasur  worauf  nachgehends  mit  Farben 
als  Blau,  roth  und  gelb  gemahlet  wird,  sich  decken  und  überziehen.  Wozu  ferner  kombt, 
dass  die  daraus  geformten  Gefässe 

5.  Von  siedend -heissen  Wasser,  als  nur  soweit  das  warme,  so  hineingegossen  worden,  reichet. 
Dass  aber 

7.  dergl.  Gefässe,  keinen  Gift  leiden  sollten,  ist  eine  Phantasie  und  dafür  von  allen,  so  es 
experimentiren  wollen,  jedesmal  erkandt  worden." 

Damit  waren  damals  alle  besonderen  Eigenschaften  und  Vorzüge  des  Porzellans  von  Böttger 
erkannt  worden,  mit  alleiniger  Ausnahme  seiner  Unangreifbarkeit  durch  Säuren,  die  demnach 
damals  wohl  noch  nicht  durch  Experimente  oder  durch  den  praktischen  Gebrauch  festgestellt  war. 

127)  Vgl.  Kurzwelly,  Die  bäuerliche  Kleinkunst  in  „Dorfkirchen  und  Bauernhaus  im  König- 
reich Sachsen",  Dresden  1900,  S.  113  ff.  Koepcke,  Die  Töpferei  im  Handelsbezirk  Dresden  und 
in   Königsbrück. 

1^«)  Über  diese  Bemühungen  Böttgers,  damals  Töpfer  für  die  Fabrikation  des  roten  Stein- 
zeugs zu  gewinnen,  berichtet  das  Meißner  Manuskript. 

'")  Siehe  Anm.  127. 

1*")  Ein  Glasschleifer  findet  sich  schon  vom  5.  September  dieses  Jahres  an  in  den  Akten 
erwähnt.     Siehe  Anm.  136. 

"*)  So  gibt  es  das  Meißner  Manuskript  an. 


286  Anmerkungen. 

"2)  Kenzelmann,  a.  a.  O.  S.  18. 

1^^)  Gleichfalls  sowohl  von  Kenzelmann  wie  Engelhardt  angegeben. 

134)  Ygi^  hierüber  auch  meinen  Aufsatz  im  XXVII.  Bd.  des  Neuen  Archivs  für  sächsische 
Geschichte  und  Altertumskunde. 

läs)  Vgl.  S.  46. 

136)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341.  Hier  findet  sich  vom  30.  Juli  1708  datiert 
ein  „Conto  allerhandt  bey  ausgaben  bey  der  feinen  Bortzelanmanufaktur",  ferner  ein  Conto 
für  einen  Glasschneider  vom  5.  September  1708  an,  für  einen  Bildhauer  namens  Stangens  vom 
1.  Juni  an,  für  den  Töpfermeister  Joh.  George  Kr umbholz  vom  22.  September  1708,  für  den  Töpfer- 
meister Peter  Geitner  vom  17.  November  1708,  usw.  Daß  hierbei  Peter  Geitner  zeitlich  hinter 
dem  andern  Töpfer  rangiert,  ist  ohne  Bedeutung.  Ihm  kann  ja  eine  Rechnung,  eben  weil  er 
schon  länger  beschäftigt  ward,  schon  früher  bezahlt  worden  sein;  auch  kann  man  ihn  dadurch 
nach  Dresden  gelockt  haben,  daß  man  ihm  einen  Teil  seines  Lohnes  pränumerando  gab. 

1^')  Und  zwar  deshalb,  weil  Steinbrück  (Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  64)  die  Er- 
findung auch  dieses  Produktes  ausdrücklich  als  nach  Tschirnhausens  Tode  erfolgt  angegeben 
hat.  Freilich  gibt  er  hierbei  das  Jahr  1709  als  das  der  Erfindung  an  und  zwar  sowohl  hier  auf 
S.  64,  wie  auch  S.  68.  Doch  war  Steinbrück  selber,  wenn  man  diese  beiden  Stellen  miteinander 
vergleicht,  sich  über  diesen  Punkt  nicht  ganz  klar.  Er  scheint  z.  B.  selber  nicht  genau  gewußt 
zu  haben,  ob  das  „rote  Porzellan",  also  das  rote  Steinzeug,  vor  oder  mit  dem  eigentlichen  Porzellan 
zugleich  erfunden  ward.  Er  berichtet  nämlich  S.  68  bei  Erwähnung  des  echten  Porzellans: 
„dieses  ist,  wie  im  vorhergehenden  Capitel  bey  dem  braunen  gedacht,  mit  selbigen  zugleich  1709 
zwar  erfunden  aber  nicht  mit  in  Gang  gebracht",  auf  S.  64  dagegen  bei  Erwähnung  des  roten 
Steinzeugs:  „diese  Arth  von  porcellain  ist  Anno  1709  von  offtbemeldeten  Herrn  von  Böttger 
nach  des  von  Tschirnhausen  Tode  erfunden,  da  Er  das  weisse  porcellain,  als  welches  er  eher  ge- 
suchet, zu  finden  bemüht  gewesen.  Er  mag  auch  wohl  dais  weisse  und  rote  zugleich  erfunden  haben, 
doch  hat  er  das  rote  etliche  Jahre  eher  zu  Stand  gebracht."  Kenzelmann,  a.  a.  O.  S.  18,  schildert 
übrigens  die  Erfindung  und  Herstellung  des  roten  Steinzeugs  so,  als  wenn  Tschirnhausen,  der 
am  11.  Oktober  1708  starb,  damals  noch  gelebt  aber  dann  kurz  darauf  gestorben  wäre.  Worauf 
aber  dessen  Darstellung  beruht,  läßt  sich  leider  heute  nicht  mehr  feststellen. 

138)  ]sjyj.  sQ  ist  es  wohl  zu  erklären,  wenn  Böttger  schon  Ostern  1710  kurz  nach  Begründung 
der  eigentlichen  Manufaktur  nicht  nur  große  Quantitäten,  sondern  auch  die  verschiedensten 
Arten  auf  die  Leipziger  Messe  hat  schicken  können  (vgl.  S.  80). 

^**)  So  berichtet  wenigstens  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  282.  Freihch  weiß  man  nicht  genau, 
ob  er  diese  Angaben  auf  das  rote  Steinzeug  oder  das  Porzellan  bezieht.  Unmittelbar  vorher 
berichtet  er  freilich  gleichfalls  von  jenen  soeben  geschilderten  Versuchen,  Gefäße  aufzudrehen, 
die  sich  jedoch  nach  der  Quelle,  nach  der  dies  oben  in  dieser  Arbeit  berichtet  worden  ist,  nur 
auf  das  Steinzeug  beziehen  können.  Engelhardt  berichtet  dann  noch,  a.  a.  O.  S.  283,  hinsichtlich 
der  damaligen  Ereignisse  weiter,  daß  damals  der  größte  Ofen  5  Tage  und  5  Nächte  gebrannt 
hätte,  was  Brogniart,  Traite  de  la  ceramique,  Paris  1844,  IL,  S.  489  Anm.  1,  in  Anbetracht  der 
damaligen  primitiven  Öfen  nicht  für  unmöglich  hält.  Auch  soll  Böttger  damals,  als  der  König  sich 
persönlich  einfand,  um  die  Güte  seiner  Porzellanmasse  zu  beweisen,  eine  Kapsel  mit  einer  Tee- 
kanne aus  der  heftigsten  Glut  ins  Wasser  geworfen  haben,  ohne  daß  letztere  zersprang.  Alle  diese 
Angaben  kUngen  freilich  etwas  romanhaft,  die  Quellen  für  dieselben  haben  sich  auch  nicht  finden 
lassen.  Doch  werden  sie  zum  Teil  auch  von  Kenzelmann  in  seinen  vor  Engelhardts  Biographie 
Böttgers  im  Jahre  1810  erschienenen  ,, Historische  Nachrichten  über  die  königliche  Porzellan- 
manufaktur zu  Meißen"  S.  18  erwähnt,  doch  hier  schon  gleich  nach  der  Erfindung  der  roten 
Masse.  Auf  diese  können  sie  im  günstigsten  Falle  auch  nur  bezogen  werden.  Denn  die  Herstellung 
des  Porzellans  ging,  wie  oben  gezeigt  werden  wird,  durchaus  nicht  so  glatt  vonstatten,  wie  die 
des  roten  Steinzeugs,  so  daß  so  kühne  Proben  glänzendsten  Gelingens  in  Gegenwart  des  Königs 
und  anderer  Zeugen  sicherlich  damals  noch  nicht  gleich  haben  vorgenommen  werden  können. 


Anmerkungen.  287 

'")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  229,  265,  267,  275  usw. 

1")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  7416  E  Fol.  1. 

1")   Weißenborn,  a.  a.  O.   S.  191. 

^**)  Diese  Tatsache  und  damit  auch  die  Datierung  der  Erfindung  der  Masse  des  Porzellans 
beruht  freilich  zunächst  einzig  und  allein  auf  der  Angabe  des  in  der  Meißner  Manufaktur  erhalte- 
nen Geschichtskalenders  Steinbruchs,  woselbst  es  sub  30.  Oktober  1710  heißt:  „Der  Hr.  Leib- 
medicus  Dr.  Jacob  Bartelmei  attestiret,  dass  ihm  der  Herr  von  Böttger  bereits  vor  zwei  Jahren 
sowohl  die  Masse  zu  dem  roten  Porcellain  als  auch  zu  dem  weissen,  doch  was  das  letztere  an- 
langete, ohne  Glasur,  völlig  erlernet,  dergestalt,  dass  er  nicht  allein  davon  zum  öftern  selbst 
Proben  gemacht,  sondern  auch  selbige  in  der  grössten  Quantität,  wie  es  immer  nötig  sein  möchte, 
verfertigen  könne."  Es  liegt  zurzeit  kein  Grund  vor,  an  dieser  Angabe  irgendwie  zu  zweifeln, 
zumal  sie  sich  mit  der  von  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  272,  angeführten  Angabe  vom  9.  November 
1717  Böttgers  deckt,  die  freilich  heute  nicht  mehr  aufzufinden  ist,  nach  welcher  „er  vor  9  Jahren 
mit  Materiahen  in  Dresden  den  Anfang"  im  Porzellan  gemacht  hätte,  und  sich  auch  im  übrigen 
bei  genauer  Prüfung  gar  wohl  mit  den  wenigen  sonstigen  Angaben,  die  sich  über  das  Jahr  der 
Erfindung  des  Porzellans  aus  dieser  Zeit  erhalten  haben,  durchaus  vereinen  läßt.  Nur  muß  man 
sich  zunächst  darüber  klar  werden,  was  damals  unter  der  Porzellanerfindung  eigentlich  ver- 
standen worden  ist.  Es  ist  hierbei  nämlich  durchaus  nötig,  was  bisher  jedoch  von  keiner  Seite 
aus  geschehen  ist,  ganz  scharf  die  Erfindung  der  Porzellanmasse  von  der  der  Porzellanglasur  zu 
trennen.  Daß  aber  die  Glasur  zum  Porzellan  schon  damals,  d.  h.  im  Jahre  1708,  erfunden  war, 
darüber  fehlt  jede  Nachricht.  Dagegen  ist  es,  wie  weiter  unten  (siehe  S.  56)  gezeigt  werden  wird,  so 
gut  wie  sicher,  daß  Böttger  mit  ihr  erst  im  Jahre  1709  wirkHch  zustande  kam.  Dann  aber  ist  es 
durchaus  nicht  wunderbar  —  namentlich  schon  deshalb,  weil  die  damalige  Zeit  noch  kein  un- 
glasiertes Porzellan  kannte,  mithin  Porzellan  ohne  Glasur  kein  Porzellan  war  —  daß  Steinbrück,  der 
der  einzige  Zeitgenosse  Böttgers  ist,  der  ein  festes  Jahr  für  die  Erfindung  Böttgers  angibt(vgl.  Anm.137 ), 
hierfür  mit  aller  Bestimmtheit  das  Jahr  1709  nennt,  da  er  eben  ausschheßhch  an  das  glasierte  Por- 
zellan gedacht  hat.  Hiermitkann  auch  durchaus  übereinstimmen,  wsls Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  271,  an 
Datierungen  dieser  Erfindung  durch  Böttger  selber  (Angaben,  die  freilich  heute  wieder  nicht  mehr 
kontrolherbar  sind)  angegeben  hat,  daß  er  nämhch  seine  Erfindung  bald  in  das  Jahr  1708,  bald  in  das 
Jahr  1709  gesetzt  hat.  Auch  er  hätte  dann  hier  bald  bloß  an  die  Erfindung  der  Porzellanmasse,  bald  je- 
doch an  die  des  glasierten  Porzellans  gedacht.  Über  andere  Datierungsversuche  vgl.  meinen  Auf- 
satz im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde  Bd.  XXVII  S.  61,  in  dem 
ich  freilich,  da  ich,  als  ich  ihn  schrieb,  noch  nicht  obige  Stelle  des  Ste  inbrückschen  Geschichtskalenders 
kannte,  noch  angenommen  habe,  daß  auch  die  Masse  des  Porzellans  im  Jahre  1709  erfunden  ward. 

144)  Ygi  yijgr  diese  Frage  nach  dem  Erfinder  des  Porzellans  meinen  Aufsatz:  „Wer  war 
der  Erfinder  des  Meißner  Porzellans?"  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Alter- 
tumskunde Bd.  XXVIII  S.  17. 

"«)  Weißenborn,  a.  a.  O.   S.  203  ff. 

"•)  Vgl.   S.  99.      • 

^")  Vgl.   S.  26. 

•")  Von  dieser  Bestürzung  berichtet  wenigstens  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  282. 

"*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  233.  . 

^*'')  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  28.  März  1709. 

^**)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung. 

"'')  Steinbrück,  a.a.O.  S.  123  ff.;  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  17.  April  1709. 

1")  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  241. 

***)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  49  ff. 

^")  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  124  ff. 

1**)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  124;  Steinbrück,  Geschichtskalender 
sub  10.  November  1709. 


288  Anmerkungen. 

1"')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  125. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  68. 

"*)  Ein  Exemplar  dieses  besonders  schön  gedruckten  Patents  hat  sich  auf  dem  Kgl.  Sachs. 
Hauptstaatsarchiv  (Loc.  1339  Fol.  79)  erhalten.    Vgl.  Beilage  III. 

i«o)  Vgl.  Haacke,  König  August  der  Starke,  eine  Charakteristik,  München  u.  Berhn  1902. 

^")  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  114. 

i«2)  Abgedruckt  bei  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  307,  Anm.  40. 

1'*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  114.  Steinbrück,  Bericht  über  das  Per- 
sonal der  Meißner  Manufaktur  aus  dem  Jahre  1719,   §  1  und  2. 

1«*)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  30.  Oktober  1710. 

^'^)  Nach  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  234,  sagte  Böttger  in  einem 
Bericht  an  den  König  vom  Februar  1712,  der  ihm  wohl  betreffs  der  „melierten"  Fliesen  interpeUiert 
hatte:  er  habe  nicht  geglaubt,  daß  man  ihn  wegen  aller  und  jeder  Proposition  pressieren  werde, 
da  er  anders  nicht  so  viel  versprochen  haben  würde. 

^**)  Kenzelmann,  a.  a.  O.  S.  21;  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  279.  In  einem  Bericht  von  Nehmitz 
aus  dem  Jahre  1721  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341  III.  212)  ward  sogar  der  Ausdruck 
gebraucht,  daß  Bartelmei'ixivAniacug  des  ersten  Jahres  die  Fabrik  „in  seinem  Hause"  gehabt  hätte. 

1")  Kenzelmann,  a.  a.  O.  S.  22;  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  283. 

i«8)  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  300. 

169)  Ygi    (jje  Schilderung  bei  Kenzelmann,  a.  a.  O.   S.  23;  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  265. 

1'°)  Über  die  Baulichkeiten  auf  der  Burg  siehe  vor  allem  Wanckel  und  Gurlitt,  Die 
Albrechtsburg  in  Meißen,  Dresden  1895,  S.  6. 

^")  Milberg,  Die  Albrechtsburg  zu  Meißen,  Jahresbericht  der  Fürsten-Landesschule  1877/78 
S.  32.  Auch  wird  später  nach  Böttgers  Tode  berichtet,  daß  gleich  darauf  der  Bettmeister  des  Schlosses 
wieder  auf  die  Burg  gezogen  wäre  und  im  „Vorgemach  des  Königs",  das  demnach  damals  noch 
frei  gewesen  sein  muß,  seine  Wohnung  aufgeschlagen  hätte.  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1339  II.   Fol.  205. 

172)  Vgl.  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339.  Anfangs,  d.  h.  im  März 
1710,  glaubte  man  der  Burg  nur  bis  zu  „der  ersten  Mauer,  so  von  der  großen  Küche  bis  an  die 
Kirche  gehet"  zu  bedürfen,  bald  jedoch  „bis  zur  ersten  Zugbrücke",  d.h.  also  der  ganzen  eigent- 
lichen Burg. 

1")  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  141. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  106. 

1")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  15.  November  1710. 
•     "8)  Vgl.  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  327. 

^")  Steinbrück,  Bericht  über  das  Personal  der  Meißner  Manufaktur  im  Jahre  1719,  §  1, 
und  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  41. 

^'^)  Steinbrück,  Bericht  über  das  Personal  der  Meißner  Manufaktur  vom  Jahre  1719,  §  1, 
4  und  5;  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  66. 

^'*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  49. 

180)  Vgl.  oben  S.  44.  Stöltzel  tat  sogar  so,  als  ob  Böttger  seine  Masse  nur  von  ihm  bezogen 
hätte.    Dagegen  sprechen  aber  doch  die  oben  angeführten  Tatsachen. 

181)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  137. 

18*)  Es  befindet  sich  dort  jetzt  die  keramische  Fabrik  von  Fikentscher,  die  dieses  Tons  sich 
noch  heute  bedient.  Merkwürdigerweise  berichtet  übrigens  Stöltzel  in  einem  seiner  in  der  Por- 
zellansammlung zu  Dresden  aufbewahrten  Arkanabüchern  auch  noch  von  einem  zu  gleichen 
Zwecken  verwandten  gelben  Ton,  der  aber  im  Feuer  rot  ward  und  dann  sogar  noch  einen  schöneren 
roten  Ton  erhielt,  als  die  Masse  aus  rotem  Bolus.     (Vgl.  auch  Anm.  184.) 

i*ä)  Allerdings  findet  sich  hierüber  aus  Böttgers  Zeiten  nicht  die  geringste  Angabe.  Um  so 
positiver  taucht  sie  dagegen  —  soviel  ich  gesehen  habe,  zuerst  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  — 


Anmerkungen.  289 

auf,  um  dann  mit  eben  solcher  Sicherheit  immer  wiederholt  zu  werden.  Ob  dieser  Behauptung 
etwas  Tatsächliches  zugrunde  liegt,  läßt  sich  zur  Zeit  nicht  entscheiden.  Wahrscheinlich 
ist  sie  jedoch  kaum,  da  dieser  Ton  in  den  mehrfach  angeführten  Arkanabüchern  der  Kgl.  Por- 
zellansammlung aus  den  Jahrzehnten  nach  Böttgers  Tode  sich  nirgends  erwähnt  findet. 

"*)  Diese  ganze  Darstellung  sowie  das  Folgende  fußt  ganz  auf  der  Angabe  des  in  der 
Meißner  Manufaktur  von  Herrn  Oberbergrat  Heintze  wieder  aufgefundenen  Berichts  über  die 
Erfindung  des  Meißner  Porzellans,  die  spätestens  einige  Jahrzehnte  nach  dieser  niedergeschrieben 
sein  dürfte.  Vgl.  S.  VIII.  Hinsichtlich  der  Zusammensetzung  der  Masse  hat  sich  übrigens  noch 
ein  Rezept  in  den  mehrfach  erwähnten  Arkanabüchern  der  Meißner  Manufaktur  in  der  Kgl.  Por- 
zellansammlung erhalten.  Es  lautet:  1  Teil  von  der  Rothen  Englischen  Erde;  2  Teil  von  dünn 
geschlemmten  Leimen.  Die  chemische  Analyse  des  Produktes  lautet  dagegen  nach  einer  Un- 
tersuchung, die  anzustellen  Herr  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen  die  Güte  hatte,  folgendermaßen: 

SiOa 66,04 

AI2O3 19,56 

Fe2  O3 9,36 

Ca  O 1,33 

MgO 0,80 

Kü  O 1,03 

Na^O 1,57 

Mn  O Spur. 

Übrigens  scheint  man  damals  zum  roten  Steinzeug  auch  eine  gelbe  Masse  verwandt  zu  haben, 
die  aber  beim  Brennen  wieder  rot  wurde.  Wenigstens  findet  sich  in  den  ebengenannten  Arkana- 
büchern ein  derartiges  Rezept,  welches  lautet:  Gelbe  Masse:  Blauischer  oder  Meißner  Ton  und 
wohl  geschlemmte  Erde  oder  Ocker.     (Vgl  auch  Anm.  182). 

"^)  Bericht  Tschirnhausens  vom  Oktober  1703  über  seine  ganze  bisherige  industrielle 
Tätigkeit  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  7416). 

18«)  Siehe  auch  oben   S.  162. 

187)  Vgl.  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung,  S.  124,  125  und  das  Meißner 
Manuskript. 

1**)  Nach  Engelhardt  soll  Böttger  mittels  4 — 5  Öfen  in  Dresden  sein  rotes  Steinzeug  „in  Gang 
gebracht  haben". 

1*')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  237. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  157. 

1")  Vgl.   S.  64. 

i»2)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  140,  144,  156,  157,  182. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  160. 

1»*)  Die  ganze  Darstellung  dieser  technischen  Behandlung  der  Masse  des  roten  Steinzeugs 
folgt  gleichfalls  in  der  Hauptsache  dem  in  der  Meißner  Manufaktur  gefundenen  Bericht  über 
die  Erfindung  des  Meißner  Porzellans. 

1**)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  171. 

1")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  63,  64,  66.  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  410,  berichtet  auch,  daß  die 
ersten  Erzeugnisse  dunkelbraune  und  schwarze  Quadrate  (d.h.  Fliesen)  gewesen  seien. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  59. 

198)  Vgl.  Beilage  III.  Er  hat  bekannthch  später  diese  Neigung  nach  dem  Großen,  Monu- 
mentalen im  Porzellan  durch  die  Anfertigung  jener  großen  Tiere  in  Porzellan  befriedigt 
gesehen,  die  heute  eine  der  Hauptsehenswürdigkeiten  der  Dresdner  Porzellansammlung 
ausmachen. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  137,  227.  Ausdrückhch  heißt  es  in  den  mehrfach  erwähnten 
„Unvorgreifhchen  Gedanken",  die  Böttger  1709  der  ersten  Kommission  vorlegte:  Wie  denn  auch 
die  Facons  derer  Sachen,   so  aus  vorher  beschriebener  Masse  fabriciret  werden,  jedes  mahl  nach 

Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  -  iq 


290  Anmerkungen. 

der  neuesten  Arth  angegeben  und  denen  Silber  Geschirren,  so  offt  dieselben  changiren,  nach- 
gefolget  usw. 

20")  Über  die  Tätigkeit  Irmingers  vgl.  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  213. 
Übrigens  ist  es  auch  sonst  noch  in  dieser  Zeit  vorgekommen,  daß  Goldschmiede  Modelle  für  Por- 
zellan anfertigten,  so  z.  B.  in  Vincennes,  für  welches  ebenfalls  die  ersten  Modelle  Goldschmiede, 
daneben  Bronzegießer  herstellten.  Vgl.  Stettiner  Jahrbuch  der  Kgl.  Preuß.  Kunstsammlungen, 
Bd.  XIV,  S.  141. 

201)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  213. 

20*)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  341,  nennt  außerdem  noch  als  „Entwerfer  neuer  Facons"  den 
Konduktor  (!)  Blumenthal.  Doch  finde  ich  diesen  nur  unter  dem  allgemeinen  Personal  der  Manu- 
faktur angeführt. 

203)  Ygi_  2.  B.  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  67.  Man  hat  bisher  nicht  gewußt,  was  eigentlich  mit 
diesem  Ausdruck  „Muscheln",  der  damals  sehr  häufig  gebraucht  wurde,  gemeint  gewesen 
ist  und  dafür  mehrere  Erklärungen  zu  geben  versucht,  die  aber  alle  nicht  recht  befriedigten. 
Obige  Deutung  geht  aus  dem  frühesten  Inventar  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden 
vom  Jahre  1721  hervor,  in  welchem  alle  derartig  bezeichneten  Stücke  die  oben  angegebene 
D  ekorationsweise  zeigen. 

20*)  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  342. 

206)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  190. 

20«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  67. 

20'')  Über  diese  Schleif-  und  Poliermühle  siehe  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  32. 

208)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  88.  Ein  hinsichtlich  des  Schleif ens  sehr  originelles  Stück 
Böttgersteinzeug  befindet  sich  noch  im  Berliner  Kunstgewerbemuseum.  Es  ist  ein  Exemplar 
jener  in  Abb.  23  wiedergegebenen  Kaffeekanne,  bei  der  aber  das  Relief  des  Blütenzweiges  bis 
zur  Fläche  des  Gefäßes  fortgeschhffen  ist.  Er  erscheint  jetzt  nur  noch  als  dunkle  Silhouette 
auf  hellerem  Grund. 

20»)  Vgl.  S.  136. 

210)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  66. 

2")  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  66. 

212)  Siehe  S.  71.    Vgl.  auch  S.  136. 

2")  Das  Bemalen  mit  Emailfarben  erfolgte  jedoch  nicht  ,,in  Venedig",  wie  von  anderer 
Seite  berichtet  worden  ist.  Die  betreffende  Stelle  der  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv, 
auf  die  sich  diese  Behauptung  stützt,  darf  nicht  „in  Venedig"^  sondern  muß  „inwendig  emailliert" 
gelesen  werden. 

214)  Vgl.  die  Liste  der  schon  am  20.  April  1710  dem  König  gesandten,  ganz  besonders  er- 
lesenen Stücke  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  295). 

21*)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  410,  erwähnt,  daß  das  erste  Böttgersteinzeug  dunkelbraune 
und  schwarze  Quadrate  gewesen  seien. 

21«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  75. 

2")  Engelhardt,  a.a.O.  S.  423;  Weinart,  Geschichte,  Dresden  1777,  S.  305,  sah  davon 
noch  im  Jahre  1777  einen  guten  Vorrat.     Sie  haben  sich  aber  dort  nicht  mehr  erhalten. 

218)  Diese  Aufzählung  folgt  vor  allem  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  147,  dann  einem  am  28.  Mai 
1711  aufgenommenen  Inventar  des  Dresdner  Lagers  von  mehr  als  2000  Stück  das  sich  im 
K.  S.  Hauptstaatsarchiv  erhalten  hat. 

21*)  Seine  Ausbildung  ist  sogar  damals  eine  reichere  gewesen  als  die  des  Porzellans  zu  Böttgers 
Zeit. 

220)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  295. 

221)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  81.  -Sie mferitcAr,  Geschichtskalender  sub 
13.  April  1711. 

222)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  5. 


Anmerkungen.  291 

•")  In  dem  in  Anmerkung  218  erwähnten   Inventar. 

***)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  85,  191. 

***)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  Januar  1712. 

««)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  342. 

*")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  34.    Spezifikation  vom  22.  Oktober  1712. 

"8)  Vgl.  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  261. 

**')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  66. 

"0)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  433. 

»")  Kgl.   Sachs.   Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,   Fol.  306;  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  172. 

»")  S.  15. 

"=»)  Steinbrück,  a.  a.  0.  S.  143. 

*»*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  143. 

"*)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  4.  August  1710. 

"«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  127. 

*")  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  7.  August  1710. 

*ä8)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  254. 

«3»)  Vgl.  Beilage  III. 

**")  Engelhardt  weiß  noch  allerhand  andere  Vorsichtsmaßregeln  anzugeben,  die  damals 
zur  Wahrung  der  Geheimnisse  getroffen  wurden.  So  sollten  z.  B.  (a.  a.  O.  S.  275)  alle  an  der 
Manufaktur  Beschäftigten  Protestanten  sein,  weil  der  König  den  Katholischen  wegen  der  Ohren- 
beichte nicht  traute.   Sehr  wahrscheinlich  klingt  diese  Angabe  Engelhardts  allerdings  wieder  nicht. 

**^)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  164  und  165. 

2")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  125,  163. 

"•^  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  189. 

2")  Vehse,  Geschichte  der  deutschen  Höfe,  Hamburg  1854,  Bd.  VII,  S.  101. 

***)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  66,  170;  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub   7.  Mai  1710. 

"')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  172    und    173. 

'")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  171. 

2*8)  Steinbrück,  a.a.O.  S.  171;   Steinbrück,    Geschichtskalender  sub   5.  Juli   1710. 

***)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  171;  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1340,  Fol.  306. 

"0)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  174. 

"1)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  170. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  175. 

"3)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  173. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  176. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  186. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  66. 

"')  Siehe  S.  85. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  306.  Nach  Engelhardt  (a.  a.  O. 
S.  438)  soll  in  der  Leipziger  Zeitung  sogar  erst  nach  Schluß  der  Messe  auf  die  neue  Erfindung 
hingewiesen  worden  sein. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  185. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  186. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  260. 

***)  So  berichtet  wenigstens  Engelhardt  a.  a.  O.  S.  433. 

2")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  295. 

*•*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  62.  Über  weitere  Geschenke  berichtet  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  442. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  74. 

"•)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  14. 

19* 


2dlöl  Anmerkungen. 

*")  Vgl.  auch  S.  125. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  112,  121. 

««»)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  112. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  25. 

"")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  38.  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  279)  be- 
richtet auch  noch  von  einer  weiteren  im  April  bewilligten  Summe  von  600  Talern  zu  einer  Sache, 
die  „dem  König  allein  bewußt"  sei. 

"")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  1. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  101. 

"*)  Kgl.   Sachs.   Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  166;  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  113,  156. 

«")  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  105,  108. 

'^'*)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  25.  Juli  1710;  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1339,  Fol.  112. 

"')  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  10.  November  1710  und  4.  Januar  1711;  Stein- 
brück, Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  112. 

"«)  Kgl.   Sachs.   Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,   Fol.  169;  Steinbrück,   a.  a.  O.   S.  108. 

*'*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339.  Spezifikation,  was  die  Renth-Cammer 
für  die  neu  angelegten  Manufakturen  allhier  usw.  bezahlet,  vom  30.  November  1713.  Wie  reimt 
sich  aber  hiermit  wieder  zusammen,  daß  Engelhardt  —  wiederum,  um  Böttger  als  leichtsinnigen, 
gewissenlosen  Gesellen  zu  schildern  —  berichtet,  daß  Böttger  in  dieser  Zeit  34  mal  in  Meißen  ge- 
wesen und  dort  eine  Unsumme  Geldes  verjubelt  hätte ! !  Merkwürdig  ist,  was  Engelhardt  (a.  a.  O. 
S.  321)  auch  über  seinen  dortigen  Aufenthalt  berichtet:  er  soll  dort  niemals  auf  der  Albrechts- 
burg selber,  sondern  in  Meißen  im  sogenannten  iVoÄrschen  Hause  gewohnt  haben.  Vielleicht 
war  dies  das  Haus,  das  Böttger  nachweislich  eine  Zeitlang  für  die  Pfeifenfabrik  gemietet  hatte. 

^^°)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340. 

^")  Siehe  die  ausführliche  Schilderung  dieser  Vorgänge  bei  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  294  ff. 

*«")  In  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden,  woselbst  die  damals  gewonnenen  Gold- 
und  Silberklumpen  sowie  die  dazugehörigen  Protokolle  noch  heute  aufbewahrt  werden.  Vgl. 
hierüber  meinen  Aufsatz:  Der  Gold-  und  Silberklumpen  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden 
in  der  Sonntagsbeilage  des  Dresdner  Anzeigers  vom  6.  September  1903. 

"8»)  Vgl.   S.  202. 

"4)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  30. 

*8^)  Vgl.  S.  48;  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  36  ff. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  47  ff. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  172. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  73  ff. 

"")  Vgl.   S.   57. 

"0)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  76  ff. 

"1)  Vgl.   S.  53. 

"2)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  96  ff. 

^^')  Vgl.   S.  106. 

"*)  Steinbrück,  a.a.O.   S.  161;  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  April  1711. 

^'*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  116.  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  438) 
weiß  sogar  noch  schlimmere  Beschuldigungen  gegen  das  Direktorium  vorzubringen,  die  jedoch 
wohl  wieder,  wie  alles  Derartige,  bei  Engelhardt  mit  Vorsicht  aufzunehmen  sind.  Sie  würden 
den  Kommerzienrat  Matthis  direkt  zum  Betrüger  stempeln. 

***)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  116,  117. 

*")  Steinbrück,   a.  a.  O.   S.  108;   Steinbrück,   Geschichtskalender  sub  4.  August  1710. 

**8)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  120. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  121. 


Anmerkungen.  293 

ä»")  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  336,  Anm.  7. 

»•»!)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  160. 

»"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  145  ff.;    Steinbruch,  Geschichtskalender  sub  I.Februar  1712. 

="'^)  Daß  Böttger  damals  etwas  Komödie  spielte,  den  Eindruck  hatte  Steinbrück  (Bericht 
in  der  Porzellansammlung  S.  155)  gleichfalls. 

ä"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  150  ff. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  70  und  IV,  Fol.  306;  Steinbrück, 
a.  a.  O.  S.  119;  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  23.  September  1710.  Engelhardt  (a.a.O. 
S.  351  ff.)  weiß  noch  von  anderen  derartigen  Versuchen  zu  reden.  Doch  liegt  hier  wohl  wieder 
einer  jener  Fälle  vor,  wo  er  (vgl.  Vorwort  dieses  Buches,  S.  XVII)  zeitlich  völlig  Getrenntes  mit- 
einander vermengt  hat,  namentlich  da  er  erwähnt,  daß  damals  Gefahr  vorhanden  war,  daß  sich 
die  besten  der  Arbeiter  der  Manufaktur  nach  Wien,  Berlin  oder  Moskau  verlieren  konnten.  Von 
derartigen  Gefahren  wissen  die  übrigen  Quellen  erst  viel  später  zu  berichten  (vgl.  das  Schluß- 
kapitel). 

^''•)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  27. 

*"'')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  105;  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  3.  März  1712;  ferner 
Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  122,  195  usw. 

ä"«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340.     Spezifikation  vom  22.  Oktober  1712. 

'»»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  116. 

31^)  Vgl.  S.  96. 

»")  Siehe  auch  S.  248. 

»^*)  So  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  27.  Dagegen  finden  sich,  wie 
bereits  im  Vorwort  S.  VI  erwähnt,  jetzt  nicht  die  geringsten  Anhaltspunkte  mehr  für  die  Dar- 
stellung, die  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  444  ff.)  von  Böttger  in  dieser  Beziehung  gegeben  hat.  Er 
erschien  nach  jener  wie  ein  ganz  gewissenloser  Verschwender,  der  leichtsinnig  in  den  Tag  hinein 
lebte,  der  statt  für  die  Fabrik  mehr  für  sich  und  seine  Gelüste  sorgte,  dazwischen  wieder  aus 
Großmannssucht  die  kostbarsten  Geschenke,  die  kostspieligsten  Passionen  hatte  u.  dgl.  m. 
Hierauf  kann  nur  erwidert  werden,  daß  auch  hier  wieder  Engelhardt  alles  Böttger  Herab- 
setzende nur  ins  Maßloseste  übertrieben  haben  kann,  da  nur  er  allein  und  seine  angeblichen,  jetzt 
aber  verloren  gegangenen  Quellen  von  derartigen  Taten  Böttgers  zu  berichten  wissen,  während  selbst 
die  Untersuchungen,  die  betreffs  der  Manufaktur  nach  Böttgers  Tode  angestellt  wurden  (wo  man 
doch  Böttger  wirklich  nicht  mehr  zu  schonen  brauchte),  nicht  entfernt  etwas  zutage  gefördert 
haben,  was  dieser  Schilderung  nur  entfernt  entspräche.  Steinbrück  schreibt  damals  (Kgl.  Sachs. 
Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  230):  „Böttgers  fast  unartiger  und  sehr  veränderlicher 
Sinn,  auch  üble  Wirtschaft  habe  zuförderst  wohl  das  meiste  beigetragen,  er  habe  keine  Ordnung 
und  Disposition  gehalten,  seine  übel  eingerichtete  Subsistence  mit  der  Manufaktur  Gasse  ver- 
menget und  aus  selber  sich  jedes  Mal  erholet".  Aber  hieraus  geht  doch  nur  hervor,  daß  Böttger 
nicht  recht  zu  wirtschaften  und  richtig  zu  disponieren  verstand,  ohne  daß  er  dabei  gleich  als  ein 
ausgesprochener  Verschwender  erscheint;  auch  ist  weiter  zu  bedenken,  daß  diese  Schilderung 
aus  der  allerletzten  Lebenszeit  Böttgers  stammt,  wo  er  in  der  Tat,  wie  unten  gezeigt  werden  wird, 
durch  Krankheit  und  Neigung  zum  Trinken  stark  seinen  moralischen  Halt  verloren  zu  haben 
scheint,  und  was  schließlich  das  Vermengen  der  Manufakturkasse  mit  der  eigenen  anbetrifft, 
so  hatte  Böttger,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  wird,  eigentlich  gar  keine  Privatkasse,  denn 
niemals  ist  festgesetzt  worden  —  nicht  einmal  von  den  Geldern,  die  der  König  ihm  regelmäßig 
auszahlen  ließ  —  was  für  ihn  und  seinen  Unterhalt,  was  für  seine  Experimente  und  was  für  die 
einzelnen  Manufakturen  verwandt  werden  sollte.  Jene  Gelder  aber  waren  überhaupt 
in  den  letzten  Jahren,  da  der  König  plötzlich  nur  noch  monatlich  100  Taler  für  ihn,  wie  seine 
gesamten  Unternehmungen  und  Arbeiten  auszahlen  ließ,  so  gering,  daß  er  sich  zuweilen  —  wovon 
hätte  er  sonst  leben  und  seine  Untersuchungen  fortführen  können?  —  doch  wohl  von  den  Ein- 
nahmen seiner  Manufaktur  hat  „erholen"  müssen.    Außerdem  hat  Böttger  mehrfach,  wie  oben 


294''  Anmerkungen. 

gezeigt  werden  wird,  wenn  ihm  der  Vorwurf  gemacht  wurde,  die  beiden  obengenannten  Kassen 
zu  vermengen,  sich  unter  eine  strenge  Kontrolle  zu  stellen  bereit  erklärt,  aber  niemals  ist  man 
hierauf  eingegangen,  und  so  können  diese  Eingriffe  doch  nicht  allzuschlimm  gewesen,  ein  ja  vielleicht 
zum  nicht  geringen  Teil  nur  zu  jenen  Verläumdungen  gehören,  die  bald  nach  der  Begründung 
der  Manufakturen  einsetzten,  um  Bötiger  ?ls  Leiter  derselben  in  Mißkredit  zu  bringen  und  ihm 
zum  Vorteile  anderer  dieselben  zu  entziehen.  Dafür  spricht  auch,  daß  Böttger  derartige  An- 
schuldigungen, soweit  wir  jetzt  noch  sehen  können,  sehr  selten  gemacht  worden  sind  —  vielleicht 
zum  ersten  Male  sogar  erst  in  Jahre  1715  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  I,  Fol.  276, 
279)  —  und  daß  z.  B.  die  ersten  Kommissionen,  die  bis  ins  Jahr  1712  getagt  haben,  davon  noch 
nicht  das  geringste  gewußt  haben,  ja  es  steht  geradezu  fest,  daß  bei  den  zahllosen  Untersuchungen 
und  Projekten  zur  Verbesserung  der  Fabrik  ein  etwaiges  mangelhaftes  Wirtschaften  mit  Geld 
gar  keine  bedeutende  Rolle  gespielt  hat.  Selbst  Steinbrück  erwähnt  in  seinem  sonst  so  offenen, 
ehrlichen  und  ausführlichen  Bericht  über  die  industriellen  Unternehmungen  Böttgers  bis  zum 
Jahre  1717  eine  solche  Verfehlung  Böttgers  in  keiner  Weise. 

313)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  313. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  U,  Fol.  110. 

3")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  143.  Die  Betonung  dieser  Tatsache  hier  oben  ist  deshalb  nötig 
gewesen,  da  das  Direktorium  oder  der  Direktor  vielfach  dem  Könige  gegenüber  das  Gegenteil 
behauptet  haben  muß. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  0.  S.  184,  213,  215;  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV, 
Fol.  306. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  215. 

3")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  306. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340, 

ä"")  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  7.  und  8.  August  1710. 

'*M  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  84. 

ä22)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  12.  März  1711. 

3*3)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  144. 

***)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  139;  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1339,  Fol.  186. 

3**)  Die  Kommission  hatte  sich  allerdings  auf  Befehl  des  Königs  in  dieser  Frage  auch  an 
die  Leipziger   Kaufmannschaft  gewandt;   Kgl.   Sachs.   Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,   Fol.  183. 

3««)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1334  Fol.  442. 

3")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  Fol.  343. 

328)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  100.  ' 

32»)  Steinbrück  (a.  a.  O.  S.  110)  betont  dies  ausdrücklich. 

330)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  341. 

331)  Semper,  Der  Stil  in  den  technischen  und  tektonischen  Künsten,  II.  Auflage,  I.  264. 
33«)  Vgl.  S.  53. 

333)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  25  ff. 

334)  Diese  Unterschiede  sind  von  mir  festgelegt  worden  in  meinem  Aufsatz:  Chinesischesund 
Böttger- Steinzeug,  Versuch  einer  Trennung.     Keramische  Monatshefte,  IV  S.  85  ff. 

336)  Ygi    hierüber  auch  Kerl,  Handbuch  der  Tonwarenindustrie,  S.  697. 
33»)  Vgl.  S.  73. 

33')  Fr.  Keller,  Die  rote  römische  Töpferware,  Heidelberg  1876,  S.  3. 
338)  Bushel,  Oriental  ceramic  Art,  S.  8. 

839)  Ygi  2.  B.  Brinckmann,  Das  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe,  Ham- 
burg 1894,  S.  558. 

340)  Vgl.   S.  114. 

3*1)  So  wird  es  z.  B.  von  Steinbrück  bisweilen  so  genannt. 


Anmerkungen.  295 

ä")  Außerdem  befand  sich  noch  ein  solcher  Krug  in  der  vor  einigen  Jahren  in  Beriin  ver- 
steigerten Sammlung  Nettcke  zu  Wien. 

'*')  Bourry,  Traitö  des  Industries  ceramiques,  Paris  1897,  S.  693. 

"*)  Bourry,  a.  a.  O.  S.  690;  Brogniart,  Traitä  de  la  cöramique,  1844,  IL  196. 

'*")  Nach  Angabe  von  Herrn  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen  (vgl.  die  folgende  Anmerkung). 

'*•)  Nach  Angaben  von  Herrn  Oberbergrat  Heintze  in  der  Meißner  Manufaktur,  der  in 
letzter  Zeit  mit  dieser  Masse  auf  Grund  alter  Rezepte  wieder  einige  Versuche  gemacht  hat. 

'*')  Berling,  Das  Meißner  Porzellan  und  seine  Geschichte,  Leipzig  1900,  S.  155. 

**8)  In  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden  sind  fast  alle  Stücke  mit  derartigen  Mar- 
kierungen zusammengestellt.  Darnach  wird  wohl  jeder  den  Eindruck  gewinnen,  daß  es  sich  hier 
in  der  Tat  in  der  Hauptsache  um  weniger  geglückte  und  demnach  wohl  Anfangsstücke  handelt. 

'**)  Sie  findet  sich  besonders  häufig  an  den  weiter  unten  beschriebenen  Medaillonporträts, 
s  o  z.  B.  an  einem  in  der  Porzellansammlung  zu  Dresden,  wie  auch  in  der  Bibliothek  zu  Weimar 
vefindlichen.  Ihr  häufiges  Vorkommen  gerade  auf  diesen  Stücken  läßt  vermuten,  daß  einige 
bon  diesen  Rehefs,  z.  B.  das  oben  abgebildete  Böttgerporträt  (siehe  Abb.  S.  1  und  Anm.  45)  erst 
nach  Böttgers  Tode  entstanden  sind.  Ganz  allgemein  ist  übrigens  die  Ansicht  verbreitet,  daß 
Böttger  auf  seinen  Steinzeugen  auch  chinesische  Marken  angebracht  hätte,  und  zwar  so  täuschend, 
daß  man  sie  von  denen  auf  wirklichen  chinesischen  Steinzeugen  nicht  zu  unterscheiden  vermöchte. 
Dieser  Irrtum  beruht  lediglich  auf  den  falschen  Angaben  des  noch  immer  populärsten  kerami- 
schen Markenbuches  Graesse,  Guide  de  l'amateur.  Der  Herausgeber  desselben  war  Direktor  der 
Kgl.  Porzellansammlung,  und  da  hier  durch  irgend  einen  Zufall  das  chinesische  und  das  Böttger- 
steinzeug  völlig  durcheinander  gekommen  und  als  letzteres  aufgestellt  war,  so  hat  er  die  Marken 
der  ersteren  als  Marken  der  letzteren  aufgefaßt  und  als  solche  publiziert.  Dieser  Irrtum  findet 
sich  auch  noch  in  der  letzten  Auflage  dieses  Buches  vom  Jahre  1905.  Über  weiteres  vgl.  meinen 
Aufsatz:  Chinesisches  und  Böttgersteinzeug,  Versuch  einer  Trennung.  Keramische  Monats- 
hefte, IV,  S.  85  ff. 

"»)  Vgl.  S.  47. 

»")  Vgl.  S.  47. 

»")  Vgl.  S.  74. 

363)  Weiteres  hierüber  in  meinem  in  Anm.  349  erwähnten  Aufsatze.  Darnach  aber  dürfte 
es  zu  Ende  sein  mit  dem  noch  jetzt  ganz  allgemein  geglaubten  Märchen,  daß  Böttger  mit  seinem 
Steinzeug  das  chinesische  so  täuschend  nachgeahmt  hätte,  das  man  heute  beides  nicht  mehr 
voneinander  zu  unterscheiden  vermöchte.  Denn  selbst  die  oben  angegebenen  Abformungen  wird 
jeder  auf  Grund  der  in  meinem  oben  genannten  Aufsatze  angegebenen  Unterschiede  beider  Pro- 
dukte mit  Leichtigkeit  unterscheiden  können.  Ich  kenne  übrigens  bis  jetzt  nur  ein  einziges  Er- 
zeugnis in  Böttgersteinzeug,  das  anscheinend  ohne  äußeren  Zwang  ein  chinesisches  Vorbild  nach- 
geahmt hat,  die  im  Herzoglichen  Museum  zu  Gotha  befindhche  Nachbildung  eines  jener  bekannten 
Opferbecher  in  Form  eines  auf  Pflaumenblütenzweigen  gesetzten  Rhinozeroshorns,  wie  sie  in  China 
für  gewöhnlich  in  jenem  schönen  elfenbeinfarbigem  Porzellan  hergestellt  worden  ist,  das  in  der 
Provinz  Fuchien  erzeugt  wird  (siehe  Abb.  97).  Doch  wer  weiß,  was  für  ein  besonderes  Motiv 
Böttger  zu  dieser  freihändigen  Nachbildung  bewogen  hat  ?  Vielleicht  reizte  die  technische  Schwie- 
rigkeit, wie  ja  Böttger  sich  auch  später  in  Porzellan  mit  sichtbarer  Absichtlichkeit  an  besonders 
schwierige  Techniken  herangewagt  hat. 

Oben  genannten  Abformungen  ist  übrigens  noch  ein  interessantes  Stück  im  Herzoglichen  Mu- 
seum zu  Gotha  hinzuzufügen,  auf  das  ich  erst  nachträgUch  aufmerksam  geworden  bin.  Es  ist  ein 
Korbgeflecht  imitierendes  Gefäß,  das  von  einem  der  Gruppe  der  Altimariporzellane  ange- 
hörenden bemalten  Stücke  der  Dresdner  Porzellansammlung  abgeformt  ist.  Es  findet  sich 
bald  nach  Böttgers  Tode  auch  im  Meißner  Porzellan  nachgebildet. 

*")  Böttger  hat  sogar  später  einmal  Irminger  in  einer  wohl  nur  vorübergehenden  Laune 
als  Leiter  der  Manufaktur  vorgeschlagen. 


296  Anmerkungen. 

3**)  Bekannt  ist  mir  die  Anwendung  des  Schliffs  nur  noch  1.  an  den  Erzeugnissen  der  in 
Seite  191  ff.  erwähnten  ersten  Konkurrenzfabrik  Meißens  zu  Plane;  2.  an  einigen  bezeichneten 
Erzeugnissen  des  holländischen  Töpfers  Ary  de  Milde,  z.  B.  in  der  Dresdner  Porzellansammlung; 
3.  an  zwei  chinesischen  Steinzeugen  in  der  Dresdner  Porzellansammlung  und  des  Britischen 
Museums  zu  London.  An  allen  diesen  Stücken  aber  ist  das  Schleifen  nur  in  Nachahmung  der  Böti- 
g-erschen  Stücke  erfolgt.  Hierbei  darf  man  wohl  annehmen,  daß  die  unter  Nr.  2  und  3  angeführten 
Stücke  von  jenen  Glasschleifern  geschliffen  sind,  die  für  gewöhnlich  das  Böttgersteinzeug  zu 
schleifen  hatten,  die,  da  ihnen  hier  einmal  anderswo  fabrizierte  Stücke  in  die  Hände  fielen,  die- 
selben dann  aus  eigenem  Antrieb  in  der  gleichen  Weise  behandelt  haben.  Diese  Ansicht  wird 
dadurch  bekräftigt,  daß  sich  im  Germanischen  Museum  ein  kleiner  mit  Ary  de  Milde  be- 
zeichneter Teetopf  befindet,  dem  gleichfalls  ganz  in  der  Weise,  wie  dem  Böttgersteinzeug  böhmi- 
sche Granaten  eingefügt  sind.  4.  An  Biskuitfiguren  bisweilen  die  Ränder  der  Sockel;  5.  an  der 
Jasperware  Wedgwoods  der  Grund  mancher  Medaillons;  6.  an  einigen  bisher  kaum  beachteten 
Steinzeugen  von  Utzschneider  in  Saargemünd,  deren  zum  Teil  marmorierte  Masse  ganz  in  der 
Art  der  Böttgersteinzeuge  von  oben  bis  unten  geschhffen  ist  (auf  diese  Produkte  hat  bereits 
Semper,  Der  Stil  in  den  tektonischen  Künsten,  I.  S.  164 — 167  hingewiesen).  Zwei  Vasen  dieser 
Art  waren  im  Jahre  1906  in  der  Abteilung  „Techniken"  der  3.  Deutschen  Kunstgewerbeaus- 
stellung zu  Dresden  ausgestellt.  Eine  derselben  zeigte  eine  dunkelbraune  Masse  die  andere  war 
rötlichgelb  und  ganz  weißgesprenkelt.  7.  An  mehreren  Porzellanen,  falls  allem  Anschein  nach 
die  Porzellanglasur  fehlte,  z.  B.  die  hier  aufAnm.  44  und  S.  211  erwähnten  Stücke.  Dazu  kommt 
ferner  eine  kleine  Kanne  im  Hamburger  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe  von  der  bisher  kaum 
beachteten  Fabrik  von  Bastdorf,  sowie  eine  kürzhch  vom  Kunstgewerbemuseum  in  Dresden 
erworbene  kleine  Dose  mit  Blumenmalerei. 

3^«)  Vgl.  S.  118. 

^")  Doch  ist  derartig  eingravierten  Namenszügen,  namentlich  wenn  sie  die  obengenannte 
Signatur  des  Königs,  das  bekannte  AR  zeigen,  nicht  immer  zu  trauen,  da  nichts  leichter  für 
einen  Glasschleifer  ist,  als  derartige  Eingravierungen  noch  nachträglich  vorzunehmen.  Eine 
ganze  Reihe  derartiger  Stücke  erscheinen  daher  äußerst  verdächtig  oder  können  auch  als  zweifel- 
lose Fälschungen  gelten,  so  z.  B.  eine  Schale  der  Porzellansammlung  in  Dresden  mit  dem  Brühl- 
schen  (!)  Wappen 

3^8)  Übrigens  hat  auch  die  Technik  des  Schneidens  damals  an  anderen  keramischen  Fabri- 
katen Nachahmung  gefunden,  so  vor  allem  an  jenen  in  Anm.  Nr.  359  näher  beschriebenen  braun 
glasierten  Tonwaren,  die  für  gewöhnhch  als  Erzeugnisse  Böttgers  gelten,  in  Wirklichkeit  aber 
Bayreuther  Fabrikate  sind.  Ein  derartig  verzierter  Krug  z.  B.  im  Kunstgewerbemuseum  zu 
Berlin. 

'•»ä')  Auch  Versuche  mit  einer  weißen  Glasur  hat  der  unermüdliche  Böttger  an  seinem  Stein- 
zeug gemacht;  so  besitzt  die  Kgl.  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  eine  Tasse  aus  Böttger- 
steinzeug, die  mit  einer  dicken  weißen,  sehr  ungleich  geflossenen  Glasur,  die  er  vielleicht 
seiner  Fayencefabrik  entnahm,  überzogen  ist.  Doch  hatte  die  Anwendung  einer  solchen  ja  wenig 
Sinn.  Daneben  aber  scheint  gelegenthch  auch  einmal  eine  braune  Glasur  oder  vielmehr  eine 
durchscheinende,  das  Rotbraun  des  Tones  sichtbar  lassende  Glasur  am  Böttgersteinzeug  zur 
Anwendung  gelangt  zu  sein;  wenigstens  besitzt  die  Dresdner  Porzellansammlung  durch  späteren 
Ankauf  ein  derartiges  Stück,  das  den  Scherben  des  Böttgersteinzeugs  zeigt  und  auf  dessen  Glasur 
das  verschlungene  Monogramm  des  Königs  und  Chinoiseriensilhouetten  in  Silber  eingebrannt 
sind.  Doch  kann  dies  Stück  um  seiner  Ornamentik  willen  erst  der  Zeit  nsich  Böttgers  Tode,  aber  dann 
der  unmittelbar  folgenden  angehören.  Der  größte  Teil  derartig  glasierter  brauner  Tonerzeugnisse 
wird  jedoch  jetzt  bekanntHch  mit  Recht  der  Fayencefabrik  von  St.  Georgen  am  See  zu  Bayreuth 
zugeschrieben.  Vgl.  Brinckmann,  Das  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe,  Hamburg 
1894,  S.  330,  394,  491.;  Stieda,  Die  keramische  Industrie  in  Bayern  während  des  XVIII.  Jahr- 
hunderts, Leipzig  1906,  S.  31  ff.    Von  diesen  Fällen  sind  noch  solche  zu  unterscheiden,  in  denen 


Anmerkungen.  297 

bei  an  sich  schwarz  glasierten  Böttgersteinzeugen  diese  Glasur  so  dünn  aufgetragen  ist,  daß 
auch  hier  der  braune  Scherben  durchscheint  und  der  Glasur  einen  stark  bräunhchen  Ton  gibt, 
der  aber  doch  viel  dunkler  ist,  als  der  der  eben  bezeichneten  Stücke  und  mit  diesen  kaum  ver- 
wechselt werden  kann. 

^•*')  Diese  Rezepte  befinden  sich  in  einem  der  vielgenannten  Arkanabücher  der  Porzellan- 
sammlung in  Dresden.  Eins  derselben  gibt  z.  B.  an,  „Lithargium  oder  Glöthe  und  Braunstein 
(wie  die  Töpfer  zum  Ofen  brauchen)  oder  statt  dessen  calcinierten  auch  klein  geriebenen  Kobalt." 
Ein  anderes  (von  Stötzel)  aus  dem  Jahre  1716  gibt  2  Teil  Bleyaschen  und  1  Teil  Braunstein  an. 
Letzterer   müßte  aber  vorher  gut  kalziniert  werden. 

'•1)  Ausdrücklich  wird  in  einem  der  vorhergenannten  Arkanabüchern  gesagt,  daß,  wenn 
Stücke  im  Brande  Risse  bekämen,  man  sie  glasieren  solle.  Ein  derartiges  ganz  schwach  gebranntes 
und  daher  ganz  weiches  Stück,  das  auch  mit  einer  der  S.  118  angegebenen  Markierungen  ver- 
sehen ist  und  eine  jener  S.  137  angegebenen  Delfter  Formen  zeigt,  befindet  sich  durch  einen 
späteren  Ankauf  in  der  Dresdner  Porzellansammlung. 

"«*)  Siehe  S.  47. 

ä")  Ähnhche  Stücke  finden  sich  wieder  (vgl.  Anm.  355  Nr.  3)  bezeichnet  mit  Ary  de  Milde, 
so  z.  B.  im  Herzoglichen  Museum  zu  Gotha.  Die  Erklärung  für  diese  auffallende  Übereinstimmung 
zwischen  den  Erzeugnissen  Böttgers  und  denen  Ary  de  Mildes  k&nn,  da  letzterer  damals  schon  lange 
tot  war,  nur  wieder  die  sein,  daß  die  Schmelzmaler,  die  die  Böttgerschen  Erzeugnisse  zu  deko- 
rieren hatten,  auf  ihren  eigenen  Antrieb  und  zu  ihrem  eigenen  Gewinn  —  vielleicht  ganz  heim- 
lich —  auch  jene  holländischen  Erzeugnisse,  die  zusammen  mit  dem  ostasiatischen  Porzellan 
von  den  Holländern  in  den  Handel  gebracht  wurden,  in  gleicher  Weise,  wie  die  Böttgerschen 
dekoriert  haben.  Dagegen  muß  als  völHg  irrig  jene  oft  infolge  dieser  merkwürdigen  Überein- 
stimmungen ausgesprochene  Ansicht  zurückgewiesen  werden,  daß  Ary  de  Milde  und  jene  andern 
Holländer,  deren  Namen  sich  auf  roten  Tonwaren  findet,  unter  Böttger  gearbeitet  haben.  Wir 
kennen  die  Namen  aller  Arbeiter,  die  Böttger  beschäftigt  hat,  es  findet  sich  aber  kein  einziger 
von  diesen  darunter.     Auch  waren  die  meisten  von  diesen  schon  damals  tot. 

ä")  Über  eine  Nachahmung  in  holländischem  Steinzeug  vgl.  Anm.  355  Nr.  3. 

"*)  Vgl.  Abb.  36. 

^•*)  Ein  völlig  gleicher  Kopf  in  Wachs  geformt  und  bemalt  ist  kürzlich  von  Herrn  Gum- 
precht  in  Berlin  erworben  worden.  Ob  dieser  Kopf  das  Vorbild  für  den  in  Steinzeug  gewesen  ist, 
oder  ob  sie  beide  ein  gemeinsames  Vorbild  gehabt  haben,  hat  sich  noch  nicht  feststellen  lassen. 

*")  Ein  Exemplar  dieser  Figur,  noch  ungebrannt,  befindet  sich  in  der  Sammlung  Gum- 
precht  zu  Berlin. 

368)  Vgl.  die  folgende  Anmerkung. 

369)  jvjyj.  gjjjg  einzige  der  gleich  näher  beschriebenen  Figuren  hat  sich,  so  viel  ich  bis  jetzt 
habe  feststellen  können,  in  zwei  Exemplaren  erhalten.  Es  ist  jene  in  Abb.  57  rechts  wieder- 
gegebene Figur  aus  der  „italienischen  Komödie"  im  Herzoglichen  Museum  zu  Gotha,  die  sich 
in  gleicher  Weise  auch  noch  in  der  Sammlung  Lana  in  Prag  befindet. 

*'")  Außer  diesen  hier  erwähnten  Figuren  habe  ich  nur  noch  von  einer  einzigen  anderen 
gehört,  die  vor  kurzem  im   Kunsthandel  sich  befand. 

*")  In  einem  der  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  aufbewahrten  Rezepte  und  Arkanabücher 
wird  ausdrücklich  erwähnt,  daß  derartige  Medaillons  in  Gipsformen  hergestellt  wurden. 

ä")  Vgl.  über  dies  vermeintliche  Porträt  Böttgers  Anm.  45. 

'")  Obige  Schilderung  der  Schwierigkeit  der  fabrikmäßigen  Porzellanherstellung  stützt  sich 
vor  allem  auf  Kerl,  Handbuch  der  Tonwarenindustrie.  Dritte  Auflage,  bearbeitet  von  E.  Gramer 
und  H.  Hecht.  Braunschweig  1907.  PFipp/mger,  Die  Keramik.  Wien,  Pest,  Leipzig  1897.  Grimm, 
Die  Fabrikation  des  Feldspatporzellans.  Wien,  Pest,  Leipzig  1901.  Vogt,  La  porcelaine.  Paris 
1893.  Vor  allem  aber  auf  Brogniarts  klassischem  Werk:  La  traitö  de  la  c^ramique.  Paris  1844, 
in  dem  diese  Schwierigkeiten  ganz  besonders  anschaulich  geschildert  sind. 


298  Anmerkungen. 

3'*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I.  Fol.  41.  Steinbruch,  Bericht  über  das 
Personal  der  Manufaktur,  1719,   §  4. 

"*)  Nach  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  419,  soll  die  Herstellung  des  Porzellans  auch  deshalb  sich 
so  verspätet  haben,  weil  Schnorr,  der  Besitzer  der  Aueschen  Erde  (siehe  S.  158),  wegen 
der  Lieferung  dieser  zur  Porzellanherstellung  unumgänglich  notwendigen  Erde  so  oft  und  so 
viele  Schwierigkeiten  machte.  Merkwürdig  ist  nur,  daß  man  an  anderer  Seite  von  derartigen 
Schwierigkeiten  wiederum  gar  nichts  erfährt.  Weder  Böttger  entschuldigt  sich  damit,  wie  es 
doch  nahe  genug  gelegen  hätte,  noch  hat  auch  Steinbrück  je  davon  gesprochen,  obgleich  auch 
er,  namentlich  in  seinem  großen  Bericht  an  den  König  vom  Jahre  1717  dazu  volle  Veranlassung 
gehabt  hätte.  Bei  näherer  Prüfung  dieser  Engelhardtschen  Angabe  jedoch  wird  man  auch  hier 
wieder  ein  treffliches  Beispiel  finden,  wie  er  alle  Angaben,  selbst  die  harmlosesten  immer  in  irgend 
einem  Böttger  und  seine  Unternehmungen  schädigenden  oder  unangenehmen  Lichte  vorzu- 
bringen gesucht  hat. 

3'«)  Vgl.  unten  S.  158.     Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  122. 

8")  Vgl.  S.  53. 

"8)  Vgl.  Beilage  Nr.  III. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc    1340,  IV.,  Fol.  295. 

380)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  7. — 10.  Mai  1710. 

381)  Kgi_  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  113.  v.  Seidlitz,  Die  Meißner  Porzellan- 
manufaktur unter  Böttger.  Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde,  Bd.  IX 
S.  11,  führt  diese  Stelle,  die  er  auch  etwas  anders  wiedergibt,  als  oben  geschehen,  als 
erste  Erwähnung  der  Versuche  mit  kobaltblauer  Unterglasurmalerei  an.  Doch  sind  für  diese 
Annahme  keine  genügenden  Anhaltspunkte  vorhanden.  Vielmehr  läßt  die  Erwähnung  vieler  Farben 
an  diesen  Stücken  durchaus  auf  Überglasur-,  also  Emailfarben  schließen.  Eine  Kombination 
aber  schon  beider  an  einem  und  denselbem  Stück  erscheint  für  diese  frühe  Zeit  wohl  als  un- 
denkbar. 

Vgl.  S.  106. 

Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  24.  März,  13.  April  und  15.  Mai.  1711. 

Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  143. 

Steinbrück,  Geschichtskalender  S.  147,  sub  Januar  1712. 

Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  69,  S.  183. 

Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  69. 

Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  26. 

Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  26. 

Steinbrück,  a.  a.    O.   S.  69  und  227. 

Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  227. 

Vgl.  den  Anhang  zu  Steinbruchs  Geschichtskalender. 

In  allem  diesem  bin  ich  dem  Aufsatze  von  O.  Stutzer  ,Die  „Weiße  Erden  Zeche  St.  An- 
dreas" bei  Aue  (Zeitschrift  für  praktische  Geologie,  Bd.  XIII,  Jahrg.  1905,  S.  333)  gefolgt.  Darnach 
aber  kann  man  wieder  einmal  sehen,  wie  wenig  man  Engelhardt  trauen  kann,  wenn  er  (a.  a.  O. 
S.  415)  betreffs  der  Auffindung  dieser  Erde,  die  romanhafte  Geschichte  auftischt,  daß  Veit  Hans 
Schnorr,  der  spätere  Besitzer  dieser  Erde  einst  bei  einem  Ritte  auf  eigenem  Grund  und  Boden 
im  Walde  unfern  Aue  vom  Pferde  gestiegen  wäre  und  sich  eben  heraufschwingen  wollte,  als  er 
bemerkte,  daß  sein  Pferd  mit  einem  Hinterfuße  so  tief  in  lockere  weiße  Erde  getreten  war,  daß 
es  ihn  kaum  herausziehen  konnte.  Diese  Erde  hätte  hierauf  Schnorr  als  Puder  verkauft,  mit  dem 
dann  Böttger  seine  Perücken  hätte  pudern  lassen.  Als  er  dann  aber  bemerkte,  daß  dieser  Puder  un- 
gewöhnlich schwer  war,  soll  er  seinen  Kammerdiener  Klunkern  gefragt  haben,  woher  er  den  Puder 
beziehe,  und,  als  er  erfahren,  daß  er  „irdischen  Ursprungs"  sei,  sofort  zu  Porzellanversuchen 
benutzt  haben.  Aus  dieser  Fabel  ist  dann  später  die  noch  seltsamere,  aber  sehr  verbreitete 
geworden,  daß  Böttger  das  Porzellan  mit  Hilfe  seines  Puders  „erfunden"  hätte.    Vielleicht  aber 


Anmerkungen.  299 

liegt  die  ganze  Sache  gerade  umgekehrt  und  BöUger  hat  erst  später  die  Schnorrsche  Erde  auch 
als  Puder  verwenden  wollen.  Unter  seinen  vielen  Propositionen  befindet  sich  nämlich  auch  eine 
„wegen  Menagierung  des  Getraides  beym  Haarpuder"  {Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  87). 

»")  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  416,  Anm.  57. 

»»»)  Stutzer,  a.  a.  O.  S.  335. 

»••)  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  414.  Nach  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  417  soll  Böttger  im  Jahre  1711 
auch  eine  weiße  Erde  von  Staucha  probiert  haben. 

»•^)  So  berichtet  wenigstens  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  414. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  135. 

"»)  Steinbrück,  Anhang  zum  Geschichtskalender. 

*°°)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  69. 

*°i)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  70. 

*«*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  70. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  70. 

*"*)  Das  heißt  nachweislich  bis  zu  der  Zeit,  in  der  Steinbrück,  der  uns  von  dieser  Masse 
allein  berichtet,  seinen  in  der  Porzellansammlung  befindlichen  Bericht  vom  Jahre  1717  abschloß. 

*°*)  So  wenigstens  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  420.  Die  folgende  Äußerung  Böttgers  beruht 
dagegen  auf  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  86. 

*"»)  Alle  folgenden  Angaben  beruhen  auf  jenen  Arkanabüchern  der  Meißner  Manufaktur, 
die  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden  aufbewahrt  werden.  Das  wichtigste  Buch  für  die 
Böttgersche  Zeit  ist  hier  unzweifelhaft  das  des  Arbeiters  Stöltzels,  desjenigen,  der  später  Böttger 
entlief,  die  Wiener  Manufaktur  begründen  half  (vgl.  Kapitel  V),  dann  aber  wieder  in  Meißen  auf- 
genommen ward  und  hier  noch  längere  Zeit  tätig  geblieben  ist.  Es  enthält  eine  ganze  Reihe  von 
Rezepten,  die  laut  ihrer  Datierung  noch  aus  der  Zeit  Böttgers  stammen,  sowie  auch,  wie  oben 
erwähnt,  noch  Angaben  über  das  rote  Steinzeug. 

*"')  Meerheim,  der  intime  Mitarbeiter  Böttgers  in  seinen  letzten  Jahren  und  spätere  Mit- 
arbeiter an  der  Manufaktur  (vgl.  S.  203)  sagt  ausdrücklich  in  seinem  in  der  Kgl.  Porzellan- 
sammlung aufbewahrten  Aufzeichnungen  S.  8:  „Colditzer  Thon  temperirt  die  Masse  sich  in  der 
Formung  tractiren  zu  lassen.  Wenn  aber  die  Grundsubstanz  die  Fettigkeit  in  sich  hat  und  zehe 
ist,  gebraucht  es  den  Zusatz  nicht." 

*"8)  Das  geht  aus  allen  in  der  Kgl.  Porzellansammlung  in  Dresden  befindlichen  Arkana- 
büchern hervor. 

*»»)  Steinbrück,  a.  a.    O.  S.  142. 

*i°)  Sowohl  Stöltzel  wie  auch  Schuberth  sagen  in  ihrer  in  der  Porzellansammlung  befindUchen 
Arkanabüchern  fast  in  wörthcher  Übereinstimmung  bei  Erwähnung  von  Kreide  als  Bestand- 
teil des  Porzellans:  „so  lange  man  Alabaster  haben  kann,  so  braucht  man  auch  keine  Kräuthe- 
( Kreide)  masse  zu  machen". 

*")  Nach  dem  Arkanabuch  von  Schuberth,  1731,  in  der  Kgl.  Porzellansammlung.  Da  Böttger 
seinen  ersten  Alabaster  wie  in  Kapitel  II  erwähnt,  aus  Nordhausen  bezog,  wie  man  es  in 
Meißen  noch  im  Jahre  1731  tat,  so  steht  wohl  fest,  daß  dies  auch  die  ganze  Zwischenzeit  ge- 
schehen ist. 

*")  Ursache  hierzu  ist  jedenfalls  mit  gewesen,  daß  man,  wie  Vogt,  La  porcelaine,  Paris, 
S.  128  behauptet  hat,  damals  über  den  Spat  noch  sehr  unklare  Begriffe  hatte  und  hier  die  ver- 
schiedensten Materien  miteinander  verwechselte. 

*")  Vgl.  S.  3. 

*^*)  So  Steinbrück  in  seinem  Bericht  in  der  Porzellansammlung. 

*")  So  berichtet  ein  1719  überschriebenes  Rezept  in  dem  in  der  Porzellansammlung  zu 
Dresden  aufbewahrten  Arkanabuche  Stöltzels. 

*»)  Kgl.  Sachs.  "Hauptstaatsarchiv  Loc.  7416  E,  Fol.  3. 

*")  Vgl.  S.  161. 


300  Anmerkungen. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O    S.  57. 

*")  Heintze  (a.  a.  O.  S.  391)  nennt  das  nach  dem  oben  angeführten  Rezepte  hergestellte 
Porzellan  ein  praktisch  „noch  durchaus  ungenügendes  Porzellan". 

*2o)  Bericht  über  die  Erfindung  des  Porzellans  in  der  Manufaktur  zu  Meißen. 

"1)  Steinbruch,  a.  a.  O.  S.  82. 

*")  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  13.  April  1711. 

*")  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  160. 

*2*)  Sächsische  Volkskunde.  Dresden  1899.  S.  173.  Die  Brauerzunft  war  damals  in  Sachsen 
nach  der  der  Tuch-,  Zeug-  und  Borstenmacher  die  allerstärkste.  Danach  begreift  man,  daß  Böttger 
damals  sich  solche  Mühe  gab,  diesem  Gewerbe  in  dieser  Weise  zu  helfen.  Es  ist  damit  ein  neuer 
Beweis  gegeben,  wie  rationell  alle  Böttgerschen  Bestrebungen  gedacht  waren. 

*25)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  89. 

«2«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  90. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  65. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  64. 

"»)  Vgl.  S.  72. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  159. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  239. 

"2)  Vgl.  auch  Heintze,  a.  a.  O.  S.  392. 

**3)  Diese  Beschreibung  findet  sich  wieder  in  der  viel  genannten  Sammlung  von  Rezepten 
auf  dem  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  (Loc.  1340,  II).  Da  sie  dort  gleich  dem  oben  angeführten 
Rezepte  für  Porzellanglasur  folgt,  so  darf  man  wohl  annehmen,  daß  sie  sich  gleichfalls  auf  das 
Porzellan  bezieht.  Ein  keramischer  Ofen  war  es  jedenfalls,  da  ausdrücklich  von  „einsetzen" 
die  Rede  ist. 

"*)  Vgl.   S.  72. 

*35)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  228.  Etwa  ein  Jahrzehnt  sind  nach  den  Arkanabüchern  der 
Porzellansammlung  diese  Kapseln  nachweishch  aus  einem  Ton  von  Mehren  unweit  Meißen 
hergestellt  worden.  Es  ist  daher  wohl  möglich,  daß,  wie  Engelhardt  berichtet,  dies  auch  schon  zu 
Böttger s  Lebzeiten  geschah. 

*'*)  Daß  es  schon  zu  Böttgers  Zeit  den  Verglühbrand  gab,  geht  aus  dem  Meißner  Manu- 
skript über  die  Erfindung  des  Porzellans  hervor.  Verglüh-  und  Gutbrand  werden  hier  deutlich 
einander  gegenübergestellt. 

*^')  Dies  ist  wenigstens  die  Ansicht  von  Herrn  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen,  die  viel 
für  sich  hat. 

*^8)  Diese  Schilderung  folgt  wieder  dem  Meißner  Manuskript  über  die  Erfindung  des  Por- 
zellans. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  213. 

*")  Vgl.  S.  76. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  245,  258. 

**2)  Es  handelt  sich  um  jene  Antiken,  die  jetzt  z.  T.  den  Grundstock  des  Albertmums  in 
Dresden  ausmachen. 

*")  Vgl.  S.  167. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  73. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  258. 

"«)  Vgl.  S.  53. 

**')  Die  Beschreibung  dieser  Gefäße  paßt  so  genau  auf  die  in  Abb.  70  wiedergegebenen, 
daß  an  eine  Übereinstimmung  beider  wohl  kaum  zu  zweifeln  ist.  Namentlich  ist  hierbei  wichtig, 
daß  das  eine  Gefäß  in  der  Tat  unglasiert  ist,  und  daß  vor  allem  die  blaue  Emailfarbe  noch  nicht 
gelungen  ist. 

"8)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  113. 


Anmerkungen.  301 

**•)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  86. 

«o)  Vgl.  S.  106. 

**i)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  24.  und  26.  März. 

"»)  Vgl.  S.  226. 

*"')  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  73. 

*")  Justi,  Abhandlungen  von  denen  Manufakturen.  1758.  S  484  ff.  J.  G.  Lehmann,  Cad- 
miologie  oder  Geschichte  des  Farben- Kobolds.     Königsberg  1761. 

*'*)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  72 

«•)  Siehe  S.  90. 

*")  Siehe  S.  254. 

*")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  II. 

**»)  Nicht  richtig  aber  ist,  daß,  wie  v.  Seidlitz  a.  a.  O.  S.  11  angibt,  bereits  am  28.  Juni  1710 
Proben  von  kobaltblauer  Malerei  auf  Porzellan  an  den  König  gesandt  worden  sind.  Die  dort 
erwähnten  Gefäße,  die  schon  oben  bei  Erwähnung  der  Schmelz-  und  Emailfarben  beschrieben 
worden  sind  (vgl.  S.  168),  zeigten  zwar  eine  blaue  Farbe,  die  aber  in  keiner  Weise  als  Kobaltblau 
charakterisiert  worden  ist.  Vielmehr  kann  sie  durchaus  eine  blaue  Emailfarbe  gewesen  sein,  die, 
wie  später  in  dem  das  Böttgerporzellan  näher  schildernden  Kapitel  gezeigt  werden  wird,  Böttger 
gleichfalls  große  Mühe  bereitet  hat. 

*•")  Was  dieser  Ausdruck  eigentlich  bedeuten  soll  ist  nicht  recht  klar,  da  Böttger  eigenes 
Geld  doch  kaum  besaß. 

"1)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  72. 

*")   Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  II. 

"=•)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  288;  Loc.  7416,  Fol.  5. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  72. 

***)  So  berichtete  Nehmitz  bald  nach  Böttgers  Tode  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatarchiv  Loc.  1340, 
I.  Fol.  41),  daß  die  blaue  Farbe  noch  in  Vorbereitung  sei. 

"•)  Vgl.  S.  160. 

*«')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  72. 

«")  Vgl.   S.  260. 

«••)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  228. 

*'">)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  288. 

*'i)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  348, 

*^*)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  Januar  1712. 

*")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  7416,  Fol.  31  und  1340,  IV,  Fol.  461. 

"*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.   1340,  II. 

*'*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I. 

478)  Vgl.  das  Gründungsdrekret  der  Manufaktur  Beilage  III. 

«")  Vgl.  S.  164  u.  167. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  265.  Später  in  den  Jahren  1718  u.  1719  hatte  man  freihch 
den  Wunsch,  sogar  Tischblätter,  Türpfosten,  kleine  Särge,  selbst  „Leichen-Steine"  in  Por- 
zellan oder  auch  im  roten  Steinzeug  anfertigen  zu  lassen  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1340,   IV)  was  natürlich,  wie  z.  T.  überhaupt  nur  frommer  Wunsch  geblieben  ist. 

*^»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.   1340,  Fol.  461. 

"")  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  256. 

**^)  Vgl.  hierfür  wie  für  das  Folgende  den  unter  den  Akten  der  Meißner  Manufaktur  auf- 
bewahrten Personalbericht  Steinbrücks  über  das  Personal  der  Manufaktur  bei  Böttgers  Tode. 

"*)  Vgl.   S.  47. 

«")  Vgl.   S.  51. 

«»«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  127. 

***)  Sieinbrück,  Geschichtskalender  sub  März  1712. 


302  Anmerkungen. 

**•)  Steinbrück,  Geschichtskalender  sub  1.  November  1710. 

*")  Steinbruch,  a.  a.  O.  sub  1.  November  1710. 

**8)  Steinbrück,  a.  a.  O,  sub  21.  April  1711. 

*'*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  sub  2.  und  21.  April;  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellan- 
sammlung S.  186. 

*'»)  Steinbrück,  Personalbericht  von  1719  §  2. 

**^)  Wie  sie  hierfür  zum  Schluß  belohnt  wurden,  ergibt  sich  aus  dem  Schlußkapitel  S.  250. 

*")  Vgl.  Böhmen,  UrkundUche  Geschichte  und  Statistik  der  Meißner  Porzellanmanufaktur 
von  1710 — 1880  (Zeitschrift  des  Kgl.  sächs.  statistischen  Bureaus,  XXVI.  Jahrgang,  1880)  S.  51. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  173,  174,  204,  205. 

*»*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  174,  und  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  160. 

*»^)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  160. 

"")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  259. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  259. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  71. 

*»»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  71,  166. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  166,  230. 

«"1)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  161. 

*02)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  71. 

"»)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  279. 

«")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  167  ff. 

•")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  67. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  77. 

"')  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  75. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  51. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  52. 

"0)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  36. 

«")  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  30. 

"2)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  110. 

"*)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  Fol.  343. 

"*)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  26. 

"*)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  186. 

"«)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I. 

«")  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  213. 

"8)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  21,  22. 

"9)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  26. 

"0)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  24. 

"1)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I. 

"'')  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  24. 

"3)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I. 

"*)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I.    22.  Juni  1713. 

"6)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I.  Fol.  12,  32. 

"«)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  28. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  102. 

"8)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  110;  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatarchiv  1340,  I,  28. 

"»)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I.    27.  Juli  1713. 

"«)  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I.    20.  Juli  1713. 

"")  Kgl.  Sächs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I. 

"2)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  32. 

"3)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  112. 


Anmerkungen.  303 

»»«)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  110. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  111. 

"•)  Steinbrück,  Personalbericht  von  1719  §2. 

»")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  405. 

"«)  Steinbrück,  Personalbericht  von  1719  §  2. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  28. 

"")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV.  Fol.  405. 

"^)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  405;  Steinbrück,  Bericht  in  der  Por- 
zellansammlung S.  102. 

»")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  363. 

»")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  367. 

"*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  370. 

*")  Fast  alle  auf  diese  Vollhardtsche  Sendung  bezüglichen  Schriftstücke  finden  sich  ver- 
einigt im  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  363  ff. 

"•)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  371. 

**')  Alles  dies  und  das  Folgende  nach  unter  Anm.  545  angegebenen  Akten. 

"»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  I,  Fol.  279  ff.  bis  303  ff. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  I,  Fol.   303  ff. 

*")  Auf  dieser  damaligen  Absicht,  Böttger  zum  Bergrat  zu  machen,  dürfte  ganz  allein  die 
an  so  vielen  Stellen  wiederholte  Fabel  beruhen,  daß  der  König  Böttger  zum  Bergrat  gemacht 
hätte. 

**^)  Diese  Vermutung  beruht  auf  einem  Schriftstücke  im  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv 
Loc.  1340,  IV,  Fol.  429,  betitelt  „Lediglich  Informationis  gratia.  unvorgreiffliches  Concept  zu 
einem  allergnädigsten  Dekret  derer  neuen  Manufakturen  wegen  Johann  Friedrich  Böttger  und 
Carl  Friedrich  VoUhardten  betreffend",  das  obige  Angaben  enthält.  Da  nach  diesem,  wie  oben 
angegeben,  Böttger  Bergrat  werden  sollte,  so  kann  dies  Konzept  unmöglich  ein  Vorschlag  von 
ihm  selber  sein,  der  in  früheren  Jahren  oft  die  Entwürfe  zu  den  königlichen  Dekreten  dem 
Könige  selber  eingereicht  haben  soll.  Das  wäre  denn  doch  eine  etwas  zu  arge  Dreistig- 
keit Böttgers  gewesen.  Nicht  ganz  ausgeschlossen  freilich  jedoch  ist,  daß  es  das  oben  erwähnte 
untergeschobene  Konzept  darstellt,  in  dem  man  dann  Böttger  durch  diese  angebliche  Dreistigkeit 
beim  König  in  Mißkredit  zu  setzen  versucht  hätte.  Für  das  Folgende  findet  sich  ein  Konzept 
an  Statthalter  und  geheimes  Konsilium  auf  dem  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV, 
Fol.  433.  Dagegen  hat  sich  in  den  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchivs  nicht  mehr  jenes 
von  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  359)  erwähnte  Dekret  vom  5.  Dezember  1715  gefunden.  Da  aber  zwi- 
schen diesem  und  obigem  Konzept,  dessen  Inhalt  Engelhardt  kurz  vorher  (a.  a.  O.  S.  357)  gleich- 
falls mitteilt,  eigentlich  kein  großer  Unterschied  ist,  so  darf  wohl  man  annehmen,  daß  jenes  Kon- 
zept, das,  weil  ohne  Datum,  undatierbar  ist,  zu  jenem  Dekrete  die  Vorarbeit  ist.  Böttger  wäre 
dann  die  Leitung  der  Fabrik  in  der  obengenannten  Weise  erst  am  Ende  des  Jahres,  also  erst 
ein  halbes  Jahr  nach  der  FoZZÄardtschen  Sendung  übertragen  worden. 

^**)  Diese  ganze  Darstellung  der  Plaueschen  Fabrik  folgt  in  erster  Linie  Steinbrück,  Bericht 
in  der  Porzellansammlung  S.  196  ff.,  woselbst  ihr  ein  ganzes  Kapitel  gewidmet  ist.  Weiter  haben 
über  diese  Fabrik  geschrieben  Sybel,  Nachrichten  über  das  Städtchen  Plauen  an  der  Havel  in- 
sonderheit von  der  dort  angelegten  Porzellan-Manufaktur.  Berlin  und  Stettin  1811;  von 
Seidlitz  im  Neuen  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde,  Bd.  X;  Stieda, 
zur  Geschichte  der  Porzellanfabrikation  in  der  Mark  Brandenburg,  in  Forschungen  zur 
Brandenburgischen  und  Preußischen  Geschichte.  Eine  ausführliche  Darstellung  der  Geschichte 
dieser  Fabrik  und  ihrer  Erzeugnisse  wird  außerdem  von  mir  in  den  Monatsheften  für 
Kunstwissenschaft  erscheinen. 

***)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  209.  Ein  Betrugversuch  muß  freiHch  auch  schon  1709  versucht 
sein.    Wenigstens  findet  sich  unter  den  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchivs  (Loc.  1340, 


304  Anmerkungen. 

V.  283)  ein  Protokoll  „wegen  heimlichen  Abgebens  roter  Masse",  dem  ein  Bestechungsversuch 
zugrunde  gelegen  zu  haben  scheint. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  212. 

8")  Steinbrück,  a.  a.  O.  201. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  219. 

'")  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  116.  Diese  Darstellung  widerspricht  allerdings  völlig  dem,  was 
Engelhardt  in  seinem  Kapitel,  betitelt  „das  Fabrikpersonal"  (a.  a.  O.  S.  375)  über  diese  Zustände 
gesagt  hat;  aber  nirgends  findet  sich  jetzt  weder  in  den  Akten  noch  in  den  Berichten  Steinbrücks 
auch  nur  die  geringste  Bestätigung  jener  ganz  unglaublichen  Schilderungen,  die  er  hier  über 
das  Personal,  über  seine  Herkunft  und  sein  Betragen  gemacht  hat,  und  doch  hätte  sicherlich, 
wenn  jene  von  Engelhardt  geschilderten  Zustände  wirklich  vorhanden  gewesen  wären, 
einmal  irgend  eine  der  Persönlichkeiten  um  Böttger  hierüber  berichten  müssen.  Statt  dessen 
sehen  wir,  daß  eine  Fabrik  fast  ganz  ohne  Oberleitung  fortbesteht,  allein  durch  die  gemeinsame 
Arbeit  ihres  Personals,  daß  darunter  sich  mehrere  Arbeiter  finden,  die  wirklich  Hervorragendes 
in  technischer  Beziehung  leisteten,  und  daß  z.  B.  Steinbrück  in  dem  vielgenannten  unter  den 
Akten  der  Meißner  Manufaktur  befindlichen  Personalbericht  vom  5.  Juni  1719,  also  nach  Böttgers 
Tode,  des  Lobes  voll  ist  über  die  Arbeiter,  sie  vielfach  gut  und  still  und  fromm  nennt,  nur  höchstens 
einmal  das  Mundwerk  von  einem  tadelt.  Und  das  alles  nach  Böttgers  Tode,  wo  die  Fabrik  doch 
ziemlich  heruntergekommen  war  und  Steinbrück  auch  nicht  die  geringste  Veranlassung 
hatte,  irgend  einen  Arbeiter  zu  schonen.  Man  weiß  daher  wirklich  nicht,  woher  Engelhardt  die 
Nachrichten  gehabt  haben  will,  auf  die  er  diese  merkwürdigen  Schilderungen  stützt.  Vielleicht 
war  es  das  rätselhafte  Manuskript  Wildensteins  (vgl.  Einleitung  S.  VIII),  wenn  es  wirklich  existiert 
hat,  der,  selber  Arbeiter,  dann  hier  einen  unglaublichen  Fabrikklatsch  niedergelegt  haben  muß. 
Wahrscheinlich  jedoch  hat  Engelhardt  selber  hier  wieder  nach  seiner  sein  ganzes  Buch  durch- 
ziehenden Methode  einzelne  Fälle  in  das  Ungeheuerlichste  verallgemeinert.  Auf  jeden  Fall  läßt 
sich  seine  Darstellung  in  keiner  Weise  halten,  und  es  war  daher  höchste  Zeit,  auch  den  Arbeitern 
Böttgers  Gerechtigkeit  widerfahren  zu  lassen. 

"8)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  26. 

"«)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  220  ff. 

^^°)  So  wenigstens  deutet  Steinbrück  einmal  an.  Nach  Engelhardt  sollen  diese  natürlich 
wieder  ganz  ungeheuerlicher  Natur  gewesen  sein. 

"1)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  IV,  Fol.  442. 

"2)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  112. 

"3)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  36. 

***)  Diese  Darstellung  der  günstigen  Lage  der  Fabrik  beruht  zunächst  auf  Steinbrücks 
in  der  Porzellansammlung  zu  Dresden  befindlichem  Bericht  über  die  Böttgerschen  Manufakturen, 
der  gerade  in  dieser  Zeit  abgefaßt  ist.  Man  könnte  vielleicht  annehmen,  daß  er  zu  optimistisch 
gehalten  ist,  da  Steinbrück  entschieden  ein  gewisses  Interesse  daran  hatte,  die  Fabrik  an  sich 
als  durchaus  befriedigend,  nur  hinsichtlich  ihrer  Organisation  als  reformationsbedürftig  hin- 
zustellen. Aber  es  ist  doch  sehr  bezeichnend,  daß  eigentlich  alle  Untersuchungen  und  Vorschläge 
betreffs  Verbesserung  der  Böttgerschen  Fabriken  sich  nie  auf  eine  solche  des  inneren  Betriebes 
bezogen  haben,  sondern  allein,  wie  es  eben  auch  Steinbrück  hier  tut,  auf  eine  bessere  straffere 
Organisation,  dann  auch  auf  Herabsetzung  der  Unkosten  und  Beschaffung  der  nötigen  Gelder. 
Da  kann  doch  nicht  der  geringste  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  die  Darstellungen,  die  Engelhardt  in 
dieser  Beziehung  gegeben,  die  leider  dann  wieder  die  allein  herrschenden  geworden  sind,  wieder 
einmal  gänzlich  verfehlt  gewesen  sind  und  auf  nichts  Positives  beruhen. 

*««)  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  258. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  223. 

"')  Vgl.   S.  175. 


Anmerkungen.  305 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.iS".  244;  SteinbrückJ^  Berichi  über  das  Personal  der  Meißner  Manu- 
faktur von  1719  §  2. 

'•»)  Steinbrück,  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  249. 

•'")  Es  ist  dies  das  im  Vorwort  genannte,  hier  unausgesetzt  benutzte,  in  der  Porzellan- 
sammlung befindliche  Manuskript  Steinbrücks.  Daß  es  nicht  an  den  König  abgesandt  ward, 
ersieht  man  schon  daraus,  daß  es  nicht  ganz  zu  Ende  geführt  ist:  Steinbrück  wollte  zum  Schluß 
ein  Register  anlegen,  er  hat  aber  nur  das  Wort  „Register"  hingeschrieben,  es  dann  aber  nicht 
einmal  auszufüllen  begonnen. 

"1)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  219,  263. 

"*)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  253. 

"»)  Steinbrück,  a.  a.  O.  S.  250  ff. 

"*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341.  Brief  Böttgers  an  den  König  vom  5.  Ok- 
tober 1715. 

"«)  Kgl.  Sachs.  Staatsarchiv  Loc.  1341. 

"«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatarchiv  Loc.  1341,  7416. 

"')  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  Fol.  314. 

"*)  Über  Böttgers  langjährige,  stets  zunehmende  Krankheit  besitzen  wir  sehr  klare  Schilde- 
rungen durch  Steinbrück  in  seinem  Bericht  in  der  Porzellansammlung  S.  22,  sowie  in  den  Angaben, 
die  Engelhardt  (a.  a.  O.  S.  446  ff.)  gibt,  deren  Quellen  aber  für  uns  leider  nicht  mehr  auffindbar 
sind.  Diese  weisen  nach  der  sorgfältigen  Prüfung  eines  mir  befreundeten  Arztes  mit  Bestimmt- 
heit darauf  hin,  daß  Böttger  seit  dem  Jahre  1713,  als  ihn  jene  früher  erwähnte  Krankheit  befiel, 
von  der  er  sich  nie  wieder  erholt  hat,  zum  mindesten  herzkrank  war.  Über  die  Ursache  dieses 
Leidens,  und  ob  es  die  Folge  seines  nicht  gerade  vorsichtigen  Lebenswandels  war,  läßt  sich 
dagegen  nichts  sagen.  Man  hat  aber  deshalb  durchaus  kein  Recht  anzunehmen,  daß  Böttger 
sich  durch  sein  Trinken  zugrunde  gerichtet  hat.  Eine  kräftige  Natur,  wie  es  Böttger  nach  Stein- 
brücks Schilderung  durchaus  war,  kann  wohl  schon  geraume  Zeit  derartige  Ausschweifungen 
sehr  gut  vertragen,  ohne  so  früh  dabei  zugrunde  zu  gehen,  wie  Böttger  es  tat.  Auch  ist  das  Trinken 
Böttgers  lange  nicht  so  arg  gewesen,  wie  Engelhardt  es  uns  hat  glaubhaft  machen  wollen.  Noch 
im  Jahre  1717  als  Steinbrück  seinen  großen,  in  der  Porzellansammlung  befindlichen  Bericht  über 
die  Böttgerschen  Manufakturen  abfaßte,  sagte  er  hierüber  bei  Erwähnung  seiner  häufigen  Un- 
päßlichkeiten nur:  „Folglich  daß  seine  öflteren  Unpäßlichkeiten  nur  von  dem  geschwächten 
Systemate  nervöse  und  Cachexia  des  Magens  herrühren,  welche  er  sich  ohne  Zweifel  durch  die 
vielen  Spirituose,  so  er  gebrauchet  und  das  starke  Getränke  (worunter  der  Rauch-Taback)  zu- 
gezogen". . . .  und  weiter:  „Und  hat  es  das  Ansehen  gewonnen,  als  ob  die  Gewohnheit  überflüssiges 
Getränke  zu  nehmen,  stärker  werden  könne,  als  das  Vermögen  sich  davon  wieder  zu  enthalten". 
Daß  aber  damals  dadurch  irgendwie  seine  Kräfte  wirklich  gelähmt  wo*  den  wären,  wird  nirgends 
gesagt.  Erst  nach  seinem  Tode  heißt  es  dann  in  der  Untersuchung  der  Manufaktur  durch  die 
Kommission,  daß  „Böttger  in  den  letzteren  Jahren  fast  täghch  trunken  und  wenig  bei  Ver- 
stände gewesen"  (Loc.  1339,  II,  Fol.  230).  Aber  ausdrückhch  ist  hier  nur  von  „den  letzteren 
Jahren"  die  Rede  und  dann  folgt  auch  noch  die  Einschränkung:  „fast  täglich".  Auch  Nehmitz 
sprach  nach  Böttgers  Tode  einmal  ausdrücklich  davon,  daß  Böttger  „einige  Jahre  vor  seinem 
Tode"  sich  das  Trinken  angewöhnt  hätte  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  220). 
Engelhardt  dagegen  stellt  natürlich  die  Sache  wieder  so  dar,  als  ob  Böttger  eigentlich  sein  ganzes 
Leben  hindurch  immer  betrunken  gewesen  sei,  und  liefert  damit  noch  einmal  ein  Beispiel 
seiner  ganz  unverständlichen  beständigen  Übertreibungen  zu  Ungunsten  dieses  Mannes. 

*'•)  Nach  Akten  der  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden.  Vgl.  auch  Graesses  Aufsatz  in 
Müller  und  Falkes  Zeitschrift  für  deutsche  Kulturgeschichte,  Bd.  III,  1858  S.  172. 

»*'')  Über  Meerheim  vgl.  auch  die  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchivs  Loc.  1341,  III, 
die  viel  über  ihn,  seine  Arbeiten  und  sein  Verhältnis  zu  Böttger  enthalten.  Ferner  den  Schluß 
dieses  Werkes  S.  253. 

Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  20 


306  Anmerkungen. 

"1)  Vgl.  Anm.  578. 

"*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  228  ff.  Brief  Steinbruchs  an  Nehmitz 
vom  17.  Juni  1719.  AUzuschUmm  kann  jedoch  dieses  Mitteilen  von  Arkana  durch  Böttger  nicht 
gewesen  sein;  denn  man  erfährt  nach  Böttgers  Tode  von  keinem,  der  auf  diese  Weise  etwas  über 
dieselben  erfahren  hätte,  und  trifft  auch  deswegen  trotz  der  Wichtigkeit  der  Sache  nicht  die  ge- 
ringsten Maßregeln.  Der  einzige,  an  den  man  hierbei  noch  etwa  denken  könnte,  Hunger,  kam, 
wie  sich  weiter  unten  zeigen  wird,  nirgends  mit  seinen  Sachen  zustande.  So  dürfte  auch  diese 
Sünde  Böttgers  stark  aufgebauscht  sein.  Außerdem  wußte  er  wohl,  daß  man  durch  bloße  Worte 
keinem  das  so  schwierige  Porzellanmachen  lehren  kann. 

"3)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  226  ff. 

'")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  I,  Fol.  318. 

^**)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  I,  Fol.  318.  5ö«ger  scheint  damals  selbst  einmal 
daran  gedacht  zu  haben,  die  Manufaktur  ganz  Nehmitz  zu  überlassen.  Kgl.  Sachs.  Hauptstaats- 
archiv Loc.  1340,  IV,  Fol.  463. 

"«)  Engelhardt,  a.  a.  O.   S.  452. 

«8«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  18,  136. 

"')  Kgl.  Sachs.  Haupttsaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  226  u.  1339;  II.  41,  71,  137. 

"«)  Nachdem  Berichte  Steinbruchs  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  226)  ist 
Stöltzel  nicht  etwa  wegen  der  traurigen  Zustände  der  Fabrik,  sondern  wegen  einer  Schwänge- 
rungssache in  Freiburg  weggegangen.  Der  einzige  Vorwurf,  den  man  Böttger  in  dieser  An- 
gelegenheit machen  könnte,  wäre  daher  der,  daß  er  allzuviele  in  der  Fabrik  Mitwisser  der 
Arkana  hätte  werden  lassen.  Doch  ist  hierbei  nicht  zu  vergessen,  daß  er  es  nicht  im  mindesten 
verhindern  konnte,  wenn  die  Arbeiter  ihren  Eid  brechen  wollten  und  sich  gegenseitig  den  Teil 
der  Arkana  mitteilten,  den  sie  durch  ihre  Arbeit  kannten. 

^*^)  Eine  größere  Anzahl  Inkunabeln  befindet  sich  noch  im  Museo  civico  zu  Turin,  im  Zäh- 
ringer Museum  zu  Karlsruhe  und  in  der  Sammlung  Dr.  v.  Daliwitz,  Berlin. 

"«)  Vgl.  S.  57. 

*")  Steinbrück,  a.  a.  O.   S.  57. 

^*2)  Über  die  derartig  gelbliche  Färbung  von  Porzellanmassen  sind  früher  die  verschiedensten 
Erklärungen  gegeben  worden.  Brogniart  in  seinem  traite  des  arts  ceramiques  schreibt  sie  z.  B. 
der  Feuchtigkeit  der  Masse  zu.  Jetzt  nimmt  man  nach  Herrn  Oberbergrat  Heintze  in  Meißen  an, 
daß  dieselbe  von  dem  Vorhandensein  von  Titansäure  herrühre. 

^^ä)  Auch  in  der  Porzellansammlung  in  Dresden  finden  sich  fast  gar  keine  Stücke  mit  der- 
artigen Fehlern. 

«»*)  Vgl.  S.  164. 

''^)  So  einige  Stücke  in  der  Porzellansammlung  in  Dresden. 

^»6)  Vgl.  S.  156. 

«")  Vgl.   S.  56. 

^*8)  Übrigens  scheint  ja  auch  Tschirnhausen  aus  gleichem  Grunde  sein  Porzellan  einmal 
geschliffen  zu  haben  (vgl.  Anm.  44). 

"»)  Vgl.   S.  47. 

ßo")  So  berichtet  das  „Meißner  Manuskript". 

^"^)  Ein  gleichfalls  sehr  merkwürdiges  Stück,  das  einer  früheren  Zeit  angehören  muß,  be- 
findet sich  im  Zähringer  Museum  zu  Karlsruhe,  eine  schmutzig  glasierte  Schale  mit  aufgelegten 
Muhmezweigen  mit  Lackfarben  in  Rot  und  Gold.  Der  Boden  dieser  Schale  ist  auf  der  Unterseite 
noch  nicht  glasiert.  Im  Spiegel  der  Schale  aber  befinden  sich  vier  Punkte,  als  wenn  dort  etwas 
auf  Stützen  hineingesetzt  wäre,  um  gemeinsam  in  einer  Kapsel  gebrannt  zu  werden.  Eine  der- 
artige Sparsamkeitsmethode  hat  naturgemäß  nur  am  Anfange  angewandt  werden  können. 

«''^)  Vgl.  S.  167. 

«»')  Vgl.  S.  262. 


Anmerkungen.  307 

••»«)  Vgl.  S.  162. 

«»)  Vgl.  S.  125. 

•»«)  Vgl.  S.  167. 

««^)  Vgl.  S.  167. 

608)  Vgl,  über  dies  und  das  Folgende  meinen  Aufsatz  „Porzellanstil"  im  Kunstgewerbeblatt 
N.  F.  Bd.  XVI. 

*>•)  Vgl.  wieder  meinen  in  Anm.  608  genannten  Aufsatz  „Porzellanstil". 

"»)  Vgl.  S.  152. 

•")  Es  ist  nicht  richtig,  wenn  p.  Seidlitz  a.  a.  O.  S.  119  sagt,  daß  man  1708  schon  an  die 
Erfindung  der  braunen  Glasur  gedacht  hätte,  die  nach  Böttgers  Tode  freilich  sehr  bald  in  Meißen 
erfunden  worden  ist.  Die  dort  zitierte  Stelle  ist  nicht  richtig  gelesen.  Es  darf  nicht  heißen,  „als 
auch  was  zu  dessen  gänzhcher  Verfertigung  an  braunen  Glasuren  und  zu  Bereitung  der  Farben 
gehörig  sagen  und  erlernen  wird",  sondern  „an  Brennen,  Glasuren  und  zur  Bereitung"  usw. 

612)  Engelhardt  a.  a.  O.  S.  5. 

6")  Auch  in  der  von  Böttger  gegründeten  Fayencefabrik  scheint  man  sich  der  Lackfarben 
damals  bedient  zu  haben.  Die  Kgl.  Porzellansammlung  hat  z.  B.  vor  kurzem  eine  Schale  er- 
worben, die  in  dieser  Technik  das  sächsisch-polnische  Wappen  zeigt,  und  die  wohl  schon  deshalb 
als  ein  Fabrikat  dieser  Fabrik  anzusehen  ist,  da  man  ein  so  primitiv  bemaltes  Stück  wohl 
schwerlich  von  auswärts  bestellt  haben  wird. 

"*)  Vgl.  hierüber  Du  Sartel,  La  porcelaine  de  Chine.     Paris  1881,  S.  15. 

"*)  Vgl.  S.  33. 

6")  Derartig  bemalte  Porzellane,  deren  Maler  man  bisher  sehr  unglücklich  mit  „Über- 
dekorateure" bezeichnete,  während  man  sie  lieber  nach  der  Analogie  von  Winkeladvokaten 
Winkelmaler  nennen  sollte,  finden  sich  in  jedem  größeren  Porzellanbestande,  da  sie  allgemein 
noch  immer  als  in  Meißen  bemalt  angesehen  und  für  große  Unika  gehalten,  deshalb  auch  törichter- 
weise sehr  hoch  bezahlt  werden.  Ihre  Zahl  ist  viel  größer,  als  man  für  gewöhnlich  annimmt. 
Den  größten  Bestand  besitzt  die  Kgl.  Porzellansammlung  zu  Dresden,  in  der  man  fast  alle  Typen 
dieser  Art  kennen  lernen  kann. 

•")  Vgl.  S.  168  ff. 

«1*)  Ein  gutes  Stück  dieser  Art,  ein  Teetopf  mit  Rosamalerei,  befindet  sich  z.  B.  auch  in 
der  Sammlung  Dr.  v.  Dallwitz  zu  Berlin,  mehrere  Tassen  außerdem  im  Porzellanzimmer  des 
Schlosses  zu  Arnstadt. 

61*)  Es  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  auch  die  Chinesen,  wenn  auch  erst  später, 
es  verstanden  haben,  solchen  Lüster  oder  solche  Lüsterfarbe  auf  Porzellan  anzubringen.  Doch 
ist  dies  scheinbar  nur  äußerst  selten  geschehen,  da  mir  nur  ganz  wenige  Stücke  dieser  Art  bekannt 
geworden  sind.  Eines  derselben,  eine  kleine  Schale  mit  gemalten  Drachen,  befindet  sich  in  der 
Sammlung  des  Baron  Speck  von  Sternburg,  z.  Z.  in  Washington,  früher  in  Leipzig. 

6*")  Nach  Angabe  von  Oberbergrat  Dr.  Heintze  in  Meißen.  Das  Rezept  hat  sich  dort  noch 
erhalten,  und  es  ist  auch  auf  Grund  dessen  bereits  ein  sehr  gelungener  Versuch  mit  diesem 
Lüster  wieder  gemacht  worden. 

6")  Im  Bethnalgreenmuseum  in  London  befindet  sich  in  der  ehemaligen  Sammlung 
Franks  ein  Meißner  Porzellan  mit  einer  derartigen  Verzierung,  das  laut  Inschrift  sich  als 
ein  Werk  des  an  der  Meißner  Manufaktur  angestellten  Bruders  Herolds,  des  damaligen  künst- 
lerischen Leiters  der  Manufaktur,  darstellt. 

6'"')  Und  zwar  zuerst  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts  in  der  Berhner  Porzellanmanufaktur 
durch  Klaproth.  Vgl.  Klaproth,  Über  die  Anwendung  der  Piatina  zu  Verzierungen  auf  Porzellan 
(Deutsche  Abhandlungen  der  Kgl.  Akademie  zu  BerUn  1788/1789). 

6")  Der  Beweis,  daß  diese  Stücke  wirklich  der  Böttgerschen  Zeit  angehören,  beruht  ein- 
mal auf  der  Art  der  oben  bezeichneten  Ornamentik,  dann  auch  darauf,  daß  an  der  einen  Tasse 
sich  am  unteren  Rande  Reliefgoldverzierungen  finden,  wie  sie  soeben  oben  beschrieben  worden  sind. 

20* 


308  Anmerkungen. 

«")  Es  muß  hierbei  freilich  mit  besonderem  Nachdruck  bemerkt  werden,  daß  es  durchaus 
nicht  immer  ganz  leicht  ist,  die  bemalten  Porzellane  der  Böttgerschen  Zeit  von  denen  der  aller- 
ersten Jahre  der  nächsten,  der  sogenannten  Heroldperiode  zu  sondern.  Das  -Böwge/^che  Porzellan 
hat  zwar,  wie  oben  gesagt,  seine  ganz  besonderen  Kennzeichen,  die  es  zu  einem  bestimmten  und 
unverkennbaren  Typus  erheben,  dazu  gehört  in  erster  Linie  die  gelbliche  Farbe  seiner  Masse, 
dann  der  Charakter  der  oben  beschriebenen  Emailfarben.  Aber  selbstverständlich  hat  das 
Porzellan,  das  in  der  Heroldschen  Epoche  hergestellt  worden  ist,  nicht  gleich  am  Anfange  schon 
ein  ganz  anderes  sein  können:  es  hat  daher  eine  Zeitlang  gleichfalls  noch  die  gelbe  Tönung  gezeigt, 
und  es  steht  jetzt  auch  fest,  daß  Herold  am  Anfange  durchaus  noch  die  Böttgerschen  Email- 
farben verwandt  oder  von  seinen  Malern  hat  verwenden  lassen.  Typisch  für  die  erste,  etwa  10  Jahre 
währende  Heroldzeit  sind  bekannthch  die  Chinoiserien,  jene  eigentümhch  phantastischen  Dar- 
stellungen aus  dem  Leben  und  Treiben  der  Chinesen,  bei  denen  diese  selber,  nicht  etwa  wie  sonst 
vielfach  die  sie  umgebende  Szenerie,  die  Hauptsache  ausmachen.  Sie  dürfen  unbedingt  als  Er- 
findungen Herolds  gelten,  schon  deshalb,  weil  er  sich  auf  einigen  in  der  Ornamentstichsammlung 
des  Berliner  Kunstgewerbemuseums  vorhandenen  Stichen  gleichen  Inhalts  ausdrücklich  als 
solchen  bezeichnet  hat.  Nun  aber  besitzt  die  Dresdner  Porzellansammlung  seit  einiger  Zeit  einige 
Porzellane  mit  derartigen  Chinoiserien,  die  noch  unverkennbar  in  den  Böttgerschen  Farben  bemalt 
sind.  Andere  derartige  Stücke  sind  vom  Verfasser  im  Kunsthandel,  darunter  selbst  einmal  ein 
ganzes  Service,  gesehen  worden.  Sie  muß  man  unbedingt  als  Arbeiten  schon  aus  der  Zeit  Herolds 
ansehen.  An  sich  hegt  diese  Sache  auch  durchaus  klar,  da  wir  wissen  (vgl.  S.  262),  daß  die  Probe- 
stücke, die  Herold  mitbrachte,  als  er  auf  Veranlassung  des  Meißner  Arbeiters  Stöltzel,  des  Mit- 
begründers der  Wiener  Manufaktur,  von  Wien  nach  Meißen  übersiedelte,  mit  Farben  bemalt 
waren,  die  Stöltzel  in  Wien  zubereitet  hatte  und  die,  da  man  diesem  einfachen  Arbeiter  doch 
keine  selbständigen  Erfindungen  zutrauen  kann,  nur  die  durch  Böttger  in  Meißen  eingeführten 
gewesen  sein  können.  Ein  Widerspruch  hierzu  scheint  freilich  jener  bei  Berling  (a.  a.  O.  Fig.  22) 
abgebildete  Schokoladenbecher  des  Berliner  Kunstgewerbemuseums  zu  sein,  der  die  Inschrift 
am  Boden  trägt  „20.  August  1719"  und  lange  Zeit  allgemein  für  ein  Probestück  Herolds  bei 
Gelegenheit  seiner  Anstellung  in  Meißen  gehalten  worden  ist.  Doch  kann  ich  nicht  umhin,  diese 
Inschrift  für  gefälscht  anzusehen,  da  die  auf  diesem  Stücke  sich  findenden  Farben  und  Muster 
sich  meiner  ganzen  Erfahrung  nach  nur  auf  Stücken  wiederfinden,  die  einer  Zeit  angehören,  da 
die  Schwertermarke  schon  eingeführt  war.  Dies  ist  aber,  wie  sich  z.  B.  auf  Grund  des  ältesten 
Inventars  der  Porzellansammlung  aus  dem  Jahre  1721  feststellen  läßt,  in  den  ersten  Jahren 
Herolds  noch  nicht  geschehen. 

«")  Vgl.  S.  173. 

^^^)  Neben  diesen  eben  erwähnten  Malereien  hat  sich  auf  den  Porzellanen  dieser  Zeit  eine 
ganze  Reihe  bisher  kaum  beachteter  figürlicher  Malereien  gefunden,  die  so  häufig  und  in  so  ver- 
wandter Form  wiederkehren,  daß  sie  bereits  als  feststehender  Typus  zu  betrachten  sind.  Es 
handelt  sich  bei  diesen  immer  um  Liebes-  und  Gesellschaftsszenen,  sowie  um  einzelne  oder  Gruppen 
von  Frauen  in  der  Zeittracht,  (welch  letztere  immer  nur  als  Brustbilder  erscheinen),  die  aber 
alle  in  Medaillons  gesetzt  sind,  die  eine  vielfach  die  ganzen  Wandungen  der  Gefäße  ausfüllende 
reiche  Goldornamentik  umzieht.  Die  Malereien  sind  bisweilen,  so  z.  B.  bei  einer  Teekanne  der 
Dresdner  Porzellansammlung  (vgl.  Abb.  111),  ferner  bei  einer  Kaffeekanne  der  Sammlung  von 
Dallwitz,  Berhn,  in  sämtlichen  Böttgerschen  Emailfarben  ausgeführt,  hierbei  immer  noch  technisch 
recht  ungeschickt,  häufiger  jedoch  in  schwarzer  und  eisenroter  Farbe  gehalten.  Von  derartigen 
Stücken  befindet  sich  z.  B.  ein  ganzes  großes  Tee-  und  Kaffeeservice  im  Schloß  zu  Arnstadt,  eine 
sehr  fein  und  reich  bemalte  Terrine  in  der  Sammlung  Darmstädter,  Berlin.  Das  Merkwürdigste  aber 
ist,  daß  einige  dieser  Stücke  sich  bereits  als  Kopien  nach  Darstellungen  von  Watteau  darstellen 
die  bekanntlich  sonst  erst  viel  d.  h.  fast  volle  20  Jahre  später  im  Meißner  Porzellan  auftauchen, 
freihch  in  ganz  anderer  Form,  dafür  aber  dann  so  häufig,  daß  sie  damals  zum  beliebtesten  Motiv 
der  Porzellandekoration  wurden.  EinedieserDarstellungenfindetsichauf  der  inNr.  111  abgebildeten 


Anmerkungen.  309 

bereits  eben  erwähnten  Teekanne  der  Dresdner  Porzellansammlung,  zwei  andere  aber  nur  in 
Schwarzrot  und  Eisenrot  ausgeführt,  auf  einer  ganz  vor  kurzem  im  Kunsthandel  aufgetauchten 
Kaffeekanne.  Interessant  ist,  daß  die  Darstellung  der  zuerst  genannten  Teekanne  nach  einem 
Stiche  von  L.  Surugue  kopiert  worden  ist,  der  laut  eigener  Datierung  im  Jahre  1719  ange- 
fertigt worden  ist  (abgebildet  bei  Dargenty,  Antoine  Watteau,  Paris  S.  85).  Aus  allem 
diesem  folgt,  daß  also  schon  damals  Stiche  nach  Watteau  nach  Dresden  gelangt  sein  und  durch 
irgend  jemanden,  vielleicht  auf  Wunsch  des  Königs  den  Meißner  Malern  vorgelegt  sein  müssen. 
Alle  diese  in  dieser  Anmerkung  erwähnten  Porzellane  jedoch  gehören  meiner  Ansicht  nach  nicht  der 
eigentlichen  5ö«gerschen  Zeit,  sondern  jenen  ersten  Jahren  nach  dessen  Tode  an,  da,  wie  bereits 
oben  gezeigt  (vgl.  Anm.  624)  Herold  noch  sich  der  Böttgerschen  Farben  bedient  hat  und  zwar 
schon  deshalb,  weil  mehrere  dieser  Stücke,  darunter  auch  die  eben  beschriebene  Teekanne  mit 
der  Watteaukopie,  jene  jedem  Kenner  von  altem  Meißner  Porzellan  bekannten,  in  einer  Art 
schwacher  Lüsterfarbe  eingebrannten  Buchstaben  tragen,  deren  Zweck  und  Bedeutung  noch 
nicht  ganz  klar  ist,  die  sich  aber  noch  auf  keinem  sicher  der  5öttgerschen  Zeit  angehörenden  Stücke 
gefunden  haben,  dagegen  für  die  Frühzeit  der  Heroldschen  Periode  geradezu  typisch  sind.  Die 
Ausführung  dieser  Malereien  ist  übrigens  immer  noch  technisch  wie  künstlerisch  recht  unbeholfen, 
auch  ihre  Wirkung  auf  dem  Porzellan  massig  und  schwer,  so  daß  man  sie  wohl  noch  einem  aus 
der  Böttger&ciiQn  Zeit  übernommenen  Maler  zuschreiben  muß. 

^2')  Auch  die  Gold-  und  Silbermalereien  der  jBöwgerschen  und  der  nächstfolgenden  Zeit 
sind  nicht  immer  leicht  zu  unterscheiden.  Doch  glaube  ich  mit  Bestimmtheit  die  oben  bezeichneten 
und  in  Abbildung  Nr.  93  u.  95  dargestellten  Malereien  noch  der  ersteren  zuschreiben  zu  dürfen, 
da  sich  meines  Wissens  ihre  Motive  nie  mit  ausgesprochenen  der  Heroldzeit  zusammen  finden. 
Für  nicht  mehr  der  jBöttgerschen  Zeit  angehörig  möchte  ich  dagegen  die  in  dem  damaUgen  Por- 
zellan so  häufig  vorkommende,  in  Abbildung  Nr.  111  gegebene  obere  Kante  bezeichnen,  weil 
diese  nie  mit  Böttgerscluen  Motiven  sich  vereinigt  vorfindet,  auch  unter  der  Silbermalerei,  die 
nach  Böttgers  Tode  freilich  nur  noch  sehr  selten  ausgeübt  worden  ist,  kaum  und  auch  dann 
nur  in  Verbindung  mit  Heroldschen  Motiven  anzutreffen  ist. 

"»)  Vgl.  auch  Anm.  Nr.  308. 

**•)  Oder  sind  dies  vielleicht  einige,  dann  freilich  etwas  sehr  originell  aufgefaßte  Figuren, 
die  Böttger  nachweisüch  für  ein  für  den  König  bestimmtes  Schachspiel  (vgl.  Steinbrück,  Bericht 
in  der  Porzellansammlung  S.  85)  hat  machen  lassen,  das  aber  im  Jahre  1717  noch  nicht  fertig  war. 

*'")  Über  diese  sogenannten  „Calottfiguren"  vgl.  auch  Brüning,  Europäisches  Porzellan 
des  XVI IL  Jahrhunderts  S.  XXII.  Der  Meißner  Ursprung  der  meisten  Figuren  dieser  Art  und 
zwar  so  gut  wie  aller,  die  sich  durch  ihre  Unbehilflichkeit  als  besonders  frühe  Porzellanarbeiten 
ausgeben,  kann  jetzt  nicht  mehr  zweifelhaft  sein.  Mehrere  derselben  zeigen  die  Schwertermarke 
und  auch  jene  in  Anm.  Nr.  627  näher  bezeichnete  eigentümliche  Lüstermarke,  die  nur  die  Porzellane 
der  frühesten  Heroldschen  Zeit  tragen,  ganz  abgesehen  von  der  für  Meißen  so  charakteristischen 
gelbüchen  Masse,  in  der  die  meisten  ausgeführt  sind.  Dagegen  kommen  in  späterer  Zeit  ver- 
wandte Schöpfungen  auch  in  Wiener  und  Venezianischem  Porzellane  vor.  Doch  sind  diese  schon 
reifer  und  auch  sonst  von  den  eben  genannten  sehr  verschieden,  so  daß  ein  Verwechseln  nicht 
mögUch  ist. 

"*)  Seitdem  ich  auf  derartige  Figuren  geacütet  habe,  sind  mir  in  der  Plastik  eine  ganze 
Reihe  derselben  aufgestoßen.  Einige  derselben  fand  ich  schon  im  Grünen  Gewölbe  bei  Dresden, 
eine  ganze  Serie  in  Stein  ausgeführt  und  größeren  Maßstabes  im  Zähringer  Museum  zu  Karls- 
ruhe, weiter  eine  größere  Figur  in  Stein  beim  Kunsthändler  Salomon  in  Dresden.  Eine  ganze 
Reihe  der  prächtigsten  Gestalten  dieser  Art  schmückt  dann  z.  B.  auch  eine  Gartenmauer  einer 
der  vielen  Villen  auf  den  Monti  Berici  bei  Vicenza  usw.  Man  hat  bisher  wohl  noch  etwas  zu 
wenig  auf  diese  für  das  ganze  Empfinden  der  Barockzeit  so  typische  Gattung  von  Skulp- 
turen geachtet, 

•")  Vgl.  S.    197. 


310  Anmerkungen. 

"3)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  81. 

834)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  235;  1339,  II,  84. 

63")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  33  und  81. 

636)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  28,  153. 

637)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  I,  Fol.  258. 
«3S)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1340,  II. 

83»)  Das  geht  aus  dem  Befehl  des  Königs  vom  17.  März  1719  an  diese  Räte  (Kgl.  Sachs. 
Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  23),  der  sich  nur  auf  eine  frühere  Order  bezieht  kann 
deutlich  genug  hervor. 

6*«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  23. 

6")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  77,  117. 

6")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  82. 

8*3)  Übrigens  scheinen  auch  damals  das  geheime  Kollegium  und  die  Rentkammer  Berichte 
über  die  Böttgersche  Angelegenheit  an  den  König  abgestattet  zu  haben. 

8**)  Nach  Steinbrück  soll  er  die  Vollmachten  und  Papiere,  die  ihm  Böttger  seinerzeit  nach 
Warschau  mitgegeben  hatte,  nach  seiner  Rückkehr  arg  mißbraucht  haben. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  172ff. 

8*8)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  172. 

8*')  Alles  folgende  nach  dem  oben  erwähnten  Bericht  dieser  Kommission  vom  21.  Oktober 
dieses  Jahres  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  172. 

8*8)  Ich  möchte  hierauf  mit  ganz  besonderem  Nachdruck  hinweisen,  um  noch  einmal  die 
ganze  Torheit  von  Engelhardts  derartigen  Anschuldigungen  darzutun. 

8**)  Überhaupt  darf  man  wohl  bei  der  ganzen  Beurteilung  der  damaligen  Zustände  der 
Fabrik  nicht  ganz  übersehen,  daß  Böttger  tot  war  und  sich  nicht  mehr  verteidigen  konnte,  daß 
die  Kommission  aber  über  ihn  und  seine  Leitung  so  fragwürdige  Persönlichkeiten  wie  Meerheim 
und  Vollhardt,  dann  auch  den  Karnmerrat  Nehmitz  ausgefragt  hatte,  von  denen  ja  zwei  sogar 
hofften,  Böttgers  Nachfolger  zu  werden,  und  deshalb  nur  zu  leicht  die  ganze  Schuld  der  bisherigen 
traurigen  Verhältnisse  der  Fabrik  auf  Böttgers  Verwaltung  derselben  warfen,  um  die  Fabrik  an 
sich  als  durchaus  ertragsfähig  hinzustellen  und  sich  selber  als  bessere  Verwalter  als  Böttger.  Aber 
auch  Steinbrück  war  ja  damals  und  wohl  nicht  ohne  Grund  Böttger  gegenüber  gereizt  und  daher 
sicherhch   kein   ganz  richtiger   Beurteiler  von  dessen  Leistungen. 

680)  Ygi  hiermit  wieder  Engelhardts  tolle  Schilderung  (a.  a.  O.  S.  377fT.")  und  als  Gegen- 
gewicht den  hier  so  viel  benutzten  Personalbericht  »S'temimcA's  (Akten  der  Meißner  Manufaktur), 
den  dieser  damals  über  den  gesamten  Personalbestand  der  Manufaktur  für  die  Kommission 
abgefaßt  hat,  sowie  auch  das  vortreffliche  Verhalten  dieses  Personals  nach  der  Wiederherstellung 
der  Ordnung,  das  nicht  zum  wenigsten  zum  schnellen  Aufschwung  der  Fabrik  damals  bei- 
getragen hat. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  215. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  205. 

853)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  299,  327,  334. 

8«*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  9,  15,  37. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  194. 

866)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  152,  158. 

8")  Vgl.  S.  197. 

858)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  191. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  17. 

880)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  189. 

881)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  77;  1340,  I,  Fol.  215,  246. 

882)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  218,  223. 

883)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  176. 


Anmerkungen.  311 

««*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  69,  298,  336. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  170  u.  a.  1341,  III,  Fol.  29.  Übrigens 
wurde  laut  den  erhaltenen  Abrechnungen  nur  noch  ein  Teil  der  Arbeiter  damals  von  der  Akzise- 
kasse bezahlt,  der  Rest  von  der  Manufaktur  schon  selber. 

«««)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  170. 

««')  Engelhardts  ganze  Unklarheit  und  Entstellung  zeigt  sich  noch  einmal  in  ihrer  ganzen 
Größe,  wo  er  hier  (a.  a.  O.  S.  460)  auf  diese  Schulden  Böttgers  zu  sprechen  kommt.  Er  redet 
hier  von  großen  „Privatschulden"  des  Mannes,  der  nie  ein  privates  Einkommen  besessen  hat, 
von  denen  daher  auch  die  beiden  oben  genannten  Kommissäre  nie  etwas  zu  berichten  wissen, 
und  zu  diesen  Privatschulden  rechnet  er  sogar  den  im  Jahre  1714  von  dem  Baron  von  Gersdorff 
aufgenommenen  Wechsel,  der  doch  damals  für  seine  Fabrik  ausgestellt  wurde. 

««8)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III. 

«««)  Ausdrücklich  berichtet  dies  Stöltzel  in  einem  seiner  in  der  Dresdner  Porzellansammlung 
aufbewahrten  Arkanabücher. 

6'»)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  153,  171. 

«")  Kgl.  Sachs.   Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  379. 

«'«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  173,  414  und  Loc.  7416. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  171. 

6'*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  153,  171. 

«'*)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  187. 

"«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  356  u.  a. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  29.  Zum  Mittelgut  rechnete  man 
damals  auch  Stücke,  bei  denen  etwaige  Fehler  noch  durch  Malerei  zu  decken  waren,  wie  es  später 
dann  so  vielfach  mittelst  „Streublumen"  geschehen  ist. 

«")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  87. 

6")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  88. 

s»")  Alle  folgenden  technischen  Mitteilungen  sind  den  bereits  oben  erwähnten,  in  der  Kgl. 
Porzellansammlung  befindlichen,  so  ungemein  interessanten  Arkanabüchern  von  Schuherth, 
Stöltzel,  Herold  und  anderen  entnommen. 

•*^)  So  geben  es  wenigstens  sämtliche  Arkanabücher  an,  die  sich  in  der  Dresdner  Porzellan- 
sammlung erhalten  haben.  Es  heißt  dort  beständig,  daß,  wenn  irgend  möghch,  man  immer 
Alabaster  zum  Porzellan  verwenden  solle. 

«")  Vgl.  S.  170. 

8")  Loc.  1339,  II,  295,  321.  Die  Erfindung  Köhlers  findet  sich  zuerst  erwähnt  in  einer 
Eingabe  von  Köhler  vom  Februar  dieses  Jahres  (Loc.  1337,  II,  Fol.  300).  Merkwürdig  ist,  daß 
die  Namen  dieser  beiden  Erfinder  damals  schon  gleich  in  die  breite  öffentHchkeit  drangen.  Schon 
im  Jahre  1720  kannte  Kundmann  in  Breslau  Mehlhorn,  im  Jahre  1723  Köhler  als  Erfinder 
der  blauen  Farbe.  Vgl.  Braun.  Joh.  Christ.  Kundmann  als  Quelle  für  die  Kunstgeschichte  des 
18.  Jahrhunderts  in  Schlesiens  Vorzeit  in  Bild  und  Schrift.     N.  T.  Bd.  III  S.  109,  110. 

«8«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  69. 

«")  Vgl.  S.  164. 

«8«)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  295;  Loc.  1339,  III,  Fol.  29. 

^8')  Wenigstens  geht  aus  den  Akten  des  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchivs  hervor,  daß  der 
König  sich  immer  ganz  besonders  nach  dem  Gelingen  dieser  Glasur  erkundigt  hat. 

«88)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  III,  Fol.  29. 

«8»)  Wenige  Jahre  späte'  aber  gelang  es,  und  Nachahmungen  des  Services  des  Kaisers  von 
China,  sowie  ein  neues  für  den  König  geschaffenes  Service  befinden  sich  noch  heute  in  der 
Dresdner  Porzellansammlung.  Desgleichen^aber  auch  ein  Stück,  das  wohl  auf  die  ersten  Ver- 
suche der  Nachahmung  der   gelben  zurückgeht.    Es  ist  eine  Obertasse  mit  Chinoiserien  noch 


312  Anmerkungen 

fast  ganz  in  den  Böttgerschen  Farben,  mit  vergoldeten  Henkeln  und  einem  leuchtenden,  aber 
fleckigen  und  trüben  gelben  Fond. 

6»»)  Vgl.  S.  226. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1339,  II,  Fol.  311,  321. 

«9«)  Vgl.  Anm.  624. 

6")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  29. 

8")  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III,  Fol.  306.  Darnach  hat  Herold  erst  im 
Jahre  1722  sich  seine  eigenen  Farben  erfunden. 

696)  Vgl.  meinen  Aufsatz  „Porzellanstil"  im  Kunstgewerbeblatt  N.  F.  Bd.  XVI. 

896)  Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv  Loc.  1341,  III. 

697J  Vgl.  hierüber  meinen  Aufsatz  über  diese  Fabrik  im  Bd.  I  der  Monatshefte  für  Kunst- 
wissenschaft 1908.  Darnach  irrte  freiUch  Steinbrück  sehr,  wenn  er  am  9.  Februar  1719  berichtete, 
daß  die  Fabrik  zu  Flaue  wieder  „in  sich  selbst  zergangen"  wäre.  Seidlitz,  Die  frühesten  Nach- 
ahmungen des  Meißner  Porzellans  (Neues  Archiv  für  sächsische  Geschichte  und  Altertumskunde, 
Bd.  X,  S.  5). 

6»8)  Vgl.  S.  258. 

69»)  Seidlitz,  a.  a.  O.  S.  14. 

^''*')  Seidlitz,  a.  a.  O.  S.  15.  —  Mitteilungen  des  Nordböhmischen  Gewerbemuseums  XXI, 
Nr.  1,  Pazaurek,  Neues  über  den  Mitbegründer  der  Wiener  Porzellanfabrik. 

'o^)  Allerdings  muß  es  im  Jahre  1728  in  Venedig  noch  eine  Porzellanfabrik  gegeben  haben 
oder  doch  noch  immer  dort  Porzellanherstellungsversuche  gemacht  worden  sein.  Vgl.  Brake, 
Notes  on  Venetian  Ceramics.     London  1868. 

'"*)  Die  Kommission  hatte  damals  das  richtige  Prinzip  eingeführt,  für  alle  Fortschritte 
und  neuen  Verdienste  Belohnungen  einzuführen. 

^"»)  Seidlitz,  a.a.O.  S.  10;  Pazaurek,  a.a.O.  S.  2;  Berling,  Das  Meißner  Porzellan  und 
seine  Geschichte.  Leipzig  1900;  Winzer,  Die  Wegelysche  Porzellanfabrik  in  Berlin  (Schriften 
d.  Vereins  f.  d.  Geschichte  BerHns,  Heft  XXXV,  1897,  S.  4.) 

'»«)  Berling,  a.  a.  O.   S.  39,  64. 

'»«)  Berling,  a.  a.  O.  S.  39,  63. 

'»6)  Berling,  a.  a.  O.   S.  63. 

^ö')  Stieda,  Die  keramische  Industrie  in  Bayern  während  des  18.  Jahrhunderts.  Leipzig 
1906.     S.  31. 

'"8)  Berling,  a.  a.  O.  S.  63. 

'"»)  Ubisch,  Die  Porzellanfabrik  zu  Kopenhagen  während  des  18.  Jahrhunderts.  Kunst- 
gewerbeblatt, N.  F.  V,  S.  210. 

"»)  Berling,  a.  a.  O.  S.  63. 

'^^)  Die  bisherigen  Angaben  über  die  damalige  Gründung  von  Porzellanfabriken  bedürfen 
heute  noch  einer  sehr  eingehenden  Revision,  da  sie  sich  —  immer  infolge  der  damaUgen  Ver- 
mengung der  Worte  Porzellan  und  Fayence  —  nur  zu  leicht  auf  die  Begründung  von  Fayence- 
fabriken beziehen  können.  So  finden  sich  in  der  Literatur  für  diese  Zeit  noch  zwei  Porzellan- 
fabriken angegeben,  die  zu  Arnstadt  im  Jahre  1713  und  die  zu  Anspach  vor  dem  Jahre  1718. 
Beide  Angaben  beruhen  freilich  wieder  in  erster  Linie  auf  Engelhardt,  a.  a.  O.  S.  544  ff.,  können 
aber  getrost  als  Irrtümer  bezeichnet  werden.  Denn  die  Angabe  bezüghch  der  Fabrik  in  Arnstadt 
stützt  sich  ledighch  auf  den  viel  genannten  Steinbrückschen  Bericht  der  Porzellansammlung 
(S.  209),  nach  welchem  jedoch  damals  dort  von  entlaufenen  Arbeitern  der  Dresdner  Stein-  und 
Rundbäckerei  eine  Fayencefabrik  begründet  worden  ist.  Es  handelt  sich  um  die  von  der  Fürstin 
Auguste  Dorothea,  der  Gemahhn  Anton  Günthers  II.,  angelegte  Anstalt,  über  die  Stieda  in  seinem 
in  den  Keramischen  Monatsheften  (Bd.  III,  S.  14)  erschienenen  Aufsatz  „Deutsche  Fayence- 
fabriken des  18.  Jahrhunderts",  Näheres  berichtet  hat.  Auch  er  weiß  hierbei  nichts  von  dortigen 
Porzellan  versuchen  zu  melden.    Auffallend  ist  freihch,  daß  in  den  in  der  Porzellansammlung 


Anmerkungen,  313 

zu  Dresden  befindlichen  Niederschriften  des  älteren  Mehlhorn,  der  1735  starb,  Arnstadt  als  einer 
der  Orte  genannt  wird,  zu  dem  damals  schon  das  Geheimnis  des  echten  Porzellans  gedrungen 
wäre.  Doch  kann  dies  unmöghch,  falls  diese  Angabe  überhaupt  richtig  ist,  schon  im  Jahre  1713 
geschehen  sein,  da  doch  sonst  damals,  als  die  Wiener  Porzellanmanufaktur  durch  Stöltzel  gegründet 
worden  war,  in  den  ausführlichen  Berichten  dieser  Zeit  über  dies  Ereignis  mit  Notwendigkeit 
auch  von  diesem  früheren  Verrat  die  Rede  hätte  sein  müssen.  Ganz  genau  dasselbe  muß  man 
aber  auch  hinsichtlich  der  Fabrik  zu  Anspach,  die  auch  schon  vor  der  Wiener  begründet  sein 
soll,  sagen.  Von  dieser  hat  bisher  nur  Engelhardt  zu  berichten  gewußt,  dessen  Glaubwürdigkeit 
aber  in  solchen  Angaben  nach  dem  oben  erwähnten  Fall  wohl  nicht  allzu  groß  sein  dürfte.  Eben- 
sowenig aber  können  auch  die  von  Stieda  (Die  Anfänge  der  Porzellanfabrikation  aus  dem  Thüringer 
Walde,  Jena  1902,  S.  10  ff.)  namhaft  gemachten  Fabriken  von  Saalfeld,  Rudolstadt,  Ilmenau, 
Coburg  als  Porzellanfabriken,  wie  er  es  übrigens  selber  schon  angedeutet  hat,  angesehen  werden, 
da  wir  nach  allem,  was  gesagt  wird,  nur  dann  in  dieser  Zeit  ein  Recht  dazu  haben,  von  wirklichen 
Porzellanfabriken  zu  reden,  wenn  ihre  Erzeugnisse  so  bezeichnet  werden  —  und  das  wird  man 
bei  der  damaligen  Bedeutung  und  Seltenheit  einer  solchen  Anstalt  niemals  unterlassen  haben  — , 
daß  wir  an  ihren  Charakter  als  wirklich  echtes  Porzellan  nicht  mehr  zweifeln  können.  Deshalb 
glaube  ich  aber  auch,  kann  die  am  häufigsten  und  bis  in  unsere  Zeit  immer  wieder  nach  Teinturier, 
Recherches  sur  les  anciennes  manufactures  de  porcelaine  et  de  fayence  (Alsace  et  Lorraine) 
Strassbourg  1868  angeführte  (vgl.  Schricker,  Straßburger  Fayencen  und  Porzellan.  Kunstgewerbe- 
blatt, N.  F.  1891,  S.  115  und  Chavagnac  et  GroUier,  Histoire  des  manufactures  fran^aises  de 
porcelaine.  Paris  1906,  S.  49),  in  den  Jahren  1719 — 1721  gegründete  angebliche  Porzellanfabrik 
zu  Straßburg  bis  jetzt  in  keiner  Weise  als  solche  angesehen  werden.  Ich  habe  trotz  sorgfältiger 
Prüfung  aller  Angaben  nicht  die  geringste  gefunden,  die  wirkHch  mit  Sicherheit  ergibt,  daß  hier 
damals  schon  das  echte  Porzellan  hergestellt  worden  ist.  Wohl  aber  das  geradeste  Gegenteil. 
Denn  zunächst  ist  der  erste  Begründer  dieser  Fabrik,  Johann  Heinrich  Wackerfeld,  der  Industrielle 
aus  Anspach,  gar  kein  Meißner  Arbeiter,  wie  Teinturier  und  nach  ihm  alle  mit  solcher  Bestimmt- 
heit angenommen  haben,  da  es  in  Meißen  damals,  d.  h.  bis  zum  Jahre  1719  gar  keinen  Arbeiter 
dieses  Namens  gab.  Dann  werden  als  Erzeugnisse  gleich  am  Anfange  Teller,  Schüsseln,  Barbier- 
becken usw.  erwähnt,  mithin  Gegenstände,  die  man  damals  allgemein  in  Fayence  machte,  in 
Porzellan  zu  dieser  Zeit  aber  noch  nicht  einmal  in  Meißen  herstellen  konnte,  ferner  wird  der 
Begründer  „Faiencier  oder  porzellangeschirrmacher"  genannt,  und  schließhch  teilt  ZTannong,  der 
Jüngere,  der  spätere  Besitzer  dieser  Fabrik,  nach  einem  Protokoll  vom  Jahre  1745  mit,  daß  er 
damals  „vermeinte",  das  „durchsichtige  Porcelain"  zuwege  bringen  zu  können;  es  konnte  dies 
also  selbst  damals  noch  nicht  mit  Sicherheit  in  dieser  Fabrik  geschehen,  wie  viel  weniger  über 
25  Jahre  vorher.  Meine  Ansicht  ist  daher,  daß  die  von  Wackerfeld  1719  in  Straßburg  begründete 
Fabrik  nur  eine  Fayencefabrik  war  und  gegenüber  der  dort  bisher  schon  bestehenden  keramischen 
Fabrik  von  Hannong,  dem  Älteren  nur  insofern  ein  großer  Fortschritt  war,  als  jene  nur  eine,  Ta- 
bakspfeifenfabrik gewesen  war. 

'")  Berlins,  a.  a.  O.  S.  63. 

"")  Stieda,  a.  a.  O.  S.  13. 

'")  Stieda  (Die  Anfänge  der  Porzellanfabrikation  aus  dem  Thüringer  Walde,  Jena  1902, 
S.  45)  hat  zwar  nicht  übel  Lust,  Gotthelf  Greiner,  den  Begründer  der  Fabrik  in  Limbach,  als  einen 
zweiten  Nacherfinder  des  Porzellans  hinzustellen.  Er  sagt  wörtlich:  „daß  er  ganz  selbständig 
und  unabhängig  von  allen  Vorgängern  und  Zeitgenossen  —  nur  daß  er,  wie  er  selbst  sagt,  ihre 
Schriften  studiert  —  zur  Bereitung  des  echten  Hartporzellans  geführt  wurde".  Aber,  woher 
weiß  er,  daß  in  so  später  Zeit,  d.  h.  in  der  zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts,  durch  die  damals 
die  Welt  schon  zahlreich  durchziehenden  Arkanisten  ihm  nicht  etwas  von  den  oben  oft  erwähnten 
Prinzipien  des  Porzellans  zu  Ohren  gelangt  ist,  und  sagt  er  nicht  auch  selber,  daß  er  die  Schriften 
dieser  Zeit,  darunter  sicherlich  die  weiter  unten  in  diesem  Werke  genannten  von  Entrecolles  und 
die   anonyme  von  1750,  die  doch  voll  der  nützlichsten  Angaben  waren,  gelesen  habe?    Auch 


314  Anmerkungen,  j 

scheint  er  ja  nicht  einmal  selber  (vgl,  S.  47)  die  Glasur,  sondern  sein  Mitarbeiter,  der  Koburger 
Töpfermeister  Dümmler,  erfunden  zu  haben.  Was  aber  bleibt  denn  da  eigentlich  noch  an  ihm 
von  einem  „selbständigen  und  unabhängigen"  Erfinder  des  Porzellans  bestehen?  Seine  wirkhche 
Tat  wird,  wie  damals  bei  den  meisten  ähnlichen  Unternehmern,  allein  die  gewesen  sein,  durch 
vieles  Experimentieren  die  richtige  Porzellanerde  und  die  richtige  Massenmischung  heraus- 
gefunden zu  haben.  Übrigens  haben  bekanntHch  auch  die  Japaner,  von  den  Koreanern  ganz 
zu  schweigen,  das  Porzellan  nicht  selber  erfunden,  sondern  von  China  erhalten.  Vgl.  Brinckmann, 
Führer  durchs  Hamburgische  Museum  für  Kunst  und  Gewerbe,  S.  538. 

'^*)  Nach  den  in  der  folgenden  Anmerkung  erwähnten  Briefen  Pere  d'Enirecolles. 

"«)  Lettres  ^difiantes  et  curieuses.     T.  XVIII  u.  XIX. 

'")   Vogt,  La  porcelaine.     Paris  1893.     S.  129. 

'")  Chavagnac  et  Grollier,  Histoire  des  manufactures  frangaises  de  porcelaine.  Paris  1906. 
S.  38  ff. 

"*)  La  manufacture  imperiale  de  St.  Petersbourg  1907.     S.  328. 

"")  Das  entdeckte  Geheimnis  des  ächten  Porcellains  sowohl  des  Chinesischen,  wie  auch 
des  Sächsischen,  von  einem  Besitzer  dieses  Geheimnisses.  Berlin,  zu  finden  bey  Johann  Rüdiger, 
1750. 

'"'^)  Chavagnac  et  Grollier,  Histoire  des  manufactures  frangaises.      Paris   1906.     S.  400  ff. 

"*)  L'Art  de  la  Porcelaine  dödie  au  roi  par  M.  le  comte  de  Milly.    1771. 

'")  Dillon,  porcelain.  London  1904,  S.  326  und  377.  Der  Titel  der  erwähnten  Schrift 
lautete:  Instructions  how  to  make  as  good  china  as  was  ever  sold  by  the  East  India  Company 
by  A.  Hill.  London  1716.     (Vgl.  Dillon,  a.  a.  O.  S.  326.) 

"*)  Earle,  China  Collecting  in  America.     London  1892.     S.  88. 


BEILAGEN. 


Beilage  I. 

Darstellung  der  Erfindung  des  Böttger-Steinzeugs  und  des  Meißner  Porzellans,  ab- 
gedruckt nach  einem  wahrscheinlich  spätestens  wenige  Jahrzehnte  nach  Böttgers  Tode 
abgefaßten,  z.  Z.  in  der  Kgl.  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  befindlichen  Manuskripte. 

(Vgl.  S.  VIII  u.  S.  280.) 

Es  ist  noch  mit  wenigen  des  vormahligen  ganz 

Rothen    Porcellains 

zu  gedenken,  womit  der  Anfang  gemacht  worden,  darzu  vieles  der  von  dem  von  Schirn- 
haußen  erfundene  Lens  oder  großer  Brennspiegel  Gelegenheit  zu  speculieren  gegeben 
und  mit  bey  getragen,  welchen  er  nebst  Baron  Bötgern  anfänglich  zwar  zu  einigen  Alt- 
chimischen  Operationen  zu  brauchen  und  anzuwenden  gesucht,  sonderlich  die  durch  die 
Sonnen- Strahlen  in  Bewegung  gebrachten  brennlichen  Theile  der  Luft,  auf  Art  des  großen 
Englischen  Chimici  des  Dygbai  zu  concentriren  umb  darauß  das  Solvens,  agens  oder 
Schlüssel  zu  dem  Universal-Werck  zu  erlangen,  darauß  sie  nachgehends  dem  Lapitem 
Philosophorum  verfertigen  könnten.  Sie  haben  aber  nicht  alleine  ihre  Experimente  in 
diesen  jetzt  erwehneten  zwar  materiellen,  jedoch  nicht  coerperlich  sagenden  Dingen  damit 
gemachet,  sondern  sind  auch  weiter  gegangen,  und  haben  gesuchet  ob  sie  die  Metalle 
vielleicht  dadurch  möchten  intime  so  zergliedern  können,  daß  sie  hinter  die  Principia 
derer  Metallen,  und  derselben  Combination  in  selben  desto  leichter  kommen  möchten, 
dahero  sie  solche  vermittelst  des  Lentis  so  wohl  vor  sich  alleine  als  auch  der  bey  andern 
mit  adhibireten  Zusätzen  geschmolzen,  da  sie  aber  dadurch  wenig  sonderlich  am  Golde 
observiren  können,  haben  sie  solche  durch  gelindere  Grad  des  Foci  Lentis  zu  calciniren 

gesuchet  sonderlich  das  Gold  auf  Art  des  als  welcher  es  durch 

gelindes  Küchen  oder  Kohlen-Feuer  also  in  einem  Crocum  zu  bringen  gewußt,  also  dieß, 
durch  die  in  einem  gewissen  Grad  oder  noch  unvollkommenen  Focum  nur  concentrirter 
Sonnen- Strahlen  das  Gold  crocisiren  wollen.  Sie  sind  aber  auch  noch  weiter  herunter 
gangen,  und  haben  auch  viele  Experimente  durch  Schmelzen  und  calciniren  deren  andern 
Metallen  und  mit  denen  mittel  Mineralien  gemacht,  da  sie  denn  endlich  auch  auf  die 
colorirten  Erden  kommen,  und  gefunden,  daß  immer  eine  mehr  vor  der  andere  flüssig 
als  die  andere,  auch  aus  denen  geflossenen  gesehen,  daß  immer  eine  andere  Coloer  als 
die  andere  in  Fluße  gebe,  sind  sie  anfänglich  darauf  gefallen,  daß  sie  marmorirte  Flüßgen, 
auf  Art  derer  holländischen  blauen  Delfter  darauß  zu  erst  verfertigen  wollen,  da  sie  aber 
nachhero  durch  das  Feuer  gefunden,  daß  immer  eine  solche  colorirte  Erde  mehr  strenger 
die  andere  weichflüßiger  sey  als  die  andere,  also  nicht  gleiche  Politur  auf  selber  ange- 
nommen, weilen  sich  eine  Erde  nicht  wie  die  andere  poliren  läßt,  sondern  die  streng- 
flüßigen  poröser  auf  der  Politur  blieben.    Sind  sie  endUch  auf  Massen  gefallen  umb  theils 


318  Beilage  I. 

die  strengeren  Erden,  durch  Zusatz  anderer  flüßeren  Erden,  dahin  zu  bringen,  daß  sie 
mit  denen  flüßigeren  Erden  in  einem  Grad  der  Compactität  kämen,  also  jede  ihren  Glantz 
gleich  mit  der  andere  in  einem  Grade  des  Feuers  erlange,  und  da  sie  gefunden,  daß  sonder- 
lich der  Leim  aus  dem  Blauischen  Grunde  leicht  flüßig,  haben  sie  solchen  an  stad  eines 
Flusses  der  strengerer  sonderlich  Nirrenberger  Roth  oder  Erde  dem  Befinden  oder  Grad 
des  Feuers  nach  in  denen  Offen  zugesetzet,  aus  welchen  Massen  nachdem  sie  solche  er- 
funden sie  auch  nachgehendes  eine  Possiblitat  gesehen,  daß  sich  solche  nicht  allein  in 
Verfertigung  derer  flüßgen  tractiren  laßen,  sondern  auch  daß  selbe  in  Bornnen  compact 
und  Porcellaine  haft  sich  in  denen  Proben  gebrennet.  Auch  da  sie  die  Politur  angenommen, 
sind  sie  auch  weiter  mit  ihren  Gedanken  gestiegen,  und  haben  auf  einfarbiges  Geschirr 
zu  Thee  und  Caffe  rafinirt,  auch  deswegen  sich  umb  Leute  bekümmert,  die  aus  denen 
Massen  Schälchen  und  Copchen  drehen  könnten,  welches  denn  anfänghch  kostbar  ge- 
wesen, so  daß  der  seelige  Baron  Bötger  dem  damahgen  Hoff-Töpfer  Fischern  täglich 
einen  Ducaten  hat  zahlen  müssen,  daß  er  nur  auf  Töpfer- Art  ihm  einige  Proben  gedrehet, 
so  auch  ziemhch  dicte  nach  Topf  er- Art  aus  freuer  Faust  gewesen,  und  ausgefallen.    Ueber 
dieses  auch  schwer  hergangen  Töpfer  zu  bekommen,  massen  sich  niemand  in  Dresden 
hat  finden  wollen,  so  die  Arbeit  angehen  wollen,  ohngeachtet  an  dem  Rath  Hauße  in 
Dresden   ein   Königlichen   Patent   deswegen   angeschlagen  gewesen,   daß   einige  Töpfer 
sollten  angenommen  und  mit  genugsahmen  Solt  versehen  werden,  weilen  sie  besorget 
es  möchte  keinem  Bestand  mit  dieser  Arbeit  haben.    Da  sich  nun  hier  niemand  finden 
wollen,  sind  Deputirte  nach  Pirna  geschicket  worden  die  einem  Meister  und  Bürger  mit 
Namen  Geitnern  noch  perfordiret,  daß  er  mit  nach  Dresden  gezogen,  allwo  er  nachgehen- 
des in  Hoffrath   Bartholomäus  Hauße,  von  einem  Goldschmiede  Irmingern  genennet, 
so  in  Silber  hat  drehen  können,  das  Geschirre  mit  Treh-füßgen  abzudrehen  ist  unter- 
richtet worden,  als  welcher  Töpfer  nachgehends  die  Proben  nicht  alleine  weich  auf  Töpfer 
Art  drehen  können,  sondern  auch  mit  denen  Füßgen  sauberer  ab  und  ausdrehen  nach 
und  nach  proportionirlich  gelernet.    Welches  so  wohl  weich  drehen  als  auch  Abdrehen 
der  Dreher  durch  ferneres  Speculiren  immer  weiter  gebracht,  bis  daß  nach  der  Zeit  auch 
ein  Dreher  aus  einer  Delphter  Fabrik  mit  Nahmen  Eggebrecht  nach  Dresden  kommen, 
umb  dergleichen  Fabrik  daselbst  anzulegen,  welchen  der  obenberührte  Töpfer  einige  mahl 
zu  gesehen,  alsdann  hat  sich  die  Erlernung  des  Drehens  immer  nach  und  nach  besser 
gegeben,  und  da  oben  berührter  Dreher  vormahls  die  Füßgen  zu  denen  Schälchen  erst 
als  Ringe  gedrehet,  und  nachgehends  erst  auf  die  Schälchen  aufgesetzet,  dadurch  aber 
weit  mehr  Zeit  darauf  gegangen,  als  auch  die  Füßgen  leicht  von  denen  Schälchen  ab- 
gegangen, also  die  Schälchen  verunglückt  hat  er  bey  ihm  inacht  genommen,  daß  er  in 
weich-drehen,  dem  Boden  ducke  laße,  und  nachgehends  aus  dem  dückgelaßenen  Boden 
das  Füßgen  gleich  ausdrehe,   dieser  und  noch  andrer  dergleichen  Handgriffe  haben  die 
Arbeit  nachgehends  verkürzet,  und  gemachet,  daß  das  Geschirre  nachgehends  sauberer 
worden  und  mehr  gehalten.    Sie  haben  aber  dem  Leim  aus  dem  Blauischen  Grunde  des- 
wegen als  Fluß  dem  Nirrenberger  Roth  oder  der  Nirrenberger  Erde,  welche  sie  auch  den 
rothen  Nirrenberger  Stein  genennet  zugesetzet,  weilen  er  mit  solcher,  ein  dem  Jaspis 
nicht  ungleiches  Porcellaine,  wenn  es  pohrt  gewesen,  gegeben.    Wie  aber  derer  compo- 
sitiones  gewesen  ist  dem  Gewichte  nach  nicht  bekannt,  jedoch  da  sie  kleine  Öfen  gehabt, 
so  haben  sie  sich  jedesmal  mit  denen  Massen  nach  dem  Grad  des  Feuers  jedes  Ofens  ge- 
richtet, haben  auch  unstreitig  sehr  weiche  Massen  gehabt.    Zu  gedenken,  daß  sie  nicht 


Beilage  I.  319 

mehr  als  anderthalb  Reihe  Geschirre  in  denen  Öfen  haben  auf  einmal  gutbrennen  können, 
da  sie  vor  denen  Mündungen  eine  Reihe  erst  ledig  gesetzet,  als  dann  zwey  Reihen  mit  Ge- 
schirren, da  aber  nicht  jedesmahl  die  andere  Reihe  gantz  gut  worden,  sie  haben  drey 
viertel  von  denen  Spanbögen  probe  Löcher  in  den  Ofen  gehabt,  da  sie  spitze  Kegel  unten 
mit  drey  Füßgen  von  Leihme  aus  dem  Blauischen  Grunde  eines  Fingers  lang  unten  aber 
stärker  gemacht  in  dem  Ofen  bey  dem  Probe  Loche  auf  die  Kapseln  gesetzet,  wenn  diese 
angefangen,  oben  glänzend  zu  werden  und  zu  flüßen,  darnach  haben  sie  den  Ofen  aus- 
gehen lassen.  Da  aber  nicht  alleine  die  bunten  Erden  Thone  und  Leime  durch  den  Lentm 
probirt  worden,  sondern  auch  die  weißen,  da  ebenfalls  einige  immerer  vor  denen  andern 
flüßiger  gewesen,  so  daß  einige  sich  Porcellainehafft  auf  dem  Bruche  andere  aber  rauh 
gebrannt,  sind  sie  weiter  mit  dem  experimentiren  durch  den  Lentm  fortgefahren,  und 
auch  weiße  Flüße  zu  denen  weißen  strengeren  Erden  zu  finden  damit  Massen  könnten 
daraus  gefertigt  werden,  da  sie  gefunden,  daß  einige  Erden  als  Kreide  auch  Steine  als 
Alabaster,  Marmor,  Späth  mehr  flüßig  noch  seyn  gewesen  als  die  Erden,  welche  nach- 
gehends  sie  durch  calciniren  und  Molam  comminutoriam  soweit  subtil  gebracht,  daß  sie 
solche  mit  denen  ebenfalls  praparirten  sonderlich  geschlemmten  Golditzer  Thone  und 
anderen  Erden  versetzet  und  zu  Massen  gebracht,  welche  sie  nachgehends  in  gehörigen 
Grade  des  Feuers  so  weit  in  Fluß  getrieben,  daß  sie  eine  Semidiaphanam  tremuli  Nar- 
cissuli  Ideam  lacteam  erhalten,  als  welches  eine  hauptsächhche  dem  Porcellaine  zu- 
kommende Eigenschaft  ist  worinnen  sie  nachgehends  immer  weiter  und  weiter  fort- 
gefahren, auf  diese  Art  sind  sie  auch  zu  dem  weißen  Porcellaine  gelanget.  Es  ist  aber 
auch  jetzt  rothes  Porcellaine  gemachet  worden  und  zwar  aus  geschlemmten  Nirrenberger 
Roth  und  geschlemmten  Leim  aus  dem  Blauischen  Grunde.  Die  Masse  so  am  besten 
noch  in  jetzigen  Öfen  und  starkem  Feuer  gestanden  ist  folgende:  Nimm  geschlemmtes 
auf  dem  Ofen  getrocknetes  durchgesiebetes  Nirrenberger  Roth  oder  Erde  acht  Theile 
Geschlemmten  auf  denen  Ofen  getrockneten,  durchgesiebeten  Leim  aus  dem  Blauischen 
Grunde  einen  Theile  die  Einmachung  komet  mit  denen  übrigen  weißen  Massen  überein 
ausgenommen,  daß  sie  einmal  mehr  die  Quere  und  einmal  die  Länge  muß  durchgerühret 
werden.  Im  Abdrehen  ist  gleichfalls  zu  regardiren,  daß  das  Geschirre  nicht  allzu  trocken 
abgedrehet  werde,  daß  nicht  etwann  Bläßgen  sich  durch  Abziehung  der  oberen  Masse 
von  der  inneren  Masse  mit  dem  Abdrehfüßgen  geschehe,  welches  mehrere  Gelegenheit 
zu  Bläßgen  im  Brennen  gebe.  Das  Verglühen  geschieht  ordentUch  doch  kommet  es  hinten 
hinauß  zustehen.  In  dem  Gutbrennen  will  eine  Capsel  zu  defendirung  vor  dem  Feuer, 
daß  es  nicht  zu  viel  bekomme  dem  Geschirre  nicht  zulänglich  seyn,  sondern  es  wird  ein 
Schälchen  Capsel  in  ein  Spulnapf  Capsel  gesetzet  und  noch  der  darzwischen  seyende 
Platz  mit  Wasser  Sande  ausgefüttert  nachgehends  erst  das  Schälchen  auf  einem  Deckel- 
chen wie  sonst  gewöhnlich  gesetzet  in  das  Schälchen  Capsel,  und  kommen  auf  denen 
Seiten  dreye  hoch  übereinander  zu  stehen,  in  der  Mitte  aber  viere  hoch  in  jeden  Satze 
der  Reihe.  Diese  Reihe  mit  rothen  Geschirre  wird  hinten  an  der  Stirnmauer  unter  der 
Feueresse  herüber  gesetzet,  da  jedoch  sich  noch  vieles  schief  ziehet  oder  auch  wohl  gar 
sich  blätterig  brennet;  daß  es  gut  sey,  wenn  der  Ofen  ausgegangen  ist  die  Probe,  wenn 
man  daran  lecket,  daß  es  nicht  an  der  Zunge  auf  einige  Maaßen  anklebe,  also  noch  Feuch- 
tigkeit anziehe,  so  es  nicht  mehr  an  der  Zunge  anklebet  oder  anhänget,  lasset  es  sich 
poliren,  welches  unumbgänglich  seyen  muß,  weilen  es  nicht  glasuret  ^^•ird,  sondern  seinen 
Glanz  und  äußerliche  Lieblichkeit  durch  das  Schleifen  und  Poliren  erlanget. 


320  Beilage  II. 

Beilage  II. 

Allerhöchstes  Beeret  vom  20.  November  1707.  Die  Sicherstellung  Johann  Friedrich 
Böttgers,  wegen  der  zu  seiner  freien  Disposition  bei  Einrichtung  verschiedener 
Manufakturen,    demselben    assignirten  Gelder.     (Königl.   Sachs.  Hauptstaatsarchiv , 

Loc.  1341.) 

Nachdem  Wir  Johann  Friedrich  Böttgern  unterschiedene,  Uns  allein  bekannte  Ver- 
richtungen auffgetragen  und  Ihm  hierzu,  wie  auch  zu  seiner  und  der  ihm  untergebenen 
Personen  auch  Bedienten,  nöthigen  Subsistence  Monatlich  gewiße  Gelder  welche  er,  theils 
aus  Unser  General-Accis-Casse,  theils  aus  Unser  Renth-Cammer  gegen  seine  des  Böttgers 
Quittung  erheben,  auch  nach  seinem  pflichtmäsigen  Gutbefinden  frei  disponiren  soll, 
assigniren  zu  lassen  entschlossen;  derselbe  aber,  daß  Unserer  hierbei  habenden  Intention 
zuwider,  er  jetzt  oder  hinkünftig  von  Unsern  Ober-Rechnungs-  oder  andern  Collegiis 
über  sothane  empfangene  Gelder  gerechtfertiget  zu  werden,  befahren  müsse,  allerunter- 
thänigste  Vorstellung  gethan  und  anbey,  daß  Wir  dieser  Besorgnis  ihn  vorhero  aller- 
gnädigst  überheben  möchten,  gehorsamst  gebethen;  So  haben  Wir  unsre  hierüber  schon 
mündlich  ihm  gegebene  Königliche  Versicherung,  zu  seiner  noch  mehrern  Sicherheit  hier- 
durch schriftlich  ertheilen  wollen  folgendergestalt. 

1. 
Soll  Johann  Friedrich  Böttgern  freistehen,  von  obigen  Geldern  seine  Menage  eignes 
Gefallens  einzurichten  und  auf!  Speisung,  Getränke,  Holz,  Lichte  und  dergleichen  ein 
hinreichendes  aufzuwenden. 

2. 
Die  /u  seiner  W^irthschaft  nöthige  Meublen  und  bedürfenden  Hausrath  anzuschaffen. 

3. 

In  seiner  Wohnung  und  in  dem  Laboratorio  sowohl,  alß  sonst  überall  in  seiner  Revier, 
was  entweder  zu  unterhandhabender  Arbeit  oder  beßerer  Commodität  erfordert  werden 
möchte,  bauen  und  repariren,  hiernechst 

4. 
Materialien,  Ertze,  Thone  und  Steine,  soviel  er  deren  gebrauchen  wird,  bringen  zu 
laßen  und  da  einer  von  seinen  Bedienten 

5. 
Nach  solchen  zu  reisen  oder  sonst  iemand  hier  oder  dorthin  in  seinen  Verrichtungen 
abgefertigt  werden  müße,  die  darzu  erforderliche  Kosten  aufzuwenden,  ingleichen 

6. 
Die  zum  Laboratorio  behörige  Geräthsch äfften,  Kohlen  und  anders  mehr  von  ob- 
bemerkten  Geldern  zu  bezahlen. 

7. 
Denen,  so  ihm  in  seinen  Laboribus  oder  sonst  assistiren,  nach  advenant  Salaria 
zureichen,  solche  aber  wie  auch 

8. 
Die  bestimbte  Löhne  derer  Jenigen,  so  er  theils  zu  seiner  Auffwartung,  theils  zur 
handarbeith  jedesmal  benöthiget  seyn  wird,  vorhero  in  ein  Reglement  abzufaßen  und 


Beilage  II.  321 

Uns  durch  den  Cammer-Rath  Nehmizen   mr  UnterschrifTt  vortragen  zu  laßen;  Welcher 
ebenfalls 

9. 

Mit  denen  Personen,  so  er  bey  künfTtig  auf 7.u richtenden  Manufacturen  anzunehmen 
und  zu  bestellen  haben  wird,  also  geschehen  und  zugleich  deren  Jnstructiones  und  Be- 
stellungen Uns  zur  Confirmation  durch  erstbesagten  Unsern  Cammer-Rath  Nehmizen 
vorgelegt  werden  sollen  u.  s.  w. 

10. 

Die  Jenigen,  denen  Johann  Friedrich  Böttger  bey  solchen  Manufacturen,  nicht  weniger 
bey  seiner  Menage  oder  sonst  auf  Reysen  von  diesen  zu  seiner  Disposition  gestellten 
Geldern  etwas  auf  Berechnung  giebt,  sollen  auch  ihme  allein  Rechnung  davon  ablegen, 
sodann  nach  beschehener  Justification  von  ihm  quittiret  und  ferner  von  Niemand  in 
Anspruch  genommen  werden;  Wie  Wir  Johann  Friedrich  Böttgern  denn  die  Macht  hier- 
mit absonderlich  allergnädigst  ertheilen,  daß,  wenn  er,  was  seine,  ihm  anvertraute  Ver- 
richtungen oder  die  von  ihm  inventirte  Manufacturen  betrifft,  Jemanden  von  denen  ihm 
zur  Assistenz  zugegebenen  Personen  an  Uns,  wann  Wir  außer  unsern  Landen  Uns  be- 
finden, zu  überschicken  nöthig  erachten  möchte,  solche  Abschickung  ohne  Unser  oder 
Jemandes  vorhergehenden  Consens  bewerkstelligen,  des  Verschickten  Rechnung  justi- 
ficiren  und  denen  ihm  anvertrauten  oder  von  denen  Manufacturen  einkommenden  Geldern 
die  Zahlung  zu  aller  Sicherheit  des  Empfängers  thun  dürffe,  so  daß  der  Verschickte  veder 
approbation  seiner  Reyse,  noch  confirmation  seiner  justificirten  Rechnung  ferner  nöthig 
habe ;  Wie  Wir  denn  auch  über  diesen  Passum  sowol  Böttgern  als  den,  von  ihm  abgeschick- 
ten theils  wegen  der  Abschickung,  als  Rechnung  und  empfangener  Gelder  aller  An-  und 
Zusprüche  hierunter  erlassen.    Weil  auch 

11. 

Bey  Uns  Johann  Friedrich  Bötger  allerunterthänigst  angesuchet,  ihme  allergnädigst 
zu  gestatten,  daß  er  zur  Gemüthserfrischung  in  seiner  Einsamkeit  künfftiges  Frühjahr 
einen  kleinen  Orangerie-Garten  anlegen  möchte;  So  haben  Wir  en  regard  daß  eine  solche 
Recreation  zu  Erhaltung  seiner  Gesundheit  fast  nöthig  seyn  will,  darein  gerne  consen- 
tiret  und  wollen  dahero  auch  den  hierzu  bedürfenden  Auffwand  vollkommen  genehm  halten. 

Und  wie  Wir  gnädigst  versichert  seyn,  daß  Johann  Friedrich  Böttger  seine  Oekonomie 
und  Disposition  jedesmahl  nach  Unser  Jntention  allso  führen,  auch  seine  inventile  Manu- 
facturen dergestalt  in  gang  bringen  werde,  daß  Uns  hiernechst  ein  ergiebiger  Nutzen 
und  Vortheil  erwachsen  könne;  So  wollen  Wir  ihn  auch  bey  Unser  allergnädigster  Ver- 
ordnung und  Declaration  in  allen  Punkten  wieder  Jemandes  An-  und  Zusprüchen  ge- 
schützet und  manuteniret,  auch  darbey  allenthalben,  wenn  auch  hiernechst  die  Einnahme 
der  Gelder  nicht  mehr  aus  vorgedachten,  Unsern  Gassen,  sondern  dieselbe  aus  dem  Debit 
der  von  Johann  Friedrich  Böttgern  anzurichtenden  und  in  stand  gebrachten  Manufac- 
turen fließen  sollten,  ledigUch  gelassen  haben;  Wornach  sich  sowohl  Unsere  Gber-Rech- 
nungs-Cammer  als  andere  Collegia,  aus  deren  ihnen  anvertrauten  Gassen  die  Gelder  an 
Johann  Friedrich  Böttger  gezahlt  werden,  allergehorsamst  zu  achten  haben. 

Zu  Urkund  deßen  haben  Wir  dieses  resp.  Decret  und  Verordnung  unter  unser  eignen 
hohen  Unterschrift  und  Daumen-Secret  bekräfftiget. 

Signatum  Dreßden,  den  30.  Novembris  Anno  1707 

(L.  S.)  Augustus  Rex. 


Zimmermann,  Meißner  Porzellan.  ~  21 


322  Beilage  III. 

Beilage  III. 

Allerhöchstes  Beeret  vom  23.  Januar  1710,   die  Gründung  der  Porzellanmanufaktur 
zu  Dresden  betreffend  (Kgl.  Sachs.  Hauptstaatsarchw,  Loc.  1339.  I  Fol.  79). 

Wir  Friedrich  August  von  Gottes  Gnaden,  König  in  Pohlen  und  Churfürst  von 
Sachsen  u.  s.  w. 

Thun  hiermit  kund  und  fügen  männighch  zu  wissen:  Demnach  Wir  unsers  getreuen 
Churfürstenthums  und  dahin  incorporirter,  auch  anderer  Lande  bekümmerten  Zustand, 
darein  dieselbe  durch  mancherley  Unglück,  insonderheit  durch  die  vor  vier  Jahren  be- 
schehene  Schwedische  Invasion  gesetzt  worden,  mitleidend  beherziget,  und  hierauf,  wie 
solchen  aufs  Beste  und  Nachdrücklichste  wieder  aufgeholfen  werden  möge.  Unsere  einzige 
und  höchste  Sorge  seyn  lassen  wollen;  So  haben  Wir  unter  andern  ausgefundenen  Mitteln, 
daß  die  Wiederbringung  einer  geseegneten  Nahrung  und  Gewerbes  im  Lande  hauptsäch- 
lich durch  Manufakturen  und  Commercia  befördert  werden  könne,  vornehmlich  in  Con- 
sideration  gezogen  und  Unsere  Landes-Väterliche  Sorgfalt  dahin  gerichtet,  wie  die  von 
Gott  Unseren  Landen  besonders  reichlich  mitgetheilte  unterirdische  Schätze  eifriger,  als 
in  vorigen  Zeiten  nachgesuchet,  und  diejenigen  Materialien,  so  als  todt  und  unbrauchbar 
gelegen,  zu  ein  oder  andern  Nutzen  gebracht  werden  mögen.  Und  wir  dann,  nachdem 
Wir  sothane  Nachforschung  einigen,  in  dergleichen  Wissenschaften  vor  andern  wohl- 
geübten  Personen  aufgetragen,  und  diese  auch  bishero  ihre  Erfahrenheit  und  unermüdeten 
Fleiß  dazu  angewendet,  befunden,  daß  der  Höchste  Unsere  hierbey  gehabte  Absicht 
bereits  so  weit  gesegnet  habe,  daß  aus  denen  in  Unsern  Landen  häufig  und  überflüssig 
befindlichen  Materialien  Uns  nicht  allein  eine  Art  rother  Gefäße,  so  die  Indianischen, 
von  sogenannter  Terra  Sigillata  gemachten,  weit  übertreffen,  nicht  weniger,  allerhand 
besonders  colorirte  und  auch  von  diversen  Farben  künstlich  melirte  Geschirr  und  Tafeln, 
welche  insgesammt  nebst  ihrer  Zärtlichkeit  von  so  ungemeiner  Härte  sind,  daß  sie  sich 
gleich  dem  Jaspis  und  Porphyr  schleifen,  schneiden  und  poliren  lassen,  auch  übrigens 
alle  andere  Eigenschaften  besitzen,  welche  von  dergleichen  Indianischen  Gefäßen  können 
und  mögen  gesaget  werden;  nicht  minder  sie  auch  bereits  ziemliche  Probe- Stücken  von 
dem  weißen  Porzellan,  sowohl  glasurt,  als  unverglasurt,  vorgelegt,  welche  genügsame  An- 
zeigung geben,  daß  aus  denen  in  Unseren  Landen  befindlichen  Materialien,  ein  dem  Ost- 
Indianischen  Porzellan,  sowohl  an  Durchsichtigkeit,  als  anderen  dabey  erforderten  Eigen- 
schaften gleichkommendes  Gefäße  könne  und  möge  fabriciret  werden,  auch  wohl  zu  ver- 
muthen  ist,  daß  in  Zukunft  bei  rechter  Einrichtung  und  Veranstaltung  dergleichen  weißes 
Porzellan,  wie  bereits  bey  dem  rothen  erweislich  gemacht  worden,  dem  Indianischen 
an  Schönheit  und  Tugend,  noch  mehr  aber  an  allerhand  Fagons  und  großen  auch  massiven 
Stücken,  als  Statuen,  Columnen,  Servicen  u.s.w.  weit  übergehen  möchten;  Derohalben 
uns  dieselbe  allerunterthänigst  angelanget,  daß  zu  genauer  Untersuchung  aller  dieser  aus 
unsern  Landes-Materialien  einzig  und  allein  zusamengesetzte,  und  durch  ihre  Kunst  und  Er- 
fahrenheit inventirter  Fabriken  Wir  eine  absonderliche  Commission  niederzusetzen  alier- 
gnädigst  geruhen  möchten;  Wir  auch  hierauf  mit  gnädigster  Neigung  in  ihr  bilhges  Ver- 
langen gewilliget  und  nunmehro  nach  geendigter  Commission  gnüglich  versichert  sind, 
daß  dergleichen  Manufacturen  Uns,  Unseren  Landen  und  deren  getreuen  Unterthanen 
gut  nöthig  und  ersprießlich  seyn  werden.  So  hat  uns  solches  bewogen,  mit  Aufrichtung 
derselben  von  obbenannten  Sorten  nicht  länger  anzustehen,  vielmehr  selbige  zum  Besten 


Beilage  III.  323 

und  Aufnahme  Unserer  Lande  je  eher,  je  lieber  ins  Werk  setzen  zu  lassen,  immaßen  Wir 
dann  zu  dem  Ende,  bey  Unserer  jetzigen  Anwesenheit  ein  besonderes  Manufaktur-Direc- 
torium  formiret,  welchem  Wir  die  Auf-  und  Anrichtung  obbemeldeter  Manufacturen 
allergnädigst  aufgetragen,  und  dasselbe  vornehmlich  dahin  instruiret,  daß  bei  denen 
Fabricen  und  dem  daraus  folgenden  Commercio  alles  und  jedes  nach  Kaufmanns  Art  und 
Gewohnheit  eingerichtet  und  gehandelt,  über  das  ganze  Negotium  richtige  und  accurate 
Journale  und  andere  sonst  gewöhnliche  Handelsbücher  geführet,  aufrichtiger  Credit  je 
und  allewege  erhalten,  auch  daß  durch  göttlichen  Seegen  nach  und  nach  Lucrirte  jedes- 
mahl  zum  Wachsthum  und  Vermehrung  neuer  Manufacturen  angewendet  werden  solle. 
Woraus  Unsere  getreue  Unterthanen  zur  Gnüge  erkennen  werden,  daß  Unsere  gnädigste 
und  Landesväterliche  Absicht  bloß  allein  auf  ihren  und  des  ganzen  Landes  Nutzen  und 
Wohlfahrt  gerichtet,  und  Wir  dahero  um  einen  leidlichen  Beytrag  derer  fast  großen  und 
ansehnlichen  Summen,  welche  zur  Etablirung  so  vieler  und  wichtiger  Manufacturen  un- 
umgänglich erfordert  werden,  sie  mit  Fug  und  Bilhgkeit  ansprechen  könnten,  um  soviel 
mehr,  da  unsere  Unterthanen  durch  die  daraus  fließende  stärkere  Nahrung,  dereinst  den 
größten  Nutzen  davon  empfinden  werden.  Damit  aber  Künstler  und  Handwerker  wegen 
der  Zünfte  oder  Jurisdiction  Unserer  Amtleute  und  Magristraten  nicht  abgeschreckt  werden, 
auch  sonsten  in  der  Furcht  stehen  mögen,  sie  dürften  mit  vielen  Personal  oneribus  be- 
leget werden;  so  wollen  Wir  denenselben  diejenigen  Immunitäten  und  Freiheiten,  so 
Wir  in  einem  absonderlichen  vormals  emanirten  Edict,  denen  neu  ankommenden  und 
sich  in  Unseren  Landen  niederlassenden  Künstlern  und  Handwerkern,  gnädigst  ver- 
sprachen, auch  wirkhch  angedeihen,  und  sie  übrigens  unter  keine  andere  Botmäßigkeit 
als  Unser  Manufactur-Directorium  ziehen  lassen,  es  sey  denn,  daß  sie  sich  mit  Haus  und 
Hof,  auch  anderen  liegenden  Gründen  ansäßig  gemachet,  oder  andere  bürgerliche  Nahrung 
trieben,  an  solchen  Fall  sollen  sie  wegen  ihrer  Häuser  liegenden  Gründen  auch  bürger- 
licher Nahrung  vor  jedes  Orts  ordentliche  Obrigkeiten,  wegen  ihrer  bey  diesen  neuen 
Manufacturen  habenden  Arbeit  und  Verrichtung,  aber  vor  das  Manufactur-Directorium 
alleine  stehen;  Wie  Wir  auch  diesfalls  dasselbe  mit  nöthiger  Instruction  versehen  werden. 

Uns  wird  schlüßlich  es  ein  besonderes  Vergnügen  geben,  wenn  wir  durch  die  Auf- 
richtung dieser  oben  angeführten,  als  auch  hiernächst  nacherfolgten  Manufacturen  und 
nützlichen  neuen  Erfindungen  nicht  allein  Unseren  Unterthanen  eine  merkliche  Er- 
leichterung und  bessere  Nahrung,  sondern  auch  Unseren  Landen,  absonderlich  aber 
Unserer  Residenz-Stadt  Dresden  gute  Künstler  und  Handwerker  zuziehen,  auch  denen 
bereits  darinnen  sich  befindlichen  eine  bessere  Nahrung  gönnen  mögen,  folglich  bey  künf- 
tigen, Gott  gebe  besseren  und  ruhigeren,  Zeiten,  schöne  und  nützliche  Künste  und  Wissen- 
schaften einführen,  und  dieselbe  in  erwünschten  Flor  bringen  lassen  können;  Wie  Wir 
denn  allen  denenjenigen,  sie  sind  ausländisch  oder  einheimisch,  fremde  oder  Unsere  Unter- 
thanen, so  diesem  Vorhaben  die  hülfreiche  Hand  bieten,  und  solches  befördern  helfen, 
mit  besonderen  Königl.  Gnaden  zugethan  verbleiben;  denenjenigen  aber,  so  in  Unseren 
Landen  denen  neuen  Manufacturen  auf  einige  erweisliche  Art  sich  widersetzen,  oder 
denenselben  sonsten  einige  Hindernisse  geben  möchten,  Unsere  Ungnade  nachdrücklich 
empfinden  lassen  werden. 

Zu  Urkund  haben  Wir  Unser  Königl.  Chur-Secret  Vordrucken  lassen.  So  geschehen 
und  gegeben  zu  Dresden  am  23.  Januari,  anno  1710. 

Egon,  Fürst  zu  Fürstenberg  Otto  Heinrich  Freyherr  von  Friesen. 

(L.  S.)  Bernhard  Zech. 

~~  '  21* 


324  Beilage  IV. 

Beilage   IV. 

VonSr.  Königl.  Majestät  eigenhändig  approbirtes Besoldungs-Reglement  d.  d.  12.  Januar 

1708  für  das  von  Böttgern  zu  Ahsolvirung  seiner  Geschäfte  angenommenen  Personale 

(Königl.  Sachs.  Hauptstaatsarchiv,  Loc.  1341). 

Sowohl  derjenigen  Personen,  welche  von  Ihr.  Königl.  Majestät  selbst  mir  Johann 
Friedrich  Böttgern  zugeordnet, 

alß  auch 
Derer  Leute,  so  mit  Ihr.Maj.  allergnädigster  Bewilligung  zu  meiner  Arbeit  und  Bedienung 
durch  mich  angenommen  worden, 

Monathch 
sollen  haben, 

Hr.  Cammer-Rath  Michael  Nehmitz  vom  1.  October  1707 150  Thlr. 

Hr.  Rath  Ehrenfried  Walther  v.  Tzschirnhaus  vom  December  1707  100  ,, 
Hr.  Leibmedicus  D.  Jacob  Bartelmei  vom  Nov.  1707  pro  Discretione  10  ,, 
Die  Arzneyen  werden  demselben  ä  part  bezahlt. 

Denen  Sechs  wachhaltenden  Ober-Officiers  vom  Januar  1708 24      ,, 

Hr.  Justus  Basilius  Hering  vom  October  1707   20      ,, 

Latus 304  Thlr. 

Ferner 

Transport      304  Thlr. 

Cyriacus  Klein  i  Monatl.  vom       12 

Joseph  Heuthier  l         Octbr.  8 

Sebastian  Pichler,  der  Koch  J  1707  8 

Die  Arbeiter  in  dem  Laboratorio  auf  der  Vestung. 

Balthasar  Görbig  ]    Vom         8 

Johann  George  Schubarth   \  Octbr 8 

Paul  Wildenstein  J    1707         8 

David  Köhler    8 

Die  Arbeiter  in  dem  Laboratorio  bey  dem  Tzschirnhaus 

Samuel  Kämpffe  v.  Octbr.       1  8 

Whristoph  Wieden  v.  Decbr,   j  8 

und  endlich 
Johann  Friedrich  Berger,  Küchenjunge  vom  Octbr.  1707 2 


Summa 382  Thlr. 

approbirt 
Augustus  Rex 
umb  die  allergnädigste  abprobation 
Dreßden  bittet  allerunterthänigst 

den  12.  January  Johann  Friedrich  Böttger 

1708.  Mppr. 


Beilage  V.  325 
Beilage  V. 

Spezifikation,  so  bis  dato  hey  deren  Königl.  neuen  Manufakturen  zu  befinden  und 

aus  dererselben  Cassa  ihr  Salaria  und  Lohnungen  zu  fordern  haben  oder  praetendieren. 

(1712.    Königl.  Sachs.   Hauptstaatsarchiv,  Loc.  1340,  I.  117). 

Monatliches  Quantum. 
Nahmen  derselben: 

Der  Administrator  Herr  Johann  Friedrich  Böttger R.-Thlr.      50. — 

Der  Leibmedicus  Herr  Doctor  Jacob  Bartelmei „  20. — 

Herr  Doctor  Wilhelm  Heinrich  Nehmitz    „  30. — 

Herr  Secretarius  Herr  Emanuel  Jacobi    ,,  20. — 

Der  Inspector  zu  Meissen,  Herr  Johann  Melchior  Steinbrück ,,  20. — 

Der  Commercien-Commissarius  Herr  Johann  Gottfried  Meerheim    „  25. — 

Der   Inspector    deren   Schleiff-  und  PoUer-Wercke   Herr   Joh.  Friedrich 

Schmidt ,,  20. — 

Herr  Justus  Basilius  Heringh     ,,  10. — 

Herr  Johann  Jacob  Irminger ,,  16. — 

Der  Buchhalter  zu  Meissen  Herr  Johann  George  Wittich ,,  16. — 

Der  Condukteur  Herr  Adam  Heinrich  Blumenthal   ,,  12. — 

Herr  Hieronymus  Schiermann ,,  12. — 

Der  Bettmeister  zu  Meissen  Herr  Israel  Frizsche „  8. — 

Der  Materialien-Schreiber  George  Christian  Klunger  „  8. — 

2.    An  Künstler. 

Der  Laccirer  Martin  Schnell  verdient „  100. — 

Der  Goldarbeiter  Johann  Carl  Bahr   ,  12. — 

Der  Mahler  Joh.  Christoph  Schäffler „  12. — 

Der  Filegrain-Arbeiter  Stefky  „  12. — 

3.  An  Glas-Schleiffern  und  Schneidern  in  Dresden. 

Daniel  Springer „  16. — 

Martin  Häckel „  16. — 

Joh.  Andr.  Caden,  nebst  2  Gesellen    „  20. — 

Joh.  George  Zimmermann    „  12. — 

Christoph  Fischer „  12. — 

Joh.  Caspar  Arnholdt   „  12. — 

4.  Glasschneider  in  Meissen. 

Franz  Philip  Wander „  12. — 

Johann  Christoph  Bernhardt  nebst  einem  Gesellen „  12. — 

Christoph  Krüger   „  4. — 

5.  Glas-Schneider  in  Böhmen. 

Paul  Günther „  12. — 

Gottfriedt  Habner „  12.— 


326 


Beilage  V. 


Carel  Hübner K.-Thlr.  12. 

Hans  Endeier „  12. 

Christian  Kuckoff ,,  12. 

Heinrich  Dreher    „  12. 

Christoph  Stephan   „  12. 

Johann  Frist   „  12. 

Gottlob  Benjamin  Geissler ,,  12. 

Gottlob  Ehrenfriedt  Geissler  sambt  ihren  Gehilfen „  12. 


6.    Massen-Bereiter. 

Johann  George  Schubarth   

Davidt  Köhler 

Christoph  Wieden 

Samuel  Stelzel 


12. 
12. 

10. 


7.    Brenner  und  Maurer. 

Balthasar  Gerbich 

Johann  George  Zimmermann 

Andreas  Heinrich   


8.    T  ö  p  f  f  e  r. 


George  Kittel 

Peter  Geithner 

Gottfriedt  Lohse 

Paul  Wildenstein 

Johann  Christoph  Krumbholz 
Johann  Kittel 


Ferner  als  Jungens: 


George  Frizsche 

Johann  Samuel  Grünlich 


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12.— 

JJ 

10.— 

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5.— 

12.— 

12.— 

12.— 

8.— 

10.— 

8.— 

jj 

1.12 

1.— 

9.    Capsul-Macher. 


Johann  Donner  . . . 
Christian  Kopringh 
Martin  Rothe 


10.- 


10.    Dreher  des  Holland.  Guths. 

Peter  Eggebrecht 

Johann  Davidt  Krazenborg 

Christoph  Rothe 

Conradt  Schmidt,  Junge 

Johann  George  Grundt     1 

"■■'"''■"  [  Handlanger 


Heinrich  Schmidt 

Otto  Engelbrecht  Lampe 


20.— 

16.— 

9.— 

2.-- 

4.12 


Beilage  V. 


327 


11.    Fliesen-Macher. 

Christoph  Rühle  R.-Thlr.  16.— 

Christian  Pestner „  4.12 

Zacharias  Fischer  „  4.16 

Christian  Richter „  3. — 


12.    Schlemmer    des    Gapsul--Thons. 

Hans  George  Seidler 

Heinr.  Meyer 


13.     Schilderer  des  guthen   Porcellains. 

Johann  Davidt  Stechmann 

Anselm  Bader 


3.- 
3.- 


16.— 
8.— 


14.    Tischler. 


Philipp  Haeckel 

Johann  George  Tranitz 


15.   Zum  Domesticq-Wesen  gehörige. 

Der  Koch  Johann  Stein 

Joseph  Heuthier 

Der  Küchen- Junge,  Gotthard  Müller 

Der  Gärtner,  Johann  Carl  Gebhardt  

Johann  George  Wittich 

Johann  Gerhardt  Wittich 


/. — 
6.12 


10.— 

8.— 
2.— 


16.    ImLaboratorio. 

Der  Apotheker-Geselle  Thoma 

Christian  Graupner 

Johann  Andr.  Hoppe 

Johann  George  Hauptmann 

Johann  George  Heinze 


17.    Bey  der  Schleiff-  und  Polier- Mühle. 

Der  Mechanicus  Erhardt  Schönheit 

Dessen  Bruder,  als  Geselle 

Der  Handlanger 


18.    Des  Herrn  Ad  ministratoris    Beyde  Brüder 

Herr  Christoph  Dietrich  Böttger 

Herr  Just  Friedrich  Tiemann  ^)    


12.— 
8.— 
2.— 
4.— 
4.— 


12.— 

8.— 
4.— 


16.— 
12.— 


Summa:       R.-Thlr.      1057.16 


i)  Ein  Stiefbruder  Böttgers. 


328  Beilage  VI 

Beilage  VI. 

.    Verzeichnis  des  Personalbestandes  der  Meißner  Manufaktur  bei  Böttgers  Tode. 

(Nach  dem  in  der  Porzellanmanufaktur  zu  Meißen  aufbewahrten  Bericht  des  Inspektors 
Steinbrück  über  das  Personal   der  Manufaktur  vom  5.  Juni  1719.) 

Doktor  Nehmitz. 

Doktor  Bartelmei. 

Inspektor  Steinbrück. 

Materialienschreiber  Klünger. 

David  Köhler. 

Job.  George  Schuberth. 

Samuel  Steltzel,  Massenbereiter  und  Brenner. 

Gottfried  Gierisch,  Handlanger. 

Balthasar  Gerbich,  Maurer  und  Brenner. 

Job.  George  Bormann,  Maurer  und  Brenner. 

Job.  Andreas  Hoppe,  Brenner. 

Andreas  Heinrich,  Handlanger  im  Brennhaus. 

Peter  Geithner,  Töpfer  (Dreher). 

Gottfried  Lobse,  Töpfer  (Dreher). 

Job.  Christoph  Krumbholz,  Töpfer  (Dreher). 

Job.  Daniel  Rohrschuch,  Dreher. 

Caspar  Meissner,  Dreher. 

Job.  Donner,  Kapseldreber. 

Paul  Wildenstein,  Former. 

Job.  Kittel,  Former. 

Michael  Morgenstern,  Former. 

George  Fritzsche,  Former, 

Job.  Fritzsche, 

George  Kirsten,  Handlanger. 


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