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Full text of "Die Erkenntnislehre des Wilhelm von Auvergne"

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l\TERSnHlMJE.\. 


DR.  CLEMENS  BAEÜMKER, 

O.  Ö.   PR0FK88UR    AN    PER    I'NIVEHSITÄT    BRESLAU, 


ua.  GKOR«   FllEIII.  VON  HERTLINO, 

O.  ö.  PHOFESSOtt  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCITEN. 


ZWEITER  BAND. 


v,'r>ffi;ftvc:v^ 


aiVirSTEK  lft9H. 

OBUCK  LXD  VEHLAG  DER  ASCHENDOBFFSOHEN  BUCHHANDLUNK. 


ZI  GESCHICHTE ''' 


U 


TEXTE   IM)    [l\TERSl('HllKJEi\. 


H  KU  AU  sc,  KO  KB  ION 


VON 


DR.  CLEMENS  BAEUMKER, 

O.  Ö,  PROFESSOR    AX   DEn    UNIVERSITÄT   BRESLAU. 


UND 


DR.  GEORG  FREIII.  VON  IIKRTLING, 

O.  ö.  PROFESSOR  AN  1»ER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


ZWEITER  BAND. 


-"^  /.■  '  ^■-i'5'^:VC  ?  '^i^' 


9IÜIVSTEK  180H. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHEXÜORFFSCHEN  lUJCilHAXDLUNCJ. 


282103 


I,    Matthias  Baumgartner:  Die  Erkenntnisiehre  des  Wilhelm  von 
Auvergne. 

II.  Max  Doctor:  Die  Philosophie  des  Josef  (Ihn)  Zaddik»  nach 
ihren  Quellen,  insbesondere  nach  ihren  Beziehungen  zu  den 
Lauteren  Brüdern  und  zu  Gabirol  untersucht. 

III.  Georg  BClow:  Des  Dominicus  Gundissalinus  Schrift  Von 
der  Unsterblichkeit  der  Seele,  herausgegeben  und  philosophie- 
geschichtlich untersucht.  Nebst  einem  Anhange,  enthaltend 
die  Abhandlung  des  Wilhelm  von  Paris  (Auvergne)  De  im- 
mortalitatc  animae. 

IV.  M.  Baumgartner:  Die  Pliilosophie  des  Alanus  de  Insulis,  im 
Zusammenhange  mit  den  Anschauungen  des  12.  Jahrhun- 
derts dargestellt. 

V.  Albino  Nagy:  Die  philosophischen  Abhandlungen  des  Ja*qüb 
ben  Ishaq  Al-Kindl.     Zum  ersten  male  herausgegeben. 

VI.  Clemens  Baeumker:  Die  Impossibilia  des  Siger  von  Brabant, 
eine  philosophische  Streitschrift  aus  dem  XIII.  Jahrhundert. 
Zum  ersten  male  vollständig  herausgegeben  und  besprochen. 


BEITRAGE  ZUR  GESCHICHTE  DER  PHILOSOPHIE 


wm  m  wmmumm. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

DR.  CLEMENS  BAEÜMKER, 

0.  Ö.  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  BRESLAU, 

UND 

DR  OEOUO  FREIH.  VON  HERTLING, 

0.  Ö.  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


BAND  IL    HEFT  1. 

DR.  MATTHIAS  BAUMGARTNEB,   DIE   i:BKElir9rTlVISI.EHBE 
DES  WILHELH  VON  AVTERGNE. 


DRUCK  UND  VERLAG  DER  ÄSfJHENDORFFSCHEN  BUCHHANDLUNG. 


DIE  ERKEMTMSLEHRE 


DES 


WILHELM  VOH  AUVERÖHE. 


DARGESTELLT 

VON 

DR.  MATTHIAS  BAUMOARTNER. 


MtNSTBR  1898. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFFSGHEN  BUCHHANDLUNG. 


Vorrede. 


Die  folgende  Untersuchung  befaßt  sich  mit  der  Aufgabe, 
den  Forlgang  des  mittelalterlichen  Denkens  an  der  Hand  eines 
bestimmten  Autors  und  an  einem  speziellen  Problem  aufzuzei- 
gen. Wilhelm  von  Auvergne  steht  in  der  Mitte  jener  Zeit, 
in  welcher  die  christliche  Wissenschaft  zur  Bildung  und  Philo- 
sophie der  Araber  Stellung  nehmen  mußte.  Es  galt,  das  Neue 
aufzufassen,  es  zu  begreifen  und  zu  prüfen;  es  galt  aber  eben- 
sosehr, die  altererbten  Gedanken  früherer  Jahrhunderte,  seit 
Augustinus,  nicht  preiszugeben.  Das  Alte  mit  dem  Neuen  in 
Einklang  zu  setzen,  Aristoteles  oder  Aviconna  mit  Augustin  in 
Harmonie  zu  finden,  das  ist  das  leitende  Bestreben  Wilhelms. 
Überall,  auch  dort,  wo  ein  Kompromiß  eingegangen  wird,  ge- 
winnen noch  die  alten  Anschauungen  die  Oberhand.  Das  mußte 
aber  auch  der  naturgemäße  Gang  sein.  Die  bisherige  Wissen- 
schall konnte  nicht  urplötzlich  aristotelisch  werden.  Das  war 
Sache  von  Jahr/.ehiilon  und  Werk   einer  jüngeren  Generation. 

Dieses  Ringen  der  von  Augustinus  sich  herdatierenden  Ge- 
danken mit  den  aristotelisch-arabischen  Anschauungen  auf  dem 
Gebiete  der  Erkenntnislehrc  soll  in  den  folgenden  Seiten  zur 
Darstellung  kommen. 

Wenn  auch  die  Leistung  hinter  dem  Wollen  zurückgeblie- 
ben ist,  so  wagen  wir  es  doch,  unseren  bescheidenen  , Beitrag 
zur  Geschichte  der  Philosophie  des  Mittelalters*  der  Öffentlich- 
keit zu  übergeben. 


vni 

formen.  Die  äufiere  Slonenwelt  44.  Die  Ansicht  Piatos  45.  Die  fälschliche 
Lehre  des  Aristoteles  46—47.  Theorie  der  Zeitgenossen  Wilhehns  47—49. 
Seine  Kiitik  eines  zweifachen  Intellektes ;  der  intellectus  materialis  das  einzige 
erkennende  Vermögen  49—53.  Nähere  Bestimmung  des  intellectus  materialis. 
Verschieden  vom  »orc  rXtxöe,  von  einem  blofi  pa^iven  Vermögen,  ist  er  Prin- 
zip der  Erkenntnis.  Einfluß  Augustins  0.3—55.  Schwierigkeiten,  Modifikation 
des  augustinischen  Gedankens  ^—57.  Analogie  mit  Leibniz  57.  Verhältnis 
von  Intellekt  und  Sinn,  mangelhafte  Kenntnis  des  Aristoleles  r)S— 60.  RQck- 
blick  60. 

Was  erkennt  der  Intellekt  von  der  malerieilen  Welt?  Die  Eigenschaf- 
ten 62.  Die  Substanzen.  Erste  Erkeniitnisart  62-  65.  Zweite  Erkenntnis- 
weise, die  Abstraktion;  Erklärung  derselben  durch  die  zeitgenössischen  Peri- 
patetiker.  Kritik  Wilhelms.  Seine  eigene  Auffassung  65—69-  Polemik  gegen 
des  Aristoteles  Lehre  vom  Allgemeinen  69-71.  Wilhelms  Stellung  im  Streite 
Ober  die  Universalien,  seine  eigentümliche,  gemäßigt  realistische  Richtung 
71—77.  Dritte  Erkenntnisart  des  Intellektes.  Erklärung  der  Operationen  des 
Schliefiens  and  der  reproduktiven  Thäligkeit  des  Gedächtnisses  aus  habitus. 
Einfluß  Avicennas  77-84. 

2.  Erkenntnis  der  Seele,  der  obersten  Wahrheiten  und  ihres 
Grundes,  der  Gottheit    84-100. 

Das  geistige  Wahrnehmungsvermögen,  seine  Objekte  84.  Beziehungen 
zu  Augustin  85.  Gewißheit  und  Evidenz  der  Bewußtsei nsthatsnchen  85 — 86, 
Ihre  Verwertung  zum  Beweise  der  Existenz  der  Seele,  ihrer  Unkörperlichkeit, 
Unteilbarkeit  und  Einfachheit  86—89.  Unterschied  der  .Seelenlehre  Wilhelms 
von  der  Psychologie  der  späteren  Scholastik  89. 

Die  obersten  Wahrheiten  des  Erkennens  und  Handelns  90.  Ihre  Not- 
wendigkeit und  Evidenz  91.  Ihr  Ursprung  nicht  aus  der  Sinnenwelt,  sondern 
aus  der  Gottheit,  durch  direkte  Einwirkung  des  Schöpfers  92—%.  Erklärung 
der  prophetischen  Erleuchtung,  der  Visionen  und  pathologischer  Fälle  96. 
Einfluß  Augustins  und  Avicennas  97.  Die  Franziskanerschule  und  der  Onto- 
logismus  98.    Rationeller  Gottesbeweis  in  ontologischer  Formulirung  98—100. 


( 


iVuhelm  war  geboren»)  zu  Aurillac  in  der  Äiivergne,  wo- 
her er  auch  den  einen  seiner  Beinamen  erhielt.  Das  JahrseinerGeburt 
und  seine  Abstammung  sind  unbekannt.  Auch  über  seine  Lehrer 
und  seine  Jugendbildung*)  wird  nichts  Zuverlässiges  berichtet.  Nur 
soviel  enthalten  die  Angaben  übereinstimmend,  dass  Wilhelm  fnih- 
zeitig  seine  Vaterstadt  verliess,  um  in  Paris  den  Studien  zu  ob- 
liegen. Seine  Fortschritte  und  die  Überlegenheit  seines  Geistes 
verschafften  ihm  bald  einen  Lehrstuhl  in  den  Artes  und  später 
in  der  Theologie.  Mit  dem  Jahre  1228  eröffnete  sich  ihm  eine 
neue  Sphäre  der  Thätigkeit.  Der  bisherige  Lehrer  an  der  Uni- 
versität bestieg  den  ßischofsstuhl  von  Paris,  weshalb  er  auch 
Wilhelm  von  Paris  genannt  wird.  Von  nun  an  finden  wir 
seinen  Namen  mit  allen  wichtigen  Ereignissen  verknüpft,  welche 
die  Universität  und  das  wissenschaftliche  Leben  der  folgenden 
zwei  Jahrzehnte  betrafen  oder  mit  den  kirchlichen  und  öffent- 
lichen Verhältnissen  im  Zusammenhange  standen.  Hatte  Wil- 
helm als  Lehrer  durch  seine  Wissenschaft  geglänzt,  so  erwies  er 
sich  auf  dem  ßischofsstuhl  nicht  minder  als  Mann  der  That  und 
des  praktischen  Lebens.  Er  starb  am  30.  März  1249  ')  und  er- 
hielt in  der  Abtei  St.  Victor  seine  letzte  Ruhestätte. 


*)  Far  die  Biographie  Wilhelms  rgl.  Du  Boulay,  Historia  Universi- 
tatis  Parisiensis,  Paris  16(>6,  Tom. III,  p.  123  und  213;  Histoire  littäraire  de 
la  France,  Tom.  XVIII,  p.  357  ff.  No6l  Valois,  Guillaume  d'Auvergne,  6v6que 
de  Paris  (1228—1249),  sa  vie  et  ses  ouvrages,  Paris  1880. 

»)  HaurÄau  tNouvelle  Biographie  Generale,  Paris  1858,  Tom. 22,  p.  687) 
vermutet,  daß  er  in  der  Schule  von  St.  Victor  seine  Bildung  empfangen  habe. 
Ein  gewisser  mystischer  Zug  in  seinen  Schriften  tcOnnte  wirklich  darauf  hin* 
weisen;  doch  ist  wohl  eher  an  die  Schule  von  Notre-Dame  als  Bildung^tätte 
zu  denken,  da  zu  SL  Victor  nur  ein  Hausstudium  bestand,  das  zudem  in  der 
Zeit,  als  Wilhelm  seine  Studien  vollendete,  stark  im  Verfall  war;  vgl.  H.  De- 
nifle,  Die  Universitfiten  des  Mittelalters  bis  1400.  Bd.  I.  Berlin  1885,  S.  673. 

')  DuBouIay,  a.  a.  O.S.  213  und  andere,  wiejourdain,  Werner,  ha- 
ben das  Jahr  1248.  Nach  Histoire  litt.  a.  a.  0.  S.  361  stammt  die  abwei- 
chende Angabe  daher,  daß  im  letztern  Fall  das  Jahr  erst  mit  Ostern  begonnen 
wird,  welches  damals  auf  den  4.  April  fiel. 

1 


.  Wilfiefm  Ton  Auvergne  sieht  im  Anfange  jener  merkwürdi- 
gen,'*/ür  die  mittelalterliche  Wissenschaft  so  bedeutsam  gewor- 
'.dsjteh  Bewegung,  welche  die  Philosophie  des  Aristoteles  in  den 
Gedankenkreis  der  christlichen  Schulen  einführte.  Seine  zahl- 
reichen Werke  lassen  deutlich  den  Beginn  eines  neuen  geistigen 
Lebens  mit  neuen,  bisher  nicht  gekannten  Fragen  und  Problemen 
erkennen,  in  mehreren  Gesamtausgaben^)  erschienen,  repräsen- 
tieren sie  ein  achtungswertes  Maß  von  Geisteskraft,  welche  die 
meisten  der  Zeilgenossen  überragte.  Unserem  Zwecke  ent- 
sprechend schließen  wir  die  rein  theologischen  Schriften  von  un- 
serer Betrachtung  aus  und  beschränken  uns  auf  die  Angabe  und 
kurze  Charakteristik  der  vorwiegend  philosophischen  Weike  des 
mittelallerhchen  Scholastikers. 

Als  erste  derartige  Schrift  muß  „De  trinitate*')  bezeich- 
net werden.  Sie  enthält  trotz  ihres  theologischen  Titels 
in  den  ersten  13  Kapiteln  die  philosophische  Gottesiehre,  den 
Beweis  für  die  Existenz  Gottes,  die  Ableitung  der  göttlichen  At- 
tribute und  die  Lehre  vom  Ursprünge  der  Dinge  aus  Gott.  Der 
übrige  Teil  beschäftigt  sich  mit  Spekulationen  über  die  Triniläl, 
wobei  jedoch  manche  Bemerkungen  über  das  menschliche  Er- 
kennen eingeflochten  werden.  »De  Irinilate*  bildet  den  ersten 
Teil  des  ,Magisterium  sapientiale  ac  divinale"  oder  »der  ersten 
Philosophie",  =»)  Bezeichnungen ,  welche  eine  offenbare  Nachbil- 
dung der  betreffenden  durch  die  Araber  überlieferten  aristote- 
lischen Termini  verniten. 

Ihre  Fortsetzung  fmdet  diese  erste  Philosophie  in  einem 
zweiten  Teil  durch  das  große,  später  abgefaßte  Werk  »De  Uni- 
verso".*)    Es  ist  schwer,   eine  Ireflende,   enggefußte  Charakte- 

>)  JJie  Früheste  Au^abe  wurde  1496  zu  Nürnberg  veranstaltet,  eine 
zweite  löUl  zu  Venediig.  Die  letzte,  trotz  aller  Verbesserungen  und  Ergän- 
zungen noch  sehr  mangelhafte,  Ausgabe  ei-schien  zu  Orleans  1674  in  zwei 
Folio-Bänden.  Der  zweite  enthält  als  Supplement  die  von  dem  Kanonikus 
ßlaise  Leferon  in  der  Bibliothek  zu  Chartres  damals  neu  aufgefundenen 
Tractate  (de  trinitate,  de  anima,  de  poenitentia  und  de  collatione  et  singu- 
Inritate  beneßciorum).  Unseren  Cilaten  liegt  die  Ausgabe  vom  Jahre  1674  zu 
(i  runde. 

')  Opp.  omn.  II ,  Suppl.  p.  1— 64. 

")  Pratffatio  ad  Suiiplenientuin  p.  1. 

*,i  Op|i.  oinm.  F,  p.  50.1—1074, 


3__ 

ristik  von  dieser  eigentömÜchen  Schrift  zu  geben,  welcher  kaum 
eine  andere  ähnliche  an  die  Seite  gestellt  werden  kann.  Sie  ist 
kein  Sentenzenbuch  im  Sinne  jener  des  zwölften  Jahrhunderts; 
sie  ist  aber  auch  keine  theologische  Summe  nach  Art  der  scho- 
lastischen Werke  der  nächsten  Zeit,  wie  Rousselot  meint.') 
Ein  großer  Gedanke  leitete  Wilhelm  bei  Abfassung  dieses  Wer- 
kes. Er  wollte  die  Weltanschauung  seiner  Zeit  durch  philoso- 
phische Beweisführung  begründen.  ,De  Universo"  sollte  den 
Absichten  des  Verfassers  gemäß  von  dem  Seienden ')  handeln 
von  dem  Seienden,  insofern  es  ein  zusammengehöriges,  wohlge- 
gliedertes Ganzes  bildet,  also  die  Gesamtheit  der  geschöpflichen 
Dinge  und  ihre  allgemeinsten  Beziehungen  umfaßt.  Die  Stellung 
der  Aufgabe  in  dieser  Formulierung  ist  jedenfalls  neu,  und  es 
scheint  fast,  als  ob  Wilhelm  jenen  Gedanken  des  Aristoteles  ver- 
wertet hätte,  wo  dieser  als  den  Gegenstand  der  Metaphysik  das 
Seiende  als  solches  bezeichnet.  Ein  auszeichnendes  Merkmal 
muß  femer  auch  in  der  Forderung  einer  streng  wissenschaft- 
lichen Begründung  erblickt  werden,  wie  nicht  minder  in  der  ein- 
gehenden Berücksichtigung  aller  bis  dahin  bekannt  gewordenen 
philosophischen  Systeme.  Gerade  in  letzter  Hinsicht  verdient 
Wilhelms  Werk  besondere  Beachtung. 

Außer  Gott  und  der  Welt  fällt  noch  ein  anderer  Gegenstand 
in  den  Kreis  der  ersten  Philosophie,  nämlich  die  Wissenschaft 
von  der  Seele.  Die  Einsicht  in  die  Unzulänglichkeil  3)  der  bis- 
herigen Resultate  in  der  Seelenlehre  veranlaßt  Wilhelm  zur  Ab- 
fassung eines  eigenen  Traktates  *)  über  dieses  Thema.  „De 
anima"  steht  in  den  wesentlichen  Punkten  vollständig  auf  dem 
Boden   der  psychologischen  Lehren   der  auguslinischen   Vorzeit. 


■)  Dictionnaire  des  sciences  philosophiques,  Paris  IS-ir»,  Tom.  II,  p.  612. 
Tiedemann,  Geist  der  spekulativen  Philosophie,  IV,  S.  .'Jlfi,  hat  hienlber 
entschieden  richtiger  geurteilt. 

')  De  (Jn.  I.  prooemium:  Scientia  de  universo  est  scientia  de  ipso  per 
modum  quo  est  Universum  Ii.  e.  de  his,  quae  sunt,  et  per  inodum  islumvide- 
licet  inquantum  est  Universum;  et  tioc  numinabo  et  numerabo  et  prosequar 
imiuisitione  perscrutata  per  vias  probationum  et  declarationuin. 

")  De  Un.  II.  p.  III.  c.  3,  p.  10l8  (2).  Die  eingeklammerte  Ziffer  be- 
zeichnet die  Columne  der  betrefTenden  Seite. 

*)  Opp.  omn.  II,  p.  <*'>— 228. 

1* 


Aber  deutlich  zeigt  sich  auch  auf  diesem  Gebiete  der  Einfluß 
einer  fremden  Philosophie.  *)  Probleme  werden  aufgegriffen, 
welche  der  aristotelischen  Seelenlehre  angehören. 

Einen  eigenartigen  Charakter  trägt  die  kleine  Abhandlung 
„De  immortalitate  animae", *)  welche  als  eine  Art  von  Er- 
gänzung zu  der  Schrift  „über  die  Seele"  angesehen  werden  muß 
und  eine  Reihe  von  Beweisen  für  die  Unsterblichkeit  der  Seele 
enthält.  Wie  schon  von  anderer  Seite  hervorgehoben  ist,")  und 
wie  ich  auf  Grund  einer  mir  zur  Verfügung  stehenden  Abschrift 
aus  der  Handschrift  16613  der  Pariser  Nationalbibliothek  be- 
stätigen kann,  bietet  nämlich  Wilhelm's  Schrift  nichts,  als  die 
Überarbeitung  der  gleichnamigen  Schrift  des  Archidiakons  von 
Toledo,  Dominikus  Gundisalvi,  *)  welche  ihrerseits  eine  hie 
und  da  erweiterte  freie  Übersetzung  einer  verlorenen  Schrift  des 
Avencebroi  (Ibn  Gebirol)  darstellen  dürfte.*)  Trotz  dieses 
Verhältnisses  wird  es  indes  gestattet  sein,  Wilhelm's  Schrift  ,de 
immorialitate",  deren  Echtheit  noch  kürzlich  durch  Valois *)  dar- 
gethan  wurde,  als  Beleg  für  die  eigenen  Anschauungen  des  Au- 
vergners  zu  benutzen ;  denn  derselbe  hat  eben  durch  diese  Über- 
arbeitung die  fremden  Ansichten  als  von  ihm  selbst  recipierle 
bezeugt.  Übrigens  ist  in  der  folgenden  Darstellung  die  Schrift 
über  die  Unsterblichkeit  nur  in  sekundärer  Weise  als  Quelle 
herangezogen  worden. 

Dies  sind    im  einzelnen  die  Schriften,    in   welchen  Wilhelm 

*)  Die  Vermulung  Werners  (Willielms  Verhältnis  zu  den  Piatonikern 
«les  12.  Jahrhunderts,  Wien  1873,  S.  40),  daß  Wilhelm  aus  einer  gleichnamigen 
Schrift  Avencebrols geschöpft  habe,  hält  Guttmann  (Revue  des  etudes  juives, 
Tom.  Will,  p.  253,  Anm.  8)  Tür  unbegründet 

')  Opp.  omn.  I,  329-336.    Vgl.  Supplem.,  Ende  der  Vorrede. 

*)  A.  Loewenthal,  Pseudo- Aristoteles  ober  die  Seele.  Berlin  1891,  S. 
.58-62.  119. 

*)  Ober  Dominicus  Gundisalvi  vgl.  Paul  Gorrens,  die  dem  Boethios 
f&lschlich  zugeschriebene  Abhandlung  des  Dominicus  Gundisalvi  de  unitate, 
Münster  iHfU  ,  in  IM.  t.  der  »Beiträge  zur  Gesch.  d.  Pbilos.  des  Mittelalters, 
hrsg.  von  Gl.  Baeumker',  S.  31  tV. ,  woselbst  auch  die  weitere  Litteratur  an- 
gegeben ist.  —  Den  Anfang  der  Schrift  Gundisalvis  De  immortalitate  animae 
drurkt  A.  Jourdaiu,  Recherches  crltiques  sur  IVige  et  l'origine  des  tra- 
tlucliuns  latines  d'Aristote,  ed.  2,  Paris  1H43,  S.  iT)*)  f.,  ab. 

'^)  Luewenthal  a.  a.  O. 

•'  Valiii?  0.  a    O.  S.  Uu. 


Tomehmlich  seine  philosophischen  Anschauungen  niedergelegt 
hat.  Ein  gewisser  Plan  in  der  Anordnung  der  Reihenfolge  läül 
sich  nicht  verkennen.  Was  die  christliche  Wissenschaft  der 
ersten  Hälfte  des  Mittelalters  über  Gott,  über  die  Welt  und  die 
Seele  gedacht,  das  finden  wir  hier  zusammengefaßt  vor  uns. 
Aber  bereits  kommen  allenthalben  neue,  fremde  Gedankenele- 
mente zur  Gellung,  Die  aristotelische  Philosophie  »md  ihre  Ver- 
wendung durch  die  christlichen  Denker  steht  bei  Wilhelm  in 
ihrem  ersten  Stadium.  Der  Pariser  Universitätslehrer  des  be- 
gonnenen dreizehnten  Jahrhunderts  kennt  die  sämtlichen  Schrif- 
ten des  Aristoteles  teils  in  griechisch-lateinischen,  teils  in  ara- 
bisch-lateinischen Übersetzungen;  >)  er  hat  Kenntnis  von  einer  An- 
zahl arabi  scher  Philosophen;')  er  benützt  den  Moses  Maimoni- 
des  und  den  Avencebrol,*)  den  er  wegen  des  christlichen  An- 
strichs seiner  Lehre  vom  „Worte*  Gottes  für  einen  Bekenner  des 
Christentums  hält;  *)  er  entlehnt  endlich  manchen  Gedanken  dem 
,Liber  decausis"*)  und  anderen  mystischen  Schriften,  worunter 
besonders  jene  des  „Ägyptischen*  Philosophen  Mercurius**)  er- 
wähnt werden.  Aristoteles  selbst  gilt  zwar  als  der  Urheber ') 
des  peripatetischen  Lehrsystems  und  als  ein  Mann,  der  in  der 
Ergründung  der  Naturdinge  und  in  jeglicher  Wissenschaft  Groües 

»)  Jourdain  a.  a.  O.  S.  289. 

»)  Jourdain  a.  a.  0.  S.  298  f.    Valois  a.  a.  0.  S.  'iOr.  f. 

^)  Guttinann,  Revue  des  eludes  juives  Tom.  XVll!.  p.  243  ff  Üers., 
Die  Fliilosuphie  des  Salornon  ibn  Gabirol  ( Avicebron],  Göttingen  1889,  S.  54  IT. 

*j  De  Un.  I.  p.  I.  c.  2«,  p.621  (2).    Vgl.  Guttmann  a.  a.  O.  S.  .55. 

^)  Wenn  Wilhelm  dieses  Buch  citiert,  su  geschieht  es  mit  dem  Aus- 
druck ^difit  philosophus".  De  Un.  II.  p.  1.  c.  39,  p.  839  (1).  De  an.  VII.  6, 
p.  211  (2). 

')  Drei  Böcher  schreibt  Wilhelm  diesem  Autor  zu:  liber  de  deu  deorum 
(de  anima,  prologus,  p.  H5,  de  leg.  p.  H6  (2),  de  vü.  et  pect:,  p.  268  (1),  de 
Un.  L  p.  lU.  C.21,  p.787,  ebd.  U.  p.  III.  c.  122.  p.l0r)0(2),  mit  dem  der  Asklepius 
des  Apulejus  gemeint  ist  (vgl.  das  wörtliche  Citat  de  leg.  c.  23,  p.  «ü  (2j 
aus  Apulej.  Ascl.  c.  23—24;  27-28;  ed.  Goldbacher  p.  45,  18—19;  46,  9—11; 
12—13;  13-15;  p.  M,  16—24;  y9,  15—20;  s.  auch  unten  S.  21,  Anm.  ti),  und 
mit  dem  der  über  de  verboperfectos.  lugos  telios  (de  un.  I.p.  I.  c.2ü,  p.621) 
identisch  sein  dürfte;  ferner  liber  de  captionibus  animalium  et  ferurum 
(de  Un.  II.  p.  II.  c.  76,  p.  03u  ^  l),  aus  dem  er  seine  nicht  gar  seltenen  Bemerkungen 
über  die  instinktiven  Tbätigkeiten  im  Tierreich  genommen  haben  mag;  endlich 
liber  Septem  plnnelaruni  (De  Un.  11.  p.  IL  c.  37,  p.881  (2J;  ebd.  c.  100,  p. 953). 

^}  De  Un.  II.  p.  l.  c.  45,  p.  843  (1). 


geleistet  habe,  allein  er  tritt  nicht  in  jenem  Grade  in  den  Vor- 
dergrund, wie  dies  bei  den  späteren  Scholastikern  der  Fall  war. 
Mit  welchem  Maßstäbe  Wilhelm  noch  den  griechischen  Philo- 
sophen bemÜJt,  dafür  zeugt  die  tadelnde  Bemerkung,  daß  Aristo- 
teles nicht,  wie  es  sich  für  einen  solchen  Mann  geziemt  hätte, 
die  Bücher  der  Hebräer  und  der  Magier  gelesen  habe  *)  Dieses 
Urteil  unseres  Scholastikers  verrät  nicht  blos  den  der  ganzen 
Zeit  eigentümlichen  Mangel  an  geschichtlichem  Verständnis;  es 
zeigt  auch,  wie  wenig  M^ilhelm  von  dem  Geiste  der  aristotelischen 
Philosophie  selbst  in  sich  aufgenommen  hatte.  Bei  aller  freund- 
lichen Stellungnahme  zu  Aristoteles,  welchem  man  in  richtig  er- 
kannten Meinungen  folgen  solle,  •)  beschränkt  sich  die  Ver^ver- 
tung  der  aristotelischen  Philosophie  in  den  Werken  Wilhelms 
auf  ein  fragmentarisches  Herausgreifen  einzelner  Sätze  und  Ge- 
danken, ohne  das  System  in  seinen  Grundbegriffen  zu  erfassen. 
Von  einer  Paraphrasirung  oder  Konimentirung  eines  aristoteli- 
schen Textes  findet  sich  keine  Spur.  So  erscheint  die  Arbeit 
unseres  Autors  mehr  als  Stückwerk,  und  sein  unmethodisches 
Verfahren  konnte  keinen  durchschlagenden  Einfluß  auf  die  Um- 
gestaltung des  Lehrgehaltes  selbst  gewinnen. 

Von  dem  soeben  dargelegten  Gesichtspunkt  aus  läßt  sich 
nun  vielleicht  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  ein  Schluß  ziehen 
auf  die  Abfassungszeit  der  in  Frage  stehenden  Werke.  Jour- 
dain=*)  behauptet,  Wilhelm  habe  um  das  Jahr  12J0  geschrieben. 
Hätte  aber  unser  Scholastiker  wirklich  um  jene  Zeit,  zu  welcher 
auch  Alexander  von  Haies  ^)  an  seiner  „Summa  universae  Iheo- 
logiae"  arbeitete,  seine  Bücher  abgefaßt,  so  wären  sie  inhaltlich 
und  methodisch  anders  ausgefallen.  Sie  müßten  unseres  Krach- 
tens  in  Bezug  auf  philosophischen  Fortschritt  eine  ungleich 
größere  Ähnlichkeit  mit  dem  genannten  Werke  aufzuweisen  ha- 
ben. Der  Einwand,  welcher  gegen  die  frühere  Abfassung  der 
fraglichen  Schritten  aus  dem  bekannten  Bücherverbot  vorn  Jahre 


»)  De  Un.  II.  p.  I.  c.  45,  p  843  {l). 

')  De  an.  II.  1'2,  p.  82  (2):  sie  suscipienduä  est,  id  est  sustinendus  (Ari- 
stoteles) in  eis  omnibus,  in  quibus  recte  sensisse  invenitur. 

")  Jourdain  a.  a.  0.  S.  211. 

*)  Endres,  Des  Alexander  von  Haies  Leben  und  psychologische  Lehre, 
1888.  S,  l«. 


1210')  und  dessen  wicderliolter  Erneuerung  entnommen  werden 
könnte,  vermag  eine  derartige  Annahme  kaum  zu  entkrätlen. 
Denn  sosehr  man  auch  über  die  Auslegung  und  die  Verbindlich- 
keit *)  jener  Censuren  verschiedener  Meinung  sein  kann,  soviel 
muß  jedenfalls  zugegeben  werden,  daß  eine  vorsichtig  den  Wahr- 
heilsgehalt prüfende  Beschäftigung  und  eine  dementsprechende 
schriftliche  Verwertung  niemals  und  hinsichtlich  keines  aristote- 
lischen Textes  untersagt  sein  konnte.  Sonst  hätte  es  unmöglich 
zu  der  von  der  kirchlichen  Autorität  angestrebten  Reinigung 
jener  physischen  und  metaphysischen  Schriften  und  zu  deren 
Einbürgerung  in  den  christlichen  Schulen  kommen  können.  Daß 
Wilhelm  seine  Werke  früher  niederschrieb,  alsJourdain  annahm, 
dafür  spricht  femer  auch  die  energische  Stellungnahme  gegen 
die  manichäischen  Irrtümer  der  Katharer.  hi  den  ersten  ^)  Ka- 
piteln von  ,De  Universo"  sucht  er  in  der  ausführlichsten  Weise 
den  Hauptsatz*)  dieser  Sekte,  die  Annahme  eines  guten  und  eines 
bösen  Prinzipes,  zu  widerlegen.  Aus  dieser  eingehenden  Polemik 
sowie  aus  einer  am  Anfang  derselben  gemachten  Bemerkung, 
welche  die  Irrlehren  der  Katharer  als  noch  höchst  gefähriich 
darstellt  *)  und  von  dem  Vorgehen  der  kirchlichen  und  weltlichen 
Autorität  als  von  gegenwärtig  sich  abspielenden  Ereignissen  zu 
sprechen  scheint,  läßt  sich  schließen,  daß  die  Zeit,  in  der  Wilhelm 
seine  Feder  führte,  jenen  Wirren  nicht  gar  zu  ferne  stehen  kann^- 
Nun  fällt  aber  der  letzte  Kreuzzug  gegen  die  Irrlehrer  im  süd- 
lichen Frankreich  in  das  Jahr  1213«).     Damit   hatte  die  Bewe- 


')  Bardenhewer,  die  pseudoftristotelische  Schrift  Ober  das  reine  Gute, 
Freiburg  1882,  S.  212  flF. 

')  Schneid,  Aristoteles  in  der  Scholastik,    Eichstädt  1875,  S.  2)  tl. 

")  De  Un.  I.  p.  I.  c.  2—11. 

*)  De  Un.  I.  p.  I.  c.  2,  p.  594  (.2):  Hie  ergo  seductor  (Manes)  et  falsi- 
loquenü  'gegen  fasiloquens  des  Textes)  posuit  duo  esse  principia,  duos  esse 
deos,  et  iiominavjt  alterum  deum  lucis  etdeum  benignutii,  alterum  vero  deum 
tenebrarum  et  deum  malignura. 

^)  De  Un.  I.  p.  I.  c.  2,  p.  594  (1):  cuepit  error  iste  fere  cum  ipsa  lege 
Christianorum  fuitque  et  est  adhuc  non  solum  perniciosissimus,  sed  etiam 
pestilentissimus:  quapropter  ipsum  etiam  gladio  et  igne  persequi  et  extermi- 
nare  usque  hodie  i'irens  Christianorum)  non  dcsistit. 

'i  Itrück,  Lehrliui-h  der  Kirchen^eschichte,  Mains  Ibt^l.  S.  ö2J  f. 


8  _ 

gung  ihren  Höhepunkt  erreicht  und  die  Gefahr,  welche  Wilhelm 
andeutet,  war,  wenn  auch  nicht  ganz  abgewendet,  doch  bedeu- 
tend herabgemindert.  Bringt  man  also  die  angeführten  Äußerun- 
gen mit  den  geschichtlichen  Thatsachen  in  Verbindung,  so  er- 
giebt  sich,  dafi  unser  Autor  wenigstens  „De  Universo*  um  das 
Jahr  1213  begonnen  haben  konnte.  Eine  ähnliche,  hinsichtlich 
der  Zeitangabe  aber  weniger  bestimmt  lautende  Bemerkung,  ^) 
die  ebenfalls  von  einer  Verfolgung  der  Katharer  redet,  deutet 
darauf,  daß  auch  „de  anima"  zu  einer  Zeit  geschrieben  sei,  wo 
die  Irrlehre  noch  offene  Anhänger  fand,  also  nicht  gar  zu  lange 
nach  den  vorhin  genannten  Kriegen.  Da  nun  „de  trinitate",  wie 
schon  früher  erwähnt,  vor  den  beiden  letzten  Schriften  abgefaßt 
wurde,  so  dürfte  Wilhelm  seine  philosophischen  Werke  kurz  vor 
1213  begonnen  und  dieselben  in  den  zwanziger  Jahren,  noch  vor 
seiner  Erhebung  auf  den  bischöflichen  Stuhl,  vollendet  haben.  *) 
Hiermit  findet  dann  auch  die  oben  besprochene  geringwertige 
Ausbeutung  speziell  der  aristotelischen  Philosophie  in  den  genann- 
ten Werken  ihre  Erklärung. 

Was  schießlich  die  Beachtung  anlangt,  welche  unser  Au- 
tor bisher  in  der  Geschichte  der  Philosophie  gefunden  hat,  so 
biingt  französischerseits  weitaus  den  besten  und  gründlichsten 
Bericht  die  Histoire  litteraire. ')  Nach  Angabe  der  Biogra- 
phie folgen  von  jedem  einzelnen  Werke  kurze  Skizzen.  Jour- 
dain*)  untersuchte,  wie  aus  dem  Vorhergehenden  ersichtlich, 
den  Ursprung  und  die  Art  der  von  Wilhelm  benutzten  aristote- 
lischen Texte  und  stellt  die  sonstigen  bei  Wilhelm  cilierten  Auto- 
ren zusammen.  Die  Angaben  Hauröau's*)  über  die  Schrift 
,De  Universo"  sind  im  ganzen  Wiederholungen  aus  der  Histoire  lit- 
teraire.    Seine  eigenen  ErÖi-terungen   beziehen    sich  vorwiegend 

')  De  an.  VII.  8,  p.  124  (2):  Quidam  veroerronei,  quos  gens  Christiano- 
rum  Don  immerito  gladio  et  igne  prosequitur,  posuerunt  eas  animas)  esse 
daemones  Incarceratos. 

')  Die  gleiche  Ansicht  vertritl  auch  Valois  a.  a.  0.  S.  238,  Anm.  1. 

■)  Histoire  litt^raire  de  la  France,  Tom.  XVIII,  p.  3f)7  ff  Kleinere  Ar- 
tikel bringen  Dictionnaire  des  sciences  philoi^phiques,  Paris  1815,  Tom.  II,  p. 
612;  NüUveUe  Biographie  Gönörale,  Paris  1858,  Tora.  XXII,  p,  K87  IT. 

*)  Jourdain,  a.  a.  0.  S.  289  und  298—299 

^}  Haureau,  De  la  pbilosophie  scolastique,  Paris  1850,  Tom.  I.  p.  432 
IT.    Histoire  de  la  pbilusophie  scolastique,  Paris  1872  tT.T.  II.  1|  P-  142—170. 


Äiif  die  Erkenntnislehrc.  Unrichtig  ist  es  indes,  wenn  der  fran- 
zösische Geschichtsschreiber  der  scholastischen  Philosophie  in 
der  Speculation  des  mittelalterlichen  Denkers  einen  kühnen 
Idealismus  nach  dem  Muster  von  Joh.  G  ottlieb  Fichte  erblickt. 
Die  Arbeit  von  Valois^)  trägt  einen  vorwiegend  Uterarhisto- 
nschen  Charakter.  Von  den  Deutschen  hat,  neben  Tiede- 
mann, »)  Stöckl")  versucht,  eine  Gesamtdarstellung  von  Wilhelms 
Philosophie  zu  geben.  Werner  verÖflFentlichte  eine  eigene  Ab- 
handlung^) über  dessen  psychologische  Lehren  und  behandelte 
in  einer  besonderen  Schrift  ^)  seine  Beziehungen  zu  den  Platoni- 
keni  des  12.  Jahrhunderts  und  zu  den  Lehren  der  Araber  und 
Avencebrols.  Neuestens  hat  noch  Guttmann^)  das  Verhältnis 
Wilhelms  zur  jüdischen  Philosophie  hervorgehoben. 

Nach  diesen  einleitenden  Bemerkungen  über  die  Schriften 
des  nachmaligen  Bischofs  von  Paris  und  deren  Stellung  in  der 
Entwickelung  des  mittelalterlichen  Denkens  können  wir  zu  un- 
serem eigentlichen  Gegenstande  übergehen.  Als  Thema  der 
folgenden  Abhandlung  sollen  die  erkenntnistheoretischen 
Lehren  aus  dem  Gedankensloffe  Wilhelms  herausgegriffen  und 
im  Zusammenhang  zur  Darstellung  gebracht  werden.')  —  Keiner 
der  früheren  Scholastiker  verfolgte  die  Vorgänge  des  Erkenntnis- 
lebens  mit  solchem  Interesse  wie  Wilhelm.  Er  war  der  erste 
unter  den  christlichen  Denkern  des  Mittelalters,  welcher  mit  voller 
Bestinuntheit  die  Frage    nach  der  Entstehung  des  Wissens  sich 

'i  S.  oben  S.  1,  Anni.  I. 

^j  Tiedemann,  Geist  der  spekulativen  Philosophie,  Marbui^  17!>\  IV, 
S.  AU  ff. 

')  Stockt,  Ueschiclite  der  Philosophie  des  Hittelalters,  Mainz  18t>5, 
II,  S.  326  ff. 

*)  Werner,  die  Psychologie  des  Withehn  von  Äuvergne,  Wien  1873 
(auch  Sitzungsb.  d.  phil  bist.  Klasse  d.  kk.  Akademie  d.  Wiss.  B.  73,  S-25T  IT.). 

*)  Werner,  Wilhelms  von  Auvei^ne  Verhältnis  zu  den  Platonikerii 
des  12,  Jahrhunderts.  Wien  1873  (Sitzungsberichte  der  phil.  hisL  Klasse  d. 
kk.  Akad.  d.  Wiss.,  B.  71,  S.  119  IT.). 

^)  G  u  1 1  ni  a  n  n  ,  die  Philosophie  des  Salomon  ihn  Gabirol  (Avencebroi), 
Göltingen  188!l,  S.  '>4  fl",  und  schon  li-üher  in:  Revue  des  ötu<Ies  juives, 
Paris,  Tom.  XVIII.  p.  243  tT. 

■i  Hiiuräau,  Werner  und  Valois  haben  in  ihren  kurz  vorhin  an- 
gerührten Werken  bereits  einigermaßen  die  Erkenntnistheorie  berücksichtigt, 
»her  eine  eingehende  Behandlung  dieses  Gegenstandes  ist  bei  ihnen  niclil  zu 
finden. 


10 

stellte  und  eine  Erklärung  der  Erkenntnisthatsachen  zu  geben 
versuchte.  Wie  kam  aber  Wilhelm  dazu,  diese  Frage  überhaupt 
aufzuwerfen,  nachdem  es  Jahrhunderle  lang  nicht  mehr  der  Fall 
gewesen  ? 

Die  nächste  Veranlassung  hiezu  bot  ihm  die  Bekanntschaft 
mit  den  arabischen  Philosophen.  Die  christliche  Spekulation 
war  mit  den  Arabern  zunächst  nicht  auf  dem  theoretischen  Ge- 
biete der  Ontologie  zusammengetroffen  —  dieses  blieb  einer  späteren 
Zeit  vorbehalten  — ,  sondern  in  Fragen  über  die  Entstehung  und 
Dauer  der  Welt,  über  die  Natur  der  rein  immateriellen  Substanzen 
und  der  menschlichen  Seelen.  Fast  die  gesamte  Polemik  Wil- 
helms in  »De  Universo"  und  „De  anima"  gruppiert  sich  um  die 
genannten  Punkte.  Aber  gerade  die  Bekämpfung  jener  Lehren, 
welche  die  arabischen  Peripatetiker  unter  Nachwirkung  des  Neu- 
platonismus  hinsichtlich  der  rein  geistigen  Wesen,  der  Intelli- 
genzen, und  bezüglich  der  menschlichen  Seelen  ausgebildet  hat- 
ten, machte  von  Seite  der  christlichen  Denker  ein  allseitiges  und 
tieferes  Eingehen  auf  die  Vorgänge  des  Erkennens  notwendig. 
Denn  nach  der  Meinung  der  Araber»)  erzeugen  die  zehn  Intelli- 
genzen lediglich  durch  einen  Erkenntnisakt  in  absteigender  Reihe 
die  eine  die  nächstfolgende  nebst  der  entsprechenden  Sphäre 
und  der  dazu  gehörigen  Himmelssecle,  bis  herab  zum  letzten 
Gliede  der  Entwickelung,  zur  gesamten  irdischen  Körperwelt. 
Die  Psychologie  sodann  war  zum  gröläten  Teil  aufgegangen  in 
einer  phantastischen  Erklärung  der  menschlichen  Erkenntnispro- 
cesse  durch  ein  oder  mehrere  außerhalb  der  Seele  stehende, 
geistige  Wesen.  *)  Sollten  diese  Lehren  eine  Widerlegung  finden, 
so  konnte  dies  nur  geschehen  durch  eine  ernsthafte  Berücksich- 
tigung der  Erkenntnisthätigkeiten  selbst.  Hiebei  vermochten 
die  Werke  des  Aristoteles  die  besten  Dienste  zu  leisten.  Allein 
erst  allmählich  gelang  es  den  Vertretern  der  christlichen  Wissen- 
schaft, den  ächten  Aristoteles  von  dem  unächten  zu  scheiden 
und  von  dorther  die  Waffen  gegen  die  Araber  zu  holen. 

')  Vgl.  Werner,  Wiltielms  Verhältnis  zu  den  Piatonikern  des  12. 
JahrlmnderU,  S.  26  u.  27. 

'}  Ober  diese  Theorien  der  arabischen  Philosophen  vgl.  aucli  F  r. 
Brentano,  Die  Psychologie  des  Aristoteles,  insbesondere  seine  Lehre  vom 
Fof%-  noti^tixö(,    Mainz  1867,  S   8 — 23. 


11 

Wilhelm  nun  führt  noch  größtenteils  mit  den  alten  Mit- 
teln, welche  ihm  die  Psychologie  der  früheren  Jahrhunderte  an 
die  Hand  gab,  den  Kampf.  Nur  einige  Gedanken  von  Wert  ent- 
nimmt er  dem  Aristoteles.  Was  wir  früher  gesagt,  trifft  beson- 
ders bei  der  Erkenntnislehre  zu;  sie  ist  im  Vergleich  zu  den 
l^istungen  der  Blütezeit,  wo  Albertus  Magnus  und  Thomas  von 
Aquin  die  Gedanken  des  Stagiriten  in  erkenntnistheoretischen 
Dingen  mit  Meisterschaft  wiedergeben,  nur  ein  Stückwerk  zu 
nennen.  Seine  Behandlung  der  Erkenntnisfragen  entbehrt  jeder 
einheitlichen  Darstellung,  und  die  betreifenden  Erörterungen 
finden  sich  an  den  verschiedensten  Stellen  zerstreut.  Er  kennt 
noch  nicht  den  Weg,  welcher  durch  Aristoteles  schon  vorge- 
zeichnet war.  Dies  darf  aber  sicherlich  als  sein  Verdienst  in 
Anspruch  genommen  werden,  dalä  er  die  zu  seiner  Zeit  auftau- 
chenden Erkenntnisfragen  aufgegriffen  und  in  Fluß  gebracht  hat. 
Soviel  zur  vorläufigen  Orientierung  über  die  Motive,  welche  Wil- 
helm zu  seinen  erkenntnistheoretischen  Erörterungen  hindrängten, 
und  über  die  Art  und  Weise,  wie  er  die  einschlägigen  Fragen 
zu  lösen  suchte. 

In  Anlehnung  an  Aristoteles  nimmt  unser  Autor  die  alte 
Scheidung  des  Erkenntnisgebietes  in  eine  sinnliche  und  eine  geistige 
Thätigkeit  auf.  Wir  haben  demgemäß  zu  handeln  von  der  sinn- 
lichen und  von  der  intellektiven  Erkenntnis.  Den  genann- 
ten Abschnitten  lassen  wir  in  einem  ersten  Teil  eine  knappe 
Darlegung  jener  Punkte  aus  der  Psychologie  vorangehen, 
welche  der  Erkenntnislehre  zur  näheren  Beleuchtung  dienen 
können. 

J. 

Psychologische  Vorfragen. 

Der  angehende  Kenner  des  Aristoteles  leitet  seine  Abhand- 
lung „de  anima"  ein  mit  erläuternden  Bemerkungen  zur  aristo- 
telischen Definition*)    von    der  Seele.     Er   entnimmt  dieselbe 

*)  De  an.  I.  1,  p.  t>5:  Anima  igitur  est,  prout  definit  Aristoteles,  ,per- 
fecliu  corporis  physici  organici  potentia  vitam  habentis," 


12_ 

einer  aus  dem  Griechischen  stammenden  lateinischen  Übersetzung. ') 
Wenn  aber  Wilhelm  diese  berühmte  Formel  des  Aristoteles  an 
die  Spitze  seiner  psychologischen  Erörterungen  stellt,  so  ver- 
hehlt er  nicht,  daß  er  mit  einem  gewissen  Selbstbewußtsein  und 
mit  dem  Gefühl*)  der  geistigen  Selbständigkeil  dieser  Definition 
und  ihrem  Autor  gegenüberstehe.  Zwar  nimmt  er,  dem  Zuge 
der  Zeit  folgend,  die  neuen  Termini  in  die  Psychologie  auf,  ohne 
aber  den  charakteristischen  Sinn,  welchen  sie  im  Systeme  des 
Stagirilen  haben,  damit  zu  verbinden.  Mit  der  wünschenswer- 
testen Klarheit  tritt  sein  eigentlicher  Standpunkt  hervor  in  einer 
fast  unmittelbar  nach  jenen  Erörterungen  sich  findenden  Be- 
stimmung*) der  menschlichen  Seele,  welche  vollständig,  wie  er 
selbst  zugiebt,  im  Geiste  der  früheren,  in  der  ersten  Hälfte  des 
Mittelalters  gebräuchlichen  Definitionen  gehalten  ist.*^ 

Wilhelm  kommt  es  bei  der  Entwickelung  seiner  psycholo- 
gischen Ansichten  vor  allem  auf  die  Feststellung  der  Substan- 
zialität,  Unteilbarkeit  und  Einfachheil  des  Seelenwesens 
an.  Die  Seele  ist  ihm  eine  völlig  einfache,  imnialerielle,  leben- 
dige Substanz,  weiche  nach  ihrem  ganzen  Sein  und  den  Eigen- 
schaften dieses  Seins  im  direkten  Gegensatz  zum  Körper  steht.  *) 
Leib  und  Seele  sind  beide  völlig  selbständige,  in  ihrem  Sein 
von  einander  unabhängige  SubsUinzen.  Es  braucht  kaum  der 
Erwähnung,  daß  dieser  SeelenbegrifT  von  dem  aristotelischen 
grundverschieden  ist  und  auf  Augustinus  zurückgeht. 

*)  Werner,  Die  Psychologie  des  Wilhelm  von  Auvergne,  S,  S,  hat 
unrichtig:  aus  einer  arabisch -lateinischen  Ül>erselzung;  vgl-  Jourdain, 
Recherches  eritiques,  S.  "290—292. 

^)  De  an.  1.  1,  p.  65:  Non  intret  autem  in  animum  tuum,  quod  ^o 
velim  uti  sermonibus  Aristotelis  taniquani  authenticis  ad  probationem  eorum, 
quae  dicturus  sum. 

')  De  an.  I.  3,  p.  67  (1) :  Nemo  autem  locutus  est  de  aninia  humana, 
qui  iUam  non  intelligat  per  hanc  rationem  seu  descriptionem  et  qui  eam  non 
nominet  „substantiam  viventem.incorpoream,  intelligentem  et  scientem  per  se 
et  proprie,  totumque  hominem,  hoc  est  omnia  interiora  hominis  et  exteriora, 
i-egentem." 

*)  Vgl.  hierüber  die  Schrift  Werners:  Der  Entwicklungsgang  der 
mittelalterlichen  Psychologie  von  Alkuin  bis  zu  Albertus  Magnus,  Wien  ltS7(>. 

')  De  an.  Vi.  13,  p.  83  (2):  Quod  autem  ita  ab  inviceni  discrepanles 
sint  subslantia  spiritualis  et  substantia  corpuralis  et  earuni  utrarumque  dis- 
pofiitiones,  ut  praedixi,  eiemplo  uno  manifestum  est. 


13 

Mit  vollster  Deutlichkeit  kommt  nun  diese  Abweichung  *da 
zur  Geltung,  wo  es  sich  um  das  Verhältnis  von  Leib  und 
Seele  handelt.  Aristoteles  hatte  die  Begriffe  von  Materie  und 
Form,  in  welchen  er  der  ursprünglichen  Ableitung  gemäg  die 
realen  Bestandteile  1)  aller  körperlichen  Dinge  erblickte,  auch  auf 
das  biologische  Gebiet  übertragen.  Als  Form  des  Körpers ')  aber 
erscheint  bei  ihm  die  zugleich  als  vegetative  fungierende  sen- 
sitive Seele.  Der  vovq  ist  mit  dem  Körper  in  keiner  Weise 
vcnnischt*)  und  dem  Sein  nach  von  ihm  völlig  unabhängig. 
Beide  jedoch,  der  vovg  und  die  ohne  den  Körper  nicht  existenz- 
fähige sensitive  Seele,  sind  im  Menschen  zur  substanziellen  Ein- 
heit*) verbunden.  Keiner  der  Scholastiker  hat  sich  den  ari- 
stotelischen SeelenbegrifT  in  dem  dargelegten  Sinne  zu  eigen 
gemacht.  Um  so  weniger  vennochte  Wilhelm  in  die  Bedeutung 
desselben  einzudringen.  Er  wendet  zwar  auf  Leib  und  Seele'*) 
die  Termini  Materie  und  Form  an,  er  spricht  femer  von  der  Ver- 
bindung'^) beider  als  einer  Verbindung  zwischen  Materie  und 
Form;  allein  trotz  dieser  aristotelisch  klingenden  Ausdrücke  hält 
er  die  platonisch-augustinische  Auffassung  vom  Verhältnis  der 
Seele  zum  Leibe  fest.  Der  Leib  ist  für  die  Seele  nichts  anderes, 
als  was  das  Haus  ist  für  den  Bewohner,  das  Pferd  für  den  Rei- 
ter, das  Werkzeug  für  den  Handwerker.*^)  Dazu  mengt  er  noch 
das  den  Arabern  entlehnte  Bild  einer  Lichtquelle,  eines  äußeren 


')  G.  von  HertHng,  Materie  und  Form  und  die  Definition  der  Seele 
hei  Aristoteles.    Bonn  1871,  S.  2«  f. 

')  von  Hertling  a.  a.  0.  S.  150. 

')  von  Hertling  a.  n.  O.  S.  151— ir>r».  Zeller,  Philosophie  der  Grie- 
chen, 3.  Aufl.,  II  b,  s.  ms  ff. 

')  von  Hertling  a.  a.  0,  S.  144 ff.  Fr.  Brentano,  Die  Psjxhologie 
des  Aristoteles,  Mainz  imi,  S.  117,  Anm.  21.    Zeller,  a.a.O.  S.  567.  5i)2ff. 

^)  De  an.  I.  2,  p.  66  (2) :  Quoniam  autem  dicit  Aristoteles  in  libro  de 
anima,  quoniam  corpus  quidem  materia  est,  anima  vero  forma. 

*')  De  an.  1.  2,  p.  66  (2) :  Propter  hoc  humanilas  non  est  anima  sola, 
sed  anima  est  perfectio  ipsius  eor|>oris,  perfectio  inquam  essentialis,  quae  et 
])ars  illius  est  et  cum  materia  prima  componit  et  constituit  iUud.  Wilhelm 
wendet  sich  hier  gegen  die  Theologen  des  12.  Jahrhunderts,  welche  den  Be- 
griff des  Menschen  in  dem  Begriff  der  Seele  aufgehen  Hessen,  ohne  den  Kör- 
per zu  berücksichtigen ;  vgl.  Werner,  Tsycliologie  Wilhelms,  S.  24  f. 

0  De  an.  V.  9,  p.  1'25  (2). 


1^ 

Einflusses,  welcher  von  der  Seele  aus  dem  Leibe  zuströmt  und 
von  diesem,  wie  von  einem  Gefäße,  aufgenommen  wird.  >)  Dar- 
aus ergiebt  sich  zur  Genüge,  daß  bei  Wilhelm  von  einer  sub- 
stantiellen Einheit  zwisclien  Leib  und  Seele  im  Sinne  des  Ari- 
stoteles keine  Kede  sein  kann.  Die  Seele  ist  ja  nach  ihm  gar 
nicht  Seinsprinzip  des  Körpers  und  kann  es  nicht  sein,  weil  der 
letztere  als  eine  selbständige  Substanz  gedacht  wird;  sie  darf 
nur  als  Wirkursache  der  sämtlichen  am  Körper  zur  Erschei- 
nung kommenden  Thätigkeiten  angesehen  werden.  Ihre  Ver- 
bindung mit  dem  Leibe  ist  eine  Verbindung  der  Kraft  nach, 
per  contactum  virtutis,  wie  Thomas  von  Aquin  sich  ausdrückte. 
Der  Körper,  ein  rein  materielles,  an  sich  zu  jeder  Bewegung 
unfähiges  Gebilde,  bleibt  das  Werkzeug  ihrer  Bethätigung,  und 
eine  Wechselwirkung  zwischen  beiden  kann  nicht  stattfinden. 
Nur  ein  wirkendes»)  und  thätiges  Prinzip  giebt es  im  Menschen: 
die  Substanz  der  vernünftigen  Seele. 

Diese  Ausführungen  deuten  bereits  an,  welche  Stellung 
Wilhelm  gegenüber  den  aristotelischen  Seelenteilen  einnimmt. 
Auch  in  diesem  Punkte  derPsycliologie  des  Aristoteles  finden  wir 
unsern  Scholastiker  historisch  noch  nicht  ausreichend  unterrichtet. 
Nach  seinem  Berichte  *>)  hätten  nämlich  Aristoteles  und  die  Araber 
drei  Seelen  im  Menschen  angenommen ,  eine  vegetative,  eine 
sensitive  und  eine  vernünftige.  Eingehend  setzt  er  nun  die 
Gründe  auseinander,  die  zu  einer  solchen  Annahme  hingeführt 
hätten.  Es  sei  das  Prinzip  gewesen,  aus  den  spezifischen  Unter- 
schieden *)   der  Thätigkeiten  ebensoviele,  real  verschiedene,  Ur- 


')  De  an.  V.  24,  p.  152  (IJ :  Quoniam  illa  duo  (anima  et  corpus)  sunt 
sicut  dans  vitam  et  recipiens,  sicut  illuminans  et  illuminatum,  sicut  agens  et 
patiens,  sicut  influens  et  influentiam  recipiens. 

*)  De  an.  V.  8,  p.  124  (1):  declaratum  est  tibi  per  omnia  haec,  animam 
rationalem  sive  humanam  esse  substantiam  activam  et  agentem  in  semet 
ipsam  el  in  corpus, 

■)    De  an.  IV.  1,  p.  104  (1):    Gonveniens   est    nunc    ut    aggrediar  .  . 
destruere  errorem  eorum,   qui  scilicet  senserunt  illam  non  esse  unam  nee  in 
homine  esse  animam  unicam,  sed  plures,  numero   tres,   scilicet  vegetabilem, 
sensitivam  et  rationalem.    Vgl.  de  an.  VI.  5,  p.  162  (1). 

*)  De  an  IV.  1,  p.  105  (1):  Cum  igitur  tres  illae  species  operationum 
inveniantur  in  homine,  necesse  est  principia  et  causas  earum  inveniri  in 
•Ol lern :  liaer  autein  sunt  Ires  aniniae. 


__15 

Sachen  in  den  Lebewesen  zu  folgern.  Dieses  Argument,  und 
damit  die  ganze  Lehre,  bestreitet  Wilhelm  auf  das  entschiedenste. 
Wollte  man  so  schließen,  so  gäbe  es  nicht  bloss  drei  Seelen, 
sondern  nach  der  Zahl  der  im  Menschen  sich  findenden  Thätig- 
keiten  mindestens  fünfzehn.  ^)  Dieser  Sclilul^  aber  und  seine 
Voraussetzung  sind  falsch.  Alle  diese  ThätigkeJten  müssen  auf 
ein  einziges  Prinzip  *)  zurückgeführt  werden,  auf  die  vernünftige 
Seele,  welche  auch  die  Ursache  der  vegetativen  und  sensitiven 
Funktionen  sei.  Wir  sehen,  wie  Wilhehn  alle  im  Körper 
sich  vollziehenden  Thätigkeiten  der  immateriellen,  geistigen  Seele 
zuschreibt  und  dadurch  die  sensitive  Seele  des  Aristoteles  einfach 
umgeht.  Hierin  sind  ihm  die  späteren  Scholastiker  gefolgt. 
Auch  Thomas  von  Aquino  z.  B.  hat  nicht  den  vollen  aristotelischen 
Seelenbegriff  aufgenommen;  auch  er  sieht  die  intellektuelle 
Seele")  als  Form  des  Körpers,  und  damit  als  Subjekt  des  sensi- 
tiven and  vegativen  Lebens  an. 

Doch  findet  sich  zwischen  Wilhelm  und  den  Peripatetikern  der 
Blütezeit  noch  ein  bedeutsamer  Unterschied.  Durch  die,  wenn 
auch  unrichtig  verstandene,  aristotelische  Lehre  von  den  Teilen 
der  Seele  war  die  Frage  nach  dem  Verhältnis  der  spezifisch 
verschiedenen  Thätigkeiten  zunächst  zur  Seelenzahl  angeregt 
worden.  Aber  dieselbe  Frage  fährte  weiter.  Schon  zu  den 
Zeiten  Wilhelms  maclite  sich  das  Bestreben  geltend,  zur  Er- 
klärung der  einzelnen  Kraftgebiete  zwar  nicht  mehrere  Seelen, 
aber  unter  sich  und  von  der  Seelensubstanz  real  verschie- 
dene K r ä f te  oder  Polen zen  anzunehmen.  Alexander  von 
Haies  *)   vertrat  zuerst  diesen  Standpunkt,  welcher   so   ziemlich 


')  De  an   IV.  3,  p.  108  (1,  2). 

')  De  an.  IV.  3,  p.  107  (2) :  Declaratur  igitur  tibi  per  hanc  viam,  quod 
anima  una  numero  est  perficiens  hunc  hominera  sive  hoc  animal  rationale, 
et  eadem  est  perficiens  aoinial  et  vegetabile  sive  vivens.  Ebd.  p  107  (1): 
aninia  rationalis  sufficit  regere  ac  vivißeare  plenissime  corpus,  cui  advenerit. 

')  Stock  1,  GeschUhte  der  Philosophie  des  Mittelalters,  II,  S.  610. 
Siehe  Aber  die  Behandlung  dieses  anthropologischen  Problems  durch  Alber- 
tus Magnus:  Frhr.  v.  Hertling,  Albertus  Magnus,  Köln  1880,  S.  lir>— IIH. 

*)  E  D  d  r  e  s ,  Des  Alexander  v.  Hiiles  Lehen  und  j)sycho!i)gische  Lehre 
Ifi88,  S.  48. 


16 

allgemeine  Anerkennung  fand ')  bis  zum  Wiederaufleben  des 
Nominaiismus  durch  Wilhelm  von  Occam.  Die  Teile  der  Seele, 
weiche  Aristoteles  unterschied,  um  die  Verschiedenheit  ihrer 
Thätigkeiten  zu  bezeichnen  und  abzugrenzen,  waren  jetzt  zu 
realen  Potenzen  geworden,  als  deren  Subjekt  die  einfache,  im- 
materielle Seelensubstanz  galt.  Gegenüber  derartigen  Versuchen 
nun  zeigt  sich  Wilhelm  als  einen  ausgesprochenen  Anhänger 
der  von  Augustinus  sich  herleitenden,  durch  das  ganze  Mittel- 
alter bis  zu  ihm  herab  forterhaltenen  Traditionen.')  Mit  aus- 
drücklicher Berufung')  auf  die  berühmteren  und  weiseren  der 
christlichen  Lehrer  nimmt  er  Stellung  gegen  die  Auffassang  der 
Seele  als  einer  bloßen  Summe,*)  eines  bloßen  „Bündels-*  natür- 
licher Kräfte.  Nicht  minder  bekämpft  er  dann  die  Meinung, 
welche  im  Seelenwesen  eine  reale  Scheidung  zwischen  Substanz 
und  deren  Vermögen  oder  Potenzen  vollzog.  ^)  Ausführlich  wird 
dargelegt,  daß  die  Kräfte  der  Seele  nicht  als  verschieden  von 
ihr  aufgefaßt  werden  dürfen,  vielmehr  mit  ihrem  Wesen  iden- 
tisch seien  und  mit  demselben  zusammenfallen.  Sie  bezeichnen 
sämtlich  die  eine,  unteilbare  Seele,  insofern  sie  in  verschiede- 
ner Weise  thstig  ist.*)  Nur  die  Wirkungsweisen  sind  verschie- 
den, nicht  aber  das  wirkende  Prinzip.  Es  giebt  also  keine  von 
der  Substanz  real  verschiedene  Kräfte  oder  Potenzen  in  der 
Seele.  Jede  Teilbarkeit  muß  von  ihr  ausgeschlossen  werden.' 
Der  Folgenmgen,   welche   sich   aus  dieser  Auffassung  vom 


*)  Ausser  Richard  von  Middletowa,  welcher  von  Endres  a.  a.  0.  ange- 
führt wird,  ist  auch  Heinrich  von  Gent  (Stock!,  a.  a.  0,  S.753f.)  ein  Gegner 
dieser  Lehre. 

»)  Werner,  Psychologie  Wilhelms,  S.  11  ff. 

')  De  an.  III.  8,  p.  92  (2) :  aliqui  enini  ex  maicribus  et  sapientiorihus 
theologorum  legis  Christianorum  hoc  dixerunt  et  scripserunt,  sicut  apparere 
tibi  potest  ex  inspectione  librorum  illorum,  asserentes  expresse,  quia  anima 
humana  et  una  est  et  unum  est 

*)  De  an.  III.  1,  p.  87  (2):  aggrediar  destruere  errorem  quorundam,  qui 
putaverunt  eam  conipositam  esse  ex  viribus  sive  potentiis  suis  naturalibus. 

^)  De  an.  III.  2,  p.  88  (1):  Dicunt  enim  potentias  animae  qualitates  na- 
turales esse  in  ea,  quibus  omatur  ac  perficitur  essentia  sive  substantia  illius. 

*j  De  an.  III.  tJ,  p.  92  (1).-  lain  igitur  feci  te  scire  per  hoc,  qnod  po- 
tentia  apud  animam  hnmanam  nihil  est  aliud  quam  ipsa  anima  in  eis,  quae 
(iperalur  yter  p«sentiuiu  suant. 


17 


Tf^rhilllnis  (ier  Seele  zu  ihren  KiAfteii  ergab-n,  ist  sidi  Willieliii 
wohl  bewuUt.  Die  vernünftige,  iiiiiiiaterietle  Seele  nämlich 
niiifi  als  das  einzige,  unmittelbare  Subjekt  aller  TliAtig- 
kciten  betrachtet  werden.  Deswegen  äintl  auch  die  vegetativen 
und  sensitiven  Funktionen  geistiger  M  und  unvergüngllcher  Na- 
tur und  bestehen  fort,  wenn  auch  der  Körper  untergeht.  ')  Nur 
ihre  Bethntigung,  nicht  ihr  Sein,  hängt  vom  Leibe  ab.  So  sehr 
atier  auch  Wilhehii  in  diesem  Punkte  die  Anschauungen  der 
früheren  Jalirhunderte  verteidigt,  so  macht  sich  doch,  nur  nach 
einer  anderen  Seite  hin,  fremder  Einduü  merklich  gellend.  Un- 
ser Autor  verweist  uns  auf  Hlalo')  und  deasen  Schrift  über  die 
l-nsterblichkeil  der  Seele.  Der  letzlere  habe  gelehrt,  dali  die 
Seele  in  einem  unmittelbaren  Zusammenhange  mit  der  Quelle 
des  Lebens  stehe,  wodurch  ihr  ununterbrochen  und  dauernd 
der  Strom  des  Lebens  zuflieläe.  Wir  haben  hier  eine  indirekt 
wohl  auf  Aveiicebrol  zurückgehende*),  Wilhelm  durch  Domi- 
nikus  Gundisalvi  vermittelte,  Umformung  jenes  Argumentes 
vor  uns,  welches  Plato  im  Phaedo  für  die  Unsterblichkeil  der 
Seele  aus  deren  Teilnahme  an  der  Idee  des  Lebens  lührl  Jene 
Lcbeusquelle  ist  der  Schöpfer,  welcher  der  Seele  inmier  gegenwärtig 
bleibt  und  durch  unaufhörliche  Kinslrömung  dieselbe  bis  üum 
ÜbertUeäen  antüllt,  sudafi  sie  auch  ihrerseits   zu  einer  Quelle 


')  Oe  an.  V.  b,  p.  120  (2):  virtus  vero  tfresgibilix  et  virtus  visibil»  non 
minus  e«l  ipt^a  unliiia  liumana  e^aentialiler  quani  inlellecliva. 

»)  De  an.  V.  ^i.  p.  149  (t 

*)  De  immortalit.  anim..  Tom.  I,  p.  'ftÄt  (!):  Hae  enim  animiie  sie 
reverleotes  ab  ^xterioribus  ad  m  ip^a.t.  sirul  dicit  Pl»t{i  in  Hbro  de  inimor- 
laltUle  aiiimae.  indubitanter  sentiunt  seorsutn  se  esse  a  reg'ione  mortis, 
el  agi]o»:uiit  rontinuitatem  suam  et  c-oniunrttonein  ad  forUeni  vilae.  el  nihil 
to»t  tnterponibile  sibt  et  fuDli  vitae,  4juod  tluxum  vilae  super  illaä  impedtat 
el  arertat.  —  Die  Slelle  ist  Gundi^alvis  Schritt  de  immortalitate  animae  ent- 
nommen ivgl.  oben  S.  4),  in  der  atier  die  Verweittuni;  auf  Plaiu  r>eblt. 

*}  ftLebeDstjueile"  j^t  bekaiintticli  autb  der  Titel  vun  Aveucebrors 
Hauptwerk  , Avencebrolis  llbn  tiebiroll  Föns  ritae.  Ex  radicibus  r;iri<iini5. 
Aniplnnianii,  Colunibino  primum  edidil  Clemens  BHeuruker,  in  Bd.  I.  der 
Beiträge  zur  Gesch.  d.  Philui<.  d.  MiUelalters:  v^l.  besonders  tr.  V.  c.  13  gegen 
nde:  D.  Quis  est  fructua  i|uem  eonsequemur  ex  hoc  studio?  M.  F.vasio  mortis 
et  appltcatio  ad  originem  |=  funtcni]  vitae;;  und  Dominikus  (rundisalvi,  der 
MtlfdiTselKrr  dieses  Werkes,  ist  zugleich  der  Verfasser  oder  Übersetzer  der 
aller  WahrsrheinlJchkeit  UHcb  Klc^ichrails  uul  Avencebrol  zurQckgehenden 
Schrill,  welche  Wilhehii  hier  ausschreibt- 


18 

von  Leben  wird,  welches  sie  teils  in  sich  selbst  ausfließen  läfät 
in  den  höheren  Thätigkeiten  des  Erkennens  und  Wollens,  teils 
aber  in  den  Körper  und  die  körperlichen  Organe  hinausströmt 
als  vegetatives  Leben,  als  die  Kräfte  der  körperlichen  Bewegung 
und  der  sinnlichen  Funktionen. ')  In  dieser  eigentümlichen 
Weise  betrachtet  Wilhelm  die  Seelenthätigkeiten  als  Ausflüsse 
aus  deren  Wesen,  die  aber  in  letzter  Instanz  Ausflüsse  der  Gott- 
heit selbst  sind.  Ganz  ähnlich  denkt  sich  unser  Scholastiker 
die  Wirksamkeil  der  übrigen  Kreaturen.  Sie  erscheinen  als 
Durchgangspunkte  der  einen  göttlichen  Ursache,  aus  welcher 
auch  alles  Sein  bei  der  Schöpfung  ausgeflossen  ist.*) 

Der  Gedanke  eines  unmittelbaren  Zusammenhanges  der 
Seele  mit  der  Gottheit  kehrt  bei  Wilhelm  in  anderer  Formulie- 
rung und  in  einem  etwas  anderen  Sinne  wieder.  Unser  Schola- 
stiker gebraucht  nfimlich  mehr  als  einmal  die  W^endung,  die 
Seele  stehe  im  Horizont,  an  der  Grenze  zweier  Welten.  •) 
Er  war  aber  nicht  der  erste  und  nicht  der  letzte,  welcher  diesen 
Satz  dem  durch  Gerbard  von  Cremona  in  den  Jahren  1167—1187 
aus  dem  Arabischen  übersetzten  „Liber  de  causis*  entnahm.*) 
Dieses  Buch  ist  ein  Auszug  aus  der  aTotxfiotaig  OtoXoytxti  des 
Neuplatonikers  Proklus  und  von  einem  arabischen  Autor,  ver- 
mutlich um  das  10.  Jahrhundert,  aus  einer  arabischen  Über- 
setzung des  neuplatonischen  Werkes  hergestellt.  -'>)  Bei  Alanus 
von  Lille  (1202  f)  findet  sich  die  Schrift  zum  erstenmal  be- 
nutzt. ^)  Von  da  an  haben  neben  den  Werken  des  Aristoteles 
nicht  viele  Bücher  in  der  philosophischen  Lilteratur   des  Mittel- 


')  De  an.  V.  24,  p.  152  (IJ:  .  .  .  ipsae  aniinae  humanae  fontcs  vilae 
sunt  et  praesentia  creatoris  in  ipsis  implentis  eas  usque  ad  redundantiäm 
antedictam.  De  an.  VI.  4.  p.  Ihii  v2):  animam  huraanam  fontem  esse  veris- 
simum  Titalium  influentiarum,  quae  sunt  vila,  seosus  et  rnotus. 

»)  De  an.  V.  2,  p.  113  (I).    De  Irin.  V,  p.  6  (1). 

')  De  an.  VII.  6,  p.  211  (2):  ponendum  est,  animam  humanam  velut 
in  Horizonte  duorum  mundorum  naturaliter  esse  constitutäm  et  ordinatam. 
Vgl.  De  an.  VI.  33,  p.  193  (1).  De  Un.  II.  p.  III.  c.  20,  p.  1056  (I);  c.  21. 
p.  1057  (l). 

*)  Bardenhewer,  Die  pseudo-aristotelische  Schrift  üb«r  das  reine 
Gute,    Freiburg  i.  B.  1882,  S.  U«. 

')  Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  37  und  51. 

*)  Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  205  ff. 


19 

alters  eine  so  einflußreiche  Rolle  gespielt  wie  der  »Liber  de  cau- 
sis'  ')  Von  sämtlichen  bedeutenden  Scholastikern  citiert  und 
oft  in  überraschender  Weise  zu  Beweisführungen  benutzt^  er- 
streckt es  seine  Wirkungen  bis  ins  17.  Jahrhundert  herab.  •) 
Es  kann  also  nicht  auffallen,  wenn  auch  Wilhelm  auf  die  Leh- 
ren dieser  Schrift  Rücksicht  nimmt.  Am  meisten  Zugkraft  übte 
auf  dessen  Denkweise  jener  Gedanke,  welcher  der  Seele  die 
Stellung  zwischen  Ewigkeit  und  Zeit^)  zuweist.  Abgesehen  von 
dessen  Verwertung  bei  metaphysischen  Erörterungen  über  Zeit 
und  Ewigkeit  kommt  derselbe  zu  vollster  Geltung  in  der  Psycho- 
logie und  speciell  in  der  Erkenntnislehre. 

Wilhelm  mußte  seine  eigenen  Anschauungen  mit  jenem 
Satze  verwandt  finden.  Er  dachte  sich  ja,  wie  zuvor  hervorge- 
hoben worden,  die  Seele  nach  ihrem  Sein  und  ihren  Thätig- 
keilen  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  Gott,  *)  er  nahm  die 
Möglichkeit  einer  direkten  Erkenntnis  jenes  Zusatnmenhanges  an, 
er  huldigte  dem  augustinischen  Gedanken  von  der  unmittelbaren 
Gegenwart  der  ewigen  Wahrheit*)  in  der  Seele,  wie  wir  später  zei- 
gen werden.  Nichts  anderes  als  diese  Überzeugung  des  christ- 
lichen Denkei-s  schien  in  der  fraglichen  Stelle  ausgesprucheii 
zu  sein.  Man  brauchte  nur  statt  der  bloßen  Zeitbestimmungen  die 
Objekte  zu  setzen,  von  welchen  diese  gelten,  nämlich  Gott  und 
die  sinnlichen  Dinge,  dann  kam  dem  so  ergänzten  Gedanken  des 
Liber  de  causis  sogar  die  Bedeutung  einer  christlichen^)  Wahr- 


')  Diese  Bezeichnung  findet  sich  zum  ersten  Mal  bei  Alexander  von 
Haies.    Bardeuhewer  a.  a.  0.  S.  20ö. 

«)  Bardenhewer  a.  a.  O.  S.  205-302. 

^)  Bardenhewer  a.  a.  0.  S.  165,  §  2:  esse  autem  quod  est  posl 
aeternitatem  et  supra  tempus  est  anima,  quoniam  est  in  orizonte  aeternitatis 
inferius  et  supra  tempus. 

*)  Siehe  oben  S.  17,  Anm.  3. 

*)  De  Un.  II.  p.  111.  c.  2i),  p.  lOM  (2) :  quia  sapiens  et  sanctus  isLe  ip- 
»m  lucem  interiorem,  ex  qua  emicant  irradiationes  hulusmodi,  vocatsieter- 
Dam  veri  taten  I. 

*)  De  an.  VII.  Vi,  p.  211  (2):  Secundum  doctrinam  autem  Christianoruni, 
quam  necesse  est  per  omnia  et  in  omnibus  esse  verissimam  et  ab  omni 
faLsitate  et  errore  depuratissiniam,  ponendum  est  animam  humanam  velut  in 
hnrizonte  duorum  mundonim  naturaliter  esse  constitatam  et  ordinataiii. 

2» 


hoil  zu,  welche  sich  mit  Stollen  ans  der  Bibel  belogen  ließ.  *) 
Auf  dieser  Grundlage  nun,  welche  über  jeden  trrlum  erhaben 
ist,*)  sucht  Wilhelm  das  Ideal  der  menschlichen  Erkenntnis  zu 
schildern.  AU  Theologe  nämlich  beschäftigt  er  sich  mit  beson- 
derer Vorliebe  mit  dem  Krki:^ntitniszustand  des  Menschen  vor 
der  Sünde.  I»ie  Seele  steht  kndl  ihrcH  ursprünj^lichen,  bei  der 
Schöpfung  ihr  verliehenen  Adels  ira  Horizont  zweier  Welten.  *) 
Die  eine  ist  die  geistige  Welt,  die  ewige  Wahrheit,  der  Schöpfer, 
und  die  rein  immateriellen  seeligen  Oi^ister,  die  andere  die  sinn- 
liche, irdische  Körperwelt.*)  Iin  Besitze  der  höchsten  Freiheit 
vermag  die  intellektive  Kraft  nach  eigenem  Belieben  mit  größter 
Leichlitfkeii  sich  bald  dem  einen,  bald  dem  anderen  Erkenntnis- 
gebiele  zuzuwenden.'')  Gott  der  Schöpfer  und  die  immateriellen 
Substanzen  werden  durcli  ein  unmittelbares  geistiges  Schauen 
und  Betrachten  erkannt  ")  Die  Kenntnis  der  sinnlichen  Welt 
schöjit^  die  Seele  aus  einer  inneren  Lichtfülle  mit  vollster  Klar- 
heit und  Deutlichkeit  ohne  der  Sinne  zu  bedürfen.*)  Diese  letz- 
teren erscheinen  in  jenem  Zustand  der  ursprünglichen  Gesund- 
heit, Reinheit  und  Preihcil  als  bloßes  Beiwerk,  welches  für  diis 
7usUindekommen  der  t^rkennliiis  selbst  unnötig  ist.*^)  Wilhelm 
fühlte  das  Mißliche,  welches  in  einer  solchen  Loslösung  der  sinu- 

»)  De  an.  VH.  ti,  p.  211  (2);  212  (l). 

»)  Vgl.  S.  lit,  Änm.  tj. 

^1  De  Uli.  II.  (I.  III.  c.  21,  I«.  KITi?  il):  ift"i  damit  tibi  per  ea,  quae 
pi-aecesseruDl.  Status  naturalis  anixriae,  i|UO  posita  «st  ip?a  nobililale  ^luecreM- 
tionis  in  horizoiite  dtioruni  nuindoium.   V^fl.  De  an    VI.  '.VA.  p.  Il>3  11)    unten. 

*i  De  nn.  VII,  fi.  p.  all  läl:  El,  siUer  jtiundoruiii  est  ei  inanUus  («nsil*i- 
liuni,  cui  cuDiunclissima  est  per  corpus:  alter  vero  crealor  ipse  e^ft  in  semel 
ipso.    Vgl.  De  Va.  II.  p.  III.  c.  21,  p.  lOÖT  (I,  2). 

")  De  an.  VI.  3B,  p.  19:-t  ilj:  Ex  i|Uij  appai-et  ipitam  (animani)  esse 
tauii|uani  in  horizante  cortimuni  duorum  munduruni  natufaliter  ordinatain  seu 
cunstituljtui  ei  in  libera  ipsius  voluntute  naturaliter  esse  positum,  utri 
istorum  niundoruin  duunim  se  accommodel  veJ  applicet. 

•'I  De  an  V.  Ifi.  p.  1118  (2):  sie  esse  n  virtule  intellertiva  per  jpsa  in- 
Lelligibitia  quemadmodum  est  eognitio  sensibilium  a  virtutibus  sensitivis  i>er 
ßensibilia.    Vgl.  De  an.  V.  14.  p.  VM  (1). 

'']  De  «n.  V.  17,  p,  J4'i  (1.2):  (Juod  si  ipiisilixerit.  quin,  pustquaiii  vis 
inlellecltva  tantae  luniinusitatis  e»sel  in  animaboa  humanis,  ul  el  universalia 
el  partiL-uluria  sive  sensibilia  rognosci  per  eain  |)Ossint  .  .  . 

')  De  an.  V.  17,  p.  142  (1). 


21 


liehen  Fanklionen  von  dem  Erkenntnisorganismus  lag.  Dahi^r 
bemerkt  er,  die  Sinne  hätten  ihre  Bedeutung  darin,  da.s  bereits 
durch  inlelk>ktuetlc  Anschauung  Erkannte  auch  noch  auf  dem 
Wege  der  sinnlichen  Erfahrung  zu  bestätigen  >)  oder  die  Herr- 
lichkeit des  Schftpfeis  auch  aus  der  Sinnenwelt  zn  erkennen*) 
oder  endlich  die  Redürfiüsse  des  eigenen  und  des  gesellsehafl- 
Hclien  Lebens  zu  befriedigen.») 

Es  mag  vielleicht  nicfil  uninteressant  sein,  wie  der  Scho- 
lastiker des  13.  Jahrhunderts  diese  rein  theologischen  Ausfüh- 
rungen an  einen  aus  dem  J^iber  de  causis"  entnommenen  und 
bn  christlichen  Sinne  gedeuteten  und  ergänzten  Gedanken  an- 
knüpft; allein  philosophisch  vermögen  sie  keinen  Wert  zu  bean- 
spruchen, liöchslens  könnte  man  in  der  Durchführung  schwache 
Reminiszenzen  an  platonische  Lehren  erblicken.  Ihr  Ausgangs- 
punkt war  ein  Uieologischer,  die  Lehre  von  der  Vollkomtnenheit 
auch  der  natürlichen  Knlfte  des  Menschen  vor  der  tiünde.  In 
historischer  Beziehung  jedoch  bekunden  sie  aufs  deutlichste  den 
Zusammenhang  Wilhelms  mit  der  Denkrichtung  des  zwülften 
Jahrhunderts.  Hugo  von  St.  Viktor  *)  und  Peter  der  Lombarde  •"•) 
betiandelten  den  gleichen  Gegenstand  in  ähnlicher  Weise.  Auch 
in  einem  anderen  Punkte  stimmt  Wilhelm  niil  den  genann- 
ten Theologen  überein,  wobei  sich  allerdings  der  Einfluß  platoni- 
sierender  Autoren,  besonders  der  dem  Merkurius  Trismegistus 
zugeschriebenen  Schrift  pde  deo  deorum"*)  —  es  ist  der  A.sclepius 
des  Apulejus— bemerklich  macht.  Wie  jene,  so  will  auch  erden 
jetzigen,  erfahrungsmäßigott  Erkenntniszustand  aus  dem  SiindcnfaJl 
ableiten.     Er  kann  nicht  oll  y^nug  wiederholen,')  duti  die  Seek' 

')  L)e  an.  V.  17,  p.  143  (1):  nihil  tarnen  probibet  eidem  posse  placerc. 
ut  aliter  res  sensibiles  rognoseat  ei  de  eis  experiatur. 

*)  De  an.  V.  18,  p.  143  ^l). 

•)  De  an.  V.  18,  p.  143  1,2). 

^)  Stockt,  Geschichte  der  Philosophie  «les  MilLelalters,  Mainz  1861, 
I,  S.  3ja 

«}  StOckl  ii.a.  0.  5.  409. 

*)  De  Un.  IL  p.  III.  r.  20,  p.  Iü56  :2).  De  an.  VI.  3:1,  p.  1!»3  ^2).  Ober 
die  SchriR  de  deo  detiruiu  vjfl.  oJieu  S.  5  Anni  il.  Wilhelm  hat  an  beiden 
oben  cilierten  Stellen  Apulej.  Asclep.  c.  12.  p.  M,  \l—U  (Joldbachpr  iquarc 
aniinam  obturlo,  ut  iihiul,  dt-liiiol  coltn)  im  Sinn. 

')  Am  eiogeheniJHten  Ufimndell  er  diesR  UieologiscUe  Lehre  'le  an. 
p.  1/7-133. 


22 

durch  die  Sünde  von  der  Höhe  ihrer  ursprunglichen,  bei  der 
Schöpfung  ihr  mitgegebenen  Lichtfülle,  herabgestürzt  wurde.») 
Zwar  war  dieselbe  aus  ihrer  Stellung  im  Horizont  der  geistigen 
und  sinnlichen  Welt  nicht  hinausgedrängt,  sie  behält  auch  nach 
der  Sünde  ihr  Doppelgesicht»)  bei,  vermöge  dessen  sie  sich  den 
höheren  geistigen  und  körperlichen  Dingen  je  nach  Belieben  zu- 
wenden kann.  Allein  in  der  Erkenntnisweise  dieser  beiden  Wel- 
ten ist  eine  vollständige  Änderung  eingetreten.  Während  früher 
der  Intellekt  sich  mit  vollster  Freiheit  und  Leichtigkeit  zur  Schau- 
ung des  Schöpfers  emporheben  konnte,  gelingt  es  jetzt  nur  mehr 
wenigen  und  erst  nach  vieler  Mühe  durch  Ascese  unter  dem 
Einfluß  der  göttlichen  Gnade.')  Der  Zug  zum  Sinnlichen  hält 
die  Seele  niedergebeugt  zur  Erde,  und  die  Bilder  der  Sinnendinge 
erschweren  ihr  Aufsteigen  zur  immateriellen  Welt  der  Geister.*) 
Bezüglich  der  materiellen  Einzelndinge  hingegen  erlitt  die  intel- 
lektive  Kraft  der  Seele  eine  völlige  Verdunkelung.  Des  ihr  eigen- 
tümlichen Lichtes,  durch  welches  sie  in  sich  selbst  ohne  Mitwir- 
kung der  Sinne  die  irdische  Welt  erfaßte,  wurde  sie  vollständig 
beraubt,  in  dem  jetzigen  Zustande  des  Elendes  und  des  Ver- 
derbnisses  muß  der  Intellekt  betteln  gehen  bei   den  Sinnen    und 

*)  De  an.  V.  19,  p.  144  (1):  Ex  bis  igitnr  apparet  tibi,  quam  ileiectn 
et  depressa  sit  ab  altitudine  luminosilatis  et  nobilitatis  suae  nRturalis  virtus 
intellectiva  sive  anima  humana  quantum  ad  illam. 

')  De  immort.  an.,  Tom.  I,  p.  334  (2):  Manifestum  est,  virlutem  istam 
nobilem  esse  duarum  facierum,  quarum  altera  illuminatur  a  rebus  .«lublimi- 
bus  et  altera  illuminabiljs  est  ab  inferioribos  corpoialibus  et  sensibilihus,  et 
eadem  virtus  est  et  eadem  facies  Wilhelm  konnte  diesen  Ausdruck  dem 
Avicenna  entnehmen,  bei  dem  derselbe  freilich  einen  anderen  Sinn  hat 
Nach  Haneberg  („Zur  Erkenntnislehre  des  IbnSina  und  Albertus  Magnus*, 
Abhandl.  d.  pbilos.-pbilutog.  Klasse  d.  kgl.  bayrischen  Akademie  der  Wissen- 
schaften, Bd.  XI.  S.  199  f.)  verstand  Avicenna  darunter  die  beiden  verschiede- 
nen Vermögen  der  theoretischen  und  praktischen  Vernunft.  Vgt.  übrigens 
auch  Avencebrol,  Föns  vitae,  lll.  c.  37,  p.  165,  ti  16  ed.  Baeumker,  wo 
zwar  nicht  der  Ausdruck  ,duae  facies",  im  übrigen  aber  der  ganze  Gedanke 
Wilhelms  sich  genau  findet,  und  dazu  die  wettern  Nach  Weisungen,  welche 
Guttmann  a.  a.  0.  S.  148,  Anm.  2,  giebL 

»)  De  Un.  II.  p.  III.  c.  20,  p.  1054  (l,  2.) 

*)  De  an.  VI.  33,  p.  193  (2):  Verum  originalis  corruptionis  depressio 
alligatam  eam  detinet  corpori  et  incurvatam  ad  mundum  sensibilium  qaousque 
ut  ad  mundum  inteihgibilium  levare  se  non  possit  nisi  adiuta  ve)  visitatione 
ab  altissimo,  ut  audivisti,  vel  aliis  occasionibus.  Vgl.  De  Uu.  11.  p.  IM.  c.  2li, 
p.  l()5b  (1);  c.  21,  p.  1057  (2j. 


2S 

kann  nur  mehr  durch  deren  Unterstützung  und  Vermittelung  zur 
Erkenntnis  der  Einzelndinge  gelangen.*) 

So  kommt  Wilhelm  endlich  an  der  Hand  der  christlichen 
Lehren  auf  den  Boden  der  Erfahrung,  des  erfahrungsinäßigen 
Erkennens.  Bei  all  diesen  Erörterungen  hatte  er  seine  Vorgänger 
gehabt  an  den  Theologen  des  12.  Jahrhunderts.  Was  ihn  aber 
von  diesen  Männern  scheidet,  das  sind  seine  Betrachlungen  über 
die  Entstehung  und  die  Ursachen  der  thatsächhchen  Erkennt- 
nisTorgänge.  Trotz  der  Mangelhaftigkeit  und  des  unmelhodischen 
Verfahrens  bei  diesen  Untersuchungen  sehen  wir  doch  das  mit-- 
telalterliche  Denken  um  einen  bedeutenden  Schritt  nach  vor- 
wärts gerückt.  Die  hervorragendsten  Autoren  der  heidnischen 
und  christlichen  Philosophie,  Plato,  Aristoteles  und  Augustin, 
und  ihre  erkenntnistheoretischen  Lehren  werden  von  Wilhelm 
bereits  in  den  Kreis  der  Erörterung  gezogen. 

Ein  Anknüpfungspunkt  an  Aristoteles  fand  sich  in  der  so- 
eben dargelegten  Abhängigkeit  des  Intellektes  von  der  sinnlichen 
Erkenntnis.  Dieser  Gedanke  bildet  ja  ein  wichtiges  Element  in 
der  aristotelischen  Erkenntnislehre.  Wieweit  sich  Wilhelm  den- 
selben zu  eigen  gemacht,  werden  die  späteren  Ausführungen 
zeigen.  Vorerst  ist  es  unsere  Aufgabe,  die  Lehren  Wilhelms 
über  das  sinnliche  Erkennen  zur  Darstellung  zu  bringen. 

IL 

Die  Erkenntnis  dureli  die  Sinne. 

Wenn  Siebeck ")  bemerkt,  bei  Wilhelm  vonAuvergne  werde 
der  Sinnesthätigkeit  nur  vorübergehend  gedacht,  so  ist  das 
insofern  richtig,  als  unser  Scholastiker  die  hieher  gehörigen  Fra- 


'}  De  an.  V.  18,  p.  143  (2):  Nunc  autein,  hoc  est  tempore  miseriae  et 
romiplionis  praesentis,  necesse  habent  animae  humanae  mendicare  a  rebus 
sensibilibus  per  sensus  cognitiones  eoruni  sensibiles  propter  obtenebrationes 
Tirtutis  intellectiTae ,  quae  ad  exteriora  particularia  et  sensibilia  penitus 
caeca  est  et  ad  itla  omnino  non  attingens  nisi  sensibus  adiuta  et  aliquatenus 
illaminala. 

*)  Sieber  k,  Geschichte  der  Psychologie,  l.  Teil,  2.  Abt.,  Gotlia 
1884,  S.  40j.  Vgl.  Werner,  Psychologie  des  Wilhelm  v.  Auvergne,  S.  42, 
d«in  Siebeck  folgt. 


u 

gen  nirgends  in  zusammenhängender,  systematischer  Weise  zur 
Besprechung  bringt.  Allein  trotzdem  finden  nicht  unwesenlliche 
Punkte  dieser  Seite  des  Erkennens  erwähnenswerte  Berücksich- 
tigung, hii  einzelnen  beziehen  sich  diese  Bemerkungen  auf  die 
sinnhchen  Kräfte  und  deren  Organe  und  auf  eine  Art  Analyse 
der  Akte  des  Erkennens.  Der  EinAuß  aristotelischer  Gedan- 
ken Iritl  hiebei  sehr  deutlich  hervor. 

Wie  früher  dargelegt,  faßt  Wilhelm  die  Seelenkräfte  nicht 
als  reale,  von  der  Seelensubstanz  verschiedene  Potenzen  auf. 
sondern  als  die  Seele  selbst,  insofern  sie  thätig  ist.  Auch  die 
sinnlichen  Kraft  e  werden  mit  ihr  identisch  ({enommeii  und 
als  bloüe  Thütigkeilsilußerungen  gedacht.  Nicht  der  beseelte 
Leib,  wie  bei  Aristoteles,  sondern  die  geistige  Substanz  der  Seele 
gilt  als  das  Subjekt  der  sinnlichen  Vermögen ,  sodaß  die 
Akte  der  lelzleren  von  der  Seele  allein  mit  Ausschluß  jedes 
körperlichen  Faktors  vollzogen  werden,  wie  unser  Scholastiker 
im  bewuüten  fiegensalz  zu  Aristoteles  ausdrücklicli  hervorhebt.  ') 

Was  charakterisiert  nun  aber  die  sinnlichen  Kräfte  als 
solclieV  Einzig  ihre  Beziehung  zum  Körper  und  den  kör- 
perlichen Organen.  Diese  nind  die  physischen  Vorbedingimgen, 
die  unterstützenden  Mittel  und  Werkzeuge  für  die  Thätigkeil 
der  Seele  in  ihren  sinnlichen  Funktionen.*)  Was  nun  das  nä- 
here Verhüllnis  der  letzleren  zu  den  Organen  angeht,  so  greift 
Wilhelm  hier  auf  Aristoteles  zurück.  Damit  nämlich  die  Seele 
in  Thätigkeit  treten,  oder,  nach  aristotelischer  Terminologie,  die 
Potenz  in  den  Akt  übei-geheu »)  kann,  ist  von  Suite  der  Organe 


')  Dp  hh.  III,  11,  p.  102  (1):  I|M>ae  eniin  npenttionee'.  ()ua«  Hunt  |»er 
corpus,  ut  Odteiwum  esl  titti  in  praecetlentittus,  ipi<ius  animae  humanae  ve- 
riBBime  ac  propriissime  sunt,  sieut  est  loqui,  disputare  et  etiam.  quaniquam 
indi^netur  Aristoleles,  texere  el  aeilifieare.  V^l.  de  an.  II.  U,  p.  81  (ä). 
Arist.  de  an.  I.  4.  4U6  b  II. 

')  De  an.  V.  2^,  p.  149  (1):  Qu<m1  s\  (\uis  dixerit,  quia  quan- 
tum  ad  r'ires  inferiores,  ex  quibu.s  sunt  o|ieraüoneb  huiusmodi,  neresse  est 
animam  humanam  indigere  corpore  el  membris  corporalibus,  verum  utifpie 
dicit,  si  ifila  iudigentia  est  sühimmodo  quantum  ad  opcratioDcs  huiusmodi 
peni^'cndas. 

*)  De  un.  V.  23,  j>.  Ml*  l'2):  Caura  Liulcrn  in  hoc  esl,  quoniuni  putcntia 
liuiusniodi  non  exil  in  aiiiini  |*er  se  i[>suin  8<diun  iinmo  riecej^^surluiM  liiil>vl 
in«rlrumealuii)  ritlendi. 


I 


25 


eine  gewisse  Beschaffenheit  erforderlich,  welche  die  MitLf  hfill 
zwischen  zu  slarken  und  zu  scliwacheii  Reizen  der  äußeren  Ein- 
drücke. Die  ersleren  vernichten  die  Organe  durch  ihre  Heflig- 
keit  und  machen  so  eine  seelische  Bethütigung  unmöglich ,  die 
letzteren  dagegen  liegen  nach  modernem  Sprachgebrauche  unter- 
halb der  Ueizschwelle  und  reichen  infolge  ihrer  Schwäche  nicht 
hin,  eine  Thätigkeit  der  Seele  auszulösen. ') 

In  dieser  Abhängigkeit  von  kiirperlichcn  Organen  findet 
nun  Wilhelm  den  Grund  für  die  Teilung  und  Mehrzahl  der 
sinnlichen  Kräfte.  Die  Kindrücke  der  Au&endinge  wei- 
sen unter  sich  eine  groüe  Verschiedenheit,  ja  sogar  Gegensätz- 
lichkeit auf,  sodaü  es  uninügliclj  ist,  ein  einziges  körperliches 
Organ  zu  conslruieren,  welches  sie  alle  aufzunehmen  im  Stande 
Ware.  Es  müssen  daher  mehrere  Organe  vorhanden  sefn,  welche, 
entsprechend  den  äuiäeren  Eindrücken,  verschieden  gebaut  sind. 
Daraus  ergiebt  sich  nun  eine  Mehrheit  von  sinnlichen 
Kräften  und  eine  Beschränkung  jeder  einzelnen  auf  einen  be- 
slimnilen  Kreis  von  Erkermtni.sobjeklen.  Diesen  Umstünden  ist 
es  zuzuschreiben,  daü  der  Gesichtssinn  nicht  aufnahnisfilhig  ist 
lür  Töne  und  das  Gehör  keine  Karben  wahrzunehmen  vermag, 
daÜ  überhaupt  jeder  von  den  fünf  Sinnen  auf  eine  [leihe  be- 
stimmter, nur  ihm  eigenliimlicher  Objekte  beschränkt  erscheint.*) 
Dieser  Versuch  Wilhelms,  die  Ihalsächliche  Mehrheit  der  Organe 
und  sinnlichen  Kräfte  zu  erklären,  steht  den  entsprechenden  Kr- 
ürterungen  des  Arisloteles*)  noch  fem;  denn  dieser  will  ja 
die  Künfzahl  der  Sinne  aus  der  Verwandtschaft  der  Organe  mil 
den  Klemenlen,  aus  welchen  sie  bestehen,  herleiten.  Unser  Sclio- 
lostiker  ward  viehuehr  zu  seinen  Betrachtungen  durch  den  Ge- 
gens;tt/  angeregt,  welchen  er  zwischen  der  so  vielfach  geh*ilten 
sinnlichen  Erkenntnis  und  dem  intellektiven  Krkeimen  ^)  :cu  tlnden 
glaubte,  da  das  letztere  auf  alle  Objekte  ohne  bestimmte  Grenze  sich 


«)  O«  aa.  VL  4,  p.  IGO  (l).    Vgl  ArisL  de  an.  II.  12,  4Ä4  a  28. 

"j  De  Un.  U.  p.  IL  c.  2-1,  p.  «67    (1,  2). 

*)  Arist.  de  au.  UI.  1.  424  b  2*J  —  425  h  12. 

•)  De  Un.  II.  p.  II.  c.  24.  p.  867  (I):  tjuomodo  cum  tarn  mulUi  sinl 
Ifeiiera  el  itpeci«§  intellii^ibilium,  nou  lijversata  est  et  in  mullo»  ranm>s  divisa 
virtuä  iiitellecltvu,  resj)oii(ie<i  litii  in  Ihm-,  quia  n*>ti  Oji-urUL  huc  ticri  iici"  ufiam 
poluil  piopLet*  uhi<lra(-ti(iiiL>iii  el  iirnpliLutlMietu  virtulis  iuLelleclivae. 


26 

erstreckt,  und  sich  innerhalb  desselben  keine  verschiedenen  Kräfte 
unterscheiden  lassen. 

Neben  den  fünf  äußeren  Sinnen  kennt  Wilhelm  auch 
innere  Sinne.  Hier  scheint  er,  wie  auch  Alexander  von 
Haies*)  und  Thomas  von  Aquin,*)  dem  Avicenna  zu  folgen.  Ari- 
stoteles nämlich  hatte  nur  einen  einzigen  inneren  Sinn  angenom- 
men,  den  Centralsinn,  und  den  Sitz  desselben  in  das  Herz  ver- 
legt.^) Dieses  war  das  Subjekt  aller  hieher  gehöriger  Thälig- 
keilen,  der  Phantasie-  und  Gedächtnisvorstellungen.  Abweichend 
hievon  unterschied  dagegen  Avicenna  neben  den  äußeren  empfin- 
denden Vermögen  noch  fünf  innere  Sinne,  welche  er  sich  an 
einzelnen  Teilen  des  Gehirnes  lokalisiert  dachte.*)  In  ähnlicher 
Weise  zählt  Wilhelm  vier  innere  Sinne  auf,  welche  die  Vorder-, 
Mittel-  und  Hinterzelle  des  Kopfes  zu  ihren  Organen  haben,*) 
nämlich  den  Gemeinsinn,  die  Einbildungskraft  oder  Phantasie,  *) 
dann  das  sinnliche  Gedächtnis  und  endlich  die  sinnliche  Ur- 
teilskraft. 0 

Genauere  Erörterungen  über  die  spezifischen  Funktionen 
dieser  inneren  Sinne  oder  über  etwaige  Gesetze  derselben  finden 
sich  bei  Wilhelm  nicht.  Nur  über  ihr  Verhältnis  zu  den 
äußeren  Sinnen  sucht  er  sich  kurz  Rechenschaft  zu  geben.  Wie 
Aristoteles,  nimmt  auch  er  inhaltlich  keinen  wesentlichen  Unter- 
schied an   zwischen  den  Sinnesempfindungen  einerseits  und  den 

*)  Endres,  Des  Alexander  v.-  Haies  Leben  und  psychologische  Lehre, 
S.  58. 

*)  StOckl,  Geschichte  der  Philosophie  des  Mittelalters,  II,  S.  637. 

']  Baeumker,  Des  Aristoteles  Lehre  von  den  äußeren  und  inneren 
Sinnes  vermögen,    Leipzig  1877,    S.  84  f. 

*)  Stockt,  a.  a.  0.  S.  36  ff.  Siebeck,  Gesch.  der  Psychologie,  I.  2, 
S.  431.  Landauer,  Die  Psychologie  des  Ibn  Sina,  in:  Zeitschr.  der  deut- 
schen mnrgenl.  Gesellsch.,  Bd.  XXVI,  S.  3*19  f. 

^)  De  an.  VII.  15,  p.  211  (2):  Phantasmata  igitur,  quae  extra  aniraam 
sunt  videlicet  in  quacumque  ex  tribus  cellulis  humaiii  capitis.  Vgl  De  an. 
V.  5,  p.  119  U). 

")  Avicenna  trennte  die  blos  reproduzierende  Kraft  der  .Phantasie'  von 
dtr  mehr  produktiven  «Imagination*,  welche  durch  Verbindung  und  Tren- 
nung der  Vorstellungen  relativ  neue  Bilder  schafft.  Stockt,  a.  a.  O. 
U,  S.  37. 

'j  De  an.  IV.  3,  p.  1()H  ^1):  videlicet  sensum  communem,  imaginativam, 
aestimalivani,  ralioeinativ^ni,  reiiieniorativam.     Vgl.  De  an.  V.  9,    p.  124  (2). 


27 

Phantasievorstellungen  und Gedächtnisbiidern  andererseits.')  Die 
letzteren  sind  nur  Überbleibsel  der  ersteren,  zurückgelegte 
und  aufgehäufte  Sinnesinhalte.  *)  Der  Gemeinsinn  entnimmt 
seinen  StofT  den  einzelnen  äußeren  Sinnen«  die  Einbildungskraft 
dem  Gemeinsinn,  und  das  Gedächtnis  giebt  beim  Erinnerungsakt 
das  wieder,  was  in  ihm  niedergelegt  und  aufgespeichert  Ist.^) 
So  entstammt  das  ganze  Material  der  inneren  Sinne  der  Bethä- 
tigung  der  äußeren.  Diese  sind  gleichsam  die  Boten,  die  überall 
umhergehen  und,  was  außen  in  den  Sinnendingen  geschieht,  mel- 
den, während  jene  die  Aufzeichnungen  der  äußeren  Vorgänge 
festhalten*)  und  unmittelbar  dem  Intellekte  darbieten.  Phantasie 
und  Gedächtnis  werden  mit  einem  Buch  verglichen,  aus  welchem 
der  Intellekt  von  der  Sinnenwelt  Kenntnis  nimmt  *) 

Über  einen  unbedeutenden  Anfang  auf  dem  Gebiete  des 
Vorslellungslebens  sind  wohl  diese  Erörterungen  kaum  hinaus- 
gekommen. Der  biJdliclie  Ausdruck  hat  das  Übergewicht  über 
das  begriffliche  Denken.  Doch  ist  der  Gedankengang  unseres 
Scholastikers  klar.  Der  sinnliche  Erkenntnisproceß  verläuft  nach 
seiner  Vorstellungsweise  in  der  Abstufung  graduell  verschiedener 
Vermögen  von  außen  nach  innen,  um  dem  Intellekte  das  Material 
der  Außenwelt  zu  liefern.  Primäre  Quelle  und  Anfang  desselben 
bilden  die  Sinnesempfindungen.  Welches  ist  nun  deren  Wesen 
und  nach  welchem  Gesetze  werden  dieselben  erklärt? 


')  De  legibus,  Tom.  I.  c.  27,  p.  88  (1):  non  distinguimus  a  sensu  ea, 
quae  in  sensu  relinquuntur,  videlicet  imaginationem  et  memoriam;  ista  enim 
?ii1entur  esse  sensus  repositi  et  thesaurizali.  Wir  berQcksielitigen,  wie  hier, 
auch  sonst  noch  manchmal  die  mehr  theologischen  Werke,  wenn  e^i  zur 
Vervollständigung  der  Anschauungen  Wilhelms  notwendig  erscheint. 

«)  De  Un.  il.  p.  III.  r.  21,  p.  1067  (1):  sed  re  vera  (intellectus)  legit  in 
imaginatione  et  memoria  reliquias  impressionum,  quae  relinquuntur  in  eis  ex 
impressionibus,  quae  fiunt  in  sensibus  a  rebus  sensibilibus. 

')  De  Virtutibus,  Tom.  1.  c  9,  p.  120  (2):  nihil  enim  jwtest  sensus 
communis  .  .  .  nisi  prout  reeepit  a  particularibus  et  imaginatio  simpliciter 
nisi  prout  reeepit  a  sensu  communi  .  .  .  Manifestum  autem  magis  est  in 
memoria,  quae  non  reddit  reminiscendo  nisi  quae  apud  ipsam  reposita  vel 
thesaurizata  sunt 

*)  De  Virt,  Tom.  I.  c.  i»,  p.  122  (Ij. 

*)  De  Un.  11.  p.  III.  e.  21,  p.  lOJ  (I):  Propter  quod  imaginatio  liujus- 
modi  et  memoria  sunt  virluli  iutellcctiväe  quasi  libri,  in  quihus  legit  res 
sensibiles. 


S8 


Wilhelm  slellt  einen  allgonieinen,  für  dk*  KnUlehung  jeder 
Krkennlriis  gültigen  Salz  auf,  den  iiäniliciipii,  welcher  iiucl*  von 
den  spfileren  Scholastikern  als  das  Grund-Axiom  der  Erkeniil- 
nislehre  anifesehen  wnnlf*,  Kr  fnhrl  denselben  unrnitlelbar  auf 
diu  Bücher  des  Arisloteles*)  zurück  und  ^iebt  ihm  die  Forrmi- 
lierung:  Jede  Erkenntnis  ist  eine  gewisse  Veräluilichung  der  er- 
kennenden Kriifl  oder  des  erkennenden  Teiles  mit  den  erkannten 
Gegenständen."  *) 

Die  Sinneserkennttiis  erscheint  als  eine  Verflhnlichung 
der  Sinne  mit  den  erkannten  Sinnendingen. ^)  Im  Zusannaen- 
luirig  damit  wird  das  Wahrnehmen  als  ein  Leiden*)  be- 
zeichnet und  von  den  Sinnen  behauplel,  daü  sie  der  Mügliclikelt 
nach  die  sinnlichen  Formen  enthalten.*)  Wo  findet  nun  jene 
Verähnlichung  staLL  und  Jenes  Leiden?  In  dem  beseelten  Organ, 
dieses  als  einheilliches  Subjekt  gedacht,  wie  Aristoteles  lehrte, 
oder  lediglich  in  dem  materiellen,  rein  physischen  Gebilde,  Organ 
genannt,  wie  Augustin*')  annahm?  Wilhelm  läßt  hierüber  keinen 
Zweifel.  Ein  beseeltes  Organ,  das  der  Träger  sinnlicher  Empfin- 
dungen wäre,  kennt  er  nicht.  Wie  schon  erwähnt,  ist  nach  ihm 
das  Subjekt  der  Empfinduni?  die  Seele  allein,  die  Organe  da- 
gegen bilden  bloü  die  Vorbedingungen  für  die  ßetheiligung  der- 
selben.     Nun    vermag    ein    geistiges    Princip    wie     die    Seele 


')  De  retributioniliuä  sanctorum,  Tora.  I..  p.  :^I7  (Ij:  Jan»  auLem  de- 
rlanituin  est  in  lihro  de  seusu  et  sensalo  el  I»  aliis  IJbris  d«;  hm-  quml  vifliii 
ni>n  est  nisi  Jiäsiniilalio  viilenlis  ...  et  ad  liiinc  inndum  se  baliel  eliatn  de 
alüa  »en^ihua,  iromo  generaüter  de  DninU}Us  apjirehensionihus.  Thomas  von 
.^quin  dagegen  verweist  hei  lUesein  Axiom  auf  den  T^iber  de  chunis;  v|;I. 
Bardenhewer.   a.  u-  O.  S.  Äi'». 

')  De  L'n.  V.  p.  1.  t*.  14^  p.  821  (2!:  omnis  cuynilin  noftra  assimilatio 
qiiaedani  est  ad  ipsa  cognila  secundum  cam  viin  vel  partem,  per  quam 
cognosruntnr 

')  De  l'n.  II.  p.  L  r,  14,  p,  821  (2):  ut  si  per  sensus  cotmoscuntur, 
assimilatio  erit  sensu»;  ad  ilta,  tit  evident  est  in  tarlti  et  viiiu  el  in  oinnibus 
sensibu:«. 

•1  De  an.  1  f»,  p.  7u  (2):  Quare  si  scntire  pati  est,  eril  in  eodeni,  in 
quo  el  polenlia  sentiendi. 

*1  De  an.  III.  4,  p.  207  (2h  Sensus  enim  ...  est  potenlla  batiens  for- 
ttiiLH  sensiliile»  sive  siniilitudinc^:  euiiini. 

■)  AI  Srliniiil,  Ki Icennlnislelire,  F'reibufb'  i   l^r    \m\  I,  S.  ^l  :181. 


I 


_  29 

nichts  Materielles,  keine  körperliche  Wirkung,  in  sich  aufzuneh- 
inen,  wie  auch  andererseits  die  körperlichen  Dinge  nur  wieder 
auf  einen  Körper  wirken  können.*)  Daraus  ergibt  sich  mit  Not- 
wendigkeit, daß  sich  die  Einwirkungen  der  Sinnendinge  und  die 
bei  der  sinnlichen  Erkenntnis  stattfindende  Verähnlichung,  welche 
auch  ein  Leiden  genannt  wird,  nur  auf  die  körperlichen  Organe 
erstrecken.  In  dem  Organe  eines  jeden  einzelnen  Sinnes  muß 
ein  Bild  des  wahrgenommenen  Gegenstandes  eingeprägt  werden.*) 
Das  Auge  wird  weiß  beim  Sehen  der  weißen  Farbe,  es  nimmt 
Licht  auf  beim  Wahrnehmen  des  Leuchtenden.*)  Ferner  ist 
klar,  daß  diese  Bilder  in  den  Organen  rein  körperlicher 
Natur  sind  und  nichts  Psychisches  an  sich  haben.  ^)  Was  Wil- 
helm „  Leiden"  nennt,  das  erweist  sich  als  Aufnahme  einer  phy- 
sischen, in  das  Organ  übergehenden  Qualität,  wie  der  Farbe, 
des  Lichtes,  der  Wärme,  ^)  und  der  oben  erwähnte  Begriff  der 
«Möglichkeit"  bedeutet  nichts  anderes  als  die  körperliche  Be- 
schaffenheit der  Organe,  durch  welche  sie  föhig  werden,  jene 
materiellen  Wirkungen  in  sich  aufzunehmen,  wie  ein  Spiegel 
durch  seine  Glätte  die  Bilder  der  Gegenstände  aufnimmt.*)    Die 


■j  De  an.  V.  5,  p.  1!9  (2):  curpus  enim  agens  in  corpu.s  per  fornias 
sensibiles. 

')  De  Un.  II.  p.  I.  c.  24,  p.  821  (2):  in  organu  enim  uniuscuius<|ue  sen- 
»us  necessc  est  imprlmi  similHudinem  eius,  quod  per  ipsum  sensibiliter 
cugnos<-itur  seu  sentitur.    Vgl.  de  an.  I.  5,  p.  70  (2). 

')  De  retrib.  sant-L,  Tom.  I.  p.  ai7  (I):  Si  sit  visio  albi,  erit  assimi- 
latiu  ulbi  et  uculi  et  albatio  uculi,  sie  visiu  lueidi  illuminatio  oculi. 

*)  De  an.  V.  5,  p.  119  (2):  cum  illae  subslantiae  sensibiles)  non  turant 
niüi  |)er  formas  sensibiles  nee  iniprimant  iinpressiones,  quae  veniant  usque 
n*i  aninias  nosti-as. 

'■•)  De  an.  I.  5,  p.  70  (2):  queniadmudum  passio  vel  inipressio,  quae  est 
a  lucido  Tel  colorato  in  bumore  crystallino,  qui  est  in  oculo,  indubitanter  sit 
recipere.    Vgl.  ebend.  S.  ß9  (2). 

*)  De  an.  V,  5,  p.  120  (2):  si  viitus  intellectiva  non  esset  in  corpore 
bumano  nisi  quemadmodum  receptibililas  formai-uni  visibilium  aut  quemad- 
modum  in  speculo  politio  et  tersio.  De  an.  II.  2,  p.  74  (2):  Kt  haec  causa, 
prupter  quam  instrumenta  omnia  sensuum  creata  sunt  in  dispositionibus  ap- 
tis  ad  receptiones  impressionum  a  rebus  sensibilibus.  Vgl.  De  Un.  II.  p.  II, 
c.  6U,  p.  U22  <l). 


30 

Pupille  des  Auges  muß  farblos  sein,  das  Organ  des  Geschmackes 
selbst  ohne  Geschmack.  *) 

Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  die  eben  dargelegte  Auffassung 
Wilhelms  von  der  sinnlichen  Erkenntnis,  wenn  er  dieselbe  eine 
Verähnlichung  mit  den  erkannten  Objekten  nennt,  mit  dem  (Ge- 
dankengang des  Aristoteles  sich  noch  kaum  vergleichen  läfit. 
Es  fehlt  jedes  Verständnis  der  für  die  aristotelische  Em- 
pündungslehre  entscheidenden  Begriffe  „des  beseelten  Organs", 
«des  Leidens*,  „der  Möglichkeit "  Diese  sämtlichen  Bestim- 
mungen des  Slagiriten  werden  von  unserem  Scholastiker  ledig- 
lich auf  die  materiellen  Organe  bezogen.  Wir  erblicken  hierin 
nur  die  Konsequenz  seiner  eigenen  Ansicht  vom  Verhältnis  der 
Seele  zum  Leibe,  demzufolge  die  erstere  als  ein  geistiges,  körper- 
lichen Einwirkungen  unzugängliches  Princip  erscheint,  sodaß  die 
äußeren  Gegenstände  nur  auf  den  Körper  und  dessen  Organe 
einzuwirken  vermögen,  ohne  die  Seele  selbst  zu  beeinflussen. 
Dazu  kommt  aber  noch,  daß  schon  den  späteren  Peripatetikern, 
wie  auch  den  arabischen  Philosophen,  von  welchen  ja  Wilhelm 
die  aristotelischen  Lehren  empfing,  die  tiefere  Auffassung  des 
sinnlichen  Erkennens  als  einer  immanenten  Thätigkeit  des  be- 
seelten Organs  und  des  Erkenntnisbildes  als  einer  immateriellen, 
stofflosen  Form  abhanden  gekommen  war.  An  die  Stelle  der 
letzteren  setzte  man  rein  körperliche  Bilder.  *) 

Mit  der  Einprägung  eines  materiellen  Bildes  im  Sinnesorgan 
hält  aber  Wilhelm  den  Vorgang  der  sinnlichen  Erkenntnis  noch 
keineswegs  für  abgeschlossen.  Das  körperlicheBild  ist  nur  die 
unerläßliche  Bedingung  für  den  eigentlichen  Empfindungsakt, 
welcher  rein  psychischer  Natur  ist  und  von  der  Seele  allein 
vollzogen  wird.*)  Den  psychischen  Charakter  der  Sinneser- 
kenntnis hebt  Wilhelm  hervor  in  seiner  Polemik  gegen  Alexan- 


')  De  an.  U-  2,  p.  7-J  (1.  2). 

')  Siebeck,  Geschichte  der  Psychologie,  I.  2,  S.  432. 

')  De  an.  I.  5,  p.  69  (2):  In  ipso  sentire  duo  intelligit  omnis  intelligens, 
videlicet  receptiuneia  tormae  sensibilis  in  oi^ano  sensus  et  cognitionein  a'ive 
'udicium,  (jucd  jier  illam  fit  tamquam  per  signuni. 


3^ 

der  Aphrodisiensis.  *)  Unser  Scholastiker  sieht  in  dem  be- 
rühmten Commentator  des  Aristoteles  einen  Philosophen  von 
hervorragender  Bedeutung  und  nicht  geringem  Ansehen.*)  Die 
Autorität  und  der  Name  dieses  Mannes  scheinen  von  gewaltiger 
Zugkraft  gewesen  zu  sein ;  denn  nur  so  begreifl  sich  der  feine 
Spott  gegenüber  schnellgläubigen  und  unselbständigen  Nachbe- 
tern,") sowie  die  eingehende  Beachtung,  welche  Wilhelm  Ale- 
xanders Lehre  vom  Wesen  und  Ursprung  der  menschlichen  Seele 
widmet.*)  Er  habe  gelehrt,*)  die  menschliche  Seele  sei  nur  die 
Harmonie  der  körperlichen  Elemente  und  sie  verdanke  infolge 
dessen  ihren  Ursprung  einer  möglichst  günstigen  Verbindung 
derselben,  eine  Meinung,  wie  sie  ähnlich  von  PhÜolaus  vertreten 
worden  sei.  Damit  schienen  nun,  abgesehen  von  der  Leug- 
nung der  Unsterblichkeit  der  Seele,  auch  die  Thatsachen  der  sinn- 
lichen Wahrnehmung  wie  des  geistigen  Erkennens  zu  bloßen 
körperlichen  Eigenschaften  oder  physischen  Vorgängen  herab- 
zusinken. Dieser  materialistischen  Deutung  der  Empfmdung 
gegenüber  betont  Wilhelm,  dafädie  Aufnahme^higkeit  des  Auges 
und  die  wirkliche  Aufnahme  der  sinnlichen  Bilder  in  demselben 
noch  keineswegs  für  das  Zustandekommen  des  Sehaktes  genüge.  *^) 
Bis  zu  den  Zeiten  Alexanders  sei  es  nicht  bezweifelt  worden, 
daß  zum  materiellen  Eindruck  im  Sinnesorgane  die  Erkenntnis 
der  Sache  selbst  und  die  Beurteilung  derselben  hinzukommen 
müsse.')    Nur  jenes  Princip  ist  in  Wahrheit  sehend,  welches  die 


*;  Wilhelm  kennt  den  Interpreten  des  Aristoteles  nicht  aus  dessen  ei- 
genen Schriften  (De  an.  V.  4,  p.  117  {!):  iuxta  Aristotelem,  cuius  libros  expo- 
suiäse  Alexander  dicitur),  sondern  durch  Vermittlung  der  Araber,  nach  Jour- 
tidin  (Rechercbes  critiques  S.  297),  des  Averroes. 

'J  De  an.  V.  3,  p.  UO  (2). 

•)  De  an.  V.  3,  p.  116  (2i. 

*}  De  an.  p.  114—121. 

^)  l'e  an.  V.  3,  p.  114  (2):  eam(aniniam}  oriri  et  esse  ex  contemperantia 
eleiiienturum,  ac  si  diceret  ex  bonitate  complexionis  tamquam  ex  consonan- 
tissima  coniunctione  ipsorum. 

*)  De  an.  V  5,  p.  I20  (2):  quapi'opter  quemadiiiodum  receptibilitas  for- 
maruni  visibilium  non  facit  oculum  potentem  videre  sive  aptuni  vel  idoneuin 
ad  Tidendum  .  .  . 

^}  De  an.  V.  6,p.  121  (1):  Amplius,  non  fuit  dubitatuni  usque  ad  tempora 
lata,  quin  actus  videndi   in  duobus  consistat  vel   saltem  iUa  ....  requirat, 


3S 


Farben  erfaßt  und  lietiierkl,  über  dieselben  urteilt  und  dieselben 
von  einander  miterscheidt'l.')  l)i*_'  genannten  Thäti((keiten  aber 
können  keinem  Oi^an,  niclit  einmal  den  rorzügHchsten  kör- 
[lerlicheii  Teilen,  den  Nerven  oder  gc'slartigeii  StolTen,  zuerkannt 
werden  ;=*)  sie  setzen  vielmelir  eine  innere,  hühere  Kraft,  ein  votn 
Körper  verschiedenes,  geistiges  Princip,  die  Seele  vorau?.  *} 

WillieliM  unterscheidet  also  scharf  und  entschieden  einen 
doppellen  Fnklor,  einen  iiliysi^chen  und  einen  psychischen. 
Der  fc^rnplituJutigsvürgaiig  niuU  nacli  seiner  wesentlichen  Seite 
als  eine  Thütigkeit  der  geistigen  Seele  betrachtet  werden,  als 
ein  Auffassen,  Bemerken  uiitl  Beurteilen*)  der  Auüendinj^e  oder 
ihrcf  (Jualifälen,  wie  Farbe»  Tigur  u.  s.  w.,  und  /.war  ilurch  Ver- 
niiltlung  und  auf  Veranlassung  der  in  den  üi-ganen  Jibgijpraglen 
ntaleHelten  Bilder. '•)  Die  Erkenntnis  bezieht  sich  direkt  auf  die 
auÜereii  (legeiistände  selbst,  nicht  auf  ihre  körperlichen  Ein- 
drücke in  den  Organen,")  welch  letztere  nur  die  veran- 
lassende Ursache  für  die  erkennende  und  urteilende  ThiUig- 
keit  der  Seele  sind.    Die  körperlichen  Bilder  selbst  treten  nicht 


I 
I 


videliret  impressionem  sive  reccptionem  passioiijs,  quae  sil  in  <hu1d  vtsilnli, 
el  cognilionern  sive  iudicationeiiL,  per  qunm  co^noscitur  res  rpsa  vlBibills  et 
iudicnLur  de  eu.  iiualis  coloris  aut  Kgurae  sit.  Vgl.de   «n.  f.  &,  |i.»i9  (2);  70(2). 

')  De  an.  V.  *'i,  p.  121  (2}:  Quwl  euiin  culorea  apprehendit  vel  percipit 
9|  de  eis  iudicat  eosque  ob  invicera  diiudicat  et  diseernit.  Uuc  proprie  ai: 
vere  iic  aointa  videiis  est. 

^)  De  aii.  1.  •%  p.  7n  r2\:  Verum  neitin  ndtiuc  eu  us4|ue  deliravit,  ut 
diceret.  nervuiii  vel  spiritum  visihileiu  aÜ'fuid  fu^noscere  vel  de  aliquo  iudi- 
Ciire.  Cber  die  feinen  körperlichen  SlutTe  ;spiriUis),  welche  die  VerniitUer* 
>o)le  ijpielen  mußten  zwiüchen  dem  Körper  und  der  Seele,  bemerkt  Wilheliti, 
»r  kenne  nur  den  Namen,  eine  Schrift  liiei-Ölipr  sei  nicht  auf  ihn  gekommen, 
und  die  Untersuchung  über  dieselben  kuimue  den  Ärzten  zu.  De  an.  VI.  35, 
p.  IWö  (2). 

')  Ue  an.  V.  li,  p.  121  i2):  lam  denlaraluni  est  tibi  per  hoe,  ([uia  ne- 
((ue  ui-uluä  videl  iieque  eiutt  est  videre  neque  alicuiua,  (|üud  in  eu  äit,  »ed  nnt 
inlerioris  el  äubülioris  virlulis  al  ipäi  uculu  doniinaiiU'$siiue  iinperaati:^ 

*)  Vgl.  Anni.  1. 

*)  De  uD.  I.  ü.  p-  ii*')  {2):  cugnilioneni  sive  Judicium .  i|Uod  pt;r  illitin 
(fonnam  senaibilein«  Ht  tami|uain  per  signutii. 

")  De  relriU  sancl.,  Toni.  1..  p.  318  (I):  quia  iinpiessiu,  quae  lil  la 
ociüo  a  re  visa,  non  videlur,  »ed  magis  rc»,  a  qua  iniprete>a  vaX. 


33 

in  unser  Bewußtsein,  und  ihre  Existenz  ergiebt  sich  erst  aus  einer 
^fens  angestellten  Betrachtung  0 

Der  ganz  augustinische  Charakter  dieser  Ausführungen, 
sowie  ihr  Abstand  von  der  peripatetischen  Lehre  der  späteren 
Scholastiker  in  diesem  Punkte  läM  sich  nicht  verläugnen.  Wil- 
bdm  kennt  keine  geistartigen,  stofflosen  Formen,  welche  durch 
£e  Einwirkung  der  Außendinge  erzeugt  werden.  So  kann 
Ton  einer  Behandlung  der  Erkenntnislehre  auf  aristotelischer 
Grundlage  bei  ihm  noch  keine  Rede  sein. 

Die  noch  übrigen  Bemerkungen  unseres  Autors  beziehen 
sich  auf  die  Gewißheit,  welche  der  Sinneserkenntnis  zukommt. 
Dem  Gesichtssinn  ist  es  nicht  freigestellt,  zu  urteilen,  daß  das 
Weifie  anders  sei  als  weiß,')  und  der  Tastsinn  kann  nicht  an- 
ders urteilen  als  nach  der  Beschaffenheit  der  Eindrücke,  welche 
sein  Organ  empfängt.  Diese  sind  die  imtrüglichen  Zeugen ")  der 
iufioen  Dinge.  Wenigstens  hat  dies  Geltung  bei  allen  den  ein- 
xdnen  Sinnen  eigentümlichen  Objekten.  Hier  giebt  es  keine 
Täuschung,  mag  sie  sich  auch  vielfältig  finden  bei  der  Wahr- 
nehmung der  sämtlichen  Sinnen  gemeinsamen  Verhältnisinhalte, 
wie  Zahl  oder  Größe.*)  Allein  in  diesen  Fällen  verbessert  die 
höhere  Kraft  des  Verstandes  die  Irrtümer  der  Sinne. '^)  Indem  so 
Wlhelm  die  bezüglichen  Lehren  des  Aristoteles  wiederholt,  vertritt 
w  auch  dessen  realistische  Ansicht,  daß  die  Sinne  uns  zwingen. 


')  Ebd.r  Disi  forte  quis  de  eis  considerationem  perse  fecerii,  quemad- 
modam  et  dos  sie  loquentes  facimus. 

*)  De  virtutibus,  T.  I,  c.  9,  p.  120  (2):  noa  enim  liberam  est  visui, 
hidicare  albam  allerius  modi  esse  qaam  album  neque  tactui  de  firigido  Tel 
alido  aut  de  quocunque  aliorum  sensatorum  suonim  aliter  iudicare  quam 
IKont  ab  eo  recipit  aut  patltur. 

*)  Ebd.:  Est  enim  passio,  quae  imprimitur  sensui  asensato,  generaliter 
vi  tMtä  testificans  a  sensato,  quäle  sit 

^}  De  an.  IIL  7,  p.  93  (2):  Nun  enim  omnis  apprehensio  sensibilis  falsa 
Vfli  mokdax  est,  qaeroadmodum  dicit  Aristoteles,  quoniam  sensus  circa  pro- 
iria  Kimta  neque  errat  neque  mentitur,  ut  lactus  non  errat  circa  calidum 

Mit  frigidnm ,   verum  circa  primum  et  magnum    et   maius  et  minus 

frequento-  errat  nobisque  mentitur. 

*)  Ebd.:  Necesse  igitur  est  occurrere  vim  seu  virtutem  aliquam,  quae 
poMt  et  invenire  et  cognoscere  errores  et  mendacia  sensuum  ....  Et  hoc 
crt,  qnod  vocamns  vim  seu  virtutem  rationabilem. 

3 


u 

eine  ftnfiere  WeU  toq  sinnlicben  and  einzeiDen  Dingen  anzo- 
nefameDt  und  zwar  mit  jenen  Beschaffenheiten  ausgestattet,  wie 
sie  ron  den  Sinnen  erkannt  werden.  ^)  Das  Gebiet  der  letzteren 
alKT  entreckt  sich  nur  auf  die  äufieren,  materietten  Eigenscliaf- 
tpn  der  Sinnendinge.  Hier  bleibt  das  annliche  Erkennen  stehen. 
In  da^  innere,  immaterielle  Wesen  auch  der  sinnhcfaen  Gegen- 
stände Terroag  es  nicht  mehr  einzudringen.'}  Dies  ist  bereits 
Autigabe  einer  höheren,  von  den  sinnlichen  Kräften  verschiede- 
nen, organiosen  Seelenkraft,  nämlich  des  intell^tes. 

in. 

Die  Erkeutus  des  faiteDektca. 

Wie  bei  der  sinnlichen  Erkenntnis,  so  bringt  Wilhelm  mehr 
noch  auf  dem  Gebiete  des  geistigen  Erkennens  sane  psy- 
chologische Ansicht  von  der  völligen  Einfachheit  des  See- 
lenwesens zur  Geltung.  Ist  die  Seele  unteill>ar,  so  muß  auch 
der  höheren  Erkenntniskraft  Unteilbarkeit  zukommen.*)  So 
werden  die  sämtlichen  Funktionen  des  höheren  Erkennens,  die 
Bildung  abstrakter  Begriffe,  das  aus  Voraussetzungen  durch 
Kchlu^verfahren  abgeleitete  Wissen,  das  unmittelbare  Erfassen 
der  obersten  Grundsätze,  auf  eine  einzige,  mit  der  Seelensubstanz 
selbst  zusammenfallende  Erkenntniskraft  zurückgeführt,  welche 
von  unserem  Scholastiker  fast  durchgehends  mit  dem  Namen 
«Intellekt"  bezeichnet  wird.  Die  auch  noch  späterhin  festge- 
haltenen Unterschiede  von  „ratio"  und  »intellectus***)  drücken 


')  De  Un.  II.  p.  L  c.  U,  p.  821  (2):  quemadmodom  sensibilia  et  par- 
ticnUuria  necesse  est  esse  non  solam  simpliciter.  sed  etiam  esse  ea,  qaae  sen- 
tiantur. 

*)  De  an.  V.  18,  p.  143  (2):  Quapropter  manifestum  est,  sensnm  forüt 
Stare  vel  sistere  in  varietate  huiusmodi  (sensibilium  accidentium),  non  etiam 
substantiarum  intima  penetrare.    Vgl.  De  Un  I!.  p.  III,  p.  1067  (1). 

')  De  an.  VII.  10,  p.  217  (1):  cum  iam  declaratum  tibi  sit  animam  ho- 
manam  impartibilem  esse;  quanto  fortius  igitor  impartibilem  esse  necesse  est 
virtutem  cognoscitivam  ipsius  nobilem. 

*)  De  virtutihus  Tom.  I,  c.  1,  p.  108  (1):  nee  est  differentia  inier  vim 
intellcctivam  et  vim  ratiocinativam;  una  enim  prorsus  vis  est  animae  humanae 
apprehensiva  nobilis  sublimium  reruni.  In  eodem  enim  prorsus  generatur 
Hcientin   ronclusionum,  in  quo  est  scientia  vel  intellectus  principiorum,  et  ni- 


85 


W 
^ 


nnr  zwei  vepscliiedene  Erkennlnisweisen  eines  und  desselben 
Subjektes  aus.  Das  Gleiche  ßill  auch  von  den  theologischen  Un- 
lerschcidungcn  der  „synderesis*  und  der  „conscienlia.**) 
Beide  dürfen  nicht  als  getrennte  Vermögen  betrachtet  werden, 
sondern  nur  als  verschiedene  Funktionen  derselben  intellektiyen 
Krafl.  Insofern  diese  die  sittlichen  Normen  dew  Naturgesetzes 
infolge  unmittelbarer  göttlicher  Kinstrahlung  irrtumslos  erkennt, 
heißt  sie  .sjnderesis\»)  insofern  sie  aber  moralische  Urteile  fallt 
bei  einzelnen  Handlungen  .conscientia."  >*)  Wenn  die  heiligen 
und  weisen  Lehrer  die  .synderesis*  den  höheren  Teil  des  Kr- 
kennlnisverniögens  nennen,  so  ist  damit  nicht  eine  Scheidung 
innerhalb  der  Seele  selbst  gemeint,  sondern  jene  wollten  nur  die 
Uichlung  des  Intellektes  auf  die  großen,  geistigen  Güter  anzei- 
gen.') in  ähnlicher  Weise  werden  ferner  die  von  Avicenna 
herübergenommenen  Kinteilungen  eines  intelleclus  theori- 
ciis  oder  speeuUtivus  und  eines  intellectus  practicus'') 
nicht  als  verschiedene  Seelenvermügen  aufgefaßt,  von  denen  das 
erslere  sich  ausschhetilich  mit  den  göttlichen  und  hinimtischen, 
das  letztere  mit  den  menschlichen  und  irdischen  Dingen  besclmf- 
ligi».*)    Es  handelt    sich   hiebei     um    verschiedene   Objekte  und 


k 


hil  (fTohihel  in  eadem  axütna  faumana  secundum  eandem  rim  esse  duas  qua* 
tilale»  eiu&detn  speciei.     \^\>  he  l'ti.  II.  p.  IL  u.  11^,  p.  i>Ob  (l,i. 

'i  V^\.  Werner,  Die  Tsjchülo^ie  des  Wilhelm  v.  Auvei-gne,  S.  *l:i  ff, 
Wübelm  Dennt  als  diejenigen,  welche  zum  erslenmal  den  Ausdruck  ,syride- 
reeis'  gebrauchten,  ganz  unbeslicnuit  .einige  von  den  hervorragenden  cliriHl- 
Ueben  LehTtTn'  oder  in  anderer  Wendung  «jene  weisen  und  hciliifen  Lehrer." 
Cber  den  Unjprung  dieses  BegrilTes  siehe  u.  a.  Kndres,  Alexander  v.  Haies, 
S.  Hl. 

^)  De  an.  VII.  13,  p.  22(>  i2):  synderesis  nunquain  crrans  et  aunquam 
cesana  a  cüntradiclionc  el  rebellione  mnloruin  non  pütest  esse  vel  did  in 
anim«  bumana  nWt  splendor  iate  legis  naturalis  aul  sin  iulellectiva  inquan- 
tnin  splendet  lumJne  huins  legis,  seil,  naturalis. 

')  De  an.  VII.  14,  p.  221  (2):  Amplius,  i[uid  est  contin  conscientiain 
propriam  agervV  et  intendu  cunlrarium  eius,  quud  »uil.  vvl  cnüit,  vel  opi- 
nalur  agendum,  facere;  nihil  igitur  aliud  est  cunscientia  ijuain  scientia  vel 
craluliLas  vel  üpinio. 

V  De  an.  VII.  13,  p.  219  (1). 

»)  De  an.  VII.  10,  p.  21«.  217. 

*}  Ue  an.  VU.  10,  p.  21G  (2i;     cl    haue    inibecillitalem    ineinini  lue  au 
diaso  eliain  bis  verbis,  videltccl  ijUüniant  alia  est  vis  iiUelleiitiva    quue  divinjs  ac 

3» 


36 

Arten  des  Erkennens,  während  das  erkennende  Vermögen  nur 
eines  ist,  der  Intellekt.  Was  die  Erklärung  anlangt,  welche  Wil- 
helm selbst  von  diesen  Ausdrücken  giebt,  so  bezieht  sich  der 
theoretische  Intellekt  auf  die  jeder  Wissenschaft  eigentümlichen 
Gesetze,  während  der  intellectus  practicus  nur  ein  auf  die  Er- 
fahrung einzelner  Fälle  gegründetes  Wissen  ist.  *)  Wilhelm  denkt 
hier  offenbar  an  die  Ausführungen  des  Aristoteles  in  dem  ersten 
Kapitel  des  ersten  Buches  seiner  Metaphysik,  wo  die  Unterschiede 
zwischen  dem  theoretischen  und  dem  bloß  empirischen  Wissen 
dargelegt  sind.  Andererseits  weist  unser  Scholastiker  auf  die  Be- 
deutung der  in  Rede  stehenden  Termini  nach  christlichem  Sprach- 
gebrauch hin,  wonach  der  praktische  Intellekt  die  Beziehung 
des  Denkens  zum  sittlichen  Handeln  bezeichnet,  während  der  in- 
tellectus theoricus  die  Betrachtung  der  göttlichen  Dinge  zum  Ge- 
genstande hat.  Die  christliche  Tugendlehre  verwertet  diese 
Ausdrücke  in  der  Einteilung  der  Tugenden  in  theoretische  und 
praktische.*)  Wenn  Wilhelm  endlich  noch  eine  dritte  Art  von 
Intellekt,  den  intellectus  adeptus  erwähnt,  so  geschieht  es, 
wie  in  den  vorhingenannten  Fällen  in  der  Absicht,  die  Auffas- 
sung desselben  als  einer  eigenen  Seelenkraft  abzuweisen.  Der 
Terminus  selbst  stammt  von  Avicenna,  welcher  denselben  sei- 
nerseits dem  Alexander  Aphrodisiensis  entnimmt  und  damit 
die  vierte  und  oberste  Entwickelungsstufe  des  Intellektes,  seine 
unmittelbare  Verbindung  mit  der  thätigen  Intelligenz  bezeichnet.  ^) 


coelestibus  se  intermittit  sotummodo,  alia  quae  de  rebus  humaDis  et  terrenis. 
Man  darf  wohl  diese  Stelle  Wilhelms  mit  jenem  Satze  des  Avicenna  in  Zu- 
sammenhang bringen,  wo  der  letztere  von  der  Seele  sagt,  dafi  sie  zwei  Ant- 
litze habe:  ein  Angesicht  gegen  den  KOrper  hin  und  ein  Antlitz  gef^en  die 
hohen  Principien  (der  Intelligenz)  hin  gewendet,  worunter  Avicenna  die  prak- 
tische und  die  theoretische  Vernunft  versteht  Haneberg,  Erkenntnislehre 
von  Ibn  Sina,  S.  199  f.    Siehe  oben  S.  22  Anm.  2. 

*)  De  an.  VII.  10,  p.  217  (1):    intellectus   theoricus   intellectus  est  sive 
scientia    intellectiva   aut  intellectualis  theorematum  uniuscuiusque  doctrinae 

vel  diaciplinae Sic  et  intellectus  practicus  scientia  est  proprie,  quae 

aequiritur  per  experientiam  operum. 

■)  De  an.  VII.  10,  p.  217  (I,  2). 

•)  Haneberg,  Erkenntnislehre  von  Ibn  Sina,  S.  204— 20G.  Avicenna 
hat  auch  noch  die  Bezeichnungen  intellectus  accommodatus  seu  ac 
qnlsilus  fflr  den  vovc  intxt^ios  des  Alexander. 


37 

Wilhelm  dagegen  versteht  unter  dem  intelleclus  adeptus  die  Re- 
flexion auf  die  eigene  Erkenntnisthäligkeit,*)  welche  nach  dem 
Zeugnisse  des  Themistius  durch  eine  feste  Richtimg  des  Intel- 
lektes auf  die  inneren  Akte  und  durch  Gewöhnung  an  das  Gei- 
stige erworben  werden  müsse.") 

Wie  aus  alledem  zu  ersehen  ist,  steht  der  christliche  Scho- 
lastiker nicht  gerade  unfreundlich  den  fremden  Ausdrücken  ge- 
genüber, wiewohl  er  wenig  Lust  und  Geschick  zeigt,  sich 
auf  die  damit  bezeichneten  Gedanken  näher  einzulassen,  was  in 
durchgreifender  Weise  erst  durch  Albertus  Magnus  geschah.^) 
Wilhelm  sah  seine  Aufgabe  vornehmlich  darin,  dem  immer  stär- 
ker hervortretenden  Bestreben  entgegen  zu  Wirken,  mit  den  ver- 
schiedenen Termini  eine  Mehrheit  von  erkennenden  Kräften  in 
die  Seele  einzuführen.*)  Das  erkennende  Vermögen  ist  nur  ein 
einziges  und  einfaches,  der  Intellekt. 

Man  kann  nun  fragen,  wie  unterscheidet  sich  die  in- 
te tlektive  Kraft  von  den  sinnlichen  Erkenntnisvermögen? 
Wilhelm  kennt,  wie  auch  die  gesamte  spätere  Scholastik,  einen 
Unterschied  beider  in  doppelter  Beziehung,  mit  Rücksicht  auf 
ihre  Belhätigung  und  bezüglich  der  Objekte,  auf  welche 
beide  gerichtet  sind.  Der  Intellekt  gehört  zu  den  höheren 
Kräften*)  der  Seele,   welche  den  Adel  derselben  und  ihren  Vor- 


')  De  an.  VII.  11,  p.  217  (2):  intellectus  iste  est,  quo  ipsa  anima  hu- 
mana  intelligit  se  esse  intelligentem. 

')  De  an.  YII.  11,  p.  218  (1):  anima  bumana  non  intelligit  intellectum 
suum  ei  intelligere,  donec  fixus  atque  tirmatus  sit  in  eo  intellectus,  sicut 
(licit  Themistius,  expositor  Aristotelis  supra  librum  posteriorum  eiusdem. 
Nee  aliud  intelligu  tixum  vel  firmatum  esse  intellectum  quam  acquisitum  et 
assuetum  rebus  intelligibilibus  tamquam  earum  assuefactione  circa  eas  fir- 
matum  et  delatum. 

')  Haneberg,  Erkenntnislebre  von  Ihn  Sina,  S.  209  f. 

*)  De  an.  YII.  1,  p.  203  (1):  Ubi  primum  perscrutandum  erit  de  na- 
tura intellectus  et  de  operationibus  eius,  utrum  una  an  plures  sint,  .  .  . 
deinde  quid  est  ipse  intellectus  materialis,  quid  intellectus  adeptus,  quid  in- 
tellectus tbeoricus,  quid  intellectus  practicus. 

^)  De  an.  VI.  9,  p.  165  (2):  cum  aliae  vires  sint  in  ea  (anima)  princi- 
{tales,  et,  ut  ita  dicatur,  ipsae  (?)  praecipuum  ac  nobilissimum  sui  esse  scire 
potuerunt  et  debuerunt 


38 

rang  vor  den  unvemünfligen  Tieren  begründen. »)  Gegenüber 
den  sinnlichen  Kräften,  welche  sich  nur  durch  ein  körperliches 
Organ,  belhäügen  können,  zeigt  sich  die  inlellektive  Kraft  als 
völlig  unabhängig  vom  Körper  und  von  einem  körperlichen 
Organ,  und  ihre  Thätigkeiten  vollzieht  die  Seele  in  sich  selbst 
und  duR-h  sich  selbst  ohne  Bellülfe  des  Körpers.*)  Gerade  die- 
sem Punkt,  der  völligen  Unkörperlichkeit  des  Intellektes,  schenkt 
Wilhelm  eine  bpKondere  Aufmerkwaiiikeil,  freilich  zunächst,  um 
Argumente  für  die  ün.'^lerblichkeit  der  Seele  zu  gewinnen.  Die 
Organlosigkeit  des  höheren  Erkennens  schien  ihm  die  wertvollsle 
und  brauchbarste  Prämisse  für  den  Unslerblichkeilsbeweis  des 
menschlichen  Individuums  abzugeben.  Darum  zieht  er,  wenn 
auch  mit  einigen  Umgestaltungen,  jene  Erwägungen  heran, 
welche  Aristoteles  und  unter  den  arabischen  Peripatetikern  be- 
sonders Avicenna")  für  die  Geistigkeit  und  Unabhängigkeit  des 
höheren  Erkenntnisvermögens  vom  Leibe  ins  Feld  führen.  Der 
Sinn  erleidet  beim  Wahrnehmungsakte  eine  physische  Verände- 
rung. Das  Organ  des  Tastsinnes  wird  warm,  die  Feuchtigkeit 
im  Auge  leuchtend,*)  Ganz  entgegengesetzt  verhält  sich  der 
Intellekt.  Von  den  intelligiblcn  Objekten  geht  nichts  auf  ihn  über, 
wie  das  Warme  und  Leuchtende  auf  das  sinnliche  Organ.  Der 
Intellekt  leidet  nicht  von  den  geistigen  Objekten ,  wie  der 
JSinn   von  den  körperlichen  Eindrücken.^)     In   ihm    findet    sich 


')  Ebd.:  Et  hoc  est  quod  dicitar  praecipuum  ac  nobilissimuni,  ifuoscilicel 
Iiraecellit  iinitnalmH  irnitionalihus.  Es  ist  jener  Teil  der  Seele,  welchen  die 
Ausleger  des  Arisloteles    und   dessen  Anh5nger  für  tinsterblirlt  liiellen.    Ebd. 

')  De  an.  V.  22,  p.  147  (2):  Anima  vero  nostra  subliniiores  atque  prae- 
cipuas  vires  su&a  el  operitliünei<  habet  seorsim  a  corpore,  hoc  est  non  alliga* 
las  corpori,  .  .  .  sed  libere  at(|ue  expcdile  absque  adiulorio  et  luinisterio  cor- 
poris et  per  illas  uperatur  vires^  videlicet  el  liuiusmodi  üperationes  pt^ragit  et 
pcrticit.  Vgl,  De  an.  II.  II,  p.  82(1)  acire  el  inlelligere  totaliler  in  anima 
sunt,  ila  videlicet  quod  nihil  »ui  hatieaul  In  corpore. 

')  StöckI,  Geschichte  der  Philosophie  des  Mittelalters,  11,  S.  40. 

*)  De  immnrU  an.,  Tora.  I,  p.  335  (2):  sensus  non  applicatu-t  sensalis 
ahsque  assimilalione  nti  ut  taclus  calido  absque  calcfacLioae  etvisua  lucido 
absque  illuminaiione. 

*)  Ebd.:  Intelteclus  aulem  e  contrario  se  habet  in  hoc.  Com  eniui  in* 
Lelligit  aliquid,  non  denominatur  ah  eo,  qiiod  inlelÜgit;  nihil  enira  est  de 
inlelligibilil'us  apud  inteUectum  nisi  Ibrls  ip&a  inldlectio,  ut  insensibustsen* 


39 


nichts  als  die  Thüligkeil  des  Erkeiinens,  und  diese  vollzieht  sich, 
ohne  die  Qualilälen  der  iniclligiblen  Gegenstände  in  sich  auf- 
ziuiehinen.*)  Ferner  wird  der  Sinn  durch  allzu  heftige  äußere 
Einwirkungen  zerstört,  während  da5  umgekehrte  Verhältnis  beim 
Intellekt  sich  zeigt.  Je  mächtiger  die  geistigen  Eindi*ücke  sind 
und  je  öfter  sie  erfolgen,  desto  mehr  steigert  sich  die  Fähigkeil 
der  inlellekliven  Krafl,  was  seinen  Gruiid  nur  in  der  Unab- 
hängigkeit der  letzteren  von  jedem  körperlichen  Organ  haben 
kann.')  Einen  weiteren,  unangreifbaren  Stützpunkt  soll  die  An- 
sicht von  der  Unkörperlichkeit  des  Intellektes  durch  den  Hin- 
weis auf  die  Vorgänge  der  Ekstase  und  Prophetie  erhallen.*') 
Diese  steilen  einerseits  den  höchsten  Grad  intellektiver  Thätigkeit 
dar,  andererseits  bedingen  sie  eine  vöUige  LoslÖsung  des  Geistes 
von  dem  Körper  und  den  Sinnen.  In  den  genannten  Erschei- 
nungen müssen  wir  eine  Unabhängigkeit  des  [nlellektes  aner- 
kennen, welche  jeden  Einfluß  des  Körpers  ausschliefit  und  die 
völligste  Unkörperlichkeit  des  liöheren  Erkenntnisvermögens 
darthut. 

So  sucht  Wilhelm  mit  Herbeizit-hung  einer  bunten  Mischung 
von  aristotelischen  und  christlichen  Elementen  die  Geistigkeit 
dos  Intellektes  zu  beweisen.  Wie  aber  der  letztere  durch  die 
Art  seiner  Bethätigung  unabhängig  vom  Körper  sich  als  ein  von 
den  Sinnen  verschiedenes  Vermögen  erweist,  so  sind  auch  die 
Objekte  der  intellektiven   Kraft  ganz  anderer  Natur  als  die  der 


s1>)ilihu«P)  ipsii  «tenaitio.  et  sie  inanirestum  est  intetlectum  impaasibilein  ab 
mtelligi hili  aut  JnU'lligibilibus. 

*)  Der  Aui^ugspunkt  dieser  ßeweisfülirung  dürfte  die  aristulelisdie 
Stdle  sein,  ArwL  de  an.  Ul.  i,  429  a  24:  <fto  avdt  ninix^ai  rvXoyuv  avtöp 
IM  «w|ia*r  Mow:  tu  ydp  Sw  y^-/rotto.  x  *l'^XIf^i  V  ^tQt*öc,  Vgl-  Brcntaoo 
die  Psychologie  des  Aristoteles,  Mainz  IWi7,  S.  120,  Ann».  4. 

'/  l>e  iminorU  an.,  Tom.  I,  p.  ;w;H2):  visus  destmitur  ab  excedentibua 
harmnniani  suam,  hoc  est  a  vehementer  visibilibus;  e  conU'ario  uutciii  hahet 
se  in  inlellcctu,  quoniatn  inlcllectus  nun  habet  partem  determinalam  in  cor- 
pore, quae  sit  in>>truinentuni  ipäiu«,  et  confortatur  et  invulescit  ex  vehemen- 
ter inleÜigibilibiis.     Vgl.  ebd.  p.  33n(2).     Brentano,  a.  a.  0.  S,  l'iG  n.  8. 

'J  iJe  an.  V.  22,  p.  lil{2}:  Manitestiiw  autcni  est  hoc  in  operationibus 
i]uae  vocantur  exstasis  et  ntpliu;  in  bis  enim  manifeäte  cet^al  omnis  operalio 
corporis  et  inlendo  onme  adminiculum  curporis  ....  Evjdentissiuium  insu- 
pcr  est  boc  in  iUumiualiuiiibub  et  revelatiuaibu:!  prupbeücif. 


I 


40 

Sinne.  Die  letzteren  erkennen  nur  die  sinnenßilligen  Eigenschaf- 
ten ')  der  materiellen  Dinge,  der  Intellekt  aber  dringt  bis  zu  den 
übersinnlichen  Substanzen  dieser  körperlichen  Dinge  vor.  Er  er- 
faßt femer  die  geistig  e  Seele  und  ihre  Thätigkeiten,  und  endlich 
kommt  ihm  zu  die  Erkenntnis  der  geistigen  Welt,  die  Erkennt- 
nis Gottes  und  der  in  der  göttlichen  Wesenheit  begründeten 
obersten  Wahrheiten  oder  Principien. 

Damit  sind  nun  auch  die  Gegenstände  bezeichnet,  mit  de- 
nen unsere  Darstellung  der  Erkenntnislehre  Wilhelms  in  ihrem 
weiteren  Verlaufe  sich  noch  näher  befassen  muß. 

1.   Das  intellektive  Erkennen  der  sinnlichen  Äoftenwelt. 

Wenn  es  sich  um  die  geistige  Erkenntnis  der  äussern,  ma- 
teriellen Dinge  handelt,  so  stellt  Wilhelm  die  Frage,  wie  ein 
Wissen  hievon  in  die  Seele  gelangen  könne,  welches  die  Ursa- 
chen und  Bedingungen  seien,  die  eine  derartige  Erkenntnis  mög- 
lich machen  *).  Damit  setzt  er  sich  nun  in  entschiedenen  Ge- 
gensatz zur  platonischen  Wiedererin  nerungstheorie,  welche 
er  energisch  bekämpft.  Nach  dem  christlich  gefärbten  Berichte, 
welchen  unser  Autor  von  der  Lehre  Piatos  giebt,  wird  die 
menschliche  Seele  mit  einer  Fülle  aktueller,  fertiger  Erkenntnisse 
geschaffen  *).  Infolge  der  Einsenkung  der  Seele  in  den  Körper 
aber  liegen  dieselben  schlummernd  und  begraben  in  ihr')  und  wer- 
den erst  durch  Übung  und  Unterricht  aufgedeckt  und  enthüllt  *). 


>)  De  an.  VII.  1,  p.  203(2):  sensus  non  attingit  ipsas  substantias  renini 
buiusmodi,  sed  solas  dispositiones  earum  sensibiles.    Vgl.  S.  34^  Anm.  2. 

')  De  an.  V.  3,  p.  116  (2):  Quae  autem  causa  sit  scientiae  et  qualiter 
scientiae  veniant  in  animas  nostras  vel  acquirantur  ab  eis,  faciam  te  scire  in 
sequentibus.    Vgl.  de  an.  VIL  1,  p.  203  (1). 

')  De  an.  VII.  4,  p.  208  (1):  Plato  vero  e  contrario  (posuit),  videlicet 
creatam  illain  esse  in  perfectione  et  plenitudine  scientiarura. 

*)  De  rirtutibus,  Tom.  I.  c.  9,  p.  119  (1):  Secundum  Platonem  vero 
completi,  verum  quasi  sepulti  in  terra  corporis  et  obscurati  nebulosilate 
materiae. 

')  De  an.  V.  9,  p.  124  (1):  nisi  forte  quis  dicat,  quod  scientiae  sive 
sapientiae  sopitae  et  sepultae  sunt  in  eis  iuxta  sententiam  Piatonis,  postmo- 
dum  autem  procedente  aetate  deteguntur  et  revelantur  studiis,  exercitationi- 
bu8  et  doctrinis. 


41 

Schon  Aristoteles  habe  in  seiner  Metaphysik  eine,  wenn  auch 
nicht  ganz  ausreichende,  Widerlegung  versucht;  <)  er  habe,  wie 
Macrobius  erzähle,  darauf  aufmerksam  gemacht,  4a£  ^s  dieser 
Ansicht  zufolge  kein  eigentliches  Erkennen  und  Lernen  mehr 
gäbe,  sondern  nur  elneWiederinnerung.*)  Wilhelm  selbst  bemerkt*) 
gegen  Plato  und  die  mittelalterlichen  Platoniker,  d^ss  ihre  Lehre 
im  Widerspruche  stehe  mit  dem  richtig  gefassten  Verhältnis  von 
Leib  und  Seele.  Der  Leib  dürfe  nicht  als  Grab  der  Seele  ange- 
sehen werden  und  die  von  ihnen  behauptete  Behinderung  der 
intellektiven  Kraft  nicht  als  eine  Strafe  für  frühere,  auf  irgend  einem 
Gestirn  begangene  Sündenschulden.*)  Die  Seele  wisse  weder  von 
Schuld  noch  von  Strafe.  Das  eigene  Bewusstsein  ferner  bestä- 
tige uns,  dass  wir  vor  der  Sinneserfahrung  und  vor  allem  Un- 
terricht kein  Wissen  besitzen,  dass  dasselbe  erst  neu  in  uns  er- 
zeugt werden  müsse.  Trüge  die  Seele  wirklich  fertige  Erkennt- 
nisse in  sich,  so  müsste  ihr  wenigstens  eine  Spur  davon  bewusst 
werden^),  denn  nichts  erkennt  sie  klarer  als  sich  selbst  und  was 
in  ihr  ist,  ihre  eigenen  Zustände. 

Es  giebtalso  keineangeborenen,fertigenErkenntnisse. 
Aristoteles  behält  Recht,  wenn  er  behauptet,  dass  die  Menschen 
zwar  nach  ihrem  natürlichen  Sein,  ihren  Wesenabestalidteilen 
und  deren  Kräften,  vollkommen  geschaffen  werden,  dass  sich  aber 
die  letzteren  erst  zu   der  ihnen  eigenen   Vollendung   entwickeln 


')  De  virlut,  Tom.  I.,  c.  9,  p.  119  (1);  Licet  autem  opinatus  sit  Aristo- 
teles Piatonis  sententiam  destruxisse  in  libro  metapbysicorum  .  .  .  .,  multas 
tarnen  quaestiones  et  determinationes  difHciles  pro  et  contra  se  reliquit. 

*)  De  vitiis  etpeccatis.Tom.  I.,  c.5,  p.  271  (2):  Unde,  sicut  nari-at  Ma- 
crobius, et  Aristoteles  animas  nostras  posse  aliquid  discere  negavit;  non  enim, 
ioqnit,  discunt^  quae  a  natura  habebant,  sed  magis  reminiscuntur  seu  recor- 
dantur  eonun.  Wilhelm  schApfl  also,  wie  es  scheint,  seine  Kenntnis  der 
Einwände  des  Aristoteles  nicht  aus  direkter  Quelle. 

■)  De  Univ.  11,  p.  III.  c.  19,  p.  1051  f. 

*)  Eingehend  beschäftigt  sich  Wilhelm  mit  der  Präexistenzlehre,  mit 
der  Lehre  von  der  Seelen  Wanderung  und  dem  AufenthaU  der  Seelen  auf  den 
Gestirnen  De  Un.  I.  p.  IL  c.  13—15.  p.  701—707.     De  an.  V.  9,   p.  124  f. 

*)  Das  letzte  Argument  findet  sich  bei  Aristoteles,  AnalyL  post  II.  19, 
99b  20;  Metaph.  L  9,  993a  1.  Vgl.  Zeller,  Die  Philosophie  der  Griechen, 
3.  Aufl.,  11  b,  S.  189. 


42 

müssen  >).  Seit  dem  Sündenfalle  wenigstens  tritt  die  Seele  leer 
von  allem  Wissen  ins  Dasein,  wie  eine  unbeschriebene  Tafel, 
wie  ein  Spiegel,  in  dem  noch  kein  Bild  reflektiert  worden  ist*). 
Die  Erkenntnisse  müssen  von  der  erkennenden  Kraft  völlig  neu 
erzeugt  werden. 

Im  bewussten  Gegensalz  zu  den  Platonikem  des  Mittelal- 
alters  stellt  sich  der  Scholastiker  des  begonnenen  dreizehnten 
Jahrhunderts  auf  die  Seite  des  Aristoteles.  Die  Seele  trägt  das 
Wissen  nicht  schon  in  sich,  sondern  sie  muss  es  erst  erwerben. 

Nun  begreift  sich  auch  die  oben  gestellte  Frage  nach  der  Art 
und  Weise,  wie  die  Seele  in  den  Besitz  des  Wissens  gelangen 
könne.  Wie  schon  früher  erwähnt,  hat  Wilhelm  den  Grundge- 
danken der  aristo leli  sehen  Erkenntnislehre  aufgenommen,  dass 
jede  Erkenntnis  durch  eine  Verähnlichung  des  Erkennenden  mit 
dem  Erkannten  zu  stände  komme  ').  Dieses  allgemeine  Gesetz 
findet  Anwendung  wie  auf  die  sinnliche,  so  auch  auf  die  geistige 
Erkenntnis.  *)  Das  intellektuelle  Erkennen  ist  somit  bedingt 
durch  ein  Erkenntnisbild,  und  zwar  nicht  mehr  durch  ein  sinn- 
liches, sondern  ein  von  diesem  gänzlich  vei-schiedenes,  intellek- 
tuelles Erkenntnisbild*),  dessen  Subjektkein  materielles  Organ, 
sondern  die  geistige  Seele  selbst  ist.     Zwei  wesentlich  verschie- 


^)  De  virlutibus,  Tom.  I.  c.  9,  p.  124  (1):  £t  quidem  secundum  Aristo- 
telem  creantur  homines  perFecti  prima  perfectione ,  quae  est  naturae, 
quo«!  est  dicere  perfectione  maleriae  et  formae,  hoc  est  anima  et  corpore, 
potentiis  et  viribus;  perfectibiles  sunt  autem  secunda  perfectione.  Wir  haben 
hier  die  aristotelische  Unterscheidung  des  bloäen  Seins  von  der  ThäUgkeit 
dieses  Seins,  der  ersten  und  zweiten  Energie,  des  actus  primus  und  secundus 
der  Späteren. 

•)  De  virtulibus,  Tom.  I.  c.  5,  p.  114  (1):  Similitudo  vero,  qua  utitur 
Aristoteles  in  rebus  istis  de  tabula  non  scripta  et  de  speculo,  in  quo  nondum 
reluxit  formae  alicuius  apparitio,  intentionem  eius  satis  exponunt  .  .  .  .,  quam 
opinatus  est  (animam)  creatam  esse  vacuam  a  scientÜs  .  .  .  .,  veramtamen 
receptibilem  earum. 

")  S.  Seite  28. 

*)  De  Un.  n.  p.  II.  c.  3,  p.  1018  (1):  Cum  igitur  uognitio  actualis  .... 
non  sit  in  intellectu  nostro  nisi  Signum  rei  cognitae  in  effectu  relucens  in 
ipso  intellectu  nostro. 

'')  De  an.  VII.  6,  p.  211  (1):  necesse  est  apud  intellectum  intelligentem 
esse  signa  intelligibiüa  seu  formas  antedictas. 


48 


Vermögen  entsprochen  auch  zwei  wesentlich  verschie- 
Erkenntnismiltel.  Wilhelm  wül  sich  hiebei  auf  Aristote- 
les stützen,  demzufolge  ohne  Phantasma  eine  geistige  Er- 
tennlnis  unmöglich  sei  *).  Es  zeigt  sicli  über  sofort,  dass  unser 
Scholastiker  jene  wichtige  aristotelisdie  Stelle  giinzllrli  missver- 
steht.  Aristoteles  bezeichnet  nämlich  damit  die  iiütxvendige  und 
uribeilingte  Abhängigkeit  des  Intellektes  umt  des  Denkens  von 
der  sinnlichen  Erkenntnis,  während  Wilhelm  den  Satz  aus  dem 
Zusammenhange  loslöst  und  pkantasma^  olVenbar  wegen  des  tia- 
mit  verbundenen  hUei/igere  (vo^tv),  als  geistige  Erkeimtnisform 
pimmt  •),  so  dass  er  den  Gedanken  erhält,  ein  geistiges  Erken- 
nen werde  nur  durch  ein  inleUektuelles  Erkennlnismiltel  ermög- 
licht In  ganz  frappanter  Weise  triHl  hier  zu,  was  wir  eingangs 
betncrklen,  dass  Wilhelm  nur  allzusehr  sich  auf  ein  fragmenta- 
nsches  Herausgreifen  einzelner,  häufig  irnssverslandener,  arislo- 
lehscher  Sätze  unJ  Termini  beschränke. 

Soll  also  eine  intellektivc  Erkenntnis  der  äusseren  Dinge 
stattlinden,  so  muss  ein  geistiges  Bild  derselben  in  unserem  In- 
leUektc  erzeugt  wertlen.  Soviel  slr^ht  unserem  Scholastiker  fest. 
Wie,  durch  welche  Ursachen  kommt  tmn  diese,  unerlüssliche 
Vorbedingung,  ein  derartiges  intelligibles  ßrld  von  den  materiellen 
Einzelndingen,  in  dem  Intellekt  zuslandcV  Diese  Fragestellung 
.stammt  von  Aristoteles,  und  sc})on  er  hatte  die  Schwierigkeit 
iner  befriedigendi-n  Antwort  gefühlt.  Er  versuclite  die  Lö-sung, 
indem   er   die  psychischen   Erscheinungen    des  Erkennens   nach 

IAmilogte  der  in  der  Auöenwelt  sich  firulenden  Vorgänge  dos 
Werdens  und  Entstehens  dachte.  *)  Er  nahnr  nüniiich  zur  Er- 
')  De  an.  VII.  9,  p.  'JV*  (1);  «juu*!  ilixJt  Aristoteles  tn  sermnne  suo, 
videlicct  quod  iinpossibilcesl  intelligi  sino  phantasinate;  oiter,  uni  die  genuue 
Obenetwng  der  aristgtelischen  Stelle  xu  geben.  De  an  VU.  <(.  p.  211  (1): 
Don  est  possibilc  aiiimam  inIclUKcre  ^ine    pliHiitasnmte.     Ariftt.  «It;  an,  III.  7^ 

431a    !•>:   «f»*   ov^tnvtt   rvr!  UP*r   (fmnäOftatuf   ij    fi^'-j^^. 

^P  *)  De  &a.  VtL  ti,  p.  211  (I):    non  est  possibile  animam  inlellipere  sine 

phmliLsniate,  et  inteodu  sine  signo  vel  furma  inlelligibili.  \^\.  De  l^ii.  tl. 
p.  1  c  H  p.  S21  (2). 

^ft  ^  ArisL  de  an.  IIL  5,  430  a  10:  'Eir*i  itäamp  n   äxiiaji  rjj  fvttt  itti 

fi  ti  fxit  Pä^  txäarm  fitn  (fftfto  cf»  ö  Ttärm  ttvpäftti  ixtiTa),  fte^v  Sr  lö  aFitop 


44_ 

klärung  jener  mtelligiblen  Formen  in  der  Seele  einen  doppelten 
Intellekt  an,  einemoi'e,  der  alles  wird,  und  einen  vovc,  der  alles 
wirkt.  Dunkel  waren  schon  diese  Ausdrücke,  aber  die  Schwierig- 
keit wurde  noch  erhöht  durch  die  Prädikate,  welche  der  Stagirite 
den  beiden,  die  Erkenntnis  bedingenden  Faktoren  gab.  Die 
mannigfachsten  und  teilweise  sehr  abstruse  Erklärungsversuche 
knüpften  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  an  jene  Scheidung 
eines  möglichen  und  eines  wirkenden  Verstandes,  von  den  Schü- 
lern des  Aristoteles,  Theophrast  und  Eudemus,  angefangen  bis 
in  die  jüngste  Zeit  herab,  auf  Trendelenburg,  Zeller  und  Brentano.  *) 

Wir  zogen  die  Lehre  des  Aristoteles  heran,  um  den  Punkt 
aufzuweisen,  in  welchem  die  späteren  Gommentatoren,  wie  auch 
die  arabischen  Peripatetiker,  und,  von  letzteren  veranlaßt,  ebenso 
Wilhelm  auf  dem  Gebiete  der  Erkenntnislehre  einsetzten.  Sehen 
wir  nun  zu,  wie  unser  Scholastiker  das  Problem  der  Entsteh- 
ung der  geistigen  Erkenntnisformen   zu  lösen  bestrebt  ist 

Das  zunächst  liegende  Agens,  welches  als  Ursache  jener 
intellektuellen  Bilder  angesehen  werden  könnte,  scheint  die  äuß  ere 
Sinnenwelt  selbst  zu  sein.  Allein  die  körperlichen  Dinge  erzeu- 
gen nur  materielle  Formen  in  den  Sinnesorganen,  auf  die  gei- 
stige Substanz  der  Seele  vermögen  sie  nicht  zu  wirken  *).  Diese 
ist  körperlichen  Eindrücken  gegenüber,  wie  wir  schon  bei  der  Sin- 
neserkenntnis hervorgehoben  haben,  nicht  leidensfähig.  Aristoteles') 


IV  Tp  ^XW  vna(>jffiv  raorac  tat  ^lafopde  *  xai  eartv  6  fitv  roiovrof  vovc  tiä  nawxa 
yiypia'Sai,  6  fff  tiÜ  nävia  noitiw,  mc  l'itt  rtf,  otov  to  gnag  '  rponaw  ydf  xiwa  xai  ro 
fwe  Tiotfi  iä   iwäfitt   QVXa  j^pöl/inra  irt^/tia  jr^öfiara, 

*)  Brentano,  Die  Psychologie  des  Aristoteles.  In  dem  ersten  Ab- 
schnitt gieht  der  Verfasser  einen  Überblick  über  die  sämtlichen  bedeu- 
tenderen  im  Laufe   der    Zeit   hervorgetretenen    Meinungen    von    dem    vovs 

^)  De  an.  V.  7,  p.  122  (1):  Quia  igitur  a  rebus  exterioribus  sensibilibus 
non  est  possibile  ipsam  (scientiani)  gigni  vet  ßeri  in  anima  humana,  cum 
ultra  formas  nihil  gignatur  vel  fiat  in  illa  ab  eisdem,  necesse  est  ab  alio 
agente  illam  fieri  in  eadem. 

■)  De  Un.  IL  p.  II.  c.  74,  p.  928  (1):  et  in  hoc  concordare  videtur 
Aristoteles,  ubi  dicit  quia  inteltectus  non  patitur  a  formis  materialibus  seu 
corporalihus  quemadmodum  sensus;  intelligentes  enim  calidum  non  calefimns, 
et  tamen  sentientes  calidum  calefimus.  Die  bezügliche  Stelle,  welche  Wilhelm 
im  Auge  bat,  kann  wohl  keine  andere  sein,  als  De  an.  III.  4,  429  a  24— 2ti, 


45 

und  die  hervorragendsten  christlichen  Lehrer  ^  stimmen  darin 
überein,  daß  der  Intellekt  keine  sinnliche  Qualität  in  sich  auf- 
nehme, daß  er  beim  Gedanken  oder  beim  Begriff  der  Wärme 
nicht  warm  werde,  wie  das  Sinnesorgan  bei  der  Wahrnehmung 
des  Warmen.  Als  ein  Leiden  im  Sinne  der  Aufnahme  einer 
physischen  Einwirkung  kann  das  intellektivc  Erkennen  niclit  be- 
trachtet werden. 

Einen  anderen  Weg  nun  hat  nach  Wilhelms  Ansicht  Plato  •) 
eingeschlagen.  Dieser  nahm  zur  Erklärung  der  intellektuellen 
Erkenntnisformen  eine  von  der  sinnlichen  verschiedene  Welt  all- 
gemeiner, ewiger  und  unveränderlicher  geistiger  Substanzen  an, 
welche  nach  Art  der  Sinnendinge  auf  die  Seele  einwirken  und  im 
Intellekte  ihr  Bild  einprägen  sollen.  Ausdrücklich  bemerkt  Wilhelm, 
über  die  Motive ')  der  platonischen  Ideen,  der  urbildlichen  oder 
geistigen  Welt*),  besitze  er  keinen  historischen  Bericht,  er  sehe 
sich  daher  nur  auf  Vermutungen  angewiesen.  Seiner  Meinung  ^) 
nach  sei  es  aber  die  erwähnte  Überlegung  gewesen,  welche  Plato 


wo  Aristoteles,  von  der  Geistigkeit  des  vove  handelnd,  sagt:  äiö  ovAi  nt^ux^at 

tvXoyov  artow  rtü  Uiöftart  '  notoc  rtc  yäp  av  yr/poiro,  ^  iffv^foc  y  #/p,«(*V,  V  *«*' 
of/a9ow  Ti  et^  Sanf^  t<S  aia&%Tir.w,     Vgl.  S.  39,  Anm.  1. 

M  De  Un.  II.  p.  IL,  c.  fiö,  p.  914  (2):  sensus  recipiendo  calnrem  sive 
passionem  ex  calido  calidus  fit,  quod  <lico  quantum  ad  instrumentum  tactus, 
intellectus  vcro  intelligendo  calorem  non  fit  calidus  nee  intelligendo  colorem 
coloratus,  quare  vel  non  recipit,  ut  dixi,  quemadmodum  sensus,  vel  omnino 
Don  recipit,  quemadmodum  quidam  de  sapientibus  Chnstianorum  dixit. 
Wilhelm  drückt  sich  immer  in  der  angegebenen  Weise  aus,  ohne  einen  be- 
stimmten Autor  zu  nennen.  Einmal.  Dean.  VII.  9,  p.2l5  (2),  spricht  er  in  der 
Mehrzahl  „einige  (gewisse)  von  den  christlichen  Lehrern".  Unzweifelhaft  ist 
damit,  worauf  wir  bald  noch  kommen  werden,  die  I^ehre  Augustins  gemeint. 
Siebe  unten  S.  54  f. 

')  De  Un.  11.  p.  I.  c.  14,  p.  821  (2).  Fast  das  ganze  14.  Kapitel  be- 
schäftigt sich  mit  der  platonischen  Ideenlehre. 

')  Ebd.:  quae  fuerunt  rationes  vel  probationes  Piatonis,  non  pervenit 
ad  me.    Ponam  igitur  rationes,  quas  vel  habuisse  videtur  vel  habere  potuisset. 

*)  Ebd.:  positio  Piatonis  de  formis  sive  de  mundo  specierum,  qui  et 
mundus  archelypus  et  mundus  principalium  formarum  et  mundus  specierum 
et  mundus  intelligibilis  sive  intelligihilium  dicilur. 

")  Daran  dachte  Wilhelm  ofTcnhar  nicht,  wie  sich  Piatos  Theorie  von 
aoerschafienen  Ideen  (siehe  S.  40j  mit  der  ihm  hier  zugeschriebenen  Ent- 
stehung der  intellektuellen  Formen  zusammenreimen  lasse. 


46 

zur  Aufstellung  seiner  Ideenwelt  grefuhri  hAtte.  Unser  Scholasli- 
ker  ist  nbcr  woil  enUernt,  die  platonische  Lclire  für  riclilig  zu 
halten;  denn  die  Universalien  nis  solche  besitzen  keine  objektive 
Existenz  und  infolge  dessen  auch  kein  Wirken"),  wie  beidos  die 
pintonisdie  HypoÜiese  voraussetze.  *)  Ebenso  hnbe  auch  Aristo- 
teles die  Annahme  Platos  nicht  gebilligt  und  hierdurch  veran- 
laßt ■)  eine  andere  Theorie  über  die  Entstehung  der  Erkennlnis- 
bilder  aufgestellt. 

Die  letzteren  haben  nach  der  Lehre  des  Stagiriten 
ihre  Ursache  in  einem  von  der  Seele  getrennten,  rein  immateriel- 
len Wesen,  derlhätigen  Intelligenz,  welche  die Schüpforin  der 
menschlichen  Seelen  ist  und  in  der  Slufenreihe  der  Intelligenzen 
die  zehnte  oder  unterste  Stelle  einnimmt.  Diese  ^intelligenlia 
agens"  gilt  als  die  Trägerin  der  Ideen,  der  intelligiblen  Formen, 
welche  sämtlich  in  ihr  pr^existieren.  Wie  eine  geistige  Sonne 
strahlt  sie  dieselben  hinein,  labt  sie  dieselben  hineinllielien  in  den 
materiellen  Intellekt.  *)  Wilhehn  teilt  hier  fälschlich  die  Lehren  des 
Avicenna^J  und  des  ^Liber  de  causis"«)  dem  Aristoteles  zu, 
brinjrt  aber  damit  jene  Stelle  des  achten  Aristoteles  in  Verbin- 
dung, an  der  dieser  den  wirkenden  rorc  mit  dem  Lichte  vergleicht.^) 


>]  De  an.  VIT.  6,  p.  211  (1h  uotverealia  aufpm  vel  agere  vd  pati  dod 
viJetur  esse  possiLile. 

■)  Auf  diese  hier  herHlirten  Erßrlerunijen,  wck-lie  im  Sinne  Piatos 
gehalten  siuü  und  keine.<iwetfs  die  Ansicht  Wilhelms  wieilciYehen  sollen, 
slQtzl  mh  Haurvau,  De  k  pliilosopbie  sculastique,  Paris  1850,  Tom,  I, 
p.  444,  44H,  wenn  er  unseren  Scliolasliker  zu  einem  extremen  Reiili^ten  stem- 
pelt. Auch  Oherweg,  Grundriü  der  Geschichte  der  Philosophie,  Bd.  II, 
7.  Aufl.,  Berlin  188«,  S.  226  beurteilt  Wilhelm  nach  dem  Inhalte  jenes  Ka- 
pitels und  sieht  in  ihm  einen  strengen  Platunlker  und  Vertreter  der 
Ideeulehre. 

■)  De  Un.  II.  p.  I.  c.  14,  p.  821  (2):  Causa  autem,  (|uae  co&git  ipsum 
(Aristotelem)  haue  inlelligeutiam  iMjnerc,  Tuit  |H)sitio  PUtuuis  de  formis  sive 
de  mnndü  gpecierum.    Vgl.  De  Un.  U.  p.  111.  c.  20.  p.  ]0.%3  (2). 

•)  De  an.  VII.  5,  p.  aiO  {1);    B,  p.  211  (2). 

•)  Brentanu,  a.  a.  0.  S.  8-14. 

*)  Wo  Wilhelm  die  Erkenn  Inisweise  der  »intelligentia  agens'  besprichtf 
bezieh l  er  ^<irh  auf  den  Sut^  des  „Liber  decuusis' :  omnls  intelttgentia  picna  est 
formis;   De  an.  VII.  (K  p.  'itl  (2j.    Vgl.  Kardeuhewer  a.  a.  O.  S.  17».  g  9. 

'>  Vgl  S.  43,  Anni.  3. 


47 


^ 


Von  der  für  aristotelLscli  gehaltenen  Intelligenz  behauptet  er 
nämlich  auch,  da&  sie  die  in  dem  tnideriellen  Intellekt  nur  der 
Möglichkeil  nach  enthaltenen  intelligibleii  Formen  durch  ihre 
Thäligkeit  verwirkliche,  wie  dän  Licht  die  bloli  poten/Jell  vor- 
htindenen  Kurben  in  die  Wirklichkeit  überführe. ')  Williehü  er- 
kennt ganz  gut  den  Unterschied  beider  Ansichten,  ihre  Unverein- 
barkeil, und  will  daher  in  der  Lehre  des  Aristoteles ")  einen  Wi- 
derspruch finden.  Auffallend  ist  aber,  daü  dieser  Zwiespalt  ihm 
nicht  klarer  wurde  und  ihn  zur  richtigen  Kenntnis  des  Sachver- 
haltes führte.  Er  bemerkt  ferner,  daü  Aristoteles  nur  für  die  über- 
sinnlichen Wahrheilen  eine  Inteliipen/.  angenommen  habe,  die 
Kenntnis  der  körperlichen  Dinge  aber  durch  Abstraktion  aus 
den  Sinnen  herleite,  *)  wahrend  er  ein  andermal  wieder  schreibt, 
weder  in  den  zweiten  Analytiken  noch  in  der  Physik  werde  die 
Erfassung  der  Prinzipien  von  einer  InlelliKunz  abhängig  gemacliL  *) 
So  macht  sith  der  Mangel  an  Kritik  und  einer  genaueren  Kennt- 
nis der  einzelnen  Autoren  bei  Wilhelm  sehr  fühlbar,  und  über 
die  damit  notwendig  verbundene  Unklarheit  vermochte  unser 
Scholastiker  nicht  hinauszukommen.  Was  sodann  die  Gründe 
anlangt,  welche  gegen  die  (hätige  Intelligenz  ins  Feld  geführt 
werden,  so  übergehen  wir  die.^ellwjn,  *)  da  sie  so  ziemlich  ohne 
lnteres,<*e  sind,  zmn  Teil  üIht  mit  Ai^gumenlen  zusannnen(all«m, 
■welche  gegen  eine  andere  Meinung  vorgebracht  werden,  die  wir 
nun  besprechen  wollen. 

Bei  den  Zeitgenossen  W^ühehns  scheint  eine  Theorie 
vielfache  Vertretung  gefunden  zu  haben,  die,  ganz  abweichend 
von  den  phantastischen  Spekulationen  der  Araber,  sich  mehr  an 
den  aristoteüschen  Text  anzuschlieben  sachte  und  bereit  in 
jene  Baimen  einlenkte,  welche  die  Scholastiker  der  Blutezeit  be- 
traten. Während  Alexander  Aphrodisicnsis,  Avicenna  und 
Averroßs  ein  von  der  Seele  verschiedenes,  inuaaterlelles  Prinzip, 


•j  D«  Un.  II.  p.  1.  c  U.  iJ.  K21  (1,  2j. 
*)  U«  Ln.  U.  p.  l.  c.  1«.  p.  «22  (2). 

•)  De  an.  Vll.  0.  p.  211  vi).    l>e  Cn.  II    p.  L  c.  KJ.  p.  822  (2). 
•)  De  an.  Vll.  .^  p.  210  (I). 

*)  Werner,   Wilhelms    V**HiäUiiis   zu    .Ku    l'latnnikcm,   S.   30    f.    bat 
drntelben    liemusgehoberi :    v^L    1'**    l'n,    11.    p.   I.    c.    Irt,    p.  Hä2  f.; 
tl.  p.  II.  c.  3,  p.  lUlS  (2J. 


i_ 


4fl 

oder,  wie  der  letzlere,  zwei  unter  einander  und  von  der  Seele  ge- 
trennte geistige  Substanzen*)  annahmen,  glaubten  diese  christ- 
lichen Peripatetiker  die  menschliche  Erkenninisthätigkeit  aus 
der  Seele  allein,  ohno  Zuhilfenahme  einer  Äußeren  Intelligenz, 
erklären  zu  müssen.  Sie  unterschieden  daher  in  der  Seele  selbst  als 
deren  Teile  oder  Kräfte  einen  zweifachen  Intellekt,  einen  ,intel- 
lectus  nialerialis'*  und  einen  »intelleclus  agens*.  Das  Erken- 
nen *)  vollzieht  sich  in  einer  Thätigkeit  und  in  einem  Lei- 
den. Dementsprechend  muJä  es  einen  materiellen '')  Intellekt 
geben,  welcher  die  geistigen  Erkenntnisformen  in  sich  aufninuul, 
und  einen  thäligen  Intellekt,  *)  welcher  dieselben  bewirkt  oder 
hei*vorruft  d.  h.  aus  dem  materiellen  Intellekt,  in  welchem  sie 
bereits  der  Möglichkeit  nach  vorhanden  sind;  in  die  Wirklichkeit 
überltihrt.  Beide  Intellekte  verhalten  sich  zu  einander,  wie  die 
Farben  und  das  Sonnenlicht,  welches  die  ersteren  aus  ihrem 
PolenzÄUstand  in  die  Wirklichkeil  herausführt,  zu  wirklich  sicht- 
baren Farben  macht. '^)  Lediglich  wegen  dieser  Ähnlichkeil  mit 
der  Materie,  welche  ja  alle  Formen,  für  welche  sie  empfänglich 
ist,  der  Möglichkeit  nach  in  sich  trägt,  hat  der  materielle  Intel- 
lekt seinen  Xamcn,")  im  übrigen  aber  ist  er  ebensogut  ein  Teil 
der  geistigen  Seele  wie  der  inlellectus  agens. 

Wir  haben  hier  wohl  den  pfsli-n  Versuch  vor  uns,  welcher 
Christi  ich  etseit»  unternommen  wurde,  um  iletiKrkeimlnisprozeü 


')  Brentano,  a.  a.  O.  S.  14-^23. 

•)  Do  an.  VII.  3,  p.  205  (I):  openitloDcm  posuernnt  ialelleclus.  quae 
est  inlelligenlia,  tiuuhus  perlici,  actione  scilicct  el  passione  seu  reneplione. 

*}  Kbd  :  Et  propter  tioc  posuenint  intellectuni  materialetn  laniquam 
rcceplivnm  »eu  receptiliilein  passionum,  qunc  sunt  üi^na  intellectus,  per  iguue 
intellerlus  appreti<^ndit  inleUigibilia. 

*)  EIhI-:  PusuerunL  etinm  huiusiQgdi  pa-ssione»  seu  rccepliunes  intel- 
lectui  agenti,  cuius  op^raLio  est  cdui-cre  signa  antedirtu,  ((uac  putcntlatitor 
sunt  in  intelleclu  [iialenall,  in  actum  seu  eflTectum  essendi,  el  propler  hoc 
vocaverunt  ijwum  inlellectuin  agentem. 

*)  Ebd.:  quem  ad  in  od  um  lux  iiradiatioae  sua  educit  colores  de  potentia 
in  actum  eai^endi,  sie  intellectus  agens  formas  inielligibiles,  quae  potentia 
eranl  in  lnlelle<-tu  materialt. 

'}  Ebd.  p.  2<K'>i2):  Atiuni  vero  propter  simililwlinem  qunadam,  quam 
ipsum  *         ^  ad  roaterlam  npinati  sunt,  mnterinlcm  dlxerunL 


49 

im  direkten  Anschluß  an  die  aristotelische  Stelle^)  zu  erklären, 
von  welcher  alle  derartigen  Spekulationen  ausgegangen  waren. 
Wie  bei  Aristoteles,  werden  die  beiden  Intellekte  in  die  Seele  ver- 
legt; die  weiteren  Ausführungen  freilich  unterscheiden  sich  noch  be- 
deutend von  denen  des  Stagiriten,  wie  ebenso  von  jenen  des  Tho- 
mas von  Aquin.  Der  thätige  Intellekt  wirkt  unmittelbar  auf  den 
materiellen,  der  sensitive  Faktor  dagegen,  die  Phantasmen,  werden, 
wenigstens  nach  dem  Referate  Wilhelms,  gar  nicht  berücksichtigt. 
Doch  scheint  es  die  Ansicht  dieser  Philosophen  gewesen  zu 
sein,  daß  der  thätige  Intellekt  nicht  selbst  ein  erkennendes,  son- 
dern ein  die  Erkenntnis  nur  bewirkendes  Prinzip  sei,  welches  bei 
gegebenen  Phantasmen  im  materiellen  Intellekt  durch  seine 
Thätigkeit  die  intelligiblen  Bilder  hervorruft. 

.  Wilhelm  macht  nun  auch  gegen  diese  Ansicht  die  schwer- 
sten Bedenken  geltend.  Er  will  die  Vertreter»)  derselben,  wie- 
wohl sie  ihm  selbst  in  der  Kenntnis  des  Aristoteles  entschieden 
überlegen  waren,  aus  leicht  begreiflichen  Gründen  nicht  als 
Peripatetiker  anerkennen;  habe  ja  Aristoteles  den  „intellectus 
agens"  als  eine  von  der  Seele  getrennte  Substanz  angesehen.  =) 
Er  tadelt  ferner  die  kritiklose  Annahme  dieser  Aufstellungen  von 
Seiten  vieler*)  und  fordert  vor  allem  Rechenschaft  darüber,  ob 
ein  materieller  und  thätiger  Verstand  sich  auch  aus  dem  Wesen 
der  Seele  erweisen  lasse  und  mit  der  Würde  des  intellekti- 
ven  Vermögens  und  dem  Begriff  eines  thätigen  Intel- 
lektes verträglich  sei. 

Die  Träumerei  *)   eines   zweifachen  Intellektes   in  der  Seele 
stehe  offenbar  mit  der  Einfachheit  des  Seelenwesens  im  Wider- 


')  Arist.  de  an.  III  5,  430  a  10—17;   vgl.  oben  S.  45,  Anm.  3, 

*)  De  an.  VII.  3,  p.  205  (1):  Dicam  igitur  imprimis,  quod  fuerunt  phi- 
losopbi  et  alü  poat  eos,  sequaces  Aristotelis,  ut  eis  vtdetur. 

■)  De  an.  VII.  5,  p.  216  (1):  Nee  Aristoteles,  quem  sequi  se  credunt  in 
errore  isto,  hoc  umquam  posuit  vel  cogitavit,  verum  intelligentiam  agentem 
separatam  et  spoliatam  posuit    Vgl  S.  46,  47. 

*)  De  an.  VII.  3,  p.  206  (2):  Et  quoniam  multi  deglutiunt  positiones 
istas  absque  uUa  investigatione  diacursionis  et  perscrulalionis  recipien- 
tes  illas. 

•)  De  an.  VII.  4,  p.  207  (2):  Amplius,  unde  somnium  istud,  videlicet  ut 
Tb  intellectira  duplex  sit  sive  duas  partes  habeat.  .  .  . 

4 


50 

Spruch.  In  der  Seele  giebt  es  keine  real  unterschiedenen  Kräfle, 
keine  realen  Teile.  *)  Ferner  liege  hierin  eine  Unvollkomraenheit 
des  intellektuellen  Erkennens  gegenüber  dem  sinnlichen.  Die 
Sinneserkenntnis  komme  zustande  ohne  einen  «sensus  agens", 
lediglich  durch  das  sinnliche  Vermögen  und  die  äußeren  Ob- 
jekte. *)  Infolge  dessen  können  auch  bei  der  intellektiven  Er- 
kenntnis wegen  der  allseitigen  Analogie ')  zwischen  dem  ma- 
teriellen Intellekt  und  dem  Sinne  nicht  mehr  als  zwei  Faktoren 
notwendig  sein,  nämlich  der  materielle  Intellekt  und  die  intelli- 
giblen  Objekte.  *)  Die  Einführung  eines  „intellectus  agens"  sei 
ungerechtfertigt  und  bedeute  die  Herabwürdigung  der  intellekti- 
ven Kraft.  Ein  weiteres  Argument  entnimmt  Wilhelm  dem  Be- 
griff eines  Uuitigen  Verstandes.  Nehme  man  nämlich  den  Aus- 
druck „intellectus  agens"  im  eigentlichen  Sinne,  ^)  so  könne 
diirunler  mir  ein  aktuell  erkennendes  Prinzip  verstanden  werden, 
welches  seine  Erkenntnis  in  einem  ewigen,  unaufhörlichen  Akt 
aus  sich  selbst  schöpft.  ^)  Damit  sei  aber  der  Standpunkt  Pia- 
los unvermeidlich,  einerlei,  ob  man  den  thätigen  Intellekt  mit  der 
Seele  identifiziert  oder  als  eine  Kraft  derselben  ansieht  oder  als 


')  De  an.  VII.  3,  p.  205  (2):  Quod  f;i  intelligant  istos  duos  intellectus 
partes  (luasdam  animae  humanae  esse,  non  oportet,  ut  repetam  tibi  ea,  quae 
in  pruecedentiltus  audivisti,  in  quibus  declaraium  est  tibi  dedaratione  suffi- 
cieiiti  anitnam  humanam  esse  impartibilem.    Vgl.  S.  16. 

•)  De  an.  VII.  4,  p   207  (2). 

')  Gemeint   ist  die    Stelle,  Arist.   de   an.   III   4,  429  a  16:    xai  nfioUf 

t'x**"*  MOntQ  x6  aiai}ijjtx6v  Ttpoi  tä  ata&^TÖ,  ovr«»?  röv  vovv  npcif  xa  poi^b,  welche 

bei  Wilhelm  De  an.  VII.  4,  p.  207(2)  folgendenden  Wortlaut  hat:  Sensus  enim 
ad  inoduin  intellectus  malerialis  est  potentia  habens  formas  sensibiles  .... 
quemadmodum  intellectus  inaterialis  potentia  tantum  est  habens  formas  in- 
telligibiles  sive  similitudines. 

*J  Es  darf  aber  hiebet  nicht  an  eine  Einwirkung  nach  Art  der  Sinnen- 
dinge gedacht  werden ;   vgl.  S.  45. 

•)  De  an.  Vll.  3,  p.  206  (1):  Amplius  cum  sit  verae  rationis  et  veri 
nominis  intellectus  agens,  non  erit  recipiens  aHunde. 

*)  Ebd.:  Intellectus  huiusmodi  cum  sit  intelllgens  per  semelipsum 
solum,  esset  intelligens  omnia  intelligibilia,  et  hoc  iiilelligere  continuo, 
sempiterno. 


51 

angeborenen  Habitus  auffaßt.  ^)  In  keinem  Falle  kann  mehr  von 
einer  Erwerbung  des  Wissens  die  Rede  sein.  Ferner  erscheint 
es  bei  dieser  Voraussetzung  unbegreiflich,  weshalb  wir  beim 
Lernen  soviel  Mühe  aufwenden  müssen.*)  Auch  die  Thalsachen 
der  Unterbrechung  ^)  in  unserem  Erkenntnisleben  sowie  des  dis- 
fcursiven  Denkens*)  bleiben  unerklärt.  In  einem  einzigen  und 
ununterbrochenem  Akte  müiste  uns  unser  gesamter  Erkenntnis- 
inhalt vermittelt  sein.*)  Steht  so  die  Annahme  eines  ,intel- 
lectus  agens"  mit  aller  Erfahrung  im  schroffsten  Wider- 
spruch, so  wäre  es  überflüssig  und  eine  reine  Fiktion,  *)  die 
Kenntnis  der  Prinzipien  und  des  daraus  abgeleiteten  Wissens 
einem  thätigen  Intellekt  zuzuschreiben.  ')  Die  obersten  Wahr- 
heiten entwickeln  sich  von  selbst  in  dem  materiellen  Intellekt,  *) 
und  mit  ihnen  sind  auch  ihre  unmittelbaren  Folgerungen  gege- 
ben, sodalä  auch  zur  Erklärung  des  systematischen  Wissens  ein 
thätlger  Intellekt  nicht  gefordert  werden  kann.  Niemand,  der  sich 
eine  Wissenschaft  aneignen  will,  bekümmert  sich  um  denselben, 
und  die  ganze  Unterrichtsmethode  spricht  dagegen,  indem  hierbei 
lediglich  auf  die  Kenntnis  der  Prinzipien  und  die  logische  Schu- 
lung gesehen  wird.  *) 

Wir  haben  hier  die  hauptsächlichsten  Gründe  herausge- 
hoben, welche  Wilhelm  gegen  den  „intellectus  agens"  vorzubringen 


*)  Etxl.  p.  206  (2j:  et  hoc  sive  intellectus  agens  sit  pars  animae  hu- 
manae  sive  ipsa  anima  humana  sive  habitus  aliquis,  ut  praeaudivisti.  Unter 
faabitus  wird  der  Zustand  fertiger  Erkenntnis  verstanden, 

»}  De  an.  Vll.  4,  p.  208  (2). 

■}  De  an.  VII.  4,  p.  208  (1). 

*j  Ebd.  p.  208  (2). 

^)  De  an.  VII.  4,  p.  208  (2):  et  semper  una  irradiatiune  omnes  illas 
simul  Intelligi  (necesse  est),  intelUgi  inquani  actu,  cum  formae  illae  actu 
simul  sint  in  intellectu  materiali. 

*)  De  an.  Vli.  4,  p.  209  (2):  figmentum  igitur  est  tantum  et  vanissima 
positio  intellectus  agentis. 

V  De  an.  VU.  4,  p.  209  (2). 

'j  Über  die  unmittelbare  Erkenntnis  der  Prinzipien  siehe  weiter  unten. 

*;  De  an.  VII.  r>,  p.  210  (I,  2):  Ämplius  non  alia  de  causa  quaenintur 
principia  et  causae  et  elementa,  nisi  quia  arbitrantur  homines  se  scire  posse 
per  hoc  solum  res,  quarum  scientiam  inquinint,  inlellectum  veru  agentem 
Dec  requirunt  nee  curant,  sed  nee  etiam  cogitant.  Vgl.  De  an.  Vit.  4, 
p.  209  (2). 

4* 


52 

weiß.  Mit  Ausnahme  der  zwei  ersten  setzen  sie  sämtlich  vor- 
aus, daß  der  thätige  Verstand  als  ein  aktuell  erkennendes 
Prinzip  gefaßt  wird,  wobei  es  unserem  Scholastiker  gleichgül- 
tig erscheint,  ob  dasselbe  von  der  Seele  getrennt  oder  als  eine 
Kraft  derselben  angesehen  wird.  Speziell  die  letzten  Bemerkun- 
gen haben  die  Lehre  Ävicennas  im  Auge,  daß  die  er- 
sten Prinzipien  ohne  jede  äußere  Veranlassung  und  Vorbereitung 
von  der  thätigen  Intelligenz  eingegossen  werden.  ^)  Wir  werden 
später  sehen,  wie  Wilhelm  trotz  seiner  Polemik  im  Grunde  doch 
die  gleiche  Ansicht  vertritt,  nur  daß  er  die  Mitteilung  der  ober- 
sten Sätze  nicht  mehr  einem  geschöpflichen  Wesen,  sondern  un- 
mittelbar der  Gottheit  zuschreibt. 

Wenn  aber  dem  intellectus  agens  keine  eigene  Erkenntnis 
zugeschrieben  wird,  wie  es  höchst  wahrscheinlich  von  Seite  der 
angegriffenen  christlichen  Peripatetiker  der  Fall  war,  was  läßt 
sich  dann  noch  gegen  denselben  einwenden?  Hier  macht  nun  Wil- 
helm den  Schluß,  daß  in  diesem  Falle  nur  ein  einziges  erken- 
nendes Vermögen  in  der  Seele  anerkannt  werden  müsse,  näm- 
lich der  , intellectus  raaterialis".")  Da  ferner  das  Erkennen  von 
dem  Wesen  der  Seele  unabtrennbar  ist,  so  folgt,  daß  der  ma- 
terielle Intellekt  der  Seele  wesentlich  angehört.  Diese  besitzt 
lediglich  den  „intellectus  materialis"  und  sie  schließt  ihrem  Wesen 
nach,  wie  jeden  anderen,  den  thätigen  Intellekt  aus.») 

So  kommt  der  Scholastiker  am  Anfang  des  dreizehnten 
Jahrhunderts  zu  dem  nämlichen  Resultat,  welches  etwa  hundert 
Jahre  später  die  Begründer  der  Nominalistenschule,  Wilhelm 
Durandus*)  und  Wilhelm  vonOkkam*),  der  Ihomistischen 
Erkenntnislehre   entgegensetzten.     Die  Motive  allerdings    waren 


')  Slöckl,  Geschichte  der  Philosophie  des  Mittelalters,  II,  S.  44. 

')  De  an.  VII.  3,  p.  206  (2):  Quod  si  dixerit  ipsum  intellectum  agentem 
non  esse  intelligentem  per  semetipsum  sive  in  se,  tunc  necesse  habet  dicere 
nihil  intelligere  vel  esse  intelligens  in  anima  humana  nisi  intellectum 
materialem. 

')  De  an.  VII.  3,  p.  206  (2):  Manifestum  igitur  est  ipsi  (animae),  quod 
cwwDtia  8ua  non  est  nisi  intellectus  materialis,  et  propter  hoc  intellectus 
ftgeos  sive  formalis  nee  ipsa  essentia  eius  est  nee  de  ipsa. 

*)  StöckU  a.  a.  0.  S.  978, 

•)  Stöckl.  a.  a.  0.  S.  993. 


53 

auf  beiden  Seiten  sehr  verschieden.  Zur  Zeit  als  die  Scholastik 
bereits  den  Höhepunkt  ihrer  Blüte  überschritten  hatte,  ließen  die 
genannten  Philosophen  infolge  ihrer  Polemik  gegen  die  intelli- 
giblen  Spezies  jene  Unterscheidung  fallen,  während  Wilhelm  mit 
vollster  Überzeugung  an  den  geistigen  Erkenntnisformen  fest- 
hielt und  in  ihrer  Erklärung  das  Hauptproblem  des  Erkennens 
sieht.  Was  ihn  zur  Läugnung  eines  thätigen  Verslandes  veran- 
lagte, das  waren  zum  Teil  die  falschen,  aller  Erfahrung  zuwider- 
laufenden Aufstellungen  der  Araber  und  vornehmlich  seine  An- 
sicht von  der  völligen  Einfachheit  des  Seelenwesens. 

Fragen  wir  nun  weiter,  wie  unser  Scholastiker  das  einzige 
bei  der  intellektiven  Erkenntnis  in  Betracht  kommende  seelische 
Vermögen,  welches  er  materiellen  Intellekt  nennt,  des  Näheren 
bestimmt.  Der  „intellectus  materialis"  Wilhelms  ist  nicht,  wie 
der  materielle  Intellekt  (vovg  vlixöc)  des  Alexander  Aphrodi- 
siensis*),  die  aus  der  günstigen  Mischung  der  körperlichen  Ele- 
mente *)  im  Menschen  resultierende  Aufnahmsfähigkeit  für  die 
intelligiblen  Formen,  sodaß  er  nichts  weiter  als  eine  physische 
Eigenschaft  wäre,  die  vom  Körper  unabtrennbar  mit  demselben 
zu  Grunde  geht.  ^)  Nach  dieser  Voraussetzung  müßten  die  Akte 
des  Erkennens  und  Wissens  rein  körperlicher  Natur  sein.  Un- 
teilbare Thätigkeiten  aber,  wie  die  genannten  Vorgänge,  können 
unmöglich  einem  teilbaren  Subjekt,  wie  der  Körper  ist,  angehö- 
ren. *)  Der  materielle  Intellekt  setzt  ein  geistiges,  vom  Leibe 
wesentlich  verschiedenes  Prinzip  voraus. 


')  De  an.  V.  5,  p.  119  (1):  Porro  quantum  apparere  polest  ex  sermone 
huiusmodi,  intellectus,  quem  ponunt  in  hoinine  eironei  isti,  non  videtur 
esse  nisi  aptitudo  recipiendi  formas  intelligibiles,  et  hanc  vocanl  intelligen* 
Uam  materialem. 

')  Ebd.:  sie  in  corpore  humane  ex  contemperantia  saepe  nominata 
in  praecedentibus  est  idon€itas  recipiendi  formas  intelUgibiles. 

•)  Ebd. 

*)  De  an.  V.  5,  p.  119  (1):  lam  autem  feci  te  scire  in  praecedentibus, 
quoiiiam  intelligere  non  est  dispositio,  quae  possit  esse  in  corpore,  cum  in- 
teltigere imparlibile  sit,  corpus  autem  partibile  etiam  in  inönitum,  sicut  iam 
declarant  Aristoteles  in  auditu  suo  et  mnlti  alii.  Ebenso  wie  Wilhelm  haben 
auch  Spätere,  besonders  Albertus  Magnus,  den  materiellen  Intellekt 
Alexanders  energisch  bekämpft;  vgl.  Bach,  Des  Albertus  Magnus  Verhältnis  zur 


54 

Der  immateriellen  Seelensubstanz  angehörend,  darf  er  je- 
doch nicht,  wie  Avicenna  gethan,  als  ein  bloß  passives  Vermö- 
gen derselben  betrachtet  werden,  welches  keine  andere  Aufgabe 
hätte,  als  die  von  der  intelligentla  agens  stammenden,  fertigen 
Erkenntnisformen  in  sich  aufzunehmen, ')  ohne  bei  deren  Zu- 
standekommen in  irgend  einer  Weise  mitzuwirken.  Die  von 
Aristoteles  and  den  Peripatetikem  gebrauchten  Bilder  einer  un- 
beschriebenen Tafel,  eines  leeren  Papier-  oder  Pergamentstückes 
sind  sämtlich  unzulrefTend.  *)  Die  menschliche  Seele  verhält  sich 
beim  Erkenntnisakt  nicht  rein  aufnehmend,  im  Gegenteil,  sie  ist 
als  thätige  Substanz  Prinzip  des  Erkennens  und  erzeugt  selbst 
aus  eigener  Kraft  in  sich  die  Erkenntnisformen. ') 

Wir  finden  hier  Wilhelm  in  einem  Punkt  angelangt,  wo  er 
nicht  nur  in  direkten  Gegensatz  zu  den  Arabern  tritt,  indem  er 
die  Erkenntnis  als  ein  Produkt  der  Seele  auffaßt,  sondern  wo 
er  auch  auf  den  von  ihm  bekämpften  thätigen  Intellekt,  jetzt 
allerdings  in  einem  ganz  anderen  Sinne,  wieder  zurückzugreifen 
scheint.  Es  war  das  Moment  der  Thätigkeit  von  Seite  des  er- 
kennenden Subjektes,  welches  er  zur  Erklärung  des  Erkennens 
für  unentbehrlich  hält,  ein  Gedanke,  der  ja  auch  dem  intelleclus 
agens,  insoweit  derselbe  als  ein  seelisches  Vermögen  verstanden 
wird,  zu  Grunde  liegt.  Wilhelm  ging  nun  hierbei  nicht  von 
Aristoteles,  sondern  von  dem  Satze  Augustins*)  aus,  welcher 

Erkenntnislehre  der  Griechen,  Lateiner,  Araber  und  Juden,  Wien  1881, 
S.  44  ff. 

')  De  an.  V.  7,  p.  122  (1):  Quod  si  dixerit  illam  (scientiam)  fieri  ah 
intelligentia  agente,   quae  est  ülutninatrix,    ut   ponunl,  animarum  nostrarum 

tunc  necesse  habent  concedere  illam  esse  passionem,  quae  imprimitur 

ab  intelligentia  huiusmodt. 

*)  De  an.  VII.  9,  p.  216  (2):  nihil  amplius  ad  inscriptionem  suam  po- 
tens  nisi  quod  Charta  vel  pei'gamena  aut  tabula  rasa.  Vgl.  Arist  de  an. 
III  4,  430  a,  1—2. 

■)  De  an.  V.  8,  p.  124  (1):  declaratum  est  tibi  per  omnia  haec,  animam 
rationalem  sive  humanam  esse  substanliam  acttTam  et  agentem  in  semet- 
ipsam,  similiter  generatiram  scientiarurn  et  generantem  eas  apud  se  et  intra 
semetipsam  nee  non  et  generantem  formas  intelligibiles  in  semetipsa.  Vgl. 
De  an.  V.  6,  p.  121  (2):  Similiter  non  est  recipiens  tantum  .  .  .  .,  sed  eliam 
aclrix  et  effectrix  earum  apud  senietij>sam  in  semetipsa. 

*)  De  gen.  ad.  litt,  XII.  c.  IG,  n.  35:  eandem  ejus  imaginem  non  corpus 
in  spiritu,  sed  ipse  spiritus  in  se  ipso  facit  celeritate  niirabili.  Vgl.  S.  45,  Anm.  1. 


55 

sich  auf  das  Millelalter  fortgeerbt  hatte  und  auch  in  dem  die  psy- 
chologischen Resultate  von  Augustin  bis  ins  zwölfte  Jahrhundert 
herab  zusammenfassenden  Buche  „De  spiritu  et  anima"  vertre- 
ten wird,  1)  daß  nämlich  der  Intellekt,  angeregt  von  den  Sinnen, 
in  sich  selbst  mit  wunderbarer  Schnelligkeit  die  geistigen  For- 
men bilde.  *)  Doch  vermag  sich  der  mittelalterliche  Scholastiker 
nicht  unbedingt  der  Meinung  des  christlichen  Lehrers  anzu- 
schließen. Sie  erschien  ihm  nicht  frei  von  mannigfachen  Bedenken. 
Wie  sollte  es  nämlich  möglich  sein,  daß  eine  absolut  einfache 
Kraft,  wie  der  Intellekt,  sich  zugleich  thätig  und  leidend  ver- 
halte, die  geistigen  Formen  zugleich  erzeuge  und  aufnehme?') 
Entweder  verwickele  man  sich  in  einen  Widerspruch,  da  das- 
selbe Prinzip  nicht  zugleich  wirken  und  leiden  kann,  *)  oder 
man  sehe  sich  zu  der  als  falsch  erwiesenen  Aufstellung  eines 
thätigen  Intellektes  genötigt,  welcher  die  intelligiblen  Bilder  an- 
geboren in  sich  trage  und  in  den  materiellen  Intellekt  hinein- 
strahle. *) 

Um  diesen  Schwierigkeiten  zu  entgehen  und  die  Einfachheit 
des  Intellektes  zu  wahren,  versucht  Wilhelm,  eine  Modifikation 
des  augustinischen  Gedankens  vorzunehmen.  Augustin  näm- 
lich hatte  es  unbestimmt  gelassen,  wie  die  Thätigkeit  des  Intel- 


')  De  spiritu  et  anima,  c.  24  (Migne,  Patrol.  Ser.  lat.  Tom  40,  p.  7!)8): 
Non  enim  corpora  visa  illas  imagines  in  spiritu  faciunt,  ....  sed  ipse  Spi- 
ritus in  se  ipso  ccleritate  mirahlli.  Wie  ersichtlich,  ist  der  Satz  wOrLlich 
aas  Augustin  entnommen.  Cber  die  Sammelscbrift  De  spiritu  et  anima, 
deren  Charakter  und  Verfasser,  vgl.  Werner,  Der  Entwicklungsgang  der 
mittelaltertichen  Psychologie,  Wien  1878.  S.  41  f. 

')  De  Call.  p.  II.  c.  65,  p. 914  [2):  El  fuit  sermo  eins,  quia  intellectus 
excitatus  per  sensum  mira  agilitate  format  sibi  in  se  ipso  formas  inteltigibi- 
les.    Vgl.  De  an.  VII  9,  p.  215  (2).  216  (b. 

")  De  Un.  II.  p.  III.  c.  3,  p.  1018  (2):  Qualiter  enim  in  semetipso  rerum 
intelligibilium  species  formare  possit  ipsemet,  quis  declarare  suftlciat? 

*)  Ebd.:  cum  tam  impartibile  agere  in  semetipsum  non  videatur  esse 
possibile.  Neque  enim  aliquid  circa  idem  agens  et  patiens  posse  esse 
Tidetur  .  .  . 

'}  De  an.  VII.  9,  p.  215  (2):  Qualiter  autem  aget  vel  dabit,  quod  non 
est  apud  animam  sive  quod  non  habet?  Si  autem  habet,  redimus  et  ego  et 
tu  ad  errorem  de  intellectu  agente  vel  ad  errorem  Plalonis  de  perfectione 
atUmae  humanae  in  ipsa  creatione  sua. 


56 

lekles  bei  der  Bildung  der  geistigen  Formen  zu  denken  sei. 
Wilhelm  will  nun  die  Art  derselben  genauer  bestimmen,  indem 
er  den  aristotelischen  Begriff  der  „Möglichkeit"  damit  in 
Verbindung  bringt.  Der  Intellekt  trägt  der  Potenz  nach 
die  intelligiblen  Formen  in  sich,  *)  das  heißt  im  Sinne  Wilhelms, 
er  besitzt  die  Kraft  und  Fähigkeit,  aus  sich  heraus,  an  seiner 
eigenen  Substanz  *)  die  entsprechenden  Formen  zu  erzeugen  und 
sich  selbst  durch  eigene  Thätigkeit  mit  den  Dingen  zu  verähn- 
lichen. ')  Wilhelm  verweist  zur  Veranschaulichung  auf  den  Ge- 
staltungs-  und  Entwickelungsprozeß  beim  Samenkorn  und  beim 
Ei,  sowie,  freilich  etwas  trivial,  auf  die  bekannten  Eigenschaften 
des  Chamäleon  und  des  Affen.  *)  Der  Erkenntnisvorgang  stellt 
sich  also  dar  als  ein  von  innen  heraus  sich  vollziehendes 
Auswirken^)  des  Erkenntnisbildes,  als  eine  Selbstverähn- 
lichung  der  Seele  mit  den  Dingen,  und  in  diesem  Sinne  als 
ein  Übergang  aus  der  Potenz  in  den  Akt. 

Auf  solche  Weise  schien  das  Bedenken  gehoben,  welches 
der  Theorie  Augustins  nach  Wilhelms  Ansicht  noch  anhaftete. 
Der  Widerspruch,  daß  die  einfache  intellektive  Kraft  oder  die 
mit  ihr  identische  Seele  sich  zugleich  thätig  und  leidend  verhal- 
ten solle,  war  durch  die  Vorstellung  einerSelbstverähnlichung 
beseitigt.  Die  beiden  Momente  des  Leidens  und  der  Thätigkeit^ 
welche  die  aristotelische  Philosophie  und  im  Anschluß  an  sie 
die  Meister  der  Scholastik  in  die  Erkenntnislehre  einführten, 
suchte  Wilhelm  mit  der  Einfachheit  des  Seelenwesens  zu  ver- 
einbaren und  sie  mit  Rücksicht  darauf  umzugestalten.  Dadurch, 
daß  die  Seele  aus  sich  und  an  sich  die  Erkenntnisbilder  erzeugt 
und  eben  damit  im  gleichen  Akte  aufnimmt,   glaubte  er  es  be- 


')  De  an.  VII.  4,  p.  207  (2):  quemadmodum  intellectus  materialis  po- 
lentia  tantum  est  habens  formas  intelligibiles  sive  similitudines. 

')  De  an.  V.  8,  p.  124  (l):  simiiiter  (animam  humanam)  generativam 
scientiarum  et  generantem  eas  apud  se  et  intra  semetipsam  necnon  et  gene- 
rantem  formas  intelligibiles  in  semetipsa.    Vgl.  S.  &i,  Anni.  3. 

^)  De  an.  VII.  9,  p.  215  (2):  sie  virtus  inlellectiva  nata  est  rebus  sie 
applicata  se  assimilare  similitudinesque  vel  slgna  earum  assumere. 

*)  Ebd. 

^)  De  trinitate,  c.  15,  p.  21  (1):  intellectus  noster  id  est  vis  inteUectiva 
vis  est  generativa  ei  vetut  matrix  quaedam  scientiae  rel  sapientiae. 


57 

greiflich  machen  zu  können,  daß  dasselbe  Prinzip  Ort  und  Ur- 
sache der  intelligiblen  Formen  sei.  *)  Was  also  der  Scholastiker 
des  anfangenden  13.  Jahrhunderts  mit  dem  Namen  „intellectus 
materialis"  benannte,  das  war  die  geistige  Substanz  der  Seele 
selbst,  insofern  sie  die  Fähigkeit  besitzt,  die  äußeren  Dinge  auf 
deren  Veranlassung,  wie  wir  gleich  ausführen  werden,  geistig  in 
sich  nachzubilden  und  so  ihre  Formen  aufzunehmen. ')  So 
kommen  bei  dieser  Fassung  des  materiellen  Intellektes  in  eigen- 
tümlicher Weise  der  aristotelische  Gedanke  der  Möglichkeit  und 
der  auguslinische  der  Thätigkeit  zur  Geltung. 

Man  ist  versucht,  eine  Analogie  dieser  Lehre  des  mittel- 
alterlichen Denkers  in  der  neueren  Philosophie,  bei  Leibniz,  zu 
finden.  Trotz  aller  Verschiedenheit  läßt  sich  eine  gewisse  Ähn- 
lichkeit beider  in  der  Auffassung  des  Erkennens  nicht  ableugnen. 
Nach  Wilhelm,  wie  nach  Leibniz,  trägt  die  absolut  einfache  Seele 
die  Erkenntnisbilder  der  Anlage  nach,  oder,  wie  bei  letzterem, 
unbewußt  in  sich;  sie  besitzt  die  Fähigkeit,  das  Streben,  diesel- 
ben zu  verwirklichen  durch  eine  von  innen  heraus  sich  voll- 
ziehende Ent Wickelung.  In  der  weiteren  Frage  allerdings,  ob 
das  Erkennen  völlig  ein  bloß  durch  das  Subjekt  bedingter  Pro- 
zeß sei  und  nicht  einmal  eine  äußere  Veranlassung  fordere,  zei- 
gen die  Ansichten  der  beiden  Männer  wieder  tiefgreifende  Unter- 
schiede. Leibniz  hält  jedes  Wirken  der  Dinge  auf  einander  für 
unmöglich,  während  Wilhelm  zwar  eine  Wirksamkeit  im  Sinne 
der  Übertragung  physischer  Qualitäten  von  Seite  des  Körper- 
lichen auf  das  Geistige  leugnet,  aber  das  Erslere  doch  als  eine 
veranlassende  Ursache  für  die  Bethätigung  des  Geistes  gelten 
lassen  wUI.  Auf  diese  Weise  gewinnt  dann  der  Scliolastiker  den 
Zusammenhang  des  Denkens   mit  der  Sinneserkenntnis. 

Wie  wir  wissen,    kommt   beim  Erkenntnisakt  nur  ein  ein- 


')  De  virtutibus,  Tom.  I.  c.  1,  p.  108  (l):  Ipsa  enim  vis  intellectiya 
sire  apprebensiva  nobilis  non  solum  subiectum  est  et  locus  scientiaruin,  sed 
et  fons  redundaas  ac  generativus.    Vgl.  die  aristoteliscbe  Stelle,  ArisU  de  an. 

III  4,  429  a  27;  Kai  iv  d^  oi  Xiyovrte  f%v  i/tJ/iJp  iivai  ronow  tidwv,  nX-^v  ort  ovte 
oA^  äXX'  17  vin/Tix^,  oixe  ivtiXt^tia  aXXa  ^wäftn  td  etdij. 

'j  De  trinitate,  c.  26,  p.  34  (1):  fontalis  aut  gravidus  et  facundus  Intel- 
lectus  est  tantum  fontalis,  antequam  pariat  intellectum,  quem  velut  in  utero 
gestat,  et  hlc  est  intellectus,  qui  debuit  vocari  materialis. 


58  _ 

ziger  geistiger  Faktor  in  Frage,  nämlich  der  materielle  Intellekt. 
Dieser  hat  sich  als  ein  seelisches  Vermögen  erwiesen,  welches 
aus  sich  selbst  die  Erkennlnisformen  schafft.  Jedes  bloße  Ver- 
mögen aber  bedarf,  um  in  die  entsprechende  Thätigkeit  über- 
gehen zu  können,  einer  Veranlassung,  eines  Anstoßes.  So  auch 
die  inlelleklive  Potenz,  i)  Welches  sind  nun  die  Ursachen,  die 
den  Intellekt  zu  der  ihm  eigentümlichen  Thätigkeit  bewegen? 
Wilhelm  antwortet  mit  Augustin,  die  Sinne*),  und  genauer 
die  Phantasie-  und  Gedächtnisvorstellungen  ■)  Die  leiseste 
derartige  Anregung  genügt,  um  die  Thätigkeit  der  intellektiven 
Kraft  auszulösen  und  dieselbe  zu  veranlassen,  die  Gegenstände, 
deren  Sinnenbilder  ihr  vorschweben,  geistig  in  sich  nachzubil- 
den. *)  So  hängt  die  intellektuelle  Erkenntnis  allerdings  von 
den  Sinnenbildern  ab,  aber  diese  verhalten  sich  in  keiner  Weise 
als  mitbestimmende  Faktoren.  Ihre  ganze  Bedeutung  für  den 
intellektiven  Erkenntnisprozeß  beschränkt  sich  darauf,  zur  Be- 
thaligung  des  Intellektes  den  Anstoß  zu  geben.  Das  reicht  hin, 
um  das  entsprechende  intelligible  Bild  in  dem  Spiegel  des  In- 
tellektes zur  Erscheinung  zu  bringen.  ^) 

Es  liegt  auf  der  Hand,  daß  diese  Anschauung  unseres  Scho- 
lastikers von  der  aristotelischen  in  dem  bezüglichen  Punkte 
wesentlich  abweicht.    Dies   hängt  zusammen  mit  der  eigentüm- 


•)  De  an.  VII.  8,  p.  214  (1):  virtus  intellectiva  ex  eoquod  est  virtiis  in- 
tellectiva,  potentia  est  intelligendi  tantum  non  polens  per  semetipsam  exire 
in  actum  intelligendi,  sed  indiget,  ut  saepe  audivisli,  eductore  et  ad- 
iutüre  alio. 

')  De  triniUte,  c.  26,  p.  34  (I):  formae  sensibiles  agunt  prius  in  ani- 
main  per  organa  sensuum,  ut  formetur  in  ea  intellectus  in  effectu.  Vgl.  De 
Irin.  c.  15,  p.  21  (1).  De  Un.  II.  p.  II.  c.  74,  p.  927  (2):  sensit  hoc  idera  de 
vi  intellectiva  nostra  unus  ex  nobilioribus  sapientibus  Ghristianorum  dicens 
in  sermone  suo,  (juia  passionibus  sensuum  quasi  pulsatur  seu  excitatur  in- 
tellectus .  .  . 

')  De  Un.  II.  p.  III.  c.  21,  p.  1057  (1):  imaginatio  huiusmodi  et  me- 
moria sunt  virtuti  intellectivae  quasi  libri,  in  quihus  legit  res  sensibiles. 

*)  De  Un.  U.  p.  III.  c.  3,  p.  1018  (2):  intellectus  mira  velocitate  alque 
agilitate  format  apud  semetipsuni  designationes,  quas  a  rebus  non  recipit, 
sed  tevissime  commotus  exilissinieque  excitatus  ah  illis  res  ipsas  sibi  ipsi 
exhibet  et  praesentat  et  earum  species  ipse  sibi  ipsi  in  semetipso  format. 

")  De  an.  Vil.  8,  p.  214  (2). 


liehen  Fassang  des  erkennenden  Vertnögens.  Wenn  dasselbe 
allein,  aus  sich  heraus,  die  Erkcnnlnisronnen  erzeugen  soll,  dann 
kann  den  Sinnenbildern  kein  anderer  Einfluü  mehr  zukommen, 
als  WilheUn  denselben  wirklich  zuteiil.  Von  diesem  Slnndpunkl  aus 
konnte  ihm  unmöglich  die  Lehre  des  Aristoteles  klar  werden, 
dati  das  tntelligible  in  den  Phantasmen  auf  den  Intellekt  wirke 
und  ihn  so  denkend  mache:  ^)  denn  das  geistige  Bild,  durch 
welches  wir  zum  Erkennen  gelang(?n,  wird  nach  seiner  eben 
dargelegten  Ansicht  nicht  aus  der  Sinnesvorslelhmg,  sondern  aus 
dem  hdellekt  herans  erzeugt,  tline  Abstraktion  aus  den  Phan- 
tasmen im  Sinne  des  Aristoteles  läßt  sich  nach  seinen  Vor- 
aussetzungen gar  nicht  denken.  So  erklärt  es  sich,  daß  Wil- 
helm bei  seiner  miingolhatten  Kenntnis  des  griechischen  Phi- 
losophen die  Lehren  desselben  im  Sinne  Augustins  aus- 
zudeuten sucht.  Die  liefgreifenden  Unterschiede  beider  sind 
ihm  noch  völlig  entgangen.  An  den  aristotelischen  Gedan- 
ken von  der  Leidenslosigkeit  des  Intellektes  {vor;  d7a^r,c)  an- 
knüpfend und  sich  auf  demselben  stützend,  behauptet  er,  auch 
Aristoteles  habe  die  Wirksamkeit  4ler  SinnenbÜder  auf  den  In- 
tellekt beim  Zustandekommen  der  Erkenntnis  als  eine  Anregung 
bezeichnet.  •)  Dieser  veranlassende  Eintluti  der  Sinne  sei  ein 
Leiden  anderer  Art,  als  es  bei  den  Naturdingen  stattfinde.  •)  Im 
Akte  des  geistigen  Erkonnens  gehe  nicht  eine  physische  Qiiaü- 
tÄl  von  den  Dingen  auf  den  Intellekt  über.  Wir  würden  zwar 
warm  bei  der  Wahrnehniimg  des  Warmen,  aber  nicht  beim  be- 

riflTIichen  Denken  der  Wärme.*)  Ks  besitzt  also  das  geistige 
jild  in  uns  keine  wahre  Ähnlichkeit  mit  der  äuljeren  physischen 

fänne.  ■■*)     Zur  Mögliclikeit   der  Erkenntnis    werde    diese    auch 


>)  Brenlu.00,  Die  Psychologie  des  Aristoleles,  S.  144). 
*;  De  L'n.  It  p.  IL  c.  75,  p.  928  i^):  neijuc  Aristoteles  intellectum  vo- 
lit  ease  pRSsihilem  a  formi»  materialibus,  lirct  per  cas  excitetur,  passionibiu, 
qoas  iniprimunt  in  organa  aemum. 
^^L  *)  Ebd.:  el  est  longe  alter  modus  agendi  et  patieadi,  et  huiusmodi 
^HpdUtiones  nctioncs  aut  passioncs  diccndac  jiunt  alio  modo,  (juam  audiveris 
^^■i  naturalibus  de  actiunibiiä  et  {>asHtunibus  corporuni  inricem  naluraliler 
^HgeaLium. 

^P        ')  Vgl.  S.  i&,  Anm.  L    De  «n.  VII.  9,  p.  216  (1). 
^^         ')  [)e  an.  VII.  Ü,  p.  21fi  il):  iiignum  caloris,  rjuod  in  virtutc  intellectiva 
est,  procul  dubio  nüa  est  similitiulo  caloris  verc  ac  pruprie. 


t 


i_ 


60 

nicht  gefordert.  Man  denke  nur  an  die  Namen,  *)  Ziffern,  Buch- 
staben, welche  trotz  der  Unähnlichkeit  mit  dem  durch  sie  Be- 
zeichneten eine  Erkenntnis  gestatten.  Der  Grund,  warum  bei 
der  Einwiikung  der  Sinncnbilder  auf  den  Intellekt  keine  Ver- 
ähnlichung,  kein  Leiden  im  gewöhnlichen  Sinne,  wie  zwischen 
zwei  körperliclien  Dingen,  stattfindet,  liegt  teils  in  der  weiten 
Entfernung  der  sinnlichen  Gegenstände  von  dem  Intellekt,  teils 
in  der  geistigen  Beschaffenheit  der  Seele,  welche  jede  materielle 
Einwirkung  ausschließt.*) 

In  derartigen  höchst  mangelhaften  und  der  historischen 
Gründlichkeit  entbehrenden  Erörterungen  setzt  sich  der  Scho- 
lastiker am  Anfang  des  13.  Jahrhunderts  mit  Aristoteles 
auseinander.  Die  wichtigsten  Bestimmungen  über  das  Verhftll- 
nis  von  Intellekt  und  Sinn,  wie  es  der  Stagirite  darlegt,  bleiben 
Wilhelm  teils  unbekannt,  teils  unverständlich.  ^)  Die  Thatsache, 
daß  in  diesem  entscheidenden  Punkte  der  Erkenntnislehre  unser 
Autor  Augustin  und  Aristoteles  in  vollster  Übereinstim- 
mung findet,  kennzeichnet 'genugsam  den  geringen  Stand  sei- 
ner aristotelischen  Kenntnisse. 

Blicken  wir  jetzt  kurz  zurück.  Wilhelm  hatte  die  Frage 
aufgeworfen,  auf  welche  Weise  und  durch  welche  Faktoren  die 
intelligiblen  Formen  der  körperlichen  Dinge  in  unserem  Intellekte 
entstehen.  *)  Wir  kennen  nun  die  Antwort.  Die  Erkenntnis  der 
materiellen  Objekte  fordert  eine  doppelte  Ursache,  ein  geistiges 
Vermögen,  den  materiellen  Intellekt,  und  die  sinnlichen  Ein- 
drücke der  äußeren  Dinge,  welche  das  erstere  zu  seiner  Thälig- 
keit  veranlassen.  Der  Akt  des  Erkennens  sodann  muß  als  ein 
Wirken,  als  eine  Selbstverähnlichung  der  Seele  mit  den 
Gegenständen    aufgefaßt   werden.     Damit  glaubte  Wilhelm   das 

*)  De  an.  VII.  8,  p.  215  (1):  Debes  autem  scire  hie,  quod  non  est 
necesse,  ut  omnia  signa  reruni  simililudines  earum  sint  sicut  expresse  vides 
in  nominibus  rerum  et  signis  litteraniin  .  .  .,  similiter  inter  figunis  numero- 
rum  et  numeros. 

')  De  Un.  II.  p.  II.  c.  65,  p.  914  (1):  Isla  igitur  diversitas  propter 
elongationem  rerum  sensibilium  a  virtute  JntellectiTa  partim  est,  partim  vero 
propter  spiritualitatem  virtutis  intellectivae,  quae  prohibet  eam  a  receptione 
formarum  materialium  et  passionum  similium  illis.    Vgl.  De  an.  VII.  9,  p.  216  (1) 

')  Vgl.  hierzu  S.  43,  Anni.  1. 

*)  Vgl.  S.  40,  43. 


61 

Problem  gelöst  zu  haben,  welches,  bedingt  durch  das  Bekannt- 
werden der  arabischen  Philosophie,  zunächst  an  ihn  herantrat, 
nämlich  die  geistigen  Erkenntnisfonnen  nicht,  wie  die  Araber,  aus 
einer  von  der  Seele  getrennten,  immateriellen  Intelligenz,  son- 
dern aus  dieser  selbst  im  Zusammenhang  mit  der  Außenwelt  zu 
erklären.  Der  Ausgangspunkt,  von  welchem  aus  Wilhelm  diese 
Lösung  unternimmt,  war  aber  noch  nicht  Aristoteles,  sondern 
Augustinus. 

Das  Hervortreten  der  intelligiblen  Formen  im  Spiegel  des 
Intellektes  bildet  das  wichtigste  Element  im  Erkenntnisakt,  so- 
dafi  Wilhelm  stets  Wissen  und  Denken  mit  jenen  Ausdrücken 
definirL  ')  Allein  die  Erkenntnis  selbst  erstreckt  sich  nicht  auf 
diese  Formen,  sondern  auf  die  äußeren  Gegenstände.  Diespe- 
cies  intelligibiles  *)  sind,  wie  die  sinnlichen  Formen '),  blofie  Er- 
kenntnismittel, durchweiche  die  Seele  zu  den  Dingen  fortgezo- 
gen wird,  mit  ihnen  in  geistige  Verbindung  tritt  and  sie  so  er- 
kennt *)  So  wird  sie  selbst  ein  Buch  ^)  von  allen  jenen  Din- 
gen, mit  denen  sie  sich  in  der  genannten  Weise  verbunden  hat. 
Man  wird  nun  fragen,  welches  die  Gegenstände  sind,  die  wir 
vermittelst  der  intelligiblen  Formen  erkennen.  Nachdem  darge- 
legt worden,  wie  wir  zur  Erkenntnis  der  körperlichen  Dinge  ge- 
langen, wird  es  sich  darum  handehi,  zu  zeigen,  was  der  Intellekt 
von  der  materiellen  Welt  zu  erkennen  vermag. 

Das  nächste  Objekt,  welches  von  der  Phantasie  und  dem 
Gedächtnis  dem  Intellekt  dargeboten  wird,  sind  die  sinnlichen 


')  De  an.  Vif.  8,  p.  214  (2):  Scientiam  autem  in  efTectu  non  intelligo 
nisi  forma»  intelligibiles  sive  signa  intellectualia  resuttantia  in  eflectu  et 
aetu  apparentia  in  speculo  virtulis  intelleutivae.    Vgl.  De  Un.  I.  p.  I.  c.  20,  p.  013. 

')  De  retributionibus  sanctorum,  Tom.  I,  p.  318  (1):  quia  non  ipsae 
(formae  intelligibiles)  ....  intelliguntur,  sed  magis  res,  quarum  sigillationes 
et  similitudines  sunt 

•)  Vgl.  S.  32. 

*J  De  an.  VII.  8,  p.  213  (2):  virtus  intellectiva  nostra  nata  est,  per 
Signa  rapi  ad  res  et  applicari  illis  per  illa.  Ebd.,  9,  p.  215  (2):  excitatio 
huiusmodi  applicat  illain  rebus  atque  coniungit  coniunctione  spiriluali. 

'}  De  an.  VII.  9,  p.  215  (2):  nata  est  naturaliter,  ul  efficiatur  liber  in 
eflectu  sibi  ipsi  remm,  quibus  sie  coniungitur. 


62 

Eigenschaften  oder  Accidenzien  der  körperlichen  Dinge. ') 
Wilhelm  unterscheidet  nämHch  bei  jedem  Dinge  Substanz  und 
Accidenz.  Er  versteht  unter  Substanz  nicht,  wie  Aristote- 
les, das  concrete,  in  die  Erscheinung  tretende  Einzelnding,  sondern 
er  befaßt  darunter  den  hinter  den  Accidenzien  stehenden,  den 
Sinnen  nicht  mehr  zugänglichen  Träger  derselben.  *)  Die  so  be- 
stimmte Substanz  heißt  dann  auch  das  Innere  der  Dinge, »)  der 
Grund  der  Accidenzien,  *)  während  die  letzteren  als  Außenseite  *) 
des  Dinges,  als  Kleid  und  Umhüllung«)  bezeichnet  werden. 
Diese  Außenseite  nun,  die  sinnlichen  Qualitäten  und  Quantitäten, 
sind  CS  zunächst,  welche  der  Intellekt  auf  immaterielle  Weise 
erkennt,  indem  er,  wie  früher  dargethan  worden,  veranlaßt  durch 
die  sinnliche  Wahrnehmung  z.  B.  der  Farbe,  der  Kälte,  ein  geistiges 
Bild  derselben  in  sich  erzeugt,  aber  nicht  selbst  farbig  oder  kalt 
wird,  wie  der  Sinn.  •)  Mehr  weiß  Wilhelm  von  der  intellek- 
tuellen Erkenntnis  der  Accidenzien  nicht  zu  sagen,  insbesondere 
scheint  ihm  der  begriflfliche  und  allgemeine  Charakter  derselben 
entgangen  zu  sein. 

Bei  den  äußerlichen  Eigenschaften  aber  bleibt  der  Intellekt 
nicht  stehen,  wie  der  Sinn.  Dieser  vermag  die  Hülle  der  sinnen- 
fulligen  Accidenzien  nicht  zu  durchbrechen  und  die  Substanz  zu 
erreichen,  ^)  der  Intellekt  jedoch  dringt  aus  eigener  Kraft,  wenn 

')  De  Un.  II.  p.  III.  c.  21,  p.  1057  (1):  revera  legit  (intellectus)  in 
itnaginatione  et  memoria  reliquias  Impression  um,  quae  relinquuntur  in  eis 
ex  Impression ibuH,  quae  tiunt  in  sensibus  a  rebus  sensibilibas. 

■)  De  au.  VII.  1,  p.  203  (2):  substantia,  quae  sustinet  totam  Ulam  va- 
rietateni  sensibilium  accidentium. 

'J  De  Un.  II.  p.  11.  c  15,  p.  858  (2):  Intellectus  igitur  videt  interiora 
omnia,  huc  est  ipsa  substantialia  remm  ipsasque  substanlias  earum. 

*)  De  Un.  11.  p.  III.  c.  21,  p.  1057  (2):  intellectus  aulein  sua  vIrtute 
intrat  ad  ea,  quae  subsunt  et  causas  eorum. 

^)  KbU.:    p.  1057  (1):   Stat   igitur  sensus  foris  in  formis  sensibilibus. 

^)  De  an.  III.  12,  p.  103  (1):  NuUi  intelligenti  dubium  est,  quin  acci- 
dentium sensibilium  circumvestitio  velut  quaedam  vestis  sit  substantiae  sen* 
sibilis  sustinentis  et  porlantis  iliam. 

',  Vgl.  S.  58,  51). 

*')  De  an.  VII.  I,  p.  203:  sensus  nihil  inlegritatum  percipit,  quod  est 
dit-ere,  nullam  substantiam  inlegre  percipit  .  .  .,  sed  usque  ad  proximum  ve- 
nit,  quasi  non  Valens  penetrare  circumvestionem  illam  sensibilium  acci- 
dentium. 


63 


Hbur 


■5: 


auch  hierzu  durch  die  Sinne  angerejft,  in  das  Innere  der  Dinge 
vor,  zu  den  Substanzen  und  Gründen  der  sinnlichen  Krst^hei- 
mgen.  ^)  Fragt  man  nun  genauer  nach  der  Art  und  Weiset, 
"wie  der  Intellekt  zur  Erkennlnin  jener  überHJnnlichen,  unter  der 
Hülle  der  Accidenzien  verborgenen*)  Substanzen  gelange,  so  giebt 
Wilhelm  eine  zweifache  Antwort,  die  einen  doppelten,  von 
rerschiedenen  Seilen  kommenden  Einfluß  auf  unseren  Scholasti- 
ter  verrät.  An  erster  Stelle  antwortet  er  mit  dem  Citate  eines 
Autors,  dessen  Namen  er  niemals  nennt.  Er  bezeichnel  densel- 
Hben  bald  als  »quidam  phllosophusLatinorum',")  bald  als  irpbilo- 
^fcophus  italicus",*)  unter  dem  wir  mit  höchster  Wahrscheinlielikeit 
^feoc'thius  vermuten  dürfuii.^)  Einer  von  den  bedeulenden-n  i*)iilü- 
^pwphen  derLi^leinernämlicb  lehre,  dali  die  V'ernunfl  (ratio)  durch  eine 
Erwügung,  durch  ein  Urteil  die  Substanzen  erkenne,  daü  sie  aus 
^^en    sinnlichen   Qualitäten    die   Existenz    derselben    erschließe.''') 

^V  »)  De  ün.  II.   p.  111.  c.  -2 \   p.  1067  (2):    intellectus  aulem   sua    virlute 

ialr»t  ad  ea,  i|uae  sulaunt  et  ciiusas  eunini,  (|aod  ipsa  nnminntio  .tnliis*  in- 
iieat.    Intelleclus  enim  (|uasi  iiilus  vq\  inlra  legens  ilicilur  evidenter,  sen^us 
ero  exteriua  solumniodo  aunlial,    Jat  aulem  üccaaiunem,  iil  praetUxt,  inUtl- 
ledui,  ut  inleriora  fwr  hvc  iolelli^at. 

')  Da  na.  V.  16,  p.  11;^  (2):  Ex  quo  manifestum  est  \irLulcm  intcUecti- 
vam  siTC  rationem  oon  videre  vel  eugnuiicere  Hiihstanliai;  .sentiitMliuiii  nisi 
taniquam  sub  opcrinienlo  et  iiujie  varietatis  aiiledictae. 

»1  De  Un.  II.  p.  II.  c.  lö.  p.  858  (2);   De  an.  V.  18,  p.  14.»  (2). 
*)  De  an.  VH.  I,  p.  äU3  (2j;  De  Un.  \.  p.  II I.  c.  2<*.  p.  »W  (1). 
^)   Die  Deitnition   der  i^peciest   welche  Wilhelm   auf  den   genannten 
liilusuphen zurückrührt,  btimnit  nümlich  würUicb  Qherein  müder  in  den Schrif- 
I  dcM  Ho  1' tili u:4  sich  tfndendvn.    Siehe  unten  S.  74,  Anm  'Jund-S.7j,  Anui.  3. 
Ä'ire  Gilberlus  Forrelauus,    bei    welcticra   sieh    eboiifulls   der  frugliehe 
ku&dmrk  .similitudo  subsLantiatis"  findet  (Prantl,  Geschichte  der  Lugjk  im 
Ibendlande.   l^ipzjg  ISGl.    IL,  S.  220)  gemeint,  so    häUe  »ich  Wilhelm   un- 
naglich    der  ül>cn  augerührlen  Ausdrücke   betlienen    können.     Für  gänzlich 
ibegründel  halten  wir  die  Ansicht  .lourilains  (Rechtrches  iriliques.  S.  297 
Wilbelm  habe  unter  „pbiloäuphus  Ualicus"    einen  in  Italien  Icben- 
eo  Zeitgenossen  verstanden, 

•)  De  an-  V.  IW.  p.  \4S  (2):   Senaus  enhn,  sicut  ait  unus  ex  maioribus 

ophis  Lalinorum,    nihil    inlegritatis   percipit^  sed   us<jue   ad  proximum 

renit,  ratio  vero  quaedam  subpsse  perpcndit  et  inldligit.    id   est  aubslantiain 

plDbesse  varietuLi  .scnsibiliuni  accidenUum.     Uc  an.  VII.  1,  p.  2()3  (2);  De  Uq. 

p.  a  c.  15.  p.  858  (2);    II.    p.  I«.  c.  21,   p.  1057  (1).     Wir  glauben   di« 


64 

Die  Sinne  übermitteln  sowohl  von  den  sinnlichen  wie  von  den 
geistigen,  mit  einem  Körper  verbundenen  Substanzen  nur  eine 
Summe  von  Eigenschaften.  Hierdurch  aber  ist  der  Intellekt 
in  den  Stand  gesetzt,  das  eigentliche,  substanzielle  Ding,  das 
übersinnliche  Einzelnwesen,  zu  erfassen,  indem  er  für  den  dar- 
gebotenen Komplex  von  Accidenzien  den  individuellen  Träger 
fordert  oder  erschließt.  *)  Auf  diesem  Wege  einer  Art  von 
Schlußverfahren  erkennt  also  der  Intellekt  die  dem  Sinne  nicht 
mehr  erreichbaren  Einzelnsubstanzen,  z.  B.  den  Sokrates,  den 
Plato,  und  unterscheidet  dieselben  von  einander.  Trotzdem  aber 
unsere  intellektive  Erkenntnis  der  körperlichen  Einzelndinge  eine 
mittelbare,  bloß  erschlossene  ist,  so  erkennt  der  Intellekt  doch 
die  individuellen  Substanzen  hinter  den  Accidenzien  mit  völliger 
Klarheit  und  Deutlichkeit,  *)  sodaß  wir,  obwohl  wir  nur  die 
Accidenzien  wahrnehmen  können, ")  die  Substanzen  selbst  zu 
sehen  glauben. 

Das  istdieersteErkenntnisart  des  Intellektes,  welcher  durch 
einen  Schluß  die  Einzeldinge,  d.  h.  im  Sinne  Wilhelms  die  un- 
ter den  Accidenzien  verhüllten  Substanzen,  in  ihrer  Individualität 
erfaßt.  Nach  seiner  Auffassung  nämlich  beruht  der  Unterschied 
der  Individuen  innerhalb  einer  Art  nicht  in  den  Accidenzien, 
sondern  lediglich  in  dem  hinter  diesem  liegenden  Träger,  in  der 
Substanz.  *)    So    sieht   er   sich   zu   der  eigentümlichen  Ansicht 


Spuren  dieses  Citates  in  einer  Stelle  der  Consolatio  philosophiae  des  BoSthius 
zu  finden,  1.  V.,  pros.  4,  v.  80  ed.  Peiper:  Sensus  enim  figuram  in  subiecta 
materia  constitutam  (intuetur),  imaginatio  vero  solam  sine  materia  ludicat 
figuram,  ratio  vero  hanc  quoquc  transcendit  speciemque  ipsam,  quae  singu- 
laribus  inest,  universal!  consideratione  perpendü. 

*)  De  an.  VII.  7,  p.  213:  Primum  sensu,  qui  substantias  sensibiles  et 
intellectuales  corporibus  iunctas  adducit  ad  intellectura  .  .  .  .,  sed  intellectus 
per  semetipsum  substantias  illas  subesse  varietatibus  sensibilium  accidenlium 
perpendit. 

')  De  an.  III.  12,  p.  102  (3) :  Cum  intueris  in  Socrate  sive  circa  ipsum 
omnes  sensibiles  dispositiones  ipsius  et  clare  vides  et  perfecte,  dico  te  clare 
ac  perfecta  videre  Socratem. 

")  Ebd.   p.  103  (1). 

*)  De  Un.  11.  p.  IL  c.  IT),  p.  858  (2)i  quoniam  in  substantüs  suis  dif- 
ferunt  omnia  creata,  sive  sint  sensibilia  sive  inlelligibilia,  omniaque  singu- 
laria.  —  De  Un.  I,  p.  III.  c.  29,  p.  801  (2):   Neque   boinines   neque  aliae  res 


«s 


I 


^ 

^ 

^ 


hingedrängt,  daß  das  Einzelnding  den  Sinnen  bloß  nach  seiner 
Au&enseile,  nach  seinen  sinnlichen  Qualitäten,  zujffinylich  sei, 
während  es  als  diese  bestimmte  individuelle  Substanz,  z.  B. 
als  Sükrnles,  erst  mittelbar  durch  den  Intellekt  auf  derri  he- 
ztichnelen  Wege    erkannt   werden  könne. 

An  diese  Erfassung  der  Substan/.en  nach  ihrer  individuellen 
Seile  reiht  Wilhelm  eine  zweite  Erkennlnisweisc  dersel- 
ben, nämlich  die  abstraklive  oder  A Il^cmein erkenn t- 
nis.')  Hatte  er  bei  der  Erkenntnis  der  hidividuen  auf  eine 
von  christlieber  Seite  ül>erlieferte  Quelle  sich  gestützt,  mag 
nnn  dieselbe  die  genannte  Schrift  des  Boethius  sell>3t  gewesen 
sein,  oder  die  fragliche  Stelle  sich  als  Cital  in  einem  uns  unbe- 
kannten Autor  gefunden  haben,  so  knüpft  unser  Scholastiker 
die  Erörterungen  über  die  Abstriiktion  nn  Aristoteles  jin 
Dieser  vertrete  mizweifelhatt  die  Lehre,  dril3  die  intellektive  Kraft 
die  Sinnendinge  ,per  spoliaLioneta  vel  denudationem"  zu  er- 
kennen vennöge.  *)  Der  hitellekl  beraube  utul  entkleide  die 
sinnlichen  Formen  ihrer  üiiizoln<.'n,  iniÜviduellen  IlL-sliininungen 
und  mache  sie  so  /.u  intelligibten  liildern,  /.ii  /eichen  der  geisti- 
gen Objekte.  ■)  —  Allein  mit  dieser  ErklArung  der  aristotelischen 
Abstraktion,  wie  sie  von  den  chrislUchen  Peripatetikern  und  den 
Zeitgenossen  Wilhelms  gegeben  wurde,  vernmchte  steh  dieser 
nicht  zu  befreunden.*)  Hören  wir  seine  Gründe,  Auch  er  gieht 
die  Thatsache  des  abstraktiven  Krkennens  zu,  daU  es  abstrakte 
intelligible  Formen  in  uns  gel>e;  er  betreuet  jedoch  rlie  oben  be- 


namerantor  secuoüuni  accIiJentio   aeque  dicuntur  unus  el   ulius  aut    uaum 
et  aliud. 

*)  D«  an.  Vit.  7,  p.  313  (I):  Secundus  iiio<lus  est  per  abstraclionem. 
I  ')  De  [jn.  11.  p.  I.  c.  16,  p.  823  (2):    Ex    sermonibus    aulem  AriBlotelia 

eTid«iitef  Kpparel.  ipsura  Anstotelem  sensisse  virtulem  noäU'am  inleticctjvam 
e(  ftb  inferiori,  hoc  est  a  parle  seo^ihiliuiD,  per  spoliationem  vel  denudationein 
, .  .  .  esM  Uluminabilem. 

')  0«  Un.  IL  p.  I.  c.  H,  p.  823  (I).  Qaod  ai  dtxeht,  quia  formas,  quae 
imprimtinlur  a  »erisibihbus,  9|Kiliat  intelleetu»  et  denuJal  a  condicionibua 
particularibus,  et  hoc  modo  facil  eas  fonnas  inlelligibile»  el  signa  rerum  in- 
lellifibiliam. 

*)  KIhI.:  I.ieet  i^itiir  nnmlum  approhem  fu^rmonem  isluin  Arislnlelia 
d  opjaionem.  quia  tumen  luties  legilur  in  Itbris  etus  et  aliuruiii,  qui  «um 
wcDÜ  Bunl.  el  hoc  tarn  crebro  sonat  in  labüä  quorundam.  .  .  . 

& 


hauptete  Gntstehungsweise  derselben,  die  Wirksamkeit  des  In- 
tellektes auf  die  Sinnenbilder  und  die  dadurch  hervorgebrachte 
Veränderung  an  denselben,  ihre  Vergeistigang.  Entsländen  die 
intelligiblen  Formen  durch  eine  Loslösung  der  individuellen  Be- 
stimmungen, mit  denen  die  sinnlichen  Bilder  behaftet  erscheinen, 
so  wäre  die  hierdurch  erzeugte  Form  gar  nicht  intelligibel,  son- 
dern nur  das  übrig  gebliebene  Stück,  der  Rest  eines  Sinnenbil- 
des.  Die  geistige  Kraft  müMe  also  der  ihr  eigentümlichen  £r- 
kenntnisfomi  entbehren  und  bei  den  sinnlichen  Bildern  betteln. 
Die  Natur  hätte  wahrhaftig  für  den  Intellekt  schlecht  gesorgt  ^ 
Wie  sollte  es  femer  die  intellektive  Kraft  in  ihrer  Macht  haben, 
von  den  Sinnenformen  etwas  hinwegzunehmen,  durch  Ablösung 
der  einzelnen  Merkmale  eine  Veränderung  derselben  zu  bewir- 
ken? *)  Ginige  Jahrhunderte  später  hat  der  Jesuit  Suarez 
(t  1617)  in  ähnlicher  Weise  sich  gegen  eine  Umwandlung  und 
Vergeistigung  der  Phantasiebilder  ^)  ausgesprochen  und,  wenn 
auch  unbewu&t,  im  Gegensatz  zu  Thomas  von  Aquin  eine 
Theorie  des  abslraktiven  Erkennens  entwickelt,  die  der  Haupt- 
sache nach  mit  den  Anschauungen  unseres  Scholastikers  über- 
einstimmt. 

Wilhelm  war  weit  entfernt,  die  oben  dargelegte  Ansicht 
seiner  Zeitgenossen  mehr  dem  Gedanken  des  Aristoteles  anzu- 
passen; dazu  reichten  seine  Kenntnisse  nicht  hin,  und  anderer- 
seits bildete  die  Art  und  Weise,  wie  er  das  Verhältnis  von  In- 
tellekt und  Sinn  bestimmte,  *)  eine  unübersteigbare  Kluft.  Nach 
ihm  sind,  genau  wie  bei  Suarez,  die  intelligiblen  Formen  das 
Produkt  der  Intel  lektivenThätigkeit  allein.  Dieser  Satz  wird 


*)  Ebd.:  Imprimis  sequitur  eum,  caturam  neglexisse  virtntem  intellecti- 
vani  in  nobis  et  multo  studiosius  curasse  virtutes  sensibiles  quam  ipsam, 
cum  ipsis  tantam  cui)iam  signorum  propriorum  et  ea  imprimentium  provi- 
derit,  virtutem  vcro  inteUectivam  in  ea  paupertate  constitueril,  ut  a  signis 
sensibilibus  mendicare  uecesse  habeat  signa  sibi  necessaria  et  non  nisi  de 
reliquiis  eorum  eidem  consultum  sit. 

')  Ebd.:  deinde  quid  est  isla  spoliatio  vel  denudatio?  habetne  in  po- 
testate  virtus  iDtellectiva,  aliqua  aholere  vel  abradere  de  signis  sensibilibus? 
et  quae  sunt  huiusmodi  vestimenta,   quae  detrahit  ab  eis? 

■)  Brontano,  Die  Psychologie  des  Aristoteles,  S.  36  t 

*)  Vgl.  s,  r>7  f. 


67 

maßgebend,  wenn  er  seine  eigene  Erlclärung  des  abstrahierenden 
Erkennens  den  Aristotelikern  seiner  Zeit  gegenüber  stellt.  Schon 
in  der  Definition  tritt  seine  abweichende  Ansicht  deutlich  her- 
vor. Er  bestimmt  die  Abstraktion  als  Beraubung  (privalio), 
als  das  Unvermögen  des  Intellektes,  die  individuellen  Merk- 
male der  Einzelndinge  zu  erfassen.  ^)  Die  Phantasie-  und  Ge- 
dächtnisformen bilden  die  notwendige  Voraussetzung  für 
das  abstrakte  Denken,  aber  diese  ei-fahren  keinerlei  Beeinflus- 
sung von  Seiten  der  intellektiven  Kraft,')  keinerlei  Beleuch- 
tung und  Vergeistigung,  wie  Albertus  Magnus")  im  engen 
Anschluß  an  Aristoteles  lehrte.  Andererseits  kommt  ihnen  aber 
auch  keine  mitwirkende,  das  intelligible  Bild  miterzeugende 
Bedeutung  zu,  wie  Thomas  von  Aquin *)  annahm.  Alle 
derartigen  Theorien  der  Späteren  liegen  Wilhelm  fem.  Die 
Stnnenbilder  bleiben  völlig  unverändert,  sie  bieten  die  bloße 
Veranlassung  für  die  Bethätigung  des  Intellektes.  *)  Dieser 
erzeugt  aus  sich  heraus,  durch  seine  eigene  Thätigkeit,  das 
intelligible  Bild.  ^)  In  der  Abstraktion  sieht  also  Wilhelm 
lediglich  einen  Akt  des  Intellektes.  Die  intellektive  Kraft 
vermag  aber  das  Einzelnding,  dessen  sinnliche  Form  durch  die 
Phantasie  festgehalten  wird,  nicht  nach  allen  seinen  einzelnen, 
individuellen  Bestimmungen  in  sich  nachzubilden,  sondern  nur 
nach  seinen  allgemeinen  Merkmalen,  die  es  mit  allen  Individuen 


*)  De  an.  VII.  7,  p.  213  (1):  et  iam  declaratum  est  tibi,  quid  sit  ab»- 
trartio  seu  spoliatio  aut  denudatio;  haec  enim  non  töt  nisi  privatio  apprehen- 
sionis  formaniin  individuantium  sive  iadiTiduaUum.  Oe  Un.  IL  p.  II.  c.  7, 
p.  8öO  (2):  per  spoliationem  et  abstractionem  particularium  seu  singularium 
conditionum. 

")  De  Un.  II.  p.  I  c.  15,  p.  822  (1):  virtus  intellectiva  nostra  nihil 
detrahil,  nihil  toUit  rel  minuit  omnino  de  signis  sensibilibus,  sed  magis  ei 
detrabitur. 

")  von  Hertling,  Albertus  Magnus,  Köln  1880,  S.  122. 

*)  Schmid,  Erkenntnialehre,  I,  S.412. 

^)  De  an.  VH.  7,  p.  213  (2):  ..  .formarum  ad  phantasiam  sive  imagina- 
lionem  a  sensibibus  venientium,  ex  quibus  non  est  dubilandum,  quin  intel- 
lectus  occasionaliter  inscribatur  formis  abstractioribus  et  naturae  suae  con- 
gToenticribtts. 

•)  Vgl  S.  56,  58  t 

6* 


derselben  Art  teilt.  ^)  Die  intelligible  Form  entbehrt  der  singu- 
lären,  die  Individuen  unterscheidenden  Bestimmungen  und  sie 
repräsentiert  infolge  dessen  nicht  das  Ginzelnding,  sondern  die 
GaUung  oder  Art  Wilhehn  setzt  den  Vorgang  der  Abstraktion 
in  Vergleich  *)  zu  dem  Verhalten  des  Gesichtssinnes  (gegenüber 
den  Gegenständen  in  geringerer  oder  größerer  Entfernung.  In 
der  Nähe  empfängt  das  Auge  ein  deutlich  bestimmtes,  indivi- 
duelles Bild,  z.  B.  das  des  Herkules.  Alh^n  bei  zunehmender 
EiilfcTiunig  wird  dasselbe  iinnier  unbesliuimler,  sodaß  schlieUlich 
nur  mehr  die  Figur  eines  Menschen  ohne  die  Eigentümlichkei- 
ten des  Individuums  erkennbar  bleibt.  Genau  so  verhalt  sich 
nun  der  Intellekt  zu  den  Einzelndingen»  d.  i.  zu  den  hinter  den 
Accidenzien  stehenden  Substanzen,  die  ja  das  eigentümliche  Ob- 
jekt desselben  ausmachen.  Infolge  der  ihm  während  dieses  Le- 
bens anhaftenden  Kurzsich ligkeit  (brevitas)*)  bringt  er  diis 
Einzeliiwcsen  nur  undentlii-li  und  unbestinmiL  in  einem  allen  In- 
dividuen gemeinsamen  Bilde  der  Gattung  oder  Art  zum  Aus- 
druck. Er  vermag  keine  entsprechende  intelligible  Form  zu  erzeu- 
gen, wenigstens  für  die  Zeit  unseres  irdischen*)  Daseins;  nur  auf 
dem  Wege  eines  Schlusses,  wie  wir  bereits  dargeihnn,  konmit  die 
inlellüklive  Erkenntnis  der  Einzelnwesen  als  solcher  zustande. 
In  dieser  originellen,  ihm  allein  eigenKimlichen  Weise  sucht 


')  De  Ua.  IL  p.  L  c.  Ib,  p.  82ä  i,l):  quoniaM^  [um  atllut^it  ipsa  (rirtua 
inleÜectiva)  sjgna  huiusiDoiii  loUiMter,  sed  quniji  purtetii  lantuni  enrum,  nee 
ipsia  [»crveniunt  ml  cnm  lum  integrilate  seu  totalitale  siia. 

')  De  an.  VU.  7,  p.  213  (*i):  iKisui  tibi  exemplum  de  hoc  in  iinatrine 
Herculis  eidem  similliiiia  et  intendo  quae  clare  videnti  et  e  proximo  inspi- 
cienli  non  nisi  Hercutem  repraesenlaro  possei,  Si  autem  elongaretur  ab  illa, 
pfo  modo  elongaliotiis  imminuerelur  apprehensio  forniaruni  huiusmoili,  donec 
veniret  ad  hoc,  ut  imago  illa  non  repraesentsret  ei  nisi  hominem  va^^um. 
De  ün.  iL  p.  I.  c  15,  p.  822  (1). 

"}  De  Un.  I[.  \t.  l.  c.  15,  p.  822  [1):  et  lianc  esse  inlentionem  spolia* 
lionis  ac  denudationis  praedictae,  suilicet  brevitalern  intellertus,  per  quam 
attingerc  aou  polest  conditiones  parlirulares,  quibus  sigua  illa  appropriantur 
siguatis  suis  particularibus. 

*)  Ebd.:  et  lata  brevitas  est  intelleclos  noslri,  dum  est  blc  ia  corpore. 
De  ün.  L  p.  IIL  c.  2i',  p.  802  (Ii:  In  statu  vero  huiusmodi  lam  tenebrosae 
miseriae  non  illuminatur  ad  ca  uuineranda  et  di^linguenda  nisi  per  ipsus 
accidftntium  Tarietate«. 


69 


Wilhelm  die  Entstehung  der  allgemeinen  Begriffe  und  den 
Prozeß  des  begrifflichen  Denkens  /u  erläutern.  Mit  dem  Ge- 
,  danken,  Uaü  der  Intellekt  die  inloUigiblen  Formen  aus  sich 
^Hselbst  bilde,  der,  wie  schon  erwähnt,  hei  Suarez  wiederkehrt, 
^Vverbindet  unser  S*'holastiker  den  anJeren,  der  intellektiven  Kraft 
^KhaAe  für  die  Dauer  dieses  Lebens  eine  gewisse  Schwäche 
^Hoder  Kürze  (brevitas)  an,  vermöge  derer  sie  nift'  unvollendete, 
P  unbestimmte  Bilder  der  Einzelndinge  zu  schatten  imstande  sei. 
I  Dadurch  aber  erhjllt  die  allgenieine,  begriffliche  Erkenntnis  den 
Charakter  des  Unvollkommenen,  des  Unvollendeten^),  und 
Wilhehn  tritt  in  schrotTslen  Gegensatz  zu  Aristoteles  und  der  ge- 
samten Scholastik,  die  in  der  allgemeinen  Erkenntnis  das  eigent- 
ümliche Wissen  erblicken, 
^f  Von    diesem    Punkt    der    Unvollkommenheit    des    begriff- 

lichen  Erkennens  ans  polfmisierl  er  gegen  die  Lehre  des  Ari- 
stoteles und  der  Aristoteliker,  *)  data  der  Intellekt  nur  das 
Allgenieine,  aber  nicht  das  Einzelne  /.u  erkennen  vermöge. 
Freilich  bekunden  seine  Argumente  ein  völliges  Mit^verständnis 

Edeü  Slagiriten,  Er  gicbt  zu,  da&  wir  jetzt  in  allgemeinen  Be- 
griffen die  Dinge  denken ;  allein  dieses  Verfahren  ist  nichts  Ur- 
sprüngliches, Natürliches,  sondern  eine  Folge  der  Sünde,*)  die 
vor  derselben  nicht  vorhanden  war  und  im  Zustand  der  Ver- 
berrlichung  in  Wegfall  konunt.  Wäre  der  Intellekt  von  Natur 
aus*)  behindert,  das  Einzelne  zu  erfassen,  und  die  allgemeine 
0  De  Uo.  II.  p.  n.  c  15,  p.  8';9  (3):  InteJlcctus  igitur  nüster  in  bis 
teaebris  et  in  bac  rleprcssione,  in  quH  sumu«  hie,  non  disLinguil  ad  nudum 
Socrat«in  a  Phtlone  in  specie  hoinn.  De  un.  V.  17,  p-  141  (2):  ItL-et  co- 
|Soecer«l  homineui  secundam  quod  homo,  quod  est  dicere  cognitione  univer- 
sali,  prohibitus  tarnen  e&set  a  rera  et  propria  cognitione  Sucratis,  si  naturaü 
imposi^ibilitale  probibitus  esset  a  co^niliune  uniu^cuiusque  pai-tirularis  sive 
•iotfularis. 

*)  De  an.  V.  17,  p.  Itl  (1):  .  .  .  virtus  intellecUTa  itnpoteus  sil  ad 
eo^OMftndu  scnsüiilia  particularia  et  quu^i  rueca  »it  ad  videnda  visibilia, 
f|uefmadinoduin  sensit  Aristotele-s  et  5ei|uaceK  eius. 

')  De  Un.  IL  p.  II  c.  1  .\  p.  858  (2) ;  Hoc  autem  non  putes  me  dicere  de  intel- 
ledu  in  corpore  i{uodaininudo  demerso  atque  sepuUo  et  originali  nostra  cor* 
roptione  obscurato  ])tiantasiisque  depres-so,  sed  de  intellectu  [ut  C'tiri»tianorum 
Vtar  sermone)  giorillcalo.  Wtlbelin  spraeb  im  Vifriiusi^ehenden  von  der  voU- 
kommeneti  Erfassung  iter  Indlriduen  unmittelbar  durch  den  IntellekL 

*)  De  ao.  V.  17,  p.  Ul  (2):   Dicu    igitur  quod   impossibilitas  isU  sive 


i 


70  _ 

Erkenntnis  im  Wesen  des  intelJektiven  Erkennens  begründet, 
dann  müßte  den  immateriellen  Substanzen  und  dem  Schöpfer, 
da  ihnen  im  höchsten  Grade  die  intellektuelle  Erkenntnis  eigen  ^) 
ist,  jegliches  Wissen  um  die  Einzelndinge  abgesprochen  wer- 
den. *)  Dem  menschlichen  Intellekte  ^)  bliebe  bei  der  genannten 
Voraussetzung  seine  höchste  Bethätigung,  die  unmittelbare 
Schauung  Gottes,  für  immer  versagt,  denn  die  Gottheit  ist  ein 
Einzelnwesen  im  vollkommensten  Sinne  dieses  Wortes.  Bezüg- 
lich der  sinnlichen  Einzelndinge  sodann  würden  wir  in  einem 
fortwährenden  Irrtum  leben  wegen  der  häufig  vorkommenden 
Sinnestäuschungen.*)  Aber  auch  abgesehen  von  den  falschen 
Consequenzen,  die  sich  aus  der  Annahme  einer  ausschließlichen 
Aligemeinheit  der  intellektiven  Erkenntnis  ergeben,  steht  dieselbe 
mit  aller  Erfahrung  im  Widerspruch.  Thatsächlich  läßt  sich 
eine  Erkenntnis  des  Einzelnen  durch  den  Intellekt  aufweisen. 
Jede  geistige  Substanz  erkennt  ihr  eigenes,  individuelles  „Ich*, 
sie  erfaßt  die  einzelnen  Akte  ihres  Denkens  und  Gefühlslebens.  ^) 
Wir  besitzen  thatsächlich  ein  Wissen,  ®)  z.  B.  die  Wissenschaft 
der  Arithmetik,  wir  stellen  Erörterungen  an  und  führen  Beweise 
durch,  lauter  Vorgänge  und  Gegenstände,  die  etwas  Einzelnes 
darstellen.  7)    Jede  Wissenschaft  ist  nämlich  ein  geistiges  Einzel- 

profaibitio  naturalis,  qua  non  est  possibilis  virtuti  intellectivae  cognitio  par- 
ticularium,  aut  hoc  est  ei  per  se  naturaliter,  et  intendo  per  hoc  quod  est  vir- 
tus  intellectiva,  aut  aliunde. 

*)  Ebd.:  Quapropter  caecitas  ista  est  et  magis  et  maior  in  nobilibus  et 
abstractis  substantiis  naturaliter,  quanto  sublimiores  erunt,  et  propter  hoc 
maxime  in  creatore. 

')  De  an.  VII.  1,  p.  204  (1). 

°)  Ebd.  p.  203(2):  erronei  isti  auferunt  intellectui  Operationen! ,  propter 
quam  potissimum  creatus  est.  Haec  autem  est  visio  lucidissima  et  imme- 
diata  creatoris  .... 

*)  Ebd.  p.  204  (1). 

")  De  an.  V.  17,  p.  141  (2):  Atnplius  secundum  hoc  nuUa  substantia 
intelligens  intelligeret  seipsam,  cum  omnis  substantia  intelligens  singularis 
Sit  et  individua.  De  an.  VIL  1,  p.  204  (1):  eodem  modo  se  habet  de  opinio- 
nibus,  duhitationihus,  ignorantiis,  similiter  de  gaudiis  et  doloribus. 

"j  De  an.  VII.  1,  p.  204  (1):  Scientia  quaecunque,  quae  est  in  anima 
humana,  cognoscitur  ab  illa. 

''}  Ebd.:  Quid  erunt  disputationes,  collocutiones,  demonstratioues  et 
aliae  probationes,  cum  unumquodque  eorum  particulare  sit. 


_   71 

nes.  *)  Demnach  scheint  es  Wilhelm  festzustehen,  da&.  auf  gei- 
stigem Gebiete  eine  Einzelnerkenntnis  sich  findet.  *)  Wie  aber 
auch  die  sinnlichen  Einzelndinge  von  dem  Intellekt  nicht  bloß 
durch  ein  allgemeines  Bild,  sondern  in  ihrer  Individualität  erfaßt 
werden,  haben  wir  bereits  gezeigt.*) 

Man  wird  den  Ausführungen  unseres  Scholastikers,  die  teils 
in  dessen  eigenen  Voraussetzungen  ihren  Grund  haben,  zumeist 
aber  in  der  totalen  Unkenntnis  der  aristotelischen  Lehren  wur- 
zeln, kaum  einen  besonderen  Wert  beimessen  können.  Von  der 
hohen  Bedeutung  der  allgemeinen  Begriffe  für  die  gesamte  wis- 
senschaftliche Erkenntnis  hat  Wilhelm  keine  Ahnung.  Inte- 
ressant bleibt  aber  hierbei,  dal^  sich  bei  ihm  der  Gegensatz  zu 
den  Peripatetikem  in  einer  entschiedenen  Betonung  der  indivi- 
duellen Erkenntnis  geltend  macht.  Diese  Hervorhebung  des  In- 
dividuums gegenüber  dem  Allgemeinen  als  Erkenntnisobjekt  tritt 
noch  deutlicher  hervor,  wenn  wir  fragen,  welche  Stellung  Wil- 
helm in  dem  Streite  über  die  Uni  versalien  einnimmt.  Steht 
er  auf  Seite  der  Realisten,  oder  muß  er  den  Nominalisten 
zugezählt  werden? 

Wir  haben  schon  früher  Wilhelm  als  einen  Gegner  der 
platonischen  Ideenwelt  im  Sinne  selbständiger,  von  den  Dingen 
verschiedener,  immaterieller  Substanzen  kennen  gelernt  *)  Dazu 
kommt,  dalä  unser  Scholastiker  an  der  Selbständigkeit  und  Sub- 
stanzialität  der  Ideen  nicht  consequent  festgehalten  hat.  An 
anderen  Stellen  faßt  er  dieselben  in  ganz  bestimmter,  unzwei- 
deutiger Weise  nach  dem  Vorgange  „der  christlichen  Lehrer  und 
der  besten  Kenner  der  platonischen  Philosophie,"  ^)   wie  er  sich 


>)  Ebd.:  scientia  enim  omnis  spirituale  particulore  est 

')  Ebd.:  dubilari  Don  potest,  Tirtutem  intellectlTam  particularia  saltem 
spiritualia  apprebendere  pusse, 

•)  VgL  S.  64  f. 

')  Vgl.  S.  45  f. 

")  De  Un.  II.  p.  I.  c  39,  p.  839  (2):  Hunc  igitur  deum  ac  dei  filium 
artem  dei  omnipotentis  plenam  rationum  viventium  sapientes  et  doctores 
Christianorum  nominant,  rationes  viventes  intelligentes  ipsas  species  vel 
ideas,  quas  Plato  posuit  secundum  intentionem  et  opinionem  ipsorum,  qui 
in  parte  ista  de  Piatone  et  eins  pbilosopttia  bene  et  laudabiliter  opinati  sunt 


7a 

ausdrückt,  als  die  ewigen  Gedanken  im  Geiste  des  Schöpfers.*) 
Aber  auch  bei  dieäcr,  dem  echten  platonisclteri  Standpunkt  nicht 
mehr  entsprechenden  Auffassung,  die  schon  an  sich  eine  extrem 
rrnlistische  Ansicht  über  die  Universalien  unmöglich  macht,  wendet 
sich  Wilhelm  noch  ausdrücklich  gegen  die  seiner  Meinung  nach  im 
Tiniaeus  vorgetragene  Lehre,  daß  unsere  Begriffe  nicht  die  Wesen- 
heit dersinnentalligen  Dinge,  sondern  eine  bloße  Ähnlichkeit  dersel- 
ben mit  den  Gedanken  des  Schöpfers  bezeichnen  sollen.*)  Würde 
den  liegriffcn  nichts  Wirkliches  imd  Wesenhaftes  in  den  Dingen 
der  Sinnenwell  entsprechen,  so  müöte  die  letztere  zu  einer  Sub- 
stanz- und  wesenlosen  Scheinwelt  herabsinken,  '^)  von  der  keine 
Erkenntnis  möglich  wäre,  weil  auch  nichts  mit  W"ahrheil  von 
ihr  ausgesagt  werden  könnte.  *)  Es  sind  wohl  auseinander  zu 
halten,  die  Welt  der  göttlichen  Gedanken,  welche,  von  den 
Sinnendingen  völlig  verschieden,  nur  deren  Ideen  und  Urbilder  dar- 
stellen, und  die  Gattungen  und  Arten,  die  von  den  Einzelndin- 
gen ausgesagt  werden  und  deren  Wesen  und  Substanz  bezeicli- 
nen.  Die  Ideen  existieren  außerhalb  der  Dinge  im  Geiste  Gottes 
ewig  und  unveränderlich,  *)  während  die  Gattungen  und  Arten 
nur  in  und  mit  den  Einzelnwesen  ihre  Existenz  haben.  *) 


*)  Oe  Un.  II.  |i.  I  c  3ö,  p.  830  (2):  De  ideis  tgitur  sive  formis  extcrio- 
ribus,  quae  in  iiiente  creatoria  aetemaliter  sunt,  intellexit  (Plato)  sermo* 
aes  suos. 

*)  Ebd.  p.  836  (1):  contradicH  huic  sermoni  ipsemet  Plato  evidenter 
in  libro  sua  quem  nominavit  Tiiiiueurn  dicens,  ({uia  non  hoc,  quod  est  apud 
DOS,  terra  e«t,  i^  (orreum,  aec  i(^nis  verus  est,  qui  apud  tios  est,  sed  igneum. 
EM.  c.  3i!,  p  837  (1):  erravit  evidenlßr,  quod  nomina  terraL-  et  igni>;  et  alia 
siinilia  dixil  non  praedicari  secundum  veritatem  de  cur}M:iribus,  quae  sunt 
apud  Du$,  neqiie  per  esüeatiam,  sed  per  siaiililudinem  taalum. 

*)  Ebd  c.  34,  p.  835  (2):  Necesse  i{(itur  hahet  tandem  venire  ad  hoc, 
ut  neque  vcre  substantia  sit  ncc  essentialiter,  sed  ncque  aliquid  aliud.  Quare 
neque  vere  neque  essentlaliter  aliquid  eril. 

*)  Ebd.:  nihil  igitur  praedicatur  apud  nos,  hoc  est  in  mundo  isLo,  rel 
potesl  praedicari  in  quid. 

')  De  lln.  H-  p.  I.  c.3.%  p.  836  (2):  De  ideis  igitur  sive  formis  exlerio- 
ribus,  quac  in  menle  creatoris  aeternaliler  .«unt,  intellexit  (Platü)  seimones 
fluos.    De  trinitate,  c.  9,  p    13  (2). 

")  De  Un.  £1.  p.  I.  u.  35,  p.  896  [2}:  de  a|i«ciebus,  quae  de  indtvidui.<i 
vel  singularibus  in  e4>  quod  quid  praedicaatur.     Ilias    enim  esse  necesse  est 


78 


to 


Durch   die  Unterscheidung  von  Ideen    und  Begriffen  im 

dargelegten  Sinne  beseitigt  Wilhelm  die  Schwierijfkeiten,  die  der 
platonischen  Lehre  auch  dann  noch  anzuhaften  schienen,  nach- 
dem man  die  Ideen  als  Gedanken  Gottes  gefaßt  hatte.  Man 
mußte  zu  letzterer  Umdeutung  noch  einen  neuen,  Plalo  fremden, 
aber  sehr  wichtigen  Gedunken  fügen,  dali  die  Ein/elndiTige  für 
sich  allein  und  an  sich  ein  wahrhaftes  und  eigentliches  Sein 
besitzen,  zu  welchem  die  Ideen  nur  im  Verhältnis  eines  blotsen 
Urbildes  stehen.  Mit  einem  Wort,  den  Sinnendingen  mußte  die 
Substanzialität  zurückgegeben  werden.  Das  Ihal  Wilhelm 
in  ganz  entschiedener  Weise  und  setzte  sich  damit  in  Gegensatz 
nicht  nur  zu  dem  Heali-snms  Piatos,  sondern  auch  zu  den  extre- 
men Ansichten  der  mittelaiterlichen  Realisten,  welchen,  wie  Wil- 
helm von  Champeaux,*)  die  Einzelndinge  nur  mehr  als  ver- 
schiedene Accidenzien  einer  allgemeinen  Substanz  galten.  Wil- 
helm kennt  keine  allgemeinen  Wesenheilen  im  Siime  selb.slfin- 
diger  Substanzen,  weder  jenseits  der  Dinge,  noch  in  den.selben. 
Aber  auch  die  aristotelische  Fassung  des  Universale,  welche 
seil  Albertus  Magnus-)  so  ziemlich  die  herrschende  wurde,  ist 
ihm  nicht  eigen.  Nach  Aristoteles  und  den  Scholastikern  der 
Blölezoil*)  wird  das  Allgemeine  durch  die  Materie  zum  Indivi- 
duum bestimmt,  es  existiert  also  individualisiert  in  den  Einzeln- 
dingen. Bei  Wilhelm  dagegen  zeigt  sich  ein  ganz  anderer  Ge- 
dankengang, der  lebhaft  an  Gilbert  de  la  Porree  erinnert. 
Wie  schon  früher  erwähnt,  unterscheidet  er  sinnenlallige  Eigen- 
schaften und  die  hinter  diesen  stehenden  Substanzen.  *)    In  den 


el  in  singularibus  Buis  et  cum  singularihut;.  Utii  enini  Socrates  est,  necesse 
«st  esse  hominem,  et  ubi  homu  e.tl,  ncc-csse  <»l  esse  aliquem  hominem. 
Damit  hatte  der  chriß' liehe  Scholastiker  jene  Einteilung  iler  Univorsalien 
in  universalia  ante  rem,  in  re  und  posl  rem,  iler  ^ai-ho  nach  wenig- 
stens, Vollzügen,  wenn  sich  auch  die  von  den  Arubern  aufgestellte  Korniel 
bd  ihm  nicht  AndeL    Vf^l.  Prantl,  Geach.  d.  Lo{(ik.  [II,  S.  7G, 

■)  Uanräau.  Hist.  de  la  phil.  scoL  t.  p.  3-Jü  fT. 

■)  von  Hertling,  Albertus  Magnus,  Köln  1880,  S.  74  f. 

*)  wenigstens  nach  Thomas  von  Aquin  und  den  Thoraisten, 
wihrend  allerdings  Albertus  Magnus  in  den  Accidenzien  und  Scntus 
and  die  Scotisten  in  einer  eigenen  individualisierenden  Form  den  Grund 
der  individuelleo  Unterschiede  erblickten.    Vgl  von  Herlling  a.  a,  ().  S.  103  f. 

•)  Vgl.  3.  62. 


L 


74 

letzteren  allein,  nicht  aber  in  den  Accidenzien,  nihl  der  indivi- 
duello  llnterscliied ')  dci'  üinge.  Die  Substanzen  sind  ihrem 
BegrifTe  nach  individuell,  Individuen.  Von  einem  Allgemeinen 
im  Sinne  des  Arisloleles  Ifiläl  sich  bei  Wilhelm  keine  Spur  ent- 
decken; er  kennt  nur  EitiKrkeniitnisobjekt,  das  Individuum. 
Schärfer  hfiile  imser  ScholHHÜker  seine  Stellung  gegen  den  Rea- 
lismus nicht  zum  Ausdruck  bringen  können,  und  diese  starke 
Betonung  des  Individuellen  scheint  fast  eine  Schwenkung  auf 
die  Seite  des  Nominalismus  zu  verraten. 

Ist  Wilhelm  Nominalist?  Bedeuten  ihm  die  allgemeinen 
Begriffe  der  Gattungen  und  Arten  bloße  Namen,  die  nichts  Wirk- 
liches von  den  Dingfni  aussagen?  Dagegegen  spricht  die  Defini- 
tion der  species,  welche  er  wörtlich  den  Schriften  des  Boüthius 
entnimmt. ')  Der  Ärtbegriff  wird  von  dem  Wesen  der  Einzeln- 
dinge ausgesagt;  er  ist  also  kein  leeres  Wort,  sondern  bringt 
das  Wesentliche  in  den  l>ingen  zum  Ausdruck.  Letztei*es  liegt 
aber  für  Wilhelm  in  den  hinler  den  Accidenzien  stehenden,  indi- 
viduellen Substanzen.  Diese  machen  im  Gegensatz  und  mit 
Atifjschlula  der  Eigenschaften   das   wahre   und  eigentliche  Sein, 


1)  De  i'tt.  II.  p.  II.  c.  15,  p.  SfiS  {2):  quoniam  in  substaiitüs  suis  dif- 
feninl  omnia  crenU,  sive  sint  sensibilia  sire  intelligibifia,  omniaque  singu- 
hiria,  videt  (inteUectus)  difTerentia«  eariini  esseiiliules,  per  qiins  nuUa  ejirum 
est  atia.  De  Un  H.  p.  I.  c.  II,  p.  8l9  (2):  iam  enlm  didicisli  in  logicis, 
quoniaiii  accidenlales  tlifTcrenliae  non  faciunt  aJiud,  sod  alteratum  solum. 
Vgl.  64,  Aam.  4.  Den  SaU  des  ßoethius  (vgl  PrantI,  a.  a.  O.. 
I,  S.  685,  Arnn.  91J:  sola  accidentium  varielas  facil  differentiam  nuniero» 
auf  welchen  sich  die  Vertreter  der  entgetren gesetzten  Lehre  stützten, 
sucht  Wilhehn  in  eeinem  Sinne  auszudeuten.  Der  italische  oder  latei- 
nische Phdosuph  {sermo  cuiusdaiu  ex  llalicis  philosophis,  quidam  ex 
Lalinis  philosophis,  vgl.  S.  63)  habe  die  Accidenzien  nicht  als  den 
realen  Grund  der  Individoaülät  betrachtet,  sondern  er  habe  nur  sagen 
wüU?n ,  daß  diesellien  uns  während  dieses  Erdcnlel>ens  die  Erkenntnis 
der  Individuen  auf  dem  We^e  des  Srhluäses  vermitteln,  dal<  sie  also  bloQe 
Erkenntnisprinzipien  für  unser  geschwächtes  Denken  wären.  Vgl  De  Un.  I. 
p.  lU.  c.  1>9,   p.  802  (I);   De  Un.  II.  p.  I.  f.  U,   p-  819  (1). 

')  De  Un.  II-  p,  1.  c.  35,  p.  836  [l)i  species,  quaa  dicinms  praedicari  de 
pluribus   dinerenlihus   numero    in   eo,   quud    quid  est.    Vgl.  Bopthi    omnia 
Opera,    Ha»et  (l&7r>;.   Com.   in  Porphyrium  a  se  Iranslatum,    Lib.  HI.   p.  Öö:i 
species  est,  quod  de  pluribus  et  difTereiilibus  nutnero   iii   eo  quod  i^uid  prae-  j 
dicalur.    Vgl  S.  1b,  Anm.  3. 


75 

— V 

das  Wesen  der  Dinge  aus.  >)  Auf  sie  bezieht  sich  demnach  der 
Ällgemeinbegriff  und  zwar  bezeichnet  er  eine  größere  oder  ge- 
ringere Ähnlichkeit  mehrerer  Individuen.  Der  Gattungsbegriff 
drückt  eine  teilweise«)  Übereinstimmung  und  Ähnlichkeit  der- 
selben aus,  während  der  Begriff  der  Art  ihre  völlige  Wesens- 
äbnlichkeit  in  sich  schlielst, ')  alles  das  erschöpft,  was  die  Indi- 
viduen Gemeinsames  haben  können,  weshalb  derselbe  nach  sei- 
nem vollen  Inhalt  von  jedem  Individuum  gilt  ^)  und  das  ganze 
Sein   desselben  bezeichnet.^)    Das    begriffliche  Denken  hat  also 


*)  Ebd.:  Veritas  enim  uniuscuiusque  rei  non  est  nisi  vel  snbstantia  vel 
esseotia  sivc  esse  ipsius.  Et  hoc  est,  qnod  ratio  sive  definitio  explicat.  Hoc 
autem  est  residuum  a  tota  circumvestione  accidentium, 

')  De  Un.  IL  p.  IL  c.  15.  p.  859  (1):  Quae  vero  genere  tantummodo 
unum  Tel  idem  sunt,  non  totaliter  nee  integre,  sed  secundum  partem  sub- 
stantiaram  suarum  tantoni  similia  sunt  .  .  .  Quemadmodum  homo  et  equus 
secnndum  ea  substantialia  sua,  quae  habent  in  genere  suo,  qnod  est  animal, 
similia  sunt,  secundum  autem  ea  substantialia  sua,  quae  post  genus  sunt,  dis- 
similia. 

■)  De  Un.  1.  p.  IIL  c.  29,  p.  802  ^1):  Ipsemet  (quidam  ex  Italiris  phi- 
losophis)  dixit,  quia  speci^  est  substantialis  similitndo  individuorum,  et  debes 
intelligere,  quod  dixi  substantialis,  hoc  est  secnndum  totam  substantiam. 
VgL  De  Un.  IL  p.  IL  c.  15,  p.  859  (1).  Die  Stelle  bei  BoSthius  lautet 
(Boethi  onmia  opera,  Basel  (L575),  Com  in  Porphyrium  a  se  translatum,  Lib.  I, 
p.  LG):  nihilque  aliud  species  esse  pulanda  est  nisi  cogitatio  collecta  ex  indi- 
vidnoruni  dissimihum  numero  substantiali  similitudine:  genus  rero  cogitatio 
collecta  ex  specierum  similitudine. 

*)  De  Un,  IL  p.  IL  c.  12,  p.  855  (2):  Et  ratio  eius  seu  diffinitio  totali- 
ter est  in  unoquoque  illorum  (individuorum).  In  diesem  Sinne  muß  auch 
der  Satz  Früherer  verstanden  werden,  daß  die  species  das  allen  Individuen 
GemeiD»ame  sei.  (Et  iam  fuerunt  aliqui  dicentes  speciem  unamquamque  esse 
uniTersitatem  individuorum  suorum).  Nur  der  logische  Begriff  der  Art  findet 
sich  in  allen  Individuen  verwirklicht  und  sei  ihnen  so  gemeinsam,  aber  der 
Ausdruck  universitas  dürfe  nicht  als  eine  allgemeine  Substanz  gedeutet  wer- 
den, zu  welcher  sich  die  Individuen  als  bloße  Accidenzien  verhielten. 

•)  De  Un.  IL  p.  I.  c.  35,  p.  B'M  (1):  Huiusmodi  species  totum  est  esse 
individuorum;  quidquid  enira  habet  Socrales  praeter  hominem  (hoc  est  prae- 
ter ea  ex  quibus  est  homo),  accidit  eidem,  id  vero  quod  habet  residuum  ab 
accidentibus,  est  totum  esse  ipsius,  quare  totum  esse  ipsius  est  ipsa  species 
videlicet  haec  species  homo.  Der  Artbegriff  bringt  im  Gegensatz  zur  Gattung 
das  ganze  Sein  des  Individuums  zum  Ausdruck,  soweit  dasselbe  über- 
haupt begrifflich  erfaßbar  ist    VgL  S.  67  f. 


76 


die  unter  den  Accidenzien  verborgenen  individuellen  Substan- 
zen zum  Gegenstände,  insofern  dieselben  nach  dem  Grade  ihrer 
Ähnlichkeit  erkannt  und  zur  Einheit  des  Begriffes  zusanimengefafit 
weiden.  *)  Haben  mehrere  Kirizi-Inilingt.'  nur  eine  teilweise  sub- 
stHn/.ielie  Ähnlichkeit,  sind  sie  ahor  in  den  übrigen  Bestimnningen 
ihres  Wesens  einander  unAhnlich,  wie  Mensch  und  Pferd,  so 
werden  sie  mit  demselben  Gattungsbegriff  gedacht;  mit  demsel- 
ben Artbegriff  jedoch  dann,  wenn  die  sämtlichen  in  der  Defini- 
tion angegebenen  Merkmale  ihres  Wesens  die  gleichen  sind, 
z.  B.  Sokrates  und  Plato.  *)  Über  die  Ähnlichkeil  der  Einzeln- 
wesen hinaus  zur  individuellen  Unterscheidung  derselben  führt 
die  begriffliche  Erkenntnis  nicht.  Wir  vermögen  durch  den 
Begriff  nicht  zum  Individuum  zu  gelangen.  Das  letztere  ist  uns, 
wenigstens  für  dieses  Leben,  nur  indirekt,  durch  den  Schlulä  aus 
den  Arcidenzien,  erreichhai*. ')  So  sehr  also  Wilhelm  das  Indi- 
viduum als  4las  allein  Wirkliche  in  den  Vordergrund  rückt,  so 
erscheinen  doch  bei  ihm  die  allgemeinen  Begriffe  nicht  als  Na- 
men oder  Produkte  unseres  Denkens  ohne  jede  reale  Bedeu- 
tung, sondern  sie  besitzen  ihren  Grund,  ihr  Fundament,  wie 
Thomas  von  Aquin  sagte,  in  den  Dingen,  \^'eil  diese  Stufen 
der  Ähnlichkeit  aufzuweisen  haben,  faßt  unser  Denken  dieselben 
zur  begrüTlichen  Einheit  der  Gattung  und  Art  zusammen. 

Nach  diesen  Darlegungen  dürfte  es  nicht  mehr  schwer  sein, 
die  Stellung  Wilhelms  in  der  Univeraalienfrage  zu  bestimmen. 
Es  ist  —  wie  schon  Valois  hervorhebt*)  —  ganz  falsch,  den- 
selben mit  Haurf'iiu  zu  den  Realisten  der  extremsten  Rich- 
tung zu  rechnen  und  ihn  mit  Wilhelm  von  Chamiieaux  auf  eine 
Stufe  zu  stellen.  *)  Die  Citale,  auf  welche  der  französische  Ge- 
9chich(sächreiber  der  scholastischen  Philosophie  sein  Urleil  grün- 
det,  haben  sämtlich  einen  ganz  andern  Sinn,  als  ihnen  der  ge- 


')  De  Un.  I.  p.  III.  c.  2f*,  p.  8(12  (1):  non  enim  in  specic  distingiilnius 
indiritlua,  aei)  iiia^is  unimus  siinilitudine  csaeiitiali  omainiodo,  quac  est  eis 
in  specie. 

')  De  Un.  n.  p.  II.  c.  15,  p.  859  (1). 

")  Ebd.    Kerner  De  On.  I.  p.  III.  c.  29,  p.  802  (l).    Vgl.  S   63  f. 

*)  Valuis,  a.  a.  O.  S.  243  ff. 

*)  Haur^au,  De  la  Philosophie  scolasUqiie,  I.  p.  447— 455.  Hiat.  de  la 
phil  scol.  II  a,  p.  147-169.    Vgl.  oben  S.  46,  Amn.  2. 


nannte  Autor  unterlegt.  Die  wichtigsten  Stellen  sodann,  welche 
für  die  Auffassung  des  Universale  enlscheidend  sind,  werden  von 
ihm  gar  nicht  beriickuichligl.  <)  Wie  aber  einem  extremen  Rea- 
lismus, so  steht  Willielm  iiucli  dem  Nominalisnius  fern.  Er  muü 
vielmehr  unter  die  Voitreter  der  geniAtiii:len  realistischen  Rich- 
tung eingereiht  werden.  l'Yeilich  nimmt  er  hier  eine  ganz  eigen- 
tümliche {Stellung  ein.  Obwohl  er  von  Boethius  ausgeht,  zeigt 
sich  doch  sofort  ein  scharfer  Gegensatz.  Unser  Scholastiker  be- 
trachtet näuilicli  niclil,  wie  jener,  die  Accidenzien  als  Grund  der 
individuellen  Unterschiode,  sondern  die  unter  den  Eigenschnftcti 
verborgt-n  gedachlnn  Substanzen  selbst.  Jede  Substanz  ist  als 
solctie  individuell  und  bedarf  keines  weiteren  individuierenden 
Prinzipes.  Dadurch  nun  erliült  seine  Universatienlehre  den  ihr 
eigenen  Charakter.  Die  hinler  den  Accidenzien  stehende  Sub- 
stanz, welche  das  Individuum  ausmacht,  gilt  als  eigentümliches 
Objekt  des  geistigen  lOrkenneas.  Die  allgemeinen  ßegritfe  bezie- 
hen sich  zwar  auf  diese  individuellen  Substanzen,  aber  sie  brin- 
gen dieselben  nur  unvollstAndig,  nach  dem  Grade  ihrer  gegen- 
seitigen größeren  oder  geringeren  Ähnlichkeit,  zum  Ausdruck, 
vermögen  sie  aber  nieuials  nach  ihrer  Individualiliil  zu  erfassen. 
Die  begrifTliche  Erkenntnis  muLi  ihre  Krgfinzung  linden  in  einfiii 
Srhlufiverfahreii.  Heide  Krkeimlnisweisen  wurzt-lii  si:filiel.»licli 
in  einer  Schwächung  der  intollecliven  Krall  durch  die  Sünde, 
welche  eine  vollständig  klare  und  unmittelbare  Erfassung  der 
Individuen  für  die  Dauer  dieses  Erdenlebens  unmöglich  tnachL 
Schlulsfolgerung  aus  den  Acciden/ien  und  BegriffsbiU 
düng,  das  waren  die  beiden  Mittet,  durch  welche  derltdellekl  nach 
Wiibelms  Ansicht  zur  Erkenntnis  der  kör])erlichen  Dinge  ge- 
langt Der  Scholastiker  spricht  jedoch  noch  von  einer  drilten 
Erkenntnisart,*)  von  einem  „modus  per  connexionem  sive  per 
colligationem".  Willielms  Ausführungen  in  diesem  Punkte  ent- 
behren selu"  der  Klarheit,  und  es  ist  schwer,  seine  Meinung  hier- 


*)  Audi  Prantl  (GföU'hichle  der  Laf^il  im  Abendlanrle,  III.  ä.  7t*)  ^iud 
die  BeziehuDgen  Wilhelms  zu  BiH>lbius  entKaiigen,  wcftlialb  er  ebenfalls  irr- 
lOmlieh  Wilhelm  zu  den  extremon  UralisLrri  zählt. 

*)  Ue  an.  VII.  7,  p,  213  ['2):  Terhii«  tiiodus  est  per  connexionem  sive 
per  coUigatioDeni. 


78 


über  festzuateüen.  Was  er  im  Auge  hatte,  das  waren  die  kom- 
plizierteren Vorgänge  des  Krkenolnislebens.  Er  zieht  vornehm- 
lich zwei  Thatsuchen  heran,  nämlich  die  Bildung  von  Schlüssen 
aus  gegebenen  PrAniissen  oder  die  Auffindung  des  Mittelbegriffes,  *) 
wo  wir  also  von  einer  Erkenntnis  zur  andern  Ibrtschreilen,  von 
der  Ursache  zur  Wirkung  und  umgekehrt,  *)  und  die  andere  Er- 
scheinung, daU  wir  ganze  Reihen  von  Erkenntnissen,  und  zwar 
der  verschiedenslen  Art,  willkiirllch  in  uns  erzeugen  können.  *) 
In  letzterem  Kall  handelt  es  sich  um  die  Fähigkeit  des  Ge- 
dächtnisses und  um  die  Reproduktion  von  Gedächtnisvorslel- 
lungen. 

Wir  dürfen  jedoch  kein  näheres  Eingehen  auf  die  Natur 
oder  Gesetze  jener  Vorgänge  von  Seite  Williehns  erwarten. 
Was  ihn  zur  Betrachlung  derselben  führt,  das  ist  lediglich  die 
Frage,  wie  die  auch  in  den  genannten  EäJlen  zur  Erkenntnis  not- 
wendigen intelligiblen  Formen  in  dem  Intellekt  erzeugt  werden.  *) 
Wir  hoben  es  nämlich  weder  mit  der  Erkenntnis  der  Einzeln- 
dinge aus  ihren  Accidenzien  zu  thun,  wobei  überhaupt  kein 
intelligibles  Bild  entstehen  kann,'^}  noch  mit  der  Abstraktion  all- 
gemeiner BegrifTe  auf  Veranlassung  von  sinnlichen  Vorstellungen 
bin,  sondern  es  ist  eine  ganz  neue  Art  des  Erkennens,  welche 
infolgedessen  auch  eine  neue  Erklärung  für  die  Entstehungs- 
weise der  intelligiblen  Formen  verlangt.  Dai^  Eigentümliche  der 
letzteren  Erkenntnisart  Liegt  darin,  datj  der  Intellekt  Erkenntnisse 
aufweist,  die  nicht  mehr  durcli  die  Gegenwart  und  den  veran- 
lassenden Einfluü  der  äuüeren  Objekte")    bedingt  sind,    die  also 


■)  lie  an.  VII.  B,  p.  213  (2):  Et  hnec  est  causa  radicatis  .  .  .  inrenlio- 
nis  metliorum  syllogisticorum  el  (lenionsLrativorum. 

')  Ebii.:  Habet  autem  istud  admirationem  Qon  inodicani,  vitlelicel  qua- 
liter  acientia  causae  inducit  scientinm  efiTectus  aut  e  conveiso. 

'}  De  BD.  Vit.  8,  p.  214  (3):  Et  propter  hüc  iuxta  velle  suum  nunc  gt' 
neral  unain  scientiam  in  efTeclu  nunc  aliam. 

*)  De  an,  VII.  H,  p.  215  (l):  QuuesLiunem  autem  liab«l,  uLrutn  causa 
per  semetipsam  absque  ullü  alio,  viilelJcet  vel  tjiinilitu<]ine  vel  ^i^nu  (|uocuni- 
que.  ostenJere  sufSciat  efTectuni  suum  et  introducere  in  virlutem  inteUccti- 
vam.    V^\.  Aam.  2. 

»)  Vgl.  S.  H  fi7  f. 

•)  De  an.  Vll.  8,  p.  214  (1):  virtu»  inlellectiva  ex  eo  quod  est  virtua 
inleUectiva  potenüa  est  intelligendi  lantuni,  non  patens  per  sennetipeam  exire 


79__ 

durch  die  intellektive  Kraft  allein,  ohne  Beihulfe  von  außen,  er- 
zeugt werden.  Wie  lassen  sich  nun  die  Thätigkeiten  des 
Schlie&ens  und  die  Reproduktion  beliebiger  Erkennt- 
nisse erklären? 

Wilhelm  verweist  darauf,  daß  alle  Dinge,  welche  in  der 
Wirklichkeit  mit  einander  verbunden  sind,  auf  Grund  dieser  Ver- 
bindung auch  mit  einander  zur  Erkenntnis  kommen  müssen. 
Die  Erkenntnis  des  einen  zieht  die  Erfassung  des  andern  nach 
sich.  Wer  also  die  Ursache  erkennt,  dem  kann  die  Wirkung 
nicht  unbekannt  bleiben.  ^)  Allein  dieser  veranlassende  Faktor, 
wenn  wir  so  sagen  dürfen,  reicht  zur  Erklärung  der  fraglichen 
Vorgänge  noch  nicht  hin.  Wie  soll  nämlich  eine  Ursache, 
welche  mit  der  Wirkung  gar  keine  Ähnlichkeit  besitzt,  z.  B.  bei 
dem  Schluß  aus  der  Stellung  der  Erde  zwischen  Sonne  und 
Mond  auf  die  Verfinsterung  des  letzteren,  •)  die  intelligible  Form 
ihrer  Wirkung  in  den  Intellekt  einführen?  Dies  wird  nur  da- 
durch ermöglicht,  daß  die  intellektive  Kraft  selbst  die  Fertig- 
keit») besitzt,  von  dem  einen  zum  andern  fortzuschreiten,  bei 
der  geistigen  Erfassung  der  Ursache  aus  sich  heraus  sofort  das 
intelligible  Bild  der  Wirkung  zu  erzeugen.  Diese  Fertigkeit  des 
Intellektes  nennt  Wilhelm  „habitus".  Er  nimmt  diesen  Begrifi* 
aus  dem  ethischen  Gebiet  *),  und  zwar  aus  der  Definition,  welche 

ia  actum  iDteUigendi,  sed  indiget,  ut  saepe  audivisti,  eductore  et  adiutore  alio. 
Per  babitum  vero  efScitur  non  sülum  potens,  sed  etiam  prompt! ssima  expe- 
ditissimaque  ad  actus  intelligendi. 

')  De  an.  VII.  8,  p.  215  (\):  omnes  res  propter  coUigationes  et  conco- 
mitantias  antedictas  riaesunt  aliaead  alias,  et  intus  ducunt  aliae  ad  alias  vir- 
tutem  intellectivam  iuxta  modos  quos  audivisti,  sicut  causa  introducit  eflec- 
lum  ad  illam  et  elTectus  ad  causam ;  et  de  aliis  concomitantibus  se  sive  con- 
nexis  ad  invicem  siniiliter  se  habet.  De  an.  VII.  8,  p,  313  (2):  per  unum 
coUigatorum  ad  invicem  naia  est  rapi  et  npplicari  aliis,  si  multa  sunt,  et 
alii,  si  unum  solum  est. 

')  De  an.  VII.  8,  p.  213  (2):  Tu  autem  vides,  quam  diversarum  for- 
marum  sint  interpositio  terrae  inter  solem  et  lunam  et  prohibitio  seu  pri- 
Tatio  luminis  a  luna.    Das  Beispiel  bei  Aristoteles:   Analyt.  poster.  II.  c.  Ifl. 

*)  De  an.  VII.  8,  p.  214  (1):  Et  ad  hunc  modum  se  habet  de  virtute 
nostra  intellectiva,  cum  promptissima  fuerit  ad  unum  coUigatorum  perpen- 
dendum  ex  alio  seu  per  aliud. 

*)  De  ao.  VII.  8,  p.  214  (1):  Attende  diligenter,  quod  dixi  tibi  de  hahitu 
haiusmodi,   videlicet  qnia  est  sicut   mos.    lam  enim    didicisti   alibi,   quod. 


80 

Avicenna  von  den  Sitten  (mores)  giebU  Ganz  im  Sinne 
des  arabischen  Autors  wird  die  Bedeutung  desselben  in  sei- 
ner Anwendung  auf  den  Intellekt  bestimmt  Durch  diese  Fer- 
tigkeit nämlich  erscheint  die  intellektive  Kraft  zu  ihrer  Bethäti- 
I  gung,   zur  Erzeugung  der  intelligiblen  Formen,  aofs  höchste  ge- 

steigert und  vorbereitet  ^)  Wilhehn  bedient  sich  zur  Ver- 
anschaulichung der  mannigfachsten  Bilder.  Er  vergldcht  diesen 
Zustand  der  erkennenden  Kraft  mit  einer  übeiströmenden  Quelle 
(fons  inundantissimus)  *),  mit  einem  Spiegel,  der  aus  sich  selbst 
seine  Bilder  schafft  (speculum  speciosum),  •)  mit  der  Zeugung 
des  Sohnes  aus  dem  Vater*)  und  endlich  mit  den  instinktiven 
[.  Thätigkeiten  und  Kunstfertigkeiten  der  Tiere,   welche  der  Scho- 

*:  lastiker  aus  Vorstellungen  ableitet,   die  sich   durch  eme  Art  in- 

*;  neren,    vom  Schöpfer   angelegten  Mechanismus    mit  Notwendig- 

j  keit  entwickeln.    Die  Spinne  nimmt  nur  den  Stoß  auf  die  Fäden 

ihres  Netzes  wahr.  Die  Formen  der  Mücke,  der  Beute,  der 
Speise  werden  aber  lediglich  von  der  Einbildungskraft  erzeugt.^) 
Wie  kommt  nun  die  Seele  in  den  Besitz  dieser  Fertigkei- 
ten, die  auch  mehrere  sein  können,  je  nach  der  21ahl  und  Ver- 
schiedenheit der  Gegenstände,  auf  welche  sie  sich  beziehen?') 
Wilhelm  kennt  einen  doppelten  Weg.    Solche  «habitus'  stammen 


mores  sunt  hahttus,  ex   quibus  sine  praemeditatione  est  freqaentia  operum 

ut  ait  Avicenn.1.    Vgl.  de  virtutibus,  Tom.  I.,  c.  9,  p.  117  (1). 

*)  Ebd.  p.  21^  (1):  in  habilu  enim  huiusmodi  sunt  non  solam  potenüa 

quaÜeumque,  sed  potentia  promptissima  atque  plenissima  et  ad  generaliunem 

istam  paratJssima.    De  an.  III.  6,  p.  91  (2):   Secundo  (potentia)   propinquitas, 

id  est  privatio   eiongationis  ab  esse  vel   fieri,  iuxta  sermonem   Avicennae. 

Vgl.  S.  78,  Anm.  6. 
"^  'J  De  an.  VII.  8,  p.  214  (1). 

k  »)  Ebd. 

j.  *)  Ebd.  p.  214  (2).    Diese  Parallele  wird  insbesondere  in  „De  trinitale* 

vielfach  durchgeführt. 
\  ')  De  an.  V.  7,  p,  122  (2):  Ego  vero   dedi  tibi  exemplum  super  hoc  in 

i  aranea,  quae  ex   concussione  nnius  fili  telae  snae  seu   retiacnli  imaginatur 

1  casum  muscae  et  praedam   sive   escam    sibi    esse  illam  ....   unde  veniunt 

I  (illae  formae)  in  imaginationem   araneae,   nisi   ab   ipsa   virtute   imaginativa 

ipsius  sive  arte,  quam  creator  indidit  animae  ipsius  araneae?    De  an.  VII.  8, 

p.  213  (2i.    De  Un.  II.  p.  II.  c.  75,  p.  926  (I). 

•)  De  an.  VII. 8,  p.  214  (2):  Sic  vis  intellectiva,  habeas  mullos  habilus 

penrs  se  vel  apud  se,  extrahit  in  eOectum  sive  in  actum ^scientias  actuales. 


dl 


nAtnlicli  teils  aus  unmittelbarer  göttlicher  Kinwirkung,  wie 
dies  bei  der  prophetischen  und  conlemplaliven  Erkenntnis  heiliger 
Männer  der  Fall  ist  (habitus  infusus),  teils  aber  werden  sie 
durch  eigene  Erfahrung,  durch  Unterricht  und  philosophische 
Forschung  erworhen.  ')  Wie  Aristoteles*)  sage,  beginne  unser 
Erki^nnen  bei  den  Sinnen  und  gelange  erst  durch  Gedächlnls- 
bilder  und  Erfahrungen  zur  Vollkommenheit  des  Wissens. 

In  dieser  eigentümlichen  Ausrüstung  der  inlellektiven  Kraft 
glaubt  Wilhelm  das  Mittel  entdeckt  zu  haben,  um  die  Tliätigkei- 
ten  des  Urteilens  und  Schließen^  erklären  zu  können,  Dui-ch 
die  erworbenen  Fertigkeiten  oder  „habiliis"  ist  der  Intellekt  in  den 
Stand  gesel/t,  von  einer  Erkenntnis  zur  andern  forlzu^^ohcn,  wie 
^solches  bei  der  Abknliuig  der  Folgerungen  aus  d^n  Prinzipien 
lallfindel.  Die  Kenntnis  der  obersten  Wahrheilen  und  der 
logischen  Gesetze  genügt,  damit  der  Intellekt  die  in  den  Prinzi- 
pien enthaltenen  Folgerungen  erkenne,  d.  ii.  mit  Leichtigkeit 
die  letzteren  entsprechenden  intelligiblen  l'ormen  erzeuge.  ') 
In  gleicher  Weise  beruht  auch  die  Geschicklichkeit  in  der  Auffin- 
dung des  Mittelbegriffes,*)  was  Aristoteles  mit  ,sollertia''*)be- 


Kmr 


\  ■)  De  aiu  VII.  9,  p.  2It)  (2)-  possibjle  est,  ut  funles  isÜ  iJe  inumlulione 

prirni  ac  universali«i  fontü  venUnt  atqiie  scateant,  sicut  appareut  in  äi-ioiilLiP, 
quae  per  rerelalionem  dei  allissimi  sunt,  qimles  sunt  scientiae  contemplalivae 
et  prophelici  spleadore».  N'ihilotninus  auteni  et  aliiimte,  videliceL 
4oHriniä  et  invr^siii^tiontbus  philosophiois,  repletur  vis  intelteoliva,  ila  ut 
iatur  fuDtes  multi  sive  scaturigineo  scientiarum  actoalium.  Vgl.  De  tri- 
Iwtolc  c.  l\  p-  21  (11. 

»)    Ebd. :    Accidil    et    hoc  de    memoriis    et    experimentis    iuxta    acr- 
mkoem    Aristotelu    in   suo    tit>ro    metaphysicorum.      De  Vn.  11.  p.  U.  c.  ül, 
8IM  (2):   Tu    tainen   6c\e,   quia    a  sensu  spirituali  vel  corporuli  iDcipivitteü 
ieotine  per  memorias   et   experimentu   perveniunt  ad  perfectioaem  nrtja  et 
itiae.    Vgl  Arist..  MeL  l  2.  UöÜ  a  27  —  981  a  H 
^  De  an.  VII.  4,  p.  30*J  i2i:   Mnnirestuin  autRiii  e^t,   quia  cum  S]rllo|p* 

;ira  complexione  onliaatu   fuerint   el   aplala   t-oiielusionibus    suis in- 

iCODl  conclusioaes  io  inteilecLum  luaterialem,   et  sie  sunt  causae  conctusio* 
num.    Vgl.  S.  79,  Aonu  1  und  3. 

•)  De  an.  VII.  8,  p.  215  (1):  Debes  ctiam  hie  reminisci  de  virtute 
qwe  vocatur  ingeniuin  sivc  ingeniosilas,  ex  qua  est  raoilitas  inventionis 
meiliorum  ad  probaliones. 

')  Oe  au.  V.  7,  p.  122  (2):  Hoc  aulem  evidcntisi*imum  eal  In  dispnsi- 
lione  vel  tiabilu,  quem  Aristoteles  vocat  sollerüam  in  libro  iK^slerioruni ;  vocat 

6 


82 

zeichnet  habe,  und  die  Genialität  bei  Erfindungen*)  auf  einem 
derartigen  „habitus"  des  Intellektes  und  der  hierdurch  ermöglich- 
ten Erzeugung  der  notwendigen  intelligiblen  Bilder.  *)  Wie  die 
genannten  Thätigkeiten  des  logischen  Schlu^verfahrens,  denkt 
sich  Wilhelm  auch  die  Gedächtnisbüder  durch  eine  Art  »habitus' 
bedingt.  Allerdings  tinde  sich  zwischen  beiden  ein  Unterschied. 
Durch  die  Fertigkeiten  des  Wissens  nämlich  (habitus  scientiales) 
werden  stets  neue  Erkenntnisse  erzeugt,  während  aus  dem  „habi- 
tus" des  Gedächtnisses,  wie  aus  einem  Behälter,  nur  die  alten, 
dort  hinterlegten  Bilder  hervorgehen.^)  Die  Mannigfaltigkeit*) 
unseres  Erkenntnislebens  endlich  und  die  Thatsache,  daß  wir 
nicht  immer  und  stets  das  Gleiche  denken,  haben  ihren  Grund 
in  dem  Einfluli  des  AVillens  und  der  Aufmerksamkeit  auf  die 
»habitus*  des  Wissens.  Wegen  der  Abhängigkeit  der  intellektiven 
Kraft  und  ihrer  Fertigkeiten  vom  Willen  und  der  Aufmerksam- 
keit, ist  es  diesem  möglich,  bald  diese,  bald  jene  Gedankenreihe 
hervorzurufen,  sich  jedem  beliebigen  Erkenntnisobjekt  zuzuwen- 
den. *)  Eine  völlig  die  Erkenntnis  aufhebende  Wirkung  übt  der 
Schlaf.  Nur  manchmal  finden  Ausströmungen  (emanationes) 
aus  jenen  » habitus*  statt ,  worin  die  Träume  ihre  Wurzel 
haben. «) 

namque  soUertiam  promptitudinem  inveniendi  medium.  Vgl.  Arist,  Anal, 
poster.  I.  c.  34. 

^)  De  an.  VII.  8,  p.  215  (1);  ingeniosos  enim  dicimus qai  faciles 

seu  prompti  sunt  ad  excogitanda  vel  facienda  nova  opera. 

')  Wilhelm  stellt  diese  seine  Ansicht  einem  ungenannten  Aristoteliker 
entgegen,  welcher  das  ingenium  für  eine  Seile  des  Gedächtnisses  erklärte 
(bonitas  memoriae  pars  est  bonitatis  ingenii).    De  an.  VII.  B,  p.  215  (l). 

■')  De  an.  VII.  8,  p.  21ö  (1):  Vetera  qnidem  quantum  ad  thesaarum 
memoriae,  nova  vero  quantum  ad  scientias  actuales.    Ebd.  p.  216  (2). 

*)  De  an.  VII.  8,  p.  ^14  (2):  voluntarium  est  ac  liberum  virtuli  intel- 
Icctivae,  generationes  istas  facere  in  semet  ipsa,  cum  impraegnata  fuerit  habitu 
vel  habittbus  huiusmodi.    Vgl.  S.  78,  Anm.  3. 

*)  Ebd.:  Tres  igitur  causae  sunt  evidentes  ostensae  tibi,  per  quas  Don 
sunt  continuae  generationes  istae  scientiarum  «ctualium  sive  apparitiones 
in  speculo  virtutis  intellectivae,  videlicet  soninus.  et  attentio  sive  occupatio 
eins  circa  alia;  tertio  imperium  voluntatis,  cul  omnino  subdita  est  virtus 
intellecliva. 

")  Ebd.:  nain  etiam  in  sumno  fiunt  cinanaLiones  huiusmodi  tam- 
quam  somnia. 


63 


Es  bleibt  noch  die  Frage  übrig,  wie  denn  Wilhelm  zu  die- 
ftn  eigentümlichen  Erörterungen  gekommen  sein  mag.  Die  Antwort 
fiierauf  liepl  in  den  Beziehungen  des  ScholastilcLTs  zuAvicennn. 
Der  arabische  Philosoph  hatte  behauptet,  data  nicht  blüÜ!  bei  der 
iU)slrakti\vn  Thätigkeit,  ■)  sondern  auch  bei  den  Kiinktionen  des 
SchlieiJiMis  die  intelli^ibleii  Küinieri    aus    der  thillippri  Intelligenz 
_ein(Ut'üen.      Ferner    leugnete    er   die    Möghchkeit    und    Existenz 
inlellektiven  Gedächtnisses.  *)    Gegenüber   diesen  Aufölel- 
suchte  Williehn,    wie  früher   die  Bildung  abstrakter  Be- 
so  die  logisclien  Operationen    aus  der    inteliektrven  Ki*afl 
selbst  abzuleiten.      Freilich  vermochte  er  sich  hierbei  nicht  dem 
Unflusse  Avicennas  zu  entziehen;  denn  er  betrachtet  die  genann- 
Thiitigkeiten  unter  dernjjelben  Gesichtspunkt,  wie  der  Araber. 
Eiandelt  sicli  lediglich  um  die  Kiilstehutig  der  in telligihlen 
Formen.     Nur  darin   weicht  er   von  Avicenna  ab,   dafä  diesel- 
ben Er/A'ugnisse    des  hilellektes   selbst  sind,    sofern   dieser    eine 
^JVrtigkeit   hierzu   sich    erworben    hat,      0er   letztere  Begriff  des 
^Umbitus*  al)er  ist  schon  bei  dent  Araber  vorhanden,  und  zwar  in 
^Heiner  Anwendung   auf  daa    F^rkenntnisgebiet,   nur   bedeutet  er 
^^ort    noch    kein  produktives  Vennögen,    sondern    die  Fertigkeit 
des  Inlellekles,    sich    mil    der  Intelligonlia  agens   in  Verbindung 
zu  setzen.*)    Was  das  intellektive  Gedächtnis  anlangt,    so  hält 
Wilhelm    an    der    Existenz     eines    solchen    fe.*it,     bestimmt    es 

Kber  genau,  wie  Avicenna  das  körperliche  Gedächtnis,  als  einen 
^hülter   (tiiesaurus),    in    welchem  die  intelligibleu  Formen  hin- 
terlegt sind.  *) 

So  unverslAndlich    an    sich   die  Ausführungen    des  Schola- 
stikers erscheinen,    so  begreillich  werden   sie,   wemi   man   ihren 


I 


')  Vgl.  S.  46  f. 

■  «]  Stockt.    Gescliichlü   <ler   Phitusophie  des  MiUelalters,   II,   8-4*   ff. 

Krenlaoo,  Psychologie  des  Aristoteles,  S.  8— II. 
*j  tirtiQtaDo,  a.  a.  0.  S.  10.  Anm.  35;  S.  12,  Anm.  33. 
*)  Ob  nun  Wilheini  an  eine  Aurbewnlirunt;  fertiger  Formen  denkt  oder 
l^^n  eine  Dispoeltinn,  diosellteii  zu  erzeugen,   das  lil£tt  sich  nidit  mit  (>e* 
BtU    f^ti^tellen.      Die   S.    S'2   erwflhote  tJnttTBrlieidung    vnn   den    ,li»bi- 
iiif  sciealialcs*.  welche  Erkenntnisse  im  eitrenlUclicn  Sinne  erzeugen,  scheint 
ii*  pr^i.r^'  ■^(•lir  walirürheiulicli  ui  maclion. 

6* 


84 

Zusammenhang  mit  der  arabischen  Philosophie  ins  Auge  fa&t. 
Sie  bieten  einen  interessanten  Beleg,  wie  und  mit  welchem  Er- 
folge die  Scholastik  ohne  Aristoteles  den  Arabern  auf  philoso- 
phischem Gebiete  zu  begegnen  suchte. 

Wir  haben  im  Bisherigen  die  Erkenntnisweisen  des  Intel- 
lektes gegenüber  den  körperlichen  Dingen  der  Außenwelt 
aufgezeigt,  die  Erkenntnis  der  Einzelndinge  durch  einen  Schluß 
aus  ihren  Accidenzien  auf  die  Substanz,  die  Abstraktion  allge- 
meiner Begriffe,  und  endlich  den  schwachen  Versuch,  die  Opera- 
tionen der  Logik  und  des  Gedächtnisses  begreiflich  zu  machen. 
Mit  der  Kenntnis  der  materiellen  Dinge  jedoch  sind  die  Gegen- 
stände des  Intellektes  noch  keineswegs  erschöpft.  Er  richtet 
sich  auch  auf  die  geistige  Welt,  zunächst  auf  die  Seele 
und  deren  Thätigkeiten. 

2.  Erkenntuis  der  Seele,  der  obersten  Wahrheiten  und 
ihres  Grandes,  der  Gottheit. 

Neben  dem  körperlichen  giebt  es  ein  geistiges  Wahrneh- 
mungsvermögen, ein  geistiges  Sehvermögen;  ')  neben  der  sinn- 
lichen Wahrnehmung  eine  innere,  geistige.  Die  Objekte  dersel- 
ben sind  die  Thatsachen  unseres  Bewußtseins,  die  eigene 
Existenz,  ■)  die  Akte  unseres  Vorsteliungs-  und  Gefühlslebens, 
die  Zustände  und  Äußerungen  unserer  Seele. 

Wilhelm  greift  hier  auf  die  von  Auguslin'')  zum  erstenmal 
entwickelten  Gedanken  zurück.    Dieser   große  Denker  hatte  dem 


*)  De  Un.  II.  p.  II.  c.  13,  p.  856  (2):  Est  enim  sensus  non  solum  cor- 
poralis,  sed  etiam  spiritualis.  De  an.  VII.  5,  p.  210  (2):  sie  non  est  possibile 
TJsui  nostro  spirituali,  qui  est  intellecius.    Vgl.  S.  8!,  Anm.  2. 

')  De  an.  III.  13,  p.  104  (2):  mens  humana  nulto  modo  ignorare  polest 
videlicet  se  esse,  se  vivere,  sc  gaudere,  se  tristari  et  huiusmodi.  De  Un.  11. 
p.  II.  c.  13,  p.  856  (2):  dicit  unusquisque  hominuiii ,  se  sentire  gau- 
dium  suum  et  dolorem  suum  celerasque  huiusmodi  passiones.  Et  inLendo 
dolorem  spiritualem  et  gaudium  in  huc  loco,  et  non  corporales.  Similiter 
dicunt  homines  comniuniter,  se  seniire  scientias  suas  et  dubitationes  et 
ignorantias. 

')  De  an.  III.  13,  p.  104  (2):  dicit  unus  ex  nobilibus  theologis  gentis 
Christianorum,  {|uaedam,  inquam,  sunt  quae  mens  humana  nullo  modo  igno- 
rare potest.    Vgl.  die  vorige  Anmerkung. 


85 

Gebiete  der  inneren  Erfahrung  eine  besondere  Beachtung  ge- 
schenkt, um  gegenüber  der  Skepsis  der  neueren  Akademie 
Thatsachen  aufzuzeigen,  die  nicht  mehr  bezweifelt  werden  kön- 
nen. *)  Nach  Augustin  blieb  in  der  ersten  Hälfte  des  Mittel- 
alters die  Aufmerksamkeit  der  christlichen  Denker  stets  auf  jene 
inneren  Vorgänge  des  Seelenlebens  gerichtet,  wie  z.  B.  die  ausführ- 
liche Bezugnahme*)  auf  dieselben  in  dem  schon  früher  erwähn- 
ten, im  zwölften  Jahrhundert  von  Alcher  von  Clairvaux  zusam- 
mengeschriebenen Buche  ,De  spiritu  et  anima*  beweist.  Allein 
die  erkenntnistheoretische  Bedeutung,  welche  diese  Thatsachen 
bei  Augustin  gefunden  hatten,  war  ganz  außer  Acht  gekom- 
men. Wilhelm  von  Auvergne  war  wiederum  der  erste,  wie  es 
scheint,  welcher  nach  der  erwähnten  Beziehung  hin  die  Akte 
des  Selbstbewußtseins  zu  verwerten  suchte.  Die  gleiche  Ten- 
denz verfolgten  später  Pierre  d'Ailly ')  und  Campanella,*)  bis 
endlich  Descartes  die  Evidenz  der  inneren  Wahrnehmung  zum 
Ausgangspunkt  seines  ganzen  philosophischen  Systemes  machte. 
Zwischen  dem  mittelalterlichen  Scholastiker  und  dem  Begründer 
der  neueren  Philosophie  liegt  nun  allerdings  ein  weiter  Weg. 
Aber  trotzdem  bieten  beide  Männer  manche  interessante  Be- 
rührungspunkte. 

Den  Thalsachen  unseres  Bewußtseins  muß  der  höchste 
Grad  von  Gewißheit  zuerkannt  werden.^)  Jeder  erkennt  mit 
Notwendigkeit  die  Akte  des  eigenen  Denkens  und  Wissens,  des 
ßejahens   und  Vemeinens.  ^)    Unkenntnis  kann  hier  nicht  statt- 


')  Storz,  Die  Philosophie  des  lieiligen  Augustinus,  Freibui^  1892. 
S.  30-40. 

')  De  spiritu  et  anima,  e.  32,  Migne,  Tom.  40,  p.  802  (1).  Vgl.  S.  55, 
Ämn.  1. 

')  Überweg,  Grundriß  der  Geschichte  der  Philosophie,  Bd.  II,  7.  Aufl., 
Berlin  188(i,  S.  266. 

*)  Oberweg  a.  a.  O.,  Bd.  111,  7.  Aufl.,  Berlin  1888,  S.  42. 

')  De  Un.  II.  p.  II,  c.  41,  p.  885  (1):  Ob  eandem  etiam  causam  habitus 
et  dispositiones  atque  passiones,  quae  sunt  essentialiter  apud  animas  nostras, 
sunt  apud  eas  in  ultimitate  cognitionis,  quoniam  non  per  Signa  aut  alta  me- 
dia cognoscuDtur,  sed  ipsa  suae  praesentia  verilatis. 

•)  De  an.  I.  3,  p.66  (2):  Procul  dubio  homo  non  est,  qui  non  intelligit 
nee  seit,  quid  sit  affirmare   vel  negare,   nee  intelligit  repugnantiam  affirma- 


8fi 

finden.  ')  Zwar  besitzen  wir  auch  von  den  körperlichen  Eigen- 
schaften der  Außenwelt  eine  sichere  Kenntnis,  •)  allein  die  Evi- 
denz der  inneren  Wahrnehmung  vermag  die  äußere  nicht  zu 
erreichen.  *)  Die  Garantie  für  jene  hohe  Sicherheit  liegt  darin, 
daß  die  Äußerungen  der  Seele  unmittelbar  und  durch  sich  er- 
kannt werden.  *)  Aus  dem  Geiste  entspringend,  sind  sie  ihrer 
Wirklichkeit  nach  der  erkennenden  Kraft  gegenwärtig,  *)  bedür- 
fen also  nicht  erst  eines  die  Erkenntnis  vermilleinden  Bildes, 
wie  solches  bei  den  Außendingen  der  Fall  ist.  Immer  aber  ist 
das  unmittelbare  Erkennen  gewisser,  als  das  durch  ein  Zeichen 
vermittelte.  ^) 

Auf  diese  unleugbaren,  mit  vollster  Evidenz  sich  aufdrän- 
genden Thatsachen  des  inneren  Bewußtseins  gründet  nun  der 
Scholastiker  dieDa  riegungen  seinerPsyehologie,  soweit  sie  die 
Existenz  und  das  Wesen  der  Seele  betreffen.  Gleich  in  den 
ersten  Kapiteln  von  „De  anima"')  sucht  er  die  Existenz  einer 
substanziellen  Seele  ihren  Leugnern  gegenüber  darzuthun.  Er 
geht  hierbei  aus  von  den  unmittelbar  evidenten  Akten  des  Er- 
kennens.  Sie  bilden  die  eine  Prämisse.  Als  die  andere  betrachtet  er 
allgemein  einleuchtende  Axiome.  Hauptsächlich  sind  es  zwei  solcher 
Sätze,  auf  welche  er  seinen  Beweis  stützen  will.  Der  eine  lau- 
tet:  Erkennen   kann  nur   in  einer  erkennenden  Substanz  sein,") 


tionis  et  negationis,  neque  seil  quid  sit  inletligere  vel  scire.  Vgl.  etx].  p.ti7  (1). 
De  an.  III.  12,  p.  103  (2). 

*)  De  an.  I.  4,  p.  68  (2):  non  enim  possibile  est  intelligentem  aliquid, 
quidquid  illud  sit,  ignorare  se  intelligere  illud.    Vgl.  S.  81,  Anm.  2. 

»)  De  an.  III.  12,  p.  102  (1). 

')  Ebd.  p.  103  ('?):  quapropter  inconiparabiliter  maior  veriorque  ac 
certior  cognitio  est  unicutque  homini  de  spiritualibus  dispositionibus  animae 
suae,  quam  sit  eidem  de  corporalibus  dispositionibus  cuiuscumque  bominis 
alterius. 

*)  Ebd.:  Et  hoc  est,  quoniara  sunt  nota  per  seraet  ipsa,  illa  autem 
nun  nisi  per  signa  impressionum,  quae  sunt  in  organis  sensus. 

*)  Vgl.  S.  85,  Anm.  5. 

")  De  an.  III.  12,  p.  102  (2). 

0  De  an.  I.  3,  4;  Itl.  12,  13. 

")  De  an.  I.  4,  p.  68  (2);  Seit  autem  indubilanter  et  intelligit,  intelligere 
non  esse  nisi  in  intelligente. 


87 

oder:  Keine  Äccidenzien  ohne  Substanz, 0  der  andere:  Was  er- 
kennt, muß  auch  existieren.*)  Wie  die  Substanzen  der  körper- 
lichen Einzelndinge  aus  ihren  Äccidenzien  erschlossen  werden,  ^) 
so  kann  auch  die  Substanz  der  Seele  lediglich  auf  dem  Wege  des 
logischen  Schlussverfahrens  erkannt  werden.  Dasselbe  besitzt  aber 
die  höchste  Evidenz,  da  auch  seine  Voraussetzungen  unanfecht- 
bar sind.  Keine  Erkenntnis  ist  deshalb  so  gewiß  und  so  klar 
als  die  Erkenntnis  der  eigenen  Seele,  *)  obwohl  unmittelbar  nur 
die  geistigen  Thätigkeiten  und  Zustände  in  unser  Bewußtsein 
treten.  Wir  sagen  zwar^  wie  bei  den  sinnlichen  Dingen,  daß 
wir  die  Seele  selbst  sehen,  was  wir  aber  geistig  wahrnehmen, 
'^t  nichts  anderes  als  deren  Thätigkeiten  und  Äußerungen.  *) 
Den  Schluß  aus  ihnen  hält  Wilhelm  für  so  zwingend,  daß 
kein  Mensch  in  Unkenntnis  über  seine  Seele  bleiben  könne. ') 
Wenn  dennoch  viele  von  ihr  nichts  zu  wissen  scheinen,  ja  sie 
sogar  zu  leugnen  wagen,  so  muß  dies  dahin  verstanden  werden, 
daß  sie  keine  klare,  von  jeder  sinnlichen  Beimischung  freie  Vor- 
stellung   von  der  Seele  sich  zu  bilden  vermögen,    daß  sie  aber 


')  De  an.  III.  12,  p.  102  (2):  necesse  est,  ut  (dispositiones)  inluenti 
haec  faciunt  claram  Tisionem  intellectibilem  plenamque  notitiam  ac  certilu- 
dinem  indubilaUiin  de  suhiecto ,  cuius  sunt,  quod  evidenter  indicant  et 
ostendunt. 

*)  De  an.  I.  4,  p.  68  (2):  cum  impossibile  sit  eam  ignorare,  quod  intel- 
ligit  esse,  nee  posslbile  sit  vel  non  ens  intelligere  vel  intelltgens  non  esse. 

»)  Vgl.  S.  64. 

*)  De  an.  III.  12,  p.  102  (L):  ut  nil  tibi  de  ea  tarn  certa,  tarn  clara 
tamque  copiosa  cognitio,  ut  nihil  cerlius  te  cognoscere,  nihil  clarius  te  videre 
quam  ipsant  animam  necesse  habeas  confiteri. 

^i  Ebd.  p.  103  (2):  cum  clare  ac  perfecte  vides  totam  intelligibilium 
di^ositionum  Tarietalem  in  anima  tua  .  .  .  .,  necesse  habea  confiteri,  te  per- 
fecte ac  clare  videre  animam  tuam,  visione  videlicet  intellectuali.  Ebd. 
!>.  103  (1):  Quomodo  igitur  (non?)  sirailiter  visio  accidentiuni  spiritualium 
na  dispusitioDum  animae  humanae  vii>io  ipsius  substantiae  non  habebitur 
et  reputabitur  et  non  dicetur? 

*)  Ebd.  p.  203  (2):  Declaratum  est  etiam  tibi,  quod  nuUus  bomo  per- 
iDittitur  ignorare  animam  suam,  cum  tot  et  tanta  ac  talia  de  ipsa  cognoscere 
necesse  babeat  propter  ipsaro  suae  praesentiam  veritatis.  Vgl.  De  an.  1.  4 
p.  68  a.  2). 


88 

die  Existenz  eines,  wenn  auch  unklar  vorgestellten,  Seölenwesens 
unmöglich  in  Abrede  stellen  können. ') 

Aus  der  inneren  Wahrnehmung  leitet  dann  Wilhelm  auch 
die  wesentlichsten  Bestimmungen  der  psychischen  Substanz  ab, 
ihre  Unkörperlichkeit,  Unteilbarkeit  und  Einfachheit. 

Durch  unmittelbare  Beobachtung  erkennen  wir  mit  höchster 
Evidenz,  data  die  Thätigkeiten  des  Erkennens  nicht  dem  Körper 
angehören.*)  Der  Scholastiker  entnimmt  hier  einen  Gedanken  dem 
Araber  Avicenna.  Denken  wir  uns  einen  Menschen,  der  keinen 
Sinn  benutzt  und  noch  keinen  gebraucht  hat,  so  kann  derselbe  doch 
ohne  Zweifel  denken  und  erkennen.  Er  hat  ein  Bewulstsein  von 
diesen  Akten  und  seiner  eigenen  Existenz.  Er  wird  es  vernei- 
nen, einen  Körper  zu  haben,  jedoch  bejahen,  d&ü  er  existiere. 
Er  unterscheidet  also  sein  eigenes  Sein  von  dem  Körper  und  ei- 
faüt  dasselbe  ohne  jenen.  *) 

In  ähnlicher  Weise  wird  durch  ein  inneres  Zeugnis*)  die 
Unteilbarkeit  der  Seele  festgestellt.  Das  Selbstbewußtsein  zeigt 
uns,  daii  beim  Denkakt  die  Seele  als  Ganzes  beteiligt  ist  und 
sich  kein  Teil  in  ihr  unterscheiden  läßt,  der  nicht  erkennen 
würde.  *)  Die  begriflliche  Erkenntnis  sodann,  durch  welche  der 
allgemeine  Begriff  eines  Dinges  gewonnen  wird,  vollzieht  sich 
momentan.  Dies  kann  aber  nur  von  Seite  eines  unteilbaren 
Vermögens  und  in  einem  unteilbaren  Akte  geschehen.^)    Daraus 


')  De  an.  UI.  13,  p.  103  (2):  Quapropter  quaestionem  habet  non  im- 
merilo,  quam  ob  causam  multi  homines  non  solum  ignorare  videntur  ani- 
mas  suas,  sed  etiam  negare  audeant  eas  esse.  Ebd.  p.  104  (2):  difficile  valdc 
est  aniinahus  nostris  semet  ipsas  vere  ac  pure  seorsum  a  phantasiis  sensibili- 
bus  cogitare,  quamquam  ....  impossibile  sit  eidem,  veritatem  vel  essentiam 
suam  ignorare. 

*)  De  an.  I.  4,  p.  68  (2):  Certissimum  autem  habet,  se  totum  non  in- 
telligere  i.  e.  neque  corpus  suum  neque  partem  corporis  sui. 

')  De  an.  II.  13,  p.  82  (2),  83  (1). 

*)  De  an.  IL  10,  p.  80  (1):  facerem  te  scire  testlmoniis  uniuscuiusque 
animae  intelligentis  incorporeitatem  et  impartibilitatem  ipsia^. 

^)  Ebd. 

")  Ebd.  p.  80  (2):  Inlelligere  est  actus  subitaneus  et  perficitur  in  in- 
stanti,  et  hoc  unusquisque  interius  sentit  apud  se  et  in  se.  Cum  enim  in- 
telligit  anima  tua  hominem.  in  universali,  intelliglt  eum  totum  simul,  non 
partem  ipsius  post  partem.    Ebd.  11,  p.  81  (1,  2). 


89 

ergiebt  sich  die  Unteilbarkeit  des  Subjektes,  dem  beide  ange- 
hören, nämlich  der  Seele. 

Auf  demselben  Wege  will  Wilhelm  endlich  die  absolute 
Einfachheit  des  Seelen  wesens  darthun,sodai&auchdieUnter- 
Scheidung  mehrerer  Kräfte  innerhalb  desselben  ausgeschlossen 
bleibt.^)  Die  unbestreitbare  Thatsache  nämlich,  daß  wir  die 
Akte  unseres  Denkens,  Wollens  und  Strcbens,  wie  über- 
haupt des  gesamten  Seelenlebens,  stets  auf  ein  und  dasselbe 
.Ich"  beziehen,  bezeugt  auf  das  gewisseste  die  völlige  Einheit- 
lichkeit dieses  «Ich",  welches  für  unseren  Scholastiker  mit  der 
Seelensubstanz  unmittelbar  zusammenfällt.  Aus  der  thatsäch- 
lichen  Einheit  des  Bewußtseins  ergiebt  sich  ihm  sofort  die  Ein- 
fachheit  der  Seele  selbst.  •) 

So  geht  Wilhelm  sowohl  bei  dem  Beweise  des  Daseins 
einer  substanziellen  Seele  als  bei  der  Ableitung  ihrer  wesent- 
lichsten Eigenschaften  stets  von  demselben  Punkt,  den  unmit- 
telbar evidenten  Thatsachen  des  Bewußtseins,  aus.  Man 
wird  zugeben  müssen,  daß  kein  anderer  Scholastiker,  weder  vor 
Wilhelm  noch  unmittelbar  nach  ihm,  auf  die  innere  Wahrneh- 
mung ein  so  großes  Gewicht  gelegt  und  sie  zur  Begründung 
psychologischer  Lehren  verwertet  hat.  Gerade  hiedurch  unter- 
scheidet sich  in  charakteristischer  Weise  seine  Seelen- 
lehre von  der  auf  aristotelischen  Begriffen  und  Beweisen 
aufgebauten  Psychologie  der  späteren  Scholastik.  Er 
kannte  die  aristotelischen  Argumente  für  die  Geistigkeit  des  Intel- 
lektes, allein  er  benutzt  dieselben  nicht,  wo  es  sich  darum  handelt, 
die  Substanz  der  Seele  und  d^ren  Bestimmungen  zu  erweisen. 
Nur  bei  der  Lehre  von  derUnsterblichkeit  in  dem  Traktat  „De  immor- 
lalitate  animae"  zieht  er  sie  heran,  wie  wir  bereits  früher  bemerkten.*) 


')  Vgl.  zu  den  hier  ^^ebenen  Darlegungen  oben  S.  12—16. 

')  De  an.  lU.  10,  p.  98  (2):  ipsa  tarnen  anima  una  est,  qua  intelügit, 
mit  atque  desiderat,  et  hoc  omnis  anima  humana  sentit  in  semet  ipsa,  co- 
gnoscit  certissime  atque  teatificatur,  nee  possibile  est  ei,  ut  mentiatur  super 
boc.  Absque  enim  ulla  dubitatione  constantissime  asserit  apud  semet  ipsam 
et  in  se  ipsa:  Ego  sum  quae  intelligo,   quae  scio,  quae  cognosco,  quae  volu, 

quae  appeto,   quae  desidero Ego,    inquam,   una  et   iiidirisa  manens 

per  omnia  ha«c 

■)  Vgl.  S.  4  und  38. 


90 

Die  innere  Wahrnehmung  Termittelt  uns  die  Kenntnis  von 
Thatsachen,  Akten  und  Zuständen.  Sie  erstreckt  sich  aber  auch 
auf  Gesetze,  ^)  auf  dieobersten  und  höchsten  Wahrheilen 
der  Erkenntnis.  Bis  jetzt  sei  es  bei  dfn  Philosophen  niemals 
bezweifelt  worden,  daß  die  auf  Beweise  gegründeten  Wissenschaf- 
ten aus  letzten  und  obersten  Prinzipien  a's  Ursachen  oder  Ele- 
menten abgeleitet  werden;  denn  jede  Wissenschaft  setzt  nach 
dem  Ausspruche  des  Aristoteles  ein  schon  bestehendes  Wissen 
voraus.  *)  Diese  letzten  und  obersten  Sätze  nun  scheidet  Wil- 
helm in  die  Regeln  des  theoietischen  Erkennens  und  die  Nor- 
men des  sittlichen  Handelns.*)  Zu  den  ersteren  rechnet  er  die 
Gesetze  der  l^ogik  oder,  um  seine  Worte  zu  gebrauchen,*)  die 
beiden  obersten  Prinzipien  der  Philosophie,  den  Sat'.  des  Wider- 
spruches und  den  des  ausgeschlossenen  Dritten,  dann  die  Sätze 
der  Mathematik,  z.  B.  das  Ganze  ist  gröläer  als  sein  Teil.  ^)  Unter 
den  Normen  der  Ethik  oder  des  sittlichen  Verhaltens  begreift  er 
den  Inhalt  und  die  Summe  des  unmittelbar  von  Gott  eingestrahl- 
ten moralischen  Naturgesetzes.  ^) 

Die  letzten  Voraussetzungen   des  Wissens,   die  alian  Men- 


')  Üe  an.  VII.  .''),  p.'ilO  (2);  sie  non  est  possibile  visui  noslro  spinluali, 
((ui  est  intellectus,  non  admittere  veritatein  principiorum  inlra  se. 

')  De  an.  VII,  r>,  p.  2t0  (t):  non  est  dubitalum  apud  philosophos  ad- 
hur,  quoninm  srientiae  demonslralivac  seu  doctn'nales  sunt  ex  principiis  et 
per  principia  seu  causas  et  eleinenta  et  quin  cognitiones  conclusionum  sint 
ex  cugnitionihus  eorum  iuxta  eermunem  Aristotetis,  quem  dixil:  Omnis 
docLrina  et  omnis  disciplina  ex  praeexistenli  til  cognitione.    Vgl.  ArisL  Anal. 

post.     I.    1.       Anf :     nSna     fft*taaxaki'a    xai    näaa     ftä&iiatc    diaroT^txr,   ix    npovHaf 
][ovai}(  yiyvtrat  yraiattüg. 

')  De  an.  VII.  6,  p.  211  (2):  hie  autem  sunt  omnes  regulae  veritatis, 
regulae  inquam  primae  ac  per  se  notae,  siiniliter  ac  regulae  lionestatis. 

*)  Üe  an.  I,  3,  p.  67  (I):  Quapropter  duo  ista  principia  prima  philoso- 
pbiae,  quaesunt:  Non  de  eodem  affirmatio  et  negalio,  et:  De  eodem  afiirmatio 
vel  negatio,  indubitanter  ignorat.    De  an.  VII.  6,  p.  211  (1). 

^)  De  an.  V.  15,  p.  137  (1):  bleut  apparet  evidenter  in  quibusdam 
principiis  scientiarum  doctrinalium  ....  similiter:  Onine  totum  est  maius 
sua  parte. 

*)  De  an.  VII.  13,  p.  220  (2):   ex  lege  natural),  quae  regulas  bonestatis 
ntinet.    Vgl.  S.  35,  Anni.  3. 


91 

schon  gemeiDsamen  Denkinhalle  oder  Axiome,^)  drängen  sich 
der  intellekliven  Kraft  mit  der  gleichen  Notwendigkeit  und  mit 
derselben  Evidenz  auf,  wie  die  Akte  unseres  Seelenlebens.  So- 
wenig wie  diesen,  vermag  sich  der  Intellekt  oder  das  innere 
Wahrnehmungsvermögen  der  Erkenntnis  der  Prinzipien  zu  ver- 
schließen. *)  Ihre  Unkenntnis  ist  unmöglich.  ')  Sie  besitzen 
aber  auch  den  höchst  möglichen  Grad  von  Gcwiläheit,*)  welche 
das  Gt-genteil  und  jeden  Zweifel  ausschließt,  weshalb  Aristoteles 
sagt,  die  Vernunft  könne  den  Prinzipien  innerlich  nicht  wider- 
sprechen.*) Der  Grund  für  diese  notwendige  und  einleuchtende 
Erkenntnis  der  obersten  Sätze  ist,  wie  bei  den  Thatsachen  des 
Bewußtseins "),  in  ihrer  engen  Verbindung  mit  der  intellektiven 
Kraft  zu  suchen.  Aus  dem  Innern  der  Seele,  wie  wir  bald 
sehen  werden,  ihren  Ursprung  nehmend,  stehen  sie  derselben 
unmittelbar  nahe ')  und  bedürfen,  um  erkannt  zu  werden,  keiner 


*)  De  an.  VII.  4,  p.  20f>  (2):  Amplius  principia  seientiaruin,  quae  »unl 
nota  per  semet  ipsa  etvocantur  maximae  propositiunes,  dignitaleä  et  commu- 
Des  animanim  conceptiones. 

")  De  an.  VII.  Ti,  p.  2L0  (2):  neque  possibile  est,  ut  claudat  se  vtsuR 
huiusmodi  vel  repeüat  a  se  et  intrare  in  semet  ipsum  prohibeat  lumina  ista. 
Vgl.  S.  90,  Anm.  1. 

')  Vgl.  vorige  S.  Anm.  4.  Ebd.:  Qu»e  ignoranlia  cadere  non  polest  in 
substantiam  aliquam  intelligentem. 

*)  De  Un.  II.  p.  n.  c.  41,  p.  88 J  (t):  Et  baec  est  causa,  propter  quam 
maxiine  cognoscuntur  primae  impressiones,  quoniam  absque  niedio  coniunctae 
sunt  virtuti  noslrae  intellettivae. 

*)  De  an.  V.  15,  p.  137  (I,  i):  proplerquod  dicit  Aristoteles,  quod  non 
«st  eis  (principüs)  contradicere  ad  interius  ratiunem,  tamquam  adeo  oceupent 
(principia)  Tjm  inlellectivani,  ut  contrariuni  adinittere  non  possit,  sed  etiam 
neque  opinionem  aut  dutiitalionem  aut  ignorantiam  alicuius  totius.  De 
an.  Vit.  ö,  p.  210  (2):  hoc  est  quod  Aristoteles  intellexit  in  sermone  suo, 
quo  dixit,  quod  principiis  non  est  contradicere  ad  interius  rationi.  Die 
Stelle  ist  eine  freie  Wiedergabe  des  aristotelischen  Gedankens,  daß  der  vovs 
.sich  nie  täusche,  daß  er  seinen  Gegenstand  nur  habe  oder  nicht  habe,  aber 
nie  auf  falsche  Art  habe."  Zeller,  Philosophie  der  Griechen,  II.  2,  3.  Aufl., 
S.  236  und  190. 

')  Vgl.  S.  86,  Anm.  4. 

'}  De  Un.  11.  p.  II.  c.  49,  p.  891  (1):  Causa  autem  in  hoc  est  propin- 
quitas  huiusmodi  (huius?)  rerum  ad  eam  (animam),  ex  qua  per  semetipsas  se 
iogerunt  et  imprimunt   in  eandem,    quemadmodum   et   passiones  quae   sunt 


92 

weiteren  Vermitlelung  mehr.  Wie  Lichter,  die  in  sich  selbst 
Leuchtkraft  besitzen,  sind  sie  dem  Intellekt  durch  sich  selbst 
bekannt,  *)  Denn  nichts  erkennt  die  Seele  klarer  und  deutlicher  als 
ihre  eigenen  Akte,  und  was  unmittelbar  in  ihr  sich  findet, ») 

Wie  wir  sehen,  siellt  der  Scholastiker  die  Prinzipien,  was 
ihre  Notwendigkeit  und  Evidenz  anlangt,  mit  den  Akten  des  Be- 
wußtseins auf  die  gleiche  Stufe.  Ähnliches  IriflEl  nun  auch  zu 
bei  der  Antwort  auf  die  Erage  nach  dem  Ursprung  dieser  ober- 
sten Wahrheiten.  Die  Prinzipien  werden  nicht,  wie  die  allgemei- 
nen Begriffe,  durch  Abstraktion  aus  der  Sinnenwell  gewonnen. 
Sie  treten  vielmehr  dem  Intellekt  als  Urteile  gegenüber,')  ohne 
irgend  eine  Beihilfe  der  Sinne  oder  der  sinnlichen  Erfahrung 
nötig  zu  haben.  *)  Sie  bezeichnen  nämhch  keine  wirklichen 
Dinge,  keine  Realitäten,  sondern  abstrakte  Wahrheiten,  Gesetze 
des  Denkens,  die  unabhängig  von  der  Existenz  der  Dinge  Gel- 
tung haben.  ^)  Der  Satz  des  Widerspruchs  und  des  ausgeschlos- 
senen Dritten  ist  und  bleibt  wahr,    wenn   auch  kein  Ding  exi- 

apud  animam  ....  ignorare  non  est  ei  possibile  propter  praesentiam  veri- 
talis  ipsarum.    Vgl,  De  aii.  III.  12,  p.  102  (2). 

')  De  an.  VII.  5,  p.  210  (2):  principia  scienüarum  et  doctrinarum, 
quae  per  semetipsa  nota  sunt,  lumina  sunt  perseipsa  lumine  seu  cognitione 
illuininantia  eandeni  (animam). 

•)  De  Un.  II,  p,  III.  c.  19,  p.  1052  (l):  Cum  nusquam  clarius  videat 
vel  videre  possit  anima  huniana  quam  in  semet  ipsa  et  in  eis,  quae  apud 
ipsaro  sunt. 

')  De  an.  VII.  5,  p  210  (2):  Et  quonram  principia  haec  non  sunt  nisi 
res  in  abstractione  universali  et  coinpositione,  circa  quam  est  veritas,  circa 
eontrarium  vero  falsitas,  necesse  est  ipsas  esse  urdinatas  atque  compositas 
in  compositione  iudicativa  sive  enunciatione;  hoc  enim  modo  ordlnata  lumina 
sunt  coram  posita  visui  spirituali. 

*)  De  an.  VII.  15,  p.  221  (2):  ...  quaedam  scientiae  desuper,  täcilicet  ex 
irradiatione  primi  luminis,  animabus  humanis  infundantur;  de  quibus  mani- 
festum est,  quod  nihil  ad  eas  de  corporibus. 

")  Ue  an.  VII.  Ö,  p.  211:  quare  verae  sunt  quaedam  negationes,  quae 
quoniam  pure  negationes  sunt,  manifestum  est  eas  non  esse,  tamen  aelerna- 
liter  verae  sunt.  .  .  .  Nee  veritas  eius  requirit  existentiam  vel  hominis  vel 
asini.  Vgl,  De  Un.  I.  p.  III.  c.  26,  p.  795.  Wilhelm  führt  hier  die  verechie- 
denen  Bedeutungen  von  »veriias'  auf.  Die  logische  Wahrheit  wird  narh 
Ävicenna  defiairt  als  „die  Uebereinstimmung  des  Urteils  mit  den  beurteil- 
ten Dingen".  (Sexta  vero  intentio  veri  et  veritatis  ...  et  hoc,  ait  Ävicenna, 
est  adaequatio  orationis  et  renun.) 


&3 

stiert.  *)  Infolge  dessen  können  die  Axiome  auch  nicht  aus  den 
Sinnendingen  ihren  Ursprung  haben.  Unser  Bewußtsein  findet 
dieselben  in  der  Form  von  fertigen  Urleilen  in  unserem  Inneren 
vor.  Wie  kommen  sie  aber  in  die  Seele,»)  wenn  sie  ohne 
Bethätigung  der  Sinne  und  ohne  Mitwirkung  der  äuüeren  Dinge 
in  uns  entstehen? 

Die  Prinzipien  stehen  in  unmittelbarer  Nähe  der  intellekti- 
ven  Kraft,  fallen  aber  nicht  mit  dem  Wesen  der  Seele  oder 
deren  Äußernngen  zusammen.  Sie  werden  deshalb  durch  sich 
selbst  erkannt;  aber  diese  Erkenntnis  geschieht  nur  durch  intel- 
ligible  Formen,  welche  die  Bestandteile  und  Begriffe  dieser  ober- 
sten Urteile  ausmachen.  Die  Frage  lautet  nun  bestimmter  da- 
hin, durch  welche  Ursache  jene  intelligiblen  Formen  dem  In- 
tellekte eingeprägt  werden.»)  Von  den  Prinzipien  selbst,  wie 
Plato  gemeint  zu  haben  scheint,  können  sie  nicht  kommen;  <) 
denn  diese  sind  Universalien  und  besitzen  keine  reale  Existenz 
und  keinerlei  Wirksamkeit.*)  Aber  auch  der  Versuch  des  Ari- 
stoteles, welcher  sie  als  Ausströmungen  aus  der  thätigen  In- 
telligenz bezeichnet  haben  soll,  muß  als  ein  mißlungener  ange- 
sehen werden.  •)  Wilhelm  kennt  nur  eine  einzige  ausreichende 
Lösung,  welche  die  christliche  Lehre  an  die  Hand  giebt. ') 
Die  Prinzipien  und  ihre  Bestandteile,  die  allgemeinsten  Begriffe 
oder  die  intelligiblen  Formen,  haben  ihren  letzten  Grund  in 
der  Gottheit.  Die  Erkenntnis  der  obersten  Wahrheilen  wird 
mit -dem  höchsten  Objekt  des  menschlichen  Erkennens,  mit 
Gott  dem  Schöpfer,   in  Verbindung  gebracht. 


'J  De  an.  Vll.  6,  p.  211  (I). 

*)  Ebd.:  Habet  autem  Iquaeslionem  de  principüs  his,  uhi  sint  et  quis 
ea  ila  abstraxit  vel  ordinavit. 

*)  De  an.  VII.  6,  p.  211  (1):  et  propter  huc  merito  quaerilur,  unde  illa 
sigoa  seu  formae  venerunt  in  intellectum.  Et  eodem  modo  se  habet  de  in* 
teilectione  principiorum  scientiarum. 

^J  Ebd.  p.  311  (2):  Et  quoniam  ab  universalibus  non  esl  possibile  hoc 
fieri,  iuita  quod  videtur  Plato  sensisse.    Vgl.  S.  45  f. 

•)  Ebd.  p.  211  (1,  2). 

•)  Ebd   p  211  (2);  vgl.  S.  46. 

*)  Ebd.  p.  211  (2). 


94 

Wir  haben  schon  früher  erwähnt»»)   daß  Wilhelm,  indirekt 
beeinfluläl    durch   Avencehrol    und   nach    dem   Vorgange   Au- 
gustins,   einen  unmittelbaren  Zusammenhang  der  Seele 
mit    Gott    annimmt,    daii    er    diesen    Gedanken    in    die    dem 
,  Über    de    causis*    entlehnte   Formel    kleidet ,    die    Seele    siehe 
im  Horizonte  zweier  Welten,  auf  der  Grenze  der  sinnlichen  und 
der  geistigen  Well,  welche  der  Schöpfer  selbst,  die  ewige  Wahr- 
heit  ist.      Durch    die  Sünde    wurde    dieses  Verhältnis    zwischen 
Gott    und    dem   Menschengeist    zwar  getrübt,   aber   nicht    völlig 
aufgehoben.  *)    Daher  liegt  auch  nach  dem  Sündenfalle  während 
i                              dieses  Erdenlebens    zwischen    unserem   Geiste  und    der    ewigen 
i                              W^ahrheit,  dem  inneren  Lichte,  nichts  in  der  Mitte.  *)    Kraft  natür- 
'                            lieber  Ordnung  ist  der  Schöpfer   in  unseren  Seelen  gegenwärtig 
und  mit   ihnen    aufs   engste  verbunden,    unmittelbar    hingestellt 
vor  die  menschliche  Erkenntniskrafl.  •*)    Als  Urbild  und  Spiegel- 
i                              bild  •'')  trägt  er  die  geschaffene  Well   geistig  in  sich.     Seine  We- 
[                             senheil   enthält    die  Gründe    und   Ideen    aller  Dinge. «)     Hier   in 
I                             Gott  dem    Schöpfer,    dem    Buche    des   Lebens,    der  Schrift   der 
B                             Wahrheit, ')    haben   die   obersten  Gesetze  des  Denkens   und  die 
1                             Normen  des  sittlichen  Handelns   ihr  Fundament.  *)     Hier   liegen 
g                             verborgen  alle  Getieimnisse,  welche  nur  durch  Gnade  und  Offen- 
%  


'1  Vgl.  S.  17  ff. 

')  Vgl.  S.  21. 

')  De  Un.  U.  p.  III.  c.  20,  p.  1053  ^2)^  He  luce  aulem,  quae  super  ani- 
mas  Dostras  est  iiniiiediate  et  cui  quimlum  a<]  vires  suas  nohiles  animae 
cuniunctissimae  sunt,  dicit  unus  ex  supicntissiniis  Christianoruni.  quia  lux 
illa  ereutor  est  henedictus,  his  verbis  inter  mentem  nostram  et  lucem  interio- 
rern,  quae  deus  est,  nihil  esse  medium  inlelligens.    Vgl.  S.  19,  Anin.  5. 

*)  De  an.  VII.  (!,  p.  211  (21:  Hoc  igitur  (speculum),  ut  praedixi,  con- 
iunclissiniunn  est  et  praesentissimum  naturaliterque  coram  positum  intellecti- 
hus  tiumunix. 

^)  Ebd.:  Kst  igitur  (Teator  ueteina  veritas  et  aeteinum  exemplar  luci- 
dissiiiiiie  exprossioiiis  et  expressivae  reprueseiilationis  et  speculum,  ut  prae- 
dixi.  inumlissinuiin  alque  purissimum  univcräitatis  (universalis?)  apparitionis. 

")  De  trinititte,  c.  9,  p.  13  (2):  quoniam  apud  eum  sunt  rationes  et 
ido;ie  exeinplares  omnium  non  inipresisae  vel  infusae  .  .  .  .,   sed  essentialiter. 

'j  Kl»l.:  nt  per  lioc  dicilur  (prima  sapienlia)  Über  vibie,  scriptum 
vcriiatis. 

^  Do  iiii  VII.  (■),  [I.  Jll  (2):  hie  aulem  sunt  omnes  regulae  veritalis, 
logubio  in(|uaii)  primae  ac  per  se  notiie,  similiter  ac  regulae  honestatis. 


95 

barung  kund  werden. ')  Damit  hat  unser  Scholastiker  im  eng- 
sten Anschluß  an  Augustinus,  wie  die  Ursache  aller  Dinge, 
so  auch  die  Ursache  der  durch  sich  evidenten  Wahrheiten  aufge- 
zeigt. Von  dort  her  allein  also  können  sie  unserem  Intellekte 
zukommen.  Aber  auf  welchem  Wege?  Geschieht  es  durch  un- 
mittelbare Schauung  der  göttlichen  Wesenheit  oder  müssen 
wir  hiebei  an  eine  direkte  Ginwirkung  des  Schöpfers  auf 
unsere  intellektive  Kraft  denken? 

Einzelne  Äußerungen  Wilhelms  scheinen  die  erste  Auffas- 
sung zu  bestätigen,  wonach  dor  Schöpfer  das  naturgemäße  und 
eigentämliche  Buch  des  Intellektes  wäre,  aus  welchem  dieser 
jene  Prinzipien  und  Regeln  unmittelbar  herauslesen  würde.  *) 
Allein  demgegenüber  betont  der  Scholastiker  ausdrücklich,  daß 
die  bloße  Gegenwart  des  göttlichen  Wesens  zu  einer  tliatsäch- 
lichen  Erkenntnis  desselben  noch  nicht  genüge,  daß  hierzu  eine 
besondere  Wirksamkeit,  eine  vom  göttlichen  Willen  abhängige 
Erleuchtung  notwendig  sei,*)  durch  welche  das  entsprechende 
geistige  Bild  dem  Intellekt  eingeprägt  werde.*)  Was  hier  von 
der  göttlichen  Wesenheit  selbst  gesagt  ist,  das  gilt  umsomehr 
von  den  in  ihr  enthaltenen  Prinzipien  und  deren  allgemeinsten 
Begriffen.  Sie  werden  nicht  durch  direkte  Schauung  des 
Schöpfers  und  in  demselben  erkannt,  sondern  durch  göttliche 
Wirksamkeit,  durch  göttliche  Einstrahlung  in  unseren  Seelen 
hervorgerufen.  Gott  prägt  die  intelligiblen  Formen  jener  höch- 
sten Begriffe,  welche  den  Axiomen  zur  Voraussetzung  und 
Grundlage  dienen,  durch  unmittelbare,  natürliche  Thätigkeit  der 
Seele  ein.  ■'»)    Aus  dem   Inneren   der  Seele  kommend,    treten  sie 


»)  Ebd. 

*)  Ebd.:  ex  eo  igilur  tamquam  ex  libro  vivo  et  speculo  Ibrinifico  legit 
per  semet  ii*suin  duo  illa  genera  regularum  atque  principiorum  et  propter  hör 
Creator  ipse  über  est  naturalis  et  proprlus  intellectus  huinani. 

■)  De  retrib.  sanct.,  Tom.  I,  p.  318  (1):  quare  non  sola  illa  est^ontialis 
propinquitas  facit  eum  (crealorem)  nobis  viäibilerii ,  sed  volunlaria  eius 
illuxio. 

*)  Ebd.:  non  praesentia  ei<NenLiaIis  aut  propinquitaA  perficit  eogniliunem, 
sei]  impressio  similitudinlä  aut  i^igjllalio  aniinarum  nostraruin. 

*)  De  an.  VlI.  6,  p.  211  (2):  üb  illo  igilur  Hunt  impre.s»ione!<,  de  qtiibus 
agitur,   et  inscriptiones  signorum  antedictorum  in  virtute  noslra  inlellcetiva. 


ohne  Unterricht,  aber  auch  ohne  Offenbarung  ira  eigenllichen  Sinne, 
in  unser  Bewutitsein,  gleiclisam  als  wären  sie,  wie  Wilhehn  mit 
Bezugnahme  auf  Augiistin  sirh  ausilrüokl,  uns  angeboren  und 
von  Natur  aus  njilgegeben.  0  Sie  bilden  die  ersten  Kindrücke, 
die  ersten  Inhalte,  welche  sich  auf  eine  rein  intelllgihle  Er- 
kenntnis beziehen.  Ohne  weitere  Ableitung  werden  sie  in  sich 
selbst  und  durch  sich  setbst  erkannt  und  begründen  die  Mög- 
lichkeit jeder  wissenschalllichen  Erkenntnis.  *)  Über  den  Zeit- 
punkt ihres  Auftauchens  im  Intellekte  und  im  Bewußtsein  spricht 
sich  Wilhelm  nicht  aus.  Er  begnügt  sich,  dieselben  als  prima 
inlelligibilia ")  zu  bezeichnen.  Jedenfalls  nu"issen  wir  dieselben 
bL'stlzen,  wenn  sich  unser  Denken  zur  Fälligkeit  des  Schließens 
entwickelt  hat. 

hl  glciiitier  Weise,  wie  die  Erkenntnis  der  Prinzipien,  erklärt 
sich  der  mittelalterliche  Scholiisliker  auch  die  Vorgänge  der  pro - 
piietischen  Erleuchtung  und  Offenbarung,  die  mystische 
Schauung  der  Visionen.  *)  Der  »Schöpfer  ist  hiebei  das  wirk- 
same Agens,  indem  er  die  entsprechenden  intelligiblen  Forniün 
nach  seinem  Willen  nnd  Wohlgefallen  der  intellektiven  Kraft 
des  Menschen  einprägt.*)  Selbst  nuftallende  Erscheinungen  in 
rein  pathologischen  Fflllen,  wie  bei  Irrsinnigen,  Hallucinationen 


')  De  virtulihus,  Tom.  1.  r.  9,  p.  I2l  (II:  Tertio  naturales  dicuntur  per 
&oln  naLui-ali»,  liüc  esl  absque  <loclrina  eL  revelatioiie  ucqulüiUe;  unde  et 
propter  Luc  Daluniles  nobis  et  inlerilum  innatae  dtcunlur,  quin  inlerdutn 
nun  11  furi!>  nubis  advenire,  .seil  nmgis  ab  inluü,  hoc  est  ex  inUinis  natura* 
liuni,  uiiät-i  et  proilire,  pmptfi'  qiioddicit  Augu&tinua:  (Juia  innata  sunt  noLJs 
amor  boni  et  nulio  veri,  inteHii^enB  «innnta*.  hnc  est:  ab  intus  sive  ab  intitnis 
noslris  naluralibuti  nata.  De  an.  V.  Ib,  p.  137  (1^:  per  semet  ipsos  emm 
aniinae  humanae  (primae  iniprcsüicMtE^s)  s«  ulTerunl  et  tiiirerunL,  ac  si  tnnatae 
vel  naluraliler  inditiie  eisdeni  esseiil. 

')  De  an.  V.  tri,  p.  137  (1):  lani  autein  nu^t!,  quae  sunt  et  cuiusmudi 
iiDpreäjiiones  primae  in  virtuLe  inleltectiva  animarum  noslranim.  Hae  aulem 
sunt,  de  quibus  mm  upürlel,  ut  aliae  iHlns  praecedant,  quae  ipaas  inlroducant 
in  aniinani  huiiiunatn. 

■)  De  an.  VU.  6,  p.  211  [2). 

*)  Ebd. 

*)  Ebd.  p.  212  il):  Creatoris  igitur  Iheneplacilo  liberrlmum  est  de  seipso 
fat-ere  quidquid  facere  poaset  de  llbru  quem  praedtxi. 


9? 

von  Fieberkranken,  außerordentliche  Träume,  ^)  wo  überall  die 
natürliche  Erklärung  den  Dienst  zu  versagen  schien,  wurden  auf 
eine  derartige  unmittelbare,  göttliche  Einwirkung  und  Einstrah- 
lung zurückgeführt. 

So  glaubte  Wilhelm  in  den  obersten  Wahrheiten  desDen- 
kens und  Handelns,  in  den  Gegenständen  der  prophetischen 
Schauung,  wie  in  den  genannten  pathologischen  Fällen  Er- 
kenntnisse aufgezeigt  zu  haben,  die  nicht  mehr  der  Sinnenwelt  ent- 
stammen, die  aber  auch  nicht  Akte  oder  Vorgänge  des  eigenen 
Seelenlebens  zum  Ausdruck  bringen,  obwohl  sie  aus  dem  Innern 
der  Seele  heraus  uns  zum  Bewußtsein  kommen «  die  vielmehr  in 
einem  direkten  göttlichen  Einflüsse  ihre  Ursache  haben.  Fra- 
gen wir  nach  den  Motiven,  welche  Wilhelm  zu  einer  derartigen 
Lehre  führten,  so  liegen  sie  auch  hier  großenteils  in  seiner  Be- 
kanntschaft mit  der  Philosophie  Avicennas.  Durch  den  Araber 
angeregt,  suchte  sich  der  chrislliche  Scholastiker  Rechenschaft 
zu  geben  einerseits  über  den  Ursprutig  der  obersten  Prinzipien 
andererseits  über  die  Art  und  Weise  der  prophetischen  Erkennt- 
nis. Zwei  Iheorien  fand  Wilhelm  bereits  vor,  die  Augustins 
und  der  christlichen  Theologen  und  die  Avicennas  selbst,  welche 
er  fälschlich  für  die  Lehre  des  Aristoteles«)  hielt.  Beide  hatten 
große  Ähnlichkeit  mit  einander,  wie  sie  auch  auf  dieselbe  Quelle, 
den  Neuplatonismus,  zurückweisen.  Nach  beiden  wurden  die 
fraglichen  Erkenntnisse  unmittelbar  aus  einem  höheren ,  über 
der  Seele  stehenden  Wesen  abgeleitet;  nach  August  in  aus  der 
Gottheit,  nach  Avicenna  aus  der  „Intelligentia  agens".  Selbstver- 
ständlich lehnt  Wilhelm  die  Annahme  einer  thätigen  Intelligenz 
ab  und  bleibt  in  den  Fußstapfen  Augustins  stehen.  Der  allge- 
genwärtige Schöpfer  ist  jenes,  die  rein  intelligible  Erkenntnis  be- 
wirkenden Agens.  Von  Avicenna  nimmt  er  jedoch  den  Gedan- 
ken auf,  daß  die  göttliche  Wirksamkeit  in  der  Einprägung  der 
zur  Erkenntnis  notwendigen  intelligibien  Formen  bestehe. 

Wenn  Wilhelm   von  Auvergne,  der   an   der  Schwelle   des 


*)  De  ün.  n.  p.  in,  p.  1063  (2):  videmus  huiusmodi  revelationes  fierj 
itque  irradiationes  ia  fiiriosis  et  in  graviter  aegrotantibus  et  in  vehementer 
Umentibos  et  in  somniantibua.    De  an.  VI.  33,  p.  103  (i). 

•)  Vgl.  S.  46. 

7 


_98 

dreizehnlen  Jahrhunderts  steht,  die  an  ihn  herangetretene  Frage 
nach  dem  Ursprung  der  Prinzipien  noch  im  Sinne  Augustins  zu 
beantworten  suchte,  so  werden  wir  sagen  müssen,  da£  die  Lö- 
sung bei  seiner  Unkenntnis  des  Aristoteles  und  in  Anbetracht 
der  herrschenden  Anschauungen  seiner  Zeit  vielleicht  eine 
naturgemäläe  und  die  allein  mögliche  war.  Aber  es  ist  eine  be- 
merkenswerte Thatsache,  daß  dieser  Gedanke  einer  unmittel- 
baren Erkenntnis  der  Prinzipien  aus  der  Gottheit  auch  dann 
noch  nicht  verschwinden  wollte,  als  die  Kenntnis  und  das  Stu- 
dium des  Aristoteles  in  hoher  Blüte  stand.  Es  war  die  Fran- 
ziskanerschule mit  Alexander  von  Haies  an  der  Spitze, ')  wo 
diese  auf  Augustinus  basirende  Ansicht  ihre  Vertreter  fand. 
Auüerhalb  derselben  hatte  Heinrich  von  Gent')  die  gleiche 
Meinung  verfochten.  Der  spätere  Ontologismus  dehnte  dann 
die  während  des  Mittelalters  auf  die  obersten  Wahrheilen  be- 
schränkt gebliebene  Erkenntnisweise  auf  die  sämtlichen  Objekte 
des  geistigen  Erkennens  aus. 

Neben  der  Lehre  einer  unmittelbaren  Gegenwart  des 
Schöpfers  in  unseren  Seelen  sucht  Wilhelm  auch  durch  ratio- 
nelles Beweisverfahren  das  Dasein  Gottes  festzustellen.  Das 
aristotelische  Argument  für  die  Existenz  eines  unbewegten  Be- 
wegers ist  ihm  noch  völlig  unbekannt.  Auch  zu  dem  teleolo- 
gischen Beweise  linden  sich  nur  ganz  unbedeutende  Ansätze. ') 
Seine  Argumentation  bewegt  sich,  wie  die  des  Anselm  von  Gan- 
te rbury,  in  reinen  Begriffen.  Während  aber  der  letztere  im  Mo- 
nologium  von  dem  Begriff  des  höchsten  Gutes  ausgeht  im  Pros- 
logium  von  dem  des  denkbar  höchsten  Seienden,  stützt  sich  Wil- 
helm auf  die  verschiedenen  Aussageweisen  des  Seins.  Wie 
nämlich  das  Prädikat  „gut*  von  etwas  ausgesagt  wird,  *)  was  an  sich 
und  durch  sich  gut  ist,  was  die  substanzielleGüte  selbst  ist,  und  an- 
dererseits  von  etwas,  was   die  Güte  nur  als  Eigenschaft,  durch 

■)  Eodres,  a.  a.  0.  S.  70,  75  f. 

')  Schmid,  Erkenntnislehre,  II.  S.  387. 

^)  De  trinilate,  c.  13,  p.  17  (1).    De  an.  V.  14,  p.  136  (1). 

*)  De  trin.  c.  I,  p.  1  ^2):  Sic  et  bonum  essentialiter  dicitur,  eo  quod 
eins  esscntia  ipsa  bonita-s  est,  qua  dicitur  bonuni,  aliud  vero  participatione 
in  habende  vel  participando  bonitalem,  quae  ipsa  essentia  participantis  non 
e.«l  adhuc. 


99 

Teilnahme  besitzt,  so  verhält  es  sich  auch  bei  der  Aussage  desSeins.^) 
Das  Prädikat  des  Seins  oder  der  Existenz  wird  ausgesagt  von 
etwas,  was  an  sich  und  durch  sich  existiert,  was  seiner  Wesen- 
heit nach  die  Existenz  in  sich  schließt;  es  wird  aber  auch  prä- 
diciert  von  etwas,  welches  die  Existenz  von  einem  anderen  em- 
pfangt, sie  nur  durch  Teilnahme  inne  hat.  Die  zweite  Prädika- 
tionsweise setzt  aber  die  erste  notwendig  voraus.  Würde  näm- 
lich das  Sein  von  allem  nur  durch  Teilnahme  ausgesagt,  hätten 
wir  nur  den  Begriff  eines  zufälligen,  von  einem  andern  stammen- 
den Seins,  so  könnle  unser  Denken  hiebei  niemals  an  eine 
Grenze  kommen  *)  Es  würde  niemals  einen  festen  Punkt  fin- 
den; denn  der  Begriff  des  Seins,  welches  nur  durch  ein  anderes 
ist,  fordert  mit  Notwendigkeit,  zum  Begriff  eines  durch  sich  und 
an  sich  Seienden  fortzugehen. ")  Wir  sind  also  genötigt,  das 
Sein  auch  in  der  ersten  Bedeutung  auszusagen,  wo  es  etwas 
bezeichnet,  das  durch  sich  und  aus  sich  existiert.  Die  Prädika- 
lion  dos  Seins  in  dem  eben  angegebenen  Sinne  führt  uns  also 
auf  ein  Seiendes,  welches  seiner  Wesenheit  nach  die  Existenz  in 
sich  schließt,  dessen  Nichtsein  eine  Unmöglichkeit  ist,*)  das  als 
ein  Nichtseiendes  gar  nicht  gedacht  werden  kann. 

Wir  finden  hier  jene  Unterscheidung  von  essentia  und 
existentia  verwertet,  welche  auch  bei  den  späteren  Scholastikern 
eine  grolae  Rolle  spielt.  Wilhelm  seinerseits  beruft  sich  hiefür  auf 
Boethius  und  dessen  Schrift    „de  hebdomadibus".  *)    Aus  dem 


M  Ebd.:  AH  hunc  modum  et  ens,  cuius  essentia  est  ei  esse,  et  cuius 
essentiam  praetiicamuB,  cum  dicimus  „est",  ita  ut  ipsuni  et  eius  esse,  quod 
assignamus  cum  dicimus  „est",  siiit  i-es  una  per  omnem  niodum-  Aliud  vero 
dicilur  partirtpatione,  in  habendo  srilicet,  quod  nullo  modo  est  idem  cum 
essentia  ipsius  iiubstantiae  entis. 

*)  Ebd.  p.  2  (l):   Si  enim  (ens)  secundum  pdrlicipationem  diceretur  de 
nooquoque,  nuUus  subesset  intellectus  eidem,  eu  quodnunquam  finiretur  .  . 
quare  necesRe  est,  ut  ens  de  quodam  dicatur  secundum  essentiam,  ut  ßniatur 
intentio  et  inlellectus  ipsius. 

')  Ebd.  C.2,  p.  3  (1}  Quare  necessitas  intellipendi  ponere  cogit,  videlt- 
cet  quod  .esf  de  quodam  dicitur  secundum  essentiam  et  de  qundatn  nnn 
secundum  essentiam. 

*)  De  Irin.  c.  2,  p.  3  (2):  quare  manifestum  est  quoddam  esse,  quod 
non  solum  impossihile  est  non  esse,  sed  etiam  intelligi  non  esse. 

'    De  trin.  c  1,  p.  I  (2):    De  hoc  er^o  lei^is  in  libru  de  bebdomadibus 

1* 


loO 

Begriff  eines  durch  sich  seienden  Wesens  sodann  wird  die  wirk- 
liche Existenz  desselben  unmittelbar  gefolgert.  So  zeigt  es  sich, 
dafi  unser  Scholastiker,  wie  in  vielen  anderen  Punkten,  auch  in 
der  Frage,  wie  der  Intellekt  zur  Erkenntnis  Gottes  gelangt,  noch 
jene  Bahnen  geht,  welche  der  ersten  Hälfte  des  Mittelalters 
eigen  waren.  Mit  der  Lehre  Augustins  von  der  unmittelbaren 
Gegenwart  der  ewigen  Wahrheit  in  unseren  Seelen  verbindet  er 
eine  Beweisführung,  die  ganz  an  das  ontologische  Argument 
eines  Anselm  von  Canterbury  anklingt. 

Am  Schlüsse  unserer  Abhandlung  können  wir  mit  mehr 
Recht  wiederholen,  was  wir  Eingangs  gesagt  haben,  daß  Wil- 
helms Arbeit  auf  philosophischem  Gebiete  ein  unvollkommenes 
Stückwerk  darstellt.  Seine  Kenntnis  der  aristotelischen  Philo- 
sophie ist  eine  ganz  minimale.  In  allen  von  ihm  berührten 
Fragen  der  Erkenntnislehre  tritt  dieser  Mangel  und  die  an  Augu- 
stin sich  anlehnende  Erkenntnisrichtung  deutlich  zu  Tage. 
Wenn  er  ohne  jeglichen  Einfluß  auf  die  späteren  Scholastiker 
bUeb,  so  trug  daran  nicht  bloß  die  Mangelhaftigkeit  seiner  Lehr- 
meinungen die  Schuld,  ein  guter  Teil  ist  auch  auf  die  geringe 
Gewandtheit  seines  Stiles  zu  setzen.  In  beiden  Beziehungen  er- 
weist sich  der  Abstand  Wilhelms  von  dem  Fürsten  der  Schola- 
stik, Thomas  von  Aquin,  als  ein  ganz  gewaltiger,  und  auch  nur 
ein  flüchtiger  Vergleich  zwischen  beiden  Männern  läßt  den 
grüßen  Fortschritt  erkennen,  welchen  das  mittelalterliche  Den- 
ken an  der  Hand  des  Aristoteles  binnen  wenigen  Jahrzehnten 
aufzuweisen  hat. 


Boetbi  (vgl.  Bo^tb.  De  hebdom.  sive  Quomodo  substantiae  in  eo  quod  siat 
bonae  sint  cum  non  sint  substantialia  bona,  p.  169,  43—44  Peiper),  quoniam 
onme  esne  simplex  est  (mit  dem  Texte  des  Bo^thius  ist  est  zu  streichen) 
eüse  suum  et  id  quod  est  unum  habet. 


Verzeichnis  der  Eigennamen. 


Alanus  ron  Lille  IB 
Alexander     Apbrodisiensis     31, 

47,  53 
Alexander    von    Haies     G,    15 

26.  98 
Albertus  Magnus    11.  r>3,  G7,  73 
Anselm  tod  Canlerbury  98 
Apulejus  ö,  2t 

Aristoteles  2.  4,  r>,  G,  7  u.  fi. 
Augustinus  12,  23,  28,  45.  54  f.. 

84,  97 
ATencebrol  4.  5,  17.  22 
AverroÄs  31,  47 
Avicenua  22,  26,  36,  38,  46  f., 

8«t,  83,  92,  97 
Bach  53 
Baeumker  26 
Banlenhewer  7 
Bo4>lhius  63,  74  f.,  99 
Brentano  10 
Brück  7 
Canipanella  85 
Correns  4 
Descartes  86 
Du  Boutay  1 
Durandus,    s.    Wilhelm   Uuran- 

dos 


Endres  6 

Eudenuis  44 

Gerhard  von  Cremona  11 

Gilbert  de  la  Porree  03,  73 

Gundisalvi,  Dominikus  4,  17 

Guttmann  4.  5 

Haneberg  2iJ,  'Sit 

Haureau  1,  8,  7<! 

Heinrich  von  Gent  16,  98 

V.  Hertling  13,  15 

Hugo  V.  St.  Viktor  21 

Jüurdain  1,  4 

Katbarer  7 

Landauer  2ij 

Leftron,  Blaise  2 

Leibniz  r>7 

Ltber  de  causis  f).  18,  40 

Mwenthal  4 

Haimonides  5 

Hanes  7 

Occam,   s.  Wilhelm  von  Occam 

Petrus  Lombardus  21 

Philolaus  31 

Pierre  d'Ailly  &^) 

Plato  17,  23,  40,  45,  71  f. 

Pranll  ö3 

Proklus  18 


102 


Richard  von  Hiddletown  16 

Rousselol  3 

Schmid.  Alois  28 

Schneid  7 

Scolus  73 

Siebeck  '23 

Slöckl  9 

Slorz  85 

Suarez  (Ui 

Themistius  37 

TheophrRst  44 


Thomas  von  Aquin  11,    15.  26. 

28,  66,  67,  73,  100 
Tiedemann  3.  9 
Trendelenburg  44 
Oberweg  46 
Valois  1,  9.  76 
Werner  1,  4,  9 

Wilhelm  von  Ghanipaux   7:*,  76 
Wilhelm  I>urandus  r>2 
Wilhelm  von  Occam  16,  52 
Zeller  13 


[i 


BEITRÄGE  ZUR  GESCHICHTE  DER  PHILOSOPHIE 


TEXTE  OD   IXTERSI'CHIINGEN. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

DR.  CLEMENS  BAEUMEER,      . 

O.   Ö.    PHOFESSOB   AN   DER   UNIVERSITÄT    BRESLAU. 
UND 

DK.  GKORG  FllEIH.  VON  HERTLING, 

O.  0.  PH0FKS80R  AN  PER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


BAND  II.    HEFT  IL 

DR.  91 AX  DOCTOR,  DIE  PHILOSOPHIE  DES  JOSEF  (IBN)  ZADDIK. 
NACH  IHREN  QUELLEN,  INSBESONDERE  NACH  IHREN  BE- 
ZIEHUNGEN ZU  DEN  LAUTEREN  BRÜDERN  UND  ZU  GABIROL 
UNTERSUCHT. 


-^i/OfSftVC 


nf  Si'iSTfiK  1895. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFFSGHEN  BUCHHANDLUNG. 


2)iEf: 


HILOSOPHIE 
DES  JOSEF  (IBN)  ZADDIK, 

NACH  IHREN  PLLEN, 

INSBESONDERE  NACH  IHREN  BEZIEHUNGEN  ZU 

DEN  LAUTEREN  BRÜDERN  UND  ZU  GABIRÖL 

UNTERSUCHT 


VON 


DR.  MAX  DOCTOR. 


-v^>;f-4;3W>V'^- 


nt^rSTER  1895. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFFSCIIEN  BUCHHANÜLU^ 


J 


!l 


SEINEN  TEUREN  ELTERN 

IN  LIEBE  Ulm  DAMBAfiKEIT 


UND 


HERRN  PROFESSOR  DR.  CLEMENS  BAEÜMKER 

IN  VEREHRUNG 


GEWIDMET 


VOM  VERFASSER. 


A 


INHALTSANGABE. 


§.  1.    Leben  und  Werke I 

g.  2.    Litteratur 3 

g.  3.    Zweck,  Charakter  und  Ausgangspunkt  des  Mikrokosmos  7 

§.  4.    Die  Quellen  des  Mikrokosmos 10 

a)  Ungenannte  Philosophen 10 

b)  Hit  Namen  genannte  Philosophen      ....  14 
§.  ül    Josefs  Beziehungen  zu  den  lauteren  BrOdem  und  zu  Salomo 

ibn  Gabirol IG 

§.  6.    Erkenntnistheorie 21 

§.  7.    Psychologie ä8 

a)  Die  vegetabilische  Sei'lc 'M 

b)  Die  animalische  Seele 32 

c)  Die  rationale  Seele l^fi 

d)  Die  WcItReele 39 

§.  8.    Naturphilosophie.      Materie     unil    Furm  ,     Substanz     uml 

Accidens 40 

§.  9.     Die  Lehre  vom  göttlichen  Willen 47 

§.  10.  Emanation  und  Hittelsubstanzeii 50 


8-1. 

Leben  und  Werke. 

Rabbi  Josef  ben  Jakob  (ihn)  Zaddik^)  lebte  zu  Gordova. 
Seine  Geburtszeit  ist  nicht  genau  bekannt');  hingegen  wissen 
wir,  da&  er  im  Jahre  1149  gestorben  ist.  Im  Jahre  1138  wurde 
er  zum  Richter  (pn)  von  Cordova  ernannt;  dieses  Amt  verwal- 
tete er  bis  zu  seinem  Tode  in  Gemeinschnft  mit  Rabbi  Maimun, 
dem  Vater  des  grofien  Maimonides. 

Sonst  ist  uns  über  seine  Lebensschicksale  nichts  überliefert 
worden. 

Bei  seinen  Zeitgenossen  erfreute  er  sich  wegen  seiner  her- 
vorragenden Geisteseigenschaften  großer  Berühmtheit. 

Seine  Bedeutung  als  Talmudist  geht  schon  daraus  hervor, 
da£  er  zum  geistlichen  Oberhaupte  einer  so  ansehnlichen  Ge- 
meinde ,  wie  es  Cordova  war ,  gemacht  wurde.  Seine  ju- 
ristische resp.  talmudische  Gelehrsamkeit  wird  übrigens  auch 
besonders,  namentlich  von  seinem  Landsmann  Mose  ihn  Esra,  ") 
hervorgehoben.  Gleichwohl  hat  Josef  kein  talmudisches  Werk 
verfaßt. 

Audi  der  Historiograph  Abraham  ihn  Daud  (geb.  um  lilO, 


']  Arabisch  Abu  Omar.  Steinschneider  im  Catalog  der  hebräischen 
Handschriften  der  Bodleyana  p.  1542  hält  Zaddik  (der  Gerechte)  für  einen 
Beinamen  und  nicht  für  den  Namen  des  Vaters. 

')  JeUinek  p.  VI  der  Einleitung  zum  Mikrokosmos  setzt  sein  Geburts- 
jahr in  das  7.  Jahrzehnt  des  11.  Jahrh.  Er  folgert  es  aus  dem  Umstand,  (taß 
Josef  ein  Schüler  des  R.  Isak  ben  Baruch  (1015—1094)  genannt  winl.  Abra- 
ham ihn  Daad  im  Sefer  hakkabala  zählt  ihn  unter  den  Zeitgenossen  des  R. 
Isak  auf.  Diese  Notiz  dürfte  aber  nicht  zutreffend  &ein,  da  Josef  bedeutend 
später  als  R.  Isak  lebte. 

■)    Vgl.  Wolüas:  Bibliotheca  hebraica  UI.  No.  im, 
Doetur,  Josef  ibn  Zaddik.  X 


gest.  1180)  spricht  rühmend  von   Joset     Er   nennt  ihn   ^einen 
gro^n  Gelehrten,  Dichter  und  gottesrürchtigen  Mann** »). 

Das  poetische  Talent  Josefs  preist  in  begeisterten  Worten 
der  Dichter  Charisi  (um  1218) »). 

Von  Josefs  weltlichen  Gedichten  ist  uns  nur  ein  einziges 
erhalten  geblieben.  Es  ist  ein  Huldigungsgedicht  an  den  be- 
rühmten Dichter  Juda  halleTi,  der  auf  seiner  Pilgerfahrt  in's 
heilige  Land  auch  Cordora  berührte  und  Ton  Josef,  als  dem 
geistlichen  Oberhaupte,    mit  diesem  Gedichte  begrüfit   wurde  *). 

Josef  ward  aber  nicht  blofi  als  weltlicher  Dichter  geschätzt ; 
auch  seine  synagogalen  Poesien  erfreuten  sich  grosser  Beliebt- 
heit.   Indes  sind  nur  sehr  wenige  auf  uns  gekommen  *). 

Seine  Berühmtheit  aber  verdankt  Josef  besonders  seiner 
Thätiglceit  auf  philosophischem  Gebiet.  Er  verfafite  eine  Logik 
in  arabischer  Sprache  (Alojun  we'l  Mudsakerat),  von  der  uns 
aber  nichts  näheres  bekannt  ist,  und  die  auch  noch  nicht  aufge- 
funden worden  ist*). 


1)    Wolfius  ).  c   III.  p.  84»  b.  und  Sefer  hakkabala  von  Abr.  iba  Daud, 
ed.  Amsterdam,  p.  47  b. 

*j    ,Wenn  R.  Josef  ben  Zaddik  seinen  Dichtergeist  Iftfit  walten. 
Dann  muß  des  Wissens  Meer  sich  spalten. 
Und  können  Högel  und  Felsen  Stand  nicht  halten. 
Die  Gewalt  seiner  Worte 
Entnlckt  Berge  ihrem  Orte 
Und  verwandelt  Gallenschleim 
In  Honigseim. 

Und  niQfiten  auch  die  Sftnger  all'  verzagen 
Und  ihren  Blick  beschämt  zu  Boden  schlagen, 
So  dürfte  Zaddik  doch  es  wagen, 
Sein  Haupt  frei  emporzutragen/ 
Vgl.   Kämpf:    Nichtandalusische   Poesie   andalnsischer  Dichter.      Prag 
1858,  Bd.  I,  S.  13. 

')  Es  findet  sich  im  Divan  des  Juda  hallevi;  vgl.  B'thulath  bath  J'hnda 
von  Luzatto.  Prag  1840.  p.  58,  übersetzt  von  Geiger:  Divan  des  GastUiera 
Abu'l  Hassan  Juda  hallevi.  Breslau  1851.  S.  87,  und  von  Kämpf  a.  a.  O. 
S.  27.%  Daselbst  findet  sich  auch  die  Antwort  Juda  hallevi's,  der  dem  Josef 
außerordentliches  Lob  spendet-  Siehe  auch  Sachs:  Religiöse  Poesie  dw 
Juden  in  Spanien.  Berlin  1845.  S.  289. 

*)  Zum:  Zur  Geschichte  der  synagogalen  Poesie,  S.  216  kann  nar 
einiges  von  ihm  nachweisen. 

*)    Er  verweist  auf  sie  p.  <i  des  Mikrokosmos. 


Sein    Hauptwerk    aber  ist    der    Mikrokosmos.      Aus  der 

eigentümlichen  Sprache  geht  mit   ziemlicher  Sicherheit  hervor, 

daü  er  ursprünglich  arabisch  geschrieben  wurde.    Wir  besitzen 

eine  hebräische  Übersetzung  des  Werkes    durch   Mose  *)    (der 

Name  des  Vaters   ist   in  der  Hamburger  Handschrift   nicht  ge- 
nannt) 

Der  hebräische  Titel  wird  verschieden  citiert;  nämlich: 

Handschriften  sind  folgende  vorhanden: 

fn  Oxford  r  ßodleyana  Uri  78  (defekt). 

Oppenheim  1170.  fO]. 

Michael  575  (Gopie  des  Hamburger  Codex). 
In  Hamburg:  Stadtbibliothek  53  b.  [H]. 
In  München:  65.  [M]. 
In  Parma:  De  Rossi  1174.  [P]. 

§2. 

Litteratnr. 

Im  Mittelalter  scheint  der  Mikrokosmos  wenig  studiert 
worden  zu  sein;  wenigstens  finden  wir  ihn  nur  sehr  selten 
citiert.  In  neuerer  Zeit  wurde  ihm  mehr  Interesse  zugewendet, 
wovon  eine  ziemhch  umfangreiche  Litteratur  über  dies  Werk 
und  seinen  Verfasser  Zeugnis  ablegt.  Die  gesamte  Philo- 
sophie Josefs  ist   noch  wenig  behandelt  worden,    während  ein- 


0  Jellinek  folgert  aus  dem  Namen  Mose,  der  sich  im  Schlu&gedichl 
des  cod.  H  findet,  den  berühmten  Übersetzer  Mose  ibn  Tibbon,  ohne  dies  je- 
doch ausreichend  belegen  zu  kOnnen. 

Steinschneider  ~  a.  a.  0.  —  weist  diese  Ansiebt  entschieden  zurück; 
ebenso  Reifinann  im  »Magazin  fQr  die  Wissenschaft  des  Judentums".  Berlin 
1878.  V,  S.  35.  Dort  wird  erklärt:  „Der  Name  Mose  am  Schluß  des  Ge- 
dichtchens  bezeichnet  gewiß  den  Schüler,  für  den  er  die  Schrift  verfaßt 
haben  mag  (wie  er  im  Anfange  der  Schrift  näher  erklärt)  und  für  den  er 
betet,  daß  (nach  der  biblischen  Stelle  im  Exodus  17,  12)  die  schweren  Hände 
Moses  gestärkt  werden  roOgen." 

Steinschneider:  Hebräische  Übersetzungen  des  Mittelalters.  Berlin  1893. 
S.  409  hält  Nachnni  hamaarabi  fflr  den  Übersetzer  und  bringt  für  die  An- 
sieht  einige  Belege. 

1* 


zelne  Partien  derselben  eingehenden  Untersuchungen  unterzogen 
worden  sind. 

Kurze  Nachrichten  über  Josef  erhalten  wir  durch  Mai- 
nionides  In  sßinem  Briefe  an  den  berühmten  Übersetzer  Samuel 
ibn  Tibbon.  Dort  beißt  es  ^):  »Was  das  Buch  Mikrokosmos 
belriffl,  das  R.  Josef  hazaddik  verfaßt  hat,  so  habe  ich  es  nicht 
gesehen,  doch  ich  kannte  den  Mann  und  seinen  Vortrag  und 
habe  seinen  hohen  Werl  und  den  Wert  seines  Buches  er- 
kannt, in  dem  er  doch  unzweifelhaft  der  Methode  der  lauteren 
Brüder*)  gefolgt  ist." 

In  knappen  Worten  berichtet  uns  Abraham  ibn  Üaud  in 
seinem  ,.Sefer  liakkabala"  *)  über  die  Anilszeit  und  die  Persön- 
lichkeit Josefs.  Eine  geletrentliche  Noli/  fmdel  sich  auch  in 
Zakutü's  „Sefer  Jochasin"  ■*). 

Abgesehen  von  /erstreuten  lllnweisungen  auf  Josef  von 
seilen  einiger  jüdischer  Schriftsteller  aus  dem  12— Hten  Jahr- 
liunderl^),  die  den  Mikrokosmos  /um  Teil  benulxL  haben,  ist 
liieniut  die  hebräische  Litteratur    über  unsern  Aulor    erschöpft. 

Die  erste  und  einzige  Ausgabe  *)  des  Mikrokosmos  wurde 
von  Jellinek  besorgt;  derselben  gehl  eine  lilterar-historische  Ein- 
leitung voran.    Nach  einigen  Bemerkinigun    über   die  Bedeutung 


*)  Sefer  p'er  hador  p.  iJ8  b.  =  Kobez  II.  p.  28  b.  col.  2.  und  Cod.  92. 
111.  des  BresUuer  jQd.-theol.  Seminars. 

')  Durch  ein  MißverslAndnid  des  Dhersetxers  der  urspnlnglich  arabisch 
(resi'hrietmiieu  Briefe  des  Maimonides  wurde  Josef  zu  den  Anttiroponiorpliisten 
gc7^hU,  denn  ki  diesem  Briefe  beiül  es:  er  folgt  unzwetfelhaA  der  Methode  der 
Q>"1ji5P^  ^"^t^D  ^~  ■'^'t-ributisten).  Geiger  hat  aus  der  Lesart  des  Cod.  it'J. 
111.  dc<i  Hre^lauer  SemiDora  Duclifpiwiesen,  duü  an  dieser  Stelle  ron  den  lau- 
leren  UrQdern  die  Rede  ist 

Ober  dieses  Mißverständnis  und  seine  Folgen  vgl.  Kaufmann:  Geschichte 
der  Attributenlebre  in  iter  jüd.  Keligions-Phllosophie.  Gotha  1877.  8.  33ö. 
Anni.  2M. 

■)    Siehe  oben  S.  l. 

*)  ed.  Kilipowslci.  landen  und  Edinburg  18.^7.  p-  '-Ütt.  h.  Ks  ist  ein 
AnszuK  »US  Mose  ibn  B»ra's  ^Srbrift  der  Unterredung  und  Krinnerung",  worin 
Über  die  Träger  der  jüdisch-spanischen  Litteratur  nusfflhrlieh  berichtet  wird. 
Vgl.  Grfitz:     Gcsdiichle  der  Juden.     Bd.  VI.  Note  l. 

'')    p.  Vltl  n.  des  Mikrokosmos. 

")  Der  Mi]ux>ko9mop.  Gin  Beitrag  zur  Religions-Philosophic  und  Ethik. 
I^ipzig  18r4.  Diese  Edition  wimmelt  von  Üruck-  und  Schreibfehlern,  so 
Jtwur,  daß  eine  ßenulzong  deraelbeo  in  dieser  Korm   die    grAfiten  Schwierig- 


der  jüdischen  Litteratur  in  Spanien,  wird  darin  über  das  Leben 
und  die  Schriften  des  Autors,  über  die  Zeugnisse  späterer  Schrift- 
steller über  ihn,  über  den  Begriff  des  Mil^rokosmos,  die  reli- 
giösen Zustände  der  Juden  zur  damaligen  Zeit,  über  den  Cha- 
rakter des  Werkes,  die  Übersetzung  und  über  die  Handschriften, 
meist  in  aphoristischer  Form,  gehandelt. 

Vieles  ergänzte  B.  Beer  in  seiner  eingehenden  Kecension  *), 
worin  er  zunächst  ausführlich  über  die  Entwickelung  des  Be- 
griffes „Mikrokosmos"  und  in  einer  gedrängten  Inhaltsangabe 
über  das  Werk  selbst  spricht. 

Bibliographische  Notizen  über  den  Mikrokosmos  finden  wir 
in  Wolfius:  Bibliotheca  hebraica*);  femer  bei  De  Hossi:  Dizio- 
nario  Storico  (Historisches  Wörterbuch  der  jüdischen  Schrift- 
steller) *),  außerdem  auch  noch  in  Steinschneider's  *)  und  Neu- 
bauer's^)  Catalog  der  hebräischen  Handschriften  der  Bodleyana 
und  in  der  hebr.  Bibliographie  von  Fürst '). 

Kurze  Biographien  und  Inhaltsskizzen  geben :  Steinschneider 
in  Ersch  und  Gruber's  Realencyclopaedie ^);  Beer  in:  Philo- 
sophie und  philosophische  Schriftsteller  der  Juden  ^);  Kämpf: 
Nichtandalusische  Poesie  andalusischer  Dichter^);  Jost:  Ge- 
schichte des  Judentums  und  seiner  Sekten'^);  Grätz:  Geschichte 
der  Juden  •>). 

keiten  bereitet.  Eine  Vergleichung  mit  dem  Hamburger  Codei,  aus  dem  diese 
Au^abe  stammt,  ergab  zahlreiche  Eutstellungen  im  Druck;  Fortfall  ganzer 
Zeilen  durch  Horooioteleuten  kommt  sehr  häufig  vor. 

Aach  die  p.  XVH  ff.  angeführten  Varianten  nach  cod.  H  sind  mit 
geringer  Sorgfalt  und  Zuverlässigkeit  zusammengestellt 

Nach  vieler  Höhe  gelang  es  mir,  eine  CoUation  nach  dem  Oxforder 
codex  Oppenheim  117U  zu  erhalten.  Viele  Lesarten,  die  H  aufweist,  werden 
durch  O  bestätigt;  ganz  bedeutend  ist  die  Anzahl  der  besseren  Lesarten. 

>)  Frankers  Monatsschrift.  Leipzig  1854.  Bd.  IH.  S.  159  ff.  und  197  ff. 
bie  Recension  ist  auch  als  Sonderabdruck  erschienen. 

*)    Hamburg  1815-33.    Bd.  lU.    849.  b. 

>J    CberseUt  von  Hamberger.    Bautzen  1839.    S.  33. 

*)    Berlin  1852-60.  p.  1542  ff. 

»)    Na  1331;  fol.  97  und  474. 

•)    Bd.  nr.  S.  354. 

T    Bd.  31;  S.  103  ff. 

«)    Leipzig  1852.    S.  70. 

•)    S.  le*. 

*•)    Leipzig  1858.    Bd.  H.  S.  84. 

")    Bd.  Vr.  S.  1^  ff.  Leipzig  1861. 


über  Josef,  sein  Werk,  die  Manuskripte,  die  Übersetzung  und 
deren  Äulorschafl  *),  sowie  über  die  Litteratur  über  unsem  Autor 
handelt  Steinschneider  in  seinem  neuesten  gelehrten  Werk  „Die 
hebräischen  Übersetzungen  des  Mittelalters'  *). 

Die  Autorschaft  Josefs  suchte  Weinsberg  zu  bestreiten ; 
ein  Versuch,   der   als  durchaus    mißglückt  zu  t>ezeichnen   ist'). 

Eine  Analyse  des  Mikrokosmos  giebt  M.  Eisler  im  jüdischen 
Centralblatt  *)  in  gedrängter  Form  und  in  sehr  populärer  Weise 
Die  Eigentümlichkeiten  der  Philosophie  Josefs  treten  nicht  klar 
genug  hervor;  außerdem  mangelt  der  Darstellung  jegliche  histo- 
risch-kritische Grundlage. 

Soweit  die  Litteratur,  welche  über  Josef  selbst  und  sein 
AWrk  im  allgemeinen  handelt.  Von  den  Schriften,  in  denen  ein- 
zelne Materien  bearbeitet  werden,  seien  die  folgenden  genannt*). 

Eine  ausführliche  und  gründliche  Behandlung  der  Attri- 
butenlehre giebt  uns  Kaufmann').  Der  Teil,  welcher  über  die 
Atlribulenlehre  im  Mikrokosmos  handelt   —  zugleich  wegen  der 

')    Vgl.  Magazio  für  die  Wissenschafl  des  Jndeothunts  V,  S.  STi. 

';    Berlin  ISKl    S.  407  ff. 

')  Ein  angeblich  im  12.  Jahrb.  von  Jos.  ihn  Zadib  verfaßtes  philo- 
sophisches System  nach  seiner  Echtheil  untersucht  Breslau  1888.  Vgl.  dazu 
Kraküuer's  Rerension  -in  Kahiner's  Jüdischem  Litteraturblatt  Magdebui^ 
188!».    No.  18,  19  u.  2i). 

*)  Herausgegeben  von  Grünwatd;  1887.  VI.  Jahrg.  Heft  I  S.  153  (bei 
Steinschneider  „Hehr.  Übersetzungen"  a.  a.  O.  nicht  ganz  richtig  citiert)  und 
Augusthefl  S.  24. 

*)  Wir  sehen  hierbei  von  der  poetischen  ThAtigkeit  Josefs  ab;  vgl, 
Sachs:  Die  religiöse  Poesie  der  Juden  S.  289.  Zuoz  :  Zur  Geschichte  der 
synagogalen  Poesie  S.  210  Kämpf  a.  a.  0. 

•)  Geschichte  der  Attributenlehre  in  der  jüdischen  Religions-Philo- 
sophie des  Mittelalters.  Gotha  1877.  S.  255— .*J;J7.  Manches,  was  H  richtig 
liest,  was  im  Druck  aber  corrumpiert  ist,  wird  emendiert  und  findet  dann 
seine  Bestätigung  durch  H;  p.  47,  11  hat  H  die  allerdings  in  die  Augen 
springende  Lesart  ^nnÖH  t  '"^rner  liest  p.  48,  6.  v.  u.  H  wie  O,  welch 
letztere  Lesart  Kaufmann  annimmt.  Die  p.  47,  14  durch  Homoiotelenton  ver- 
derbte Stelle  liest  H  ebenfalls  wie  0. 

Einzelne  Richtigstellungen  nebst  anderen  recht  wertvollen  Notizen 
über  den  Mikr.  Knden  sich  in  den  Itecensiorien  über  die  „Attrihutenlehre'. 
"  '  ^röll:  Jahrbücher  für  jüdische  Geschichte  u.  Litteratur.  IV.  S.  137;  146  fr. 
zin  a.  a.  0.  S.  52. 


schiechten  Beschaffenheit  des  Textes  der  schwierigste  — ,  ist 
vielleicht  der  beste  des  trefflichen  Buches. 

Das  Ethische  im  Mikrokosmos  wird  von  Rosin:  Ethik  des 
Maimonides  %  klar  und  übersichtlich  dargestellt. 

Über  die  Bibelexegese  im  Mikrokosmos  schrieb  Bacher :  Die 
Bibelexegese  der  jüdischen  Religions-Philosophen  *). 

Die  Willensfreiheit  behandelte  Knoller:  Problem  der 
V^illensfreiheit  in  der  jüdischen  Religions-Philosophie  »). 

Die  Prophetie  erwähnt  Sandler:  Problem  der  Prophetie 
in  der  jüdischen  Beligions-Philosophie  *). 

Kurze  Hinweisungen  auf  unseren  Autor  linden  sich:  in 
der  Zeitschrift  .Orient**  ^)  (daselbst  ist  das  betreffende  Kapitel  des 
Mikrokosmos  «über  Gottes  Selbstgenügsamkeit"  zum  ersten  Male 
abgedruckt  und  behandelt);  femer  in  der  hebräischen  Zeitschrift 
Kerem  chemed,  wo  von  Jellinek  selbst  einige  Konjekturen  vorge- 
schlagen werden'),  und  bei  Schmiedl:  Studien  über  jüdische, 
insonders  jüd.-arabische  Religionsphilosophie ,  bezüglich  der  Psy- 
chologie des  Mikrokosmos^). 

Auch  Überweg -Heinze:  Grundriß  der  Geschichte  der  Phi- 
losophie, erwähnt  Josef*). 

Zw«ek,  Charakter  and  Ans^^an^^pnokt  des  Mikrokosmos. 

Bei  der  Abfassung  seines  Werkes  hatte  Josef  namentlich 
seine  Zeitgenossen  im  Auge,  die  er  als  unwissend,  indifferent 
und  leidenschaftlich  schildert  ^).  Durch  eine  leichte  Methode, 
durch    populäre   Darstellung   sie    zur   Erkenntnis   der   höchsten 


1)  Jahresbericht  des  jad.-theol.  Seminars.  Breslau  1876;  S.  17  u.  ISi 
Vgl.  die  Reeension  in  der  Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesell- 
schaft 1676.  S.  364  ff.  und  Brüll  a.  a.  0.  S.  153. 

*)    Jahresbericht  der  Landes  Rabbiner-Schule  Budapest.  1892.  S.  IK)— 105. 

»!    Dissertation.    Breslau  1884.    S.  50—53. 

*)    DisserUtiori.    Breslau  1891.  S.  46  f. 

*)    Herausgegeben   ron   FQrst.    Jahrg.  1&49.   S.  283.    (Litterat  urblatt.] 

•)    Bd.  VUI.    S.  93  n.  97. 

T)    Wien  1869.    S.  145  u.  sonst. 

■)  7.  Aufl.  S.  216.  Einzelne  Notizen  giebt  auch  noch  Kaufmann  in 
seinen  Werken:  «Die  Spuren  Al-Batlajüais  in  der  jfid.  Rel.- Philosophie.  Buda- 
pest 1880.  S.  34.''  und  „Die  Sinne.  Beiträge  zur  Geschichte  der  Physiologie 
und  Psychologie  im  Mittelalter".    Budapest  1884. 

^'    p.  I.,  9.    p.  43,  2—.');  p.  74. 


8 

Wahrheit  zu  erheben,  das  ist  der  Zweck  der  Schrift.  Ihn  hat 
er  dadurch  am  besten  zu  erreichen  gesucht,  dafä  er  seine  Philo- 
sopheme  nicht  in  trockener,  rein  theoretischer  Weise  darstellt '), 
sondern  in  großen  Zügen  einen  Abriß  der  gesamten  Zeitphilo- 
sophie auf  neuplatonischer  Grundlage  giebt,  ohne  sich  jedoch 
streng  an  ein  philosophisches  System  zu  halten  und  dessen  An- 
wendung auf  die  mosaische  Religion  durchzuführen. 

Das  AVerk  ist,  abgesehen  davon,  daß  die  meisten  damals 
gangbaren  Philosopheme  darin  wiedergefunden  werden  •),  auch 
darum  interessant,  weil  es  zu  den  ersten  der  jüdisch-arabischen 
Epoche  und,  wie  die  „Emunoth  w'deoth*'  Saadja's,  zu  den- 
jenigen rabbanitischen  Büchern  geliört,  welche  die  Ansichten  eines 
Karäers  ')  einer  Erörterung  würdigen. 

Es  zeigt  auch  deutlich  den  Übei-gang  vom  jüdischen  Ka- 
lam  *)  —  den  Saadja  besonders  zur  Blüte  gebracht  hat  —  zum 
jüdischen  Aristotelismus  ^),  der  im  Maimonides  seinen  Haupt- 
vertreter gefunden  hat. 

Ebensowenig  wie  Josef«)  einen  Gegensatz  zwischen  Wis- 
sen  und   Glauben  kennt  ^),   indem   er  sagt:    .Wir  sollen   nach 

*)  In  der  Darstellung  befleißigt  er  sich  der  knappsten  und  karresten 
Form,  da  eine  lange  und  tiefsinnige  Discussion  den  Anfänger  —  denn  für  einen 
solchen  ist  das  Buch  bestimmt  —  nur  mit  Abneigung  gegen  die  Philosophie 
erfüllen  würde  (p.  2,  20).  Oft  unterbricht  er  den  Gang  der  Erörterung  durch 
den  Hinweis  auf  die  beabsichtigte  Kürze. 

')  Der  damaligen  Sitte  gemäß  werden  die  Urheber  derselben  nicht 
namentlich  genannt. 

'i  Josef  Albassir  und  dessen  Schrift  Mansuri.  Mikr.  p.  43,  31  und 
ll).  11;  vgl.  Frankl :  Ein  mutazillti scher  Kal.im  S.  8  und  9. 
«  *)  Die  Mutakallimun  haben  sich  die  Aufgabe  gestellt,  die  Dogmen 
der  geoffenbarten  Religion  gegen  die  Doctrinen  der  PhiloMphie  ^u  vertei- 
digen. Ihre  Wisseubchafl,  die  im  2.  Jahrhundert  der  Hedschra  blühte,  hieß 
der  Kalara  (arab.  Q}^^^^}^  0*?^!  hebräisch  I^IH  nDDTI»  ^*^  Wissen- 
schaft des  Wortes  —  oder  auch  Logik).' 

Über  die  Bedeutung   und  den  Sinn  dieser  Ausdrücke  bestanden  schon 
bei   den    älteren    arabischen    Schriftstellern    verschiedene  Erklärungen.    Vgl. 
Weil :  Historisch-kri  tische    Kinleitung  in   den   Koran    S.  llß  und  Scbmiedl 
Studien  S.  136  ff. 

'•)    Ebenso  Saadja:  Emunoth  ed.  Leipzig.  S.  7.  Maimonides:  Moreh  !,;>). 

"^  Vgl.  Schmiedl  a.  a.  O.  S.  261  ff.:  Was  hat  den  Aristotelismus  in 
der  jfld.  Heligions-Philosophie  so  populär  gemacht  V 

^)  Seit  Maimonides  wütete  ein  heißer  Kampf  über  die  Stellung  des 
Wissens  zum  Glauben, 


Gotteserkenntnis  streben  und  foi*schen,  das  ist  fromm;  daß  wir 
aber  nicht  alles  erkennen  können,  liegt  an  der  Beschränktheit 
unseres  Oeistes"  ^),  ebensowenig  läfät  er  die  Ansicht  gelten,  daß 
die  höchste  Erkenntnis  sich  nicht  mit  naiv-inniger  Frömmig- 
keit vereinigen  könne,  sagt  er  doch:  , Jeder  wahrhaft  Vernünftige 
mulj  wahrhaft  gläubig  sein;  denn  die  Erkenntnis  führt  zu  Gott 
und  seinen  Geboten;  der  wahrhaft  Fromme  ist  aber  auch  wahr- 
haft vernünftig,  —  denn  nur  durch  die  höchste  Vernunftthätlg- 
keil  kann  er  zur  echten  Frömmigkeit  gelangen'  *). 

Der  Mikrokosmos  ist  durchaus  kein  geschlossenes  System 
neuer  Gedanken;  das  wollte  Josef  auch  gar  nicht  schaffen.  Es 
ist  aber  auch  kein  buntes,  zusammenhangloses  Gemisch,  sondern 
überall  zeigt  sich  der  Eklekticismus  eines  mit  Wahl  und  Prüfung 
verfahrenden  Denkers.  Die  Gedanken,  die  er  aus  einer  Quelle 
schöpft,  entkleidet  er  der  ihnen  eigentümlichen  Färbung,  löst 
sie  aus  ihrer  Verbindung,  um  sie  dann  selbständig  zu  verar- 
beiten und  ihnen  eine  solche  Fassung  zu  geben,  dafi  sie  als  sein 
Eigentum  erkannt  werden. 

Bei  den  einzelnen  Beispielen  wird  dies  im  folgenden  noch 
begründet  und  zugleich  dargethan  werden,  mit  welch  kritischer 
Dichtung  er  bei  der  Benutzung  seiner  Quellen  verfahren  ist. 

Mit  grofiem  Geschick  wußte  er  denjenigen  Ansichten  aus- 
acuweichen,  die  eine  Inconsequenz  in  seiner  Philosophie  oder  in 
seiner  religiösen  Überzeugung  hätten  herbeiführen  können.  Auch 
in  der  Ausscheidung  des  Vorgefundenen  zeigt  er  sich  als  her- 
"vorragender  Denker  ■). 

Zum  Mittelpunkte  seiner  Philosophie  macht  Josef  die  Lehre 
Tom  Mikrokosmos,  nach  dem  er  auch  sein  Werk  benennt. 

In  welcher  Weise  er  hierbei  verfahrt,  wie  er  den  Gedanken 
verwertet  und  für  seine  Philosophie  nutzbar  macht,  wird  noch 
im  folgenden  beleuchtet  werden. 

Bevor  wir  uns  zu  unserer  eigentlichen  Untersuchung  wen- 
den, erachten  wir  es  noch  für  notwendig,  die  Quellen  des  Mikro- 
kosmos einer  Betrachtung  zu  unterziehen. 


»)    p.  8  etc.  p.  47. 

•)  p.  67  und  sonst.  Cber  Josefs  Ansicht  von  den  Attributen  Gottes 
siehe  Kaufmann:    Attributenlebre  S.  255  IT. 

*)  Das  Urteil  von  Grätz  ä.  u.  0.  S.  127,  der  ihn  als  mittelmäßigen 
Denker  bezeichnet,  ist  denn  doch  etwas  zu  hart. 


10 

Die  Qnellen  des  Mikrokosmos. 

Bei  der  Untersuchung  der  Quellen  für  die  Philosophie 
Josefs  ergiebt  sich,  dals  er  namentlich  von  der  Philosophie  der 
Griechen  nicht  unbedeutende  Kenntnisse  gehabt  haben  muß. 

Abgesehen  nämlich  von  der  heiligen  Schrift,  die  er  als 
Quelle  insofern  benutzt,  als  er  deren  Aussprüche  zum  Belege  seiner 
philosophischen  Ansichten  mit  großem  Geschicke  verwendet  *), 
finden  wir,  daß  Josef  die  Lebrmeinungen  vieler  alten  Philo- 
sophen gekannt  und  benutzt  hat. 

Allerdings  lä&t  sich  nicht  immer  ermitteln,  welcher  Philo- 
soph gerade  mit  der  oder  jener  Andeutung  gemeint  sei,  zumal 
sich  auch  nicht  annehmen  läHt,  daß  Josef  aus  den  Originalwer- 
ken geschöpft  habe.  Seine  Kenntnisse  dürfte  er  vielmehr  den 
arabischen  Bearbeitungen  der  griechischen  Philosophie  zu  ver- 
danken haben.  Dadurch  ist  manche  Unsicherheit  inbezug  auf 
die  Feststellung  des  Autors  einer  philosophischen  Idee  entstanden. 

Wir  gehen  in  diesem  Abschnitt  nur  auf  diejenigen  Autoren 
ein,  die  Josef  ausdMcklich  citiert,  und  verweisen  inbelreif  der 
übrigen  Quellen  auf  die  nachfolgende  Erörterung. 

Zunächst  wollen  wir  die  nicht  namentlich  genannten  Phi- 
losophen anführen  und  —  soweit  dies  möglich  ist  —  ihre  Na- 
men ermitteln. 

a>   Unirenaniite  Philosophen. 

Bei  der  Erwähnung**)  der  platonischen  Ideenlehre  werden  ,die 
alten  Philosophen"  (D''31Ö"lpn  D^ÖDnn)  und  bei  der  Lehre  von 
der  Unerfaßbarkeit  des  Wesens  und  der  Eigenschaften  Gottes  *) 
die  „Mehrzahl  der  Alten*  (D^SIOTpH  yH)  angeführt. 

Unter  diesem  Namen  f=  oi  jiaXatoi,  oi  dQxaioi)  waren  viele 
Äußerungen  der  alten  griechischen  Philosophen  bei  den  Arabern 
verbreitet. 

So  werden  tmter  gleichem  Namen  bei  Schahrastani  *)  An- 
sichten des  Soerates  und  Xenophanes  •'■)  vorgetragen, 

')  Vgl.  Bacher:    Bibelexegese  S.  98  ff. 

'')  Mikrokosmos  p.  W  z.  18. 

')  p.  '»T)  Z.  18. 

*)  Übersetzung  von  Haarbrücker  H  S.  11], 

*i  Das.  II,  S.  130.     Über   Hie   Unerrafibarkeit  des  gölüicben   Wesens 


11 

über  Gottes  Unerkennbarkeit  äußerte  sich  ^)  »einer  der  Phi- 
losophen- (a^DDm  p  nnx). 

Unter  »Philosoph"  xar'  Hoxrjv  (^'uh^SH)  ist  meist  Ari- 
stoteles zu  verstehen.  So  z.  B.  folgt  Josef  *)  dem  Aristoteles  «), 
wenn  er  von  den  Sinnen  sagt,  daß  sie  nur  das  Einzelne  wahr- 
nehmen, dafi  sie  nur  die  an  der  Substanz  auftretenden  Eigen- 
schaften, die  Accidentien  —  nicht  die  Substanz  selbst  —  zeigen.  *) 

An  einer  Stelle  sagt  der  Philosoph:  „Alles,  dem  Voll- 
kommenheit auf  einmal  gegeben  wurde,  ist  unvergänglich,  da 
bei   ihm  Anfang  und  Ende  zusammenfallen"  ^). 

Wenn  femer  Josef*)  hinsichtlich  der  Elemente  dem  „Phi- 
losophen*' die  Lehre  zuschreibt,  daß  das  Vergehen  und  die  Ver- 
änderung nur  ihnen  in  ihren  Teilen  zukomme,  so  läßt  sich  auch 
hierfür  Entsprechendes  bei  Aristoteles  nachweisen.  Derselbe 
lehrt  ausdrücklich  ^),  daß  zwar  einzelne  Teile  des  einen  Ele- 
mentes in  das  andere  Element  sich  wandeln,  daß  aber  die  Ge- 
samtmenge (6  Tiäg  Synog)  bei  einem  jeden  Elemente  die  gleiche  bleibe. 

Die  Definition  der  Seele*)  ist  dem  Aristoteles  *)  wörtlich 
entlehnt. 


äoftert  sich  auch  der  neuplatonische  gliber  de  causis'.  Vgl.  Bardenhewer: 
Die  pseudo-aristotelische  Schrift  Über  das  reine  Gute,  bekannt  unter  dem 
Namen  Liber  de  causis.  Freiburg  i.  Br.  1882  S.  *i>U  ff.  Haneberg:  Sitzungs- 
berichte der  k.  bayr.  Akademie  i8aS  I,  S.  378  ff.  und  S.  381.  Näheres  siehe: 
Kauftnann:  AUributenlehre  S.  324  Anm.  186  und  Rosin:  Ethik  des  Maimonides 
96  Amn.  2. 

*J  p.  47  z.  5.  Siehe  dazu  Kaufmann  a.  a,  0.  S.  277  Anra.  75,  der  ähn- 
liche Äußerungen  bei  Hose  ibn  Esra  nachweist. 

»)    p.  4  Z.  12. 

*)    Vgl.  Zeller,  Philosophie  der  Griechen  Jt  *  2  S.  198. 

*)    Siehe  Kaufmann:  Die  Sinne  S.  54. 

»)    p.  17  Z.  7; 

*)    Mikrokosmos  p.  17.  Z.  25. 

*)    Meteorologie  2,  3  p.  358  b  29. 

•)    p.  36  Z.  22. 

•)  de  anima  U  "l,  412  b  4 :  *^vx^  eaitv  ivjeUxfia  ^  rtgtörij  rnofioiog 
tffotxov  ogyavtxoij  Cct"?*'  'X^yrog  dvvdfiei. 

Ebenso  lautet  es  bei  Josef:  '»y^t^  ^jh  D^DHD  D^V  *^TW  tS^33n 

roD  nvn  bvD  'Sd- 

Wir  finden  diese  Definition  wörtlich  bei  fast  allen  jüdischen  Religionsphilo- 
sophen vor.  Z.  B.  lautet  sie  bei  Saadja  ly^J^  Ü^^  niÜSblC^  f'^'' 
Gattmann :    Die  Religionsphilosophie  des  Saadja   S.  195  Anm.  3,    ferner   i^» 


12 

In  der  Lehre  über  die  Sphären  ^)  führt  er  den  ;,AristoteIes 
und  seine  Schrift  «de  coelo*  (ü^piyni  D^DtC^H  T3DS  tllDlVön) 
ausdrücklich  an. 

Dagegen  ist  jedenfalls  unter  dem  „Philosophen"  >),  der  da 
sagt:  „Ich  begehre  das  Wasser  und  ich  enthalte  mich  des- 
selben, je  nach  dem  größten  Nutzen"  —  Sokrates  zu  verstehen  •). 

In  der  sog.  „Theologie  des  Aristoteles"  *)  findet  sich  ein 
Anklang  an  den  Ausspruch  des  .Philosophen":  Sterbet  durch 
Euren  Willen  und  lebet  durch  Eure  Natur.*) 

Vielleicht  wird  auch  in  einer  anderen  pseudo-aristotelischen, 
von  neuplatonischen  Ideen  erfüllten  Schrift  dem  Aristoteles  die 
Lehre  zugeschrieben  ^) ,  daß  die  negativen  Attribute  Gottes 
wahrer  sind  als  die  positiven. 

Häufig  finden  wir  auch  im  Mikrokosmos  „die  Philosophen" 
(D^öTDtb^Sn)  citiert;  so  z.  B.  heißt  es  von  ihnen  ^),  daß  sie  die 
Philosophie  als  Selbsterkenntnis  definieren.  Die  Autoren  dieser 
Lehre   sind  die  dem  Plotin    folgenden  lauteren  Brüder*). 

Sie  lehren  auch  ®),  daß  nur  den  zwei  niederen  Stufen  der 
Seele  eine  Abhängigkeit  vom   Temperament  zukomme. 

Daß  nur  der  Prophet  ^^)  die  Ursache  der  Ursachen  erken- 
nen könne,  ist  ebenfalls  eine  ihrer  Lehren. 


Kusari  des  Juda  halevi  V.  l^:  »^y;j  i^j  ^VDD  Dtfi'iV  mD*?^'  IS^SÜTI 
f^^^  niTI^  G®°^"  ****  lautet  die  Definition  auch  bei  Abraham  ihn  Daud: 
Emana  rama  ed.  Weil  p.  21  Z.  10. 

')    p.  10  Z.  29. 

')    p.  37  Z.  1. 

')  Etwas  Ähnliches  siebe  bei  Steinschneider:  Pseudepigraph Ische 
Literatur  S.  44. 

*)    Übersetzt  von  Dieterici.    Leipzig  188.'J.    S.  8. 

^J    Mikrok.  p.  41  Z.  17. 

"=)  p.  5(>  Z.  1«.  Vgl.  Kaufmann :  Attributenlehre  S.  330.  Anm.  ll»8. 
Über  die  Geschichte  dieser  Lehre  siehe  näheres  in  dessen  Theologie  des 
Bachja  S.  77  Anm.  2. 

')    p.  2  Z.  14. 

")    Vgl,  Dieterici:  Anthropologie  S.  I. 

»)    Ebd.  S.  58  u.  59  uud  Mikrok.  p.  19  Z.  20, 

*°)  p.  20  Z.  26.  Auch  bei  Mose  ihn  Esra  und  bei  Bachja  sind  unter 
D'SnDlb^Sn  *^^^  lauteren  Brüder  zu  verstehen.  Vgl.  Kaufhiaun:  Theologie 
des  Bacbja  S.  18  Anm.  1. 


18 

Dafi  der  Körper  Substanz  0  sei,  ist  eine  so  geläufige  Lehre, 
dafi  Josef  als  deren  Autor  nur  schlechthin  die  „Philosophen' 
angiebt. 

Platonisch  gefärbt  ist  die  Lehre  von  den  vier  Eigenschaf- 
ten, welche  zur  Glückseligkeit  führen  *).  Josef  leitet  sie  auch 
aus  der  heiligen  Schrift ')  her. 

Die  Lehre  von  den  drei  kosmischen  Bewegungen')  »von, 
zum  und  um  den  Mittelpunkt"  ist  aristotelisch. '') 

In  seinen  Ansichten  über  die  intelligibele  Welt  ^)  folgt  Josef 
vollkommen  den  Neuplatonikern. 

Bei  der  Erörterung  der  Lehre  vom  Willen  ')  erklärt  Josef, 
er  wolle  sich  kurz  fassen,  da  diese  Frage  von  den  „Philosophen"  *) 
schon  vielfach  untersucht  worden  sei. 

Auf  Ibn  Sina  (Avicenna)  ^)  ist  vielleicht  der  Ausspruch  zu 
beziehen,  daß  Gott  notwendig  existierend  ist,  die  Geschöpfe 
aber  nur  möglich  seien. 

Unter  den  „Philosophen"  p.  9  sind  die  Peripateliker  zu 
verstehen.  "*) 


')    p.  10  Z.  9. 

*)    p.  88  Z.  II. 

*)    &phaDJa  2,  3. 

*)    p.  15  Z.  26.  • 

*)    de  coelo  T,  3. 

•)    p.  39  Z.  17  fL 

')    H.  p.  51  Z.  29.    Vgl.  S.  14  u.  47    fT.  dieser  Arbeit 

*)  Vgl.  Schahrastani  (HaarbrQcker  ][,  S.  127),  wo  die  Lehre  des  Thaies 
und  des  Empedociea  vom  Willen  ^ai^estellt  wird. 

Es  ist  eine  ganz  merkwürdige  Obereinstimmung,  wenn  es  a.  a.  O. 
heifit:  Die  Lehre  des  Piaton  und  Aristoteles  ist  an  sich  dieselbe  und  im  ein- 
zelnen ein  verschlossenes  Ding.    Josef  sagt  nämlich  p.  51:  1^"T3  JTJ  ^3^ 

■)  p.  42  Z.  19.  Vgl.  Schahrastani  abers.  von  Haarbr.  II.  S.  252  und  Kanf- 
mann :  Attribntenlehre  S.  333  Anm.  204. 

")  Herr  Professor  Kaufmann,  an  den  ich  mich  wegen  Erklärung  die- 
ser verderbten  Stelle  wandte,  hatte  die  GQte  mir  mitzuteilen,  „dafi  der  Passus 
dareb  Vergleich  mit  Abraham  ibn  Daud's  Emuna  ramap.ll  etwas  an  Klarheit 
gewinnen  dflrfte.  Die  Frage  bezieht  sich  auf  den  Gebrauch  des  Wortes 
0^  für  Körper  und  die  Einzeldinge  (Q^^^^X)  '"*  Gegensatz  zu  den  Gat- 
tungen. Ideen,  die  allein  den  Namen  Substanz  verdienen."  Die  Lesarten  der 
verschiedenen  Codices  divergieren  an  dieser  Stelle  indessen  derart,  dafi  eine 
einleochtende  ErUftruDg  uns  vorläufig  noch  unmöglich  ist. 


14 

Abgesehen  von  den  bis  jetzt  besprochenen  Philosophen 
(D^3iDlV^3n)i  kommt  derselbe  Ausdruck  sogleich  im  Anfang  des 
Mikrokosmos  noch  einmal  in  etwas  bestimmterer  Fassung  vor; 
offenbar  sind  daselbst ')  mit  cmmon  ü^äTDlVöTI  die  lauteren 
Brüder  gemeint.  *) 

b)    Mit  Namen  genannt«  Philosophen. 

Auf  Empedocles  (D^bp"l?3)    verweist     Josef    ausdrücklich 

jeden,  der  sich  mit  der  Lehre  vom  göttlichen  Willen  be- 
fassen wolle  ■). 

Von  der  Lehre  des  Empedocles  hat  uns  nur  Schahrastani  *) 
einiges  überliefert.  Unter  dem  Namen  des  Empedocles  müssen 
aber  bei  den  Arabern  einige  Schriften  verbreitet  gewesen  sein, 
deren  Unechtheit  selbstverständlich  ist*). 

Von  seiner  Lehre  über  den  Willen,  auf  die  übrigens  auch 
Falaqera  im  Vorwort  zu  seiner  Übersetzung  ausgewählter  Stel- 
len aus  Gabirors  „ Lebensquelle "  verweist,  ist  uns  sonst  nichts 
bekannt  ^). 

Von  Piaton  (TU0Kb9K) ')  ^^^^  ^*6  aus  Diogenes  Laertius  ^) 
bekannte  Anekdote  vom  geistigen  Schauen  erzählt 

Auch  als  Verfasser  eines  Gebetes  in  seinen  vofnot  (D'DID^i» 
D^Hn^JD)  wird  er  von  Josef  genannt »). 

Der  Philosoph  Piaton  (pDxVöX  ClTDlVöT')  **at  nach 
Josef  ^*>)  gelehrt:  Die  Kenntnis  dreier  Dinge  ist  dem  Volke  förder- 
lich:    1.  Gott    ist  der  Schöpfer  des  AM's,   unter  seinem  Schutz 


')    Mikrokosmos  p.  2  Z.  2. 

*)    Vgl-  ReifmaQD  in  Berliner*s  Magazin  V  S.  35. 

»)    Mikrok.  p.  52. 

*)  Haarbrücker  S.  91.  Vgl.  auch  S.  127.  Siehe  aach  Kauftnann:  Attri- 
butenlehre  S.  309  Anm.  153;  Guttmann:  Philosophie  Gabirols  S.  25  Anm.  2; 
33;  34;  43  Anm.  9;  50.  Vgl  auch  weiter  unten  S.  48  f. 

')  Vgl.  Wenrich:  De  auctorum  Graecorum  versionibns  et  commentariis 
Syriacis,  Arabicis  Armeniacis,  Persicisque  commentatio.    Leipzig  1S42.  p.  91. 

")    Hunk:  Hälanges  de  philosophie  jaive  et  arabe.   Paris  1859.  p.  3. 

»)    p.  35  Z.  26. 

»)    VI,  53. 

»)  p.  51  Z.  22.  Näheres  siehe  bei  Kaufmann  a.  a.  0.  S.  302  Anm.  138; 
bei  Guttmann  a.  a.  0.  S.  34  und  bei  Steinschneider:  Zur  pseudepigraphischen 
Litteratur  S.  51  ff. 

")    p.  63  Z.  4. 


16 

und  Gebot  steht  alles;   2.  es  ist  ihm  nichts  verborgen,    3.  Gott 
hat  an  guten  Thaten  mehr  Wohlgefallen  als  an  Opfern. 

Aristoteles  wird  ebenfalls  und  zwar  als  Verfasser  derTopik 
Op^DIÜ  "1SSD3  IDOnx)  citiert^);  an  dieser  Stelle  wird  zugleich 
ein  Passus  ausdrücklich  als  der  Topik  wörtlich  entnommen 
bezeichnet,  der  aber  schwerlich  in  derselben  zu  finden  sein 
dürfte  *) :  „wer  das,  was  er  mit  gesunden  Sinnen  wahrgenommen 
hat,  leugnet,  ist  wert,  da&  man  ihn  ins  Gefängnis  sperre  und 
ihn  geißele*. 

Aristoteles  wird  auch  als  Urheber  der  Lehre  über 
die     «allgemeui  verbreiteten  Ansichten"    genannt    (t«  Mo^a  •= 

Von  Claudius  Galenus  *)  (Diy^3)  wird  erwähnt,  daß  er  die 
Ansicht  vertreten  habe,  die  Pflanzenseele  sei  ein  göttliches  Ver- 
mögen ^). 

Bemo'kenswert  ist  auch  die  Erwähnung  ^)  des  syrischen 
Gnostikers  Bardesanes  ({XV*1)-  Dieser  lehre  nämlich:  „Von 
einem  Dinge  können  nicht  zwei  Gegensätze  hervorgehen.  Der 
Schöpfer  der  guten  Dinge  ist  darum  bis  ins  Unendliche  der 
Schöpfer  des  Guten  und  des  Lichtes,  der  Schöpfer  der  schlech- 
ten Dinge  der  unaufhörliche  Schöpfer  der  Finsternis  und  des 
Schlechten  und  keiner  von  Beiden  hat  etwas  hervorgebracht, 
von  dem  nicht  der  andre   das  Gegenteil   hervorgebracht  hätte." 

Schließlich  werden  auch  noch  die  Mutakallimun  (D^n^TOH) 
hin  und  wieder  citiert.  Er  bekämpft  ihre  Ansicht,  daß  die  Seele 
ein  Accidens  und  der  Körper  Substanz ')  oder  eine  Summe  von 
Substanzen  sei  ^). 

Gegen  den  mu'tazilitischen  Earäer  Abu  Jakub  Josef  al  Basir 
und  dessen  Lehren  in  seinem  Buche  Manzuri  polemisiert  er,  wie 


»)   p.  5  Z.  19. 

')  Aach  Kautinann  in  seiner  Schrift:  .Die  Sinne*  S.  55  Anin.  52  veri- 
fiziert diese  Änfierung  nicht 

•)    P.  5. 

*)  Er  war  Ärat  und  Philosoph  und  lebte  von  131—200  n.  Chr.  Bei 
den  Arabern  war  er  unter  dem  Namen  Gallanus  bekannt. 

*)    p.  25  Z.  30. 

•)    p.  49  Z.  20. 

»)    P.  33  Z.  31. 

•)    p.  35  Z.  10. 


Kaufhiann  nachweist,  ungemein  heftig  und  scharisinnig  *).  Trotz 
dieser  Polemik  aber  entlehnt  er  doch  —  was  bei  seinem  ent- 
gegengesetzten religiösen  Standpunkte  recht  merkwürdig  ist  — 
manches  Argument  seiner  Beweisführung  dem  Kalam ')  und 
und  stimmt  sogar')  bei  der  Lehre  vom  göttlichen  WiUen  mit 
Älbasir  überein. 

Josefs  Beriehnngen  zn  den  lanteren  BrftderB 
nnd  zu  äalomo  ibu  Oabirol. 

Josef  steht  vollkommen  unter  dem  Einflufi  der  zu  seiner 
Zeit  im  arabischen  Orient  allgemein  herrschenden  Lehret,  die 
im  wesentlichen  eine  Verschmelzung  von  neuplatonischen  und 
neupythagoreischen  Philosophemen,  unter  Aufnahme  einiger  Ari- 
stotelischer Begriffe,  repräsentiert.  Als  Hauptvertreter  dieser.  Rich- 
tung kennen  wir,  soweit  die  uns  erhaltene  Litteratur  in  Betracht 
kommt,  die  lauteren  Brüder  und  Gabirol.  Eine  direkte  Abhängigkeil 
Josefs  von  ihnen  bleibt  trotz  vieler  inhaltlicher  Übereinstimmungen 
ungewiß;  indes  wenn  wir  Josefs  Stellung  zu  jener  Richtung  darlegen 
wollen,  können  wir  uns  nur  an  Gabirol  und  die  lauteren  Brüder,  als 
die  noch  vorhandenen  Vertreter,  halten.  Offenbar  hat  Josef  als  eigent- 
licheQuellen  Schriften,  wie  die  des  Pseudo-Empedocles  —  die  er  aus- 
drücklich erwähnt*)  —  und  solche  des  Pseudo-Aristoteles  benätzt. 

Wenn  nun  eine  Übereinstimmung  der  Lehren  Josefo  mit 
denen  Gabirols  und  der  I.  Brüder  sehr  häufig  erkennbar  ist,  so 
mul3  man  zunächst  annehmen,  daß  sie  aus  derselben  Quelle  ge- 
schöpft haben. 

Belehrend  ist  hierfür  eine  Stelle  im  fonsvitae  des  Gabirol*), 


»)    p.  4*)  Z.  30  und  p.  46  Z.  11  ff.    Vgl.  Kaufmann  259  ff. 

»)    p,  47.    Kaufmann  S.  280. 

')    p.  51  Z.  32  und  Kaufmann  303  Anm.  142. 

*)  In  religifteen  Dingen  folgt  er  namentlich  Saadja  und  Bachja.  Kauf- 
mann: AUributenlehre  p.  284  Anm.  04  weist  nach,  dafi  ein  Teil  des  Be- 
weises hinsichtlich  der  Schöpfung  ~  wie  ihn  Josef  giebt  —  von  Saadja 
stamme;  siehe  auch  ebd.  p.  318  Anm.  174  und  sonst.  Kauftnann  vermutet 
auch  ferner  S.  'JHö  Anm.  96,  daß  die  AusfOhrungen  Josefs  Ober  den  Beweis 
der  Einheit  Gottes  mit  Rücksicht  auf  die  ausführliche  Darstellung  bei  Bachja 
(Herzenspflichlen   I,  9}  so  knapp  gefaßt  worden  seien. 

'')    Mikrokoi^mos  p.  52. 

'')    eü.  Baeumker,  p.  U32  8. 


mit  welcher  der  Mikrokosmos  eine  auffallende  Übereinstimmung 
aufweist,  so  daß  sich  jedem  der  Gedanke  an  unmittelbare  Ent- 
lehnung aufdrängen  wird  ^).  Gleichwohl  aber  zeigt  e  i  n  Ausdruck 
deutlich,  dafi  an  dieser  Stelle  nicht  notwendig  an  eine  solche 
gedacht  werden  mufi.  Der  in  Betracht  kommende  Passus  lautet 
nämlich:  .Et  propter  hoc  dicitur,  quod  apprehensio  substan- 
tiarum  secundärum  et  accidentium  secundorum  non  est  nisi 
per  scientiam  primarum  substantiarum  et  primorum  acciden- 
tium.* Hier  wird  also  durch  das  .dicitur"  auf  eine  von  Gabirol 
benutzte  Quelle  hingewiesen;  und  eben  diese  konnte  auch  dem 
Verfasser  des  Mikrokosmos  vorliegen  *). 

In  einer  ziemlich  bedeutenden  Anzahl  von  Fällen  erscheint 
es  aber  gleichwohl  wahrscheinlich,  daß  eine  direkte  Abhängig- 
keit von  Gabirol  oder  von  den  lauteren  Brüdern  vorliegt.  Be- 
achtenswert ist  namentlich  eine  Menge  wörtlicher  Überein- 
stimmungen'), die  mitunter  so  schlagend  sind,  daß  hin  und 
wieder  der  schwer  lesbare  Text  des  Mikrokosmos  dadurch  eine 
einleuchtende  Erklärung  findet 

Interessant  ist  es  ferner  hierbei,  daß  Gabirol  offenbar  eben- 
falls die  1.  Brüder  benützt  bat  und  besonders  in  naturwissen- 
schaftlichen Anschauungen  fast  ganz  unter  ihrem  Einfluß  steht  *). 

Übrigens  hat  auf  Josefs  Beziehungen  zu  den  1.  Brüdern 
bereits  Maimonides  ausdrücklich  hingewiesen  ^)  imd  in  neuerer 
Zeit  Steinschneider  aufmerksam  gemacht  ^) ;  ebenso  Kaufmann ''). 
Dieser^)  und  Guttmann^)   haben  auch  durch  Gegenüberstellung 


')    Siehe  S.  25  dieser  Arbeit. 

*)  Möglich,  wenngleich  wenig  wahrscheinlich,  bleibt  freilich  die  An- 
nahme, dftfi  Gabirol  anf  seine  eigenen  AusfOhrungen  p.  3ö,  22—36,  ti  zurflck- 
rerweist 

*)    Auf  dieselben  wird   an  dem  betr.  Ort  unserer  Arbeit  hingewiesen. 

*)  Vgl  Gnttmann  a.  a.  0.  S.  35  fT.  und  Haneberg's  Abhandlung  „Ober 
Gabirors  Verhfiltnis  zu  der  Encyclopfidie  der  1.  Brüder"*  in  den  Sitzungsbe- 
richten der  k.  bayrischen  Akademie  der  Wissenschaften  1866  S.  89  ff. 

*}    In  seinem  Briefe  an  Samuel  ibn  Tibbon;   siehe  oben  S.  -1  Anm.  1. 
*)    Jewish  Literalure.  London  1857.  p.  98. 
')    An  vielen  Stellen  der  „Attribulenlehre^ 

*)    Das.  S.  310  Anm.  156  und  in  «Spuren  Al-Batlajftsi's'  S.  34  und  35. 
*)    a.  a.  0.  S.  42  u.  43  Anm.  1. 
Dontor,  Jowf  ibn  Zaddlk.  *2 


18 

einzelner  Stellen^  die  im  folgenden  noch   vermehrt  werden,  eine 
Anzahl  Übereinstimmungen  mit  Gabirol  dargethan. 

Die  Encyclopädie  der  lauteren  Brüder')  ist  uns  durch  Die- 
terici's  sorgfältige  Übersetzung  <)  bekannt. 

Gabirol's  Lebensquelle  (M'kor  chajini)  ist  ursprünglich  ara- 
bisch geschrieben.  Josef  hat  ofTenbar  das  arabische  Original 
benutzt,  da  er  den  übrigens  trefflichen  Auszug  Falaqera's  schon 
aus  chronologischen  Gründen  nicht  gekannt  haben  kann.  Das 
Original  ist  bis  jetzt  noch  nicht  gefunden  worden. 

In  jüngster  Zeit  hat  Clemens  Baeumker  die  aus  dem 
arabischen  Original  stammende  lateinische  Übersetzung  des 
Johannes  Hispanus  und  Dominicus  Gundisalvi  herausgegeben  '). 
Manche  Übereinstimmungen,  die  aus  Falaqera's  Auszug  nicht 
ersichtlich  sind,  sind  dadurch  klar  zu  Tage  getreten.  Wir 
eitleren  stets  nach  der  Baeumker'schen  Ausgabe. 

Wir  gehen  nunmehr  zu  unserer  eigentlichen  Aufgabe  über 
und  erforschen  das  Verhältnis  Josefs  zu  den  1.  Brüdern  und  zu 
Gabirol  *),  indem  wir  die  philosophischen  ^)  Ansichten  Josefs  nach 
den  einzelnen  Materien  geordnet  betrachten. 

Schon  den  Grundgedanken  und  den  Ausgangspunkt  seiner 
Philosophie:  ^Der  Mensch  ist  eine  Welt  im  Kleinen:  er  reprä- 
sentiert in  seinem  Körper  und  dessen  Teilen  die  gesamte  ma- 
terielle Schöpfung  und  in  seiner  vernünftigen  Seele  die  ganze 
geistige  Welt"  (p.  2,  12  u.  p.  41,20)  hat  er  jedenfalls  zunfichst 
von  den  1.  Brüdern   und  von  Gabirol  übernommen. 

')  Die  Encyclopädie  ist  nach  Stoflen  geordnet  und  umfaßt  alle  Ob- 
jekte des  Wissens,  wie  sie  die  Araber  im  zehnten  Jahrhundert  beherrschten. 
Sie  ist  zu  einem  abgerundeten  Ganzen  vereinigt,  um  durch  sie  eine  Waffe 
gegen  die  alle  sittliche  und  geistige  Bildung  unterdnlckende  muhammedanische 
Orthodoxie  zu  gewinnen.  Schon  im  11.  Jahrb.  wurden  diese  Abhandlungen 
nach  Spanien  verpflanzt,  dort  au&erordentlich  verbreitet  und  beliebt  und 
von  hier  zum  Gemeingut  der  damaligen  gebildeten  Welt  des  Orients  gemacht 

^)  Die  Encyclopädie  umfaßt  in  dieser  Übersetzung  folgende  Bände: 
1.  Streit  zwischen  Mensch  und  Tier,  1858;  2.  Propädeutik,  1865;  3.  Logik 
und  Psychologie,  18*»;  4.  Anthropologie,  1871;  ö.  Weltseele.  1872;  6.  Natur- 
anschauung, 1876. 

")  Beiträge  zur  Geschichte  der  Philosophie  des  Hittelalters  Bd.  I, 
Heft  2—4.  Münster  1895. 

*)  Über  Gabirol,  seine  Quellen  und  seine  Philosophie  ist  zu  ver- 
gleichen Guttmann  a.  a.  0.,  der  alles  erschöpfend  dargestellt  hat. 

')    Wir  sehen  hierbei  von  den  theologischen  und  ethischen  Ansichten  ab. 


Freilich  ist  der  Gedanke  vom  Mikrokosmos  von  ihnen  keines- 
wegs zum  ersten  Male  ausgesprochen  worden.  Sehen  wir  von 
Anklängen  bei  Anaxiraenes  i)  ab,  so  finden'  wir  ihn  der  Sache 
nach  zunächst  bei  Plato  *),  welcher  sagt,  daß  einzelne  Körperteile 
des  Menschen  dem  Muster  des  Weltalls  nachgebildet  seien,  und 
daß  der  ganze  menschliche  Organismus  höheren  geistigen  Zwecken 
entspreche.  Aristoteles  stellt  ausdrücklich  den  Mikrokosmos  dem 
Makrokosmos  gegenüber  %  Einen  ähnlichen  Gedanken  drückt  er 
aus  *)j  wenn  er  ausführt,  dafi  im  Menschen,  im  Vergleich  7.u  den 
Tieren,  sich  die  Natur  in  ihrer  höchsten  Vollkommenheil  zeigt. 
Von  den  Stoikern  *)  und  Neuplatonikem  wurde  der  Gedanke 
aufgenommen  und  gelangte  von  ihnen  dann  zu  den  Arabern, 
Ton  denen  er  ausführlich  —  namentlich  von  den  1.  Brüdern ") 
—  behandelt  wurde. 

Ihrer  Darstellung  folgt  Josef  zwar  nicht  in  allen  Punkten, 
aber  doch  so,  daß  eine  Benutzung  offenbar  wird.  Er  ist  nicht 
so  weitschweifig  wie  die  1.  Brüder  und  sucht  auch  nicht  die  Ana- 
logien in  der  fast  lächerlichen  Weise  der  spitzfindigen  Araber 
auf.  Wo  er  mit  ihnen  nicht  übereinstimmt,  folgt  er  meist  dem 
Jezirabuche  ^). 


>)  A^tius  PlaciU  I,  3, 6.  (Diels:  Doxographi  p.  278, 12).  Vgl.  Baeumker: 
Problem  d.  tfaterie,  S.  15. 

*)    Timaeus  p.  4i— 47. 

■)  Physik  VIII  2.  p.  2r»2  b  24-26:  e!  d'h  Cwoj  tovto  dwajor 
ytriadai,  li  xotXvei  to  avro  avfißrjvai  xai  xara  ro  .tSc  ;  ei  yog  ev  /uXQ<ii 
xAfft^t  xai  Sr  fuyAXtp. 

*)    da  historia  animal.  IX  9,  p.  588  a  18  fT. 

*)  VgL  Stein:  Psyctiologie  der  Stoa.  Bit.  I.  Anhang:  Mikro-  un<l 
Makrokosmos  der  Stoa. 

*)  Anthropologie  S.  4t  fT.:  Der  Mensch  als'  Hikrokosmos.  Weltseele 
S.  27  ff.  Natar-Anschanang,  S.  24  ff. 

Zur  Zeit  Josefs  scheint  der  Gedanke  vom  Mikrokosmos  sehr  gel&ufig 
gewesen  m  sein.  Auch  Ton  einem  christlichen  Zeitgenossen,  Bernhard  Sil- 
Tcstris,  haben  wir  ein  ähnliches  Werk;  vgl.  Bemardi  Silvestrisdemundiuniverai- 
tate  libri  duu,  sive  megacosmos  et  microcosmus;  hrsg.  von  ßarach  u.  Wrobel 
Innsbruck  187(i.  Dieses  Werk  hat  aber  offenbar  seinen  Grundgedanken  nicht 
unmittelbar  erhalten,  sondern  baut  den  Gedanken(rang  des  Platonischen  Timaeus 
weiter  aus.  Vgl.  Windelband:  Geschichte  der  Philosophie.  Freiburg  18i*2, 
S.  216.  Über  den  Mikrokosmos  im  Judentum  vgl.  FranJcel's  Monatsschrift 
a.  a.  0.  und  Guttmann  a.  a.  0.  S.  117.  Anm.  3. 

')    Es  ist  ein  mystisches  Buch  ,über  die  Wellschöpfnng",  dessen  Auto- 

2* 


Josef  sagU):  «Es  giebl  nichts  in  der  Welt,  das  nicht  sein 
Analogon  im  Menschen  fände.  [Cr  gleicht  zunächst  der  Körper- 
weit;  in  ihm  linden  sich  die  vier  Klemenle  vor,  er  besitzt  deren 
Eigenlümlichkeit,  denn  er  gehl  von  Hitze  /.ur  Kälte,  von  Feuch- 
tigkeit zur  Trockenheit  über.  Er  besitzt  die  Natur  der  Minerale, 
Pflanzen  und  Tiere;  er  entsteht  und  vergehl,  wie  die  Minerale, 
wächst,  ernährt  sich  und  pflanzt  sich  fori,  wie  die  Pflanzen, 
er  hat  Empfindung  und  Leben,  wie  die  Tiere.  Er  hat  Ähnlich- 
keit mit  den  Eigentümlichkeiten  der  Dinge;  er  gleicht  an  auf- 
rechter Gestalt  der  Terebinthe;  sein  Haar  gleicht  den  Gräsern 
und  Kräutern ,  die  Adern  und  Arterien  den  Flüssen  und  Ka- 
nälen» die  Knochen  den  Bergen  •).  Er  hat  ferner  die  charakteri- 
slischen  Eigenschallen  der  Tiere;  er  ist  tapfer  wie  der  Löwe, 
furchlsam  wie  der  Hase,  geduldig  wie  das  Lamm,  listig  wie 
der  Fuchs"  *). 

Alle  diese  Analoga  finden  sich  bereits  bei  den  I.  Brüdern^); 
dagegen  hat  Josef  bei  der  Vergleichung  des  Kopfes  mit  der 
Himnielssphäre,  der  Zähne  mil  den  Tagen  des  Sonnenmonats, 
der  zwölf  OtTnungen  des  Körpers  mit  den  12  Monaten  "^j  — 
nach  dem  Jezirabuch  Perek  4;  Misehna  4  —  andere  Beispiele 
angeführt  *). 

Josef  nimmt  mil  den  lauleren  Brüdern  zwar  auch  sieben 
schaffende  Kräfte  an^),  läßt  aber  aus  guten  Gründen  den  Vergleich 
mit  den  sieben  Wandelsternen  fort,  durch  welche  die  Entschei- 
dungen des  Himmels  über  das  Seiende  slaltfinden  *),  wie  er  denn 
überhaupt  ilen  Gestirnen  keinebestimniende  Macht  einräumen  kann. 

Bei  üabirol  findet  sich  der  Gedanke  vom  Mikrokosmos, 
wenn  auch  nur  kurz,  so  doch  durchaus  beslinmit  ausge- 
sprochen^): mundus  minor  exemplum  e^t  maioris  mundi  ordinc. 


nicht  bekannt  ist.  Vgl.  CasteDi:  Einleitung  znmrammentar  des  S;ibntai  Don3lo 

zum  Sefer  .Iczira.    Floienz  IB80. 

•) 

p.  18  u.  19. 

■) 

p.2i 

■l 

p.  19. 

') 

Anthropologie,  S.  51 ;  58;  b&. 

*) 

p.  24. 

') 

Vgl.  Anthropologie  S.  48  ft 

k          'J 

p.  ZT). 

1         ■» 

Antbrupologie  S.  4ä. 

1         •) 

fün-*-  vilac  p.  77  Z.  24. 

21 

Wir  wollen  nunmehr  unsere  Untersuchung  mit  der  Ver- 
gleiehung  der  erkenntnistheoretischen  Sätze  beginnen;  diese 
stets  streng  von  der  Psychologie  zu  scheiden,  war  bei  der  Ver- 
wandtschaft der  beiden  Gebiete  nicht  immer  durchführbar. 


Erkenntnistheorie. 

Als  Fundamentalsatz  seiner  Lehre  von  der  Erkenntnis  stellt 
Josef  den  folgenden  auf:  ,  All  es  Wissen  beruht  auf  dem  Grunde 
der  Selbsterkenntnis;  wer  sich  selbst  erkennt,  erkennt  alles; 
(erst)  wer  sich  selbst  erkennt,  kann  etwas  außer  ihm  Liegendes 
erkennen"  »)• 

Fast  in  gleicher  Weise  haben  sich  die  1.  Brüder  geäußert  *) : 
„Wenn  jemand  die  Erkenntnis  der  Dinge  zu  haben  behauptet, 
jedoch  sich  selbst  nicht  kennt,  so  gleicht  er  dem,  welcher  andre 
Dährt,  doch  selbst  hungert  u.  s.  w.  Der  Mensch  mula  in  diesen 
Dingen  erst  bei  sich  beginnen  und  dann  zu  den  andern 
übergehen*. 

Wie  die  Vorlage  Josefs  erscheinen  die  Worte  Gabirol's; 
„Quod  autem  de  scientia  magis  necessarium  est  scire,  hoc  est, 
ut  sciat  se  ipsum,  ut  per  hoc  videlicet  sciat  alia,  quae  sunt 
praeter  ipsum,  quia  eius  essentia  est  comprehendens  omnia  et 
penetrans*  etc.  •). 

Auch  in  bezug  auf  das  Mittel  zur  Erkenntnis  sind  Ähn- 
lichkeiten vorhanden.  Das  Mittel  zur  Erkenntnis  ist  nämlich 
für  Josef*)  die  menschliche  Seele  selbst;  dadurch  daß  dieselbe 
einen  Gegenstand  geistig  umfaßt,  erkennt  sie  ihn,  begreift  sein 
Wesen  und  wird  dadurch  der  geistige  Ort  des  erkannten  Dinges. 


»)    p.  2  Z.  10.    p.  20  Z.  14  etc. 

')    Anthropologie,  S.  1  u.  46.  Logik,  S.  17. 

»)  f.  V.  p.  4  Z.  3.  Vgl.  Guttmann  a.  a.  0.  p.  67.  Anm.  Der  Hinweis 
auf  Ploün'8  Enneaden  (ed.  H.  F.  Müller.  Berlin  1878-80)  IV.  4,  2  ist  aber 
nicht  ganz  zutreffend,  da  an  dieser  Stelle  nicht  von  der  yfvzv,  sondern  vom 
rove  im  Gegensatz  zur  it>vx^  die  Rede  sein  kann,  dem  die  v'^'ZV  ^i*^ti  freilich 
zuwendeL  Vgl.  daselbst  weiter  unten  Xexxeov  im  fih>  etc.,  und  die  sogenannte 
.Theologie  des  Aristoteles",  (flbersetzl  von  Dieterici),  Leipzig  1893.  p.  18. 

*)    p.  7  Z.  5  ff. 


22 


Der  Sache  nach  dasselbe  lehren  die  1.  Briider.  Die  Seele 
ist  nach  ihnen  gleichsam  ein  »geistiges  Buch"  mit  den  Können 
des  Gewußten,  ohne  daß  diese  sich,  wie  es  im  Stoffe  geschieht, 
drängten  *).  Aber  die  besondere  Wendung,  welche  der  (Jedanko 
bei  Josef  nimmt,  findet  aus  den  I.  Brüdern  doch  nicht  seine  Er- 
klärung ;  weder  vom  geistigen  Ort  noch  vom  Umfassen  des 
Gegenstandes  ist  bei  ihnen  die  Hede. 

Von  der  Ansicht  derer  (gemeint  sind  ohne  Frage  die  Pla- 
loniker),  welche  die  Seele  als  Ort  der  Ideen  (to-t«»:  fldihv)  be- 
zeichnen, berichtet  schon  Aristoteles  tmd  giebl  dieser  Ansicht 
wenigstens  teilweise,  mit  einer  gewissen  Correctur,  seine  Zu- 
stimmung 'J.  Doch  ist  der  Ausdruck  „geistiger  Ort"  auch  ihm 
völlig  fremd. 

Wohl  aber  findet  sich  derselbe  bei  Gabirol.  Kür  diesen 
ist  der  -geistige  Ort'  im  Gegensalz  zu  dem  körperlichen  ein 
Kundamentalsatz  seiner  Lehre,  auf  den  fr  an  /.ahlreichen  Stellen 
zu  sprechen  kommt  ^). 

E3}en80  ist  die  Deutung  des  Erkennens  als  eines  Unifassens 
durch  die  Seele  eine  dem  Gabirol  durchaus  geläutige  Wendung*). 

Gabirol  gelangt  zu  der  Annahme  eines  geistigen  Ortes 
durch  seine  Spekulation  über  den  SubstanzbcgiifT;  denn,  wenn 
man  die  Substanz,  welche  kein  Körper  ist,  als  den  Ort  für  den 
Körper  bezeichnet,  so  ist  jede  Sub.slnn/.  der  geistige  Ort  für 
die  Substanz,  welche  von  ihr  gelragen  wird^l. 

Josef  hat  dem  von  den  I.  Brüdern  nur  erst  angetleuteten,  von 
Gabirol  aufgenommenen  und  für  seine  Philosophie  fruchtbar  ge- 
machten Gedanken  einen  Platz  in  seiner  Philosophie  einge- 
räumt, ohne  auf  seine  Durchführung  tiefer  einzugehen. 

Wir  konunen  nunmehr  zu  der  Erklärung,  die  Josef  von  dem 
Erkennlnisprozefi  giebl.  Er  sagt  nämlich:  Es  giebl  eine  zwiefache 
Erkenntnis ,    eine  sinnliche    und    eine    Vernunfterkenntnis.     Die 


')    Wellseele  S.  48. 

')    de  aniina  III  4,  p.  43!)  u  '21. 

•)    p.  29  Z.  18;  p.  49.17.  IM.4  u.  7.  156.2,  2!ll.»>  u.  1!J.    207^  814,9. 

*)  Z.  B.  fons  Titae  p  7  Z.  9  :  quiä  eoienlia  scienli»  est  compreh«insio  ad 
rem  «cilam.  p.  11,19:  Si  tu  bene  nosti  certitudjnem  e»i§«ntiae  nntmae  et 
imafrinaeti  eius  comprehenäionejn  circa  oraniR  etc. 

•j    f.  V.  p.  291.  6  u.  19. 


23 

sinnliche  Erkenntnis  erstreckt  sich  nur  —  wie  der  Philosoph 
sagt  *)  —  auf  die  Accidentien  der  Dinge  resp.  auf  die  einzelnen 
Individuen,  nicht  auf  die  Gattungen  *) ;  diese  werden  nur  von 
der  Seele  d.  h.  von  der  Vernunft  erfaßt.  Mithin  erfaßt  die 
Vernunfterkenntnis  das  Wahre  ")  und  Wesentliche,  die  sinnliche 
Erkenntnis  das  Zufällige   und  Wechselnde. 

Der  Erkenntnisprozeß  vollzieht  sich  auf  folgende  Weise: 
Der  Gesichtssinn  erfaßt  die  Farbe  und  die  Gestalt  eines  Dinges. 
Die  Vorstellungskraft,  die  ihren  Sitz  im  Vorderhirn  hat,  em- 
pfilngt  dadurch  ein  analoges  Bild,  wie  sie  es  ja  auch  ohne  reales 
Objekt  *)  sich  vorstellen  kann.  Nun  bringt  die  Vorstellungskraft 
(TP^ffl  HD)  das  Bild  der  Denkkrafl  zu  (rotSTlDn  TO  —  ^^' 
kanntlich  eine  Funktion  der  vernünftigen  Seele  — );  die  Seele  be- 
trachtet vermöge  ihrer  Natur  das  Ding  und  seinen  Sinn  und 
erfaßt  das  Geistige  von  ihm.    Dies  ist  die  Erkenntnis. 

Daß  Josef  bei  dieser  Erörterung,  die  bei  der  Unsicherheil 
des  Textes  nicht  durchaus  klar  wird,  den  1.  Brüdern  gefolgt  ist, 
geht  bis  zur  Evidenz  aus  einer  Vergleichung  der  bezüglichen 
Stellen  *)  hervor: 

.Bringt  die  Vorstellungskraft  —  welche  ihren  Sitz  im  Vor- 
derhini  hat «)  —  das  Bild  des  sinnlich  Wahrgenommenen,  nach- 
dem sie  dasselbe  von  den  Sinneskräften  erhalten,  der  Denkkraft 
zu,  und  entweicht  dann  das  sinnlich-Wahrgenommene  der  Be- 
zeugung durch  den  Sinn,  so  bleibt  das  Bild  nur  in  den  Ge- 
danken, in  geistiger  Form  gebildet." 

„Gelangen  die   Grundzüge   des    sinnlich  Wahrgenommenen 


')    Aristoteles.    Vgl.  Zeller:  Philosophie  der  Griechen  II'.  2;  S.  198. 
'1    Diese  Stelle  p.  4  gehört  zu  den  verderbtesten   des   Werkes.    0  ent- 
hält enthält  einige  Lesarten,  die  den  Text  zum  Teil  noch  unlesbarer  machen. 

z.  B.  z.  12:  D^tcr^xn  p  i:^x  i£^yr\  ny-ro  ^d-  2-  »■'''=  xims?  dvddi 
Dn>mD^x  ro-  z.  i«:  ntjim  D':ii:in.  ^-  ^'^-  «t«"  "invö  c^^xr 
liest  o:  ^xfy^  HrxtT.  Z-  2<):  iniD^x  TO  «**tt  «inunn. 

Aus  den  zahlreicben  Varianten,  die    sich   noch   vermehren  lassen,  er 
bellt  die  Schwierigkeit  des  Texten. 

•)    Es  ist  nach  Ü.  Z.  14.  nHDN  ^"  1^^°. 

*)    Wir  folgen   der  Lesart  0.  Z.   16.    H^^^  n3^}<t£^- 

>)    Weltseele  S.  47. 

*)    Anthropologie  S.  35.  und  38. 


24 

zur  Subslaii/.  der  Seele,  so  ist  die  erste  Tbat  der  Deiikkrafl,  daß 
sie  dieselben  beti-achtel,  um  ihren  Sinn,  ihr  Wieviel  u.  y,  w.  zu 
erkennen." 

Die  Darstellung  des  Erkennlnisvorganges,  wie  sie  die  I.Brüder 
geben,  ist  auch  Gabirol  nicht  unbekannt.  Erläßt  dieselbe,  ohne  ihr 
jedoch  völlig  beizustimmen,  vom  i>chüler  entwickeln  *) :  »Der 
Erkenntnisprozeß  vollzieht  sich  in  der  Weise,  da£  die  in  der 
körperlichen  Substanz  subsislierenden  sinnlichen  Formen  und 
Accidentien  zuerst  durch  die  Sinneswahrnehniung  und  dann 
durch  die  Vorstellungskraft  hindurchgehen  und  erst,  nachdem 
sie  in  diesen  beiden  Stationen  gewissermaßen  verdünnt  und  ver- 
feinert worden  sind,  sich  der  Seele  einprägen  und  von  iltr  er- 
faüit  werden." 

(fabirol  huldigt  vielmelu-  seinerseits  bei  der  Erklärung  der 
menschlichen  Erkenntnis  einer  durchaus  intellectualistischen  Auf- 
fassungsweise und  steht  hierbei  auf  Platonischem  *)  resp.  neu- 
platonischem  Standpunkt. 

Durch  Zusammenfassung  der  zerstreuten  Stellen  im  funs 
vitae  gelangt  man  zu  folgender  Lehre: 

Die  Seele  besitzt  Wissen,  weit  sie  ein  Teil  der  Weltseelc 
ist.  Das  Wissen  ist  intellectuell,  es  erstreckt  sirh  auf  die  allge- 
meinen Begriffe,  auf  die  sog.  secundären  Substanzen  und  Acci- 
dentien. Durch  Verbindung  der  Seele  mit  dem  Leibe  geht  die- 
ses Wissen  nicht  etwa  ganz  verloren,  sondern  es  schlummert  in 
der  Seele  potentieU.    Durch    die  Wahrnehmung    und  Erkenntnis 


*)   p.  164.  8. 

*)  Der  UrspruiH;  dieser  Theorie  beruht  uuf  Plato's  Lehre  vuii  der 
Wiedererinneruog.  Vgt.  Zeller  UM.  S.  707.  Bei  Aristoteles  rieht  sirh  durch 
die  Lehre  von  der  Erkenntnis  eine  Unklarheit  hindurch;  denn  einereeiU 
bestreitet  Aristoteles^  die  M^>glirhkeit  eines  angeborenen  Wiifsens  und  behftu(>- 
let,  alle  unsere  Hegriffe  entspringen  aus  der  Wahrnehmung;  andererseits 
spricht  er  von  einem  unmittelbaren  Erkennen  derjenigen  Wahrheiten,  von 
denen  alle  anderen  iibhangen  und  läfit  »lle  Erkenntnisse,  die  wir  im  Lauf 
untres  Lebens  gewinnen,  der  Anlage  nach  Ton  Anfang  in  der  Seeie  liegen. 
Siehe  Zeller  II"  2.  S.  193  f)'.  Die  Neuplaloniker,  he^-onders  Plotin,  legen  auf 
ilie  Erfahrung  -  bei  dieser  Lehre  —  wenig  Wert.  Haber  steht  ihnen  dos 
unmittelbare  Weissen;  die  Seele  fOr  ^ich  ist  auT  die  hlußc  Reflexion  he* 
schränkt;  die  Prinzipien  eines  höheren  Wissens  kann  sie  nur  vom  iwV  ent- 
lehnen. Der  menschliche  entlehnt  sie  dem  göUlichen  vovi,  von  dem  er  nur 
wenig  unterschieden  isl,  dessen  Teil  er  TielmeUr  ist.    Zeller  TU'  2.   S.  600  f. 


25 

der  sinnlichen  Dinge,  der  primären  Substanzen  und  Accidentien, 
wird  das  Wissen  von  den  secundären  Substanzen  und  Acci- 
dentien  geweckt,  es  wird  aus  der  Möglichkeit  zur  Wirklichkeit 
gebracht ') 

Josef  ist  auch  dieser  Lehre  zum  Teil  gefolgt;  er  spricht  von 
secundären  und  primären  Substanzen,  wie  von  ganz  bekannten 
Duigen,  obwohl  nur  an  einer  einzigen  Stelle  des  Buches*)  deutlich 
davon  die  Hede  ist.  Dort  heißt  es:  „Der  Hauptgrund  des  sittlichen 
Handelns  liegt  in  der  Wissenschaft  (nODn)i  denn  ihretwegen 
wurde  der  Mensch  geschaffen ')  und  deswegen  wurden  ihm  die 
ersten  Accidentien  und  die  ersten  Substanzen  freigegeben  (zum 
Erkennen,  TVttl))  um  sich  von  ihnen  auf  die  zweiten  Substanzen 
belehrend  hinweisen  zu  lassen*);  alles,  was  vom  ersten  zum 
zweiten  aufsteigt,  das  föllt  dem  Menschen  schwer  und  ist  ihm 
wegen  seiner  Subtilität^)  dunkel;  was  aber  vom  zweiten  zum 
ersten  geht,  dessen  Dasein  ist  ihm  offenbar  wegen  der  Grobheit 
(raiV)  ^^^  Klarheit  des  Dinges." 

Wir  sehen  deutlich  aus  dieser  Stelle,  dag  Josef  ein  An- 
hänger der  Lehre  vom  intellektuellen  Wissen  gewesen  ist,   ohne 


')  Gnttmann  p.  88  ff,  hat  wegen  allzugrofier  Kflrze  die  Lehre  Oabinils 
nicfat  klar  genug  dargestellt. 

')  p.  64.  Er  erwähnt  sie  auch,  wie  aus  den  Varianten  von  0.  hervor- 
geht, p.  9  Z.  1  V.  unten  u.  p.  10  Z.  !l. 

*)  Vgl.  f.  vitae  p.  (>,  Z.  13:  scientia,  propter  quam  creatus  est  homu, 
u.  a.  anderen  Orten. 

*)  VgL  f.  T.  p.  332,8:  Et  propter  hoc  dicitur  quod  apprebensio  sub- 
stantiarum  secundarum  et  accidenlium  secundorum  non  est  nisi  per  scien- 
tiam  primarum  substantiarum  et  primorum  accidentium  (siehe  oben  p.  17 
dieser  Arbeit). 

Die  Lehre  von  den  ersten  und  zweiten  Substanzen  fnetTtrm  xai 
iwtteai  ovaitu)  stammt  von  Aristoteles,  der  unter  der  ^ersten  Substanz"  das 
Indivtdnnni,  unter  der  „zweiten  Substanz^   den  allgemeinen  Begriff  verstand. 

Indem  man  die  „zweiten  Substanzen*  mit  den  durch  die  Wieder- 
erinnerai^  zu  erkennenden  platonischen  Ideen  identificierte,  entstand  die  be- 
handelte Formel. 

')  VgL  f.  V.  p.  204  Z.  3:  Similiter,  quo  magis  peuetraverit  inteUectus 
id,  quod  est  post  substantiam,  quae  sustinet  praedicamenta,  scilicet  substan- 
tias  spirituales,  donec  perveniat  ad  materiam  primam,  quae  est  contm  sub- 
stantiam, obscurius  fiet  ei  eifse  et  occultius  propter  suam  subtilitatem ;  et  e 
contrario,  quo  magis  redierit  a  materia  et  exierit  ad  propinquiorem  ex  sub- 
stantiis,  decUrabitur  ei^e  et  manifestabitur  propter  suam  crassitudinem. 


ae 

jedoch  auch  der  Lehre  vom  empirisclieu  Wissen,  wie  wir  aus 
der  vorangegangenen  Erörterung  erselien  liaben,  seine  Zustim- 
mung zu  versagen. 

Auch  den  1.  Brüdern  ist  übrigens  die  Annahme  von  primAren 
und  secundären  Substanzen  vielleicht  nicht  ganz  fremd  gewesen; 
wenigstens  Itönnen  wir  einen  Anklang  an  diese  Lehre  hei  ihnen 
finden.  Sie  sagen  nämlich:  Offenbar  und  klar  sind  die  Sub- 
stanzen der  Körper  und  deren  Accidentien;  verborgen  und  ge- 
heim sind  die  Substanzen  der  Seele  und  ihre  Zustände.  OlTen- 
bar  und  klar  sind  die  Dinge  dieser  Weil.  Verborgen  und  dem 
Verstände  der  meisten  verhüllt  sind  die  Dinge  der  andern  Welt: 
Gott  bestimmte,  dafi  das  Offenbare,  Klare  auf  das  Verborgene, 
Geheime  hinweise*). 

Des  weiteren  untersucht  Gabirol  die  Frage,  oh  zum  7u- 
standekoumtoii  der  lOrkenntnis  ^ein  MiLtel"  nötig  sei.  Bei  der 
sinnlichen  Waliinehmung  ist  ein  solches  nötig,  bei  der  Erfassung 
der  intelligiblen  Substanzen  aber  nicht ;  denn  inbezug  auf  die 
sinnlichen  Dinge  ist  die  Seele  nichtwissend;  die  Substanz  der 
Seele  kann  an  sich,  d.  h.  ohne  Vermitlelung  der  Sinneswcrk- 
zeuge,  nicht  die  Formen  der  sinnlichen  Dinge  erfassen.  Nur 
durch  Vermittelung  der  Sinneswerkzeuge  kann  sich  die  Seele 
die  Formen  der  sinnlichen  Dinge  aneignen,  so  dats  sie  dann  in 
AVirklichkeit  dieselben  besitzt. 

Die  Form  der  Seele  kann  alle  Formen  in  sich  aufnehmen, 
weil  sie  allen  Formen  ähnlich  ist:  zur  Erfassung  der  geistigen 
Formen  bedarf  es  keiner  Vemiittelung,  denn  ihr  Wissen  besitzt 
ja  bereits  die  Seele  *). 

Unverkennbar  isl  die  Ähnlichkeit,  welche  zwischen  dieser 
Ausführung Gabirol's  und  ei/ier  Stelle  im  Mikrokosmos  besteht^}. 

Dort  heilet  es  nAnilich:  .At}er  die  geistigen  Dinge  erfatit 
die  rationale  Seele  durch  ihr  Wesen,  ohne  ii-gend  welche  Ver- 
miltelnng  eines  anderen  (n^i  Q'i^  ^y  a**3»X  xVd)'  ^^'^''  s>e  ihnen 


*)  Propädeutik  S.  69.  Hier  wird  dies«  Lehre  iti  ZusHmmenbang  mit 
astrologischen  Spielereien  gebrächt. 

*)  r.  V.  p.  14«,  16tt  u.  170  und  Gultmann  a.  a.  0.  S.  H9,  wo  indM 
die  ßrArteruDK  nii;ht  recht  klar  ist.  —  Die  <^uelle  für  diese  Lehre  ist  riel" 
leicht  Aristoteles  de  animt  UI  43»  b.  30  f. 

»)    p.  5  Z.  8  ft 


27 

hinsichtlich  ihrer  geistigen  Beschaffenheit  und  ihrer  Subtililät 
ähnlich  ist." 

Dies  wären  etwa  die  bemerkenswertesten  Sätze  Josefs  hin- 
sichtlich des  Erkennens,  soweit  diese  Theorien  in  irgend  einer 
Beziehung  zu  Gabirol  and  zu  den  1.  Brüdern  stehen. 

Es  erübrigt  nur  noch,  die  Ansichten  Josefs  und  Gabirols 
hinsichtlich  der  Gotteserkenntnis  zu  vergleichen,  wobei  sich  einige 
schlagende  Übereinstimmungen  ergeben. 

Im  Mikrokosmos  ')  heißt  es:  „Die  Auffassung  von  der  Er- 
kenntnis der  ersten  Substanz  ist  nicht  unmöglich,  aber  auch  nicht 
von  jeder  Seite  (T^  hoti)  niöglich  «).  Möglich  ist  nämlich  von 
dieser  Erkenntnis  allein  die  Beschreibung  der  Attribute  und 
der  von  ihnen  ausgehenden  Handlungen;  die  Erkenntnis  der  von 
allen  Thätigkeiten  abstrahierten  (ersten)  Substanz  ist  uns  versagt." 

Diese  Stelle  ist  der  parallelen  im  fons  vitae  so  ähnlich, 
daß  die  Vermutung  gerechtfertigt  erscheint,  Josef  habe  die 
.Lebensquelle"  vor  sich  gehabt  und  diesen  Passus  wörtlich  in 
sein  Werk  aufgenommen. 

Er  lautet  im  fons  vitae  ^): 
D.    Est  via  ad  attingendum  scientiam   essentiac   primae? 
M     Hoc   scire  non  est   impossibile   nee   ex    omni    parte 

possibile. 
D.  Quid  igitur  ex  bis  est  possibile  et  quid  impossibile? 
M.  Ex  bis  hoc  est  impossibile,  scilicet  scire  essentiam 
essentiae  primae  absque  his  facturis  quae  ab  ea  gene- 
ratae  sunt,  possibile  autem  hoc  est,  scilicet  scire  eam, 
sed  nonnisi  ex  suis  operibus,  quae  ab  ea  generata 
sunt  *). 


»)    p.  47  Z.  11-15. 

*)  Kaufmann:  Attributeolehre,  S.  278  hat  diese  Stelle,  welche  durch 
Vergleichung  rnit  der  analogen  im  f.  v.  ganz  klar  wii-d,  infolge  der  gehäuf- 
ten Negationen  nicht  richtig  übersetzt;  er  sagt  nämlich:  Die  Auffassung  von 
der  ersten  Substanz  zu  erlangen,  ist  völlig  unmöglich;  möglich  istetc.  ..- 
Auf  diesen  Irrtum  K.'s  ist  bereits  aufmerksam  gemacht  worden ;  vgl.  Brüll, 
a.  a.  0.  p.  146.  Die  hebräische  Obersetzung  Falaqera's  ist  an  dieser  Stelle, 
(I  S  5)  nicht  so  ausfQhrlich.  —  Im  Übrigen  ist  oben  Kaufmann's  Obersetzung 
wiedergegeben. 

')    p.  «  Z.  1«. 

•)    Vgl.  auch  Mikr.  p.  47.15  ff.  u.  53,29  ff.  mit  f.  v.  p.  301,  18  ff. 


28 

Auch  hinsichtlich  des  Zwecks  jeglichen  Erkennens  ist  Josef 
ein  treuer  Anhänger  Gabirol's.  Josef  sagt  nämlich  >) :  ^Der  Zweck 
jeglichen  Studiums,  jeglicher  Erkenntnis  ist,  zur  Glückselig- 
keit zu  gelangen;  zwei  Wege  führen  zu  ihr:  Gotteserkenntnis 
und  Erfüllung  seines  Willens'*.  Ebenso  lautet  es  bei  Gabirol*): 
iD.  Quomodo  pertingemus  ad  hoc  (applicationem  animae  cum 
mundo  altiore)?  M.  Scientia  et  opere,  quia  per  scientiam  et 
operationem  conjungitur  anima  saeculo  altiori". 

Auch  die  weitere  Ausführung  Gabirol's  •) :  «et  ontnino  sci- 
entia et  operatio  liberant  animam  a  captivitate  naturae  et  pur 
gant  eam  a  suis  tenebris  et  obscuritate"  ist  Josef  nicht  unbe- 
kannt; er  giebt  sie  so  wieder,  dafi  sie  fast  wie  ein  Citat  er- 
scheint'): „Wissen  und  That  brechen  erst  das  Joch  der  den 
Menschen  sonst  beherrschenden  Natur*.  ^) 

8.7. 
Psyehologfe. 

Die  Seele,  das  geheimnisvolle  Prinzip  des  Lebens  in  uns, 
dieses  große  und  jedem  Denkenden  sich  aufdrängende  Problem, 
wird  auch  von  Josef  behandelt  und  zu  lösen  gesucht.  Er  geht 
aber  hierbei  mehr  auf  das  Ph)  siologische,  als  auf  das  Psycho- 
logische ein,  ganz  im  Sinne  der  1.  Brüder,  die  ihm  auch  in  der 
Seelenlehre  Muster  und  Beispiel  sind. 


»)   p.  1  Z.  12. 

')  p.  4  Z.  26.  Man  erkennt  hieraus,  da£  Gabirol  auf  religiösem  reap. 
jQüischem  Standpunkt  steht,  der  nicht  bloß  Erkennen  Gottes,  sondern  auch 
Erfflilung  des  göttlichen  Willens,  religiöses  Handeln,  fordert  (Im  Allgemei- 
nen spricht  Gabirol  im  f.  v.  so  wenig  von  seiner  Religion,  dafi  man  aus  sei- 
nem Werke  dieselbe  nicht  erkennen  kann). 

Bemerkenswert  ist  auch  die  Äußerung  der  1.  Br.,  von  denen  sich 
eigentlich  mehr  eine  quietistische  Beschaulichkeit  als  höchste  Gottesver- 
ehmng  vermuten  ließe.  Weltseele,  p.  134.  heißt  es:  «Das  erhabenste  Glflck 
aber  erreichen  die,  so  Gott  nahe  stehen.  Ihr  Glflck  aber  besteht  in  3  Eigen- 
schaften: 1.  daß  sie  ihren  Herrn  erkennen,  2.  daß  sie  mit  der  Sorge  ihrer 
Seele  ihm  zustreben,  3.  daß  sie  sein  Wohlwollen  im  Handel  und  Wandel 
erstreben. 

")    p.  ö  Z.  2. 

*)    p.  H3  letzte  Zeile. 

*;  -Auf  diese  Übereinstimmung  ist  bereits  in  der  hebr.  Zeitschrift 
J'schurun  Hd.  II,  deutscher  Teil.  S.  AT  aufmerksam  gemacht  worden. 


29 

So  spricht  er  ausführlich  bei  der  Erörterung  über  die  ve* 
gelative  Seele  (p.  25)  über  Erzeugung  und  Bildung  des  Men- 
schen^); bei  der  Behandlung  der  animalischen  Seele  redet 
er  vom  Herzen,  vom  Gehirn  und  von  der  Atmung,  wobei  er 
namentlich  betont,  da£  jede  Bewegung  der  Brust  willkürlich 
sei ').  Er  unterscheidet  zwischen  activen  und  passiven  Kräften  der 
animalischen  Seele.  Die  activen  sind  die  Bewegungen  der  Brust, 
die  passiven  die  Affeete ,  welche  er  an  dieser  Stelle  erörtert  *). 
Gleichzeitig  definiert  er  auch  die  Lust  und  Unlust:  „Lust" 
ist  das,  was  uns  in  unseren  natürlichen  Zustand  versetzt,  nach- 
dem wir  in  einem  unnatürlichen  gewesen  sind  ,  »Unlust"  das, 
was  uns  aus  dem  natürlichen  in  einen  unnatürlichen  Zustand 
versetzt. 

Erst  nachdem  Josef  über  Leben  und  Tod,  Schlaf  und  Er- 
wachen —  im  Anschluß  an  die  1.  Brüder  —  gesprochen  hat, 
behandelt  er  die  rationale  Seele. 

Jm  Allgemeinen  steht  Josef  in  der  Psychologie  auf  Aristo- 
telischem Standpunkt. 

Josef  erklärt  die  Seele  als  eine  Substanr. ');  mit  besonderer 
Schärfe  bekämpft  er  im  Sinne  der  1.  Brüder  die  Ansicht  der 
Mutakallimun,  welche  die  Seele  für  ein  Accidens  ^)  und  ein  Tem- 
perament (3tD  Mischung)  halten. 

Die  L  Brüder«)  sagen  von  der  Seele  aus,  sie  sei  eine  ein- 
fache, geistige,  der  Kraft  nach  wissende,  die  Vortrefiflichkeit  der 
Vernunft  zeitlos  annehmende  Substanz. 

Den  1.  Brüdern  dürfte  Gabirol  gefolgt  sein.  Wir  finden 
zwar  nirgends  eine  wörtliche  Wiedergabe  dieser  Lehre,  aber 
dennoch  sagt  er  von  der  Seele  dieselben  Bestimmungen  aus. 

Die  Seele  ist  eine  Substanz,  die  nicht  sinnlich  ^),  sondern 
geistig  ^),  nicht  ausgedehnt  ^),  sondern  einfach  '^)  ist. 


»)    Vgl.  Anthropologie.  S.  64  flf. 

«)    p.29. 

*)    Daselbst 

*)    p.  36  Z.  9  V.  n.;  p.  37  Z.  3  v.  u. 

*)  cfr.  Haimonides:  Höre  n'buchim  1,  71,  Praemisse  5  und  6.  Schon 
Saadja  widerlegt  diese  Theorie,  sogar  durch  einen  kelam istischen  Satz. 
Tgl.  Schmiedl :  Stadien.  S.  137. 

«)    Weltseele.  S.  25. 

')    Vgl  p.  25  Z.  Ift. 

•)    p.  147.10.    —     •)    p.  196,16.    —     '«)  p.  Ui;i»;  132,15  u.  sonst. 


30 

Es  ist  ganz  naturlich,  dafi  Gabirol  —  im  Sinne  seiner  Phi- 
losophie —  von  der  Seele  annimmt,  dafi  sie  aus  Materie  und 
Form  zusammengesetzt  sei '). 

Bei  Josef  flndet  sich  dieser  Satz  nicht  vor. 

In  Obereinstimmung  mit  der  Philosophie  seiner  Zeit  unter- 
scheidet Josef  eine  dreifache  Seele:  Die  vegetabilische,  die  ani- 
malische und  die  rationale  Seele.  Entsprechend  der  neupla- 
tonischen Ansicht  redet  er  von  den  drei  Seelen  bald  im  Sinne 
der  Einzelseele,  bald  im  Sinne  der  Weltseele. 


Die  TegetaUllsehe  8e«le, 
hebräisch  nnOWI  tS'Sii  auch  H^TlHp  „Wachstum  veranlassende 

Seele".  Ihr  Sitz  befindet  sich  in  der  Leber*).  Ihre  Kräfte  sind 
das  Emährungs-,  Wachs-  und  Bildungsvermögen.  Das  Emäh- 
rungsvermögen  hat  vier  Kräfte:  das  Anziehungs-,  Festhaltungs-, 
Verdauungs-  und  Ausscheidevermögen.  Diese  Kräfte  muü  man 
sich  in  enger  Verbindung  mit  einander  und  ohne  Möglichkeit 
gegenseitiger  Stellvertretung  denken.  Sie  sind  geistige  Kräfte 
und  haben  ihre  Quelle  in  den  Weltkräften  (nTVlDTI  HITO  uni- 
versale Kräfte),  die  in  der  Oberwelt  sind*). 

Der  vegetabilischen  Seele  ist  das  Begehren  zu  eigen'); 
dem  Range  nach  steht  sie  unter  der  animalischen  Seele. 

Eine  Vergleichung  mit  den  Lehren  der  1.  Brüder'^)  beweist 
deutlich,  data  Josef  inbe/^ug  auf  die  rein  physiologische  Bedeutung 
der  vegetabilischen  Seele  mit  ihnen  fibereinstimmt. 

Was  die  7  Kräfte  der  veg.  Seele  anbelangt,  welche  die  1. 
Brüder  anführen  %  so  scheidet  er  deutlich  zwischen  den  3  letz- 
ten und   den  4  ersten.    Er  schreibt   dem   Emährungsvermögen 


0    f.  V.  p.  212  z.  n. 

*)    Nach  Plato  im  Unterleib  überhaupt 

")  p.  2f>.  Inbetreff  der  Einteilung  der  Seelenkrftfte  in  der  jüd.  Reli- 
gionsphilosophie vgl.  Rosin:  Ethik  des  Haimonides,  S.  46,  Anni.;  Josef  ist  indes 
hier  nicht  mit  behandelt. 

*)  Bei  Plato  ist  die  unterste  Stufe  ebenfalls  das  BegehningsvennOgen. 
Aristoteles  dagegen  (de  anima  II,  2  fl.  und  eth.  Nie.  I,  13)  schreibt  das  Beehren 
der  animalischen  Seele  zu.    Die  I.  Brüder  folgen  Ptato.    Vgl.  Logilc.  S.  118. 

'-}    Weltseele.  S.  20  IT.  Anthropol.  S.  4,13,  67  u.  Logik.  S.  118. 

*)    Daselbst. 


die  4  Kräfte  zu,  welche  von  den  l.  Brüdern  zuerst  angeführt 
werden  i). 

Dem  Ausdruck  „Teüseele*  begegnen  wir  nicht  bei  Josef, 
obwohl  er  auch  mit  den  I.  Brüdern  übereinstimmt,  indem 
er  die  geistigen  Kräfte  der  veget.  Seele  von  der  himmlischen 
Allseele,  d.  h.  von  den  Kräften  der  Allseele,  ausgehen  täfit.  *) 

Über  den  Sitz  der  veg.  Seele  verlautet  bei  den  1.  Brüdern 
nichts;  ihr  Rangverhältnis  geht  aus  der  ganzen  Gruppierung 
hervor. 

Bei  Gabirol  finden  wir  fast  dieselben  Lehren  hinsichtlich 
der  anima  vegetabilis  sive  crescibilis  ^).  Wenn  er  auch  nicht 
ihre  sieben  Thätigkeilen  besonders  hervorhebt,  so  gruppiert  er 
sie  doch  ebenfalls.  Gr  sagt:  Actiones  animae  vegetabilis  sunt 
vegetare  et  generare  *).  Vorher  '*)  hat  er  aber  bereits  geäußert: 
Nonne  es  tu  videns  in  vegetabilibus  motum  Crescendi  et  alendi 
et  generandi  ? 

Unter  generare  gruppiert  er :  reiinere  et  mutare,  unter  vege- 
tare: attrahere  et  pulsare  % 

Diese  Kräfte  können,  da  die  von  ihnen  ausgehenden  Wir- 
kungen gleichartig  sind,  nicht  verschiedenen  Substanzen  ange- 
hören, sondern  es  muß  Eine  Substanz  sein,  welche  vermittelst 
verschiedener  Kräfte  alle  diese  Wirkungen  hervorbringt.  Die 
particuläre  Substanz  Ist  demnach  auf  die  universelle  Substanz 
zurückzuführen.  Es  müssen  mithin  die  3  particulären  Seelen 
ihren  Grund  in  3  universellen  Seelen,  und  die  particuläre  In- 
telligenz muß  ihren  Grund  in  einer  universellen  Intelligen?,  haben. 

Die  Ähnlichkeit  zwischen  dieser  Ansicht  und  der  \m  Voran- 
gegangenen besprochenen  ist  unverkennbar,  sie  erscheint  nur 
in  der  Färbung  der  Philosophie  Gabirors.    Bei  Josef  tritt  diese 


')  Vgl.  Abrab.  ibn  Daod  (Emuna  rama  I,  6  —  deutsch  S.  25),  der  sie 
ebenso  gruppiert 

VtT  Ursprung  dieser  Lehre  iat  vielleicht  auf  Hippokrates  zurückzu- 
fBhren,  dessen  Aussprflcbe  Schahrastani ,  Haarbr.  II,  149  mitteilt.  Vgl. 
Rosin:  Ethik  des  Maim.   S.  4B  Anm.  und  Guttmann:  Saadja.  S.  23.  Anm.  2. 

')    Hikrokosmos  p.  25  und  Antbropol.  S.  66. 

■)    f.  V.  p.  183,20  u.  22. 

*)    184,17. 

")    181,14. 

*)  p.  184  u.  IS&.  Auch  von  einer  festhaltenden  Kraft  spricht  Gabirol 
p.  185,18. 


>2 

Lelire  nicht  so  scharf  hervor.  Die  Bewegung,  welche  Gabirol 
als  neues  Moment  anführt  und  die  die  Aufgabe  hat,  zum  Ersatz 
für  die  aufgelösten  Teile  neue  Teile  der  Materie  heranzuziehen 
und  dieselben  an  die  einzelnen  Teile  des  Körpers  unzuschlieüen, 
übergeht  Josef.  Er  verfahrt  hierbei  durchaus  consequent.  denn 
auch  bei  der  Lehre  vom  Wüten  berücksichtigt  er  niclit  die  Be- 
wegung,  welche  in  der  Philosophie  Gabirol's  eine  große  Rolle  spielt. 

In  einem  Punkte  widerspricht  Josef  der  Lehre  des  Gabirol. 
Bei  diesem  heißt  es  nämlich  ^) :  anima  autem  vegetabilis  coniun- 
gilur  essentiae  corporum,  quia  convenit  eis  in  crassilndine. 

Josef  dagegen  äußert  sich  «):  „Die  vegetalive  Seele  ist  in  dieser 
Welt  nur  im  menschlichen  Körper*),  auf  den  sie  ihre  Krall 
ausstWiml;  denn  sie  ist,  wenn  wir  sie  mit  dem  groben,  mensch- 
lichen*) Körper  vergleichen,  subtil;  ohne  Trftger  kann  sie  eben 
so  wenig  bestehen ,  wie  etwa  das  Feuer  ohne  Lud  nnd 
Nahrung.' 

Die  Schwierigkeit,  sich  die  Verbindung  zweier  so  ungleich- 
artiger Dinge,  wie  Körper  und  vegetative  Seele  zu  denken,  liat  Josef 
nicht  hervorgehoben';  er  baut  auf  dieser  Lehre  weiter,  ohne 
irgendwo  anzugeben,  wie  man  sich  eigentlich  diese  Verbindung 
sorznstellen  habe. 

Das  Verhältnis  der  vegetativen  Seele  zur  Natur,  das  Gabirol 
betont*):  ,iactio  naturae  est  minus  perfecta,  quam  actio  auimae 
vegelabilis",  und  das  auch  die  I.  Brüder  berücksichtigen,  wird 
von  Josef  nicht  in  den  Kreis  der  Erörterung  hineingezogen.  Der 
Grund  wird  bei  der  Besprechung  der  Intelligenz  angegeben 
werden. 

Betrachten  wir  nunmehr  Josefs  Ansicliten  über 


Die  ■nimallNohe  Heele, 

hehr,  m^nn  C^33i   auch  als    Vital -Seele    zu    übersetzen    tTSU 


»)  p.  188^1. 

')  p.  ti  unten. 

')  D.  I).  daß  sie  nictit  :tuß«rhutl}  eines  Körpers  lieslelit. 

•)  Lies  p.  23.  Z.  L  1Ö^J<^. 

■)  p.  IbT),!!. 

■)  P,  31. 


36 

Die  animalische  Seele  hat  ihren  Sitz  im  Herzen  >),  sie  haf- 
tet an  dem  reinen,  roten  Herzblut;  deswegen  sehen  wir  im 
Herzen  zwei  Kammern  —  in  der  einen  ist  der  Geist,  in  der 
zweiten  das  Blut.  Ans  diesem  Grunde  finden  wir  nach  dem 
Tode  in  der  einen  geronnenes  Blut,  die  zweite  aber  leer;  der 
Tod  tritt  nur  dann  ein,  wenn  die  Mischung  (des  Blutes)  im  Her- 
zen schlecht  ist  oder  das  Herz  einen  großen  Fehler  hat  *). 

Der  vitale  Geist,  welcher  kraft  der  vitalen  Seele  im  Herzen 
ist,  bewirkt  die  Bewegung  und  Empfindung  ^) ;  Bewegung  und 
Empfindung,  d.  h.  das  Leben,  wird  somit  durch  die  vitale  Seele 
veranlaßt*).  Die  vitale  Seele  verbindet  sich  mit  dem  Körper, 
wenn  die  Glieder,  die  Gestalt  und  der  Bau  des  Embryos  vollen- 
det ist ;  da  die  vitale  Seele  nun  äußerst  fein,  der  Körper  aber  an 
und  für  sich  tot  und  plump  ist,  so  kann  sie  sich  nur  mit  einem 
Körper  verbinden,  in  dem  bereits  eine  vegetabilische  Seele   ist. 

Darum  wird  die  vitale  Seele  von  dem  vitalen  Geist  ge- 
tragen, welcher  eine  von  ihren  Kräften  ist.  Der  vitale  Geist 
wiederum  wird  von  dem  reinen  Blut  der  Arterien  getragen.  In 
jeder  Arterie  sind  zwei  Häutchen  ") ;  in  dem  einen  dadurch  ent- 
stehenden Teile  ist  der  Geist,  in  dem  andern  das  Blut.  Dies 
ist  flüssig,  der  Geist  luftförmig  und  beweglicher  als  das  Blut; 
würde  es  den  Geist  hindern,  den  ganzen  Körper  zu  durch- 
dringen, so  träte  sofort  der  Tod  ein  ^). 

Die  Seele  ist  nicht  das  Leben,  sondern  nur  die  Ursache 
desselben  ^).  Dem  Bange  nach  steht  die  vitale  Seele  unter  der 
rationalen^),  welche  sich  erst  durch  die  vitale  Seele  mit  der 
vegetabilischen  Seele  verbindet  ^).  Die  rationale  Seele  zieht  die 
vitale  nach  sich  und  strömt  auf  sie  das  Dasein  aus  '°). 


>)    Platonisch. 

•)    P-27. 

•)    p.  28,15. 

*)    p.  30,3. 

*)  Die  Ausdrncksweise  ist  nicht  ganz  correkt,  denn  durch  zwei  HSut- 
eben  entstünden  in  der  Arterie  3  Teile.  0  hat  Abrigens  die  Worte  ^J^S 
Qi^~)^  nicht,  die  TJellt-icht  zur  Erklärung  hinzugefügt  sind. 

■)    P.  27. 
^    p.31. 
")    ibid. 
•)    p.  30. 

")    p.  31.    Gelegentlich  erwähnt  Josef,  daß  die  Sinne  zur  i  > 

Docior,  Joaet' ibn  Zaddik  ^ 


84 

Die  Behandlung  der  animalischen  Seele  läßt  infolge  der 
fortwährenden  Verschmelzung  physiologischer  und  psychologischer 
Vorgänge  an  Klarheit  vieles  zu  wünschen  übrig.  Die  Kürze  der 
Ausführung  und  die  Unsicherheit  des  Textes  niacheu  eine  ge- 
naue Erklärung  fast  unmöglich. 

Bei  den  1.  Brüdern  ist  die  Lehre  von  der  animalischen 
Seele  vollkommen  in  den  Hintei*grund  getreten.  Sie  wird  nur 
gelegentlich  ganz  kurz  erwähnt.  Nur  einen  einzigen  Satz  scheint 
Josef  von  ihnen  angenommen  zu  haben:  ')  »Ist  der  Bau  des 
Körpers  in  der  von  Gott  bestimmten  Zeit  vollendet,  so  über- 
trügt ihn  die  Tierseele  von  dort  in  die  Weite  dieser  Welt." 

Wie  sich  die  Seele  mit  dem  Körper  verbinde,  haben  die 
1.  Brüder  jedenfalls  nicht  als  Problem  aufgefaßt,  sie  constatieren 
nur  die  Thatsache  der  Verbindung  beider. 

Gabirol  benutzt  die  animalische  Seele  (anima  sensibills, 
senliens,  animalis) ,  um  sie  gleichsam  als  Baustein  dem  Ge- 
bäude seines  Systems  einzufügen.  Ihre  Tiiätigkeil  sind  sinnliche 
fimpfmdung  und  wülkürlii^hc  Bewegung^);  im  Hange  steht  sie 
höher  als   die  vegetabilische  Seele. 

Soweit  folgt  Josef  durchaus  dem  Gabirol.  Charakteristisch 
aber  ist  es,  dali  er  ein^n  Punkt  der  dortigen  Ausführung  sich 
nicht  zu  eigen  macht.  Gabirol  nämlich  verwendet  an  der  von 
Josef  —  wie  es  scheint  -  benutzten  Stelle  die  vitale  Seele  als 
Beweis  für  seine  Lehre  vom  Medium. 

Er  sagt  nämlich:  »Der  erste  Schöpfer  ist  der  Anfang  der 
Dinge,  und  der  Anfang  der  Dinge  ist  getrennt  vom  letzten  der- 
selben ;  die  Substanz,  welche  die  9  Kategorien  trägt,  ist  al>er 
das  letzte  der  Dinge  —  mithin  ist  der  erste  Schöpfer  getrennt 
von  der  Substanz,  welche  die  9  Kategorien  trägt.  Wir  nelmien 
nun  diesen  Schlutd  als  Vordersatz  und  sagen:  Der  erste  Schöpfer 
ist  getrennt  von  der  Substanz,  welche  die  9  Kategorien  trägt; 
zwischen  zwei  Dingen,  die  von .  einander  gelrennt  sind,  d.  h. 
zwischen    denen    eine  Trennung   Btattfindet«   muß   es   aber  ein 


Seele  geboren  p.  37;  vgl,  Kaufmann:  Die  Sinne  p.  .5ä  Anm.  Aach  die  AfTecle, 
wie  Zorn,  sind  der  Seele  eigen,  siehe  oben;  bei  den  I.  Brüdern  führt  die 
aniin.  Seele  Glters  ilen  Xatnen  , Zornseele*.  Es  findet  bei  diesen  AusfSh- 
rungcn  eine  Verschmelzung  t'Jatonifcher  und  Aristolelischer  Psychuluifie  slatL 

')    WelUeele  2.'). 

•)    f.  V.  p.  180^ 


_35 

Mittleres  geben,  da  sie  ohne  ein  solches  ein  Ding  und  nicht  ge- 
trennt wären.  Mithin  muta  es  zwischen  dem  ersten  Schöpfer 
und  der  Substanz,  weiche  die  9  Kategorien  trägt,  ein  Mitt- 
leres *)  geben". 

„Giebt  es  denn  aber  ein  Mittleres  zwischen  der  Seele  und 
dem  Körper,  die  doch  auch  von  einander  getrennt  sind  ?  Ge- 
wiß giebt  es  ein  Mittleres  auch  zwischen  diesen  beiden,  nämlich 
den  Lebensgeist  (spiritus  oder  Spiritus  animalis  *);  hebräisch 
'nn  rm');  ohne  diesen  wäre  auch  eine  Verbindung  zwischen 
beiden  nicht  möglich.  So  muß  es  also  auch  zwischen  Gott  und 
der  Substanz  der  Kategorien  ein  Mittleres  geben. 

Sicherlich  mit  Absicht  hat  Josef  auch  bei  Benutzung  dieser 
Stelle*)  jede  Erwähnung  vom  Mittleren  unterlassen;  denn  wir 
finden  die  Ausscheidung  der  Lehre  des  , Mittleren*'  mit  Conse- 
quenz  in  der  Philosophie  Josefs  durchgeführt. 

Vielleicht  that  er  dies,  weil  es  sich  mit  seiner  religiösen 
Oberzeugung  nicht  vereinigte,  zwischen  Gott  und  der  Welt  ein 
Mittelwesen  anzunehmen,  da  ja  ein  allmächtiger  Gott  dess?lben 
nicht  bedarf*). 

Gabirol  spricht  nicht  von  einer  Verbindung  der  rationalen 
Seele  mit  der  vegetabilischen  durch  die  vitale  Seele,  wie  es 
Josef  thut  Für  Gabirol  ist  die  vitale  Seele  nur  Mittel  zwischen  Seele 
und  Körper ').  Josef  aber  ging  noch  auf  die  Frage  ein,  wie  die 
vitale  Seele  sich  mit  dem  Körper  verbinde.   Die  Antwort  lautet: 


*)  f.  V.  p.  75  und  Onttmann.  a.  a.  0.  S.  116  (siehe  auch  Anm. ',  wo 
darauf  hingewiesen  wird,  daB  auch  der  Kalam  diesen  Lehrsatz  hat). 

")    f.  V.  p.  194,4. 

')  Noch  prägnanter  ist  der  Ausdruck  in  dem  hebr.  Auszuge  Fala- 
qera's,  M'kor  chajiin  IH,  3  ^y^J^H  mit  '"^^  „Mitlelgeist"  für  die  vi- 
tale Seele  bedeutet. 

*)  p.  194,  wo  eine  fast  wörtliche  Obereinstimmung  mit  Mikrokosmos 
p.  30  vorbanden  ist  Wie  Gabirol,  erklärt  übrigens  ancb  Juda  ballevi  (Kusari 
II,  26)  den  Zusammenhang  zwischen  Leib  und  Seele.  Vgl.  Schmiedl:  Stu- 
dien. 8.  145  und  Anm.  1;  siehe   aucb  Kaufmann  :    Theologie   S.  26.  Anm.  5. 

•)    Vgl.  weiter  unten  S.  50  ff. 

*)  Guttmunn  —  S.  116.  Anm.  2.  —  identifiziert  die  vitale  Seele  mit 
dem  Lebensgeist;  diese  Ansicht  mufi  dahin  berichtigt  werden,  daß  der 
Ldwn^eist  eine  Function  der  vitalen  Seele  ist,  wie  es  auch  Josef  p.  27,  Z.  13 
«Uftrt 

8* 


»Durch  die  vegetabilische  Seele,  weiche  dem  Körper  am  nächstettj 
sieht'.  Zu  dieser  Ansicht  hat  ihn  der  Umstand  gezwungen,  da 
er  der  Lehre  von  der  vitalen  Seele  als  einem  Medium  zwischen 
Körper  und  Seele  ausweichen  wollte  —  oder  weil  er  der  Lehre 
Gabirol's,  daß  die  animalische  Seele  sich  mit  den  ihr  an  Fein- 
heit gleichenden  Formen  der  Körper  verbindet  und  diese  ihrer 
körperlichen  Konn  entkleidet,  während  die  vegetabilische  Seele 
sich  vermittelst  der  Nähe  und  Continuität  mit  dem  Wesen  der 
Körper  selbst  verbindet,  weil  sie  diesen  an  Grobheil  gleich  ist*), 
nicht  zustimmen  wallte. 


Die  ntioniil«  Seele. 

Am  ausführlichsten  behandolt  Josef  in  der  Psychologie  die 
Lehre  von  der  rationalen  Seele  *).  Sie  soll  im  folgenden  wieder- 
gegeben werden. 

Die  rationale  Seele  ist  die  oberste  Gattung  der  Seelen. 
Die  Vernunft  wird  —  obwohl  sie  selbstsländige  Substanz  ist  und 
die  Seele  thätig  unterstützt  —  Seele  genannt,  weil  die  rationale 
Seele  mit  der  Vernunft  im  Stoffe  übereinstimmt;  deshalb  wird 
die  rationale  Seele  nadi  erlangter  Vollkuinntenhcit  selbst  Ver- 
nunft ^).  Aus  diesem  Grunde  wird  auch  die  rationale  Seele  po- 
tentielle Vernunft  genannt.  Es  l)esteht  /.wischen  ümen  nur  ein 
Banguntcrschied.  Die  intelligible  Welt  steht  zwar  nicht  örtlich 
höher;  sie  hat  aber  doch  einen  größeren  Vorzug,  denn  ihre  Ma- 
terie ist  das  reint'  Licht  und  der  lautere  Strahl  *). 

In  der  Intelligenz  ist  keine  Unvernunft,  da  sie  aus  Gottes 
Alhnaclil  unmittelbar  hervorgehl.  Gott  verlieh  ihr  Unendlichkeit 
und   Vollkommenheit  ^).     Wurde    der   Schöpfer  des  Alls   einen 


')    Gottmann  S.  Uj6. 

*)    Mikrokosmos  p.  .^  It 

*)  Gaitz  ätinlicli  heifil  es  im  T.  v.  p.  HlO:  Similiter  anima  rationali«, 
desiderat  formas  inleUigibiles.  hoc  est,  ijuia  aninrn  particularis,  dum  vockt 
inlellcctufi  primus,  est  in  (suoj  principio  sicut  hyle  receptrix  forniae;  Md 
cum  receperit  formam  intelligentiae  universalis,  i|uae  est  inlellectus  tertius,  et 
fiieril  intelligeDtia,  tiinc  erit  facilis  ad  agcndum  et  vocabitur  iotellectus  secnndus. 

*)    Vgl.  WelUwele  S.  24  und  Guttmann:  Gabirol  S.  48.  Anui.  7. 
*)    Siehe  weiter  uoten  9.  50. 


37 

Augenblick  aufhören  *),  über  seine  Geschöpfe  seine  Güte  zu  er- 
gießen, so  würde  alles  in  das  früliere  Nichts  zurückkehren. 

Ist  nun  die  Seele  denkend  geworden,  dann  kehrt  sie  zur 
Vernunft  zurück  *).  Die  Vernunft  erleuchtet  die  Seele,  strömt  auf 
sie  ihr  Licht  aus. 

Die  rationale  Seele  ist  eine  geistige  Substat)z,  sie  hat  auch 
geistige  Accidentien,  z.  B.  Erkenntnis,  Wohlwollen,  Güte,  Red- 
lichkeit und  ähnliche  Eigenschaften;  sie  werden  mit  der  Seele 
mitgeschaffen.  Thorheit,  Unredlichkeit  und  Bosheit  sind  keine 
Gegensätze,  sondern  lediglich  Negationen  »)  (ein  Fehlen),  wie  Blind- 
heit z.  B.  Fehlen  des  Gesichtes  ist.  Gott  schafltt  nichts  Mangel- 
haftes und  findet  an  ihm  keinen  Gefallen;  das  Böse  entsteht, 
weil  die  Empfänglichkeit  zum  Guten  und  Vollkommenen  zu 
gering  war. 

Erkenntnis,  Gerechtigkeit,  Hoffnung  und  Demut  sind  die 
Eigenschaften,  welche  zur  Glückseligkeit  führen  *). 

Die  rationale  Seele  ist  erkennend  und  forschend;  sie  hat 
die  Fähigkeit,  Begriffe  zu  bilden,  allgemeine  Regeln  zu  finden, 
Vordersätze  aufzustellen  und  Schlüsse  zu  ziehen.  Die  rationale 
Seele  ist  der  Grund,  daiä  uns  Gebote  gegeben  wurden ;  um  ihret- 
willen werden  wir  belohnt  oder  bestraft. 

Die  Vernunft  ist  in  der  Seele  potentiell  vorhanden;  durch 
flei&ige  Übung  und  Studium  wird  sie  wirkend.  Wäre  die  Ver- 
nunft in  der  Seele  weder  potentiell  noch  in  Wirklichkeit,  so 
könnte  sie  überhaupt  keine  Wissenschaft  erlangen.  Dadurch 
aber,  da£  sie  potentiell  vorhanden  ist,  ist  dies  möglich;  dadurch, 
da&  sie  wirkend  ist,  ist  dies  notwendig.  Von  vornherein  ist  die 
Vernunft  deswegen  in  der  Seele   nicht  wirkend,    weU   sie   dann 


*)  Vgl  Weltseele  S.  93 ,  wo  ein  ganz  ähnlicher  Gedanke  ausge* 
gesprochen  wird. 

*)  Die  Ansichten  Plotin's  IV,  4,  (Zeller:  Philos.  der  Griechen  '  HI  b, 
S.  610):  Nicht  blofi  der  Nus.  sondern  auch  die  Seele  vereinigt  sich  mit 
Gott;  und  (das.  S.  613):  die  Seele  wird  in  der  Anschauung  der  Gottheit  nicht 
allein  mit  sich  selbst  eins,  indem  der  Gegensatz  des  vov?  und  der  ipvxn  ver- 
schwindet, sondern  auch  mit  jener  —  sind  vielleicht  die  Quelle  für  Josef 
gewesen. 

*)  Auch  bei  Plotin  ist  das  Böse  die  Negation  des  Guten:  djiovaut  dya&ov; 
TgL  Zeller  •  III  b,  S.  548. 

*)    Vgl.  Bacher:  Die  Bibelexegese  S.  102.  Anm.  8. 


88 


der  Seele  gleich  wäre  und  Übung  und  Studium  überflüssig  machte. 
Diese  sind  aber  notwendig,  damit  der  Mensch  den  Weg  zum 
Guten  wähle  und  sich  vom  Weg  zum  Bösen  entferne.  Darum 
heiiJtdic  rationale  Seele  auch  ^Erkeuntiiisseele"  (XÜMn^tS^SS-)  '). 

Auch  diese  Ausführungen  finden  bei  den  I.  Brüdern  *|  und 
bei  riabirol   mehr  oder  minder  schlagende  Analogien. 

Mit  Gabirol  stimmt  Josef  in  der  Ansicht  überein,  daß  die 
Intelligenz  aus  dem  Schöpfer  hervorge}ie,  dalä  die  rationale  Seele 
und  die  Intelligenz  von  gleichem  Stoff  seien  *),  daß  die  Intelli- 
genz von  vollendeter  Vollkommenheit  ist  und  höher  sieht  als 
die  rationale  Seele. 

Liegt  in  dieser  Übereinslimniung,  da  sie  eine  allgemein 
netiplutonische  Ansicht  betrifTl.  nichts  sonderlich Charakleristisches, 
so  ist  dagegen  hinsichtlich  eines  anderen  Punktes  die  bis  ins 
einzelne  des  Ausdrucks  gehende  Cbereinslimmimg  um  so  bedeut- 
samer: die  Art,  wie  Gabirol  und  Josef  über  die  Entwickelung 
der  rationalen  Seele  zum  Intellekt  sprechen  *). 

Zu  bemerken  ist  übrigens,  dalj  der  Ureprung  dieser  Lehre 
bei  Alexander  von  Aphrodisias  zu  suchen  ist  Er  lehrt,  im 
Gegensatz  zu  Aristoteles,  daß  der  (mögliche)  vovq  (hebr.  ^^^J?) 
nicht  von  der  übrigen  Seele  getrennt  ist,  sondern  ursprünglich 
nur  eine  Anlage  —  voi'g  t'//xos  ««<  ffroix6(;  —  ist.  Durch 
Übung  und  Gebrauch  w^ird  er  zur  wirklichen  Denkihätigkeit: 
vot'c  hiixTijTOQ  oder  i'orc  xaO'  ^itv  *). 

Wie  bei  Gabirol  die  Psychologie  überhaupt  in  den  Hinter- 
grund tritt  und  wie  er  sie  nur  gelegentlich  als  Argument  für 
seine  Philosophie  anwendet,  so  geschieht  dies  auch  hinsichtlich 


*)    Mikrokosmos,  p.  39.  ot>en. 

')  Wcllfl«Ie  S.  13:  (Die  Vernunft  und  Seele  stimmen  im  Stoff  Qberein). 
denn  sie  sind  beide  geistige  Substanzen.  Die  Vernunft  steht  höher  als  die 
S«ele;  sie  emanierte  vom  Schfipfer.  hat  Bestand,  iät  vollendet,  vüllkommea. 
Auf  die  Seele  schütlet  sie  den  Krguü  des  Guten  und  Cberfluß  Tom  Schöpfer. 
Hinsichtlich  der  potentiellen  unO  wirklichen  Denktbütigkeil  siehe  Logik  S.  70. 

")  Bei  Gabirol  heifit  es:  Die  von  der  Intelligenz  und  von  der  rationalen 
Seele  ausgebenden  Wirkungen  gehören  derselben  Gullung  au. 

')    Siebe  S.  3^  Anm.  3  dieser  Arbeit. 

*)  Vgl.  Zeller"  III  a.  S.  706.  Plolin  ging  auf  Grund  dieser  Lehre  von 
der  bylischen  Vernunft  weiter  und  erklärte  den  Geist  för  die  Form  der  nur 
ftl-i  Mi'ntlicbkeil  vorhandenen  Seele.  Zeller'  lU  b,  S.  &10  fT.  Vgl.  Uosin;  Ethik 
d.  Haimonides  S.  51. 


89 

der  Lehre  von  der  rationalen  Seele.  Seine  Lehre  steht  im  eng- 
sten Zusammenhang  und  Einklang  mit  seiner  ganzen  Philosophie. 
Was  er  von  der  rationalen  Seele  lehrt,  soll  nur  beweisen,  daß 
durch  sie  sein  System  bestätigt  wird,  und  umgekehrt  durch 
sein  System  sie  die  wahre  Erklärung  findet. 

Josef  scheint  indessen  nicht  in  allen  Stücken  der  Lehre 
Gabirol's  von  der  rationalen  Seele  beizustimmen.  Das  geht 
daraus  hervor,  daß  er  durchweg  die  Lehre  von  dem  Gattungs- 
begriff der  Bewegung  *)  ausgeschieden  hat,  in  welchem  alle  Wir- 
kungen der  Seelen  übereinkommen*);  auch  von  der  Ansicht,  daß 
die  Seelen  infolge  ihrer  Wirkungen  in  dem  Verhältnis  von  Ur- 
sache und  Folge  stehen,  finden  wir  bei  Josef  kein  Wort. 

d. 

Die  Weltseele. 

Die  1.  Brüder  haben  der  Lehre  von  der  Weltseele  einen 
hervorragenden  Platz  in  ihrer  Philosophie  eingeräumt  und  sogar 
einen  umfangreichen  Teil  ihrer  Abhandlungen  nach  der  Welt- 
seele benannt. 

Auch  in  der  Philosophie  Gabirol's  erfahrt  die  universelle 
Seele  eine  eingehendere  Behandlung. 

Josef  hat  ihrer  Erörterung  so  wenig  Worte  gewidmet,  daß  man 
die  Beziehungen  zwischen  seiner  Lehre  und  der  der  1.  Brüder  und 
Gabirol's  nicht  gut  untersuchen  kann.  Er  bemerkt  ausdrücklich*), 
daß  er  über  diesen  Gegenstand  nur  sehr  wenig  sprechen  wolle, 
da  eine  Erörterung  zu  schwierig  sei,  abgesehen  davon,  daß  die 
Philosophen  vielfach  irrige  Ansichten  hierüber  hätten,  und  auch 
die  alten  Philosophen  davon  gehandelt  hätten. 

Josef  lehrt*):  „Nach  Analogie  unserer  Seele  denken  wir 
uns  eine  Weltseele   (H'^^pn  C^SSH);   wir  nehmen  an,   daß  die 

Weltseele  gleichfalls  als  ein  rein  geistiges  Wesen  ^),  weder  Kör- 
per ist   noch   einen   Körper   erfüllt  noch   unter    die  Zeil   fällt. 


*)  Vgl.  auch  weiter  UDlen  S.  47  ff. 

»)  Vgl.  Guttmann.  a.  a.  O.  S.  irü  ff. 

')  p.  39.  Z.  17  u.  18. 

*)  p.  39. 

»)  Dasselbe  sagt  Plotin.  Vgl.  ZeUer  ^  III  b,  S.  538-  Vgl.  Weltseele  S.  24. 


40 

Hiernach  giebt  es  also  auch  eine  geistige  Tollkommenere  Welt, 
neben  der  sinnlichen  und  mangelhaften,  in  der  wir  auf  Erden 
leben  *). 

Da  jedes  Einzelwesen  zu  einer  Art,  jede  Art  zu  einer  Gat- 
tung gehört,  so  ist  auch  die  menschliche  Seele  ein  Einzelwesen, 
welches  zu  einer  Art  —  zur  Weltseele  —  gehört*). 

Woher  kommt  nun  eine  Vielheit  von  Seelen ,  wenn 
man  leugnet,  daß  die  einzelnen  Seelen  in  dem  einzelnen 
Körper  wie  in  einem  Baume  weilen?  Die  Verschieden- 
heit und  Vielheit  entsteht  durch  die  verschiedene  Disposition 
der  Individuen.  Geföße,  die  man  dem  Sonnenlicht  aussetzt,  er- 
fahren je  nach  ihrer  Durchsichtigkeit  und  Lage  eine  verschie- 
dene Einwirkung,  und  so  ist  es  auch  mit  dem  Individuum.  Da- 
durch, daß  der  Organismus,  den  sich  diese  Seele  unterworfen 
hat,  von  anderen  verschieden  ist,  ist  auch  die  Einwirkung  eine 
verschiedene,  welche  die  AHseele  in  ihrer  Besonderheit  ausübt  *). 

Naturphilosophie. 
Haterle  and  Form,  Snbstunz  und  Aceldens. 

Gabirol  hat  der  Erklärung  von  Materie  und  Form  ein  gan- 
zes Werk  gewidmet.  Viele  Gedanken  finden  sich  bereits  bei  den 
Neuplatonikern  und  den  ihnen  folgenden  I.  Brüdern;  aber  Ga- 
birol ging  in  kühnem  Denken  weit  über  seine  Vorgänger  hinaus. 
Materie  und  Form  macht  er  zum  Mittelpunkte  eines  ganzen 
Systems ;  sie  sind  die  Wurzeln  des  Baumes,  der  als  Frucht  Lö- 
sung aller  Probleme  zeitigen  soll.  Aber  leider  vermochte  er  es 
nicht,  eines  der  Grundprobleme  seines  Systems  —  die  Entstehung 
der  Materie  —  wirklich  befriedigend  und  im  Einklang  mit  sei- 
nem theistischen  Standpunkte  zu  lösen;  und  so  steht  der  stolze 
Bau  auf  wankender  Grundlage. 

')  Von  einer  doppelten  Weltseele  im  Sinne  Plotin's  spricht  Josef  nicht. 
Vgl.  Zeller  das.  S.  540. 

')  Einen  ähnlichen  Gedanken  hat  auch  Gabirol  (r.  v.  p.  180,  29)  aus- 
gesprochen: ,Es  müssen  die  drei  particulären  Seelen  ihren  Grund  in  drei 
universellen  Seelen  (und  die  purticuläre  Intelligenz  muß  ihren  Grund  in  einer 
universellen  Intelligenz)  haben." 

^  Eine  Ähnlichkeit  mit  der  I<ehre  Plotin's  (Zeller  das.  S.  M2)  ist  un- 
verkennbar. 


41 

Mit  Vorsicht  und  Bedacht  benutzt  Josef  die  Lehren  Gabi- 
rol's.  Jn  wenig  Worten  —auch  die  1.  Brüder  handeln  nur  kurz 
über  Materie  und  Form  —  bietet  er  seine  Meinung  dar;  er  gehl 
nicht,  auf  die  Enlwickelung  der  Gedanken  ein,  er  benützt  nur 
die  Resultate;  so  zwar,  daß  erst  durch  die  Vergleichung  mit 
dem  trefflichen  Texte  des  fons  vitae  manche  Stelle  eine  ein- 
leuchtende Erklärung  findet. 

Josef  lehrt  ^):  Alle  Dinge,  produzierte  und  natürliche,  haben 
Materie  und  Form  ').  Die  Materie  ist  das  Substrat  für  ein  Ding, 
sie  ist  das  Höhere,  die  Form  das  niedere;  beide  stehen  in  gegen- 
seitiger Beziehung. 

•  Diesen  Rangunterschied  will  Josef  allerdings  nur  (^DX) 
bei  geistigen  Dingen  angewendet  wissen;  von  ihrem  Verhältnis 
bei  sinnlichen  Dingen  sagt  er  nichts  Genaueres.  Wir  können  wohl 
daraus  schließen,  daß  er  wie  Aristoteles '),  bei  diesen  die  Form 
für  das  Höhere  und  die  Materie  für  das  Niedere  ansieht. 

Bei  den  I.  Brüdern  finden  wir  nichts  von  diesem  Rang- 
unterschied. 

Gabirol  wurde  gezwungen,  darauf  einzugehen,  als  er  sich 
vor  die  Frage  nach  der  Entstehung  der  Materie  gestellt  sah. 
Hier  erklärt  er :  die  Materie  ist  vom  ersten  Wesen  geschaffen,  und 
die  Form  ist  von  der  Eigenschaft  des  ersten  Wesens  geschaffen  *). 


*)    p.  7.    Der  ganze  Passus  ist  sehr  verderbt. 

')    Vgl.  Naturanschauung  S.  1.  u.  f.  v.  p.  17. 

•)    Vgl.  Zeller  Ml  b.  S.  318. 

*)  Gttttmaon  S.  SßtJ  findet  einen  Widerspruch  zwischen  dieser  Ansicht 
und  den  AusfQhningen  des  vierten  Traktates,  wo  die  Materie  ofTenbar  im 
Vergleich  mit  der  Form  als  etwas  Niedrigeres  und  Untei^eordneteres  zu  be- 
trachten ist ;  denn  da  Gabirol  sagt  —  so  meint  Guttmann  — ,  die  Entstehung 
der  Materie  sei  auf  das  erste  Wesen  zu rilckzu führen,  so  sei  damit  die  Su- 
periorität  der  Materie  zugestanden. 

In  der  That  ist  jedoch  hierin  kein  Wiederspruch  zu  tiaden;  denn  wenn 
vir  annehmen,  daß  Gabirol  die  l.'ehren  des  Proklus  gekannt  habe,  so  wird 
ihm  schwerlich  der  Satz  entgangen  sein,  daß  das,  was  vun  der  höheren  Ur- 
sache kommt,  tiefer  reiche  (vgl.  Zeller  '  III  b.  S.  791  und  S09j.  Die  Materie 
kann  daher  gerade  deshalb,  weil  sie  von  dem  ersten  Wesen  geschatTen  ist, 
das  Niedere  sein.  Gabirol  geht  daher  durchaus  Ic^isch  vor^  wenn  er  die 
Haterie  als  das  Niedere  von  Gott  erschaffen  sein  läßt.  —  Wenn  so  dieser  von 
Guttmann  behauptete  nfichste  Widerspruch  in  GabiroFs  Lehre  auch  nicht  an- 
erkannt werden  kann,  so  muß  andererseits  zugegeben  werden,  und  wurde 
schon  oben  (S.  40)  hervorgehoben,  daß  die  tiefere  Grundlage  von  GabiroPs 
Doctor,  Joief  ibn  Zaddik.  3 


42 

Aus  diesem  Ausspruch  *)  und  den  Ausführungen  des  vier- 
ten Traktates  gehl  hervor,  daß  die  Materie  das  Niedrigere,  die 
Form  das  Höhere  ist. 

Von  diesem  Hungunterschied  bei  geistigen  Dingen  spricht 
auch  Gabirot  an  vielen  Stellen  *). 

Wir  haben  aus  dem  Vorangehenden  gesehen,  wie  Josef*) 
auch  die  bei  diesem  in  den  Vordergrund  tretende  Lehre ,  daß 
geistige  Dinge  —  ebenso  wie  körperliche  Dinge  —  Materie  und 
Form  haben  (natürlich  rein  geistiger  Art),  übernommen  Imt. 

Plotin  hat  vor  allem  diese  Lehre  von  der  peisligen  Materie 
entwickelt,  nachdem  schon  IMalo  ein  materielles  l'riMxip  in  der 
Idealwelt  angenommen  *)  und  Aristoteles  die  Vorstellung  einer 
»intelligiblen  Materie"  fvhj  rot^n}}  im  Mathematischen  und  in 
den  Begriffen  eingeführt  hatte.  Die  Neupyttiagoreer  bildeten 
die  Platonische  l^ehre  weiter  durcli  und  nach  ihnen  nahm  sie 
Plotin  aufM,  dem  sie  Gabirol  vielleicht  entlehnt  hat. 

Aucti  den  I.  BnJdorn  scheint  sie  nicht  unbekannt  gewesen 
zu  sein.  Bei  ihnen  heiüt  es  niinilich "):  , Alles  Vorhandene,  es 
sei  geistig  oder  sinnlich  faßbar,  besteht  In  Substanzen  oder  Acci- 
dentien,  oder  es  ist  ans  beiden  zusammengesetzt;  in  Formen 
oder  Materien,  oder  es  ist  aus  beiden  /usammengefügt. 

Was  die  Definition  von  Substanz  und  Matorie  anlangt,  so 
ist  die  Übereinstimmung  zwischen  Josef  und  Gabirol  durchaus 
einleuchtend. 

Josef  sagt  nämlich^):  „Der  Unterschied   zwischen  Substanz 


System,  iler  BegritT  der  Emanation,  weder  un  sich  voUkoratuen  klar  gefa&l 
noch  mit  dem  soostigen  theistisc-hen  Standpunkte  des  Philosophen  in  vollen 
Einklang  (gebracht  ist 

■)    t  V.  p.  24,8  II,  p.  2a^,2t». 

»)    p.  24.7.  p.  230,'J6;  231,ß;  p.  2-29.23;  33014.  7. 

n    P.  7. 

*)  Vgl.  Zeller  MI  a.  S.  810  u.  Baeamker:  bas  Problen\  der  Materie 
in  der  grioch.  Philosophie.     Mflnsler  1K90.     S.  198  (T. 

')  VgL  2U  dieser  Ausführung  Correns  in  Baeumtcer's  Beiträgen  Bd.  I, 
Heft  1  S.  i&  u.  Anm. 

•)    Vgl.  Lngik  u.  Psychologie  p.  S.  15.  a't,  174;  Weltseele  44  u.  45. 

')  p.  !>.  Wie  Josef  sich  zu  der  Frage  stellt,  ob  die  Materie  nari»  An- 
nahme der  Form  für  sich  allein  .^Substanz'  hei&t,  oder  mit  der  Form 
zusammen,  läßt  sich  nicht  mit  Gewißheit  entscheiden.  Gabirol  lehrte  p. 
298,34;  p.  .%0,1;  p-  Itil,20  (übrigens  lauter  Stellen,  die  bei  Faiaqera  fehlen), 
dafi    die   Materie    nach  Annahme  der  Form    für  sich   allein   .Substanz** 


43 


um 

PH 


und  Materie  besteht  darin,  da&  die  Materie  potentielle  Substanz 
da  sie,  bevor  sie  Form  annahm,  bereits  Materie  war.  Ihr 
Dasein  war  also  potentiell.  Hai  sie  aber  Form  angenommen, 
so  wird  sie  Substanz  —  ihr  Dasein  ist  wirklich. 

Auch  die  1.  Brüder  sagen  dasselbe^  wenn  sie  lehren  '):  Die 
Philosophen  bezeichnen  mit  dem  Ausdruck  Materie  eine  jede 
Form  annehmende  Substanz. 

Daß  Josef  seine  Unterscheidung  fast  wörtlich  entlehnt  hat, 
zeigt  folgende  Stelle'):  „Distinctio  nominum,  substantiae  scilicet 
et  materiae,  haec  est,  quod  nomen  materiae  illi  soli  congruit, 
quod  parat  um  est  recipere  formam  quam  nondum  recepit; 
nomen  vero  substantiae  illi  materiae  congruit,  quac  iam  aliquam 
formam  recepit  et  per  ipsam  formam  facta  est  substantia 
proprio'. 

Gabirol  (Hhrt  fort:  „Nomen,  quod  convenientius  est  susti- 
nenti  formam  niundi  est  materia  vel  hyle,  quia  nos  non  consi- 
deramus  illam  nisi  exspotiatam  forma  n>undi  quae  sustinetur  in 
illa;  et  quia  sie  accipimus  illam  in  nostra  intelligentia,  u1  parata 
est  recipere  forma»»  niundi,  tunc  conveniens  est,  ut  vocetur 
materia*  ^). 

Einen  ähnlichen  Gedanken  drückt  Josef  mit  den  Worten 
aus  *):  »Obwohl  es  in  Wirklichkeit  keine  Materie  ohne  Foi*m  giebt, 
äo  können  wir  doch  in  der  Vorstellung  die  Form  abstrahieren 
und  die  Materie  übrig  lassen  —  weil  sie  früher  ist  als  die 
Form  — ,  ein  natürliches  Vorhergehen". 

Nach  Gabirol  können  Materie  und  Form  realiter  nicht  ge- 
trennt sein;  insofern  kann  die  Materie  weder  vor  der  Form 
noch  die  Form  vor  der  Materie  existieren  '*).  Indes  ist  auch 
für  t^abirol  die  Materie  als  ,genus  generalissinium"  dem  Ge- 
danken nach  das  erste. 


heifte  (eine  Lehre,  die  dem  stoischen  um)  Pliiloni&cheii  Sprachgebrauch  am 
oftchslen  stellt;  vgl.  Uaeumker  a.  b.  O.  S.  33»!  (T.  383).  Dies  *cheinl  auch 
die  Axuicbt  Josefs  zu  sein;  denn  er  sagt  p.  H^'J:  .Die  Haierie  ist  das  fdr 
rieh  Bestehende,  die  Form  das  an  einem  anderen  Bestehende*. 

^L  ■)    Naturanschauung  p.  1.  u.  LoKik  p.  6. 

■  *)    f.  V.  p.  A2,2i)  ff.    Vgl.  GuttmauD  S.  228   und  S.  -J25  Anm.  3.   Siebe 

»Mh  t  f.  p.  2tK».20. 
•)    p.  43. 

*)    P.9. 

*)    Vgl  GuUmann  S.  287:  f.  v.  p.  314,18. 


f:.'/*  'r*:^^ri  ihr'rr  fc'^rzir  ar.l  Zugamni^nhar^l-asigiet:  n^ir  schwer 
ver-sUr*dii'^h  U*:  Da.-;  -S'\ih*-.rat  d-rr  Tier  El'*mier.:e  ist  die  erste 
Materie,  ■w^i':ri<t  dit  form  öer  Körp^rifohteit  annimri^:  zzjid  sub- 
Bfanzie.ier  Körper  -arirdf. 

Wai;  Joäef  däxnit  .^a^ec  vrllL  wird  erst  klar,  wenn  mau  diese 
Worte  mi-.  f.  t.  I.cap-  I*-j  Ter^'eich'.  wo  gleichsam  ihr  •Jcmm^ectar  zu 
finden  Ut.  Gabirol  sa^.  riamlich  ^  :  .Die  Elemecte.  ob^.^h  als  solche 
von  einaj.d*;r  Ters<:hieden.  kommen  doch  darin  mit  einander übereiny 
dab  -iie  Körper  «ind:  mithin  ist  der  Körper  die  ihnen  geaieinsanie 
>ub*ranz,  welche  den  Formen  »ier  einzelnen  Elemente  als  Sub- 
Ätr».t.  zu  Gmnde  lif^rt.  Dieser  Körper  Ut  jeiioch  selber  eine 
Stifth^jhnz.  deren  Eigenschaft  oder  Form  die  Quantität  ist,  so 
fUiU  f\fi-i  Substrat,  des  Körpers  sioh  zu  der  ijuantität  als  der  tod 
ihni  ;:fr*ra(ff;nen  P'orm  in  gle.oher  Weise  verhält,  wie  der  Körper 
jielber  nich  zu  den  von  ihm  getragenen  Formen  der  Elemente 
verhält.  In  dieser  Weise  sub*iistiert  immer  eine  Substanz  in  der 
andern,  bis  wir  zuletzt  zu  einer  ersten  .Substanz  gelangen,  die 
flas  .Substrat  für  alle  zwischen  ihr  und  den  sinnlich  wahrnehm- 
baren Fornif;n  liegenden  Substanzen  ist;  dies  aber  ist  die  eiste, 
univt-rselle  Materie.* 

bie  Stelle  ist  charakteristisch  für  die  Art  und  Weise, 
in  der  Josef  die  Philosophie  Gabirot's  benutzt.  In  dem  Gedanken- 
gange Gabirol's  schien  ihm  manchem  nicht  annehmbar,  z.  B.  die 
Subsistonz  einer  Substanz  in  der  anderen;  er  schied  es  daher 
nun  und  behielt  nur  das  Resultat  bei,  das  er  dann  wie  ein 
Axiom  wiedßrgiebt. 

Was  nuri  dir;  Einteilung  der  Materie  betrifTl,  so  zeigen  sich 
gewisse  Ähnlichkeiten  zwischen  den  Ansichten  Josefs  und  der 
L  Bruder 

Diese  lehren*):  Die  Materie  zerfallt  in  4  Arten:  Werk- 
iiialeriü,  Naturmaterie,  Allmaterie,  Urmaterie. 

Josef  spricht  zwar  nirgends  direkt  von  einer  Einteilung, 
er  hebt  abcr*>  die  künstliche  ptSrjJDn)  und  die  natürliche  ('y^üTl) 
Materie  besonders  hervor. 


7.  Z.  17. 

ZeUer  MI  b.  8.  3l>3. 
m  Onllmann  S.  77. 
srAnwhiiuung  2;  Weltseele  7. 


f 


4S 

Von  einer  Ällmaterie  ist  zwar  bei  Josef  keine  Rede;  wir 
finden  jedoch  p.  17  Z.  17,  wo  er  den  Gegensatz  der  Form  für 
den  Grund  der  Verwandlung  der  Elemente  ineinander  hält, 
den  Satz:  .Im  Wesen  der  allgemeinen  Substanz  ist  keine  Ver- 
änderung und  Verschiedenheit*  ')• 

Vergleicht  man  damit  den  Ausspruch  der  I.  Brüder*):  „Die 
Ällmaterie  ist  der  absolute  Körper,  aus  dem  die  Gesamtheit  der 
Welt,  nftmlich  die  Himmelssphären,  die  Sterne,  die  Elemente 
und  alles  Seiende  stammt;  denn  sie  alle  sind  Körper  und  ihre 
Verschiedenheit  rührt  nur  von  ihren  verschiedenen  Formen  her* 
—  so  dürfte  sich  die  Vermutung  rechtfertigen,  data  bei  Josef  an 
dieser  Stelle  das  Wort  D-^y  (Substanz)  im  Sinne  von  Töin  (Materie) 
aufzufassen  ist  (wie  otfokt  im  Sinne  von  vXrj  bei  den  Stoikern 
und  Philo),  so  dafi  auch  Josef  eine  Allmaterie  angenommen  hätte. 

Gabirol  faßt  diese  Einteilung  schärfer  und  fügt  sie  geschickt 
seinem  System  ein*).  Er  findet  im  Bereich  der  sinnlich-wahr- 
nehmbaren Dinge  vier  Arten  von  Materie  und  vier  Arten  von 
Form:  1.  die  besondere  künstliche  Materie,  2.  die  besondere 
natürhche  Materie,  3.  die  allgemeine  natürliche  Materie,  welche 
dem  Prozeß  des  Entstehens  und  Vergehens  unterliegt,  und  4.  die 
Materie  der  Himmelssphären.  Jeder  dieser  Materien  entspricht 
aber  eine  Form,  die  von  ihr  getragen  wird. 

Der  Fortschritt  in  der  Lehre  Gabirol's  ist  klar ;  denn  bei 
bei  den  1.  Brüdern  verlautet  nocli  nichts  von  den  den  vier  Arten 
der  Materie  entsprechenden  Formen. 

Josef  hat  diese  Lehre  nicht  angenommen,  auch  die  Vor- 
stellimg  von  einer  Materie  der  Sphären  scheint  ihm  fremd  ge- 
blieben zu  sein,  obgleich  sonst  eine  Übereinstimmung  in  der 
Lehre  über  die  Sphären  unleugbar  ist. 

Josef  erklärt  nämlich'):    Obwohl   der  Körper  der  Sphären 


*)  Der  Text  des  Mikrokosmos  ist  durch  die  Nachlässigkeit  des  Ko- 
pisten auch  an  dieser  Stelle  corrumpiert.  H  liest  Z.  17  statt  *nDXl  ^^ 
Wort  Yi^y,  eine  Lesart,  die  auch  durch  0  und  H  bestätigt  wird.    Für  Q^^3 

üMt  o  DTjryn- 

')  Naturanschaunng  p.  2. 
")    f.  T.  p.  21.    Vgl.  Guttmann  S.  78. 

*)  Mikrokosmos  p.  10.  Dasselbe  sagt  auch  Plotio.  Vgl.  Zeller  *  III  b. 
S.  566. 


46 

sich  hinsichtlich  der  Form  und  Materie  von  den  anderen  Kör- 
pern unterscheidet,  ist  er  doch  ein  Körper,  aber  er  ist  vermöge 
seiner  Beschaffenheit  weder  vergänglich,  noch  verändert  er  seine 
Natur,  wie  sie  Gott  geschaffen  hat*). 

Auch  die  der  geistigen  und  körperlichen  Materie  vorauf- 
gehende Urmaterie  als  Substrat  der  allgemeinen  Form,  eine  für 
Uabirol  höchst  charakteristische  Lehre,    dürfte  Josef  fremd  sein. 

Die  Kürze  der  Ausfuhrungen  und  die  mehr  populäre  Dar- 
stellungsweise Josefs  machen  es  begreiflich,  da&  er  kaum 
einer  Hauptfrage  der  Philosophie  Gabirol's  hinsichtlich  der  Ma- 
terie und  Form  näher  getreten  ist.  Wie  sich  Materie  und  Form 
verbinden,  wie  sie  im  Wissen  Gottes  für  sich  existieren,  wie 
sie  begrenzt  sind   —   alles   dies  berührt  er   mit  keinem  Worte. 

Aber  er  konnte  es  auch  nicht  thun,  denn  er  bleibt  überall 
seinem  Prin/.ip,  knapp  und  kurz  zu  schreiben,  treu;  außerdem 
wurde  ja  auch  der  Anfänger,  für  welchen  das  Buch  geschrie- 
ben ist,  in  dieser  Form  unmöglich  die  tiefsinnigen  Aus- 
führungen Gabirol's  verstehen. 

Die  Lebre  vom  göttlichen  Willen  ^). 

Die  Frage  vom  göttlichen  Willen  scheint  Josef  außerordent- 
lich beschäftigt   zu  haben,    wenn   er  auch  bierin  sehr   zurück- 
haltend ist.    Die  Ansichten   der  Philosophen,    die  sich   hierüber* 
äußerten,  genügten  ihm  nicht.  ^) 

Er  befaßte  sich  zunächst  mit  folgendem  Dilemma:  Hat 
Gott  von  Ewigkeit  her  gewollt,  so  hat  er  von  Unendlichkeit  an 
geschaffen;  (denn  so  wie  Gott  will,  schafft  er);  daraus  folgt 
Ewigkeit  der  Welt. 

*}  p.  17.  Z.  7.  Die  Unvergänglichkeit  schreibt  er  dem  Umstände  zu, 
daß  Gott  ihnen  auf  einmal  Vollendung  g^eben  hat;  daher  sage  der  Philo- 
soph, daß  i^ie  unvei^änglich  seien,  denn  ihr  Anfang  und  ihr  Ende  fielen  zu- 
sammen. 

Josef  schreibt  den  Sphären  auch  (p.  II)  die  höchste  Gotteserkenntnis 
zu.    Plotin  a.  a.  0.  erkennt  ihnen  jedoch  kein  Wissen  zu. 

')  .Mikrokosmos  p.  b\  und  52.  Vgl.  die  ausführliche  Erörterung  bei 
Kaufmann  :  Attributenlehre  S.  303  ff. 

')    p.  57. 


47 

Nehmen  wir  aber  an,  er  habe  geschaffen,  nachdem  er  ein- 
mal nicht  geschaffen,  dann  muß  der  Wille  dazu  neuerdings  in 
ihm  entstanden  sein,  und  wir  haben  dann  Geschaffenheit  in  sein 
Wesen  hineingetragen. 

Mit  Willen  hat  offenbar  doch  Gott  geschaffen,  weil  er  doch 
nicht  schaffen  würde,  was  er  nicht  will. 

Dies  Dilemma  aber:  Ewigkeit  des  Geschaffenen  oder  Ge- 
schaffenlieit  des  Ewigen  —  lä&t  sich  folgendermaßen  lösen. 

Gott  schafft  zeitlos.  So  lange  es  keine  geschaffene  Welt, 
keine  Sphären  resp.  deren  Umläufe  gab  —  denn  Zeit  ist  die 
Anzahl  der  Umläufe,  welche  die  große  Sphäre  in  ihren  einzel- 
nen Teilen  zurücklegt  — ,  kann  von  Zeit  nicht  die  Rede  sein. 
Ewigkeit  der  Welt  resp.  des  Geschaffenen  können  wir  somit 
nicht  annehmen.  Ebensowenig  aber  kann  man  nach  dieser  Er- 
klärung sagen:  Gott  habe  geschaffen,  nachdem,  d.h.  in  der  Zeit, 
nach  der  er  nicht  geschaffen.  Daß  in  Gott  der  Wille  zur  Welt- 
schöpfung einmal  gleichsam  erwacht  sei,  können  wir  nicht  an- 
nehmen ;  vielmehr  müssen  wir  der  Ansicht  sein,  daß  der  Wille 
von  Ewigkeit  her  in  Gott  besteht  und  zu  seinem  ewigen  Wesen 
gehört.  So  wenig  es  vor  der  Schöpfung  ein  Früher  oder 
Später  gab,  ebenso  giebt  es  zwischen  Gott  und  dem  Ge- 
schaffenen weder  Zeit  noch  Raum,  weder  Verhältnis  noch  Zu- 
sammenhang oder  Unterschied  oder  irgend  eine  Beziehung. 
Die  Welt  ist  also  nicht  mit  der  Zeit,  sondern  die  Zeit  mit  der 
Well  entstanden  i). 

Wenn  nun  aber  Gott  die  Welt  mit  dem  Willen  geschaffen 
hat,  warum  wird  da  die  Ansicht  der  Mutakallimun,  daß  Gott 
die  Welt  mit  einem  geschaffenen  Willen  hervorgebracht  hat, 
erst  bestritten  ?  Die  Antwort  lautet:  Ein  geschaffener  Wille  ist 
nicht  anzunehmen,  denn  anstatt  den  Willen  hätte  Gott  ja  gleich 
die  Schöpfung  hervorbringen  können. 

Geschaffenheit  des  Willens  anzunehmen,  hieße  ferner  Ge- 
schaffenheit in  das  göttliche  Wesen  hineinbringen. 

Der  Wille  ist  als  mit  Gott  gleich  ewig  anzunehmen;  er  ist 
nicht  außer  ihm,  sondern  fällt  mit  ihm  durchaus  zusammen. 
Er  ist  nichts  anderes  als  Gott  selbst,  ohne  doch  darum  in  das 
göttliche  Wesen  Veränderlichkeit  zu  bringen. 


'}    Vgl.  WeltSMle  148  u.  Kaufmann  a.  a.  0.  S.  3U7  Anni.  149. 


48 

Dies  ist  in  aller  Kürze  die  Lehre  Josefe  vom  göttlichen 
WUlen. 

Beer  >)  meint,  daß  diese  Ausführung  « wahrscheinlich'  gegen 
Gabirol  gerichtet  sei  —  während  sie  thatsächlich  gegen  die  Mu- 
takallimun  polemisiert. 

Kaufmann*)  bemerkt  bereits  gegen  Beer,  da&  Josef  sich 
viel  mehr  zu  GabiroVs  Lehre  vom  Willen  bekannt  zu  haben 
scheine.    Auch  diese  Ansicht  ist  nur  teilweise  richtig. 

So  viel  steht  fest,  dafi  Gabirol  und  Josef  aus  derselben 
Quelle  —  nAmlich  aus  dem  Pseudo  -  Empedocles  *)  —  geschöpft 
haben. 

Josef  verweist  auf  ihn  ausdrücklich  (p.  52  Z.  26),  und  Fala- 
qera  nennt  ihn  ebenfalls  als  Quelle  des  Gabirol  *). 

Hein  äu^rlich  besteht  zwischen  der  Lehre  Gabirol's  und  der 
Josefs  die  Übereinstimmung,  da&  sie  den  Willen  ein  „Geheimnis* 
nennen  ^). 

Gabirol  erklärt  den  Willen  folgendermaßen :  Der  Wille  ist, 
wenn  man  von  seinem  Wirken  absieht,  mit  dem  ersten  Wesen 
identisch,  verschieden  vom  ersten  Wesen  ist  er  nur,  wenn  man 
ihn  in  Verbindung  mit  seinem  Wirken,  d.  h.  der  Verbindung 
von  Materie  und  Form,  betrachtet  und  zwar  deshalb,  weil  er 
dann  beim  Beginn  der  Schöpfung  eine  Begrenzung  erfahren  hat  *). 

Der  Wille  durchdringt  alles  ohne  Bewegung  und  wirkt  alles 
ohne  Zeit  wegen  seiner  großen  Kraft  und  Einheit '). 


0    Frankers  Monatsschrift  Bd.  3.  S.  200. 

»)    a.  ä.  0.  S.  310.  Anm.  156. 

')  Von  Empedocles  überliefert  uns  Schahrastani  (Obersetrang  von 
Haarbrücker  II,  S.  91) :  ,.Er  behauptete,  dafi  der  Schöpfer  die  Formen  her- 
vorgebracht habe,  nicht  nach  Art  eines  entstandenen  Willens,  sondern  der. 
artig,  daß  er  lediglich  Ursache  sei,  indem  er  das  Wissen  und  der  Wille  sei,* 
d.  h.  also  daB  der  Wille  mit  ihm  eins  sei.  Femer  das.  S.  127,  wo  eine  An- 
sicht von  Thaies  und  Empedocles  berichtet  wird:  „Die  Form  des  Willens  ist 
bei  dem  Hervorbringenden  da,  ehe  er  hervorbringe.' 

*)    Vgl.  Munk:  Mölanges  p.  3,1. 

^)  f.  V.  p.  46,13  magnum  secretum  und  p.  47,4  secretnm  voluntatis; 
Mikrokosmos  p.  Ö2  Z.  25  n^  "HD- 

•)     M'kor  chajim  V.  §.  59.  f.  v.  V.  c.  37. 
')    f.  V.  p.  219,& 


49 

Josef  hebt  ans  dieser  Erörterung  zwei  Punkte  besonders 
heraus.  ^Gott  hat  die  Welt  mit  seinem  Willen  zeitlos  ge- 
schaffen; der  Wille  ist  mit  Gott  identisch  —  ganz  wie  Gabirol 
eitlärt »). 

Wenn  aber  Gabirol  den  Willen  als  ein  Mittleres  zwischen 
Gott  und  der  dem  Willen  entströmten  Form  bezeichnet*),  so 
kann  dies  Josef  deshalb  nicht  annehmen,  weil  er.  von  seinem 
orthodoxen  Standpunkt  aus  ein  .Mittleres"  nicht  rechtfer- 
tigen kann. 

Für  Josef  ist  es  auch  belanglos,  daß  der  Wille  ohne  Be- 
wegung alles  durchdringt  und  zuletzt  noch  zur  Bewegung  wird; 
er  scheidet  diese  Ansicht  aus,  wie  wir  denn  überhaupt  finden, 
dafi  er  das  Prinzip  der  Bewegung  —  auf  das  Gabirol  so 
großes  Gewicht  legt  —  conseqnent  aus  seiner  Philosophie  ver- 
bannt hat. 

Vielleicht  will  Josef  diese  Verschiedenheit  seiner  Meinung 
begründen,  wenn  er  sagt ') :  ,Der  Wille  föllt  mit  Gott  durchaus 
(IV  bSD  ^on  jeder  Seite,  d.  h.  sei  es,  daß  wir  ihn  an  sich, 
oder  als  wirkendes  Prinzip  betrachten)  zusammen,  er  ist  keines- 
wegs etwas  anderes  als  Gott"  Und  ferner*):  «Zwischen  Gott 
und  dem  Geschaffenen  giebt  es  weder  Zeit  noch  Raum,  noch 
irgend  ein  Verhältnis'. 

§10. 

Emanation  und  Mittelsnbstansen. 

In  der  neuplatonischen  Philosophie  ^)  hat  die  Lehre  von 
der  Emanation  eine  ganz  hervorragende  Bedeutung.  Auch  von 
den  Arabern,  z.  B.  von  Alfarabi «)  und  ihn  Sina'),  wurde  sie 
frdhzeitig  angenommen.  Bei  den  I.  BrüdeiTi  spielte  sie  eine 
wichtige  Rolle  —  alle  ihre  Schriften  handeln  von  ihr. 


')  Wir  erOrtern   die   Lehre  Gabirors    nttr,    soweit    sie  fClr  den  Ver- 
glueh  mit  Josefs  Mikrokosmos  in  betracht  kommt. 

*)  Siehe  Guttmann  S.  196  und  S.  252. 

')  Mikrokosmos  p.  52. 

*)  ebdas. 

•)  TgL  ZeUer  "HI  b.  S.  ft06  flF. 

*)  Ritter :    Geschichte  der  christ.  Philosophie  S.  8. 

0  Du.  S.  23,  33. 


50 

Auch  bei  den  spanischen  Juden  muß  diese  Lehre  sehr  ver- 
breitel  gewesen  sein.  Die  AK  und  Weise,  wie  Gabu'ol  ohne 
DarlcKun^  und  Begründung  sie  als  bekannt  voraussctztf  recht- 
fertigt die  Ansicht  Munk's  *),  data  diese  Lohre  eine  ausgedehnte 
Verbreitung  in  Spanien  gefunden  liat. 

Josef  stellt  sich  zur  Emanation  sehr  zurückhaltend;  aus 
den  wenigen  Andeutungen,  die  wir  im  Mikrokosmos  finden, 
könnte  man  eher  schließen,  daß  er  dieser  Lehre  seine  Zustim- 
mung nur  sehr  bedingt  giebt. 

Nur  an  zwei  *)  Stellen,  die  aber  in  enger  Beziehung  zu 
einander  stehen,  spricht  er  von  einer  Emanation.  »Die  Ver- 
nunft geht  aus  der  Schöpferschaft  Gottes  unmittelbar  hervor. 
Die  Substanz  ihrer  Welt  isfc  das  reine  Licht  und  der  laulere 
Strahl.  Gott  verlieh  der  Vernutdl  Unendlichkeit  und  Voll- 
kommenheit. Würde  er  einen  Äugenblick  aufhören,  seine  Güte 
auf  die  Well  ausströmen  zu  lassen  (jJ^aüH*?)»  so  sänke  sie  in 
ihr  Nichts  zurück." 

Es  ist  consequent  von  Josef  gedacht,  wenn  er  die  Ema- 
nation bei  der  Vernunft  nunmehr  still  stehen  lößt;  denn  die  I. 
Brüder  lassen  von  der  Vernunft  einen  Erguß  auf  die  Allseele  ') 
und  von  dieser  auf  die  Urmaterie  ausgehen.  Da  Josef  nämlich  eine 
Urmaterie  nirgends  erwähnl,  mithin  auch  wohl  nicht  gelehrt 
hat  *)f  so  konnte  er  füglich  die  Emanation  nicht  bei  ihr  enden 
lassen.     Sie  steht  daher  schon  bei  der  V^ernunll  still. 

Jedenfalls  ersehen  wir  daraus,  data  Josef  wohl  die  Lehre 
von  der  Emanation  gekannt,  indes  wenig  benutzt  hat  Ich  be- 
merke, daß  ich  das  Wort  Emanation  hier  in  dem  weiteren 
Sinne  gebrauche,  in  dem  es  auch  eine  Emanation  „der  Kraft 
nach"  —  wie  bei  den  Neuplatonikern  allgemein  —  bedeutet 

Was  Josefs  Ansicht  hinsichtlich  der  sog.  Miltelsubstanzen 
anlangt,  so  l&IH  sich  aus  den  wenigen  Stellen  deutlich 
erkennen,  daß  er  ein  entschiedener  Gegner  der  Annahme  der- 
selben ist. 

Bei  der  Behandlung  der  animalischen  Seele  haben  wir  be- 
reits   darauf  hingewiesen ,    daß    er    dieselbe    als   ein    Mitlleresj 


')  Melanges  2tX). 

')  p.  37  u.  -10. 

■)  Welt^eete  S.  24. 

*)  S.  S.  46. 


51 

zwischen  Seele  und  Leib  —  wie  es  Gabirol  thut  —  nicht  er- 
wähnt *). 

Nur  an  einer  Stelle  *)  giebt  er  seinen  Standpunkt  klar  zu 
erkennen.  Die  zweimalige,  kurz  auf  einander  folgende  Wieder- 
holung des  Ausdrucks  (niy^K  ^^3  ohne  Mitlelsubstanzen) 
scheint  eine  Polemik  gegen  Gabirol  zu  sein,  der  ja  auf  die 
Annahme  der  Mittelsubstanzen  so  außerordentlich  viel  Ge- 
wicht legt  •). 

Josef  sagt  nämlich :  Weil  der  Schöpfer  die  intelligible 
Welt  ohne  Miltelsubstanzen  geschaffen  hat  und  ihr  Vollkommen- 
heit auf  einmal  gegeben  hat  und  auf  sie  das  wahre  Licht  ohne 
>littel  ausströmen  läfit,  darum  trifft  sie  keine  Veränderung 
und  kein  Mangel ;  sie  hat  auch  kein  Bedürfen ,  wie  z.  B. 
der  Körper,  der  des  Raumes,  der  Zeit  und  aller  Accidentien 
bedarf.« 

Josef  begründet  seinen  Standpunkt  nicht;  jedoch  läßt 
sich  wohl  annehmen,  daß  er  aus  religiösen  Gründen  einer 
Annahme  von  Mittelsubstanzen  seine  Zustimmung  versagt  habe, 
da  eine  solche  möglicherweise  einen  Zweifel  an  der  Allmacht 
Gottes  aufkommen  lassen  konnte. 


')    Siehe  auch  »Die  Lehre  vom  Willen". 

■;    p.  40. 

')  Im  driUen  Tractate  führt  Gabirol  eine  Unmenge  Beweise  für  die- 
selben an.  Auch  die  I.  Brüder  kennen  die  Mittelsubstanzen.  Vgl  Weltseele 
p.  26  und  sonst 


Namen-Register. 


Abraham  ibn  Daud  S.  1.  2,  4. 12. 13,31. 

Abu  Jakub  Josef  al  Bassir  S.  15. 

Ahn  Omar  S.  1. 

Alfarabi  S.  49. 

Anaiimenes  S.  19, 

Aristoteles  S.  11,  15,  19,  22,  23,  24,  25, 

26,  90,  38.  41,  42. 
Psendo-Aristoteles  S.  12,  16. 
Avicenna  s.  Ibn  Sina. 
Bächer  S.  7,  10,  37. 
Bac^ja  S.  12-,  16. 
Baenmker,  S.  16,  18,  19,  42,  43. 
Barach  S.  19. 
^rdenhewer  S.  11. 
Bardesanes  S.  15. 
Beer  S.  5,  48. 
Bernhard  SUrestris  S.  19. 
Brüll  S.  G,  27. 
Gaatelli  S.  20. 
Gharisi  S.  2. 
Gorrens  S.  42. 
Diels  S.  19. 
Dieterici  S.  12,  18,  21. 
Diogenes  Laertius  S.  14. 
Duminicus  Gundisalvt  S.  18. 
Eisler  S.  6. 

Ersch  und  Gruber  S.  5. 
Empedocies  (Pseudo-)  S.  13,  14,  16,  48. 
Falaqera  S.  14,  18.  27,  35,  42.  48. 
FilipowslEi  S.  4. 

Frankers  (Honatäschrift)  S.  5,  19,  4a 
Frankl  S.  8. 
Fürst  S.  5,  7. 
Oabirol  S.  16  fif. 
Galenus  (Gallanus)  S.  15. 
Geiger  S.  2,  4. 
Grätz  S.  5,  9. 
Guttraann  S.  11,  14.  17,  18,  19,  21,  25, 

26,  31.  a^),  36,  39,  41.  43,  44,  45,  49. 
Haarbrücker  S.  10,  13,  14,  31,  48. 
Hamberger  S.  5. 
Haneberg  S.  11.  17. 
Hippocrates  S.  31. 
Ibn  Sina  (Avicenna)  S.  13,  49. 
Isak  ben  Baruch  S.  1. 
JeUinek  S.  1,  3,  4,  7. 
Johannes  Hispanus  S.  18. 
Josef  Albassir  S.  8 


Jost  S.  5. 

Juda  hallevi  S.  2,  12.  35. 

K&mpf  S.  2,  5. 

Kaufmann  S.  4.  6,  7,  9,  11,  12,  14, 15, 

16,  17,  26,  27,  34,  35,  46,  47,  48. 
KnoUer  S.  7. 
Krakauer  S.  6. 
Lautere  Brüder  S.  14  ff. 
HaimonidesS.1,4,8, 11, 17,29, 30,31.39. 
Maimnn  S.  1. 

Mose  ibn  Esra  S.  1,  10.  12. 
Malier  S.  21. 
Munk  S.  14,  48,  50. 
Mutakallimun  S.  8,  15.  47. 
Nachum  hamaarabi  S.  3. 
Neubauer  S.  5. 
Peripatetiker  S.  la 
Plato  S.  14,  19,  24,  30,  42. 
Plotin  8.12,21.24,37,38,39,40.42,45.46. 
Procius  S.  41. 
hahmer  S.  6. 
Reiftnann  S.  3,  14. 
Ritter  S.  49. 

Hosin  S.  7.  11,  30,  31,  39. 
De  Rossi  S.  5. 
Saadja  S.  8.  11.  16,  29,  31. 
Sabatai  Donolo  S.  20. 
Sachs  S.  2,  6. 

Samuel  ibn  Tibbon  S.  4,  17. 
'Sandler  S.  7. 

Schahrastani  S.  10.  13,  14,  4a 
Schmiedl  S.  7,  8.  29.  35. 
Socrates  S.  10,  12. 
Stein  S.  19. 

Steinschneider  S.  1.  3,  5.  6.  12,  14, 17. 
Thaies  S.  13,  48. 
Oberweg-Heinxe  S.  7. 
Weinsberg  S.  6. 
Wenrich  S.  14. 
Wrobel  S.  19. 
Windeiband  S.  19. 
Wolfius  S.  1,  2,  5. 
Xenopbanes  S.  10. 
Zakuto  S.  4. 
ZeUer  S.  11,  23,  24,  37,  38,  39,  40,  41. 

42,  44.  45,  49. 
Zunz  S.  2.  6. 


DES 


SOMIiriCUS  GOSISSALIirüS 


SCHRIFT 


TON  DER  MTEBilUCHKEIT  DER  SEELE. 


HERAUSGEGEBEN 
UND    PHILOSOPHIEGESCHICHTLIGH    UNTERSUCHT 


VOK 


DR  GEORG  BÜLOW. 


NEBST  EINEM  ANHÄNGE,  ENTHALTEND  DIE  ABHANDLUNG  DES 
WILHELM  VON  PARIS  (AUVERGNE)  DE  IMMORTALITATE  ANIMAE. 


-«-NÄI>^«WAfe=^C>--=^ 


HÜHrSTKR  1897. 

DRÜCK  CND  VERLAG  DER  ASCHENDOBFFSCHBN  BUCHHANDLUNG. 


HEBB«  PROFESSOR  DR.  CLEMENS  BAEÜMEER 


IN 


YEREHRÜNß  UND  DAHKBARKEIT 


ZUGEEIGNET. 


Inhaltsangabe. 


■  Gnndissalinus  „De  imtnortalttaU  antmae"  (Texl^.    S.  1—38. 
Appendix.    Gnilelmus  Parisiensis  „De  immortalitate  ammae"  (Text)  39— Gl. 
Gonigenda  S.  62. 

I.  TextesgiuBdlage.    63-83. 
Beschreibung   der  Handschriften:    P  63—65;  M  65—67;   C  68— 70;   N  10— 
71 ;  //  72—75.   Ausgaben  Wilhelm 's  75  f.  Tex  tum  Stellung  Wilhelm's  7G  f. 
Wertung  der  Handschriften  11—83. 

n.  Die  Antorfrage.    84—107. 

Litteraturangabe  84—86.  Leben  des  Dominicus  86  f.  Leben  des  Wilhelm 
87  f.  Beziehung  zwischen  Dominicus'  und  Wilhelm's  Schriften  ,Ue 
immortalitate  antmae"  88— f>9.  Dominicus  ist  Autor  der  älteren  Schrift 
99—103.  Des  Dominicus  Schrift  geht  auf  arabische  Vorlage  zurück 
102  - 107. 

UI.    Der   philosophlsehe  Gedankeugang  und  die  plillosophlegesehlehiUehe 
Stellung  der  Sehrift.    107-143. 

Litleratur  107  f.  Einleitung  108—109.  Äußere  (praktische)  GrOnde  fQr  die 
Unsterblichkeit  der  Seele  110-112.  Innere  Gründe  112—139.  Schluß  140 
Rückblick  140—141.  Philosopfaiegescbichtliche  Stellung  und  Kritik  der 
Schrift  141-143. 

Verzeichnis  der  Eigennamen  144—145. 

Berichtigungen  146. 


GUNDISSALINUS 

DE   IMMORTALITATE   ANIMAE. 


Nosse   debes  ex  aliis,  cfiiod  quatuor  mociis  humaiüs  consu- 
ilitur  erroribus.     Et  priino   quidi^m  sensu   pt-r   expericntiain,    so 

indo   pocnii    pt*r   ledern,    ti^tio    pliiti)S(ii>hi!i    per   pmbationem,  * 
quarto   diuinitus   por   prophetiaui    tA    i*:ui*liilion(']ii.     In  (juo  ap- 
paret,   quam  noxiuii»  et  quam  pf^rnicioÄUin  dfiiina  honitas  repu- 
Uuerit  erroreiii  aniiuanuii  Iniftiariiiruiii  cirra  se  ipsas^  el  maxiiuo 
]lam,  qui  est  de  inimorlalitale  natural]  itlariim,  quoniaui  destniit 
fundanientum  hourslaln  t-l  rcIiKionis  lolius.      Quid    enim   resiat  ui 
diflidontibiis    de    iinniortalitato    sua  aniniabiis,   cum  nulla  sit  t^s 
spes  uiUif  alU-rius  el  iiU'O  nulla  olftineiidui^  ucnur  feHt-ilalis  lidu- 
^Kda,   idsi   nninium   ptostilutlo   uitioninir'     E(  ipsa  bonestas  quid 
aliud  eis  quam  dementia  reputabilur?  Dum  enim  se  uidenl  frau- 
dari  praesenlibus  el  alia  non  cxspoclanl,  iiullo  modo  eis  suaderi  i* 
poterit,  quod  aliud  sit  bouestuliä  persuasio  quam  itnperilorum  de- 


t 


Codices:  /':  Pariaintis  hHAiothecae  nationafis  tat.  ItiGl'S,  s.  Xl/f.  — 
Jf:  Farinnu^  bihtioütrrar  nationalU  tat.  I4i*8lj,  ».  XJJI.  —  X:  Pariainits 
hHAwlheeat  nationalis  hl.  14887,  au  XIV.  -  C\  Carnotenai»  hitliotheeae 
puUirae  1^1,  k.  XJ  V. 

1 — ii  GuDdissalJDUS   de    imniortaJilale  anlmae  I'   ile  immorlalitale  ani* 

mae  (om  Gundissalinus)  ^V  om  MC        3  quodj  ijuia  M        ^—4   consuliter  N 

ö  per  prol>aUonem]  per  reprobalionein  C  om  y       6  Jiumaiiarum  aniiiiuruni 

iN        9  ilUram)    illatum  CN        10  quod  CN        Pott  reatal  adä,  de  CH 

11  difSdeDÜbus    om   P  lacuna  hiante         nullaj   in   iUa  CN       eis  om  CN 

12  ideo  om  CN  obtüncodae  Af  fidui^ia  om  I'X  13  nisi]  ubi  /' 
14  enim  oni  P  uident  se  M  Ir»  aliam  I'C  eis  om  CN  IH  füteriüs 
C       aliud  sil  ONI  CN       imperitoruml  impemlorum  P 

El«itrare  U.  IL    BUlow,  aandiMsUiiii«.  1 


ft  GundiBsalinuä 

ceptio,  et  ipsa  luudabiliiim  monim  professio  deceptonim  delira- 
mentum.  Ex  quo  rerum  hunianaruni  intolerabilis  perturbatio» 
uitao  oinnimoda  confusio  pt  —  t^xlreniüin  nialorum  omnium  — 
creatoris    exhonoratio   necessario    consequuntur.      Morito    ijfitiir 

5  lam  noxio  errori  tot  medicamenta  opposuit  diuina  miseratio,  iil 
lex  per  poenas  inedeatur  contmnacibus  et  philosopliia  per  pro- 
brttionos  ignorantibus  et  prophetia  pi^r  reudationem  diuiimin 
auctoritati-ni  ueiierari  uoleritibus;  sensus  quoquc  t'xperiri  ru])ien- 
tibus,  non  solum  testimonio  accepto  a  resurg^nlibus  et  ab  altera 

lü  uita  nMieimtibuSf  seil  ab  Ipsis  aniinabus  suis  se  ipsas  et  a  cor- 
pore et  ab  uliis  abstrahere  nnlentibus  et  ad  semetipsas  se  col- 
ligeritibus.  Hae  enim  indubitanter  sitnliunt  se  nihil  habere  cum 
morte  et  seorsum  se  esse  a  regtone  mortis;  agnoscunt  etiaiu 
continniUilern  suam  ad  fonlein    uitae   el    niliil    esse  interponibilc 

LS  slbi  el  foiiti  uitac,  quod  nnxutii  tiila«'  .stip<T  iUiis  iiiipedial  et 
auertal.  Sed  isla  expericutta  aiiiinabus  in  serisibilia  effusis  utqne 
dispcrsis  et  in  corporibus  propriis  inearceratis  est  impossibilis. 
QuaUter  autem  huic  errori  philosophia  probationibus  occurral, 
docere  in  praesenti  t4*ntplahiiiuis. 

«0  Et  iuin  iiosti  ex  doctrina  iogices,  quod  Syllogismus  non  est 

demonstratio,  nisi  cum  fuerit  ex  propriis.  Transcendentia  enim 
et  cxtranea  cum  aptsita  fuerint  conclusiüiii ,  cuius  cerli- 
tiido  nobis  quaeritur,  aplata  inquam  coinplexionc  et  ordinatione 
syllogiätica,     non     tacient     nobis     scienliam     detnousti-atiuam. 


2  inlollerubills  PCN  3  conressio  P  extremiirnl  exterminum  C 
4  creatorum  ex  honestale  <'S  necessario  om  PCX  runsci|uiliir  X 
h  lam]  causa  /'  apposult  P  li  et  philosophial  philueopltiaque  CN 
7  ignorantihus  om  Jlf  8  autliürilatein  P  uenerarij  honorari  N  quo- 
que]  quu  PX  9  a  om  5f  II  abstratfere  N  ualcnlibus  A/  et  om  X 
seniet]  se  CN  13  regiune]  reclione  C  el(Hiti|  el  AT  14  essej  est  P 
lf>  fonle  N  uitae  otn  M  quudjcum  quo«tC'jV  ßuxuiii|  fiuxjt  P  ui- 
lae  om  P  16  in  sen»iliittaj  in  isla  sensUnWa.  /*  in  sensibilibus  CX  17  e( 
om  CX  18  Qualiter]  Quomoüo  M  aulem]  ad  C  ergo  M  IH  pruesen* 
Übus  CX  aO  EIJ  Nunc  V  Aul  X  ex]  de  CX  logitae  VX  non  om 
PN  21  cunij  causa  ('  ex]  qund  /*  Trascencia  C  enimj  cui  P 
22  uptala)  appUta  /'  fuerit  P  conctuKioiiem  CX  cuius  om  X  23  no- 
bis quaehtur  uptata  om  CX  aptata]  applata  P  urdinatinaej  online  P 
34  raciant  VX  laciunt  P 


\ 


» 


I 


be  immortalitate  nnima«.  fi 

Huiusinodi  lamen  syllogisniis  iniperitia  et  Hefectus  el  cognoscen- 
dae  quoquo  modo  uoriüitis  auiditas  cogit.  nos  esse  conleiitos. 

Propter  quod  iusUtiam  creiitoris  el  Judicium  futiinun  radi- 
cem  probationis  immortaliUtis   aiiima«?   humaiiae  non  nos  priini 
sed  ante  nos  nlii  posueninl ,     si  quiiU-m,  si  anima  huniana  |K)sts 
uitani  istam  non  uiuerrt,  uane  liic  et  fruslra  doo  scruirotur,  cum 
in  uita  isla  dei  cultus  el  religio  pfuriinurn  siii  (orriioriluin  habeal 
et  afllictioiieni,  el  post  uitam  istain  nullü  sil  lutura  eius  reniunt?- 
ralio,   quia   ncquo   uita   est  aninuu*  hujuanac  post  uitain  isUni. 
Secunduni  hoc  utilius  eliani  esset  aninia*'  hunianae  nei^are  deum  lo 
omnino  et  omni  uauitati  el  uolupluli  se  prostituere,  quam  sancte 
ac  iuste  uiuore  et  crealorem   dt'bila   lionoriläci-tilia  ot  deuolione 
colere.     Si  enini  curat   deus    cullores    el    ueneratores   suos,   ubi 
eius  potentia,    cum   nee  in  uita  isla  propter  hoc  Sit  eis  nisi  de* 
leriuä ,   nee   in    alia   sit  eis   melius ,   cum    alia   non   sil   futura  15 
post  istam'^     Si  autem    non    curat,   ubi  sapientia  eius  aut  boni- 
tas?     Aut    enim    ignorai'e,   aut   non    amarf   uidebitur   amalores 
Buos  et  ueneratores:   quorum   tilterum   destruit   vhi^  sapientiam, 
altenmi  uero  bonitatem.     Ilaec  est  igilur  i-adix,  per  quam  coiiali 
sumus   aliquando   oslendere   animae   bumanae   uitam    esse  post  m 
iätam. 

Alia  radix  erat  nobis  ipsa  dei  iuslilia,  qua  [losita  neccsse 
est  futurum  esse  iudicium,  quoniam  in  hac  uita  iiec  mali  reci- 
piunl,  quod  morenlur.  nee  honi,  quia  el  maus  hie  bene  est  et 
bonis  male.  Vbi  ergo  iuslilia  dei,  cum  ulriquo  contraria  uierilis  es 
suis  recipiant  in  hac  uita^  si  post  uttatii  istam  non  est  iudiciurn, 
quod  utique  non  est,  si  non  uita  est  post  istam? 


l   sillogifimorum  CN         2   quuque    A'C         tiioüü   om    t'.V       3  pf>ict 
qumi  odH  |innia  radU  quoü  CN         iualilia  CN         7  cuUus   dei  CN         et 
CN  8    el    onlr    afnirtinnetn    am    CA"  8— J>  uiUm  .  .  .  posl  om  C 

Mit  uita  M  luimanitm  /'  uitnrii  uitam  t'  istam  uitai»  .V  \y\ poat  uti- 
lius add  est  V  eliam  om  (.'X  1 1  uülunlatj  el  uunitiiti  /'  uanitute  et  uanit^ti  N 
12  acl  et  CN  honorificia  i*  LT  enim]  ei  /'  ante  curat  add  non  CN 
II  cam)  est  P  necl  uero  /'  antf  sil  add  non  N  15  nee]  oatarae  P 
Bkdius  sit  eia  CN  l(J  aut]  ac  CN  '2f)  bumanae  om  CN  24  elj  nee  N 
Äi— 2r»  bunis  hie  inale  el  malis  bene  (omiasa  est;  CA'  'i5  uterque  CN 
96  istam  uitam  CN  uitam  om  M  noiij  ncc  M  "27  si  .  .  .  istam]  post  istam 
uitam  si  uita  est  alia  idresl  noni  CN 

1   ♦ 


t  GunHiBsalinufl 

Tertia  autem  radice  ad  id  ipsutn  utl  solebatnus,  qnae  isla 
est  Omnis  iuslitia  exit  in  iudiciinn.  quam  nee  ignoranHa  meri- 
toruni  neo.  dilTurwItas  iiliqua  anl  inipossihilil:i.s  relribiilionis  pro- 
hihol.      luslitiarn    auleiii   diuniani    aliquo    istonnii   prohÜM^ri   uel 

Ä  irnpediri  imposäibile  est.     In  iudieiuni   igitur   illani  exire  necesse 

est.     Et  in  iiac  nita  non  exit,   ut  assensn  dictorun»  exeniplomm 

accipimus.    Exibit  !|;jHiir  posi  hanc;  et  ita  eril  una  nila  post  baiic. 

Ilac  etiam   quarta    radice   «ti   consueiiinms,    bac   uidelicct, 

qiiia  sapieiilissiiiitis  ac  beni^nissimus  deus  abquid  melius  protiidit 

'*•  electis  suis  quam  nita  isla  habeat,  cuni  ipsa  sapientia  duce 
quicquid  habet  uita  isla  et  ipsani  eliam  uitam  conteninant;  qiia 
propter  sapienles  maxinie  iniic^nirentur  erronei  et  ipsa  sapientia 
duce  deceptissimi,  cum  totinn  bnmini  sniim  hie  ronlemiierent  et 
abiccrent;  soli  uero  raali  sapienter  hie  uiuerenl  et  caute  agerent, 

^^  cnm  soli  bonum  snum  bir  qnaererent.  Rcslat  igitur,  ul 
aliquid  melius  quam  habeat  uita  isla  elcx'tis  suis  et  cultoribns 
deus  pronideril ;  et  hoc  tmw  in  uita  ista,  quoniam  nihil  melius 
est  in  uita  ista,  quam  habeat  uita  isla.  In  alia  igitur;  et 
ita  est  uita  praeter  istam,  sattem  aniniabus  bonorum.     Quare  et 

2*"  animabus  maloruni,  qnoniam  si  nihil  deterius  praepaniuil  detts 
aniniabus  uiidonnii,  ipiaiti  ]iabeat  uita  isla,  luric  noti  soUun  im- 
pune  mali  sunt,  sed  etiam  tiono  suo  mali  9Dnl,  et  ex  malitiu 
sua  est  eis  melius;  quod  diuinae  bonitatis  aequitas  quabter 
sustinebit? 

»  Nunc    aulom    ex    propriis    inmiortublatem    eius    astruere 

temptabinius. 


1  autem]  etiam  üf  1 — 2  est  ista  CN  G  ut]  nisi  C  asensu  M 
7  accepimua  CN  una  om  M  H  ciintiueuimus]  eoaHUflmnii  P  solemu«  CN 
10  habeat  uita  isla  /'  10 — 13  cum  .  .  .  sapientes]  aat  iH.m;  si  nua:  eriro 
per  sapiffliliaiii  ipüBtii  decepU  sunt  et  f'.V  1^  inuenientur  /*  iftsa  la- 
pienlia]  ipsa  (om  sapientia)  /'  sapientia  {otn  ipsa)  CN  \S  cumj  est  }' 
bonuiti  suüm  hir]  suuin  om  P  hie  om  CNM  14  alnccrenl]  abicierent  /' 
etj  uel  CA'  15  soli  om  P  hie  om  CA'  IG  ista  uita  CN  electis) 
ctericis  P  17  quoniaro]  quoram  P  18  aha]  aliqua  /'  19  animarum 
bonarum  CN  IH— Ät  <Juare  ,  .  •  malomtn  om  CN  20  quoniamj  quaiv 
CN  si  om  CN  poet  deu»  add  el  CN  22  utiainj  esse  N  2ä  «ttj 
ex  N       quod]  quam  N       25  Nunc]  Que  /'       eius  ihm  CA* 


De  imnKirtaliUlte  animae. 


1 

I 


Prinntin  igilnr  ordiiiäbUiuiü-  radices,  quas  u  philusophis  ac- 
cepiiniis.     Quaniiii  utia  haec  est. 

Oninia  sulistantia,  cuius  opei-atio  non  |>endet  ex  corpore, 
nee  eiufi  essenÜa  pendel  ex  coi-pore.  Liberiorem  enim  a  cor- 
pore Decesee  eäi  esse  essentiani  quam  operalioncni  cuiuscunquc  & 
siibstantiac.  ijma  ergo  opernlio  ajuinae  humaiiae,  id  est  eius 
quod  esl  in  anirna  huiiiana  siibtitLssinium  ac  nobillssimuni,  sci- 
licel  quo  brutis  anteoelliinus ,  noii  pendtt  ex  corpore,  sicul  est 
operalio  uirlulis  ititellectiuae»  inanileslum  4'st,  (|U(xl  eins  ess^ntia 
non  peridel  ex  airpore.  Est  igitur  äeparabtll^  a  i-orpnre  ualura-  lo 
Uter  el  uiueus  praeter  corpus  ac  sine  corpore. 

Aniptius,    tuxta    eandeni   rationeui.      Oninis  uirtus,    cuius 
operatio  impedilur  a  corpore,  eius  esse  uel  essetitia  non  peiidet 
ex  corpore.     Palam  aulem  est  uirlutem  iiitellectLuain  huiusiiiodi 
ess«,   quia,  quanto    magis  coipori   se   miscuerit  aut    iinnii?rscrit|  i& 
taiilo  eius  intelligere  erit  obscurius,    obtusius  et  tiiwlius  et  erro- 
ribus  adinixlius;  quaiito  uaiem  a  corpore  aniplius  se  elon^auerit 
el  ahstraxerit,  tanto  erit  acutius,   claritis,    uclocius   et  ab  errori- 
bus  Uberiuä.     Elonj^atiotieui  aiitem  spiritualetii,    noa  corporaleni, 
hie  accipimus,  el  approximalioiiern  siniililer,  i{iiin_t  est  sollicitudo  20 
el  auior  corporis  et  eonun,  quae  <torporis  sunt;    de  quibu-s  iiia- 
lüresluiii  esl,  quod  unmergunt  et  obscuranl  intellectuin,  contraiia 
uero  liberant  et  clarificaai  ipsuui;   et    isla  sunt  sicut  praesentia 
uirporls  el  atUclus   eius    afaul    iiilellcctum.      EMsenlia  i^ilur  in- 
tellectus  non  pendet  ex  corpore,   cum  eius  operatio  propriu  im-  £& 
pcdialur  ab  illo  et  per  illud. 

iVinpUus.  Si  essentia  intellectus  peridet  ex  corpore,  debet, 
ul  confortatio  sequalur  c(inforl;i1i4>iiciii  et  ilohililatio  dehililalio- 
nem.    Nos  autem   c   contrai'io   tutuiu   uidentus,   quia  debilitaüo 


ä  est  om  CA*"  4  enim  om  CN  5  esse  om  P  (i  ergo]  igilur  M 
7  pOMt  tiuuiana  ndd  esi  P  7—8  sctliceLj  id  est  /'  8  autecciliiiiuä]  unle- 
loUimus  CN  !(►  exj  a  CW  11  nc]  aut  CJi  12  riiLionem]  nitiiccm  M 
13  pendet]  depenilet  C^i  14  ex]  a  P  Ki  intelligere]  intellectus  CN  etj 
aat  C  17  ainpliusj  niagu  CN  32  intellertumj  inleltecttbus  CS  24  at* 
lactus]  actus  r  atlractus  CA^  2'1— 25  intellectus]  intellecLuatisCiV  25  pen- 
det] dependet  Vy  l>6  ab]  ex  C  et  om  C  27  ex]  a  CS  dehetl  se- 
quitur  in  maryine  M  2M  seiiuaturj  runsequalur  P  post  »equalur  aJd 
ad  .V  28—21)  debililatiuuem]  debilitaüo  Clf  28  paut  debllitalio  udd 
■d  Jf       29  nidemus  totum  CN 


1 


6  ^^^^^P  Gan<ljssalinus 

cori^oris  est  in  senectute  et  uigor  uirtutis  intellectiuac  tunc 
maxiinuSf  et  inlelleclus  ex  omnibus  modis  suis  tiinc  fortissitiius:;  ex 
quo  manifeste  apparet  uirtulem  intellectiuam  in  seneclule  iuue- 
nescere. 

ü  AiiipliuB.   Oinne   mortale   sua   ipsa  duralione  paulaÜm  de- 

bililaiur  et  defic!it,  donec  deuejiiat  ad  defeclum  ultüuuni,  qui  est 
mors.  Virtus  autem  intellecliua  sua  ipsa  <liiralione  proticil  et 
inualesctt,  ul  quanto  fiiprit  diuiumior  et  antiquior,  lanlo  sil  ex 
omnibus  modis  suJs  fortior.     Virtus  igilur  intellecliua  inmiortalis 

10  est,  et  ipsam  non  solum  non  posse  senescere  duratione  aut  de- 
leclui  approximare ,  immo  de  duratione  ipsa  eam  iuuenesoere 
et  a  defectu  et  mnrle  ampliiis  olonfrari  manifestum  est.  In  quo 
simul  apparel.  [Iiiiei*sitas  ititt^r  uirtiitem  anirriiilein  cl  uirtntein  in- 
tellecliuain,  tiuoniam  uirlus  animalis,  tanquam  pendens  ex  cor- 

ift  pore ,    sequitur   disfjositiones  illius  —  scilicet  quia  eo  conforlato 
conforlatur   et  uigorato  ui^oratur  et  debilitato  debilitalur  et  de-. 
Ücionte  deficit,  In  qimnlum  est  uirtus  animalis,  et  cessant  ope-1 
rationes  eius  animales  ex  tolo  — ,  uirlus  autem  intellecliua  e  con- 
trario  se   habet  ad   coipus   in   hoc.     Si   quis  autem  obieceril, 

ari  quod  uirlus  inlpllectiua  impedilur  et  debilitatur,  cum  imppdilur 
et  dcbiiilatui*  corpus ,  sicul  in  aegrolantibus ,  ul  in  frenetiois. 
nianiacis  ei  melancholicis  et  quolihet  alio  modo  menle  alienalis: 
respondenius,  quia  aliud  est  impedimentum  et  laesio,  aliud  oc- 
cupatio.    Non   enini    ditlinus ,    quod    uisus    uel    andilus  exlerior 

s&  laedat  uel  impediat  inlelleclum ;  sed  occupal  iiienlem  humanaiu 
re  uera,  ut  hora  illa  non  uacel  intellecliuae  operaüoni,  quia  per 


1  luoc  OM  /'  tj  suis  om  CN  A  iputus  duration«  /*  duratione  ipsa  C. 
Cf,  22,  t3;  2H,  2S  (J  defficil  C  deueniaLj  uftniel  CN  uenial  M  deffectum 
C         9    Virlus    intellecliua  'iplur   t*  10  possej  posstbile    P  solum    N 

aul]  et  N  10—11    defectui    a[iproxJmare    immoj   decrepmaxi||Iinimo   (una 

Uttera  eram)  f  U  aproxiriiare  C  immo)  sed  cofr  ex  immo  M  eam] 
ipsam  CNJ^  12  a  defectui  a  deSectu  C  ad  cfectum  M  est  manitestum 
CN  13  simul|  similis  PNM  Ifi  ef>  om  P  1(>  conforlatur  om  PCN  auf« 
nigoralo  aää  eo  CN  debilitato  om  P  16-17  dofHciente  derßcil  C  17  el 
om  CN  17—18  eius  operaliones  CN  2tt  <|uodi  c)uia  NM  90—21  cum 
impedttur  et  debililntur  om  VN  21  corpnsl  per  corpus  CN  post  aein^' 
lantibus  aiid  in  rnarffim  uidemus  U  utj  sicul  /'  22  maniacis]  daemo* 
niacis  PCM  23  quia]  quod  P  est  aliud  CN  36  non  om  P  iu- 
cet  illa  bora  CN         quia]  qua  MCN 


De  immorUliUte  aniinae. 


I 


uisum  uel  auditum  ad  forinseca  particularia  Irahitur,  sicul  est 
el  in  iabonintihus  huiusmodi  passioiiibus.  Passiones  eiiiin  htiius- 
modi  sunt  sicut  soninia  (ixa  üI  adliaerenlia  propter  infectiones 
iuseparabiles  aut  non  faciU'  separabiles.  Quemadmoduni  igitur* 
somnia  inenlein  teneiit  uel  anirnarn  circa  pliunla.sniaLa  occupalam  & 
ol  alligatain ,  sie  tstae  atienationes ;  essetitiam  uem  iiirtiitis  in- 
tcllectiuac  non  laedunt  omnino.  sed  eius  Operationen! ,  quemad- 
rnodum  occupatio .  inipediunt.  Et  hoc  apparet ,  quia  liberata 
perfecte  et  sanata  uirtulc  aiiliuiili  et  expurgata  penitus  infectiorie 
huiusmodi  uirLus  intellecliun ,  tanquain  in  essentia  sua  nihil  i*> 
passa  laesionis.  ad  proprias  operatiories  rcuoiiitur,  el  in  bis  ipsis 
Itirbalionibus  et  alienationibus  ad  diuinationes  et  diuinas  reue- 
lationes  quodarn  tiiodo  aeliil  a  corpore  soluta  el  expedila 
enunpit.  (^ertum  autein  est.  quia  diuinatio  et  [-euelalio  for- 
liäsiinae  ac  nobilissiniae  operaliones  uirlutis  inlellectiuae  sunt,  ir. 
dum  est  in  corpore;  et  ad  illas  maxime  inualescit  niaximis  ini- 
pedimenlis  et  laesionibus  corporis,  Kt  haec  est  causa,  pro[)ter 
quam  illuininatio  seu  reuelatio  propbt*taHs  uix  aduenit,  nisi  cum 
magna  debilitatione  corporis,  sicul  est  exiasis;  et  inde  est  quod  ex- 
tasiin  raptum  usus  nominal.  ManifeHtnni  igitur  est  ex  bis,  quod  *) 
nobilissimu  operatio  ac  fortissinia  uirtuüs  iiitcllectiuae,  quae  pro- 
phetia  uel  i'euelalio  est,  tunc  maxime  uiget,  cum  corpus  inlir- 
mlssimum  est,  sicut  in  extasi  et  raptu  palam  est.  Haec  antem 
inaximu  eius  separatio  a  corpore,  dum  est  in  corpore.  In  oin- 
iiinioüa  igitur  sepurulione  a  corpore,  quae  mors  est,  onmiuiudo  8.'> 
uigel. 

Amplius.    In  omnimoda  sui  coniunclione  ad  corpus,   quae 
est  omnimmla   sollicitudo   eins  atl   ipsum   et  omnimodus  amor, 


P 


2  3  buiu^iiiodi  eoim  C  enim  om  X  3  Hxi  VN  4  non)  st  P 
igitarj  enim  VN  5 — G  occupulaiu  et  alligataiBJ  occupatiua  et  alligutiua 
NM  6  uero  om  i'  7  scd]  socunduin  CN  operalione  /'  R  Et] 
ei  CN  quia]  i[u<k1  N  \0  sua  om  F         II  in  om  CN        his]    hon   C 

13    turbalionitiusj    perlurbalionibu<:t    C'.V  13    uelul    om    CA'  a    cor- 

pore om  CX  ante  soluta  ndä  ad  modicum  M  14  ante  erumpit  add  et  N 
qaiaj  quod  CN  el|  aut  V  17  liaecj  hoc  .V  est  om  /'  U*  magna] 
maxiina    P         el   inde  est  quod]   tantum  quod    P  post  quod   add   in 

CN  yu  est  igitur  CN  23  pont  uel  tuld  diuina  Af  21  ciusj  est  M 
Inl  Et  ^  2!)    eät   mors   CN  oninjniuile    CN         26    ui^et    in    mar- 

fimt  M       27  conianclione  sui  F       corpora  /'       tJ8  soliciiudo  P 


8 


Gundimalntoa 


omnimodo  absorbetur  intellectiuae  iiirtutis  propria  operatio.  Ä 
conirariis  igilur  in  onTnimoda  separalione  sui  a  corpore  omni- 
moHo  ronforUbitur  el  reuigorabitur  eins  operatio.  El  hai*c  se- 
pnralin  in  niorte  (?sl,  uel  poiius  mors  ipsa.  Impossibile  autern 
■'' «sl  uigorari  operationeni  uirintis  mm  laesione  essenliae  ipKJUB. 
Non  taedilur  ergt»  uUo  mo<io  essenlia  nirtutis  intellecliuae  ex 
morle  corporis.  Huius  aulein  indicia  manifesta  sunt  in  rapln 
uel  extasi  uel  soinno  et  a^griludinibus ,  quae  alicnatrones  ope- 
rantur,  ut  dixinnis,  et  in  uii-initalo  mortis,  ubi  plerunuinr  dini- 

II)  nationes  et  uisiones  (*l  fiilurorum  |irapdicliones  factas  non  du- 
bilamus.  Rede  autem  philosophanlium  et  ueritalem  perscrulari 
qtiaerentium  est  non  soluin  principia  et  radices  demonslrationum 
ponere,  sed  etiain  indicia  et  signa  adicere. 

Atia  etiam  radix  apud  ptiitosophos  inuenitur,  haec  scilicet. 

IS  Omnis   subslanlia,    cuius   forma  non  est  corruptihilis ,    in- 

rorruptibilis  est.  El  omnis  substanlia  intellipens  est  huiusmodi, 
qnoniam  solae  fonnaf^  materialfs  rorruptibiles  sunt;  nuüam  au- 
tem formamm  materialium  habet  ut  suam^  Id  est  naturalem  uel 
essenlialern,  quaecunque  substanlia  intelligens.     El  hoc  esU  quo- 

20  niam  omTiinm  hiiiasmodi  siilisl;uitia  rf)rriiamni  riimihludiiieB  recipit; 
queniadinodnm  ocuhis  nulhnn  hal>ei  coloreni  in  ea  parte  sui, 
ubi  omninni  colorum  similitudines  recipit,  et  gusliis  nulbim 
saporem,  ubi  onmium  saporum  similitudines  recipit,  Alio- 
qu'm    n^'c    iste,    ni'c    ille    siiorum    sensatoruin    similituduies  re- 

25  ciperet  nee  ab  Ulis  esset  passibilis,  cum  albuni  ab  albo  passi- 
bUe   non   sit   nee  similitudinem   eius  ullo  modo  ualeat  recipere. 


1  operatio  propria  P  2  oinnimoda  .  .  .  coipore  om  CX  sui 
separalione  M  3  reui^urRbilurj  recneuiiirabilur  /*  4—5  est  autem  P 
5  poMt  i\mus  add  cuius  est  uirtus  CK  Ö  uUo]  duHo  N  7  indicia]  iudi- 
cia  C  sunt  manifesta  P  8  uel— uel]  et— et  CNM  9  ubi)  ut  /* 
plßnimquej  liiterai-  quae  in  C  äepirtae  »unl ,  Ugi  non  possuttt;  plurimnrii  -V 
10  et  (pogt  uisiones)  om  M  praedicationes  VON  U  Recte  auLem]  Et  rerte  /' 
philosophantium)  prophetantium  IX'K  et  om  M  12  quaercntiumj  uo- 
lentiura  t'N  13  adicere]  atlducere  CX  U inuenitur]  iuljentur  C  15cor* 
ruptitiilia  non  est  CN  lü— 16  est  incorruplibilis  JV  18  materialium]  na- 
turalium    P  \{)    intetligens   bubstantia    CN         20   substanlia    addidt   ex 

Gudeimo;  om  PMCN      22  omnium  om  CX     23  omnium  sapoiem  A'    24  sensa- 
torum  suonim  CA*       24— Sff»  recipit   C     26  ullo]  nullo  CA"      ualeat]  ualet  P 


De  immortabtate  antmae. 


9 


I 


I 


I 


Si  emm  tHam  reciperet ,  duae  albodiiies  innenirenhir  in  eadem 
siiperticie,  cum  impressio  albe<linis  in  albuiii  iiou  possei  esse 
iiisi  albedo.  Quia  igitiir  sota  fnniia  nialerialls  est  corniplibitiH, 
et  illani  non  polest  habere  nalumlt^i»  aul  esaentialern  subslanÜa 
inUtlißens ,  inanifesliim  oai  substaDtiain  intelligentem  iiicorrupti-  5 
bilem  esse,  cum  eius  fomia  essentialis  incorruptibiüs  sit.  Et 
hoc  quidem  ipai  tanquain  certo  et  probato  utuntur,  quia  oiiuieni 
penerationein  et  corruptionem  oninenrniue  contHfrtum  contrario- 
nun  in  nialerla  et  cina  materiani  es50  cerlissimurn  est.  et  qiioniani 
in  imniateTialibus  non  est  contrarletas  et  idco  neque  connictiis ;  10 
propter  quofi  nee  genemtio  nee  cornipiio ,  qiioniuni  geniiTalio 
et  forruptio  ex  conllielu  ?unt  ubiqui^  Lontrarioruüi  inuirmi  apen- 
tiuni  et  patientium;  et  quia  aclioniw  huiusmodf  oniiics  vi  pas- 
siones  per  contactnm  sunt,  contactum  autcm  in  soUs  matoria- 
libus  et  in  solis  corporibus  esse  necossc  est  i* 

(JnoH  si  quis  quaerat  de  aninm  animali  siue  Ivrulaü .  an 
iminaterialis  fomia  ipi^'i  >il,  oportet  rcspondere,  quod  materialinni 
fonnaruin  duao  sunt  nianenes:  una,  quae  totaliter  innititur  et 
iortnnbit  materiae  suae  et  non  regit  nee  suätinet  eani  nllo 
modo .  sed  sustinetur  ab  ea,  et  haec  est  forma  proprio  corpora-  20 
lis;  aba,  cui  potius  iiinitilur  sua  niaterJa  et  sustinutur  et  re^ilur 
ab  ea*  Venuntanien  non  est  operatio  buius  formae  nisi  in 
maicria  sua  et  per  eam;  et  ideo  apparet  eius  esnentiani  pen- 
dere  ex  materia  sua»  cum  oitinis  eius  operatio  ex  illa  pendeat» 


I  Si  eaim]  Sod  cum  P  2  impressin]  impressioni  P  in  albis  /* 
poaset)  poäsil  3/  posf  [wssel  ndd  ülbcdo  N  3  albeilo  mn  N  solum 
furma     P    forma     sola    C  -i—o    sultstantia   inlelligens    om    P   0    El] 

Ex   /*  7    quidam    JV        ipai)    ipKi    /'.      Dicit    pfiilosophos    quos  supru 

p.  9,  J4  tamämmrot  M  certissimum  est  am  A/  10  immaterialibiis]  in* 
uturaUbus  /*  oeque]  non  C^  tl  qaoil]  boc  6'^  necjnc<]Uo/'  necj 
et  /'  neque  CN  quuniam]  quae  CN  11—12  generatio  et  norruptJo  om  CN 
13  qniaj  quoniarn  Cti  buiuHtnoJij  eiusmudi  C  II  sunt  per  conlructurn 
'V  cunt  per  cuatnu-tum  cootactum  C  15  esse]  est  N  16  Qaod  si 
aliquis     P    Quia    si    qnis    C  nnimali]   nnimalJs    CS  siue]    an    CN 

17  iminiiteriiUis]  matenalis  ilf  poftt  oportet  add  eos  M  quud]  quia  M 
17— IH    formarum    inaterialium    P  lö    totaliler]    lotali    Jf  innititurj 

irmnittitur  VN  U»  nee]  neque  CNM  20  est  om  CN  corporalis]  cor- 
pori  immittilnr  CN  21  inuililur  om  CN  22  pc»t  formae  add  primae  CN 
tS  ttta  materia  P       essenlta  PAf 


i 


10  Gundissalinus 

ei  ouni  eius  essenlia  extra  materiam  suam  esset  oliosa  et  inu- 
tilis.  Hoc  igitur  modo  forma  materialis  est  anima  bnitalis  et 
»♦'ifclubilis ,  lioc  (*l  ex  maleria  stia  peiidoiis  el  quanltim  aH 
esse  et  (|uaiiluiii  nd  o])erari.     Et  est  (iesüiicliorie  suae  materiae 

.-.  (lestructibilis,  quem  ad  modum  liquor,  qui  seruatur  in  uase,  de- 
slructione  uasis  desti*uitur.  et  igiiis  in  ligiiis;  licet  islae  similitu- 
dines  mnltnni  dissimiles  siiit  oi,  propter  qtiod  indiicunlnr. 

Anima  eliam  liiiiusniuiJi  nun  est  receplibilis  foniiarnni  nia- 

'   terialium  omniitm ,  quoniam  noti  est  receplibilis  uniuersalium,  et 

10  forte  f)riiprie  luni  nisi  senstbiliuni.  Aeslimatiua  enim  uirtus, 
quae  procul  dubio  in  Iiniui^modi  anima  est,  forte  propric  nul- 
lani  nisi  scn.sibilem  rocipäl.  ..Proprie*'  diximus ,  quia  nulluni 
proprium  uidetur  acstimabiie  brutis  nisi  sensibilc  nocumenlum 
aul  commodun) ,   circa   quae   duo   uirtus  aestiinatiua  bnilorum 

I»  maxime  uersalur. 

Sed  qualiter  cerluin  faciunt,  quod  in  immaterialibus  non 
sit  immaterialis  corniptii».  cum  passiones  et  dotores  inirnaleriales 
inuenianlur  apud  ea ,  sicul  ira ,  inuidia ,  odiuin ,  erubescenlia, 
quae   onmia    non   solum    passiones   sunt   et  dolores ,   sed  etiam 

£0  tormenta  grauissima?  Si  autem  apud  illa  inueniuntur  dolores 
ei  lormentvi,  quoniodo  non  defeclus  et  nioi-s?  Qualiter  enim 
erit  dolor  et  tormeniuni  sine  laesione?  Si  aulera  laesio  ibi  est, 
erit  et  ucnire  ad  deffcluni ,  quoniam  causa ,  quae  maffis  dolere 
faciet,    ma^iis  laedel.     Quia  i^Hlur  quanlumlibel  coniingit  causam 

2ä  doloris  augeri ,  fiiiiia  aiiieni  uidelur  ad  paiiendum  omnis  uirlus, 
quae  laesibüis  est:  erit  igilur  uenire  ad  extremum  laesionis; 
hoc  autem  est  defectus  et  mors. 

In  quo  dicinius,  quia  dolor  aequiuoce  dicitur.  Alio  enim 
modo  dolore  dicilur  uiilneraius,    alio  modo  damnificatus;   et  al- 


I  oeioea  «sset  M  2  i^lturl  ergo  '  JV  3  ttnte  boc  add  et  CN 
4  operari}  oiiera  7*  est]  cum  i'f'N  6  islae]  illae  Sf  1  dissiroules  C 
10  non  nisi]  non  om  PCS  nee  Cluil.  1 1  in  otu  CN  Vi  pfftprifi)  proprium  /'  16  in 
immaterialÜhus]  in  nintcrialibus  1*<'N  17  iminaterialisl  intiterialis  CN  IH  ea] 
eam  *'N  inuidia  ow  P  11»  rt«^'  eladdse*]MrN  seil |  et  CA'  eliam 
om  /Y'A'  20  itlHl  illam  CN  inueniantur  PCN  21  enim]  aulom  PMCN 
23  causa)  eam  M  magis  om  C  24  quanluni  licet  P  '2t>  eal  laesibüis] 
CN  27  defectus]  defTectus  C  28  diximus  C  quia|  quod  C  ae- 
quiuoce] ao(]uiLate  N  enim  om  y  29  dicitur  Untere  /'  doctrine  dicilur  C 
damniücatusj  dapnifii-atus  J'  dampnificaius  CNM 


De  immorUlitAte  animae. 


I 
I 


erius  uiodi  longe  est  unitas  ucl  unio  inter  amaloreni  et  anm- 
luni,  ulterius  rnodi  inter  partes  contiiiui.  Si  aulein  unitas  acqui- 
uoca  siue  ligatio.  crit  et  diuisio  aiHiniuaca.  Qunlicns  eniin  iille- 
niin  oiiposiloriiin  diritur,  t<ttiitis  rl  rt'lit|uiiin  dici  ru-cfsso  osl, 
Siniililer  et  laesio  uoquiuoce  liiiic  i-t  ituir  iliriliir;  et  altera  es-  ä 
senlialis,  et  altera  non.  Altera  enira  in  essen  tia  sua  laeditur, 
altera  non,  sed ,  ut  usunliler  dicitm\  in  ro  sua  forinseca.  Et 
inde  est,  quod,  quomaiimfHtniii  ipsa  rei  huiusinodi  laesio  uel 
dcslruclio  non  allingit  esseriÜani  possessoris,  sie  nee  dolor  liiiius- 
Diodi  essentialLs ;  et  ideo  nee  laesionem  nee  defecturn  essenlialem  n» 
inducil.  Nos  autem  in  sequciitibus  i'aciemus  sciri ,  quia  niilla 
affectio  seu  passio  huiusmodi  defectionein  essontialem  per  se  iii- 
ducere  potost.  Qnod  idtn)  dicimus,  4|uia  niliil  proiiilict  in  ariiiita 
anrmali  passioiieni  huiusuioili  adeo  ui-heiiicriltini  llcri ,  iil  luiie 
scquatur  mors  corporis  et  ex  tronsequeiiti  delVctio  ariiiuae  bru-  •-• 
talis;  quod  et  de  humana  similitor  aceideret,  si  eius  essonlia  ex 
essentia  sui  corporis  dependerel.  Nunc  erpo  in  tautuni  lioc  sit 
deterniiiiatum .  donec  ad  illa,  quae  diximus,  ueniamus. 

Et  haec  quidcm  fcrc  omnia  a  philosophis  aecepimus,  ab  Ari- 
slolele  scilieet  et  sequacibus  i'ius.  Radires  autoin  el  probat iones -m 
Platnnis  praeterimns,  (luoiiiiuii  tHx:  [iilrrn  inlelli[j:entibMsdc  ininior- 
talitate  animarum  nustranan  faeiunl,  et  oinnibuK  animarum  specie- 
bus  coinnmnes  sunt,  ita  ut  etiani  in  aniniani  brutalem  et  uegetabi- 
lem  exlendantur ,  de  quibus  nianifostuni,  quod  earUm  esse  post 
cor|)ora  et  extra  eorporu  dtiosuin  esset  et  uiuniuo  inulile.  Orime  a*» 
autem    oÜosiun   et   iimtile   non   suluui    iiiutililer  quaeritur,   sed 


P  2 — 3   siue  ligalio  acquiuoca   CK         i  dicitur  om  CN        A  aequiuoce] 

equitale  N  S  laesio  om  C'JV  fl  posseüsoris]  püssessioniü  M  10  lae- 
sioD«  iV  defectui  N  11  quia]  qund  P  1^  seu]  uel  P  13  quin] 

rquod  CJV  15  curpuris  mors  C  et  om  CN  U\  posi  simllUer  add  cau- 
sam quam  |>onrt  seruiendi  in  omnibus  Refpialiä  est;  in  omnihus  uidelicet  si- 
niililer  CN;  qwie  uerba  fftotoMie  inatar  anlea  in  margiuf-  positn  tu  fextum  iV- 
rqmm  apparel  17  sui    corporis  dm    ('        dependeret]   deppendiiret  N 

■il  om    l*  sil   hoc    M         10  omnla  ferc   P         philosuptiis]  phisicis  M 

20  ■eiiuAAibusj   sequentihus    1*CN    oiu^j  suis  CS        el  om  L'X        21  praelp- 

I  rimusl  posterius  /'  22  umnlbus]  umnium  CN  23  sunt  addidi  «x  Ouil. 
24    exteudantuij  extendat   el    CA''         poat    manifestum  add  est  CN  esse 

«anun  CN  25  essetj  esM  PCN  26  et]  est  CN  pott  inutile  add 
füCN 


* 


12 


Gundissaiinas 


etiam   rtispondiose,   quoniam  cum  dispendio  et  iactnra  temporis, 
quo  res  iitiles  quaereiidae  sunt. 

Rfdoanms  auloni  et  dirainns,  quod  niillii.s  moliis  nalurae nalu- 
ralilor  fnislra  est  aut  uane;  et  qiiia  oniiie,  quodnatunUiterniouetur, 
r.  non  est  nalurali  impossibililat*'  proliibituiii  a  fine,  ad  quem  moiie- 
tur  —  alioqiiin  fnistra  et  iiann  mdiirn^ur  in  illum  — .  Dieamus  eLiam, 
qnia  ninliisalii  sunt  rorftoralcs,  alii  spiiiliialts;  nlquia  limorestlupa 
spiiituaiis  vi  spes  insoculio  spiritualis;  et  bis  attcslantur  nioUis  cor- 
dis,  qui  sirnt  contractio  et  extensio,  et  motus  corporis  sensibile^, 

ii>  qui  sunt  fuga  corporalis  et  inseculio  corporalis.  Et  si  quis 
dicerp  iioliicrit ,  qiiiMl  nriinis  motus  est  rorpuralis.  qiioiiiani 
inotus  t»st  exitus  de  pulHitia  ad  actum  luntiimus  et  uon  subitiis, 
ul  alt  Aristoteles,  et  haec  detinitio  non  congruit,  nisi  motui  coi^ 
porali:  honio  erroneus  et  inibocillis  est,    impediens  semet  ipsunk 

IS  diUTi  rrnmi  iieritalem  iic^rlitril  et  contentionc  Htitriosa  nomiuiim 
se  innniiiit.  Nos  auti-m  uon  inleiulinius  liic  per  motum  nlsi 
dispositionem ,  quae  per  se  uia  est  ucqulieiidi  illiquid ;  et  ratio 
haec  conuenit  eis  omnibus,  quue  noniinauinius.  Timor  enim 
phT   SP   uia   est  acquirendi  fuasionem,  el  desideriuni  uia  est  se- 

20  rundum  se  acquirendi  desiderattun.  Simililer  fuifa ,  siue  sit 
üptritualis  siue  eurporalis ,  uia  est  per  se  acquirendi  elTii^ium 
sioe  euasionem ;  et  iiisee.utio  similiter  uia  est  acquirendi  assri-n- 
lionem.  El  quoniam  acquinintor  spirituatia  ut  eorporalia,  ne- 
cesse   est,    ul    simililer.    inxta  quod  ei.^  congruit ,  sint  uiae  ac- 

23  quirendi  ea  acipiisifionihus  suis;  quae  uiae  cessant  eis  acquishis, 
quemadmodura  in  acquisilione  corporalium. 


2  quo  res]  quaesttonea  A'  anU  sunt  add  Don  N  3  RedeauiusJ 
Rflspondeamiiü  i'f.'S  iiulc^ni  om  l'K  nmtii«:)  nvotlus  /*  nutur»e|  Der 
Cif  4  est  ü»f /'  quiiij  <|tio<l  f'A'  &innaturali  HJN  impossibilitatej 
imssibiltUile   N  pogt  ad   tidd  flnem  NC  7  quiaj  quod  CN        atue 

spirituales  add  sunl  CS  esl  om  CN  8  spes  om  I*cy  insefullo  fioseca- 
lum    C.\j    spiriliialii^  et  om    f  !♦  extensio]  axtencio  -V  sensibilis  CN 

M  qotMl  (iMÜ.  i[u»miani  /W'.V  12  niife  motus  add  timnis  i'  continaus 
oui  M  J-'J  et  om  /*  II  est  om  VM  1')  reruin  om  t'N  litigiosa  om  CN 
nominum]  omnium  /'  Iti  pont  inuotuit  add  in  tnartfime  guae  dicuntur  igno' 
rat  M  autetn]  eniin  M  Itf  nuiiiinamusil'X  lil  po»t  uia  esl  add  ptr  «e 
CN  aoi|uirendi  est  /*  'äii  sjt  om  AJ  '21  anttt  curporalis  add  sit  MN 
est  uia  C'iY  2i  et  om  M  24  quoiij  quoqu«  CN  anU  uiae  ndä  eis  CN 
25  acquisitonbus  AT  iaquistLionlbus  CA* 


De  immortaHUte  animae. 


13 


I 


Reuertamur  autem  ad  id ,  in  quo  eramus ,  et  dicaiiius, 
quia  ütnnis  fuga  naturalis  est  ad  euasionem  naturaliter  possibi- 
lem,  et  omnis  msecuüo  similiter;  et  omne  iiaiiiraliter  desideratuiii 
est  naturaliter  acquiri  pussihile.  Alioqniii  naliira  l'rustra  indi- 
dis^t  liuiUHmodi  deüideriiim ,  qiioniain  utiiisuiii  esset  et  (*r-  fi 
raneum ,  cum  esset  iri  non-finfni ,  iiiiiao  in  \d,  qtiod  impossi- 
essel  esse  finem;  et  ita  natura  erraret  in  hin,  quae  per  se 
TiaturaJiter  tantum  operatur,  quoniani  omnis  niotus  et  oninis 
inteiitio  in  nori-liiieni  en-or  est. 

His  igitur  duabus  i*adicibus  positis  considercmiis  propria  lu 
desideiia  animae  humanae,  secunduni  quod  liuinana  est,  hoc 
est  secumium  id.  quod  Iml>et  nohil<\  el  quo  exrt'Hit  anlmatn  bru- 
talem. El  uideinus,  (puHi  desidiiriian  l'hI  v\  ucrai'  fl  ititegrae 
itati.s  et  fuga  uerae  mist>riae,  lioc  est  tinior  illius  et  odlum. 
Vide  aoteni,  ne  motus  animae  aninialis  et  animaium,  (\\iav  stul-  la 
titia  innaturali  et  adut-nticia  iam  obbnidieninl  .  coj<iles .  cum  ilo 
eoÜK  naturalibus  ijispositionitiiis  aniniar  lamiaiiae  siM-uiiduii)  id. 
quod  bal>et  nobUins  ulipn*  Kubtiniius,  hie  intondamus.  Quaeri- 
mus  ergo,  an  sii  huic  nol>ili  parti  propria  fcliritas,  an  non. 
Cum  enim  pars  animalis  sua  paudia,  suas  litMTlab*s,  snas  socu-  s« 
ritates  suamque  oppositani  oninimodo  miseriam  liabwit ,  aut 
ptrs  illa  nobilis  liabet  simililrr  o^mKruenteni  sibi  niiseriam  et 
feliritatem ,  aut  non.  Si  non ,  ergo  non  orunt  spirtiualia  et  no- 
biUa  pjiudia  ceteraque  bona  subljniia.  Et  bor  non  nisi  pucrilis 
ruditas    et    brutatis    irrationalilas    possunt     debrare .     quoniam » 

1  id]  illatl  U  2—3  pr.f«ibile  P  4  est]  ^t  CA'  Alioquin]  AlilerCA' 
nalara  om  P  4—5  iD{1i()isset|  indlssct  P  uidissct  C  h  ante  huiusmodi 
«all  r«bas  M  n  errüneuml  caruncum  M  u\]  ilhid  t^  7  ita]  iilcn  N 
nalara]  nuluniliti^r  CN  in  om  CS  !■  nnii  in  liiiein  CN  III  i-onHiile- 
reniusj    iimsiderdbimus    CN  10- 11    »lesideria  propria  /'         II  po.ff  i|uod 

add  nnims  CN  t2  id]  illud  C  habet  om  /*  \^  uidfimusj  uidt'liinius 
CN  Ifi  autem  no  motus|  an  ne  molus  /*  anitrmnjml  aninmlium  V?f 
untf  quae  add  brulaliuni  CN  \G  .idueiiUcia]  inaduenticia  /*  iam] 
animani  CN  ubrulueroDt  /'  obruerunl  CA'  17  disf>esitionibu<<  nnlu- 
ralibu»    CA"  IM    hii'|    huius    /'         li»   an    huic  sil  noblli   jiarti    CA'  an 

Ril    huic    jiarti    nulüli    P         20   suas]    «ua>H|uc  ^SN  ^-  21    securltates] 

•eruilutefl    PCN  2!    omnimodol    nmnino    CN  habeat]    habeant    N 

»ut]  iil  PCN  24  g^iudia  om  P  pueriiis]  principalis  CA'  25  antr  irra- 
Lioiialitas  adil  ratiunalitas  {Unea  infm  duciaj  N  deÜrureJ  deliberare  I'CN 
Ad  uocem  delirare  cf.  p.  29,  B  deliratin 


14  ^^^^^  Gundissalinus 

maioribus  A  nobilioribus  ina^is  congruil  esse  quam  minoribus 
et  igiiol)ilioribi]s,  i;t  spiriltiiilibus  quam  «irporalibus.  Erit  oliam 
seeuudum  ho*:  inist^'a  tatitum  pars  ista  nobiüor  t^i  iiullo  morlo 
beatificabilis .    quonJani  niiUa  uirtus  bi_'atificabilis  aut  perfectibilis 

&  nisi  ex  proprüs.  Huic  autem  sccunilum  hoc  non  sunt  bona 
propria ,  qiioiiiam  tioii  sunt  spiritualiu  ot  nobilitatem  eius  dü- 
ct^titia.  R\  oiH  atiti^tn,  (|uar  aiiitiiali  p:ir1i  rnu^'riinnl,  inipr)SHibile 
est  aliam  uirttitem  felicitari ,  quüniam  noquH  ^'autüum  sine  div 
iicia   est   nisi   in   coniU'nii'iilibup,  noqne   quics   nisi   in  (ine  con- 

w  uenienii,  no(|ui'  porlbctio  ex  alirnis,  <'um  pt-rfcctio  t?onim  tantum, 
qu!u*  poli'iilialitrr  siinl  apml  pt-rfc* Übilein ,  acqnisitin  sit.  Hoc 
etiam  contra  sensuni  ot  oxpiTienliuni  nostrani  est ,  quoniam  de 
corporalibus  orLiditi  et  sapientes  non  t'^udent  neque  ex  eis  feli- 
citari  se  onmino  existinianl ,    innno  pntius  ca  dedinant,  ronteni- 

tf^  nunt,  iit   nilia,  4't  t^j^riuiit,  nt  iioxia  el   snae  felicitatis  inipediliiia. 

Veinm  i|ii(»tiiain  de  isfis  pliilosoplii  rnorales  noü  expediuenint, 

et   a  sensu  accepimiis  potius  ista*    quae  Ijona  uocant  insipionter 

insipientes   amatores,   possessorcs   suos   miseros  cfficere  aut  mi- 

scrian»  eoruni  angepe:  noJunius  immorari  diiitius  in  dedaratione 

BD  huiusmodi ,  hao  una  declaratione ,  quanlum  ad  instans  propo- 
sitiiKi  pei'tinet,  contenti,  uidelicet  quia  possessores  reruni  isla- 
mm  eorporaliuin  aut  atiiant  eas .  aut  non  amant.  Si  non.  pa- 
laiii,  quia  oneri  et  aniiclinni  sunt  eis  et  nnlli  K«'*iidio;  et  Ha  nou 
soluDi    non    addunt    telieitati    uoriiiii ,    sed    detrabunt.      Si    uero 

•ih  ajiiant  ua,  per  aniorenx  i^itur  eis  imiti  et  alligati  sunt,  et  propter 


1  niaioribus]  iminorUIibus  /'  2  ignobllibus  CN  3  pars  ista 
tontum  P  4  heßHflt'abilis)  umficabilis  CN  quoniain  ....  beatiflcahilis 
Ol»  CN  5  Haec  J'CN  nonj  nisi  t'N  l) — ö  propria  bona  CN  8  eal 
0m  P  aliam)  aliquam  l*CN  slue]  neiju«  /'  sine  N  ii  nisi  Id)  in  Don 
PCX  nisi  (ftoat  quics)  om  P  in  perPw-ti«!  perfecte  CK  alienJH]  ulJis  CN 
perfecto  N  10—11  quao  tatUum  CN  II  perfectibilc  CN  1*2  nostram] 
mBRnam  CN  est  om  P  13— U  se  reticitari  M  H  cxtimant  ('  aesti- 
manl  P  15  elTuifiuDl  CN  18  incipienles  i'S  nntt  p(;»»e«sore.s  adH 
et   M  VJ  nalimus  P   uoiumus  N         20  (luanluni  om  P  quam  lameii  N 

21  quial  quod  CN  21  —  22  Istarum  rftrum  /*  22  Si  non}  Si  uero  CN 
23  quia]  quuniam  CN  »uerij  oornl  PCN  et  {ante  adlictionl)  om  CN 
34  non  om  PC  25  iglturj  ergo  CN  «is]  bic  CN  unitij  omni  CN 
alligati]  afflicti  P 


t>e  immoiialitate  animae.  1& 

hoc  oneri  passionuni ,  quibus  illa  subiacent ,  obnoxii.  Ainaiis 
enim  et  aiiiatiun  uecessario  propter  istam  ainoris  imioneiu  sie 
se  habcnl ,  quoiiiain  mnali)  ipso  patieritp  nec(^ssario  coiiipalitur 
oinans,  s\  passio  liuiusiitodi  m\  ipsuni  per  iippfrlionsioneiii  pi>r- 
ueneriL  Haue  aulem  conununioneni.  passionuni  s^^iücet,  ipsiiiu't  a 
arimtorcs  reruin  huiusmodi  usu  sermonutii  suorum  tristiäsiiiiu 
confitentur,  dicontes  se  dfstmctos .  adnihilatos ,  deKrandiiiatos, 
uaslalus,  exustos,  inirninutos,  cum  res  eorurn  aliquiti  horuiii  pas- 
sae  fiK'riitl.  Palarn  i^itur  est,  quoniani  ivs  hiiiusuiodi  tut  inist>riis 
uiiiatores  suos  subiciunt ,  quo!  passionibus  ipsuc  nbnoxiac  suiil.  lu 
Si  auleiu  ^udia  et  alia  coinntoda  ,  qnae  ipsi  ab  illis  spciairt, 
tot  et  tanta  esscnl.  quol  el  quanla  isla  incoiniiioda:  tantmti  aei- 
dcrent  felicitati ,  quantuni  iiiiscriae,  et  e  contrario.  Idvui  i^rilur 
,  ac  si  noii  nddiTuttir  (|uantut)i  ad  utruinque.  ('um  i^lur 
plura  et  maicra  sint  incomtnodii ,  palam  esT  ,  qiioniam  ntiseriae  is 
tantum  siiripliciter  addunt ,  et  non  felicitati.  Maniteätiini  etiain. 
quoniarii  appliöitio  ad  intVriora  et  igimbiliora  ticsccnsio  est  et 
di^pressiOf  non  eleuatio ;  i^t  qiioniani  per  modum  anioris  est,  qui 
esil  subiectio  sponianca  et  seruitus.  ut  ipsa  sit  deterioj-aÜo 
eonim ,  quao  sie  applicantur  ignobilioiibiis  et  inferioribus  se.  ao 
Onini:^  enini  admixlio  eIon((atio  est  ab  altero  extremorum;  e! 
ideo  adniixtio  ista  spirituali.s,  (piac  non  nisi  ainor  est  .  eloii^Mtio 
est  indubitanter  a  nobüitate  et  boiülale  pt  appropinqiiatiti  ad 
uUiunuii  uilitalis  et  depressionis  et  ita  miseriae. 

Et  quoiiiani  de  bis  alias  loculi  sunius  et  saepius  loqueniur,  pona-  a 
nius  ea^quae  recipit  oumis  sanus  intelleclus.et  dicanius, qiioniani,  cum 
sensus  habeat  seiisata  sua  et  conuenienlia  sua,quonuit  coiituuctione 

1  liOL'l  t/m  Cy  onerij  enim  /'  unmiCN  2enim]eum/'  3  quo* 
Diani]  quandu  CS  eompatitur)  palilur  f'N  U  uuteni]  difiiiius  /.'  5—6  ip- 
«emet   anialor    C   ipsemet    Ainntorum    N         ii   tristisäiina    f^   Irititöliiio    Jf 

7  Je^randiaatos]  degfntli**"  /'  dt'gntliaatos  M  denrädit''*  L'  de^raiiilates  N, 
Voaibuium  deyniiuliDare  a  uoee  grandis  i.  e,  magnus  tleriuatunt  utitfnificnt 
rem  aliquam  maKiiitudine  sua  priuare  »iuf  itiinttrem  ro^dilere  H  exuslos  om 
i'N  exuiiya  V  S*  est  om  VN  II  coinnuHia]  uriiuiiiioda  /^  I^-IH  ad- 
d«real|  additoro    P  14  adderenlur    M         Ifi  matoraj  miDora  P        aint) 

sDOl  CN  10  pa»t  eliani  add  citt  J/  17  discessio  N  et  om  lY  IBqao- 
num)  quaotum  P  qui|  quae  CN  Ut  ante  ul  aild  in  marg,  manu»  2 
mcesBe  est   if  22  udiiiixtiü    om    .V         est    om  C'jV         elutigatione    N 

95  loqnatnur  P  loqulmur  M  26—27  cum  sensasj  consensus  VN  sensos 
cum  P        27  babealj  habet  CN       cotLiuDclioneJ  cogniüoDe  PCN 


illiiminalnr,  perficiUir,  delectatur,  et  generaliler  omnis  uirhis  ani- 
maliSf  simüiter  iiecesse  est ,  ut  uirius  ista  spiritualis  nobilis  ha- 
beai  apprehensibilia  sua  et  conueiiionlia  nobilia,  quorum  appre- 
hensione  ilJuniinetur,  perticiatur,  cicleclelur.  Si  enint  ijfnobilio- 
5  ribus  jialumliter  de  huiusniodi  pnouisum  est ,  quanto  magis  no- 
biliora  non  neglexit  natura?  Nun  igitur  absque  Uluminatiuis  ei 
perfK:tiuis  et  deleclatiuis  rolirta  sunt. 

Änipliiis.    (.)inm>  nobile  inagis  natuni  est  applicari  nobilibus 
quam    i^n()bilihu.s.     Quod    si    haec   utiius  non  est  nata  applicari 

Hinisi  i(?nobilibus  istis  lemporalibiis  vi  raducis,  omnino  non  eril 
nobilis,  quoniam  nihil  est  cn-alurn  proplpr  ifriiobitius  aul  uiJiua 
se.  Cerluni  auloni  est,  quod  omnia  haet-  uiliora  sunt  et  i^nio- 
biUora.  Non  est  ej^o  propter  haec;  et  ideo  non  erit  nata  per- 
fici  per  ea. 

l^  Aiiipliui«.     Quod  es!  nolnliiis,  *>t  fiiis  p*»rf('('tio  nobilior;   el 

quod  sublinüus ,  et  eins  pürlmtio  subliniior;  et  quod  ripirituale, 
et  eius  perfectio  spiritualis ;  et  quod  seorsuni  a  eorporo ,  et  eius 
perfectio  erit  seoi-suni  a  corpore.  Clum  itritur  ista  uirtus  e4  in- 
eorporalis  et  seorsuin  sit  a  eorpoi-e,  ila  scilicet,  ul  eius  operatio 

a;  nee  sit  per  f«rpus  uer  pendens  ex  (u>rpore :  similiter  eius  per- 
fecUo  nee  erit  per  corpus  nee  peudens  ex  corpore;  quare 
eius  perfectio  erit  abstraela  a  corpore  et  non  ex  corpore  nee 
per  corpus  nee  pendens  oinriino  ex  <*orpore. 

Atnplius.     Eius   pjopria    operatio   in  scparatione  a  tor^wre 

u  et  non  ex  coi-pore  inualescil ,  sicut  appai*et  in  raptu  el  extasi. 
Inualescentia  autem  operationis ,  si  ultima  est ,  perfectio  est 
ipsius  uirtutis;    si  autem  non  est  uttinia  ,  appropinquatio  est  ad 


1  el  om  ('S  .1  nobilia)  sua  C  om  N  cfuorurn|  quoniam  S 
4— r>  i^noliiliorilms|  iununiliiUhus  P  ignnbilibiis  Cli  *i  non  om  P  ne- 
glexil]  ncgligit  6W  illuminaliuJ5<]  itlumiDaUs  (?A*  7  et  delectaliuis  relicta 
suntl  relicta  sunt  el  delecLali  sunt  P  et  ilelectuti  sunt  et  delecUiliuis  relicla 
CN  8  Oinne]  Esse  PCN  natuin  om  CN  »jipllrari  est  iV  10  teinpori- 
buB  ^  anU  oiunino  adä  el  CJi  13  ergti]  ijrilur  (*yM  lmec|  hoc  C 
15  quoiljquoque  .V  nobiliuse-st  CN  est  o»i  .V  tfJ  et  (tiii/«  eius)  om  CNM 
17  a  corpore  seorsum  CS      et  adäidi  ex  Ouil.      Ift  erit  om  CN     a  norpore 

om  N        19—20  eius  operatio cIu»j  om  P        ante  similiter  add  et  C 

80—81  et corpore  om  MN      21  erit  per  sn-iftsi  ex.  Guil.;  Nil  per  P,  om 

(praeter  MN)  C  ante  quare  add  nee  per  corpus  PMCN;  om  fiuil.  22  tt 
DOO]  oec  CN  nee]  ucl  P  34  in  separatione]  ex  op«niUone  M  2n  et 
non  ex  corpore  om  CA'Jf       :27  est  apprupioquatio  Cff 


I 

irap< 
^H   poss 

m. 


I 
I 


t)e  immortaiitate  animie.  if 

perfeclionem.  Quare  manifestum ,  quoiiiam  separatio  a  corpore 
aut  approximat  cam  perfeclioni,  aut  inducit  in  ipsaiii  perfoctio 
nem :  et  ila  uita  est  ei  non  soliiin  seorsum  a  corpore,  sed  eiiani 
perfeclio,  quae  est  gloria  uniuscuiusquo  uirtntis :  ultima,  si  ipsa 
perfectio  ultima  est,  minor  et  alterius  ordinis,  si  pcrfecliü  minor  5 
quam  ultima  ftieril.  —  Qiiod  autem  supra  inceplmus,  prosequa- 
miir  nunc. 

Dicamus  ei*go ,  quod  huic  uirtuti  nohdi  est  naturale  desi- 
rierium  sibi  congruentis  et  propriae  relicitatis  et  naturalis  fuga 
soae  infelicilatis  et  miseriae .  hoc  est  naturale  odiuin  el  timor  10 
naturalis.  Quia  i^tur  iiiliil  Tnistra ,  niliit  olioi^e  de  liis,  quue 
naturalia  sunt ,  fruslra  uuteni  et  otiose  sunt  isli  malus ,  si 
impossibilis  est  naturaliter  ista  euasio  a  miseria »  et  si  im- 
possibilis  assecutio  felicitatis  huiusniodi:  necesse  iKilur  est 
euasionem    a    sua    miseria    et    asseetiiionem    suae    felirilatis  i& 

possibilem  huie  uirtuti  nuhili.  Haee  autptn  si  pereimis 
non  hierit ,  non  erit  teliciliis  neque  a  miseria  uera  im- 
manitas.  Quicquid  enim  est  morti  obuoxium,  beatum  non 
est,  imnio  eo  ipso  miserum,  quo*l  »?xtremai'  miseriae;  obnoxium. 
Perennitas  autem  non  pot(!ät  esse  pars  fi^lieitalis  istius,  quoniam  so 
Impossibile  est  *luo  contraria  communicare  in  parle.  Sed  ne- 
que effectus  polest  esse  huiusniodi  fehcitatis  uerae  ac  nohilis. 
quoniam,  si  hoc  esset,  non  permanerel  cum  rontrariu  ilMus. 
hoc  est  cum  opposita  miseria.  Necesse  igitur  est ,  ut  ipsa  sit 
dispositio,  quae  requiritur  esse  in  subiecto  huiusniodi  fL4icilalis,  Ja 
quoniam  nee  sequilur  eam  ut  effectus  ipsius ,  nee  est  de  ea  ul 
pars,   nee  eomitatur    eam  comitantia    essentiali   sine  eolligalione 


2   eani|   ca   ({^uod    Ugendum    cauaa)     P  perfectiont)    perfecUo- 

Dcm    CS  4    ante    perfectio     add     setiipcr     ('S  .'»    si]    setl     PCN 

6   npra)   ef.   p.    13  aqq.  ij — 7    nunc    pro»equanmr    CA'    persequamur 

onoe   P  S  ergo|   i^ilur    S  quod]   quja   ht  10  «uaej    siue 

CS  lioc|   siniiliter   CS  est    addidi ;   om    PMCN  14    ert   igitur 

NM  U'i  |Kis»ibileni|  possibile  /'  17  uera)  natume  P  om  CS  18  bea« 
toni|  bonuin  /■*  Ut  e<>  ot»  CS  iiwo]  ipsiim  PCS  poul  Ipso  add  esl 
CS  2\  est  VW  itf  23  permanel  M  21— 2&  disposiUu  »iL  M  2ü  quae| 
qni  S  reqniriturl  raiuirit  P  esse  om  CS  in  tiuiusmoUi  felicitatis 
nbiecto  P       2G  ea]  ipsa  CA'       27  commitlentia  C  eomitentia  S 

Beitrags  IL  a.    Balow.  OnodiMiiliaos.  2 


16 


<äandissalinn8 


correlaiiua  —  tunc  enim  impossibile  esset,  eam  esse  cuni  opposita 
niisoria ;  necessario  autem  est  cum  itia  •  ;  quare  ofMsrtet  eam  esse 
dispositionom  prnecetlenlein ,  quasi  malerialeni ,  quam  requirit 
praeesse  in  subitflo  ret'eptibili  felicitalis  islius  ipsa  felicilas. 
5  Subiertuni  enim  oontrariae  dispositionis ,  id  est  mortale,  non 
potest  esse  receplibile  huiusmodi  felicitatis. 

Amplius.  Vita  uirtulis  inlcllccliuae  et  uiuere  eius  in 
effeclu  nou  est  nisi  ipsum  inlclligere  in  effectu;  et  hoc  non  est 
ei   per   corpus  nee  pendens  ex  corpore.     Suuni  igilur  uiuere  in- 

1(1  lell(!ctus  in  effeelu  non  est  pendens  ex  corpore,  qiiia  potius  de 
Casu  corporis  erigitur  et  de  debililatione  confortatur  et  de  de- 
feclionc  eius  perficilur,  sicul  apparet  in  exlasi  et  raplu.  Vita 
igitur  sua  est  huic  iiirluli  nobili  —  immo  uilae  suae  perfeclio  — 
praeter  corpus  et  seorsuin  a  corpore. 

iR  Amplius.     Iste    raplus    et   ista  applicatio  ad  nobilia  intelÜ- 

pbilia  aut  est  uiolftitus  aut  iiolunlarius  Iiuic  uirtuti.  aut  natu- 
ratis  atii  casualis.  Et  casualein  quideni  esse  impossit)ile  est, 
qunniaTTi  istud  est  potissuna  ac  nobilissima  eius  perfectio,  dum 
est    in  coq)ori\    et  qim  niiixitiie  illuütratuT  ac  repitur  genus  Ini- 

Ä)  mauuni.  Hcuelationes  enim  diuinae  ac  propheliae  maxime  or- 
dinant  uitam  hunnanam,  et  omnis  ors  et  saplentia  cedit  eis  atquc 
siibicitur.  Casui  igitur  cederet  omnis  ars  et  sapientia.  Si  uero 
naturalis  est ,  secessio  igitur  a  corpore  et  applicatio  ad  res  no- 
biles   iiicorporales  est  naturalis  huic  uirtuti  nobili.     Nihil  autem 

25 naturale  est  noxium  aut  mnriiferum  ei,  cui  est  naturale,  immo 
salubre  et  adiutiuum.  Seorsurii  igitur  fieri  a  corpore  salulifenmi 
est  et  adiutiuum  ist!  uirtuti.     Idem  uero  accidit,  si  uolmitarium 


1  enim]   aulcm  /'        2  necessario]  necesse  P        camj  eum  P         ilU 
om   P         oportell   apparet   C         wse  om    C  4  po»t    ip«a  add  enim    C 

7  et  uiuere  eius  om  P       8  pfTeduni  f       non  .  .  .  effecUi  om  P       11— lOSu 
um  .  .  .  corpore    om    CN        lü  quia]   quoniam  CN  quin  P         11  corporis 
casu  CN  erigatur  P         de   (anie  delillitatione)]  a  CN  om  P        de  {itntr 

defectione)!  om  CN  13  perfecle  P  l't  applicatur  CA'  IG  p04il  aui  add 
est/'  17  Ei  ca^^ualcm  quidetn  C9se]  Ibisse  casuiik  quidem  PCN  18  istud} 
illud  M  \i*  maxime  om  ''N  illustralurj  illuri'inatur  I'C  äl  et  [anU 
sapientia)]  ac  P  po^i  et  add  omnis  CN  22  uero  om  P  23  secessioj 
ceaaio  C        corpore)  corde  P         3ü  aut  ...  et   om  P  naturale  est  M 

26  *<  ^  adiutoiiuju  P       2ti  ligilurj  ergu  M 


be  imnmrtiiHUte  ftnimne. 


1^ 


I 


iMliiralis  uoluntalis  aut  ordinatuo.  Oniiie  eiiirii,  iitinil  ex  atteni- 
(ra  huiusmodi  uolunlatuni  i^st ,  indubitanU^r  utile  est  uolenti. 
Violenliini  uoro  esse  non  polest ,  quo  generatilor  oou»que  ad- 
iuuutur  uirlus  haer,  illusiratur  alque  periicitur.  Onme  enim 
iliolentiini  iinpetJitiuum  est  et  noxiiitti  rtatiirae,  ciii  iiiolontnni  est.  s 

AniplJus.  Manifestuin  est  iiirlnlerii  isluiii  nobileiii  aiit  e^st^* 
daarum  facierum ,  quoruin  altem  ilUiriiiiiabili«  est  desuper .  a 
rebus  seiÜret  nobilibus.  inf*orporalihiis,  scilird  spolintin  a  materia 
et  ab  appendiriis  ipsius,  altera  illiiiiLiiiabilts  a  paHc  iiiferiori, 
uidelicet  corporalium  et  sensibiliuni;  aut  («dein  est  iiirtus  et  n> 
eadem  faeies»  sed  liberum  habeiis  uertere  se ,  in  quam  paiietii 
uoluerit,  et  illuminari  siue  pin]?i  sine  inseribi,  a  quibus  uolnerit. 
Ad  utnnulibet  autein  se  iiertat,  aii  hinten  siinni  et  perIV'cliorieni 
snain  se  uertit.  Sed  a  su|>eriori  esl  nobilinr  eins  perfedio  et  lu- 
iiien  nobilius.  Quauto  ergo  magis  ad  illud  se  nerleril  ilüque  me  » 
conitnixerit,  lanto  amplius  peiilcietur  et  illuniinabitur  eopiosius. 
(iertnin  autem  esl,  quiwl  pirfeelio  el  illiiniiimlio  eloriKant  a  iion- 
ne  et  perficiunt  et  illuslranl  ipsum  ess<*.  fU>nuersio  i|?it«r  ad 
ea,  quae  supra  ipsam  sunt,  pcrlicil  et  illustrat  nirtutem  istani 
nobilem.  Manifestum  autem  est,  quoniam  ipsa  separat  a  eop-  so 
pore  et  a  eorponilibns  et  (tmiini(fil  spiritnatibns  sjHiliatis  et  a 
corpore  separatis.  Palam  igitur  debet  esse,  ifiiiii  nirtns  isla  no- 
bilis  non  soluni  non  pondet  ex  coriKire,  sed  etian]  obscumtur  et 
impeditur  ab  ipso  et  applicatione  sui  ad  illiid. 

Auiplius.     Cum  aliquid  fuerit  iiehenienter  sensibite,  eertum  » 


1  onlinaUel  ordfnato  C  1—2  ex  allerulraj  exallu-ralur  CN  2  ao- 
lunUtani)  uoluntarium  CN  est  om  CS  :1  quoj  quod  C'N  t^eiiernliler| 
naturnliter  S  4  ha«)  hoc  C  hic  N  f»  esl  om  CS  est  ntolentuin  /* 
Bmaleriajmahcia  iV  ii^LhnmCN  10 ei (anu •w\m\tii]ium)om  VNM  uirtus 
eai  CAT  11  eademJeasC'iV  13  autem]  an  PCN  13-  14  uerlm  ail  luinen  suum 
e(  [perrecjtioDem  suam  se  fiiertit]  a  manu  1  in  mnryinf  addita,  sed  glutinaton» 
mtlro  »rt,  i/uar  Miicii  inettmi,  derisa  .i\tnt  M         W  uerUl]  uerlat   f.'JV  sed] 

si  PCN  nobilior  est  P  15  ad  illud]  illuc  CN  uerleritj  uertit  PS 
iÜique  »e|  atque  se  illique  P  1«»  coniuaxit  P  pcrfirielui]  perfl^'.itur  P 
el|  om  i*  eopifttus  CS  17  est  et»  M  perfeclio]  perfecta  P  et  om 
P  eloDgantl  elongat  P  Ifl  esse)  se  P  perficiat  P  iUuslrat  P 
19  ipsam  I  ipsa  P  sunt  om  P  istamj  illam  C'N  2ii  est  autem  P  esl 
om  N  21  a  am  CNM  et  poat  spoliatis  om  N  22  igitur]  autem  CN  quia] 
qaunUm  CiV        isla  om  C'JV       Mi  ei]  a  N       '24  ab]  ex  M       illud]  Uluc  N 


» 


Gasdnaalinns 


csl,  quia  post  sensationwn  suam  relinquil  sensum  debiliorem  ad 
alia  seiilienda ;  cum  auleni  alifjutd  fuerit  uehementer  intelligibile, 
e  contrario  se  liabf'l,  quoniam  relinquil  inteUectum  fortiorem 
ad    alia    intfUigefida.      Cuius    autem    applicatio    uel    coiiiuncüo 

t  adiuuat  Operationen) ,  necesse  est ,  ut  maior  applicatio  uel  con- 
iunctio  magiä  adiuuet  ülam,  nisi  ftierii  operaUo  niedietatem  Ha- 
bens aut  harmoniam,  quales  sunt  operationes  senäuum.  Has 
enin»  niaior  applicatio  ad  seosibilia.  uol  ad  magb  sensibilta  aut 
laedit  aut   destruit  omnino.     E  contrario   autcfn    se    habet    in 

10  intellectu ,  quia  applicatio  eius  seu  coniunctio  ad  uehemenlcr 
intelligilHÜa  adiuuat  et  perficit  eius  Operationen!.  St'd  ruins 
applicatio  maior  aut  fortior  adiuuat  aut  i>erficil  Operationen!, 
impofiäibile  est,  ut  laedat  aut  destruat  essentiam  uirtutis,  cuius 
uperaliorieni   naluralitcr  adiuuat   et  perficit,     luipossibile   igitur 

15  est  lacdi  «fssi'ntiani  uirtutis  istius  nobilis  ex  applicatione  sua 
ad  uelienienler  intelligibilia  nuda,  spoliata,  separata,  inmio  neoesse 
est  eam  ex  eonim  coniunctione  adiuuari,  et  tanto  amplius  adiu- 
uari ,  quanto  fuerit  eius  ad  illa  fortior  coniunctio.  Certum  au- 
tem est,  quia  liniusniodi  coniunctio,    scilicet  fortissinia ,   separat 

M  omnino  et  rapit  a  senslbilibu^  et  a  corpore;  et  ideo  manifestum 
est,  quia  id,  quod  turtutem  istam  saluat  naturaliter  et  perlldt, 
separat  eani  a  corpore.  Separatio  igitiu*  a  corpore  sequela  est 
salutis  L-l  p<*rfectionis  ipsius,  non  causa  uel  occaäio  destructionis 
illius  aut  etiaiii  iaesionis. 

rv  Atnplius.     Manifestum   est   uirtuteni   istam   non  habere  in- 

slnmientum  operalionis  suae  in  i-orpore.  Licet  auterri  ex  lae- 
sione  nicdiuc  cellulac  capitis  operatio  uiriulis  istius  impediri 
aut  destnii  uideatur  omnino ,   tameu  uiauifestum   est   eam   eius 


I 


1  sensationefnl  om  P  hicuna  hiante         2  alia]  aliqua  P         4  aliaj  aJi- 

qutt  r        Ctiiue)  Kius  P        0   adiunat  P        7  setiHuuin  om  P        8  maiorl 

minor   P  uel  ...  .  ticu»ibilia   am   CN  9—11  autem  .  .  ,  iateUigibi* 

lia   om  C         0  auloin)  qni  P  in  (m  X  10  inleUedus  N         u  iu- 

wal   C        ruiusf  eius  f         1*2  nmiorl  minor  P       13  eel]  esse  S         cuius] 

'•in»  P  lf>    iiliusj  illius  /*  Id  nuda  om  P  lacuna  hiante  17  con- 

itione]   rogfiitione   P        IH  fueril  om  P        eius   om  CM        pott  fortior 

fuerit    /'  SO  oniiiinu]    oinnes    C  t)CDsitiililius|    sensibus    PCS 

ilMi  om  CS       27  islius  uiriulis  M        'JH  eamj  taiu  P 


Üe  immorlaliLate  unim&e. 


91 


IUI 


lerationeiii  sohim  inde  aut  impodiri  aul  dcstnii,  quac  illi  deor- 
sum  est,  hoc  est  a  parte  sensibilimn.  Est  cnin>  uelul  alter 
liber  eius  descriplio  fonnanirii  sensihilium ,  quem  libruin  ofTfrt 
uel  exhibet  eideni  iinaiKniialiua.  Has  i^iUir  rutn  abstraliere  et 
spoliart*  a  condit-ionibiis  partii-ularibus  non  potucril  propler  per-  b 
lurbaliüiifiii  aul  lafsioiifui  lurdiar  cellulat; ,  in  quam  trauseunt 
uirtute  iiuagmatiua ,  licet  spoUaÜores  et  abstracliores ,  prohi- 
tiir  uirlus  ista  nobilis  ab  aspeciu  et  leclione  oaruni;  et  tioc 
est ,  quoniain  media  cellula ,  quae  per  uirtulem  iniaginaliuani 
debebat  uelut  liber  quidarii  (>ius  fiori  per  huiusmodl,  quam  di-  lo 
ximus,  inscriplionem »  laesione  infectionis  uel  uulneris  non  est 
idonea  inscribi  ab  imagrinatiua  uirtute.  Quapropter  prohibebitur 
uirtus  ista  a  leclione,  quam  faceret  in  libro  huiusinodi,  boc  est« 
ii-oKibebilur  ab  inteihM.tu  ei  ratiocinatioiitr  stnisibilium,  quae  per 

1  uiani  nön  ueniebant  ad  illain.  Se<l  numquid  proliibf^bitur  \f> 
"ab  ilkuninalione  sua,  quae  desuper  est  illi ,  et  a  leotione  sua  in 
libro  suo  nobiliori  et  ab  irradiaiäone ,  quae  est  illi  siue  a  luce 
iHnia  siue  a  luminilius  mediis  luininatis,  (|uae  uocantur  angelj 
ctiy  Certum  est,  quod  wm;  et  hoc  euidentcr  apparel  in 
melancholids  aegris,  qui  licet  prohibiti  siiit  ralitHuiari  de  sensi- 20 
bilibus  istis,  tarnen  de  sublirnibus  iiuilta  uident  intoi*dum  et  fu- 
tura  praedicunt  quasi  diuinautes.  In  boc  ergo  apparet  ablalum 
libnim  ralionis  rtiscriptuni  a  sensibilibus,  libruni  uero  su- 
perioreni  nobilem  inlerduni  eis  esse  expositum  hI  aperlum.  Non 
Im  conlinuus  uidelur  esse  cum  ratione  uel  inleliiiftnitia  noslra,  ss 


pHthi 
Hpiian 
ab 
libr 
^prii 
Hbn 


* 


1  aut  om  CN        2  a]  ex  N        4  eiderni  tdeiti  /'        f»  pntueriL)   (wle- 

I  C        5—6  p«rlurbationein|  larbationem  P         Ü  quem  P       7  spolialio- 

abttracÜoresj  spoliatorcs  cl  abstractorcs  /VA'       7—8  proliibetur]  pro- 

lur  M         8   ftost    et   add   a  C^'  10  *juanij  quem/'  10— 11  di- 

clmtis  C  11  iuscriptiuneml  iiis|>cctloncm    C'.V  inscriptiune  P  infectio- 

imperrectionis  CX         12  idoneus  PCN         ali)  uel  iV        13  ii^u  om  CN 

ionej   loruiione   P        14  ante  prohtbeliitur  add  quod  P     pruhibelur  CK 

aliam)    aliuni  iV  ueniebat   CX         numqui*)]   nunquam    N  pro- 

hibctur  N         16  lUumiDationcl  illa  rationo  CX         dcsuperj  super  /'  et 

CX        lecUonej  locuUone  P       l'J  /ttisi  non  add  est  CX       3()  qui|  quae 

2t  tumea|  cum  X        et  mterdum  CX       22  diuinantesl  djuinationes 

ergoj  igilur  C  enim  X       Hi  apertumj  aptum  /' 


22 


Gundtfssalinos 


scd  quaridnque  applicari  ialelligeiitiam  Uli  —  aul  illuni  intellertiuae 
uirtuU  nostrjie  — ,  quandixjue  uero  longe  fieri  ab  illo.  Cuius  rei 
quid  causae  sit,  alias  disputandnin  et  declarandum  est.  Ex  quo 
nmjiifcstum  est,  quoniam .  si  illius  partis  corporis  huniani  de- 
5  striictiü  lioH  destruit  aul  oxslinguil  uiilulem  isUuu,  illius  iuquam 
partis,  per  quam  uirtus  ista  et  iii  qua  maxinie  uigere  uidetur,  id  est 
mediae  cellulae  capitis  destruciio:  quanto  minus  destructio  residui, 
Si  eiiiiti  tniK-  maxitno  uigt  1  v'ms  opi>nitio  iiobilior,  cuiit  ista  pars 
laesa  aul  drslnicia  est,  sctuikIuiii  quod  adiuuabat  uirlulem  istain  — 

10  quod  manifestum  est  in  praedicto  exemplo  melancholicorum ;  qui 
enim  alias  omnino  nihil  diuinant,  arrepti  morbo  isto  diuinaiil — : 
manifestum  igiiur  est  lunc  suhliinius  et  nobilius  lüuere  uiiiulerii 
Istam,  cum  el  sua  ipsa  portio  corporis  mortua  est.  Nihil  igitur 
ei    deperit   ex   morte  residui,    quaiituni  ad  essendi  necessitalcrn 

i-*^  et  nobilloreni  operationein  suam. 

Ampliu.s.  Üniiiis  essentia  eo  naturalilor  Icndpns  et  ibi  so- 
luni  naturaliler  quiesfons ,  quo  non  uttinj^l  cori'uptio  uel  mors, 
naturaliter  est  incorruptibilis  et  immortalis.  Onine  enini ,  quod 
naUiraliter,   id  est  nalurali  motu,    pctitur,   naturale  est  pelenÜ. 

»)  Si  ißitiir  uerum  esl^  quod  uirtus  ista  naturali  motu  suo,  qui  est 
f'uga  scu  desideriuin ,  huiusmodi  locuni  ueE  stalum  petat ,  quo 
nee  attingit  corruptio  neque  mors:  huiusmodi  uel  locus  uel  slatus 
est  ei  natiuulis  el  naturaliter  dcbilus;  el  propter  tioc  necessario 
et   oitines    dispositiones   naturales  illi  loco  uel  statui ,   quare  in- 

2A  corruptibilitas  el  inunortalitas ;  et  ila  naturaliter  immunis  est  a 
morte  et  a  corrupttone.  Verbi  gratia  ignis  in  loco  suo  naturali, 
qui  est  concauitas  caeli  lunaris ,    incorruptibilis  esset ,   proplerea 


* 


1  quandcqne]  quaado  AI  JntelUgentiara  Uli]  Uli,  una  liuera  anttf 
gileTü  post  eram,  i.  e.  itlliä  (inlelligcnliuni).  omis»o  illi  Jtf  Uli  {vmiaso  inLelli- 
^ntiam)  PCN  "2  illo]  ipso  /'  3  quid)  quidem  yt'N  4 — b  ilestrui:üo 
noDJ  deälructiunero  S  6  istal  iUa  CN         id  est)  et  P        8  cum]  esl  P 

)l  alias]  aliquas  V  VI  e«l  igitur  iV  13  corporis  portio  CN  16  ibi] 
aibi  2s  17—18  mors  .  .  .  et  om  C  18  iDcorrupübitis]  incorporaliit  F  in- 
corporalis  uel  incorruptibilis  ü ,  quae  UrMo  orta  tat  ex  «ijK»  iiicorLi>  ami*ü;uü 
et]  nel  S  *JI)  Si  igitur|  dictum  C  isla  uirtus  f  qui]  quae  N  22  nee 
aUiagit]    om    1'    rtpntio    dccem   titterarum    non   expteto  oeque)    nee    CM 

23  naturalis]  naturaliter  i'NM  24  statui]  statu  P  2&  ita]  eUam  P 
36  a  curruptione  el  morte  P       27  qui]  quae  C       propterea]  propter  hoc  NM 


De  immortaliUle  animae. 


23 


I 
I 


I 


uidelicct,  quin  ad  locum  illum  nullo  modo  attingeret  corrtiptio. 
cum  incorruptibiliUis  esset  de  eondicionibus  el  consequeii- 
tibus  loci  iUius.  Verum  ibi  est ,  quantuiii  est  de  condieione 
loci,  et  generabilis  et  corruplibiÜs.  Ümnis  enirn  locus  sub  coelo 
iuiuiri  locus  eät  generationis  et  corruptionis ,  quoniam  locus  est  .% 
conlUcius  et  actionis  et  passionis,  ex  quibus  sunt  gcnoratio  et 
corruptio  miiuersiiliter.  Quiu  ergo  locus  uel  status  imiiiateria- 
littiii  sepiiratoruni  spoliatonuii  seorsuiri  est  loiigc  a  motu  et  niu- 
lationo,  quontaiii  u  niatena  ei  ab  appetidiciis  materiae,  palain 
islam  uirtuteni  nobilem  naturaliter  immunem  esse  a  corrupttone  lo 
et  liberam  a  morte;  quemadmodmii  omnis  essentia,  quae  natu- 
raliter illuc  mouetur,  ul>i  onmia  sunt  comiplioni  suhdita  uel 
obnoxia,  suo  ipso  motu  et  iiiL'Unutione  el  pla^i^a ,  quam  naturali 
motu  quaeriL  se  indicat  esse  corniptioiii  nbnoxiam  uel  subdilam. 

Quod  si  quis  dicat ,  ({uod  auima  hutuaiia  italuralittT  mo-  i:. 
uetur  ad  corpus,  aequiuoce  dicit  hoc.  Nou  eniiri  mouetur  ad 
iUud,  ul  in  co  quicscal  uel  ul  id)  eo  perficialur,  sed  polius,  iit 
ipeum  perficial  ipsa  coque  utatur  ad  ac(|uirenda5  sibi  aliquas 
ex  perfectionibus  suis  secundis^  in  quo  adiuuatur  ab  instrtitnentis 
sensuum  et  ab  ipsis  sensibilibiis.  Non  sie  amtem  inlelligiituis  im 
uniniam  bumauaiii  nioueri  in  t^uum  sursum  spiriluale  ac  nobile, 
imruo  ut  ad  locum  suae  pcrfecliouis  ultiniue  atque  ad  stattiin 
suuiu  nobilissimum.  Absit  enirn,  ut  auima  humana  secuiuliim 
islam  uirtuteni  suam  sublimem  el  ufibÜeni  quiestere  quaeral  in 
sensibilibus  aut  perlici  ab  eis,  quenuuiinoduni  aeque  e  coimerso  ts 


1  modo]  roodonim  il  attingit  C  antr  corruptio  add  generalm  el 
C  2  p«st  corruptio  adä  naturaliter  CS  cumj  si  CS  cyndicione  N 
el  om  CN  3—3  coneequentibuaj  .  .  .  tUicnna  f»  litterarum)  sequentibus  N 
S   ibi   esl]   uM   est  P  adefit  C       est  [pott  quantum  um  M       4  generalis  ^ 

I  6  sunt]  ^l  FC  7  ergo)  igitur  ^  8  longe  eal  P  9  ab  om  P  post 
palam  gu/tra  iitieum  ad^criplum  est  est  M  10  Daloraliltrl  natuntli  X 
13    et  {po»t   niulu)  om  CN  inclinatione  a  ttuinu  2  con    ex  inclusionc  M 

M  quaerilj  queritur  C  corruiitionij  corruptioncin  f  Ift  quoü  {ante  anima)) 
quia  tVV  16  dicit  hocj  dicitur  hinc  ('  dicilur  hoc  N  17  eo]  lllo  dV 

IH  eoqoe  ulalur]  co  quia  vUinur  S  lü  ex]  el  P  suis  om  P  adiuuatur 
corr  er  adiuuuntur  M  iiJiuuantur  P  20  üeDsiliilibusj  sensibus  /*  Non| 
i\ec  N         21  hutnanam  otn    P        sursum  spirituale]  sensuiii  spirilualeni  C 

|«c  Dobile  om  C       22  ut  om  .V       2b  nequ«]  nee  V       e  conuersoj  e^*  {quod 

'  «nr  9oiet  e  contrario)  C'Jf 


31 


GuDdissalinus 


uirtus  eius  inferior,  onimalis  scilicet  aut  terrcnalis,  quae  est 
uirlus  eiusdom  intima,  quaeril  quiescere  aul  perfici  in  sublimibus, 
scilicet  spiritualibus  separalis  aut  spoliatis.  Non  tainen  negamus 
aliquatcnus  adiunari  eani  quanltim  ad   aliquain  sui  perfectionein 

s  al»  ipsis  -sonsibilibus  et  etiani  sensibus,  quibus  utitur  ad  acqui- 
silionern  inultarum  scientiarum  et  ad  effcctioneni  mullanun 
operaÜonum. 

Arnpliiiü.     Oninis  uirtus  omnino  separata  a  corpore  neces- 
saricj  inconnptfbilis  est  corrupLione  eoqioris  et  iniraorlalis  niorte 

10  eiusdein.  Siniiliter  et  omnis  uirtus  omnino  coniimcta  corpori  et 
omnino  impressa  in  corpore  necessario  morlalis  est  et  corrupti- 
biüs  morte  et  conuptione  eorporis,  Vel  dicanius  ila ;  onmis 
uirlus  omnino  seorsuni  et  omnino  non  pendens  ex  corpore  ini- 
mortalis   et  incorruptibilis  est  morte  et  corruptione  corporis ,   et 

»e  contrario  omnis  uirtus  omnino  in  corpore  et  onuiino  pendens 
ex  illo  necessario  morlalis  h1  corruptibilis  est  morte  et  corruptione 
corporis.  Quae  ipitur  eril  niediae  dispositionis  inter  pnma  ex- 
trema ,  erit  mediae  dispositionis  inter  ultima.  Exempla  liorum 
omnium    smit    angeli    simcli   ormiino   seorsuni    et   omnino   non 

so  pendenies  ex  <:orporibus,  t?l  anima  sensibilis  et  uegelabüis  om- 
nino iinpressae  corporibus  et  omnino  pendentes  ex  eis.  Aninia 
uero  humana  exemplum  est  medii ,  quae  partim  impressa  e^t 
corpori  et  partim  pendens  ex  illo ,  scilicet  qiianlum  ad  uires, 
ipins  coiiiiiHinicat  cum  anirna  senHii)ili  et  n^etabili,  partim  uem 

£5  scorsuiti  est  et  abslracla  atque  non  i>endens  ex  corpore,  hoc  est 
quanlum  ad  uires  suas  sublimes  et  nobUes,  quas  comnmnicat 
cum  angelis  sanctis  sj)oliatis  a  contrarüs.     Igitur  et  a  proportione 


1    eius]   enim  P        Urrenalisj  bruUlis   CN        2   eiusderot  eias    CV 
quaLerilj    quaeritur    PC         sublimibus)    sensihilibus    G  3  scilicet]  sed    C 

b  eliam  om  P  6  esl  om  P  i*o9t  el  ntid  eliam  CN  12  -  11  Vel  .  . 
corpuris  om  C  13  pogt  uirlus  add  et  P  ante  ex  add  ei  P  14  el  (pott 
morlali»)   om    N  15  e  conlrario]  e    conuersn    N         post  contrario  aätl 

omni  P  16  post  niortalis  add  est  C\V         curruptibilisj  incorruplibilis  P 

esl  om  CN  17— IH  inter.  .  .  dispositionis]  in  margine  additu  »etl  a  g(v- 
tinatore  abvcime  aiuit  litterae  ma  {in  extrema)  et  eril  et  tiunis  (i'n  dispo- 
sitionis) M  18  erit]  inier  N  18 — 19  Exempla  honim  omnium]  Extrema 
in  omni  hor<i  P  Exempla  ant  omnium  C  Exempla  autera  omni  y  in  i^unt 
om  CS  angeli  sunt  M  22  est)  ex  C  SM  communical]  communica- 
ueril  C        ante  partim  add  el  C 


I 

I 


enint  aliquoe  uires  eius  mortatcs  et  iiliquao  immorlales;  et 
hoc  est,  quod  inquiriiiius.  Non  t^nim  cuiilra  HHei  pielalerii 
aut  ueritatem  est  uUuni  aul  audituiii  uul  aliquein  uliorutn 
sensuutn  esse  morlalem  aul  extiiiguibilem ;  seil  ipsani  menteni 
huiuanam,  ut  humana  est,  inoiialei!»  esse,  hoc  uerklicac  piae-  s 
que  fidei  iiidubilanter  conlrariuni  est.  Quod  igitur  est  in 
anhiia  liuiiuuia  prmcipale  ac  i)ol>ilisäiiiiuin,  oiniiino  ininioi-tal«  est. 

Quod    si    quis    obicial ,    quod,    si    i>ars   luorlalis   aul   cor- 
ruptibilis,   ergo    et    totuju  —  qualiler    cniin    erit    dornus  incor- 
ruptibilis ,    cuius  paries  corruptibilis  ?    —  :    respondemus  in  hoc,  lo 
quia   uisus  non   est  conoiptibiüs  nisi  secunduni  hoc,  quod  habet 
corpore;     et    hoc     possumus    uowui!    adiuloriuiii    piLssionuin 

idoneilateni  instruruentt  ad  recipietidiis  iruiiiutatiunes  a 
oisibüibus ;  uiilus  uero  iudicandi  oiunmo  pendel  ex  essentia 
mentis,  quae  oninino  non  pendet  ex  corpore.  In  anbiia  uero  i"' 
aniniali  uisus  duabus  de  causis  pendel  ex  corpore,  quo- 
niiun  el  secundutn  id ,  qucnl  hal)et  a  corpore ,  et  secunduni  id, 
quod  habet  ab  ipsa  essentia  aniniae  iuiiniaüs;  el  hoc  est,  quo- 
niam  ipsa  pendet   ex  corpore.     Et  huius  niodi  diuersitatis  causa 

quonian\  aniina  hurnana  uires  aniinaies  habet  secunda-  *> 
,  et  ideo  non  pendet  ipsa  secundmii  id,  quod  habet  praeci- 
puüui ,  ab  Ulis,  iituno  e  conuerso  uires  sct:undaria(!  peudt^nl  ex 
princip^dibus ,  hoc  modo  sciUcet,  quoniain  propter  illas  sunt; 
el  uniuersahter  ueruiii  est ,  quia  oinma  secundaria  el  if^no- 
bUiora   in  omni  subieclo  sunt   propter   principalia   et    nobilioro.  i^ 


I  moiiales]  iramortales  Af  et  .  .  .  immorlales  omC  2  inquirimas| 
quaerimus  C  3  aut]  uel  C  !ilir|ueni]  aliijuid  M  4  nmriaiem]  morla- 
lis  N  sedj  secunduni  C  inentem]  mortem  C  fi  huiiiana|  humaimm 
Cy  est]  el  N  om  C  ante  mortat«in  adti  aut  C  morlalenij  iiiortaiv  AI 
QeridicaeJ  uerae  P  7  bumana  anima  M  ac]  est  C  et  J^  H  quüd] 
quia  M  If  ergo]  igitur  C  10  jtost  paries  add  est  C  corruplihilis]  in- 
cornipli bilü    C  respondem us  1     respundeo    /*,     om    N    lacu » a     k ia n  te 

U  quia|  quod  C  nijsi  .  .  .  hab[el  excidit  mnrtjine  superiorv  eUartac  Ittrso  C 
hoc  om  M         12  passionis  C\         U  ex|  in  C  16  aniniali]  animalis  C 

VJ  el  om  F  secuadum  ...  corpore  om  C  idfprius)]  idem  P  ante  aiterum 
id  add  hoc  C  IJ»— 2»t  Et  huiusniodi  diuersitas  causa  est  CK  hoc  est  P  hoc 
antem  «t  Jt/.  ^»i  Hbf  um  at^ipsit,  rj-  t^uo  I'  rt  M  äenttati  gitni,  aimfmiuit  ad 
1. 18:  hoc  est  quoniaiii  ipsa  pendet  21  habet  om  VN  praecipuum[  principium  C 
23  e  coDuersoJ  e  conLrurio  CNM  23  sunt  et  om  C  2i  uerunij  nianirestum  N 
quia]  quoniain  C     2&  subiecto  eorr  ex  substanüa  i/       Dobiliora]  nubilia  P 


SR 


Gundissalinui 


Quantum  igitur  ad  ea,  quae  uipcs  animales  habenl  ex  cor- 
pore, in  (iintiim  pendent  ex  corpore;  qimrituni  uero  a<i  ra- 
dices  iudieandi,  non  pendent  ex  corpore,  quia  radices  ipsae 
pcndont  ex  ossentia  aniniao  ipsius  vieliil  radii  protensi  ex  lunii- 
■''  nosilate  jpsins.  Ipsa  uero  nou  debel  peiidere  ex  corpore  propter 
sua  secundaria  et  i^obtliora ,  cum  Ula ,  in  quantum  pendent  ex 
corpore,  non  sint  ci  essentialia»  iinnio  tanluin  sccunduni  rudiccs 
ludii-andk  Contienicnliiis  aulcni  esl  .  ul  ea ,  quae  principalia 
sunt    vi    riobiliu,    Irdhanl   ad    fortiludiiiem    suam   secundaria   el 

Mi  ignobilia ,  quam  ut  iHa  trahant  ea  e  contrario  ad  inümiitaiein 
suani.  Et  oninino  conueniens,  ul  radii  sequantur  iucein,  el  ef- 
feclus  tjeneraliler  caiisaii],  non  u(  trahat  illani  ad  se  i*l  post  >a. 
llaec  igitur  oiimia  diciinus,  ul  esset  clarus  inlelleclus  nosler  de 
hoc,   quod  dixiinus,   uires  auiiuales  pendere  ex  corpore  et 

ifl  corruptibiles  iuxla  iiitellecluni  philosophoruni.  Apparet  igitur 
aniiiKun  hnniaiiain  jno<liani  esse  inler  aniinas  animales  et  sub- 
stanlias  angelicas  sjioliatas  el  spiriluales.  Et  ideo,  ut  dixinius, 
necessario  in  dispositionibus  rnortalilatis  el  iinriiortalitatis  media 
est  niedialione,  quam  delerminauinius. 

*i  Aitiplius.     t>iiinc'  destnicllbilf  non  esl  deslructibile  nisi  uno 

riiodoruui  istoruni :  ui<ifiicet  aul  diui^ione  i'onnae  suae  a  niuleria 
sua  —  quod  non  potcsl  esse  nisi  aut  forma  nianenle,  sicul  poni- 
nius  in  honiine ,  qui  inortc ,  quae  est  diuisio  formae  suae  a 
maleria  ,    id   est  anitriae  a  corpore,    ita  destruitur.   quod  manet 

2&  eius   forma,    hoc   (>st   miinia  ipsa  vsecunduiii  qnod  nos  poninius; 


2  in  .  .  .  corpore  om  P  4  post  animae  orfrf  humanae  CV  5  de- 
bel  om  C  jjendet  C  6  iti  om  X  7  sint  Guil.;  sunl  PMCX  ei)  eis  G4 
8  conuenietius  M  quae  om  V  H  suam  om  P  Ut  trabal  P  e  contrario] 
econaerso  N  11  Ei  om  C  post  omnmo  tuld  emm  C  poat  canuaniens  add 
0st  .AT  sequeotur  -V  12  post  non  a<id  e  contrario  si  6'  add  e  contrario  sciü- 
cel^  IrabantC'tlraljut  ar.  efTecius)  illa  /'  13  igitur] ergo  J/  1 4^«/ uires 
0e/<i  animne  iU  animalls/'J/  15  igitur]  ei^  Jf  1(1  esse  niediam  C'AT  17  di- 
cimus  A  18  disposilionibu»]  ilispulationibus  N  et  immortalilalis  om  C 
in  (letermiaamuB  N  declarauimus  P  SO  Ante  Onmc  adJ  nota  quatluor 
modos  dcstrurtionis  ( ',  quae  tterba  ytassae  instar  in  marine  antat  p<mta 
pQstea  in  trxtum  irrepuerunt  21  istoruni  niodorum  N  21— 22n  .  .  .nisi 
om  C  22  aut  forma  manenlej  ante  formain  luanentem  C  23  suae  om  C 
25  hoc]  id  C       secundum  quodj  in  eo  C 


De  immurlalitale  aniniae. 


27 


I 


I 


I 


destruitur  ül  qiiod  deslniÜnr  diiiisioiu»  forinao  a  rnateria 
forma  ipsa  destructa,  quae  dt?slrudio  proprio  uocatui-  corrupLio  —  ; 
Äut  destruitur  diuisionc  pailium  suaniin  intcgraliuni ,  quem- 
aHmodum  donius,  cum  partes  eins  ah  inuicem  separantur, 
id  est  ligna  et  lapidas;  aul  destruitur  destructa  suslinenlis  * 
essenlia;  aut  dostruitur  subtnictionf  causae  suae»  qi^em- 
adinodum  si  dtssipato  utre  uiniun  deficiat  aut  de^lruatur  et  cor- 
pore dcslructo  desiruantur  ea,  quae  in  eo  sunt,  aut  soic  sublato 
di^lniatur  dies  —  hoo  est:  duolnis  modis  destruitur  aliquiil  de- 
slrucüone  alterius ,  uidelicet  aul  quia  est  ei  causa ,  quemadmo-  i" 
dum  sol  praesens  diei,  aut  quia  est  deferens  et  sustentans  ipsum, 
ut  matcria  fomiae  et  uas  liquonitn ;  fjuacdam  enitn  formae 
pendcnt  ex  malerüs,  in  quibns  sunt,  aul  t'X  subieetis  — . 

Ouod  si  quis  dixerit,  quia  est  et  qniriiiis  modus  destruclio- 
nis.  uidelicet  proprius  defectus ,    ut  Senium  et  putrefactio:    nihil  i-- 
dielt,    quia,   si   senium   et  putrefactio  ad  nullum  qualuor  rriodo- 
rum  ducerent.  nullo  utodo  dcstruerent.     Salua  eniin  iotiiumliiKie 
formae   ad    maleriam    et  integrilate  atque  ciJuiuncUone  pürüum, 
salua   causae   praesentia ,   saJua   etiam   essentia    sustinentis    aut 
deferentis,    necessario   salua    est  res.     Gertum  autem  est,    quia»» 
Senium    diieit    ad    Hiuisionem    aniiriae  et  corporis,    et  pidreCuclio 
diui-sio    est    formae    a    maleria    el    ib-slnu-lio    ipsiüs    foniiae.      Si 
oem  dixeril,  quia  quaedam  pereunt  sola  defectiono,  el  debUitate 
quadani  cssentiae  suae  deMciunt,  netesse  habet  detenninare  mo- 
dum  defectionis.     Si  onini  omne,    quod  perit ,   non  perit  nisi  ex  ss 
debililate   essentiae   suae,   qua   scilicet   debile  est  in  se  el  intir- 


1  id  qnod  destrottur  am  P(*  ä  forma  om  PK  destnicUo]  de- 
«Unctione  C  3 — i  aul  .  .  .  c|uema<lmotlutii  om  P  4  ab  iimicem]  adin- 
uicem  C  f>  el  om  V  Vt-rba  aul  destruitur  deslnicta  sustinentis  e«sentia 
addidi  ex  UaÜelmu  (cf.  etiam  i\  10  et  18  et  infra  p.  33,1);  om  PMCN 
7  «oll  ftc  A'  etom  P  7—8  destrualur  el  corpore  ilealructo  t/m  <'  8  Ue* 
itniuDlur  C  ea)  omaia  'V  sunt  om  C  ft  destruitur  ''  It  aut  om  C 
13  lif|uori  y  13  ex  om  C  15  ut  seniuni]  ui  senum  C  pulrefactn  C 
17  ducerentur  V  destruerentur  C  Salua[  Salus  P  Suluatis  CN  eiiim| 
igitur   N  IH    integritatern    C         '2^)   autem    om  N  quia]  quoniam  C 

Stl   dncil   ad    om  CN         diuiäionem]  diuisio  ^  22  et  .  .  .  formae  om  C 

23  dixirritj  utxerit  N  quia]  quud  P  quueilaiii  om  P  debtiilatcj  delti- 
&t»tione  C  24  neceesej  neves&ario  C  25  omue  um  Cy  2ti  debilitate] 
debilitalioiM  C 


GuniliwaliDUS 

riium  ad  poniianenduni :  puluni  est  onuie  crealum  esse  huius- 
tiiodi,  id  est  intlrinum  ac  debile  in  se  et  inualidum  ad  perma- 
neiidum,  quanlum  in  eo  est.  Si  igitur  scquitur  unuinquodque 
infuTiiilaiein  islaiii,  niliU  ptTinanobit  conmi,  quae  sunt,  cum  isti 
•^  causa  non  penuatiendi  in  oiimibus  inuenialur.  Nos  aulem  uide- 
mus  multa  pennancre,  et  quaoflam  aÜis  diutias,  quaodam  uelo- 
cius  perire.  Quae  igitur  erit  causa  in  hoc,  nisi  quia  propria 
iiifinnitas  scu  dcbilitas  nihil  eoruiii,  quae  sunt,  per  se  deslruil, 
nisi  adiuuetur  aliquo  modurum ,  quos  nomiiiauinius,  aut  impe- 
1*»  dialur   conlrariis   eorum  ? 

Kestal  igitur  nobis  inquirenduni ,  an  aliquis  dic.lonun  mo- 
doruni  congniere  possÜ  animao  humanae,  secundum  quod  de 
ea    t)ic   inquirinius. 

Et  de  primo  quidem  modo  manifestum  est,  qiioniam  ipsa 
IS  est  pura  forma  et  substanlia  inuiiateriata  et  incotiiposita  in  se 
buiustnodi  ronipositionr,  quae  est  ex  inateria  et  forma. 

Aut  a\  (orte  quis  bic  dical ,  tjuia  est  ex  materia  et 
forma:  dieimus  tanien  roniiani  eius  incorruptibilein  esse, 
quia  non  est  ei  contrarium,  per  quod  corrumpatur,  neque 
at  diiii»>iiuini ,  per  quod  diuidatur,  neque  sustinens ,  cuius  sub- 
tratlione  destruatur.  Forma  enirii  uirluUs  intellectiuae  non 
potest  habere  coatrariuni.  Si  enim  baberel  contrariiini,  non 
esset  receptibilis  ipsius  contrai'iac  suae  nee  siiuilitudinis  illius, 
quemadniodum  albedo  dod  est  receptibilis  nigredinis  neque  sinü- 


1-2  \talam  .  .  .  inliimum  om  C        i2  id  est  om  ^        se  et  ii]uali|dum 
exriäit    marginr-    suprrioi'e    chartaf  laeso  C  elj  ac  ^         3  set|uitar  ot$t  C 

unumqwMJque)  uniiiiKjuamque  N  A  nihil]  uel  iV  B  permanerej  uidere  C 
alia  y  7  nisi  «m  /^  prupriuä  A'  8  |>er  se  om  N  9  nunuDamus  N 
10  ante  cuiitrarÜJi  add  a  CS  nobis  igitur  CN  14  quidem]  quodani  C 
quidani  Ü  modo  om  N  15  pura]  praeuia  C        immaleriaUj  male- 

rialiß    C         incomposita]    eomiiosit«    C  17    Aul  um  C  est  om  CN 

anUdycimMü  add  no^CÜ  furuia  C  IHesseorN  CM  pvatesse  add  tum  PCN 
tn  (i.  ff.  tameu)  Jtf  corrumpanlur  P  cooperatur  C  contrarlatur  N  19  noque] 
nee  C        diuisiuum]  diuiguru  N       diuidantur  P       neque  sustinens  om  CS 

21  desiruatur]  distrajiatur    C        enim    om   C         inlelletainac   uirtutis   CJV 

22  Si  .  .  .  cüntTfirium  om  C  nonj  nee  CX  23  i|>siu8  om  C.  Ad  uerha 
ipsius  conlrariae  suae  {seil.  Tormae]  cf.  6,  '>  sua  ipsa  duraUoae;  22,  13  sua 
ipsa  portio  corporis  pogt  suae  in  C  a  manu  altera  in  margint  aääitum 
fonnae        illius]  i.sUus  N        S*!  ueque]  nee  CN 


De  immortalitate  animae. 


Ö9 


r 


I 


litudinis  ipsius  nigrcdinis;  sed  ncque  etiam  alicuius  modiaruni. 
Quoniam  non  potest  intelligere  aliquid,  iiist  apiid  ipsain  sit  aut 
ipsiim  aut  eius  simililitdo:  manifestuni  ist,  qtioniani  nun  polost 
intcHigore  contrariiini;  quare  nw*  Imljt'rc,  Ornm*  ciiiiii,  qund  est 
Uli  e  i-pgione,  inlf^Uigibilc  pst  ei  naturalittT,  cum  cl  itiulto  rnai()ra  5 
ei  sublimiora  sint  ui  intolligibUia.  Praclerea  istud  noii  ponit 
nisi  ipsamet,  uidelicet  quod  habeat  contrarium  ,  ot  ita  ipsamel 
poüil  quoddam,  quod  non  est  ci  inlellitfil)ilc.  Positio  ipilur  haoc 
dfliratio  esl  y  et  ideo  ncc  contra  illatn  disputandum  ost  aiii- 
plius;  Dec  poni  etiani  potest,  quod  non  potest  tntelligi.  lo 

Amplius.  Quernadinoduni  uiniis  niillani  habet  contrariam 
ei  foniiis  uLsibilibus,  ita  intellectus  millam  ex  intelligibilibiis;  d 
in  hoc  non  oportet  nos  probationeni  aliquani  adducere,  quonlairi 
eadem  prorsus  ratio  in  utnsquc.  Non  est  igitur  dcstrucÜbilis 
per  diuisionetn  fonnae  a  matHrla ,  cum  forma  eins  contrarium  is 
habere  non  possit,  sed  sit  ad  oiunes  Ibrmas  int(  llifjitiiles,  qnein- 
adniodum  hyle  ad  omaes  uisibil*?s.  Qtiare  sjiut  illa  esl  in- 
comiptlt>iIis  corruptione  corporali ,  ita  et  haec  corruptione  spiri- 
tiiali;  et  propter  hoc  multo  tbriius  corruptione  corporali,  cum  ad 
eani  propter  sui  sublimilatem  corpivraüs  rnrruiftio  unii  possit  a> 
attingere.  Si  enini  Iiylen  corporum  non  atlin^it  liuiusjimdi  cor- 
ruptio,  nmito  minus,  quod  supra  ipsam  est.  —  Vidrlur  autem 
propter  hoc  intelleclus  inintetligibitis,  si  se  Imhet  ad  fornias  onmes 
corporales  et  spiritualeB  in  susceptibihtale  et  se|>arubiMt;ite,  quem- 

1   «ed    om   P  neque]    nee    V  -l—-\    dii|uiü    .    .  .     intelligere 

»m   C  3    simililudo   eiuH    AT  3—4   iritL^llii^ere  piMesl   iV  4   est 

itm  C  4-f>  ilti    esl     S  5   e   rcgione    om  C  ei    om  C  na- 

.tnrilit«rl    uniuersalitei-    M  ruin    et    om    (/   et    tauten   A  G  sul>li- 

Imioral  subtiliora  ü  sint]  sunt  CN  istud]   illud    P  ponit]   po- 

luit  PCS  7  ipsaminel  C  ita  om  N  H  poniL|  ponet  CS  i[urK]- 
dam    quodj    quüd(l»ni    /'   quiililam    M    i|Uod    ('  igitur}    ergo    CN    om    P 

9    delimtiu]    «lecJaralio    /Y'.     Cf.    p.    l.t,    '^'i    pos»unt    ilclirare  est    poni 

dispulanduro   om   CSM  10  nee]  uere  /'  etiam]  et  /'         nonj  nee 

It    bähet    om  P  12   ita    .  .  .    inleUii?ilHlibu»  om  /'  ir>  a 

C      Iß  pnasil)  [Mitesl  S       sit)  sir   PCS       17  hjrle  ronUcit  Baeurnkfr;  jlle 
PCSil  esl  um  MCS        17     18  iuforniplihilis)  iticorpürales  A'        18  cor- 

ruptione   [ante   corponili)  or«  C  l'.l  et]  est    C'.V         nttte   corruptione    add 

cormplibilfs  C*  "20  pml  corporalis  udU  ei  .V  21  entinj  autem  P  hyleo] 
jlen  PM  ylero  CN  attingitj  alUngat  N  23  ininlelligibitis  scripsi:  inletli- 
Kibdifl  PMCS        ai  om  N        *J4  et  äepurabilitale  om  C 


'te  ^^^^B  GanHissaliDos 

admodum  hylc  ad  corporales.  Et  hoc  quideni  multis  uisum 
est,  ul,  quomadiiiüduni  uisus  iimisibilis,  et  ila  de  aliis  sensibus, 
sie  intrllectuä  inintelUgibilis. 

Quod  si  quis  tjuaeral,  qualiter  (^rgo  utsuä  corruptibilis  est  a  utäi- 

A  bilibus  fonnis?  —  respondeinus,  quoniam  uisus  hannonia  est,  quan- 
tuiii  ad  instrumentum  suuin,  ei  uirius  sua  ist  pro  parte  in  illo ;  propttr 
qtiod  necessc  est  ilhini  deslrui  ^leslruclione  dlius,  in  quantum  pendet 
ab  illo.  Tnstriimentuni  autem  iiisus  destniitur  ab  exco<lentibiis  hamio- 
iiiam  suani,  hoc  est  a  uehementer  uisibiübus.    E  contrario  auleni  se 

V*  habet  in  intellectu,  quoniam  intellectus  non  habet  partem  deter- 
minatani  in  corpore,  quae  sit  inslnimentum  ipsius,  et  conforta- 
tnr  et  iiiiialescit  ex  iiflienifuttT  iiiiclligibilibus.  Forma  antnn 
intelhgibilis ,  quae  actione  sua  destnierct  intellectuin ,  qualiter 
ageret   m  ipsum,   nisi  sindlitudinem  suam  eideni  iniprimendu  et 

l^  ilhim  sibi  assimilando  ?  Hoc  autem  qiianlo  amplius  facere  pos- 
sct ,  tanto  esset  intelÜKibilior ,  et  propter  hoc  tanto  ipsius  con- 
fortatiuum ;  et  ita  per  uiani  isUim  noii  solum  non  dei^truitur, 
sed  etiani  confortatur. 

Amplius.     Quanlo  aliquid  est  magis  intelligibile ,   tanto  est 

2ü  magis  potens  agerc  in  inlclleetinii  et  magis  assimilare  eum 
sibi,  seu  magis  müre;  et  hoc  est  indicium  certum  uebenientiac 
uctionis  et  fortitudiuis  nirtulis  agenÜs,  scilicct  uehementia  pas- 
sionis,  euius  perfeclio  r'st  ultima  assiinilatio  ad  agens.  Et  ideo, 
quanto    niaior  fuerit  assimilatio,   tanto  erit  uehementior  actio  cl 

SS  fortior  uirtus  agens  super  passiuum.  Quare  manifesUim  est  ue- 
henientius  intelligibilia  uehemcntioris  et  fortioris  esse  actionis  in 
intelleclum.     Omne  autem ,  quod  a  uehtunentlus  agentibus  latnli 


1  hylej  yle  PMS  llle  C  2  inuisibilisj  uisibiiibus  iV  3  intelti- 
gibilis  PClf  4  crgoj  igiturC^'  est  corruplibilis  N  b  est  om  F  ti  poit 
suum  add  eni  P  ei  est  uirius  pro  sua  parle  CN  et  etil  uirtus  suh  pro 
parte  tf  (juiMl]i{uem  C  7  est  neeesse  CN  !l  a  omC  Citiitrario]  con- 
oerso  C  autem  om  C  l)— lOse  habet  in  intellectu]  sed  habet  iQlcHcrtutn  C 
10  quoniam]  qui  C  U  post  et  add  luleo  C  ideo  N         13  ileitru^ret]  de> 

Jilruit   CN  14  suam   siinilitudinem    P  15  asaimilantlo]  asaumendo  A' 

Jfi — 16  possenl  C  16  et  om  CN  ipsiusj  ipsum  N  18  poMt  etiam  aäd 
non  deslruilur  sed  etiaro  N  30  cum|  cum  C  21  unire]  uiuere  A'  et 
boc  om  C  21— 22  uebementiae  actionis)  vehemnU  crmiicciiiis  A'  22-23  et 
.  .  .  pRssiunis  om  C  24  maiorj  minor  P  26  intelligibilia]  intelligeoci«  N 
in  om  F       11  ^  om  C 


t)e  imniortalitate  Bnimite- 


St 


I 


non  polest ,  multo  fortiiis  a  minus  et  debilius  agentibus.  Quia 
ergo  ab  intelligibilibus,  ({iianluiiicuiiquf^  uelienieiilia  sint ,  conror- 
talur  uirlus  inleH*^ctiua,  iioii  soUiui  non  lattlitur,  nianilesüini  est 
a  nutlo  eam  laedt  poss^i'  pi>r  actiunem ;  nist  furlo  tiicat  quis, 
quoll  laesione  inslrumenti  sui,  quemadmodum  uisus  laefÜ  polest  » 
a  non  uUibilibiis,  sie  inti>ll«^ctus  a  non  intc]li^'il)i]ibiif;,  Qnod 
manifestum  est  esse  falsuni ,  tum  fpiJa  inteliectus  instruiticnlum 
non  habet  in  corpore,  lum  quia,  quod  non  est  intelli|;ibilu,  uon 
habet  fonnam,  ncc  est  forma;  oniiiis  autoin  actio  ex  forma;  et 
B  ideo  inipo.ssibile ,  ul  agal  id,  qnod  non  i*st  intelÜKibile.  iu 

QufH\  äi  dixerit  quis.  quia  intiJIrctus  orunino  non  est  forma  nee 
habens  forniam,  et  ideo  impossibile  est  ipsnm  agere :  respondemus, 
quia  inlellectus  in  se  ipso,  in  esse  suo  el  in  specie  sua,  forma  est. 
Quernadniodum    huinor  crystalliniis   aut   Spiritus  uisibilis  in  esse 
suo  fonnatum  est ,   et   tarnen  ad  lucem  et  colores  quodainmodo  la 
nialeriale:    sie  et   inteUectus   ad    omiiia  intelligibiiia ,    qaac  sunt 
Bextra  sc.    Ncqiie  agil,  in  quanlum  est  rnateriale,  hoc  modo,  scilicel 
Hex  flssenlia  sua,   se<l  per  fonnam,  cum  illam  fui^rii  nenutiis;   et 
Hest  per  illam  sicut  arüfox  per  siyrilluin ,   quo  foris  sigillatur  ma- 
Hleria  arlificiL  3o 

^^         Quod  autero  nequc  diuisione  partium  integralium  destructi- 
bilis  siL,  inde  manifestum  erit,  quoniam  intollectus  ex  riecessitate 
imparlibilts    est.     Hoc  autem  sie  cerluni  facimus.     Si  enim  par- 
libiljs  esset,  non  pateretur  tolus  siiiml  neque  a  toto  simul ,   sed 
Kkparte   posl  partem ,   quasi  pars  intellecti  introiret  apud  intel-  ^ 

]  aj  el  r.V  ilel>iliuH]  (]et>ililiU8  ('  2  ergo]  ii^itarCW  inlellrgibi- 
libtu]  inlelligenLibii»  Jf  quanluincun({ue]  qjantuniqoe  V  »int]  sunt  CX 
2-3  confortantur  jV  3  poit  solum  add  modo  P  ante  est  add  autem 
tCiV  4  cami  tani  C  ante  possc  u'/rf  non  /'  5  quod  om  P  laesione] 
laesioneiD  C.V  uisii»  in  nmrg  n  mfniu  f  ,\f  fi  nou  ui^jLiililiusf  notii- 
rihus  C  7  lunit  liiinen  N  0  nutem)  «tut  C  10  pont  iutpipi-iäihile  add 
0t  Ctf  U  tlixeril]  diceret  JV  quin  ow  r\  13  quia]  quod  CN 
(ante   se)  om    PC  14  Spiritus)  species    P        15  formaluml  fonna  Ü 

AT       et  tatite  tarnen)  om  P       I«  sii;]  sil  X      et]  t^ttam  C       omnia) 
17  neque]  dcc  CN        est  «m  rS        IH  sed]  uut  l'M       19  per  {ante 
rilfilluin)!  aul  PM  21  iieque  a    afritndtt    manu    stiprtt  titttnm  additnm  C 

sil  II  aecuuda    manu    »upra    Uneam    addttutn    C  iude   om  C  erit] 

•t  /*        'i3  raL-imuH]  faciemus  P       24  lutusj  totaiii  C       iieqoe)  net*  C 


tt 


OundissalioDd 


Icctum  posl  partem,  et  non  totani  simu!.  Ex  hoc  autem  sequi- 
tur  continuuin  et  partibile  continue  et  per  partes  solumiiiodo 
intplligi  jx)ssi*  et  partein  hi  parte  leniporis.  totuin  in  loto,  et 
inti'lligeiiteiii  ouuieni  sequi  in  intelligendo  lempus  traiisitus  syt- 
^  lubarum  et  elementonini  seu  litterarum,  et  intelligere  in  transitu 
continuo  et  non  subito ;  cuius  contrarium  unusquisque  intelligen- 
tium  sentit  in  seniet  ipso. 

Auiplius.     bitellectus  sentit   se  totuni  intelligere,    quotiens- 
cunque    iiiti^ligit ;     nunquam    autem    partein    sui    intelligere   et 
wparlccn  non,  ipse  testis  est,  quia  totus  simul  intelligit,  non  pars 
eius  Auiv  (uiriein.     Qiiia  erfro  Ulud  est  apud  cum  et  in  eo,  ei  soIi  de 
lioc  crixlendiun  e$l.  Sicut  enim  intelligit  uiius  intellectus,  ita  et  om- 
niB  —  hoc  enim  naturale  est  — ;  et  ideo  ideni  erit  modiu»  intelligcndi 
apud  oiniies,   quemadmo«lum  modus  uidendi  apud   onines  ideni. 
1.V  Qwoii  igitur  nwiit  intellectus  unus  apud  se  de  modo  inteliigendi,  hoc 
et  OHines  inuenire  inlelleelus  apud  se  et  in  se  neccsse  est.    Audire 
uuteni  continue,  seit  subito  intelligere,  omnes  intelligenter  in  hoc 
Intemlentes   inueniunt.     Subito   autem  intelligere  —  cunj  inlelli- 
gi^re  non  sit.  nisi  pt»r  tmntutationem  intellectus  —  ,  si  inlelloetus 
»I  pariibilis  est  t-l  eonlinuas.  inipossibile  est,  cum  continuunr subito 
innimtari    iiupossibüe    esse    iain    alibi    di^aratuni    sit.      Restat 
igitur  intellei'tum  impartibilem  esse  et  incontinuum  et  ideo  diui- 
sione  partium  indeslniclibileiii,  cum  partes  huiusmodi  mm  habt-at. 
Ma^ift^stunl     igitur    est     inlellectum     onuiibus    ntodis    de- 
in slructionis  esse  indestruclibilem.     Non  i-iiim  possibile  est  aliquid 
destnii ,    nisi    auf    diuisione    formae    a    materia    aut    diuisione 


X  anit  Ex  add  Et  C       autem  om  PCN       2  et  (/toat  conlinuum)  om  P 

»itlumuiudo]  sublimia  C       3  et .  .  .  loto    om  C       teniporis]  eorpons  iV       ante 

luluni  add  qI  N         A  \u  om  CNü        b  seu]  siue  P        et  om  C       inteUigerel 

inloUeotiue  C       6  s«  totom  om  N       9  intelligere]  inteltigit  P  intellecliue  '.' 

9— tl  «l  .  .  .  partcm  om  C       II  ergo|  i^tur  f'N        iUudl  isLud  f        ei|  et 

19  est  om  PM      13  hoc  enimj  quicuini|ue  /'      i<li>in  om  P     erit  roodas 

Ji  addiiii  ex  GuUetmo;  om   PMCS  \lt  puitt  se  add  et    quod  nouit 

'         hoc  om  P         lü  omne  ''        inuenire  iac%tna  ttefttrm  Utttrarum 

t  P  17   iDtelligentea  Pi.'N  post   inteUigenter  add  hoc  P 

tntti  N         18—19  cum  intelligere  om  P       19  nun  am  NC        sit] 

li  OM  C      Sit  nisi)  nisi  ml  S       20  est  [ante  et)  om  P      cum  om  PM<'\ 

impoasibile    add    quod    CN         iam    alibi   esse    C         sit]  est  PS 

cuius  iV         ÄJ-  24  babeant  *V         24  est  i^Uxtr  N        26  aut]  in  C 

.  ,  dioisione  om  C 


D«  iiumorliilJUito  aiilmne 


ä3 


■partium  inlt'-(fralium  aut  (Jcslnrctiode  deferentis  ol  susteiitanlis,  quos 
modos  iam  remoninius,  :iut  siihtnu-Hone  rausae  eflicienüs, 
qui  est  utttiniii^  modus  (U'.-jtni«-tioiiis,  stilicel  qiieinailtiKKUnn  de- 
struitur   ilit*s  subtractiune   soliy   el    cürpiis  subtruf-tiorio   aniiiiai.'. 

f  Hoc  nuteiii  in  aniiiia  hiiiiiana  roiitiuj^tTe  iiiipossibile  est,  Mnni-  •' 

festuiij  i->niin  Pst,  quia  rmtura  <4»iiliniiu  t-äl  primae  eaiisae  aut 
eius  continun.  Qnott  Intlr  appaitl  ,  ([uia  operationr-s  primae 
«lusae  rontimie  influunt  super  naluralia  e!  super  omne,  quod 
natura  praeparauit ,    sicut  sunt  esse  et  uita ;     et  imposs]l)ile  est, 

^Kquod    praeparatae   materiae   a    natura    noti   intlual    aut  uita  aut  i'^ 
alia  forma  a  prima  causa;    el  ,  quoil  est  maius,    semini  prat^pa- 
ratü   aiiiuia   jie4't«>sario   inluaditur.      Hoc   i^fitur   est    manifesluiu 

^nndiduiii   eontimiitatis  siue  coiligatiüiiiä  naturae  ad  primani  cau- 

Hiam.  Colliiiratio  aiitetii  non  est  nifii  ex  propinquitate;  t?t  quae 
propiiiqiiiora ,  eidem  iH'cessario  colÜKaliora.  <Juart'  aiiiiua  tui- '^ 
uiaua  tauto  (•■  collij^Mtior,  qiianio  ipsu  ualurä  superior ;  tauto 
euiin  supreiiio  propinquior,  quanto  superior,  et  i<leo  propinquior 
quatn  natura.  Quta  itdtur  ordinulae  sunt  influxiones  illius  sccun- 
dum    ordim-m    propiiKpiitaluni    ad    ttlani ,    necrssarin  tnaior<>s  et 

I&iagis    contJnuae    sunt    in   ea,    quae    prupimpiiora  sunt   primae  :o 
leausae,  quam  in  remotiora;  et  si  non  possunt  cessare,  quaiilum 
kd    remotiora,    niulto   minus   in    propinquiora.      Et    ideo   tluxus 
I         1   ante  partium   ad<i  eius  (  JV        aulj  uel  C        ante  Uestructione  add 
in  C  nustentantis]    substantis    A'  2    reinouiriiusj   rememorauimus    P. 

Diuitionem    formae    a    mutet  ia    remouU   p,  2Njt3 — Hl,20y    partes    integrales  p, 
\JJlf~3iJ£3;   dettructionem    defrrentit    ft  »usttntantig   perqntim  Uuiier  p€t- 
ttnnxit  p.  28^        3    qui|    quae    AT  uUimus]    utrum   /*  destiiictianis) 

difllefi   cuoimunis  I'         scllicct  om  JUCS        4  sublrnitionc  (po^t  ilieslj  sub- 
ftionis    P    fiubstrni'tionc    C  ^ubtraclionf^  ({wut  t^urpus)]  Kuli^lraclione  C 

iinpot»ibile  est  contiiigere CW^       liest  om  C'.V       qulal  ([uiHi  /*         natura) 
Lurnliler  C  natural]  N         etil  om  P         7  conLiDuatione  f.V       7—8  caa* 
iniae  /'      II  praeparauerit  3f  rt,  ut  >  üielitr  ex  cömpendio,  N      et  {poBt 
vm  JUS  est  om  (.'.V  lo  inlluenl  JV  II  fürnu  alia  C\  a 

prima  cauf«)  apud  eain  P  et  om  C\'  post  inuius  atl'I  ut  CS  l'J  in- 
fuoditurj  inrundalur    MCX  est  om  C  manifestum  est  .V         1.1  in- 

diciom   0*1    y         poiif   iadicium  add  etil  C  siuej  sino  A'         Ib  eidenn 

neceMUirio]  nerestario  eiilein  N  uet-essariu  ois  C  ooltitfntidmj  culligaatioru 
P  16  cülligaliorj  coUi^anlior/'  17  |iro[Miu|utür  omC  18  quam]  qunii- 
tam    CV  influxiünc    /'  ilhusj    istius    C  lt>    maiorcej  minores  /* 

21  in  om  C 

B^itrftg«  II-  9.    Bulow,  OandiMnliDiia.  3 


uitae   et  aliae  naturales  innuxionos  multo  fortius  in  animaiti  ra- 

tionaloni    inc^ssabiles   ei    continui,    quam    in    natiiram.      Palam 

igitur  est  aniinani  rationalem  isto  ultimo  modo  non  posse  mori. 

QihhI  si  qiiis  dixeril,  qiita  <;onsi>(|iieiis  est  4'X  hoe,   iit  et  aniiiia 

A  sensibilis  imiiiortalis  et  iiulefectibilis  si\ ,  jjus  iani  res[X)ndiiims 
ad  haec  in  liis,  qiiae  prateeäserunt,  ubi  dixinius,  quofi  ipsa  pen- 
det  ex  corpore  secundiim  onincs  nires  suas;  et  haec  est  causa, 
propler  quam  rnoritur  (iiode  corporis. 

Non  iivorilur  ergo  nee  deficit   ex   defertu   defluxionis  uitae 

lu  in  illani  a  priino  et  uniuersali  fönte. 

lam  eiyo  priiliibiiiniiis  ab  aiiitna  ralinnali  secundum 
id,  qiiod  habet  snblinu*,  nobile  uc  (iiuiiuiin,  uiiines  modos  cor- 
ruptiouis  atque  defectus. 

Temptennis    aiilem    et    alia    uia    declnrare   immortalilateni 

ir.  ipsius.  Diceiims  er^'o ,  qnia  sensus  non  applitatur  sensatis  abs- 
que  asHiiiiiliiliotX'  siii  ad  illa,  iit  lacliis  ralidf»  absque  calefacliotie 
et  uisus  lucido  ubsque  illuininatioiie  sui;  inteUeetu>i  iiero  e  con- 
trario se  habet  in  hoc.  Cum  eniin  seiUienles  ealidum  neces- 
sario   cnlefiiinuis   et    sentientes   hicidum    necessario    iliuniinemur, 

^MulelligeiiteK  biiiK-n  ealiduni  nuljo  mu*\o  caleHiiiuSf  neqiie  ititelli- 
gentes  coloreni  uUo  modo  coloranair.  (JuJa  ijfitur  mdla  est  pas- 
sio,  nisi  per  applicalionem  siue  eoniunetioaem  agentis  ad  pa- 
tiens,  nullaque  conuenicnlior  eoniundio,  nulla  uohementior  apH 
plicatio  iiUellectus  ad  intelligrbilia  uel  sensibilia,  quam  inlcllectio 

£&  ipsa  eorum ,  quemadnioduia  et  in  sensu  se  habet ,  quia  nuUa 
maior  aut  ueliementior  appbcatio  eorum  ad  sensuni ,  quam  ipsa 
eoruni    senl  it  io :    manU'est  um    est    int  ellectum   impassibilem    esse 


1  innuxiünes  naturales  P  "2  po»t  continui  odä  sunt  CN  3  jgitur] 
ergo  C  est  um  CN  tslo]  in  CN  modo  ulLinio  N  morij  moueri  /* 
4  Quod]  Sed  CN  ei  om  C  5  senaibilis]  insensibilis  N  ante  immor- 
tuHsut/i/uel  CN  JnJefecliUilis]  in(leslruclibiti.sC*J\r  sU]  sie  N  re:<pondiiiius] 
respondenms  P  Ö  haec]  lioc  PV  praecesserunlj  cf.p.  9,lti  8qq.m,14.H4.  S5J58qq. 
ubij  ut  C  H  ex]  neque  P  \\  ergo)  igilur  M  12  nobile  om  /'  acj 
et  N  om  C  14  alio]  aliqua  P  1&  Oicainus  ^V  quiaj  quod  P  Iti  ca- 
tefaclione]  tali  factione  N  17  ueroj  pro  P  autem  Af  17—18  ae  h&bet 
fl  conü-arto  C  18—13  catidum  .  .  .  sentventes  om  C  20  tarnen]  enim  P 
calefiemus  A"^  calefacimua  C  neque]  nee  C'.Y  3t  uUo]  nullo  CN  23  nul- 
laque] nulla  P  24—25  ipsa  intellectio  CA'  a'i  euruin]  earuni  PCN 
2t)  earumj  earuni  A'       27  scntitio]  sensalio  C 


De  immoitnlttutc  aniinae. 


a-> 


naturaliter  aut  saltem  illaesibilem  a  senstbilibus,  et  ideo  inexusr 
tibilem  et  insecabileni. 

■  Ainplius.     Aliu   diuersitas,   quam  supra  diximus,   est  inter 

sensiim    et  intclloctuiii ,  quia,  (iiiaiih)  nliquii  fueririt  nia^s  sensi- 
bilia ,  tanto  [»lagiä   taedunt  soiisutn ;    (jumiiIo  iiiiti'iii  ui.'ht'riieiitiiis  5 
inlelligibilia,  tanto  ma^s  deleclant  et  conforLant  intoUectum.     Si 
ipitur    ab    his  passibilis  est  iiilflloctus^   iion  est  nisi  conforlabilis 

»et  dflectabilis  ab  illi^. 
AnipUus.     Manifeätuiii    est,   quia,    quanto   plura  et  inaiora 
ei  pluries  intelligit  uirtus  inteJlectiua ,  tiinto  est  ad  intelligenduin  m 
expoditior,   capacior   et   fortior;    e   contrario   antem   se  habet  in 
sensu.     PaJain    ergo ,    quia   non  habet  Hni?in  in  operationo  sua ; 
ultra   tineni  enini  niliil  pott'äl  ({iiaLruiiqiie  nirtiis.     Otnnis  auleia 
uirtus,  quae  non  liabet  tincm  in  opcratioms  nou  iiabet  fineta  in 
tempore.     Virtus   ergo   iiiU'tU'etiua   non  habet  linem  in  tempore.  15 
Omnis  enini  uirtiiä  infmilae  operalionis  est  infinit)  teriiporis;    in- 
finitu    enim    operatio    non    polest    perüei    in    leiiqiore    linito.     Si 

B^rgo  Uenim  est,   quod  eins  Operation!  non  slt  finis ,  ultra  quem 
non  extendatur  —  uerbi  gratia,   si  aliqnpiii  numeruni  intelleclo- 
rum   aut   aüquani    niagiiitudinom  eorum   Iransire  non  potcst  — ,  a» 
quia  igitur  nulhis  est  ei  finis  buiusniodl :    manifestinii  est  operu- 

Hüoni  ipsius  non  esse  Hnem;  quare  multo  fortius  niHfue  uirtuti. 
Si  autem  uirtus  intmita  est  in  o|>eratione  nalniiililer,  multo  for- 
tius et  in  duratione .  sicut  apparet  in  uii-hite  motiua «  cui ,  si 
non    esset    tenninus    aut    flnis    in    operatione ,    hoo    est  in  mo-  •* 

Biiendo,   ntillo   modo   nee  in  essondo,  nee  in  durando.     Causam 

^P  1—8    inexusUbilem]  inextinguibileni  C  neqae  exlinguibilem  ^V         8  et 

om  FM  3  Alia]  ll!a  CS  diximusj  cf.  p.  'M,8  4  magis  fuerint  CA' 
7-8  (ielecUbilis  cl  confürUibilis  M  W  est  om  CS  *•!  «»1  N  maioraj 
minon.  /*         10   pluries]   pluren   Ü         iDtelÜKit  in  marg.  add  a  manu  8  M 

■  Ij    quia]    quotiintn    t*  13   enim]    i.]    est    S         14   ante   non  add  sua  C 

15  ergo]  igilur  CS         17  pei-ficij  tiniri  f'.V  18  ergo]  i^iluf  ('         opcro* 

Uopi]    operalio   C   operationis  A**         sitj  est  CA'  anw   ultni  uäd  uerbi 

gratia  C  quem]  quam  N  19  exlendilur  PCS  '.  uerbi  gmtia  Uic  om  C 
211  »orum]  illorum  CS  om  P  21  quia  om  0  et  om  S  211—22  ope- 
nitioiii]  uperalioniä  C        2*2  neque]  oec  MC  uirtuti]   uirtulta  C         23  SI 

aatem]  nani  /*  est  inflnita  S  24  in  {poit  ül)  an»  PMS  25  ante  Don 
atf(/  «tiim  P       ä6  rausam]  cum  /' 

3  * 


86 


CuiuJiflsaUnDS 


lemiin  Tnaiorein  esse  effectu  ex  omnibus  motJis  oeresse  est;  «I 
ideo,  si  operalio  non  ßnitur  uulunUiter  io  tempore,  neqoe  uirtiB^ 
QiKxl  si  quis  dixerit.  qiiia  quaelitK't  operatto  inteUedns,  id  est 
guodlitwt  eius  md-lli^en*.  rmituni  est ,  stfi  ipsiini  inldügov  das 
A  siiiipliciter  infmituiit :  Dibil  dich ,  quod  »buiet ,  quia  airtns  inAcl- 
lectiua  non  est  propter  hoc  intelligere,  sed  propter  inteSecfe 
siinplieiter;  ei  hoc  mtelÜtfere  esi  sicui  pars  quodaiiunodo 
quod  e.st  intelligere  siinplieiter  Qijeiiiadnioduin  i^tur  efsä  finila' 
si(   •seninduiii    teiiipus   quaelUM't    i-aeluniin  reuolutio  aut  quitibet 

j„  eoruiii  motus,  non  tauten  ideo  inotus  oaeloruiii  (initiis  siinplint«^ 
aut  reuolntiones  eoniiii  siniplicitcr  nunierabiles,  e\s\  quaelibrt 
earuin  niunerabUes  :^int :  sie  so  liubel  et  in  inlelleetiua  uirtute  el 
eins  operatione ,  qiiae  eins  operalio  potent  dici  siiiipliriter.  Si 
enim  determinatum  haberet  uirtus,  quae  mouel  primum  caehun 

,j  seu  quodtnmque  aliud .  quantuni  et  quoliens  moueret .  et  hoc 
detenninatuni  haherel  rmturaliler:  ne<essario  finita  esset  »ecun- 
duni  teinpus  lain  ipsa  quam  t'iu:^  optTatio.  QuIa  igitur  e  con- 
trario sc  habet,  necessario  utraque  iniinita  est  secunduin  lern- 
pus.    El  ideo  in  uirtute  inlellecliua  similiter  se  habere  necesse  est. 

jy-  Quod  si  quis  dixerit,  quia  finis  operationis  suae  est  uirtuti 

intellectiuae  in  hice  prima ,  quiu  ultra  eam  non  est ,  quod  intel- 
Hgat  aut  noKse  (|uaerat :  non  obuiat  ei,  quod  intendinius,  quo- 
niani  (ineni  istuni  manifestum  est  esse  infmitum ;  et  ideo  non 
ponit  o[>erdtioneia  uirtutis  intellH'tiuae  ad  hoc  terniinatani. 


X  esse  rriAiurem  N  ex]  et  in  C'.V  2  in  om  Jtf  3  si  qnts  .  .  . 
qu(aelibet}  neeiäit  margint  »upetiore  ckartae  hno  C  quia]  quod  A*  io- 
tellcctuij  intellcclu  agere  id  e»l  plurihus  C  id  est]  ei  P  omC  4  (quod)lit>et 
.  .  .  intelligere  exa'dU  margine  tvptriort  eliartae  laeso  C  est  fioitum  .V 
eius  inlellnjere  P  l*  (HiiiplicOler  .  .  .  Di()iil)  txciäit  utarg.  aup.  charta* 
lafgo  C  uirliiK  om  P  <>  est  om  CS  7  quodaminodoj  quod  modo  X 
*.\  caeloriiiiij  tuloruiii  IX'  reuotutio  om  P  10  molus  caelorutpl  caelorum 
ntotus  N  rolorum  inotus  C  Il~-12  eUi  .  .  .  numerabiles  om  N  12  oa- 
iiierabilcs!  innumerabiü»  C  sint]  vli  C  et  om  3f  in  om  C  14  cae- 
lumj  cellurn  C  15  seu]  te  P  quodcunque]  quo<ique  «Y  quanlum)  qua- 
liltrr  CM  16  17  »ecundum  om  V  17  tempusj  tempoie  C  lU  ulraque] 
utrlus  P  utraque  uirlu»  A'  infitiita  estj  Hnila  est  C  finita  {om  est)  JS'  est 
infinila  P  19  tiaberej  haberet  S  2U  uirluti]  uirlute  S  21  lucej  lu- 
ceiu  A'  21—22  iulellt^U  C  22  nosse]  uoHce  C  nun]  aut  i^  noo  ob- 
uUt  om  C  22  -23  quomam]  quia  C  23  et  om  P  24  ponit]  potuit  X 
liocj  bunc  C  huc  NM 


De  immorUlitate  aniinae. 


37 


Ex  hoceiiainneccsscesi  ipsamesseii!iniorlali.'ni.  Sienimquios 
eius  et  perrcrtio  ultima  in  ips^i  iiita  ^  iriiiiu»  in  ipso  fonlf^  uitae 
est,  ubi  noii  appropinqiiat  mors  neqiip  defectio  iilla:  manifestum 

Iest  menlem  huimmam  illuc  iinluraüter  tcndcre  et  quicscure,  »bi 
est  uilac  imlefeclibilis  continiiitas  et  nulla  marti  viel  defcciioni  ä 
accesäibiliUis ,  nullis  passlonibu.s  aut  laesionibii»  adttus.  — 
Ad  hunc  autem  finem  rI  semel  peruennril,  impossibile  osl 
illam  inde  de  cetera  separari.  Qwod  indt-  manifcKtum  csi,  qviia 
ptT    natiiram    impossibile    est    oani    ad    oppositiirn    ijiukUuihiub 

B  luoueri.     Impos-sibile  est  enim  naturaliler  illiquid  a  loco  suo  na-  lo 
turali  moueri;  alioquin  nee  moueretur  ad  lUum  naturaliler,    nee 
quiesceret    in  eo  naturaliter;    et  itu  non  esscl  ni  locus  naturalis. 
Ei  accideret  enini  illud,  habere  duos  opposilos  iiujtus  nuturaliler, 

B  et  ideo  duas  opposilas  naturas ,  ciini  uriain  inipossibile  sit  in 
duos  fines  moueri  aul  duos  contrarios  moius  etRcere ;  et  hoc  lä 
est .  quoniam  principimn  est  per  se  natura  niotus  et  tpiietis.  — 
Volunlarie  autem  al)  ipso  foule  uilae  et  ^'andti  et  t'loriae  illani 
separari,  immo  ab  otiuiinioda  plenlludine  desiderabiliuni  snorum, 
quis  non  uideat  esse  impossibileV  —  Violeiiter  uero  inde  abrumpi, 
ideo  impossibile  est  ,  quoniam  illiu  uiolentia  locum  habere  nou  20 
potesl.     Cum  enini  a  se  ipsa  et  ab  bis .    quae  inlra  ipsam  sunt, 

»tanquam  ab  inferno  superiori  et  inferno  inferiori  erepta  totalitcr 
in  fontem  bononim  omnimn  quodaniniodo  mi^rauerit,  hoc  est, 
cum   fons   iUe   totaJiter   illam   in  se  ipsum  solum  rapuerit,   hoc 


1  hoc  om  P  quies  om  C  2  et  om  V  ipsa  um  M  3  neque] 
DM  C  4  esl  om  C  mentem]  uttam  C  Wlae]  illic  P  5  nulLi]  uUaC 
inorti  oel  derecUuni]  mortalis  deffeccionum  C  t>  nullisj  in  Iltis  C  aditua] 
atldtlie  C  7  est  01»  Jlf  8  inJe  de  celemj  de  celero  inde  X  inde'om  P 
10  enim  e»l  M  suo  loco  N  10— U  aaluraliter  moueri  PC  moueri  oa* 
taraiiter  N  11  alioquin]  alio  quoniam  N  13  in  co  naturaliter  om  C 
tiaturalisl  naturaliter  CVV  i;t  ei  om  MPX  enim]  etiam  P  illud) 
istud  P  14  unanil  unum  ('  enim  P  15  mouerij  mouere  MPX  IG  esl 
<»nC  per  se  nalura  est  X  17  gauJü  el  uilae  CX  ante  et  gloriae  näd  ei 
KAudiJ  X  illam]  illa  C  16  separarij  Sfierari  C  ab  om  M  lH  esse 
■mpossibile  om  PM  uiolenier)  utolente  PC  uero]  uerura  C  inde) 
uide  C  lÄl  est  om  CM  illic)  illa  C  uiolentia  i  uioIenLum  X  22  au" 
periori  *m  C  .  ante  inferno  ndd  in  C  lotaliter]  naturaliter  PX  23  fönte 
P  mi(rrantem  /'  24  cum  om  P  ipsamj  ipsnm  PC  solum  om  X 
r^aeritj  rapiunt  P 


36  GundisFa'inus  De  immortrtlilate  animae. 

est,  omnes  cogitationes  eius,  omnes  alTectiones  in  se  collegerit 
el  in  se  traxerit:  totaliter  illi  uiuet  et  totaliter  ex  illo. 
Quod  exempio  naturalis  amoris  euidenter  apparet,  ubi  mens 
amantissimi   patris   totaliter   uiuit   üliOf   et   totaliter  cogitationes 

s  et  affectiones  omnes  et  operationes  eliam  forinsecas  amor 
rapit  in  filium ,  et  ex  illo  totaliter  uiuit  interius ,  dum  ex 
illo  totum  haurit ,  quod  cogitat  et  quod  gaudet  et  quod  ttmet« 
et  gcneratiter  omnes  cogitationes  et  affectiones  suas  haurit  ex 
illo  et  finaliter  refundit  in  iüum;   sie  est  et  in  uita  beatitudinis, 

10  quod  mens  totaliter  in  deum  rapta  et  ab  onmibus  aliis  erepta 
totum,  quod  uiuet,  ex  ipso  solo  hauriet  et  totum  refiindet  et 
eructabit  in  ipsum,  quoniam  uita  in  apprehensionibus  et  af- 
fectionibus  totaliter  consistit. 


1  esl  om  N  2  traxerit]  contraxerit  N  illi  uiaetj  illnminet  P 
uiuet  C  quo(1|  qoodam  N  am  P  3  natnralisj  nuturaliter  CN  Post  na- 
turalis add  aut  etiam  (est  C)  turpis  PMCN,  quibua  uerbta,  cum  et  a  GuiMmo 
abahttf  neque  in  eis ,  quae  insequuntur ,  ad  ea  respiciatur^  »cholioH  conlititri 
haud  dubium  est  ubij  an  utf  5  et  om  M  omnes  om  P  eins  M  etiam] 
etiam  sie  N  et  »it  C  G  illo]  isto  N  8  hauritj  anxit  P  9  et  {pf>$t  illo) 
om  C  9—11  in  ...  .  rerundel  om  C  11  quod]  quoque  N  13  Post  con* 
sistit  add  Explicit  P  Amen  C. 


APPENDIX. 


GUILELMUS  PARISIENSIS  DE  IMMORTALITATE 

ANIMAE. ' 


Vw  I  Nosse  autfm   debps  ex  aliis,  quiu  ijualuur  »et  qaiitqite  modis  bumanis 

ronsulilur  errorihus.  frimn  quidem  sensu  per  cxppriciiLium.  Secundo  uero 
po«na  |>er  logem  pitnitiunm  et  ab  errofibiis  retrnctinam.  Tcriio  nutrm  (ilulo- 
Sophia,  hoc  rsf  ppr  probationeni  utdidum,  Quarlo  per  aactoi'HtJtem  fuh 
fiignam  rt  ah  nurtorilntr.^  aiiie  ab  huininf  aHclorisahUi '  Iraditaitt.  Quinto  5 
Qutem  adhur  altiori  mofiv^  scUirel  per  niam  diuinnni  ufpott  per  reuelatioDcm 
aul  per*  proplietinm  itW  per^  docfnuam  hnmediate  a  dfo  trnditnm.  IIa» 
titim  guinqur  itiag  tfiutti  tjuint/uf  dhtina  ntfdi'eamiufi  rt  darißctitiita  callyria 
eo*ttnt'  cafritntem  crrorum  oc  Kpirilnalium  contnUl  uofn'n  pietng  diiiina. 

In  quo  ^)  upparct ,  quam  noxiunt  el  quam  perniciuäuin  diuina  honitas  lo 
rvpuUuerit  errorem  fidti  et  morum,  et"  maxinie  etTortm  illum,  qui  est  de 
mortalitate  "  natural)  nnhnarum  rationaUum  ,  quoDiam  sciliret  error  iUe  de- 
struil  ruodamcntnin  hnnesUli!}  el  religioniü  lolius.  Quid  enim  restal  anima- 
t<Ud  dirKdenlihiir;  d«  immorlalitate  sua  ,  rutu  nuüa  sit  spes  uUac  allerius  äl 
ideo  nee  ait  a^a  nhlineadae  uerae  relicitalU  Itducia,  nisi  otrtniuiii  prostiLutio  15 
uitiomm?  El  ipsa  rtiam  honeslas  quid  aliud  eis  quam  dementia  reputabi- 
lur?  Dum  enim  se  uident  Traudari '"  praesentibus  delrctationib'ia  el  aliiis 
non  "  exspectant ,  nullu  mudu  »uaderi  pobril  cip ,  quod  aliud  ait  honestatis 
[ ^.  t  persoasto  quam  imperitorum  "  decepllu;  et  Ipsa  professio  laudabiüum  morura 


J?:  cod.  l'rnrrBensia  hibl.  reg.  21H6H.  —  «:  ed.  princep»^  Xurenbefffae 
14Ö6.  —  f;  ed.  Venrta  1531,  —  a:  fd.  AureUana  (Parisinn)  1674.  —  p:  po- 
gteriorum  rditionum  (Vettetae  et  Aurdianae)  congen4fU8. —  c:  commaniit  trium 
tditianum  con»eH«ufi.  —  Quae  ('Utlefinu»  aitt  Guudissalini  uerbis  addidtt,  aut 
MuU  uerbig  reddidit,  Uttertn  qua»  Italican  dicunt  imprnwa  Kurtt, 

'  Incipit  trartalus.  W.  parisiensis  de  iirirtiurlalitale  anime  B  Incipit 
Iractatus  {turlheruii  parisiensJs  de  iinmortalitate  anime  n  Incipit  tractatus 
Guilielini  Parisiei).  de  immurtalilate  nnimae.    dp.  Vnicuni  r  *  iiuclore  c 

•  ouctoriuihiii   p         *  per  onf  c         *  per  om  c        '  qua  n       ^  hac  tt  hoc  p 

*  tt  om  p       '  GuHdissfilfn.   de    immorlalitatc,     At  etiam  iUitd  de  mnrlalitale 
c^pticari  potrit.        '•  defraudiiri  H         "  a!ms  ex  non  It       "  iuqienttoruiu  f 


^0 


Guilelnut  Paristenni 


rrft  d«r«plorum  rfeuiamentum  '.  Kx  quibus  oritur  remm  faamanamm  into- 
Innihjli«  |K«Huittiilio,  uitde  no  mvMrm  ccinfuiiin  et  exlremum  malorum  omnium, 
rivtitoriH  $%itfctt  uiidneiMima  rxhunurutio.  Mento  igilur '  Um  nosio  nron 
1a(  iTioiltfdriiffnla  i)p|)0»uft  üiuinu  niJMmtio,  al  lex  p^^r  poenns  medealtlr* 
A  t!uiituiiiu''il>iiit  el  pliiluHuptiia  [wr  prulmlioitcfn  ignurantihus  et  prophetia  p«r 
raiiplatliiiiKni  nciifttutum  '  iliiiinaiii  ui^nernri  unißiiljhus;  sen^us  iiuuijue  ipmm  * 
WHimarHHi  ifitmortnfituttut  oxpftiit  uoletitiliUR  ",  non  suluiii  testimuniu  acceplu 
A  roNuruiMiUliiiR  nt  aU  ■llcrn  uU»  redeuntihus,  seü  etiam  (estimonio  ace*pto 
all    iptlii   uniniuhu»   auis   ite   ipmi  cl  ^  a  corpore  el  ab  aliis  rebus  nbstraher« 

|(>  iiiitoittlliUH*)  vt  üi\  M-tiK't-ipsuH  HO  i'uMigentibus.  Hac  eniiii  animae  nie  reuer- 
Itiitr»  itlt"  r-riffionhuH  ad  §r  ipnm ,  »irut  fUcit  I'fato  in  Uhro  de  imMurtnli' 
tatr  anim*t« ,  imlul'itniitor  acnlliint  Hcorsdtii  se  cssp  a  legione  mortis,  et 
ft^t)i>ttriiitt  contliiuitutem  sunm  rf  comunctiomun  ad  fontem  uttae  et  nihil  es» 
Inlprpohilitlo  litti   et   fonli  uilae ,    quoi)  IIuxuiti  ullae  super  ill«s  impediat  et 

15  aueilul.  SchI  lata  oxpvrtenliii  unimnhus.  quat  in  senaus  et  in  sensibilia  efTu- 
i  le  »unt  atquo  "   iltaperRao   ut    in  curporihus  pruprüs  sunt  incareeratae  .  esl 

(Jualitrr   nulem    huic    errori   philowiphin  probationibus  "  ancfonVafuw 

0i    i>fif((iMMMi    octurrni .    dncore   in  praescntt  tcmptabimus.    Xam  auctoriiatev 

to  n*Mi    HC    nttei'it    letttttneitH    rt  ori^inathim  mnctorum  rt  exfierientiua  »cripta» 

IM    4i«i9fa  ttMti  iirtj/orii  jm^Hte  rt  in  «i/m«  (viwmilihH9 ,  tiwia  de  fact'ti  pth 

hf^itt**  nh  mÜMt  inttmiri ,   iWro  *'    adponendum  kic*^  mon  laboramus,    quia 

•MMI  *'    miNorMM  '■,      Ad  A{ifO  fiyo  9¥Ht  nuciuritatr*,    rt  primo  A  ristoteti» 
V^dlH'tmH»**    im    «ertiitdo  tir   ttmmu  rtr,**    Krurritr«  ad  ^Haternym  diftputntum 

pf9  mm<i*rit%ttihm*. 

El  Um  ii»»ti  ft  ihwlriiui  lü^ir««*',  «jula  sjrllof  isoiu« "  non  est  demon- 

klmtio,  Bt»i  tum  fuvrit  rx  prviprii».    TranAcendenti«  enim  el  exlranea,    cum 

•|t(aU  "*    fXwriQt   iitiu-)u»ioiu  ,    ctiius  r«rtiludo  nobis  quaerttnr**,    apUU  lo* 
9^«Mi  cvnipIrxH'n«  rt  onüiwltonr  **  Mllofisik«,  ncahrMot**  Dobis  scieotiam 

dMMMtmtiuaon.     HuiianuHli   tam*pn  »ytkifismis  **  inperitia  «t  defectos  et  »•  > 

««(«KMCttttl»  ^  ()UiK)uo  uutdit  urnUli*  attkUlM  cof  it  boq  es»  rootento«. 

ft<Hll  ^««A  iMltttow  CfMiorb  M    tttdicium   ruturam   rardkcn  pro- 

U>l»>to   ia—niiWteUi  mImm  Im—»»  dhw  ik«  priau  .    svd  ule  aos  alii 
j»y«tfiMf«ak«  trtfrit  /Vtrw»  ti^mhttm  «mra  J»i'w»»  —ay—  m  ■»'■■■  «i 


*  iami»n4w  •  «Mdwvtwr  v  wKkarvMr  • 

*«M»U«M.t<»        "^««K       »  fwfcabiaiB  »  ynihanin«a  ^ 
RMft  it        «kau»«»»        *^  M»  «NB  Jl         *■  ■ili'^Mi  Bmtm 


De  irnrnortalitate  animie. 


!>n  uiuorel,  uant!  hie  et  fni.«tra  deo  seriiiretur,  cum  in  uiU  isU  d«!  cullus 
religio  {iliirimum  sui  «  tormenluTn  habeat  et  afnirlionem ,  et  pQsl  uitain 
Btati)  Dulla  sil  fulura  eius'  remuneralio,  quta  ncquc  ulla  esi  uniniae  huma- 
■e  po?l  uiLain  isLam^  Sccandum  hoc  *  ergo  utilius  e^sel  animao  huinanae 
gare  dcuiu  omtiino  nt  omni  iiRDi(at)  el  uutuptali  ae  pfosffrnrre ,  quam  & 
RDcte  ac  iuste  uiucie  el  crefitureiii  debita  bonuriAcentia  nl  üeuotione  colere. 
Si  enim  curat  d^ius  cuUores  el  ueneralores  suos,  ubi  et-go  eius  potenlia,  cum 
nee  in  uila  isla  proplcr  hoc  sit  eis  deterins,  qui  tum  colunt ,  nee  in  aUa  .sit 
eü  melius,  qui  ealunt*,  cum  alia  uiUi  oon  sit  futura  post  istam  aeaundum 
trr^rtm,  qui  dicit  tntimam  humannm  cum  corpore  moriturami'  ifl 

Si  autem  non  curul,  ubi  er^o  est  sap^entia  eius  aul  bnnilas?  Aul  enim 
ignorare,  aut  noti  amare  uidetur  amatures  »uos  eL  ueneralores;  quoruin  alle- 
rum  dedtruil  eius  «apientiani  ,  allerum  uero  bonilatem.    Haec*  i|;itur  *  est  ra* 
dix    ad  praewns  prima,    per  quam  conali  sumus  allquam  ^  aniniäe  hunianae 
^^ttitara  *  osletidere  esse  \h>sI  isUim '.  15 

^B  Alta    radix  est  ipsa  dei  iuslitta,    qua  posita    necesse  est  esse  futuram 

ludicium  ,  quoniam    in  hac  uita  nee  mal!  recipiunl''\    quod    merentur,    nee 
boni,    quia  scilicef  malis   hie   bene   esl  et  boais  male.    Vbi  ergo  ftrt  iostitia 
dei.    cum  ulrique,    scüket  boni  et  mati,  contraria  nieritis    suis    recipiant   in 
liac   uita,    »i   post   uitam  islam  '*  non  est  futurum  gmemlt  iudivium ,    quod  so 
ullque  non  esi , futurum,  si  nun  est  ulla  "  pnst  istani  iiiYitm  "V 
i^-4  Tertia    autem  railire  ad  id  ipuuni,    aliam  aciitcet  uUam  oatendendam  *^t 

ulimur.  qnae  est  ista ,  sciUcet  quia  omnis  iuslitia  perfecta  exit '*  in  iudicium, 
quam  *"  iuntHiam  nee  ignoranlia  merilorLitii  neque  clifücuUas  aliqua  aut  im- 
possibilitas '^  rctributionis  prohibeL  lustitium  autem  diuinam  ahijuo  isto- sa 
rum  '■  prohiberi  uel  impediri  impossibile  est.  In  iudicium  igilur  "*  p^r/Vr/um 
atiquando  illani  exirc  necesse  est.  £t  tn  hac  uita  non  exit".  Kxibit  igilur" 
^^ost  banc. 

^B  Hac    eliam   quarta  radice  *'   uti  consueuimus  ad   idcm   oatendtaduni, 

scüicel"  quia  sapientissimus  et  benignissimus  üeus  a]iquid  **  melius  prouidil  30 
electis  suis,  quam  isla  uita  liabeat,  cum  ipsa  diuina  sapientia  duce  quicquid 
habet    uita    ieila    et    ipsam  etiani    uitam  eUcii  dei  fx  consHio  ipnius  dei  con* 
lemnanl ,   sicut  pafei  Ugentibus  runuffeliu  et  rpisfoian  el  totum  urtus  et  nouum 
temtamentum ,    übt    uijtlur  de   coulfinptu   mundialiuin.      Quapropter   sapieates 

PlBaxime  Inuenirentur  "  errüiiei  et  ipsa  sapienLia  duce  deoeptisaimi ,    cum  to-  35 
ttim    bonum   suum    contemnerent   et  abicerent;   suli  uero  mali  »apienter  htc 
uiuerent  et  caute  agerent,  cum  ip^i  £<ili  bonum  suum  bic  «[uaerercnl.    Hcstat 


r  *  stbi  p 

colunt    am  p 


*  eis  ^       *  istam  uitxim  B       *  haec  e: 
•'  ergo    It        '  f!uitdi»8(tiiH.:  aliquando 


'  nee  in  alia . . . 
"  humanau  uiljte 
animam  tt  aniniae  bumanae  animäm  uitae  11        "  post  istam  add  uilam  /t 
recipient    II        "    islam    uitam  li       "st   non  est  uila  om  c       **  uitam 
«m  c        "  Tertia  autem  radix    sciJicet  ad  ipsam  uitam  aliam  scilicet  uitam 
ustendam  B  Tcrlia  autem  radice  ad  ipsam  aliam  scilicet  uilam  05lendeuda,m 


'*  erit  a        '"  quando  H 
»"  exiit  c       '*  ergo  /; 
aliud  c      "  inueniuntur  n 


'*  pn8.sihililas  li        "  ii^tarutii  B 


ergo 


"  ralion°  li        '"  GurtdiseuHH.i  hac  uiilelicet 


ti 


Guilelmu»  Pnrisiensis 


ergo',  nt  aliquid'  melius,  quam  babeat  uiU  isla,  electis  suis  et'  cuUoribUfl 
dens  prouideril';  et  hoc*  non  in  iiita  isla,  quoniam  nihil  melius  est  in  nita 
isla*,  quam  haheat  uita  isla'.  In  alia  igitur;  et  ila"  alia  esl  praeter  istam, 
saltem  animabus  bonorum.  Qtiare  et  animabus  malorum,  quoniam  si  nihil 
!>  deterius  praeparauit  deus  animabus  malorum,  quam  habest  uita  isla,  tunc 
non  solum  impune  malt  sunt,  sed  etiam  ad  rommodum  miuin  mali  sunt,  quitt 
teilicft  in  uita  ista  maiii»  bonis  lempurafibuit  iitiiittut'  et  a  multtH  mali»  tfm- 
poralibu»  liberantitr  procttraitt«  forum  nequitia.  Ergo  «i  non  nt  ntia  «iM, 
melius  est  maWa pro  propfia  ntquitia,  quod  quidem"  apud  nuUam  rationnUtu 

10  mentetH  susLinebtt  ac([uitas  diujna. 

Nunc  autem  ex  proprüs  immurtalilatem  eius  astruere  temptabimus. 
Primum  igilur  ordinabimus  radices",  qua»  a  phttosophis  acrepimus  ",  p.s 
Quaruni  una  haec  est  ". 

Umnis  »ubstantia,    cuius  operatio  non  pendet  ex  corpore,    neque  eiu» 

IS  essentia  peadet  ex  corpore.  Liberior  cnim  dcl>ct  esse  eäsenlia  quam  operatio. 
Cum  ergo  operatio  animae  humanae  ** ,  scÜicet  illnd  '* .  quo  brulis  antecelli- 
mus^  ut  est  operatio  tntellcclns,  non  pendeat  ex  corpore,  noquo  eius  essentin. 
Est  "  igitur '"  scparabilis  "  a  corpore  nnluraliter  et  uiuens  praeter  corpus. 

Amplius,    iuxta   eandem   rationem.    OmnlH  uirtus.   cuius  operatio  im* 

»)  petlilur '*  a  cor|>ore,  eius  esse  uel '"  essentia  non  pendet  ex  rorpore.  Palam 
autem  est  ulrtulem  inlellectiuam  huiusmodi  esse,  quia  quantu  niügid  corpori 
se  '^  miscuerit,  tantum  etus  intelltgere  erit  obscuiius  et  tardius  et  erroribus 
admixlius;  quanto  aulem  a  corpore  phis  se "  elongaucrit  et  abstraxerit, 
lanlo  erit  aculius,  clarius,  uelocius  "  et  ab  erroribusHberius.   Klongationem  " 

2<^  autem  apirhualem,  non  corporalem ,  hie  acceplmus,  et  approximalionem  si- 
militer,  quae  est  £olli<:itudo  et  amor  corporis  et  eorum ,  quae  corporis  sunt; 
de  quihus  manifestum  est,  quod  imuergunt  et  obscurnnl  inteUectum;  con- 
traria ueru  liberant  et  clariücant ;  et  istq»,  sunt  sicul  praesenlia  **  corporis  el 
altraclus  eius  apud  intelleclum.    Essentia  igitur'*  intelteclus  non  de|>«niJel  a 

30  corpore,  cum  eius  operatio  impediatur  ab  illo  "  et  per  illud. 

Amplius.    Si  essentia  iatellectus  pendet  ex  corpore,  oportet ,  ut  confor- 
laUo   eeqoatur   conrortationcin   el   debilitatio    dehilitationem.      Nos  autem  e 
contrario  totum  uidemus,  quia''  debililatio  corporis  est  insenectute,  et  uigor  p.  a 
niitutia    intellecliuae    tunc  maximus ,    el"  intelleclus  ex  omnibus  suis  modis 

SS  fortissimus;  ex  quo  manifeste  ^  apparet  uiflulem  intellectiuam  in  senectute 
iuuenescere. 

Amplius.    Omne  *^   mortale  sua  ipsa  duratione  paulatim  debilitatur  «t 


*  ante  ergo  add  hie  li  '  aliud  e  '  suis  scilicet  et  //  •  proui* 
dil  £  *  haec  M  *  isla  om  H  '  illa  n  iUa  malorum  p  *  ista  B 
'  quidam  n  '*  rationes  Bp  iudices  n  "  accepimus  a  philosuphis  B 
"  est  haec  li  "  humanae  om  It  *'  id  c  "  Est  tx  Gundismhino;  om 
Be.  —  Guilelmu»  in  hoc  nrgumento  muita  in  angiittlHm  corgit  '"  ergo  B 
"  fceparandum  B  "  ante  impedilur  add  non  p  '"  esse  uel  om  p  **  «e 
corpori  c  *'  se  plus  c  "  ante  uelocius  add  et  //  "  Longationem  Bn 
**  principia  n  impedimenta  p  **  ergo  B  **  alio  »  *^  ante  quia 
add  et  Bc       "  est  Ä       "  maaireate  om  D  "    *^  Esse  B 


De  ininiortaliüite  animoe. 


4» 


deficit,  doncc  ueniat  ad  derei-tum  ultimum .  qiii  est  mors.  Virlus  autem  in- 
tellecliuu  sua  ipsa  duralione  proflcit  et  inualescit ,  ut ,  quonlo  fuerit  * 
diuturnioi  et  unliquior ,  tanlo  siL '  ex  omnlbu«  modiit  suis  '  forlior.  Virtus 
iftitur*  intellecliua  immorlaMs  est,  et  jjtsam  non  solum  non  posfte  senescere 
durntione  aut  'trtitrwiioni  (tppropi}i quarr  ,  immo  iuuenescerc  el  a  defcclu  et  & 
morte  amplius  etongari  munifeslum  e^t.  In  quo  »imul  apparct  iliuersilas 
inter  uirtutein  animalem  et  uirtutem  intellectiuam ,  qtiuniam  uirtus  animalis, 
Unquam  |>endens  ex  corpore,  sequILur  d'rsposiliones  illius  —  quia  eo  con- 
fortato  conforiatur  el  ui^urato  uigoratur  cl  dcliilitalo  debilitatur  et  deficiente 
deficit,  el  eessant  operationes  animales  ex  lote  —,  uirlus  autcrn  intellectiua  ^^ 
e  contrario  se  h»l»el  Si  ({uis  autem  ubieceril,  quia  uirtus  inlellectiua  im* 
peditur  et  debililalur,  cum  impeditur  et*  debilitatur  corpus,  sicul  in  aegro* 
tantibus  aut  freneticis  et  melsDcholicis  et  quolibet  aUo  modo  mente  alienatis: 
respondemus ,  quia  aliud  est  iinpedimentuni  et  laesio  ,  aliud  fst  occupatio. 
Non  enim  dicimus^,  quod  uisus  uel  audilus  exterior  laedal  uet  impcdiat  in-  ^^ 
tellectum  ;  sed  occupdt  mentein  hunianam  re  uem ,  ul  hora  illa  non  uacel 
9.7  intellectiuae  operalioni,  quia  per  uisom  et  per  auditum  ad  forinseca  particti- 
laria '  abstrahitur",  Sic  est  et  in  lahoranlibus  huiusniodi  passinutbus. 
Passiones  *  huiu^tmodi  sunt  sii-ut  somnia '"  ttxa  "  ,  mlhaercnlia  propter  in- 
fectiones  inseimrabilea  aut  non  facile  fieparahile^.  <^)uemndmnduii)  igitur "  ^ 
somnia  nienlem  tenent  el  alligant  circa  phanlasniala  occupatam  ",  sie  istae 
alienationes ;  essentiam  '*  uirtutis  intellerliuae  non  laedunt ,  sed  Operationen! 
eius  occupalione  Impediunl.  Et  hoc  apparel^  quia  liberata  et  expurgata  uirtule 
Bnimali  penitus  ab'*^  huiusmndi  infectione  ulrtus  inteliectiua,  tanqunm  nihil  passa 
huius  laesionis,  ad  proprias  Operationen  roucrtitur  et  in  hifi  ipsis  tnrbalionibus  el  ^^ 
alienalionibus  ad  diuinaliones  et  diuinas  reuelationes  quodam  modo  uelut  a 
corpore  solula  et  expedita  erumpit  '^  Cerlum  autem  est ,  quia  diuinntionäs 
forljssitnae  ac  nobilissimae  operationes  uirtutis  intellectiuae  sunt,  dum  est  in 
corpore;  et  ad  illas  "  maxime  inualesrit  maximis  impedimenlis  et  laesioni- 
bus  corporum.  El  hacc  est  causa,  propter  quam  illuminnlio  siue  reuelatlo  ^ 
prophetiR  uix  aducnit,  nisi  cum  mflgna  debililale  cnqM>riR,  sirut  est  extasis  ; 
et  inde  est,  quod  extasim  raptuin  usu.s  nominal.  ManifRatuni  ex  his ,  quod 
nobilissima  operatio  ac  Torttssima  ulrtulia  intellecliuae,  quae  est  prophetta 
uel  reuelatio ,  lunc  '*  maxime  uiget,  cum  corpun  est  infirmisslmum,  sicut  in 
«Stasi  uel  raptu  palam  est.  Haec  autem  esi  ^*  eius  maxima  separatio  ",  dum  3S 
est  in  corpore.  In  omnimoda  igitur  separntiune  a  corpore ,  quae  mors  est, 
omnino  uiget. 


'  fieret  W  '  fit  fi  Hai  p  *  suis  modis  c  *  ergo  B  '  ante  et 
nüd  autem  n  '  diximus  p  ^  particularis  Bn,  am  p  ^  perlrahitur  p. 
cm  n  *  po$t  Passion€8  add  siquideni  p  '"  somniis  c  '■  tixae  fi.  Post 
fixa  add  ei  p  "  ergo  B  "  occupatum  't  '•  po^t  essentiam  add  Hund. 
ab    om  n         "  erumpel  c  "  illas  ex  Oundissalinu;    illa  Bc 


*'  tanc  om  B  el  tunc  « 
diitsalino;  operatio  Bc 


'*  Haec  autem  est  om  B       "  separatio  ex  Gun- 


44 


Oui]«linus  Parisiensia 


AniplJus.  In  *  omniitiodii*  sui  coniunclione,  quae  *  est  omnimoda  m1- 
lir-jtudo  eins'  ad  ipsunt  et  onininiri(1u.v  iimnr,  ahi^or^elui'  pmpriu  operalio'i 
u'irtutia  intellediuue.  A  rttnlrario  l^rilur  in  oinniinoüa  separatione  sui  a  cor* 
pore  conrorlabitiir  et  reuigurabUur.  Et  haec  separatio  in  morte  est,  *iel  po«t 
&  ipsam  e»f*.  ImpossiLilc  autem  est  uigorait  operationein  uiitutis  cum  lae- 
sione  pssptitiae  suae.  Nim  hipdiliir  ergo  ulla  rssenlia  '  uirltilis  intellccliuae 
tj  morte  corpüris.  Huius"  auteni  iiitlii-ia  niaiiifesla  sunt  in  raplu  et  eil^si 
el  somno  et  aegriludinthus,  quae  operantur  aliemitiuijes.  ut  <lixinms.  el*  in 
uicinitate  mortis,  ubi  picrumque  diuinalionea  el  uistones  ei  Tuturorum  prac- 

in  ilicliones  Tactaif '"  mot  tlulHlntuus,  Hatiunf  "  auleni  philoRupIiunliiini  "  et 
uerilntem  scrutari  quaerentiuiii  est  "  nun  Folum  prinripia  el  radices  ponere, 
sed  etiain  indicia  et  signa  "  ponere  '*. 

Alis  etinm  radix  apud  pbilosophus  inuenilur,  haer  scilicet. 

Omni»  sut)slanlia,  ciüus  foruia  non  est  conuptibjlis,  incoiruptihilis  e«t. 

15  Et  omnis  subslantia  inlelligenü  est  buiusmodi,  quoniam  solae  itubaUttifiet«^  i» 
i^ttibus  $uttt  formac  maleriales,  corruplibiles  sunt ;  nullnni '*  autem  forma- 
rum  materialiutii  liubet  ul  suani,  id  esl  natur<ilem  uel  e'?senlialcm,  quaecun- 
que  sub^tanlia  intelUgens.  Et  boc  est,  quoniam  huiiismorli  Bubstnntia  " 
omnium  formnram  simililudines  reitpil;  quemoibnodiim  m-ulus  nuMuni  habet 

20  CO  I  crem  in  ulla  purte  sui,  uhi '''  ojnnium  colortini  sirnilitudinf«!  recipil,  el 
gnetus  nulluni  sa|>ureni,  ubi  '^  oijinium  saporuni  simililudineg  recipil.  Alio- 
quin  nee  l«le,  nee  ille  suorum  sensalorum  simibludines  **  reciperel"  neque 
ab  Ulis  e^set  passibiFis,  cum  athum  ab  atbo  passibde  non  ait,  neque  similitu- 
dinem  eius  ullu  mtnlo  ualeal  recipere.  Si  enim  illam  reciperct,  duac  albedines**  i 

is  inuenirentur  in  eadpra  superHcie,  tum  impressio  nlboiiinis  non  posMil"  essenisi 
albedo.  Quia  igilur'*  suta  forma  iuat:«riali}<  est  corruptibilis"',  el  illam  non 
polest  habere  naturalem  aul  "  essentialem  *^  subslantia**  intelligens.  mani- 
festum est  subslanliara  intelligentem  incomiplibilem  '"  esse,  cum  eius  Torma 
substantialis  incorruplibilis'"  sIt.    Et  hoc"  tanquam  rcrto  et  probalo ulunlur, 

30  quia  omnem  generationem  et  corruplionem  omnemque  eonifliclum  contrario* 
rum  in  materia  et  circa  maleriam  "  esse  "*  certis.<^imum  esl,  quoniam  in  im* 
malerialibus  **  non  esl  conlrarietas  et  ideo  neque  confliclns;  et  propter  hoc 
neque  generalio"  neque  corruplio  ,  quoniam  B<^n<^Tatio  el  corruplio  ex  ron- 
flictu    conlrariorum  '^   est   ubiquc  inuicem  agentiuin  el  patienlium  :    et  quia 


'  ante  In  add  Sed  w  mW  ^'i  p  '  pesi  omnimoda  ifdii  cnim  Ti 
•  ante  quae  add  scilicet  B  *  esl  u  et  p  ^  operatiune  »  *  OuudiitM- 
tinus:  uel  potius  mors  ipsa  *  GundissalinuB:  ullo  modo  essentia  '  Huius 
raodi  p  *  et  om  fi  '"  fictas  B  *'  Gundisjtftlimut:  Werle  "  prophe- 
tantiuro^  "  est  om  c  **  bigna  et  indicia  B  "  npurlet  p  '"  nutla  m 
"  post  substanlia  ndd  iiilellectus  fic  *"  nisi  /l  '"  nisi  /tn  nisi  qntid  p 
••  recipit.  AUoquin  .  .  .  similitudines  om  B  *'  reeipiet  p  "  albedines 
Gund.;  om  Br  '"  possil  c  **  ergo  "  esl  cnrruplibilis  om  Bn  ^  au- 
lern  fi,  om  p  "  esse  naturalem  Bn,  om  p  '"  subslantiam  p  ^  incor- 
ponilem  Fin  ^  incorpnralis/?         *'  hacc  ii         •*  et  circa  maleriam  om  p 

"  pitsi    esse    add  et    Bn  **  matcrialibus  « 

••  contrario  /i 


'*  neque  generatio  om  p 


De  immorlalilntc  aiiimae. 


45 


actiones   huiusitXMJi    cmnee   et   passiones   per   contaclum   sudL     ConUclurn 
nutem  in  solis  nialerinlihus  et  in   suUs  roiTuptibilibus  esse  neces»  est. 

Qxiod  s\  quis  quneml  <ie  animn  anitnali  siue  '  brutnij,  an  immaterlnlis * 
rurnia  et  ipKa  sit ,  nporlet  reäpon<lere,  quia  nifiterialiuiD  formarum  duae  sunl 
maneries*:  nna,  quoR  lolulUcr  iiinJUtur  cl  inruuibit  materiae*  soae  et  noo  5 
regit  ncque  sustinet  eam  ullo  nioJo  ,  sed  suslinetur  ab  ea.  et  haec  est  forma 
proprio  rorpuralis;  tilia/cui  puliuB  intiitilur  sua  malerJa  et  sustJnetur  el 
regilur   ah  ea.     Veruiiilatnen    nun    est  opcratio    liuius   formue   nisi    in  ma- 

p.ioteiia  sua  et  per  eam;  et  ideo  apparet,  quod  eius  essentia  eitra  tnatcnam 
suam  oliosa  ef^-t  et  inut)[i.f'''^Hoc  igilur '  modo  forma  maleri»]is  est  aniiiia  iv 
bruUÜH  et  uegelaliiia',  hör  e^t  ez  maleria  sua  dependens ,  et  quantuiu  ad 
fsse  et  quarituii)  nü.upnurl,  et  cum  desliuciione  »uae  maleriae  destruclibilis, 
sicut  liquor,  i,ui  nermilur  in  ua^e,  deslruilur  de^trut-lione  iiasla,  et  ignis  in 
Ugnis;  licet  tsloe  dt'-ftiniiles  sial  inullum  sjmiüludines  ei*,  prupter  quod 
ioducuntur.  is 

Animn  eliam  huiu^mudi  nun  est  ret-efjllbilis  rumianim  materialium 
omnium  ,  qunninin  non  4Nt  susceptihihs  uniuerMaHum  et  turle  propn'e  nee 
sensil'ilium.  Ae^timatiira  «niin  uiilua  ,  quae  prucul  dubio  in  Uuiusmodi 
anin.a  est,  forte  propiie  nullum  nisi  sensJbilem  recipit.  ,  Proprio  * '  diximna 
quia  nullum  prnpiium*  uidelur  aeslimahüe  t>rutiü ,  nisi  sensibile  nocumcn- fio 
tum  aut  cuninifHlujh  ,  rircu  qüae  du4>  uirtu»  ae^^tiiiiatina  brutorunt  maxime 
uersalur. 

Sed  qualiter  certum'  faciunt ,  quod"*  in  immaterialibus  "  non  sit  im- 
inaterialis  eorruplio,  cuni  passioiies  et  ijnlures  imiuateriales  inueniaiilur  apud 
i|*ia  *',  sirut  im,  inuidia^  L>diuni,  erubesrentiii  "  rl  olia,  quae  omnia  '*  noii  es 
solum  pufsioncs  et  dolores  sunt  ^  sed  ctjam  Lürmenla  ^rauifsima?  Si  autem 
apud  illft  "^  inucniiintur  dolores  et  tormenlu,  quomodo  non  defeclus  et  mors? 
(Qualiter  uulem'"  erit  doltti  "  et  tormenttim  sine  laesjcine?  Hi  autem  latfsio 
ibi  est,  erit  uenire  ad  def^lum",  quuniam  L-ausa,quae  magis  dulere  faciet ", 
magis  laedet.  Quia  igitur""  quantumlibel**  conlingif  causam  doloris  au*  so 
geri,  finita  autem  uidetur  ad  patiendum  omnis  uirtus ,  quae  est"  laesibilis: 
erit  igitar*'  nenire'^  ad  extremum  laesionis ;  boc  autem  est  defeclus 
et  mora. 

In  quo  dit-imus ,   quod  dolor  aequiuoce  dicitur.     Vno  modo  dolere  di- 

p.ii  cilur  uutneralus"',  aliü'^  modo  Jamniüeatus;    et  allerius  motii  unitas"  est*"  35 
inier  amatoreni  et  nmalum,    et    inler  partes   continuj.     Si    autem    unitaa 


'  uel  c        *  immatcriplis  Gundistdlinu»;   inalerinli»  lic        '  malerles  a 
*  nalurue  U        "  ergo  f{      "  ei  Hund.;  om  bc       ^  rroprium  «  "  proprie  p 

*cerlum  Gunil.;  om  Be  '*  cum  B  "  immaterialibus  Qund.;  materialibus  lic 
"  ipüBm  Hc  "  et  erubescentia  a  '*  quae  oumia  om  n ,  omnia  om  p 
"■   illaui    c  *•  ttg    enim  '^  defectus   et  dolor  lic  "  effeclum  n 

'•  facil  B  "  ergo  B  »'  primum  liiet  H  "  rontinget  li  "  est  om 
Bn  ^  ergo  B  "  antt  uenire  add  necesse  est  /j  **  »/i/e  uuloeratu^ 
add  uel  c       ''  aut  n  aot  alio  p       "  ueritas  B        *"  est  om  c 


4»; 


GuiMmus  Parisieash 


aequiuoca  slue  ligatio,  erit  et*  Jiuisio  ae<iuiuni'a.  (^uulieus  enim  unum  op- 
positorum ,  totiens  el  allerum  neccsse  esl  dici.  Siitiiliter  autem  el  laesio 
aequiuoi-«  liinc  et  inde  dicitur;  et*  altera  e»sentialis,  et  altera  non.  AUcr' 
eDtm  in  esdenlia  sua  laeditur,  alter*  non,    se«l,    ut  usualiter  ilicitur\    in  re 

5  suii  foriDseca.  Et  inde  esl,  quod^,  qucmadmudum  ipsa  rei  laesio  uel  de* 
structio  nan  atlingit  essenliam  possessorJs,  sie  licque  laesio  liuiusmodi;  et 
ideu  ncque  dcrecluiii  neque  taeäionem  essentialieer  indueit.  Noa  autom  In 
sequenlibus  raeiemus  eciri  ^,  quia  nulla*  ufFecliu  seu  passiu  Iiuiu9mu<ji  *  de- 
fecLioncm  es.<enlialeni  per  se  inducere  potesl.    Quod  ideo  diclmus,  quia  niliU 

10  prohibct  in  aniinu  aniinuli  passioiieni  huiusmodi  adeo  ueliementem '"  fieri,  ut 
inde  sequatur  murs  rnrporis  el  ex  consetiuenli  derertiu  anrmae  brutaüs;  quod 
et  de  bumana  similller  accideret,  tti  eins  e^sentia  ab  essenlia  sui  corporia 
depcnderet.  Nunc  ergo  in  tantuni  liic  sil "  dclcrniinatum,  dünec  ad  olia, 
quae  diximus,  ueniamus. 

15  £t "  liaec  fluidem  fere  umuta  a  philosoptiisuccepimus,  ab  Aristotele 

el  eius  sequ;)cibu9.  Hadices  autem  et  probatione^  Piatonis  praeterimus  ", 
quiiniam  nec-  lldetn  inlelligentihus  de  immortnlKate  aniniai'uin  nostrarum 
r»ciunt  et  omnibu^  spei-iebus  anirnarurii  runiniunes  sunt  ",  ila  uL  etiniii  '^  in 
animani    brutalem   el  in  uegetabilern  exlendantur,    de  quifaus  manifestuq) '", 

fio  quiid    earuni  esi^e    post    i-orpora  et    extra   corfitira    oliusum    sit "  et  tirnnino 
iimtile.    Unine  uult^ni  uliuäuiii  et  inulÜe  nun  huIuiu  inuliliter  quaeritur,    sed 
eliam   dispendiosc .    quuni;ini    cum  dii^pendio  et  taclura  lempori.s '",    quo  resP>>* 
utiles  quaerendjte  sunt. 

Hedeamu»  autem   et  Uicamus,    quod  nullus  mulus  nalurae  naturaliler 

25  (rüsira  aut  ufine  est'*:  et  quia  omne,  quod  mouclur  naturaliler,  non  c^t  na- 
tural] iinptisüibilitate  piohibitum  a  fine,  ad  quem  inouelur — alioquin  rrustra 
el  uune  nioueretur  In  illum  — .  Dicamus  etiam ,  quod  molus  alü  sunt  cor- 
purnle^i,  alü  spjriluales  .  et  quia  limur  csV^  fuija  spiritunlis*';  et  bis  alle- 
stanlur  motus  cordis,  qai  «mnt  contraclio  et  exlcnsTo,  el  mtftuä  corporis  sen- 

;io»ibiles,  qui  sunt  1'uga  et  ins-culio  corporalis.  "Et  »i  qui»  dicere  uulueriU 
quod  umnis  motus  curporalJs  est,  quoniani  motus  esl  exilus  de  potentia  ad 
actum  conlinuu»  et  nun  subilu»",  ut  ait  Aristoleles,  et'-*  haec  deünitio 
non  coogruit  nisi  inotui  corpumli:  bomo  esl**  erroneus  et  tmbedllis 
impediens    s«   ipsum  ,   dum    renim  ueritatem  negligil  el  conlcnliunc  liligiosa 

35  nominuin   m   inuoluit.      Nds   anlem   non   intendinius    bic   per    inulum    nisi 


'  et  erit  n,  eril  om  p        »et  om  p        •  Altera  Guml.        *  altera  Gund. 
*■  dicitur  Uuud.;  dicatur  //«;  "  quod  «m  lin        ^  scire  p         *  nulla  om  c 

"  in  huiusmodi  a  ^">  uehen.enler  c        "  sil  hie  c;  hoc  sil  Ound.        »'  Gl 

om  B  '■  pnelereamus  B  '•  sunt  conimnnes  p,  sunt  om  »  "  eÜam 
ut  Bc  **  est  aäd  e  "  alt  om  c  '•  diapendio  lemporis  el  iaclura  B; 
lemporbi  om  c  '•  est  om  «  "  el  i?c  *'  supple  ex  Gund.:  et  spes  in- 
secutin  spiritualis,  quae  utrlxi  ettttm  in  Gunditcsaiitti  codiee  F  oMis0a  auHt 
"  subilus  addidi  ex  Gundiimatino;  om  lin;  el  non  subilus  otn  p  "  el 
/iddidi  tJT  Gund.  ihniuit  eliam  Gundissalini  cod^  P.  haec  auleui  p  **  hw- 
ino  euim  Bn;  bic  est  p 


i)e  inimortalitale  animue. 


47 


dispoüilionem,  quae  per  »e  uia  est.  acquirendi  aliquid';  et  ratio'  baec  con- 
uenit  eis  umnibus .  quae  norolnauimus.  Timor  enim  per  se  uia  est  acqui- 
rcnJi  eua$iünern,  et  Jesiderium  uia  est  serundum  se  acquircnJi  desideratum. 
SimJliter  fuga,  »iue  »pirituuli»  slue  i'orjtorulis,  Uta  eai  ]>er  <fe'  acquirendi  ef- 
fu^ium;  et  In&erutiu  est  uia*  acquirendi  assecutionem  ^.  Et  quaniain  acqui-  & 
ruDlur  spirituulia  ul  corporalia.  Deresse  esU  ul  similitcr.  iuxta  quod  eis  con- 
gruit,  sint  niae*  acquirendi  en  aequisitionihus  suis,  quae  uiae  cessanl  elf* 
aL-iiuiäiti.'t,  siirut  in  ucquisilioiiu  corpornlium. 

p.13  Reuertamur  aulcin  ad  id,  in  quo  cranius,  et  dicainua,  quoniam  omnis 

fuga  naturalis  est  ad  euasionem  naturiiüter  posaihüeni  ^ ,  et  umnis  inüccutio  i<* 
simililer;  el  omoe  naturaliter  desideratum  est*  naluraliter  acquiri  <*  possi- 
bile '**.  Aliuquin  natura  fruslra  indidisset  fauiusmodi  dcsiderium,  quoniam 
otiosum  essül  et  enoneuni;  et  ila  natura  erraret  in  lii»,  quae  per  ae  "  et'' 
naluraliter  tantum  "  uperatur,  quoniam  omois  motus  et  omnis  intentio''  sine 
ttue  est  error.  15 

'  Ilis  igitur'^  duabus  radicibus  posilis  conslderemus  '°  propria  denideria 
animae  huiiiaiiat:.  »ec-unduui  üt  quod  est  huniana,  et''  liabel  nobile  etse ,  iu 
quo  excellil  »nitiKiin  LrulakuK  El  uidemus,  quod  de»ideriutn  est  ei  uerae 
el  integrae  felteilatis  el  fuga  uer;ie  niiseriae,  hoc  "  est  timor  ilÜus  et  odium. 
Vidc '"  ttutem,  iie'*'  malus  nniniae  animaÜs  el  animarum",  quae  slullitia"» 
innalunili  et  aduenlicia  iani  oblirutuerunl",  cogite»,  cum'*  de  8olis  natura* 
libus  dtsposilionibus  nniniao  huinanue  secundum  id,  qumi  liabol  nobilius 
atque  subltuiju.«,  Uic  inUndamus.  Quaerauius'\  an  ^il  buic  parli  nobili'*'  fe* 
licitos  propria.  an"  non.  Cum  enim  pars  animalU  »iua  gaudia ,  suas  über- 
tnles "  sunmjue  socurildite» ''*  sunmque  oppositam  omnimodo"  miserloni  äi 
habeat",  auL^*  p.ir8  illa  nobili^  habcl  simiÜter  congi'uent(;m  »ibi  miseriam  el 
felicilatcui ,  aut  non.  Si  nun,  ergo  nun  crunl  ^tpiritutilia  i;aiuUa  (-eteraiiue 
bona    sublimia.     Et    boc "    non  ^    nisi  puerilis  ruditas  el  brulaüs   irrationa- 

p-i*btas'*    possunt    delirnre,  quoniam  in    maioribus  et  nobilioribus  magis  coo- 
gruit  esse  quam  in-"  minoribus  et  ignuiiilluribus,  el  spirilualibuti  quatn  "  cor-  so 
puralibu.s.   Crit  ellam  secundum  hoc  "^  miseru^  pani  illa*"  nobÜior  et*'  nullü 
modo  beatificabihs,   quia  nulla*'  uirlus  «■.</  beatillcabilis  aul  perfecUbilis  nisi 


*  aliud  c;  out  B  *  ratio  Qund. :  ideo  Bc  '  per  sh;  esL  ^  *  uia 
eal  ii  *"  asseculionem  Gund.;  insecutionem  /in  inseeutum  p  *  aut  uiae  B 
habennt  uias  c  '  naturaliter  po3:äibilem  om  B  *  eät  am  p  *  acquircre  n 
'"  possibile  on\  B  "  pc  1«  adäidi  txGuHd.  **  ea  p  '*  lanlum  fj^GuHd.; 
runi  B  tauien  c  '*  poat  rtitentio  ttdd  et  B  "  ergo  B  *"  coDsideramus  B 
"  elj  hoc  est  secundum  id  quod  (»und.  **  hie  Jin  binc  p  '*  Inde  c 
""nee  p  "  naturarum  B  "  slulti  B  "  »bbruiuerunt  Guud.;  obtuauerunt 
Bu  obduruerunt  /*  "  cum  Ound,;  autem  Bn  autein  quo<l  p  '*  et  quae- 
ranius  p;  Quaeramus  ergo  Gund.  *"  nohili  om  li  '*  aul  c  "  liber- 
tatcs  Gurtd.  '-'  reliiutates  B  *^  omnimode  B  omnino  p  "*  bat>et  a 
"  autem  B  ut  n;   om  p  "  hir  B  iu   hoc  p  **  pott  nun  add  est  Bn 

**  irrationabilitas  c       **  in  om  n        *^  ante  quam  add  magis  p        "  haec  c 
**  miseria/i      ***  pars  illaj  perfecta  c      "  enim  p      **  quia  enim  non  nuUa  B 


48 


Guilelnius  Fari^^iensis 


ex  propriis.  Haie  antem  secandum  hoc'  non  »aal  liona  propria,  quoaiam 
nnn  sunt  »iitritualia  ei  nobilital«ni'  eius  derentin.  Ex  hi»  aut«m  ,  quae  ani- 
mali  paiit  congruuat,  imposKÜHle  e!<l  nliam'  uirlulem  relirilah,  quoniam 
neque  gaudium  siue*  üelicin^  nisi  in*^  conuenienlibus,  neque  quies  Disi  ia 
&  nne  ronupiiienti-,  neque  p«rfei:tiu  ex  alienis,  cum  perfei-lio  eorum  tanlum*, 
quae"  puleritialiter  sunt  apud  perretiibileiii,  aequisUio  sit.  Hoc  ettam  eonlra 
sensum  et  txpeiientiam  noslram  e<t .  quoniam  de  corpomlibus  erudiÜ**  et" 
sapientes  non  t'Qut^^nt  neque  ex  eis  9e  felicitari  omnino  "  exislimnnl,  immo 
{mtius  ea  d^clinuht,    rontemnunt",  ut  uilia,  et  fugiuni,    ut  noxia  **  et  suae 

10  feltcitatis  impediliuu. 

Yeruui,  quoniam  de  istis  philosophi  morales  nos  expediuerunt ,  et  a 
sensu  accepinius  illa.  tpiae  bomi  uoeant  insipien^r  insiptonle«'^,  anialores 
et'*  poEsessores  suos  miseros"  eftivere  aut  miseriam  eorum  augere:  nolumus 
immorari  diuttus  in  declanttione  huiusnioJi,    hac'*  una  decleratione .    quan- 

15  tum'"  ad  Instuns  proposltum  pertinet,  conteuti,  uidelieet,  quia  •"  poaseasores" 
renim^  istarum  rorporulium  aut  amant  eas,  aut  non  amant.  Si  non,  pa- 
lam,  quoniam  uneri  et  afnictioni  fiunt  eis,  nulli  gaudio;  et  ita*^  non  soluni 
non  addunl  felicltati  eorum,  ««d  detrahunt.  Si  ueru  amant  ca'*,  |>er  amorem 
igilur  eis"'  uniti**  el  alligati  sunt,  et  propter  hoc  oneri"  paseionuni,  quibusp  i5 

CO  tlln  subiacf'nt.  obnoxü.  Amans  eoim  el  amatum  propter  istain  amons  unio- 
nem  necessario  sie  se"  habeiit,  quoniara  amalo  ipso**  patiente  necessario 
coinpatitur  amans .  si  ad  ipsum  passio  i>cr  apprehensiunem  peruenerit. 
Hanc  autem  comhiunioncm  ,  paasionum  scÜicet,  ipsiinel '^  umatured  rerum 
buiusmodi   usu  sermonum  suorum  tristissi*nio  "  t-onßtentur,   dicentes  se  de- 

ss  truütus ,  udnlbilalus ,  degrandiinitos ,  uastiilut*,  exustos ,  i-um  res  honim 
alit|uid  passae '*  fueniiit  Palam  igilur  est",  quoiriani  res  liuismudi  tut  mi- 
serits  aniatores  snos  subiciunt,  quot**  paitslonibus  tpsae  obnoxiae  sunL  Si 
autem  gaudia  et  alta  commo'la  ■*  **  *;  lanlum  adderent  felicllali,  quantum  mi- 
seriae"    et  e  conuerso.    Idem  ergo  est,    ac  si  non  adderelur,   quantum  ad 

80  Dlnimque.     Cum    igilur"  plura  et    maiora    «Dt    incommoda,     palam    esl» 


'  bnee  r         *  nobilitati  c         'in  alium  n         *  »ine  tt         ^  delitiae  p 
"    in   addidi  ex  Hund,;   om   Bc  "*  conueaienlibus   lic;    corr.   ex    Gund. 

*  tum  K  om  r  *  quo  c  '*  enidili  add  ex  Gnnd,',  im  Bc  "  et  om  B 
"  omnino  Gund.',  animo  Be  '*  et  eontemnunl  B  "  ut  uitia  et  noxia  B 
"    insipieiites  ex  Ound.;  aisitantes  B  saptenles  c         '"  amatores  esse  et  B; 


"    ml- 

"  qui  p 

"  eas  p 

**  esse  p 

"  posse  B 


et     etiam      Gundisstdhii     ctd.     M    f.xhibet;     omittuni      relüjui 

serrimos  p         '^  nc  B  '"  quam  nunc  Jhi  quantum  nunc  p 

■'  pi>«t  possessores  add  sunt  Be         "  rerum  om  Bn  ^  ideo  c 

**    eis    ow    ;/  "    iuncli    r  "  oneri  GutttL;   umnium  Bc 

*  ipso  amato  B       **  ipsemet  m        '*  (risti^simr  n  trilissimo  p 

■•  ergo  ff        **  qiiot]  quot  et  quibus  B  quos  et  quot  n        "  f.ficunarx  Gun- 

Moiiuo  explenda  est:   quaeipei    ab    illis    spenint,    tot  el  tanla  essent.    quot 

quaota  ista  ini-ommoda :  (quae  tiertta  propter  honioteleulon  praeter migt'i  sunt) 

mte  miseriae  add  /'r:  ad  utrumque.    Cum  Igilur  (ergo  rl  plura  (palam  B) 

nnaJora   stnl    incommoda,    el  inrniiimoda  ista  adilunt ,    quae  urrha  ex  e!$ 

(de  in$equuntur  hnc  Htuttt  estto  manifestum  est        *'•  ergo  B 


De  immortalitate  animae. 


4d 


quoniani  mtseme  taulum  situpticiter  luldunt  et  non  felicitali.  filanirestum 
etiam ,  <{uod  appticatio  ad  inferinrii  et  ignobilia  ilesrensio  '  eal  al  depr«s»io. 
non  eleualio;  cL  qunniam  per  modnm  amori»  est,  qui  «st  subJectio  spoa- 
Unea.  et  eeraituB,  ut  ipsa  sit  delerioralio  eorum  quae  sie  applicantur  igno- 
bililius  et  inferioribuü  so.  Omnis  enim  admixtio  elon^tio  est  ab  aller«»  ex-  5 
Iremorum  ';  et  ideo  admixliü  ista''  spiritualis,  tjuae  nun  nm  amur  est,  elon- 
giitiu  est  indubJtanter  a  nobüitate  et  bontlate  et  appropinqualio  nd  ullimum 
uiliteitis  et  depressiunis  *  et  ita  iniseriae\ 

Et  quoniam  de  his  alias  locuti  sumna  et  »aepe  loqueinar*,  ponamus 
ea,  quae  lectpit  omnis  sanus  intollectus,  et  Hicamus.  quoniam  sensus  habet  '  lo 
V*  i<  sensata  sua,  quornm  c-nniunt-tione  illuminatur,  perKcitur«  delectatiii''*,  et  ge-« 
neraliler  omnis  nirtus  animalis:  simülter  necesse  est,  ut  uirtu»  ista  spiri* 
(ualis  babeat  approhonsibilia  sua"  et"'  ronuentvntin  nobllia",  qnorum  appre< 
henainne  illuminetur,  [lerftciatur,  deJectelür'^  SJ  enini  ignobilioribujt  nalu- 
roliter'^  de  huiusmodi  prouisum  est'*,  quanto  magis  nobiliora  non  negligit  ia 
natura'^?    Nun  igilur  '"  absque  illumtnaliuis  et ''  df>]rH:tatiui5  rclicla  sunt* 

Amplins.  Omne  nobile  magis  natum  est  appitcari  Dobiliuribus  quam 
ignobilioribu.H  '".  Quod  si  hacc  uirlus  noo  est  nata  appücarl  nisi  ignobllibus 
jstis  tenipüralibu9  et  eadu^-is,  nmnino  non  erit  nobllis*'^,  quoniam  nihil  est 
rreatuin  propier  ignobiliu^  aul  uilius  ^e.  (Vrtuni  aiitem  est,  qu<Ml  oinnTa  ^ 
haec  uiliora  sunt*"  el  ignobiliora,  Noo  ergo"  est  propter  haec";  et"  ideo 
noo  erit  nata  (»erflci  per  ca. 

Amplius.  Qund  est**  nobilius ,  et  eius  perfeetio  nobtilnr:  el  quod 
sublimiu»,  et  eius  perFectio  subüniior;  et  quod  npriluale,  et ''^  eius  perfeetio 
»piritualis;    et   quod  seorsum  a  t-orpore,  el  eius  perfeetio  seorsum  erit  a  cor-  ** 


pore.' 


ita  srilicel,  ut*'  eius  uperatio  neque  üil per coqms neque pendens 


ex  corpore:  similiter  erit  eius  perfeetio  oeque  per  corpus  neijue  pendena  ex 
corpore,  quare  eius  perfeetio  erit  abslracta  a  corpore,  el  non  ex  corpore 
aeque  per  corpus  neque  pendens  oninino  ex  corpore. 

AmpliuB  Bios*"  propria  opcralio  in  sftparaltnne  a  corpiirc  el  non  ex  *> 
corpore  inualescit ,  i^ii'Ut  apparet  in  raptu  et  nxtasi.  Inuatescentia  autem 
operalK)nis,  si  est  ultima,  e»t  perfeetio  ipsius  uirtutls ;  si  autem  non  est 
P-  )7  ulüma,  est  apprnpinquatio  ad  perfeftionern.  Quare  manifestum  e»t,  i|uoDiam 
separutio  a  corpore  aut  approxtinal  earn  perfectioni ,  aul  inducit  in  ipsam 
peifectionem :    et  ita   nita    est  ei  non  aolum  seorsum  a  corpore,    »ed  etiam  ^ 


'  diseensio  B  •  extremo  p  '  lila  e  *  (Jeprebensioais  H  *  el 
illa  iniseria  ft  '  loquamnr  u  '  rum  sonsus  habeat  Gund.  "  et  de* 
ieclatur  c  '  habeat  upprehensibilia  sua  addidi  ex  GundissaUno;  om  Bc 
'»  et  oM  p         '*  conuenientibus  nobilibus  />  '•  illuminetur.  perficletur  et 

delecXeiur  B.  illuminatur  delettetur  c        »'  natura  B         '*  prouidit  B,  om  n 
I»  natura   om  B       '■  crKu  B       "  el  qMüH  w  Ound.;  om  lU-.         '*  ignobi- 
.                      "  nobilis   Ound.;    naturalis    Bc  *^  sunt  om  B  *'  igitur  e 

JiDU-f  ^,   . ,,;,:„„  ^  ■*    ei  om  p  "  est  om  e  »»  est  B 


sf    liaec   add  ignobiliora  c 
/'*'    Js  ex  Gundhsalino:   Cum  i 
SHpJ^  II  ^,,  ul  add  si  c        "  Cuius  13 

SH  ^  ,r    Q     Baiuir,  aondUsaJinus. 


''  ^•"'*  .     .-  Gundhsalino:   Cum  igitur  isU  uirtus  et  incorporahs  et  seorsum 


ß*iU-*^* 


JX.  &    Bfllo*. 


fi4)  Guiletiitus  Parisieosis 

|K*rr«cUo,  quae  est  gloria  uniuscuiusque  uirtults:  ullima ,  sP  ipsa  p^ecUo 
ulliiim  eül,  niiiinr  et  altmus  ordinis,  si  perfecüo  minor  quam  oltima  fuerit 
-    ^ii(h)  untnii  supra  incepimuH,  nunc  pruaequamur. 

'   Diciunus  ergo,   quod   liuir   uirtuti    nobili   e»l  nuLurale  desiHerJum  sibi 

ft  cOD^ruentis'  «t  propriae  relicilaliü  et  naturalis  fuga  suae  infelicitaLis  el  mi- 
Mi-iae,  hoc  est'  naturale  odiiim  et  ^  limor  naturalis,  (Juia  ergo  nll  frustra. 
nit  uUuHe  dtt  his .  quae  n.iluraliter  sunt,  frustra  aulem  et  otiose  sunt  iati 
oiuliiit,  n\  initHj^.-4ihi)iä  est  naturaliler'  isla  euasio.  et  si  impossibilis'^  asse- 
cutio    feliritalia  eins:   necessa  ei^   c-st  euasionem  a  sua  mlseria  el  asBOCU- 

10  tioneiu  »uue  felli'italiä  caac  possibilem  huic  uirtuli  uobtU.  Haec  autem  *  ai 
(tfronnis  non  fiirril ,  nun  erit  relicilas,  neque  a  niiserin  uera^  immunitas. 
Quicquiü  euini  mortj  olinoxium,  beatom  "  non  e!<t,  eo  ip^^o  '"  niiserutn,  quod 
vxtroniae  miseriae  obnoxium.  rereanilas  autem  non  potesl  esse  pars  fe- 
lii'ilali»"    Istius,    quoniam    est"    impossibÜe  dna  cantnirta  communicare  in 

ift  (»arle.     Se«l  neque    efTet-tus  potest  esse  huiusmodi  felieitatis  uerae  ac  nobilia, 
quouiHiii.  Hl  bor  esset,  non  pei(tiianerel) '^  •  •  •  u 
,  •  •  •  ignobilioru    in   omni  subiecto  sunt  '*  propter  priniripalia '"  el  no-  p.t6J 

biliora.     Quantum    igilur  "   ad    ea,    quae  uiteü  nnimales  liabeul  ex  corpoi«,    P- ** 
*  *  *  "  quia"    radices  ipsae*"  pendcnt  ex  esaenlia  ipsius  animae  uelut  radii 

so  proten^i  ex  lumino^jitate  ipt-iu».  [psa  uero  nun  dt-bet  p^ndere  ^x  coq>are 
pri^pler  Hua  »eL-unilaria  et  ignobilitmi,  cum  illa,  in  quantuni  pendenL  ex  cor- 
pore, non  Bint  ei  essentialia  ,  immo  tanluin  secundtiiii  radices  ludicandi. 
Conuenientiüs  autem  est,  ul  ca.  quao  principaliora  .sunt  el  nohiliura,  Irabanl 
ud  t'orlitudinem  »uant  secundaria  et  ignnbiliom.  quam  ut  illa"  Irabant  e;i"  e 

18  contrario  "  ad  infiniiationem  **  suain-  Et  ideo'^  eunueniens  «/,  ul  radü  ae- 
quantur  Iweni,  et  effectus  generaüter  causam,  non  ut  "^  Iralial  *^  illam  ad 
«8  et  poat  se".  Haer  igilur"'  omni»  diximus,  ut  esset  clarior  iotcllectus 
nonter  de  lioc,  quod  dicimu»<,  uiies  «nimales  pendere  ex  lorpore  et  va&e  car- 
rnptibiles    iuxta    inlellectum  phtlosophorum  '".     Apparet  ergo  anirnum  huma- 

mt  nam    metliani   esse   inter  animas  animales  et  sub^tantias  an|telicas  spolialas 


■  sed   p         '  eongruia    ft   congruen»   c         *  enl  om  ti»         *  est  m 

»  naturalis  fi         ■  impossibilis  esl  B         '  enim  n         •  n*  (».  e.  natuiOf  an 

nuturae,  ut  duHtHiiitatiHi  cod.  Pf]  ti  *  bouum  c        '"  pMt  ip^o  adä  et  p 

*'  tnfelicitutis  ik         "  est  om  c         '"  per  /In  essenl  />        '*  (fuiMini  texlu» 

in   prima  s^lnba  urrhi  permuneret  (Gutidixäalin.  p.  17  v.  23)  drsinit ,  ft  ata- 

tim  ad  Ountl.  p.  2,%  v.  'M.    ignobiliora   w  ctinuniit.     Quar   omiMa   tiunf,    ru 

IHOf'wfl  *^  J***^f*  r«/Va  /»   M-ftU  proferuntur.    Quam  confuaionem,  quam  ip»i 

GmiMmo   tnOurutiatH    f«t«    rir  putaurtim  ,    edilor    Vrnetua  rum  non  prrspicr- 

i«f.    $uiB  conitctui'in  unborum  neritm  aliquum  srd  initptam  reatituere  eonutus 

«I        '^  sunt  om  ;i        **  pi-incj|ialiura  ii        ■'  ergo  It        *"  Suppie  ex  Guh' 

'imüiino:    ia  tantnin   pcndeut   ex   corp(jre;  quantuni    uero  ad  radices  iudi- 

andi ,    noD    peudcnt    ex  corpore ,     qua*  propter  homoiHfulon   exfidtruttt 

'  quia  om  p       ^  ipsi  B       "  iuta  tt       "  ea]  nobiliora  p        "  e  contrario 

iund.;  y  (pro  J")  H  setundo  n  secundaria  p         '*  tet/.  infirmitalem  (Gund.) 

*  Uund.:  omnino         "  ut  non  //        »'  Irabant  p        •'et  post  ae]sieOuHd. 

QtH  et  fl  se  Um,  om  et  posl  te  p        *  ergo  Ii       "*  philoäophicui»  li 


De  iminortaliUte  nninia«. 


61 


tt'ipMBB^    Kt  ide<),    ut  tlixiinuK,    necesäario  in  dispositionibus  mortati- 
tatls  et  iromoilalitatis  media  est  mediatione,  c(uam  delenniDauimiis. 

Aniplius.     Destructibile    aon    deslruitur  nisi   uno    illorum    muUorum: 
nidelicet  aut  per  diuisionein  formue  Kuae  a  muteria  sua  —  quod  non  potest 
esse  aisi  auL  forma  manente,  stcul  punimus  in  honiiae,  qui  in  niorte,  quae  '   5 
est  diuisio  formae  a  materia,  id  est  animae  a  L'orpure,    ita  deslruitur  *  •  *  ■, 

P-  ^  id  quod  deslruitur*  diuisione  forma«  a  maleria,  forma  ipsa  (teslrncta,  quae 
destnicliu  proprie  uocalur  corruplio  ~;  aut  destruitur  diuisioixe  partium 
suarum  intej^riilium ,  sicut  domus,  cum  partes  eius  ab  innicem  sepanintur; 
aut  destruitur  destructa  sustinenti«*  essentia'';  aut  deslruitur  subtractione  lo 
cau^ae  suae ,  sicut  si  dissipHtu  utre  uinum  ileÜcial  et  corpore  deslructo  ea, 
quae  in  eo  sunt,  destruantur",  aut  sole  sublalo  destrualur''  dies;  et  hoc* 
duobus  modis:  aut  erit  '  ei  causa,  aut  erit  deferens,  ut  maleria  formae,  U> 
qoori  uqs. 

Quod  si  quifl  dixerit,  quia  est  et  qutnlu«  modus  deslrurtionls ,  scilicet  lA 
proprium  delertus,  ut  aenium  uel  jiiitrefaii:lift:  *  •  • '*  mJ  "  nulliun  <|uattiior 
modorum  ducerent  **,  nullo  modo  destruerent  ".  Salualis  enim  coniuactione 
formae  ad  maleriam  et  integritate  nlque  coniuncltone  *^  partium,  salua 
cau*<ae  "^  praewntin  ,  salua  etiam  eswnlin  sustinentis ,  necessario  »«alua  est  "^ 
res.  Ccrlum  autcm  est,  quod  Senium  ducit  ad  diuisionem  animae  et  oor- 9» 
pnris,  et  putrefaclio  diuisio  est  formiie  a  materia  et  dei>tructia  ipsius  formae. 
Si  uero  dixerit.  quod  quaedam  pereunt  per  defectnm  sui'\  necettfie  habet  d^ 
termtnare  modum  defeclionis '^  Si  enini '**  omne,  quod  perit,  non  peril  *** 
niai   ex    debilitate    essentiae  suae,    quia"  sciticel^'  debile  est  iu  se  et  Inßr- 

p.  M   luum  ad  pennanendum  prrjtf'tuf.  pnlani  est  omne  rauaatum  "  esse  huiusmodi  Ä5 
inflrmnm    ac   debile    etjnualidum  ud  permancn'ium,  quantum  in  codem  est: 
Wo«'*  igitw^^  n'e^  est,  quod"  nihil**  permanebit  eorum  ,   qua«  sunt,    cum 
illa    causa    non    existendi  **  in    omnibus    inueniatur.     Nos  autem  uideroui" 


'  spiritales  n  *  quod  fin  '  Suppl*  ex  Hundt'aitaliHO  hure,   quae 

propttr-  homotelriitoH  eseiderunt:  quod  raanet  eius  forma,  hoc  ent  auiuia  ipsa 
secundum  quod  nas  poninms;  aut  destruitur  *    Vevba    id  quod  destruitur 

am  p;  jtoat   destruitur   add  aut  Be  °  aut  destruitur  deslrucla  sustinentis 

essenlia  om  li  *  deslruuntur  H  '  deslruitur  '  Tertii  et  quarti  Modi 
dt»tntetionis  explicativf  t^uae  hie  addilur,  a  GuiMmo  in  vi-lum  coftecta  ts(,  ittt 
ut,  quo  spectet,  non  faciU  diiudicari  poasil.  Quod  eo  ircrj/i»  accidit  cum  aerha, 
quilius  OumliimtUnu»  huttf  locum  exorditur  (hoc  est  duobus  modis  deKtruitur 
aliquid  destrurtiune  alterius)  a  GuUtlmo  iuepte  in  iUud  et  hoc  dunbu-S  modis 
eontraharituf  f  quod  ad  ta  aoia  quae  proxima  sunt  (t.  e.  ad  quarlum  inoduM 
liestructionigj  pfrtinere  uidrlur.  "  exüt  fi  '"  Snpple  rx  Gundissalinu; 

nihil  dicit,  quia  si  senlum  et  putrefactio  (hoMoUieutoH)  "  qui  ad  /}  si  ad  ;> 
*•  reducitur  //  '*  destrueretur  H  '*  atque  coniunctione  Guiid.;  ad- 
iuDCtione /f  coniunctione  n  et  coniunctione  ;;  "  Sftiva  causae]salvatione /i 
'•  et  H  "  Hie  nonHulta  owisaa  **  deiectionis  n  '•  uero  p  *■*  perÜt  « 
^  OundütB.:  qua  "  si  //«,  ow  p  •*  Ciundm.:  rreatum  •*  Gundis».:  Si 
tgitur  sequitur   unum    quodque  inlirmilalem  istam,  nihil  etc.  *^  ergo  B 

"  sicut  B  »'  quoniiim  p,  um  B  "  nÜ  »  *•  extendi  w;  leg.  permanendi 
«2  Oundita.        "*  uidebimus  r 

4  • 


fiS  Guilelmus  Parisiensis 

mulla    permanere  et  quaedHrn  aliia  diulius,   quaedam  ueloclus  pnrire.    Quue 
igitur  erit  causa  iu  huc,  nitii  quiu  prup'nn  ilebilitus  nihil  eoruin,    quiie  hudL, 
per   se   ilcstruit,    nUi   adiuuelur  uliqua  muijoruin  ,    quos  noniioauimus ,    aut 
impediaLur  contrariis  eoruni? 
s  Hestat   ergo    aolits    inquJrenduin,    an    altquis  dicUirum  iiiodonini  non* 

grnere  *  possit  animae  humanai-,  secundurii  '  quüd  tie  vu.  hU:  iiiquirintus. 

Et  priniu  quldeiii  tnoilo  iiiuiiire^ttiin  e>t,  qunniam  ipsa  eM  pur»  forma 
et  substaiitia  iniiimteriata -'*  et  incompuüiU  in»e*  buiusmodi  coiiipo»ilii>ne, 
qnae  ex  niateria  el  fontia  est". 

10  Aul"   forte  qiiis  hie'  dical,    qund  ex  materia  et  rorma.    hlcinins"  la- 

nien  *  fortnani  eins  innuTuptihlleni '"  esse  ",  iiuin  non  eKl  ei  auilrariuin,  per 
quod  rorrumpatur,  neque  diuisiuuni,  |>er  quod  dmjdatur '-',  neque  susliiiens, 
cuiua  Aublrai-lione  destrualiir.  Forma  eniin  utrtutis  intcilecüuue  non  pulesl 
habere  conlrarium.      *  »  •  ts  niai"  esset  receplibilis  formae  aua«  conlrariae 

|S  neque'^  sitnililudinis  illius.  sicul  albedo  nun  esL  receplibilis  ni^ediiiis  neqiie 
simililu  linift   iltiuä,   neque   rolunttn  inediorum.    Quuniam  mm  potesL  intelll-   ><■  ?*J 
gere   aliquid  ,    ni&i    ifutid  ipsamet**'  »it ,    stuf  tipud  ipsani  aul  ipsutn  aul  eiu^ 
simititudu:  patel  ",  quod  non  fii '"  intel]i(;ere  contrarium  ;    quare  nee  li;ibere. 
Oniiie  enini,    qaod  est  e  reglone '*  illi'",  inlelligibile  est  ei  naturaliler,   cum 

»1  et  multo  itinirira*'  et  subliiiiiora  sint  ei  ^'  intelligibilia.  Traeterea  islud  non -^ 
ponil  nUi  iiLsamcl",  quod  habeat  contrarium.  et  ila  ipsam^l  ponit''^  quod'" 
non  est  ei"  inlelligibile.  I*ositio '"  haec  tUdaratia  iton  est,  setl  deliralio,  et 
idco  non  est  coaLm  islam  dispuLandum  amplius;  neque  poni  etiam  polest, 
quod  non  polest  inlelligi. 

SS  Aiiiptiuä.    Sicut    uisus   Hullaiii  habel   cunlruriani  ex  forniis  uiaibiUbus, 

ila  intellectus  nullam  ex  inleJb^Mbilibus ;  et  in  hoc  nun  oportet  nos  aliquani 
probat  ionem  adducere,  quoniam  eadem  pronius  rnlio  rjti  in  ulrisque  Non 
est  igitur''^  destruclibllis  per  diuisionem  formae  a  materia,  cum  forma  eius 
conlrarium  habere  non  possil,  sed  sil '"  al  onmes  forniai^  inlelligibiles  *•*•' 

80  Quare  sicut  illa  "  incorriiptüjilis  corrupticuie  (-»n-ponili,  ila  et  baec  "  cor* 
mpttone  spirituaU;  •  •  •  "*  cum  ad  eain  propler  sui  subltniitatem  curporalis 
corruptio    non   possit    atlingere.     8i  enim  "   hylen*"  corporum  non  attirigit 


'  congme  n  *  licet  Bh,  om  p  'et  substantia  immaterialaOuiri/.; 
et  acientia  inaleriata  fin  maleriae  immixla  Cex  conhctura)  p  *  in  se 
Gutta.;  se    om  lin    (std  cf.  "),    tu    se  om  p  *  est]  in  se  Hh  •  Al  /i 

^  om  a         "  ante  dicimus  add  ad  quod  p         °  tum  n,  om  p  '"  incorrup- 

tionem  He  "  esseOund  ;  com  /tiam  c  '*  diuidilur  ü  ^^  Supplr ex  Gmid. r 
Si  eniui  liab€rel  contrarium  '*  Uff.  non  "  uel  p  "  ipsametj  ipsam- 
que    ipsnmctque  Ü  "  ante  patet  aJd  ergo  p  '••  sit  h  '"  e  regionc 

Gand. ;  raUone  ftc  '"  ita  Be  "  posi  maiora  add  sint  li        "  ante  ei 

add  et  He  **  om  p  ^  nisi  ipsainct  Gund.;  ipsam  fie  "  artU  ponit 
add  ei  c  *"  quid  c  "  est  ei  Gund,;  esse  lic  "  poslliuo  n  po^itiue  ;i 
*•  ergo  li  "•  sie  ß  "'  Supple  ejr  Ound. :  quemadroodum  hyle  ad  omncs 
uisibile»         "  illa  Gund,;  om  He  "  Ita  et  haec  GuHd.;  el  ideo  ex  li  el 

ideo  liic  »  ita  hie  p  **  Supple  ex  Gund,;  et  propter  hoc  mallo  fortia^ 
comiptione  corporatt        ^  om  B         *•  yle  //  ylon  « 


De  JmniortfllitaU  animae. 


68 


1iuiusmix3i  corniptio ,  niuUo  minus,   quod  supra  ipsam  «st.  —  Videlui'  uutcm 
pi'opter    hoc  intelleclus  Jnintelligibilis  ',    si  se  habet'   tiij  foriniis  otniies  cot- 

p*  M  poraics  et  gptriLiiales  in  nusceptihiljtate  r>l  separahiltUte,  sicul '  hyle  atl  cor- 
porales,  i7<i  inttüfctm  ad  apiritualcs;  et  sicut  uisuü  iouisibilis,  sie  inlellectuf! 
inintelligibilis*.         *  .% 

Quü(]  si  quis  quaerat ,  «jualiter  uisus  corruptibilis'  esL  u  uisihilibua: 
r«s|]om)emiiK ,  qnuriinm  iii^us  tmriiioni»  c»{ ,  iiuKUlutii  ad  instrumenluin 
suum*^:  prupter  quufJ  neces^e  e>-l  iUuin  üeälrui  deslructione  tllius ,  in  qu^n 
tarn  pendel  nh  ilto,  Inslrumentutti  '  aulent^  uisus  desLruitur  ab  cxrcdenti- 
bu»  liarrnoniani  sxiam  ,  Ihk:  e^'t  a  uelietirnnLer  iiisihHibus  E  contrarir>  aufem  lo 
habet  se  in  intellectu,  quoniam  inlellectus  non  habet  paitem  ileterminiiLam 
m  corpore,  quae  äit  ins^LrumentuiiL  ipsius.  et  eonfürlatur  el  inuitlescit  ex 
uehemenier  inte1lit,'rtiilil>us.  Forma  uulem  intelligibills.  q.iue  actione  sua  de- 
»Irueret*  intellec-luAi,  qualiter  agerel  in  i|>sum,  nisi  5«iini)ituilinem  suam  eJdem 
imprimemb)  et  itluhi  »ibi  .isstiriilamlo  ?  Hoc''  autcin  quantu  HinptiuH  tär4>re  15 
poaiet "  ,  lanti»  esset  intelÜgibiltur ,  el  jmjpler  hoc  tuoto  iiwiuM  i-onforU*iua ; 
el  ila  per  aiam  istam  non  solam  non  deätruitur,  seü  etium  conCorlatur 

Ampliuä  (Juanlo  aliquid  est  niagis  intelligibite,  lanlo  est''  magia 
potens'*''  ugere  in"  intellertuni  el  niagis  asisimilare  eum  '*  sibi ,  sJue  unire 
tibi'*;  et  hoc  est  imJicium"  certurn  "  ueheiiientiae  aclionis  el  lorliludinis  so 
uirtiili.s  ngentis.  .scilicel  uetiementia  passionis  "*,  ciiiua  perfectio  etil  ulUma 
assimilatio ''^  ad  agens.  Et  ideo  quanlo  maiov  fuerit"  a»9imtlalio  ",  tanto 
erit  uebementior  nclio  et  forüor^'  uiitus  agens  super  passiim  ".  Quare  ma- 
nifestum est  iiehcmenlius  inl^'lhglbilia  uehemcntioris  et  furtioris  aclionis 
ei^se"    in  int^-llfftiini  *^     ilmue  iiuteni .   qiioil  a  ueliersienlliis  aKenlihus  laedi  2& 

p  31  non  polesl,  mujiu  furtjus  a  tiiinus  el  debiliu^'*  ugentibus.  IJuiit  ergo  n.b  in- 
telUgibilibus^",  quantiimcunque  uehementia  sunt,  confortalur  uirtiis  Intel- 
tellecliua,  a  nuüo  caiii  '''  laedi  poese  ^  per  actionem  manifestum  est'-  ;  riiai 
forte  quiä  da-al,  quod  laesionc  insluimenli  sui ,  sicut  uisus  laedi  polest^'  a 
non  uisibilibtis,  sie  inl^lU-i-lus  a  non  iulclli^JbLllbus^'.  Ijuot)  martifeslum  est  w 
esM '*  faI.iUHi.  tum  (jiiiu  inlellectus  inslrumentuiii  non  habet  in  corpore,  tum 
qaia,  i{uod  non  est  intelligibile,  non  hat)el  fotmam,  neque  est  forma;  omniti 
auleni  actio  ex  forma:  el  ideo  esl"^  impossibile,  ut  a>;at  id,  quod  non  eal 
intelligibile. 


'  inlelligibili&  /i»        '  habet  om  n        *  post  sicut  mld  enim  p       *  in- 
lelligibilis  /Sit  '  incorruptibilis  "  "^  ffi«  quaedam  omium  '  instru- 

stnimento  c  ■   aut   //c         "  deslmel  n  '"*  Haec  c         "  potent  He 

'"  om  c  "  polest  c  om  ii  '•  in  om  litt  "  euin  a^similare  li  "  si 
/?  "  raHicium  Ü  '"  cerlae  p  '"  pa^^sionls  addidi  ex  Gund.;  om  Be 
'•    similalio    c  *'    fuit    c  "  similalio  p  *'  post  fortior  add  el  fic 

**  leg,  paüsiuum  (<ittnd.)  "  esse  om  n,   ease  aclioni»  p  '"  inlelleclu  c 

•'  debihbus  c  •*  inteUigenLibus  m  '■'  ea<lem  p  "°  |>olest  p  "  ma- 
nifestum est  om  c  "  attie  polest  add  non  Bn  ^'  a  non  intelligibilibiisj 
ab  intelligibilibus  Bn        "■*  esse  Gund.;  om  Bc        ^  om  e 


M  GuÜeltnus  Fariüieiuis  ^   .- 

Qnod  81  diierit  quis,  quod  *  ioteltectus  omaina  non  est  rorma ,  el  ideo 
impoMtfaiki  est  ipauni  u^'ere:  rettponOemus ,  (juod  iDtellecLus  in  se  ipso, 
io  etae  suo  et  Id  spec'ie  sua,  forma  est.  Sicul  hiitnor  rry^tallinus  aul  spiri- 
lus  utsibilia  in  esse  suo  rnrniatum^  est,  et  taiiicn  ad  lucem  et  cclureui  quo- 
t  danimudo  materiale:  er-  intellettus  ail  oiiinin  intdligiliilia,  quae  sunt  extra 
»e.  Neque  agil,  in  quuntum  est  maleriale,  liuc  modo,  sei  licet "  ex  essenlia 
jiaa,  aut  *  |>er  tonnaiii,  cuiti  ilhiiri  Fuerit  uenatus;  et  e»t  per  illam  sical  arti- 
fez  MUt "  sigilluin,  qim  fort^  sii^Mllülur''  nialerta '  arliflcü. 

Quod    autem    neque    diuisione    partium  iolegralium  *' deslruclitiilis  sit. 

i*>  lade"   manifcs^tuni   c-.ni ,    quod '''    inlellectiis  ex  n<icessitAte  cäl  *'  impartibilis. 
Hoc  autem  sie  t'ertuiii  rariiiiu».    Si  enini  partihiiLs  esuel,  non  pateretur  totus 
simul,  sed  ftars  pust  partetn,  qu:isi  pars  intellecti  introirel"  apud  intelleelum    |..  nz 
pusl    partem ,    et    non   tütum  sitnul.    Ex  hoc  sequitur  continuam  et  {urtihile 
coDÜDue  ei  per  parte»  solummodo  intelligi  po3«e  et  partem   in  parte  temporis, 

Ift  tolam  in  tolo.  et  inlelllKt^ati^m  sequi '^  in"  intelliKendo  tempus  *'  Lraa&ttus 
sylUbarum  el  elementorum ,  »l  intcUigcre '"  in  transitu  continuo'^  et  non 
subito;  cuius  conlrarinnv  unuKi|uisque  intolli^nliuru  sentit  in  se  ipsu. 

Amplius.     Intelleclus    sentit  ae  totum  intelligere,    quotienscunque  in- 
telligit,   nunquam  autem  |>artem  sui  intelligere  et  partem  non  '*.    Quia  ergo 

to  istud  est  apud  eutn  et '^  in  eo.  ei  soli  de  hoc  crodendum  est  Sicul  enim 
inlelligil  unufi  intellecluH,  ita  et  omnis;  et  ideo  idem  erit  modus  inte]l)geu>fi^* 
a[iud  umnes,  sicut  mo^lus  uidendi  *'  idem  ettt  apud  omneü".  Quod  igitur" 
nouit  intellectus  unus"  apud  su  de  modu  iutelliifcniU ,  et  umnes  intelleclus 
inuenire    apud  se  nece&st!  est.    Audire  aulem -^  continue,   sed"  subito  ^^  in- 

t^  telligei'e ,   nmncs    intelligenter    inlendentes  *"   inueniunl*^     Sed  ^  subito  in* 
telligcre  —  cum    intelligere   non    sit,    nisi  pei-   immutationeni  intellcctus 
si"  inteüectu!»  parliblli» "'  est  et"  conlinuus,  tmpo»äibile  est,  *  *  cuDtinuum 
subito    immulari;   et  hoc  alibi  declaralum  osl*".    Hestat  igitur "  intetiectum 
iropartibilem  ""  esse  et  incoiilinuum  ,    el  ideo  diuiöiont;  partium"  indcstructi- 

w  bilem*",  cum  partes  eiusmodi^"  non  habeat. 


'  quis  quod]   quia   quod    litt    tjuia  p  '  ante  Tormataro  add  quid  p 

•  sed  /i  *  Uff.  sed,    cum  Oundiasaiini  codicibus  CA"  '  a»l  p;    leg.  per 

"  sigillat  e  '  matcriam  p  "  integrahilium  p  ^  indej  tarnen  n,  om  p 
"*  anfe  quod  add  ex  eo  p  "  om  c  "  Inlmiretj  in  toto  neque  li  "in- 
telligentem sequi]  lutelligente  enim  sc  qui  ß  '*  in  (iund.;  otn  Bc 
"  tempus  Ound.;  om  Hc  '•  intelligentiae  fi  ^'  continue  Uc  '"  lUc 
quardam  omi»aa  sunt  *'  om  Bc  "*  eril  itiodus  intelMgendi  om  e 
"  uidendi  Qund.;  uolendt  Hc  *'  sicul  modus  uolendi  idem  est  apud  omnes  um  r 
"  ergo  li  "*  unius  c  "  Audire  autem|  Quare  non  c  '"  scillcel  It 
"  po«r  subito  add  aul  B.  add  est  c  ''^  ponl  intendentes  add  eliam  Bc 
(Gvnd.:  in  hoc  intendentes)  **  ueniunt  /l  •**  se  tr  •'  pcat  si  add 
Xktro  p  "  parlibilis  Gttnd.;  parlicularis  Bc  "  ei  om  Be  **  Senteif 
(iamm  ordo  omiMts  nonnutiis  Gnndiaaalini  nerbin  aliqwantum  pfrturlmtua 
t9t  "•  ei-go  B  "•  poBt  irapartibilem  add  parlicularem  Bc  ■'  jmtt 
pertjuin  add  eai  p       ■■  indeslruclibilis  Bc       "  eiusmodi  om  e 


De  imninrtnlitatc  »nimae- 


Rß 


Muniresluni  esl  iffitur '  ialelleclum  oninihua  niodis  desIruclioBis  esne 
indeftrurtibilem.  Nun  euim  post-ihile  eM^  alii]iit>l"  dt^slrui  .  nisi  diuJsione 
'•  1  forniae  a  mnteria  *  aul  diuiäjune  parliuin  inlegralluiii  aul  deslrurliune  de- 
rerenlis  el  sustenlanHs.  quos  mo<Ioa  iani  reniouimus,  aul  subLractione  rausae 
«fficientis,  qui^  esl  ultimus  modus,  sicul  dt^ätruitur  dies  subtracliune  s6\\b  & 
et  curpiiN  sulilracliütie  aniiitae.  Hoc  auLiMn  in  miinia  humaiia  cuiUiiigere 
iinpossiblle  est.  Manifestum  cnim  est,  (juia  natura*  ronliniia '  esl  |>rlrmie 
cauaae  aut  eius  nmtinuo*.  Qu4m1  imle  apparet,  quod  operaLioncü  primae 
rausae  vontinue  influuot  super  naturaÜa  et  super  omne  ,  quod*  natura  prae- 
purauit :  et  csl '"  imjK>ssibilc,  quod  praeparalä  m.-iterjä  a  natura  non  in- lo 
fluat"  aut  Ulla''  aut  altera  lorma  a  priuia  causa;  et  quod  est  iiiaiufl'*': 
»emini  praeparalo '*  anima  iieces^rin  infunditur.  Hoc '^  est  i^ilur '*  mani- 
fe5tum '^  indtcium  "  contrnuitalis  siue  colltgiitioniä  naturae  ad  primani  cau- 
8ani.  (Mligalio  autem  non  eji^t  ntsi  ex  proprinquitate;  et  quae  prnpinquiora, 
cidem  necessariu  colligatiora  ■".  (Juantn  enim  \\}äsi  nalurl  .nuporior.  tan-  l& 
to  supreniu  propinquior'**.  quam  natura "".  (Juia  igilur  ordinatae  vunl  in- 
fluxiODM  illius  seeundum  nnlinem  propiniiuilatum  ad  ips^m ",  neceMurio 
matores  et  magis  continuae  sunt  in  ca ,  ({uae  prnpinquiora  RunI  primae 
rausae,  quam  in  *■*  temotiora;  el  si  non  possunt  cessare".  quantum  ad  re- 
P  •*  niutinra  ■",  muUo  minus  tftntrtltim  "'  ad  '•'  propinquioni '".  Et  ideo  fluxus  uthie  20 
et  alJae  natumles  innuxiunes  multo  forlius  in  animani  rationalem  incessa- 
blies  et  continui.  quam  in  naturam".  Palam  igitur**  est  animam  rationa- 
lem ifllo  ultimo  modo  iion  poRse  rnori. 

Quod  si  quis  dixcrit,  quod  consequens  est  ex  hoc,    ul"  anima  sensi- 
bilis    sit  ^    immortalis    et    inderertibilis.    noä  "*    iam  respondimus"  al  haec  IS 
in    bis "",    quae    praecesscni nl ,    ulii    diximus,    <|uwl    ipsa    pendet  secundum 
umnes  uires  suas  a.  corpore;  et  haec  est  causa .  prnpler  quam  morilur  moi'te 
corporis. 

Non    morilur   ergo  neqae  deßcit  ex    defectu    dcnuxionis"^   uilae"'  in 
itlam  *•  a  primo  et  uniuersali  fnnle  uilae.  30 

Iam    ergo   pruhibuimu!^    ab  anima  i-»t)onuli  »erundum  id ,    quud  habet 
sublime,  nobile  ac  diuinum,  omnes  raodos  corruptionis  ac  defectus.  «  •  •'• 


*  erg(>  B        '  om  L*        '  aliquod  e       *  a.  maleriajnmpliusc       *  quae 
a  "  naluraliter  r  '  ronlinuus  //         "  rontinualiu  11        '  om^ia  quaec 

"    om   c  "    influalur    Bc  '-    uitam    Ji  ''*  ebl  maiusj  magis  est  B 

**  seniini    praeparata    rt    nam    scmipraeparnta  p  '*   Hie   n  '"  ergo  // 

"  medium  Bc  '*  imliciuin  dunii  ;  um  Bc         "*  coIügaLoria  fi        *"  Gun- 

äittntini    uerba  in  anijuntum  co«git  "  quam  natura  um  p  *-  ipsas  Bc 

**  om  B  **  cessarc  Gund.;  om  Bc        ^*  remotiora]  te  Bn  propinqulora  p 

^  om  1}  '^  ad|  el  Bh  **  remotiora  p  ="  naluraiiij  naturalem  uel  natu- 
.rem  lic  *"  ei^o  B  "  quod  //  ■*  pmt  »it  aM  »ijiiul  c  "  ante  nos 
add  sed  Bc  ^  respoiiüimus  iam  B  ^*  l^tis  B  "  ianuxionis  c 
■'  pM<  uilae  add  suae  B  "  illa  «  "  Ouiletmi  lextw  hie  desinit  in  uer- 
bis  Gund.  p,  34,13,    i^Hae  apud  Guudiwalinum  insr^uunJur,  p,60tq.Ugitntur. 


56 


Goilelmus  Parisiensis 


I 


Amplius.  Vita  uirtulis  iDteHectiuae  el  uiuere  eius  in  efTeclu  non  est  p-  i".' 
aisi  inlelligere  rt«u  in  efTectu ;  et  boc  non  est  ei  p«r  corpus  neque  pendens 
es  corpore',  quin  |H)liai  ex  rasu  corporis  ehgitur  el  üehltiUte  ronfurUitur 
et  derectione  eiuä  i>erticitar ,  »icut  apparet  in  exlasj  el  raptu.  Vita  igjtur 
&«ua  huic  airtuti  Dobili  esl  —  inmo*  uilap  suae*  perfectio  ~  praeter  corpus 
«t  Morsum  a  corpore. 

Aniplius.  Iste  rapliL«  et  isla  applicaüo  ad  nubüiora  et  atliora  intelligi- 
bUta  aut  est  uiolentus  aut  uoluntarius  huic  uirtuti  aut  nalni^is  aul  casuaJis. 
£t  casualeo)  qnidem  esse  *  iropossibÜe ,  qaoniam  istud  est  potissima  *  eius 
jo  perfeclto,  dum  e^^t  in  corpore,  et  quo"  mitxinie'  Illustrator  ac  re^tur  genus 
bnnuDutn.  Keoekiliunea  enim  diuinae  ac  proplieliae  maj^ime  ordinant  uttam 
huinanani,  et  omnis  ara  et  otnois*  sapientij  cedit  eis  atque  subiritar*.  Aut 
naturalis  est  applicatio  ad  res  nobiles  incürruptibilet« '".  Nihil  auteni  natu- 
ral« C6t  noxiom  aut^  tnorlirerurn  ei,  cui  est  nalurale.  SeoD^um  igitur"  fieri 
a  corpore  Mluüferuai  est  isti  uirtuti.  (dem  arcidil,  ei  ait  uulunlorium ". 
Omue  enim  uolituin  indubiUtnter  **  utile  esl  uotenti.  Violentum  '*  ease  nun  p  is 
polaet»  quo  generaliter  eousque  adJuuatiir  uirlos  haec '",  illustratur  atque  per- 
BciUir.    Omae  enim  uiolealUDi  impediliuum  "  el  nuxium  esl. 

AmpUus.  Manifestum  est  uirtntem  iatatn  nobilem  esse  duarum  facie- 
rum ,  quarum  altera  llluitiinHtur  a  rt^bus  sublimibus,  et  altera  illuminubUis 
eil  ab  inferionbu»,  ciirpumlibus  et  sensibilibus^  aut"*  eadem  uirtus  est  et 
eadtfni  facies,  :ied  liberum  est  ei  uertere  nc.  ad  quam  pnrlem  uoluerit,  et 
illuminari  uel  deplugi,  a  quibus/t'M  uoluerit  '\  Si  ttn(em  supenor  eat'*  no- 
bilior  eius  perfeL-tio  et  lumen  uobilius:  quanlo  plus  ad  id  se  uerlit,  tanto 
plus  et*'  copiosiufi  illuminatur.  r.ertum  autem  est,  quod  perrectio  illuminat 
ipsoiii  ease  el  elou^t  a  non-eäse.  Conuersio  igtlur"  ad  ea  quae  supra 
ipdam  sunt"*,  perfirit  uirtuleiii  islani  el  iUuminal.  Patel  ergo,  quod  sepa- 
ralur  a  corpore  el  a  **  eorpuraltbus  el  roniungil"  sr  **  spiriluaübus.  Palani 
igitur  '^  dcbet  esse,  quod  nun  solum  non  dependel  a  corjwre.  sed  obscuratur 
«j  et  impedilur"  eliam  applicalione  sui  ad  lllud  '*. 

Ainpliuü.    Cum  aliquid  fuerit  uehementer  sensibilc,  cerlum  est ,  quod,  p.  to 
poslquam  senütur,  relinquit  scnsum  debiliorem  ad  alia '"'  sentienda ;   et  cum 
gliqaid"  fuerit  ualde  Intelligibile ,  e  contrario  se  habet,  quia  relinquit  intel- 


u 


ao 


"ivar   hie   omiSBa   sunt,    etiatn    in  Gumiitsalini  rodicibiuf  CN  deaunt 
itJtiidi  r>x  üuHflisg.  '  suae  om  p  *  Et  cosualem  quidem  esse 

lut  casuale  qd'  n   esse  (omiggia  rcüquia}  B  tjuod  (omisaia  rdiqtiit)  p 
'nöleflU»»nin  H        "  1"o  ^m  p        '  post  maxinie  »itd  per  hnc/j        "  omnis 
■•«Hrf'**"'""  Codices  C'^         ■  eis  atque  subicitur  Gutta.;   eis  siue 
»   Ifff.    incorporales.    —    Apud  GuiidiMalinum    haec    et   com- 
f^   qwe    proxime    Inntquuntttr,    aliquantu    f'uirius  * '    uel    H 

tt  Uic  quoqKte  Gundigsiäifi  argumentum  iit  breuiua  contrahitur 
» |N>lf  Violentum  add  aulem  p        '•  hoc  /l  hie  «        '^  inipedi- 
«•  »Ol  t^Htid.;  et  bc        '*  noluerit  »        •"  superior  est]  a  superiori 
«9t   sui^erior   esl   Bn  "    et  ow  p  '*  ergo  //  "  est  c 

**  coniungitur  p         *•  se  omi  c         "  ergo  H       ""  im|)edit  n 
■•  illa  p        "  aliquod  p 


De  immortalitAte  animae. 


b1 


tectum  forlioreni  ad  alia  jnlelli|i;eiit)a.  *  *  *■  Impossibile  igitur  est'  laeJi 
essenlium  '  uirUitis*  ifwiiis  naliiÜN  ex  afipliratione  »ii;!  iid  ut!hemenler  inlet- 
litfibilia  ,  iminu  neccsae  e»l  eatii  ex  eoruin  coniuiicUone  u<Jiuiiari ,  et  lanto 
amplios  adiuuari,  quanlo  faerit  eias  ad  illa^  fortior  toniunctio  C^erluin 
autem  est,  qiiia  huiusmodi"  omiunclio  fortissima  separat  omninn  et  rapit  a  ^ 
sen^ihus  et  a  lor^jore ;  et  iilen  tiianil'eMitiin  est,  4]uud  '  id " .  i|uod  uirlutem 
ietam  saluut  naiuraliler  et  peißcit,  separat  eam  "  a  corpore.  Separatio  igi- 
tur'" a  corpore  :4equela  e^t  i>alutis  et  perft^ctionis  ijMius,  non  lausa  uel  oc 
CBSJo  deütructionls  Hlius  aul  laesionJs. 

Ainplius.    Manifestum   est   uirtutein    istam   iinn  habere  tmHtrumentum  tO 
operatiünis  suae  in  rorpore.     Licet  auteni  Ax  laoiiionr^  ropdiae  tcUulae  capitis 
operullo    uirtutiM    isliiis   impediri  aul  omnino  deslrui  uJdeatur,    tarnen  mani- 

p  81  fesluni  est,    sotam  operatiunem,    quae  illi  est  dcorBum,  iinpediri,    huc  e»t  ex 
parle  seDstbilium.    Est   enim  uelut  atter  Hber  eius  de^criptto  formarutD  sun- 
sihiliuiM  ,    quem    lihnim  ofTert  ei  uel  exhibel  imii^inatiirn.     Hus  igiliii' "  etim  is 
ahntraliere   et  spoliare  a  condicionibus '*  partirulurilms  non  puterll'^  prnpter 
Ittrbationent    aul    laesionem  mediae  ccKuluc.    in  quam  tranfteunl  "  a  uirtute 
imagJDatiua  ,   licet  '^  spoliatioreH  et.  abstrartiorea  '" ,    prohibebitur  uirlus  ista 
nobilis  "  ab  .ispcctu  et  lerlione '"  e.irurn  ;  et  hitc  est,  quoniain  media  eeUula, 
quae    per    uirtutein    imii^naliuam   debel    uelut  quidatn  '''  über  eius  lieri  |)er  20 
hujusnindi,  quam  dixinui»,  inscriplionern,  per  l»e.'^i(>neti) '^  iiJectionis  uel  uul- 
Qeris    non    est   idonea"    inscribi  ab   iniaginatiua    uirlute.     Quapropler  pr<)- 
hibetur  uirlus  iata  a  lectione";    et  sie  *'  prohibetur  ab  intellectu  et  a  mtio- 
cioatjone**  »enMibilium,   qune  per  aliam  uiam  non  ueniebant  nd  ipsam.    Sed 
Dumquid  prohibetur  a  leclione"^  suh ,  quae  desuper  est  illi,  et  a  lectinne  äua  sK^ 
in    libro   suu    nobiliori  ^'  et    ab    irra(iia*ione ,    quae  inest  ei"  a  iuce  prima, 
sine   a   luminihus  mediis,    quae  uocanlnr  angeli  sancti?    Gertum  est,    quod 
non;    et    hoc   euidenter  apjmret  in  nieluacholici»  at-gris  tt  frentthU,  qui  licet 
prohibiti   sinl    ralioi-inari^^  de  sensibilibu*i '^,    Lamen  de '^  subliinilms  multa 
uldenl    et    praedicnnt  lulura  quasi  Ji.uinantei:.     In  hoc  ergo  npparel  ahlalutn  ao 
eia   librum  ratiuois  in»cripluin  u  ^ea^^ibilibu^ '',    librum  uero  äuperiorem  no- 
bilem  inlerdum  eis  esse  expositum  et  apertum     Nun  enim  continuus  uidetur 

p.nesse"     cum     ralione    uel    intelligenlia    nostra.     sed   quaadoque    applicari, 


1  Om  Gund.  p.  IM,  4 — 14  t'uius  aulern  ...  et  perficiL  '  ergo  est  li 
«l  ipilur  c  '  miturutn  li  '  uirtute  B  ''  uliu  c  "  huiua  <•  '  om 
Ti        "  illud  Ji         "  om  a  '"  ergo  If        "  ergo  /*         "  condiclionibus  n 

'"  polerunt  n  "  tranKferunl  fSn  transferl  p  '*8<:ili»'et  r.  '^spoÜatores 
et  abstractores  Bc;  eorr.  «.c  dundissalini  codt'ce  M  "  nobit»  p  '"  Imo- 

stone  /y  '"  quidem  n  '"  per  attle  laesionem  o»i  H;  pwt  laesionem  add 
aulem  B  aut  «  '*  idoneuüt  Br ;  vart.  ex  (i  undijoalitto  "  a  lecLinne| 
altior  B  '*  et  sicj  e"  S  ^  ab  iiiteilei-tu  et  r3liocinalioDe(rii/f</. ;  intelligere 
et  (et  om  c)  a  ratione  Bc  '*  /^//.  illuminnttone  e,r  Gund.  '*  nobiliore  p 
"  ei  om  c  "  ratiooare  Bc  "  sensibus  B  '"  om  U  •'  geiisi* 
bu5  Bc  '*  uidetur  esse  Gund.;  est  B  esse  {omien  uidetur)  «  esse  po- 
lest/i 


58 


Guilelmus  Parisiensis 


auL  *  illum  inlellectiuae  uiriuti  nostra« ,  quandoque  uero  longe  Ben  ab  iUo. 
r.u'ius  n>i  ijuUI  cjiutHie  a\1,  dlspuUntluni '  et  rierlarandum  est  alias'.  Ex  quo 
manifeätum  eät,  i|uouiam  destructio  illiu»  parliK  nun  dratruil  urrtutum  islarii, 
itiius  imiUiiTD  parlis,  in  qua^  maxime  ui^cre  uidetur,  iü  est  mediae  cellulae 
5  capiliü  url  cerebri.  Hoboratur  aatem  Aoi;  pratdü'to  exemplo,  tjuia  frenetici 
arrepli  niarbo  txnic  diuinunl  rt  alio  temiwrc  non^. 

Am|»lius.  Omnis  essenüa  co  nalumlher  lendens  et  iht  naliiralHer 
quiescens,  quo  non  altingil  cormplio  uul  iriurs,  e^L  naturalitcr  incurruptitiilis 
et  immorialiii.    Omnu  enitii",   quuti  Daturatit«r  petilur.    imluralc  est  petenli. 

10  Si^    isla   uirtus   natural!  desiderio  pelat  *  locum,    quo*  neque  nttingit '*  cor- 
niptio  neque"  mors:    huiusmodo**  locus  uel  status  est  ei  naturalis  et  natu- 
raliler    debilus;   quare   est    iiumunis   a    morle '"    et  a  '*    comiplione.     Verbi 
gratia  ignis  in  luco  suu  ""  iiiiturali,  qui'"  est  i^oncuuilas  i-acli  lunariä ,  est  in 
curniptibihü '',  el  ho<:  est  de  conditione  loci  '".     Oninis  euim  lucus  sub  caelo  I 

lA  lunari  est  locus  generatlonis  et  curruptioais ,  quoDiam  est  locus  cuoflirtus '*. 
Ijuia  ergo  locus  uel  staius  imtnatcrialiuni  separatuntm  scorsum  loiige  est'** 
a  inulu  et  niutatlune  ,  i|i]oniani  a  iiiateri»  et  apjteiifiiciis  *'  materiau,  palain 
istarn  uirtuletn  esse  ualurBliter  iiiiniuDciii  n  curruptione  et  liberani  a  niurte» 
quia  omney  quod  mouetur  hie  inferiujt^  »ubiaeet  eotruptioni**. 

SO  Quüd    t>i  quis  iticat  ,    ijuod  aniiiia  liumaim  ualuraliter  niouetur  ati  cor- 

pus, aequiuoce  liicit  hör.  Nun  enmi  "  muuetur  ail  aliquid",  ul  in  eo  quiescnt, 
uel  at  ab  eo  pcrticialur,  ^d  |h>Ilus  ,  ul  ipsuni  perEiciat  ipsa  eo(|ue''  utalur 
atl  acquireiidH»  äilii  aliquas  ex  perteclionihus  suis  secundis,  in  quo  adiuua- 
tur**  ab  iDstiumcntis  el   ab   ipsis  senslhus '\    Non  sie  autem  intelligimuä 

£&  niiimani  liunianam  luouori  in  suum  sursum  an  **  nobile ,  immo  ad  locani 
suae  pe^^e1;liunii^  uUiiiiae  atque  *"  ad  statuni  suum  nobiltssimum.  Absit  enitn 
ah  anijiia  humaua  secundutu  illaui  uirtuteru  suatn  sublimem  '"  vX  nobilein, 
ut  quieäcere  quaeral  in  sen^ibilibus*'  aut  perRci  ab  eis,  sicul  oec  c  coa- 
uerso  ^^  uirlus  "  inFerior,  animaÜ!«  scilicet  aut  terrenaÜs,  qune  est  uirtus  eius  I 

so  inßnia,  quaerit"  quiescere  aut  perfici  in  subltiLiibus"^.  Non  lamen  neganius 
aJiquatenus  adiuuari  ad  inquisitiunein  quarundam  scieuliarum "'  et  ntullo- 
nun  operalorum  *\  ' 


'  aut  om  c.  Locvn  t:orruptu8  e^t,  ut  ex  eis  guae  tie  Uundissalini  codi' 
cum  lecUonibue  p.  2'J  ad  r.  /  afferuntur  eognosci  poteat  '  poat  disputandum 
add  sie  B  ■  aliae  om  r.  *  quam  B  *  (iundissalini  »enlentias  in  bre- 
niu*  contrarit  Guilelmu»,  urrbis  aliquantutn  mntatia  "  Omne  eniin]  omne  n 
el  iimne  p  '  Sed  r.  Po«l  Si  (iuttdigiuilinua  hubtt  igitur  ueruni  est  quthl 
"  petil  c        "  i|ueru  p         '"  atlingi  H  atliiigcrc  c  "  siue  Hc        "  liulus 


"  corruplibilis  Bn 


ergo  p       '^  niüte  «      '*  a  om  Ü      "  sui  n      **  qua«  « 

*"  Haec  f'uaiua  apud  GundissaÜnum  '"  Hie  quoque  tjuaedam  omis«a  •■  om 
B  "  appeiuliliune  lic  "  Midtum  amputauit  "  e» im  non  B  "  Gund.: 
jllud  "  eoque  Ound.  eo  /^  eu  quod  c  **  &di\ixkaniur  (itt  dundiiisatiHi  eodices 
PM\)  *'    l<9-  senaibilibua.   cum  cod.  MCS  **  ci  B         •'  uidelioct  c 

"  sublimem  suam  Ji  "  sensibilibus  (iund.;  seoslbus  fic  "  e9*  (k  <. 
e  contrario)  li  **  uirtus  esi  B;  an  cum  Gundisaalino  legendum  uirtus  eius? 
**  antt  quaerit  add  non  p  "  Hie  quaedam  oitiiiua  **  quarum  tarn  scien- 
liarum  B      **  Sententiam  dtcttrlattit 


De  inrntortaliUle  aaimac. 


£9 


Ainplius.  Oinnis  uirius  omnino  separata  a  corpore  nec«seario  Incor* 
niptibilis  est  corrujjlione  cor^wris',  t'l  e  conuerso'.  iSrquiiur:  i^wnc^  igiliir' 
esl  media,  et  est  medine  dlEpositionis  inlcr  ista  extremn  ".  Angeli  Rancli'^ 
omnino  seorsum  et  nullo  modo  dependenles  ex  corporibus,  et  anirim  uegeU- 
tiua  el  sensiliu.!  omnino  pemlenles  ex  corpuiibus  '.  Anima  nutem  humana  *■ 
est  cxenipium  me<lii ,  <[uac  parlim  impresso  est  curporl  et  pnrliiii  pemlens 
ex  illo,  srilicel  4|uantiiin  ad  uim-s,  qua«  cuiniiiunical  nun  »nima  Hcn«ibi1i  et 
uetfetahili ,  partim  ueru  »corsuiK  est  et'  abMtrai'la,  et  tioc  est",  tjunnluni 
communicat  com  angelis  sanciis  spulialis'"  a'^  conlrariis ".  Igilar  et  a 
«A  proporlione  essenliaH  tjuaedam  '"  uifes  eJus  martaLeä  "  el  f|uaedam  "^  iiiiinor-  i^ 
lales'";  et  hoc  est  ^\  qiiod  inqui.siuimiis  Nnn  enim  contra  tidei  pietHtem 
auL  ueritalcm  est  uisum  aul  auditum  aut  "*  aliquem  aliorum  sensQum  esse 
morlalem  aut  exstingnihileui;  sed  ipsam  rnenlcni  humnnam  ,  ut  humunam, 
«aee  morlalem,  hoc  ueridicae '*  piaeque  ßdei  contrarium  indubitanter'"  e^t. 
Quod  igitur*'  est  in  anima*'  bumana  principale  ac  noMlissimum  ,  omnino  i^ 
iramorlale  est. 

Quod  81  quis  oliiciat,  quud  mnrtniis",   quin,  si  par»  moiiati»  aut  cui*- 
ruplIbiUs.    ergu   el  Lolum  --  qualiler  enim  dunius  erit  int-urruplibiliit,  ruiut; 
(»arjes  est  corruptibili«?  — :  responilemus  in  hoo.  quia  uisus  non  est  corrup- 
libilis  nisi  secuoduiti  b'>i- ,  quiid  hai»et  a  curpore:   et  hoc"  possumu.s  uocare  £0 
adiulunum    passiunum   siue  iduneilalem  instrumenti  '^  ad  rvripiendas  immu* 
tation<-s  a   aistbiühus;    uirtus  uero   iudicandi    omnino    pendel   ex   essentia 
menlis,   quae   non    |>endens   e^t  ex  corp'>re.     In   anima  ueio  animali  uisus 
dunbus    de  causJs  pendet  ex  corpore,    quoniam  e(  seciindum  M^  quod  liabet 
üb  ipsa^*  essenlia  animae  animalis.  et  socundum  ii|,  quod  habet  acor|torc**;  ^ 
et  hoc  est,  qunniam  ipsn  pendet  ex  eorporr».     El  hoc  e*<l",   quoniam  anima 
humana  uires  aniuiales  bal>et  secundarias,  et  ideo  non  pentlel  i(>sa  secundum 
id,    quod"  habet    praecipuum  *    ab  ilüs  ,  immo*'  e  j-onuerso  "  uirlutes  *' 
aecundariae  pendcnt  ex  principnlibus,  hoc  mod»  scilicet^,    quootam  propter 
illas^;    et  *"  uniuersaliter   uerum  est,    quia  omnia  secundaria'^  el^  ignobi-  so 
liora"  in  omui  subiecto  •  •  *  « 


'  OminI  p.   24,tl    (el  immortatifi)  —  r.    14  '    Omisit   p.  U,ti>—17 

(omnis  .  .  .  corporis)  "  Quaednm  c  *  ergo  //  '  GuHdia»atini  artfu- 
meHtum  ohtruncauit  *  (iund.:  Kxcmpla  horum  omnium  8unt  Rngcli  sancti 
"  corpore  h  *  est  et  duiitl.;  esi  ttn  el  p  '•  nm  It  '"  spolialis  Uutul  ; 
om  De  "  a  om  //«  '*  *fuutliiaalinum  in  tiuffustum  eoegit  '"  ({uae  fl 
"  immorUles  p  '*  quae    /l  '"  mortalea  p  *'  om  fl  '"  om  H 

'■    inctitae   c  "'   iiidubitanler   Gnnd. ;     indubilabile    B    ralionabÜiter   r 

*'  ergo  li  ■*  rnenle  B         *'  quwl  pars  mortalis  l^n        *•  owt  B        **  in- 

strumenti  (Utnd.;  iutam  li  iiislam  o  ""  ipsa  om  c  '^  (iuHetmu»  »eutrn- 
tiarum  ot'ftitufm  lurbauit ,  Ha  ul  u^rha  et  hoc  est  quoniam  etc.  non  hnhrnnt^ 
quo  referaHlur  '"  Cf,  quae  ad  p.  25,19  adnolata  sunt  **  secundurn  id 

qood  Ound.;  sen»ibilc  quod  H  t^  animo  quod  n  sed  anima  qnne  p  *^  prae- 
cipunm  (»und.;  principium  Bc  "  immu  om  Bp  "  contrario  B  ■*  post 
uirtutes    add   autem    Itc  ^  pont  scilif^t  add  propter  itia  c  *'  ÜU  tSe 

^  om  B  •'  senbibile  If  sensibilia  r  ■"  el]  sunt  p  **  igDobilia  c 
'"  Guileimi  textua,  qualtm  nunc habemus,  hicd*iinit  in  ea  ip»a  uerba  ignobiliors 


60 


GuilelmuB  Parisiensis 


Teniptemus  aulem  alia  uia  declarare  immorlalitatern  ipsius.  Dicemus  '  p-K» 
enro,  quod  sensus  non  appHciitur  sensaüs  absqtte  a$siniilaLionc  sui,  iit  taclus 
calido  alisiiue  calefartione  et  uisns  luiirido  absquo  iUunitnati(i'ne:  intclleclus 
uitem  e  contrario  se  habet  in  hoc.  Cum  entni  inteUigit  aliqmd ,  hon  deno- 
i»  minaiur  ab  ec,  quod  inttliiffU;  nihil  €»im  ent^  de  inteÜi/jibilibiis*  ajmd  intel~ 
Uctum  ,  ttisi  fortt  ipsa  xnieUectio ,  ei  *■  in  dftmhiltbits  i/tsa  sf Nsatio  ^  Et  sie 
tnanifeslunt  est  intellectiim  iiitpassibileui  esse"  ab  inlellifibilibus '.  p-  '* 

Amplius.     Adhuc""  alia   csl"  diuersilas,    quam  i^upra  diximus ,    i|U(k1. 
<|uanto    fuerint   inteUigibiUa  ioleUigibitiora ,    tanto  magis  delertanl  et  cuafor- 
10  lant  intellectura;  tt  nie  impiuvtibf'h's  est  '*. 

Am[4ias.  Manir«Ktum  est,  quod,  quanto  "  maiora  et  plurie»  intelligil 
oirlUü  inlellectiua,  tanto  csl  ad  intcHigenduni  expeditior  rt  capacior  el  for- 
kior;  e  coiitrHrio  auLerii  se  habet  in  sensu.  Paimn  ergo,  quod  non  tiattel 
finem  in  Operation«  »ua.  Oiimis  "  uirius  ijiflnitae  uperationis  e&t  infinili 
IS  lempoiis.  Ouinis  uirtus,  "  quae  non  habet  finem  in  operatione,  non  hat>el 
flnem  in  tempore " ;  inßnita  enini  opvralio  non  potent  perlicl  iu  tempore. 
Si  ergu  uerum  est,  quod  eius  uperalioni  non  sit  finis,  ultra  quem  non  ex- 
teudalur,  *  •  *"*  THrff '"  eidem  uirtiiti  höh  est  finis  in  operaiione,  wc  neque 
in  MMNff'o",  sicut '"  apparet  in  uirtule  motiua.  cui  non  est*"  flnis  ia  mo< 
CO  uendo,  0iV  neque  in  operando  *   neque  in  dunindo". 

Quod"   si  quis  dixerit.    quod  quAelibft  eius  operalio  est  finita,    tiico,  p.  u 
quod,  sicut  "  quaebbet  reuolutlo  e»t  flnila,  omnes**  infim'lat,  et  sunt  a  uir- 
tute    inftnitae  potentiae ,    sie  ^  est  in  proposito;    et  sie  ipsum  intrUigrre  sim* 
pliciter  est  iiifiiiilunt. 
2ft  Quod'"   si  quis  dixerit  ,    qmxl  linis  riu/i  est  in  luce  prima,    <iuia  ultra 

non   est,   quod  inlelligat:    non  obuial  ei,    quod  intendimus,    quuniam  tinem 
istum    adiiuc    manifestum   e«»t    ease    inftoitum;   et  ex  hev  necesse  est  ipsam  p  37 
esse    immortaleui'     Si    enim  quies  eius  et  upenitio"  ultima*"  in  ip^a  uita. 


in  oumi  »ubieiio  (rf.  Gundiagalin.  p.  25,  24 — ZU),  qttibua  supra  p.  50,17  par- 
ticAda  e  suo  hu  o  trnnspoaUtt  incipiebat. 

'  Dicamus  c  *  om  It  ^  intelligenlibu»  li  '  ut  />  *  Quae  a 
ii undissalino  p.  34,17 — 2fi  acute  Uigputnta  suul ,  ea  ht'c  breuius,  sed  minus 
clare  reftnmtur        *  om  <■  '  leg.  a  sensibilibus.     Ante  intelligibilibus  add 

intelligibili  aul  c  **  Ad  liaec  r  "est  alia  B  ^'^  Gundisaalini  arjfu- 

menluM   p.   35^ — 8  in  breuiua  contractum  "    Totum  lüum  loeum:   quod 

quanto  fucrint  intelli^ibitia  .  .  .  Amplius.  Manifestum  est,  qui  propter  ho- 
motttvHton  in  edilivnibus  otuig/iiui  ejtt,  r.r  It  restitui  '*  poM  Oiitnis  add  au- 
tem  p  "  post  uirtus  adä  enim  p  **  (.iuitehnus  singulat^m  huius  argu- 
menti  quäle  est  apud  (iundissaiinum  seutentiarum  eum  partim  omitterel  /wir- 
tim    transponerrt ,    ratioitum    compoitititmem    ornnino    pertttrbtiuit  '^   T/iV 

amissa  quae  apud  (iuiidissaliitum  p    Üö.tlf—Ul  leguntur  '•  ul  p  "  Cf. 

Gundis».  p.  3:>;i/—23  "*  sicutj  el  sicut  Ä  et  sie  c  **  leg.  cui  si  non 
esset  "  leg.  essendo  "  om  B  lacuna  hiante,  —  Quae  apud  tjundissali- 
mtm  p.  35t!iG--3*;^  leguntur,  OuiMmati  praeterit  ^  <^ae  apud  Gundiasa^ 

linum  p.  36,3 — 2tJ  explicantur  ,  hie  breuissime  strinquntur  ^  aicul  om  fi 

'*  post    omnes   add  aulem  p  "  ante  sie  add  et  B  "  ef.  p.  36^  «]{. 

*'  Gund,-.  perfeclio        ^^  post  ullima  add  esLj» 


De  initnortalitale  Bnim&e. 


til 


nnmo  in  ipao  fönte  nitae,  ubi  aon  apprupintjunl  mors  aeque  ulla  defectio: 
manirestum  eft  menlem  humanam  illuc  ■  naturaliler  tendere.  ubi  est  iiiLae 
indefecUbins  cuntiDuJlaa'.  —  Ad  liunc  aolem  finem  si  semel  peniencrit,  im- 
possibile  est'  illaro  Jnde  *  de  cetero  seIta^ari^  Impoi^sibile  enim  est  a1ii|uid* 
a  loco  suu  naturaliler  nioncri;  alioquin*  hnberet  motus  oppositus  et  oppusitas  5 
ualura-s'.  El  In»!  e.-*!,  qiinniam  natura  est  principhini  mnluselquielis.  —  Vo- 
luntarie  autem  ah  ipso  fönte  uitae  et  gaudii  et  gloriae  sepArnri,  immo  ah  om- 
nimoda  pleniludine  desiderabitiuni  auoruni ,  ifuis  noa  uideat  esse  imp»i>st- 
bile?"  —  Violen(er'*>  ideo  impossibile  est,  qaomani  liic  uiolentia  locuin  ha- 
bere non  poteflt.  Cam  enim  a  ae  ipaa  et  ah  alits.  quae  infra  ipsam  sunt,  tan-  i^ 
quam  ab  inferno  superiori  "  et'*  infernoinferiori '"  erepla  lutaliter  in  roiitein '* 
bonorum  omniuin  quodamniodo  migraueril.  hoc  est,  cum  fons  itle  "^'  lolall- 
p.  iH  ter '*"  illam  in  se  ipsum  '^  rapueril,  lioc  est,  omnes  ragilaliones  eius  ft  ninnes 
eius  afTectlones  in  sc  coUegeril:^  tuialiter  illi  uiuet.  Et  hoc  exemplu  naturalis 
anioris  patet ,  nhi  mens  amantissimi  patris  lotaliter  uiuit '*  fitin  et  tntaliter  )& 
afTectioneü  et  riigitalione»  amor  ra[>it  In  Hlium  et  ex  ilU*  Inialiler  uiuil  in- 
terius^  cum  ex  illo  lolum  haurit'*,  quud  cogitat  et  quml  gau<let  et  qutxl 
tiioet;  et  generaliter  omnes  cofritationcs  et  afTectiones  baurif"  ex  illo  et 
linaliter  refun^lil  in  Ulum;  sie  et  in  uita  benlitudinis,  qiiod  mens  lolaüter 
rapU  *'  et  ah  uitmibus  nVm  erepta  lotuni,  (|uod  uiut't  ,  ex  ip»o  hoIo  hiiuiiet  Su 
et  totum  rerunilßl  in  ipsum  et  eructabil",  qunniam  uita  tutuliter  in  appre- 
hensionilius  et  afTeclioDibus  consistit*'. 


*  illic    Bn         *   om   p.  37>— 6  et  .  .  .  adilus         "  om  c         *  om  ii 

•  om  p.  37,8—10:    Qaod  .  .  .  moueri         *   aliquod   c         ^  om  /».  37,tl-~13 

*  om  p.  Sltt-i — Jü  *  esse  impossibile?  Vintenter  Gund.;  uiolenter  (omisito 
ease  impossibile)  Iln;  esse  uiolenter  p  "^  Huml.:  Viotenter  uero  inde  ab- 
miiipi  "  interiori  p  '*  post  et  ndd  ab  r  "  post  inferiori  aiid  et  su- 
periori  Ltc  "  fönte  «  '"  om  p  '•  ftorporaliler  Ii  "'  ipsa  It,  ip- 
sam c  '*  anilur  c  '*  hal>uerit  p  '"  bnbuerit  p  "  totaliter  in  deum 
rapta  fiund.  ''  adtU  in  ipsum  ex  Uund.  "  /t  (fol.  23'^  posi  lactthi  Al- 
chitidii  librum  de  somno  et  uigilm):  fiois  de  immortalitate  anime  Wilbelmi 
parisiensis. 


Corrigenda. 

p.  16  adn.  rriL  fro  3Ü    21  et  .  .  .  coqwre  U9.  2D~21  simililo'  .  .  .  corpore. 

p.  19,  V.  10  fTO  qaia  leg.  emm  eodiee  P  et  Gmüdmo  quin. 

p.  23,  r.  4  pro  coelo  leg.  caela 

p.  27,  T.  3ß  pro  qua  fortmtm  cum  Gmütimo  Ugemdmm  qaia. 


I.   TEXTESGRUNDLÄGE. 


Die  vorlk'gcride  TextesKeslaltung  von  Doniinicus  fiun- 
dissalintis'  Sclirift  „De  immortalitate  animae^  stützt  sich  auf 
folgende  Handschriften: 

P,  Paris,  Nationalbibtiothok ,  lat.  1661:J  (ehenmis  Sorb. 
17931),  PgmUidschr.  von  10^  Bll.  klein  Quart,  Schrift  des  XIJI. 
Jh's.  Eine  genauere  Datierung  erniögliclit  die  fol.  I0i2v  sich  fin- 
dende Notix:  Iste  über  esl  cülle^ii  iwupeniin  inaKistronim  stii- 
denliuni  parisius  in  Uieologia  ex  legato  inai^istri  Gcraudi  de 
abbis  iiilla.  Dieser  Geniuduä  ist  wähl  besLinunt  Gerardus 
de  Abbatis  villa,  der  in  seinem  am  19.  Oktober  I::?7I  ver- 
faiiten  Testament  ')  seine  zaidreichen  theoloiifisclR'n  und  phUoso- 
phischon  Bücher  der  Bibliothek  der  Pariser  Sorbonne  ver- 
machte. Zwar  steht  in  unsrer  Handschrift  die  Naineiisforni 
Geraiidi;  dtH-h  ist  dies  ohne  Belaii^f.  Denn  auch  im  Necrolo- 
giuin  Sorbon.  ad  VI.  jd.  Noveinb.  (Iä7lr'^  lesen  wir-):  ^übüt 
magister  Geraudus  de  Abbatis  uilla".  Die  Korm  de  Ab- 
bis uilla  in  f  ist  lediglich  eine  Abkürzung  (ur  de  Abbatis 
uilla  ■') ,  wie  ülmlicbe  Ccmiiiendien  sich  ja  in  den  Handschriften 
des  Mittelalters  in  zahlloser  Menge  finden. 

/'  befand  sich  also  im  Besitz  des  Magisters  Gerard us  de 


')  Abgeilruckt  bei:  DeniHe  eL  Chatelaln.  Cbartolariuin  universitatiB 
Pariaiensis.  bd.  1.  (Paris  188»)  p.  -IUI— d3. 

*)  Nach  Denifle  a.  a.  0.  S.  493. 

')  Dieselbe  Nanienslorm  finden  wir  au<-h  im  CoJ.  Par.  bil>l.  nat.  lal. 
16G0f>,  wo  fuL  V4r  zu  lesen  ist:   ex  let^ato  inagislri  Geraudi  de  Abbis  uilla. 


ß4  Guntlissaliuus  De  iuunortalitale  atiimae. 

Abbatts  i]ill;i  uml  iiring  nach  seinem  L  J.  1271  oder  I27ä') 
erfolgten  Tode  in  den  Besitz  der  Sorbonne  über.  Wir  können 
al?o  als  Entslelmngszeit  von  F  die  ersten  ä  Drittel  des  XIII. 
.lalirliundfTts  ansetzen. 

In  der  Kandschrifl  findet  sich  der  Traktat  „dr  imwnrhtH- 
ittff  aHhitae""  auf  fol.  43  r — to|.  54 v  als  zweite  Schrift.  Außer- 
dem enthäll  der  Kodex  noch  folgende  Abhandlungen-):  1.  Oun- 
dissaJirius  de  antma  ')  (fol.  2r  •>  -42  v ).  —  3.  Jacobi  AJchuini 
(Alkeridi)  Über  de  sompno  et  uigilia  (fol.  55 r  — 60f).  —  4.  De 
diÖ'erentia  Spiritus  et  aniniae^)  (fol.  fiOv— 67»).  —  5.  Alvredi*) 
Anglici  libiT  de-  motu  rordis  (ft>!.  r)Sr  — 90v).  _  6.  De  intel- 
lectu  et  intelk'cto  secunduni  Alpharabiuiii  (fol.  90  v — 9(iv).  — 
7.  Alexander  de  intellectu')  (foi.  9Gv^l01).  —  Unser  lYaktal 
ist*)  mit  einer  Oberschrill  versehen,  welche  lautet:  Gondissa- 
linus  de  imniortalitatt*  aniniae''). 

Den  Anfang  der  Schrift  hat  Jourdain  in  seinen  Recherches 
critiques  sur  l'flge  et  l'origine  des  IraducHons  latines  d'Aristote 
Paris  1843,  p.  45(1  aus  /'  abgedruckt  bis  zu  der  Stelle  (am  Ende 
von   fol.   43  V ) ,   wo   der  Tcxl    In  P  sehr  verderbt   ist ,   bis  ex 


»)  Vgl.  D«ilifl«a.  a,  O.  S.  493. 

')  Vgl.  auch  Bthliollu-quede  lY'crnle  des  chartes  rol.  XXXI  (AnniVe  1870), 
Pftris  1H71,  p,  IM  und  Hnurt-au:  Notires  et  exlrails  de  quelquee  manusorita 
latins  de  la  bihlioUi^qnc  Datjonale.    Vol.  V,  Paris  \^'i,  p.  19&  fL 

*)  Zu  einem  [rrcjfion  Tüil  abgedruckt  bei  A.  Loewenthal:  Psendo- 
Aristoteles  ilber  die  Seele.     Berlin  1K91.  p.  7!J  -KU. 

*)  Fol.  1*   enUiäU  eine  IntiattsaiiKube  des  Cudex. 

')  Verffißt  von  Costa  heu  Laca,  übersetzt  von  Johannes  Hispa- 
aus,  herauHgegeheti  von  Barach  in:  Bibliotheca  philosophorum  mediae 
aetalis.  Bd.  II,  Innsbruck  I87a 

")  So  tnu6  es  an  Stelle  der  Lesart  von  P\  Almedi  (fol,  BO'),  die  auch 
Bihl.  de  l'ecole  des  chartes  XXXI,  p.  154  beibehalten  ist,  heificn.  Die  Schrift 
Alfreds  ist  zum  ^O&ereu  Teil  herausget^eben  von  Rarach,  Bibhotbeca  pbi*. 
losophorum  medlae  aetalis  lieft  II.  V^l.  auch  Hauräau  a.  a.  0.  p.  301  uod 
M6mujre»  de  rAcad^niic  deii  Inscriplions  t.  XXVtll,  2c  partie  p.  317. 

')  Der  Traktftt  ist  eine  Übersetzung  eines  Stflt-kes  von  Alexandei 
Aphrodiensis  de  anima  II,  p.  lüf>,  lU  fl*  Suppleiuentum  Arislotelicum  II, 
pars  prior,  ed.  Iro  ßruns.    Berlin  1Ö87, 

*}  Ebenso  wie  de  anima. 

■)  Die  Handschrift  ist  keineswegs,  wie  Loewenthal  a.  a.  O,  S.  Öü  be- 
hHUplet,  ,sü  uuleserlich,  daü  man  niclib»  daraus  eutnebintu  kann". 


I.  Textesgnmdlage.  (Ui 

doctrhta  hgires^)  (s.  o.  S.  1—2,20),  und  aius  Jourdain's  Schrift 
wiederum  veröffentlichte  dasselbe  Stück  Menendez  Pelayo  \n 
seiner  Historia  de  los  Heterodoxos  espaiioles  (Madrid  1877) 
p.  iOO  f.  ^). 

M.  Paris,  Bibüolh^que  Nationale,  n.  14988,  Pginl.,  XIII. 
Jh.  Der  Codex  bildet  mit  Nr.  14987  und  14989  ein  Ganzes, 
eine  umfiuigroirhe  PrirKaTriniiliaiidschnft  in  kleinem  Kormal,  die 
aus  St.  Viktor  älanmit,  Irühor  die  Sitfiialiir  St.  Victor  7SH  truff 
und  erst  iTi  neuerer  Zeil  in  '.i  Bilnde  gebunden  ^vurde.  Sie  ent- 
hält 57  t  Blätter  in  Klein-Foüo  und  ist  von  ebner  Hand  des  XIV. 
JahriiunHerts  tlunhlaiiffinl  pa^riniert.  Auf  den  jetzigen  ersten 
Band  (Nr.  I49K7)  entmilt  fol.  1  — lH:i,  auf  tlen  zweiten  (Nr. 
I498H)  fol.  IS4~:^8i  und  auf  den  dritten  (Nr.  14989)  fol.  ItSri— 571. 

Da.s  Manuskript  ist  aus  mehreren  ursprünglich  gelrennt  ge- 
wesenen, selbstÄndigen  Teilen  zusammengefügt  worden ,  die  von 
vers**hii'<lenen  Schrcibeni  •  und  aiis  vorsdiiedenen  Zeiten  —  teils 
aus  dem  XII.,  teil-s  aurf  dem  XIII.  Jh.  —  heri-ühren. 

So  scheinen  die  beiden  am  Anfang  des  Codex  auf  fol, 
I  — 103  «•  einschließlich  ^)  stehenden  anonymen  Iheologiscrhen 
Traktate  ^)  nach  Buctistaboiiform ,  Zeilenzahl  und  sonstiger 
Schrifleinrichtung  ursprünglicli  ein  Manuskript  aus  dem  XII.  Jh. 
gebildet  zu  Iiaben. 


')  Allerdings  nicht  ohne  eine  Reihe  von  Versehen:  vgl.  (die  Zahlen  bei 
Texlcilftten  sind  die  Seitenzahlen  des  vnranstehenden  Textes  desDominicuä) : 
13  quod  P  (|uidem  Jourdain  (das  Vei^ehen  ist  entstanden  aus  itTtüinlicher 
Auflösung  des  nurapendiums  qd')  —  1,4  errorihus  /*  moribu^  Joutti.  —  1,7 
quam  .  .  .  quam  l'  quantum  .  .  .  quantum  •/.  —  1,9  deslruit  /'  destituit  J 
—  1,13  omnium  /*  om  ./.  —  l.Ifi  i|uod  /'  quid  J.  —  i-H  omnimoda  V  nmni- 
nioUo  J.  —  2,3  etiam  /'  el  J.  —  *J.17  impossibilis  /*  itnposaibile  J.  — 

*)  Pelayo's  Text  weicht  von  dem  Jourdatn's  an  vier  Stellen  ah: 
1,9  illaruin  Jourd.  (mit  cod.  P)  illorum  l*d.  -  1,11—12  sit  eis  spes  Jourii. 
(P)  Sit  spes  iW.  —  2.2  inlollerabiliü  Jourä.  (P)  fehlt  bfi  Fei.  -  2.19  tenipla- 
bimns  Jourd.  (P)  lentubimus  PeL 

•)  Fol.  loa»  ist  leer. 

*)  Der  erste  derselben  reicht  bis  fol.  r»3'  und  beginnt:  Omoe  quod  est. 
Bitie  dubitatione  creator  aut  crealura  est ,  der  zweite,  auf  fol.  M' beginnend, 
hebt  an  mit  den  Worten:  Communis  est  fldei  nostrae  confejsaio .  sie  esse 
genus  bumiinum  in  hoc  mundo  tanquam  in  aüquo  proiei-tuni  exiliü. 

B«ilrftK«  II.  9.    Bnlow,  OundiaiflUnaH.  5 


&&  Cmdiilipus  De  immortaliute  anintM- 

Auf  fol.  lOtr— fol.  U3ri)  fintjet  gjch  ein  Traktat  über 
die  TriniUt,  der  dem  Xill.  Jli.  enlstafnmt 

Mit  fol.  !  44  be^nt  ein  neues  Manuskript .  das.  in  kleiner 
Schrift  des  XIU.  Jhü.  geschrieben ,  fniher  S4*lbstündig  war.  Cü 
reicht  bis  fol.  :HäT,  greifl  also  in  den  heuti^*n  Codex  14988») 
über.  Es  ist  ein  MisceUancodex  und  entiiäJl  eine  große  Anzahl 
vers<:hiedenartiger  —  teils  theoloirischer,  teils  philosophischer  — 
Abhandlungen  ^J. 

Auf  fol.   144  steht  ein  Inhaltsverzeichnis*). 

Unser  Traktat:  de  immorUilUatt  aninunf  ßndel  sich  in 
diesem  Manuskript,  und  zwar  im  heutigen  zweiten  Bande,  auf 
fol.  :5öir— fol.  i.>8v,  ist  also  gleichfalls  im  XIII.  Jh.  geschrie- 
ben. Er  trägt  in  dem  Index  den  Titel:  ^quomtMU  toHSnlilto-  er- 
roribun  humanis" ,  ist  aber  anonym. 

S\\{  fol.  :U^  lindel  si«h  eine  Noiiz  darüber,  daß  das  Ma- 
nuskript nach  St.  V'iktor  gehört:  Ute  über  p.tt  nancti  uietons 
par,  u.  s.  w. 

Fol.  343 r  — ;J44>'  enthält  einen  anthropologistlieu  Traktat*), 
fol.  344v  Mwd  :i45  Exzerpte  aus  Isidor  und  Augustin  von 
gleich.!-  Hand  (XIII.  Jh.). 

Kol.  :Mü  und  347  enthalten  kleine  NoLizen,  fol.  34«— 381 
einen  ('nnunentar  zur  Genesis")  mit  Citaten  aus  Augustin  und 
H('da.  Das  Htilck  ist  im  yjii.  Jh.  gesehrieben.  Fol.  38i2— 384 
sind  li'fT, 

.Vlit  fol.  385  r  beginnt  der  heutige  dritte  Band  (Nr.  14989). 
In  ihm  linden  sich  an  erster  Stelle  auf  fol.  385  r  —  UWv  Quae- 
slionen   über  die  Genesis-);   aul  fol,  410  und  411   Excerptc  aus 


')  Pol.  143»  ist  wieder  leer  ^lassen. 

'j  S.  0.  die  An^be  der  heuligen  BRiideeinteilung  nach  FoHoTahlen. 

";  Fol.  'Hl^~''£A)f ,  welche  eine  Abhandlung  unter  «lern  Tilel  sermotie 
htata  rirgine  enihalten  ,  bilden  wieder  ein  selbständiges  Stück  in  prftßerer 
Srhrifl  und  Icleinerem  Format,  aber  gleithfalls  aus  dem  Xlll.  Jh. 

*)  DasHellpe  zniill  niihl  weniger  als  41  versiljied^t«;  Traktate  auf,  von 
•teilen  aber  U*,  ilie.Nr  tM)  und  :j :    41,  in  dem  Manuskript  nielil  enthalten  sind. 

'■1  Her  AnfiinK  desselben  lautet:  Auima  ncc  cxlru  cr.rpus  j>üsita  exclu- 
ditur  n  corpore  nee  inlra  corpnä  inctudilur ,  «ed  ubinue  loLi  est ,  uhi(|ua 
InUYm. 

•)  Beginnend:  Notanduni,  quia  nioyses  in  liot  libro  elc, 
^  Sip  fangen  an:  fQjUümodo  eam  potuerit  condere  riuitatem. 


I.  'Textestfrundlaife.  67 

ßasilius  und  Ariibrosiu-:  zur  Genesis;  fol.  41ä  cnihfili  Citato 
aus  Augusttn.  Die  Stücke  entstammen  sämtlich  dem  XIII.  Jh. 
Fol.  413 — 415  sind  unbeschrieben. 

Ebenfalls  aus  dvm  XIII.  .Ib.  rührt  her  der  Inhalt  von  fol. 
41(5^457  r:  die  kleinen  Propheten  mit  Gtniimeiitui*.  Etwas 
später,  im  XiD. — XIV.  Jh.,  geschrieben  sind  die  beiden  folgen- 
den, letzten  Stücke  unseres  Manuskripte:  lol.  457  v — 540  v  Ge- 
schichte des  Alten  Testaments,  Christi  (Evangelienharmonie),  der 
Apostel,  und  fol.  541'"  -5G9  Klagelieder  des  Jeremias  mit  Coni- 
mentar. 

Die  beiden  letzten  BlAtter  des  Codex,  fol.  570  und  57  t  sind 
leer  gelassen. 

An  :i  Stellen  macht  sich  in  dem  Teil  des  Manuskripts,  der 
unsem  Traktat  enthillt,  ofl'enhar  die  Thfltigkeit  einer  zweiten 
Hand  bemerkbar  i);  b<?i  andern  Correkturen  oder  Randbemer- 
kirntjen,  die  teils  richtig .  teils  Gonjekturm  sind ,  ist  es  zwelfd- 
luifl.  (ib  .sie  von  erster  oder  /.weiter  Hand  lierriiliren  •). 

Aus  diesiMii  ('nflex  ist  bislier  noch  kein  Slück  nnsm-r  Ab- 
hamlluMK  verön'entbcht  worden.  Nur  Ilanri^uu  fe'iebt  In  seinen 
Notices  el  extraits  de  (luihnios  rriiinuscriLs  latjns,  Tome  V. 
Paris  \HiH.  S.  I!>8  an,  daLi  er  das  von  ihm  aus  p  abgedruckte 
Stfick  der  Schrift  des  Dominicus  mÜ  einigen  Abweichungen  ^)dtT 
Verbess€'rungen  gebe»  die  er  zwei  anderen  Manuskripten,  unseren 
.1/  und   \,  entnehme  (vgl,  Haureau  S.  :2iX)j.  ■') 

C.  Chartres,  n.  'Mi  im  Kat;dog  von  1S40,  jetzt  n.  377 'J, 
Pgml.,  XIV.  Jh.,  187  BU.  in  Foliu  zu  2  Coli.,  von  ilenen  die 
beiden  letzten  (f.  18ü  und  187)  am  obern  Hände  rechts  bt^ 
sciiädigt  sind  •'). 


')  Vgl.  oben  S.  lf>,19  —  23,13  -   36,10. 

*)  Die  fraiflichen  Stellen  flndea  sieb:  S.  5,37—6,11.21  —  7,26-12,lG 
—  28,0.19. 

*i  Ober  codex  M  vgl.  auch  die  kurze  Notiz  in :  BtbliuUieque  de  Parole 
des  thflrles.    XXX«   aiini^f     Sor.  V[.  Tome  5.  Paris  I8«0.  S,  IH. 

*)  Vgl-  (-itiilo^ue  gt-)ifr:Ll  ilen  manuscriU  des  biblü)tht-i|ues  puliliques 
■Ic  France.  Uepiirlemenls.  T.  XI  (Manuscrils  de  Cliartrcs),  jjar  Mm.  Omunl. 
Mulinier,  Houdert'  el  tJuyccque,     ['ans  lÜHO.    p,  XI^V'  und  172  f. 

■'}  Weshalb  eine  Keilie  von  Worten  iu  fol.  ISü'  cd.  b  und  186^  col. 
u,    Miwie    iu  fol.    IHic   cul.    b   (lol.    187*    i»l    untiewli rieben)  nus^efallen  hl, 

Ö* 


du  CundiBealinus  De  immortaliUte  animnö. 

Die  SchriflzftKf  sind  sehr  verblichen,  an  einer  Stelle  ist  der 
Text  unlesbar  ')•  An  H  Stellen  finden  sich  Correkluren,  anschei- 
nend von  2.  Mand  -'). 

Der  Codex  cnlhält  folgende  Schriften :  I.  Guilelmi  Parisien- 
sis  (siue  Aluerni)  De  anima  (foK  I— 100^).  —  2.  Rhetorica  di- 
uina  (fol.  101).  :{.  De  poenilentia  (fnl.  \VJ).  —  +.  De  colla- 
tione  lioncficionnii  (fol.  177). 

Dil'  AUmiidluDg:  ttc  iinntortatttaU  Haitnac  sUlil  ;iri  IrlzU^T 
SU'Wc  (fol.  IHi— 187).  Sie  wird  in  der  Hand^ichrifl  nicht  — 
wie  Valois:  (iuileliiie  d'Auvergne,  sa  vie  et  ses  ouvrages.  Paiis 
ISSO  p.  iri7  irrtümlich  hi^haiipti^t ')  —  dem  Wilhelm  von 
Auvergiic  zugeschrieben,  sondtTu  steht  nur  mit  Werken  jenes 
Autors  /.usamnicn,  ist  aber  selbst  anonym. 

Der  AnCanj^  unsert*s  Traktales  scheint  aus  der  Hiindschrin. 
C  schon  im  Jahre  1071-  von  Le  Feron  heraus^cjreben  worden 
zu  sein.  In  seiner  Ausgabe  des  Guilehnus  Aluemus  nilmüch 
(Aureliae  et  Parisiis  l(i7i)  vcröllciillichlr  dieser  (Jelehrte  in  einem 
bt^ondcren  Sujiplcmentbarid  vier  bis  dahin  noch  nicht  gedruckte 
Schriften')  des  Auverguers.  Er  tjiebt  in  der  Praefatio  an,  die- 
selben einem  Codex  (larnotensis  entnommen  zu  haben,  der  aus 
3  Volumina  bestanden  liabe.  Der  dride  dieser  Fascikel  scheint 
nun  mit  unserm  cod.  /'  (Nr.  1177)  idenlisch  zu  sein;  vr  enthält 
wenigstens   genau   dieselben  Schrillen    und  in  dereelben  Reihen- 


nümlich  35,11  {ni)Bi  .  .  .  I]al);el);  28,3  sc  .  .  .  iuuali(ituni);  36.3  si  quis  .  .  . 
qu(aelil>el);  36,4  lquo(iIi}bet  .  .  .  intelligere;  3ü,5  (8impliei)ter  .  .  .  ni(hil). 

')  S.  o.  S.  8,Jf. 

■]  Vgl.  31,21  neque  und  33,23  tut  von  zweiter  Hand  über  der  Linie  zu- 
gefögl;  28,23  fofmae  am  Rande  beigeschrieben. 

*>  nnd  W8H  man  auch  aus  der  Angabe  Omont's  im  Catal.  g^n^ral  des 
manuscrils  t.  XI  |>.  172  schließen  könnte,  wo  es  heißt:  377  (389):  Guitelmi 
Aruemensls  Parisiensiä  episcopi  opuscula  (<lann  Folgen  die  Titel  der  in  C 
enthaltenen  Schrilten).  Auch  Haur^au  sagt  irrtümlich  in  seinen  Nolices 
et  exlrails  vol.  V.  p.  ^W.  daß  sich  in  n.  389  (d.  i.  jetzt  377)  die  Abhandlung 
des  Wilhelm  von  Auvergne  de  immortalltale  animae  vorfinde.  Das  Nä- 
here über  diese  Frage  s.  unten  S.  84  VC. 

*)  Es  sind  die.s;  1.  De  trinitate.  2.  De  anima.  3.  Der  2.  Teil  von  de 
poenitenlia.  4.  De  cullaliune  et  sin^lnritate  benef^ciorum.  Vgl.  auch  Bauin- 
"•«rtner;  Die  Erkenntnislehre  des  Wilhelm  von  Auvergne  (Beitr.  %.  Gesob. 
PhilOB.  ü.  Mittelait.  II,  Heft  L)  Münster  XbWVi  S.  2,  Note  I. 


I.  Texlesgrumilaiie. 


est 


iUl  steliL'inli'ii  Sclirill  'A 


i 


r 


lolge  wie  dieser').  Voa  (kr  Äiilt^Ul  steliemK-n  Sclinll  '/f  tmmor- 
itilitaU'  unimae  '\  diuckl  Le  Feron  —  da  die  ganze  Schrift  ja 
schon  im  Bd.  1.  der  Auspabe  auf  p.  332» — 335«  publiciert  war 
in  der  Praelatio  nur  einen  kleinen  Teil  a(),  von;  Nosse  de- 
les  .  .  .bis:  ordinabiiuus  radicL>s,  qtuis  a  phitosopiiis  accepinius 
^(ß.  o.  Text  p.  I  -  "i>ä).  Dieses  Stück  des  Textes  gleicht  dem 
Text  in  C  nngernein ;  es  weist  vor  allein  dieselben  Verderb- 
nisse ,  Locken  und  Interpolationen  auf ,  abgesehen  freilieh  von 
einigen  Versehen  und  gewaltsamen  Emendalionen,  die  Le  Fdron 
nsn'h  der  Unsitte  der  Herausgeber  seiner  Zeil  vorgenonimen 
hat  j.     Man  kaiin  daher  wohl  —  da  von  einem  Zwillingsbruder 


*)  s.  0.  s.  6a 

*)  Ditf  er  wohl  aus  de[ll!^elben  Grunde  wie  Valois  und  Omont  (■.  u, 
H.  66  mit  Ann).  3)  für  ein  Werk  Willielmfi  hält,  wenn  er  auch  sellM  sag^t, 
daß  der  „Tractatus  de  Immortalitale  animae  sine  inscriplione"  sei.  Das  Nä* 
bere  Ober  diese  Frage  s.  u.  S.  81  ff. 

')  Der  Text  Le  K^ron's  weiai.  kc^c"  ^  folgende  Veränderut^^n  auf: 
L&  reprübatiunem  C  probatioaem  Lt  Feron  —  10  — ü  restat  de  difAdenti- 
buB  C  reatat  diffidenlihus  /Vf.  —  11  immortalitale  sna  C  saa  immortalitatc 
F4r.   —    U   •{uam   dementia   reputabitur  V  repulabitur  quam  dementia  Fcr. 

—  In  aliam  C  alia  Ffr.  (Emendalion  I)  --  16  poteritis  C  potent  üs  F/r. 
(Emeud.)  —  IH  quod  honestatis  persuasio  quam  C  quod  honestalis  persuasio 
aliud  non  est  quam  Ffr.  —  2,1  laudabUium  C  laudabilis  F^.  —  2  rerum 
humanaruni  intollerabilis  C  humanarum  rerum  intolerahilis  Kr.  —  3  exter- 
ininum  C  extremum  Fff.  tEmend.)  —  4  consequunlur  C  conse([uitur  Ftr.  — 
tj  pbilosophlaque  C  philosophia  F^.   —   8  auctoritatem  C  autborilatem  Fh: 

—  8—9  cupientibus  C  uulentibus  Ffr.    —    15  cum  quod  t'  quod  Ffr.  (Em.) 

—  18  Qnaliter  ad  C  <Jualiler  ergo  Ffr.  (Em.)  —  20  non  est  C  non  Ffr.  — 
21  Transccncia  C  Transcendentia  Ffr.  —  23  inquam  C  in  quadam  Ffr. 
(Em.)  —  24  syllogisUca  non  C  syllogi^tica  consistit  non  Ffr.  (Em.)  —  24  fa- 
cianl  C  fat-iunt  Ffr.  —  3,3 — 1  radicem  C  ({uam  radicem  Ffr.  (Em.)  =—  4  hu- 
Hianae  r*  om  Ffr.  —  7  cuitu«;  dei  religio  C  et  religio  Ffr.   —   8  afni(!lioneni 

et  afflictiunem  Ffr,  —  2ä  uterque  C  utrique  Ffr.  —  26  in  hac  uita  C  om 
Ffr.  —  4,B  nisi  C  sicut  Ffr.  (Em.)  —  6  aesensu  C  a  sensu  Ffr.  —  16  isla 
uita  C  uita  isla  Ffr.  ~  17—18  quoniam  .  .  .  uita  ista  ('  om  Ffr.  (Homo- 
teleuton!)  —  20  tjuare  C  quare  si  Ffr.  (Em.)  —  21  et  aaimabun  C  animabus 
Ffr,  —  Man  sieht,  daß  die  Abweichungen.  soFem  fie  nicht  geringere  Ver- 
sehen sind,  größtenteils  aus  Emendalionen  bestehen.  In  der  Wort^lclhing 
stimmen  (.außer  4  Stellen:  1,11— 1,14— 2,2— 4,lii)  die  beiden  Texte  über- 
ein. Unzweifelhaft  aber  beweisen  die  Identität  der  beiden  Codices  folgende 
Verderbnisse,  die  beiden  gemeinisam  sind :  2,4  creatorum  ex  hune$tate  C  Ffr, 
(crealoris  e&honoratio  Test)   —    IH   in  sensjhilibus  C  inseostbilibus  Ffr.  (id 


70  GumlisifHiinuB  De  immoitalitate  aniniae. 

von  <\  der  sioli  auch  in  ClmHres  befunden  lullte,  nichts  be- 
kannt isl  —  Ulli  vollem  Recht  annehmen ,  clatÄ  der  Carnotensis 
Le  Feron's,  aus  dem  das  Stück  unseres  Traktates  abgedruckt 
worden,  kein  anderer  als  unser  C  ist. 

N  Paris.  Nulionalltiblinlliek  n.  I4KS7,  XIV.  Jh.,  Pgnil., 
WH  Bll.  in  Folio.  Unser  Traktat  (indel  sich  fol.  1  *•  —  fol.  13  r. 
AuüiT  ihm  enthält  der  Modex  noch  folgende  Schriilen  *):  i.  Cur 
drns  homo -)  (tbl.  IHv  -  fol.  4-^v).  -  :-!.  De  liabitudine  causa- 
rum  et  inlluxu  naturae  communis  respectu  inlerioris--)  (fol.  4iv_ 
fol.  65t)/—  4.  De  reductione  effectuum  ^)  (fol.  65 v— 8«  r).  — 
5.  Meditatione.-^  (fol.  88r_l08r). 

Dil»  Sclirill  (tf^  iinmortah'ttite  attimue  Lst  aniMivtii  in  .V,  w'w 
ancli  iiaurrau  (Notices  et  t^xtraits,  V  p.  :20n|  rithttjr  butnerkl, 
wilhrend  Valois  a.  a.  Ü.  p.  Iü7  wiederum  irrtümlich  behauptet, 
dati  sie  dem  (iuileliiius  Aluernus  zugescJirleberi  wt>rde ''). 


sensibilia  TMt)  —  30  Nunc  C  F&.  (Et)  —  20  de  C  Fir.  (ex)  -  *JU  lügicae 
r'  /-Vr.  (logiees)  —  "JS  conclusiunem  C  Fh.  (concluaioni)  —  23  n(il)i9  (|iiaeri- 
lur  aptala  om  V  Frr.  (gemeinsame  Lflvke!)  —  3,1  syllogismorum  C  Ftr.  (syl- 
logismis)  —  '2  (juoque  C  Frr.  (quoquo  iiioiloj  —  A  post  quod  add  priiiiA  w 
ilix  ijuoil  ('  prima  ratlix  est  F/r.  (Kemeinsaiiiea  Cjusseml)  —  8  -9  uita,m . . .  posl 
fUH  C  Ft'i:  (gemeinsame  Lücke.)  —  10  etiam  om  C  Frr.  (desgl.)  —  13  ante  curat  add 
non  C  Fn\  {^emeim^ume  Inlerpolalion)  —  20  humanae  om  C  Ffr,  —  27  post 
islam  uitiim  si  uita  est  alia  C  posl  istam  uitam  si  aJia  uita  nun  est  Ftt\  (si 
nun  uita  est  post  tstum  Text.  Das  non  hat  Le  F^ron  nur  hinzugefOgt,  um 
die  lÄsarl  von  (•',  die  sonst  keinen  Sinn  liaL,  zu  emendieren.)  —  4,7  acce- 
pimuä  C  A*/r.  (accipimus)  —  10—12  aut  nnn  si  non;  ergo  per  sapientiam 
iälani  decepU  sunt  et  C  Fh:  (dieses  unsinnige  Glossem  gemeinsam!)  —  ]f) 
iininiarum  honarum  C  F^r.  fanimabus  bonorum)  —  Ift— 20  Quare  .  .  .  tna- 
lorum  om  C  F'r.  (gemeinsame  Lücke!)  —  25  eius  om  C  Fi-r.  (desgl.). 

^)  Vgl.  auch:  nibliolh^que  de  T^ole  des  chartes.  Sixidme  s^rie.  Vol. 
V.  Paris  1869  p.  56, 

')  Von  Wilhelm  von  Auvergne;  s.  Guilelmi  Atuemi  Opera  Aurel. 
Pt74.  Tom.  I.  p.  &55,  ed.  Veneta  (1591)  p.  52ri. 

')  Die  Schrift  ist  verfaÜt  von  Henricus  de  Hnssia,  wie  auf  fol. 
ttä*  zu  lesen. 

*)  Von  dem«elbeD. 

')  Auch  in  Bibl.  de  Tccolc  des  tharic».  Sixifrmc  sörie  V,  p.  ö6  wini 
die  Schrift  hezeichnel  als:  Guilelmi  t'arij^'ii^nsi»  Silier  de  immurlalilale  ani- 
iiiae.  Der  Irrtum  beider  ist  vermutlich  iludurclt  hervorgerufen .  da&  der 
Handsclaifl  vnin  eine  Tabelltf  von  ^pälerer  Mamt  ziigeftlgl  ist,  auf  der  die 
Schrift  bezeichnet  ist  als:  Liber  quiduni  Guilelmi  Pansiensis.  In  der  Hand- 
Schrift  selbst  aber  ist  der  Traktat  anonym;  er  trägt  nur  die  Überbchrifl 
idie  übrigens  auch  anscheinend  von  anderer  Hand  zugefügt  ist) :  Tractalus 
de  immortolitate  animae. 


I.  TexlesgrunrJlagc. 


71 


Zur  DaÜLTUng  der  Hamlsthrift  wird  uns  in  dprsflbon  selbst 
eine  Jlandhabe,  ein  leriiiinus  post  quem.  Kt?l>'>t<^'"'  1*''*  ^n  drit- 
ter und  vii'i-ter  Stelle  in  A*  stehentlen  Sehrineu  ntlndidi:  De 
hubiiudine  rausarurn  et  inlluxu  naiuiae  urjij  di-  n-iluclione  el- 
fectuuni  sind  verfatU  von  Magister  Heiirirus  llcyiiliucli  von 
Langenstein  oder  Henricus  de  Hassia  dein  filteren'),  der 
von  i:iHi  an  in  Wien  leliHn  uni]  im  .fahre  {'Mt"}-}  starb.  Es  er- 
giebt  sich  also  als  veninitliebu  KiilHteliungszr'il  von  A'  frDbeslenfi 
der  Ausgang  des  14.  oder  das  15.  Jahrliumlurl,  weU-he  Annabiite 
durch  das  Äußere  der  Hantlsclirift  bcslAtigt  wird  ^). 

^)  Nio^it  £u  verwechseln  mil  Henricu»  de  Hassia  dem  jantrerei)* 
iler  am  1'2.  An^g.  1427  äinrb,  Hl4  in  Heidelberg  die  Schrifl  De  f^Iauihus  seu 
de  ronre&iiione  verfaule  und  vermutlich  idenlj-ich  i*«t  mit  deni  Henricus  rie 
Ha«s)a ,  der  <nach  Toepke:  Die  Malrikel  der  Univ.  Heidelhei^.  lH8i>.  I.  p. 
IN)  vom  2:i.  Juni— 19.  Deüemher  IUI  Ftektor  der  ['ntversiräl  Heidelberg  war 
S.  u  S  74.  Vgl.  lilier  un&ern  üheren  Henricus  de  Ha.ssiii  Fahriclus:  Uibl.  iM. 
med.  eL  inlimae  aet.  et).  Klurentiae  ]JS'>^,  tll,  p.  ^J6  r  Oudni:  De  scripL 
ecclesia*!liris,  Lipsiae  IT22,  lü.  p.  12-V2  IT.  Olto  Hartwig:  Henricus  de 
I^nfrenslein  diclus  de  Hiti^sia.  Zwei  Untersuchungen  über  des  Leben  und 
die  Schriücn  Heinrichs  vun  Langenstein .  Harbui^  1857.  Joseph  Aach* 
hach:  Geschichte  der  Wiener  Universiläl  im  erclen  Jahrhunderte  ilu-cs 
Bestehens.  Wien  18»;">  S.  3CU— 4ÜÜ.  F.  W.  E.  Roth:  Zur  Hibliographie  des 
Henricus  Hemhuche  de  Haxsia  dictum;  de  Itangenstein.  Oenlrdlhlall  fQr  Biblio- 
thekswesen, Beihelt  II.  Leipzig  188H.  Kiieer:  Die  Cnlslehimi;  der  cünciliaren 
Theorie.  Zur  Geschichte  des  Schismas  und  der  kirc;henpoliti»chen  Schrifl- 
sleller  Kunrad  von  Gelnhausen  und  Heim  ich  von  Lanifenslein.  Supplement- 
hefl  zur  Römischen  <Juartalschritt,  Freihurg  i.  Br.  189'^  Üenifle-Chate- 
lain,  I  hartulahum  L'niversitatis  Farisicnsis,  111,  p.  i:]3  f.  677  f.  und  Auclua- 
rium,  I.  an  verschiedenen  Stellen  (s.  Index).  Wilhelm  Preger  in:  Abhand- 
lungen der  histonschen  Classe  der  k.  Bayerischen  Akademie  der  Wissensch. 
X\I  1.  .\bt.  Milnchen  IH!J5.  S.  20  T.  —  Cber  den  jüngeren  Henricus  de  Hassia 
vgl.  Hartwig  a.  a.  0.,  Anhang  S.  1-8, 

■J  Vgl.  Hartwig  a.  a.  0.  S.  HG.  Aschbach  a.  a.  0.  S.  UHK  -  Die 
zwei  Schriflen,  die  in  unserm  Codex  stehen ,  t)e  hahiludine  caus.  und  De  re- 
ductiune  elT.  flnden  sich  bei  Fabricius  p.  2fib  erwähnt.  S.  auch  Oudin 
III,  p.  12^  f.  Aschbtich  Qbergehl  beide  Schriflen,  Hartwig  die  erste, 
während  er  —  enl^cegen  Oeois:  Codices  manuscripti  theologici  bibliothecae 
Palatinae  Vindobonensis,  I,  1207  —  die  zweite  einem  Pariser  Professor  des 
vierzehnten  Jahrhundorts,  HArvillien,  zuschreiben  m/krhle  (a.  a. O.Anhang 
S,  10-17),  was  aber  dunhaus  unbegründet  ist.  (Auch  Roth.  a.  a  O.  S.  21 
z&h\l.  unter  Berufung  auf  Hartwig,  diese  SchriH.  unter  den  unechten  auf.) 

■*)  Eine  weitere  Hundschrift.  die  sich  in  Dxforil  l)ermdet  (Merlon  col- 
\«gc  no.  136;,  soll  mich  Valois  a.  a.  O.  und  Haureau  :i.  a.  O.  p.  •20l)  den 
iimgeaibeitelen  Text  Wilhelro's  von  .Auvergne  enthalten.  Indes  erscheint  mir 
diese  Angabe  li<^chst  unsicher,  da  vtm  heiilfU  Autoreit  (ebenda)  dasselbe  von 
Camotensis  377  ^389),  unserm  C,  irrtümlich  ausgesagt  wird.  Obrigens  drückt 
sieb  aoch  Haur^an,  der  keine  der  beiden  Mss.,  weder  C  noch  den  Oxforder 


1 


Ti 


GttndiMalirius  De  imuiorlalitate  SDimse. 


Neben  den  Hnndschriflen  iät  als  eine  füiill4.s  wenn  aucli 
indirekte  und  sekundäre  Quelle  füi*  die  Textkoiistruktion  die 
Sclirilt  tif  iminoffiilitftir  anhntif  iinzusehen .  die  unter  dem  Na- 
men des  Wilhelm  von  Auvetgne  bekannt  ist,  und  die  leilig- 
lich  eine  Uniarbeilung  der  öduifl  des  (liindissalinus  ist  '). 

Üer  Text  Wilhehn's,  der  oben  auf  S.  38—61  als  appendix 
abgetlnickl  Ist,  beruht  leider  auf  ziemlich  unbefriedigender 
Ciruntllage. 

Haureau  luid  die  anderen,  welche  sich  mit  der  Frage 
beschältipten ,  Ifdireti  fdjerliaupt  kehie  HandsrhriM  an.  welche 
wirklich  iU^n  Traktat  Wilhelms  enthielte,  limt^n  allen  standen 
nur  die  sehr  mangelhaften  Ausgabeti  zur  XertCiKung.  Hand- 
sehi-itteu  diesem'  Werkes  seheinen  iiheiiiaupt  selu'  selten  zu  sein  % 

Durch  Herrn  Prolessor  Baeumker  wunN*  iili  auf  eine 
HtiiMisihrill  itulinerksam  ireniachl  v  die  Freilich  erst  aus  ziemlich 
später  Zeit  slauunt.  Es  ist  dies  U  =  codex  Öruxelk'nsis, 
eine  Papierliantisclirifl  der  Brüsseler  Königlichen  Bibliothek  unter 
n,  äiÖSti  (ex  bibliotheca  P.  P.  C.  Lamtuersl.  Sie  enthält  151 
Blätter  in  KIein-<Juarlformat.  Auf  tbl.  Ir  — l^r  col.  a  lindel 
sich  die  Abhandlung  de  {-oHatitme  it  /tlitraiiktte  iH^ncfidmum  von 
Guileliiius  Parisiensis  (Wilhelm  von  Auvergne).  An  die- 
selbe schlielat  sich  auf  fol.  13r  col.  a  der  Traktat  de  immortnU- 
UtU-  aitimof.  Derselbe  trägt  die  Überschrifl  ,Jttcipit  ttutciatm  \V. 
(=  Wilhehni)  /xiriisietisis  de  imruortaUtutt  ttuiinfte'*.  Die  Schrift 
reicht  bis  toi.  iOr  col.  b.  An  sie  schlielät  sich  in  derselben 
(lülumne,  ohne  besondere  Überschritt,  aber  durch  einen  neuen 
Abs^it::  und  durch  größere  rote  Initiale  ausgezeichnet,  eine  ano- 
nyme Abhandlung   ik   soutno   et  umonfi.     Dieselbe  reicht  bis  lol. 


(^odox,  in  Hilnden  gehatit  zu  habeo,  sondern  lediglich  hier  der  Angab«  von 
Valuis  zu  folgen  scheint,  sehr  roraicbtig  aas.  Lr  sagt  (p.  200  MiUe):  ,[)eux 
copies  du  traitä  pubh^  dans  lea  ccuvreis  de  Guillaume  d'Auvergne  nous  sont 
judiiiuiies  duw  les  iio"  389  de  Cliarlres  el  136  du  cuUege  MertoQ.'  So- 
dann Rthrt  er  fort:  ,Avec  plus  de  surelö  nous  cn  sigtialons  deux  du  Lraite 
de  ran-hidiaere  dans  les  no«  148X7  et  U9KJS  etc,"  Leider  kann  ich  die  Frage 
nicht  entscheiden,  da  mir  der  Oxforder  Cudex  unzugänglich  war. 

•)  Das  Nähere  Ober  die  Frage  der  Beziehung  dieser  beiden  Schriften 
des  Dominicua  und  Wilhelm  s.  u.  S.  HA  fT. 

'}  B.  Haureau  erwiderte  Herbst  lti9i  auf  eine  Anfrage,  daß  ihm  eine 
solche  überhaupt  nicht  bekannt  sei. 


I    Texte&grundUge.  73 

ä3rrol.  a 'j.  Am  Ende  derselben  finden  sich  uufTiillendcr  Weise 
die  Worte:  idf  ^ic  eul  fini»  de  iminotitiliUitfi  aniimtf  WiUulmi  fm- 
{•inirnniit,  die  eiKontlii.*li  an  das  Ende  iinsres  TrnkUtes  (auf  fol. 
t^}^    t'ol.  b)  ^eJu">ron. 

Außerdem  enlliidl  derCIoilex  noch  lolgende  Abhandinngen: 
i.  S.  Bonaventurae  Uinerariuni  niciitis  in  deuni  (fol.  ^li  f 
(.•ol.  b — fol.  'Ab'f  col.  a).  —  5.  Anonymer  Traklal  He  gradihus 
ascensionis  fn  deuin  (fol.  35v  ,o\,  a-  i'ol.  iliv  ^ol.  b).  -  Vi.  Ano- 
nymer nioral theologischer  Traklal  (Ibl.  1-7 f  col.  a — I'ol.  1-7 ^  col. 
a).  —  7.  Henricus  de  llassia:  De  uisione  diuinae  essenliae 
(fol.  4«r  col.  a— fol.  ÜOv  col  b).  -  S.  Ein  Traktat  de  seplem 
dauibns  sacnie  scriphirae  (fol.  (iOv  col.  h  — Inf.  (ilr  col.  b).  — 
\K  Anonymer  Traktat  do  diuinis  noMUnibus  (fol.  ittr  col.  a).  — 
10.  Jacobiis  de  Neapoli:  De  perl'ectionibus  specierum  (fol.  07^ 
col.  a — fol.  75v  col.  b).  -  !1.  Henricus  de  Hassia:  De  spe- 
culo  animae  (fol.  7.iv  col.  h  — fol.  8lr  col.  b).  -  12.  Einp  Ab- 
bamilnng  desselbi^i  Hpnricuri  de  Hassia  (fol.  S|v  col.  a — 
fol.  8flr).  —  13.  Hichardus:  De  qiialtuor  gradibiis  uioientac 
earitalis  (Beginnt  auf  fol.  89»"  col.  b  und  hört  fol.  90 v  col.  a 
beim  dritten  GradL*  auf;  dov  .Schlul.i  fohlt:  fol.  ^U  ist  nnbe- 
schrieben). —  I4-.  Henricu^;  He  Ha.ssia:  De  inlluxu  causarinn  ^) 
(fol.  üär— fol.  I05v  col.  a).  --  *[ö.  Derselbe:  Do  reductione 
cffecluum   in  suas  causas  (fol.  Idö^  col.  a — fol.  ll^r   col.  b)-*^). 


*)  Übrigens  findet  sich  ganz  dieselbe  .^hliandluuti ,  und  zwar  ebenfalls 
unmittelbar  nach  der  Schrift  de  hnmortalilate  unimae  UiUerdings  der  de» 
Gundissalinus)  auch  im  cod.  /'(auf  fol.  55'— fol.  *)0').  Dort  iat dieselbe 
in  dem  auTfo].!  befindlichen  Index  bezeichnet  als:  «Liber  Jncohi  alchuinj 
de  caosis  sompni  et  uigitiiie  a  magislru  G{erardo)  Crenionensi  de  arubico  in 
lalinum  translatus.'  Ich  vermag  eine  Erklärung  des  aufHllligen  Zusammen- 
steliens  dea  Traktates  de  somno  et  uigilia  mit  den  beiden  Schriften  de  im- 
mortalitate  aniraae  {der  des  Dominicus  in  P  und  der  des  Guilelmus  in  H) 
nicht  zu  geben.  MÖisrlicher  Weise  fand  sich  bereits  in  dem  Manuskripte  des 
Dominicus,  das  Wilhelm  zu  seiner  Überarbeitung  benutzte,  die  Abhandlung 
de  sonmu  et  uigilia  nach  der  deäCiundissniinas  und  ist  dann  samt  der  Schrift 
des  Wilhelm  in  die  Vorläufer  von  (lodex  H  hinilbergenoiumcn  worden. 

'J  Steht  auch  in  iinserm  C>od.  .V  unter  dem  Titel  du  habitudine  cau- 
sarum  et  influzu  natunie  communis  respeclu  inferioriä.    .S.  oben  S.  70  f. 

')  Findet  sich  gleichfalls  in  X    S.  oben  S.  70  f. 


74 


Oundissalinus  De  iramortalitale  aoimae. 


—  IG.  Ein  physiognoinischer  Traktat  (fol.  Ilfiv  coK  a— fol, 
lUJv).  —  17.  Cominentar  zu  t-ineni  Traktat  de  latitudinibus 
rormaruiit  (Anfaiii^  fol.  l-it)V  col.  b;  er  schließt  fol.  15)  v  i-ol.  a 
imvoüemlelj. 

Für  die  Datierung  der  Handschrift  und  den  Ort  ihrtr  Ent- 
stehung' linden  sich  in  derselben  zwei  Angaben.  Auf  fol.  f):2  r 
eol.  a  iifiitili<:]i  lesen  wir  arn  Ende  des  anonymen  Traktates  lie 
diuitils  iioiiiinibus  ')  Kolgendt-s:  »EL  sie  est  Unis  tractatus  huius 
de  diuinis  nntninibus,  nescio  tarnen  cuius,  scripti  per  niagistruni 
Gerhardum  Casterken  in  studio  heydelbergensi."  Ebenso 
findt't  si<-h  auf  fol.  7ijv  vol.  li -)  die  ;1hnliihe  Angabe:  Explicit 
traitiUrts  de  perfi.'clione  spefierimi  nmj-dstri  Jarobi  de  neapoli 
unbnis  fralruin  herciiiilaruni  saiicti  Au^nislini,  quetn  st-ripsit  silii 
niagistfr  Glierartlux  Caslerken  in  studio  lieydclb.  Der  hier 
envühnti*  Schreiber  di-r  Handsehnlt  ist  wob)  sicher  ktin  anderer 
als  der  Gerardus  de  Castereuni,  welcher  im  Jahre  tili  wäh- 
rend des  Rektorats  des  Henriius  de  Hassia-'i  an  der  Uni- 
versitüt  Heidelberg  als  »diueö"  inskribiert  wuifle.  Dort  er- 
warb er  sicli  in  dein  Dekanat-sjahr  lili  15  die  Magi.stei'wüj'de 
und  bekleidete  ini  Jahre  14-lW  sell)st  das  Amt  eines  Dekan  '). 
Der  Codex  B  ist  also  in  Heidelberg  jedenfalls  nicht  vor  14-14 
geschrieben  worden.  Später  nahm  vielleicht  Gerhard,  der 
aus  der  Utrechler  Diöcese  staninile  '),  bei  seiner  Uürkkehr  in  die 
Meiniat  das  Manuskript  niit^  woraus  sich  der  jetzi^'e  Anfbewah- 
i-ungsort  desselben  erklären  dürfte. 

Was  den  Text  unsres  Traktates  in  der  Handscbrilt  anlangt, 
so  ist  derselbe  von  keinem  hohen  Werte.  Er  enthält  eine  sehr 
groiäe  Zahl   von    Verderbnissen    und  Lücken;   ist   al)er  demioch 


')  Olien  unter  Nr.  ^  der  Schririen  in  Ü  erw&hnL 

']  Am  Ende  vun  Jacobus  de  Neapoli :    De  perrectionJbus  spücierum  ;  s. 
oten  Nr.  10. 

'1  ^Des  Jöngeren"  s.  üben  S   71  Anm.  1. 

*)  V|;l.  Gualuv  Tüpke:  Die  Matrikel  der  UniversiUL  Heidelberg,  1.  p. 
IM  f.  IL  371.  373  f.  IIb  7:». 

'}  Wia:   der    in  der  Alutrikcl  hei  seinem  Namen  siebende  Zusatz  xd^uc. 
Traiectens.-  beweist  S.  Töpke  a.  a.  0.  UI,  797. 


T.  Textesgnindlage.  TS 

an  nicht  wenig  Stellen  jfoeignet,  die  iti  den  Ausgaben  j^t-botenen 
Lesarten  ricJitig  zu  stellen  '). 

Von  diesen  Ausfraben  der  Werke  Wiihelm's  von  Au- 
verpne  sind  mir  Col^rondc  drei  bekannt  t^ewordon  und  zug-äng- 
lich  gewesen-').     .Sie  entludten  alle  dm  unseren  Traktat. 

Die  editio  prinreps  wurde  i.  J.  \4rUiy  in  Nürnberg 
herausjiregeben.  !r^  dei-sellien  ist  der  Text  von  <ir  htmiorfalttate 
(ttriinof  leiliglicli  ein  Abdruck  eines  zicinlieb  srhiecliten  Ma- 
nuskripts, ohne  Anwendunp  irgend  welcher  bedeutenderen  re<*en- 
sierenden  ThAtigkeit.  Das  zu  Grunde  liegende  Manuskript  ist 
jedenfalls  nicht  unser  B.  stammt  auch  wobl  nicht  aus  derselben 
Kaniilie.  wie  die  ziemlich  zahlreichen  AI)weiehungen  zeigen. 

Die  zweite  Ausgabe  wurde  zu  Venedig  i.  J.  15^11  ge- 
druckt ").  Zu  derselben  ist,  wie  aus  der  Vorrede  hervorgeht,  fQr 
unseren  Traktat  kerne  neue  Handsclirifl  benutzt  *} ;  die  Text- 
änderungon  wurden  nur  auf  deni  Wege  der  Konjektur  vorge- 
uoinuien  ^). 

Die  dritte  mir  bekannte  Ausgabe  lietä  der  Kanonikus  Le 
F^ron   I(i74-  zu  Orleans  drucken  und  in  Paris  in  2  Foliobän- 


*}  Im  einzelnen  verweise  ich  tiier  auf  diu  Fu&uuteu  in  der  ubipen 
Appendix. 

')  Eine  vierte  Ausgalte,  die  der  Herflusjtebcr  der  editio  Veneta  in  der 
praefatio  erwähnt,  und  die  zu  Paris  uui  15in  -  aU  erschienen  sein  soll,  isl 
biä  jetzt  nicht  auflindbar  ^ewe^n.  Ich  vermag  daher  nichl  zu  sagen ,  ob 
dieselbe  eine  Gesamtausgabe  ist  und  auch  unsere  Schrill  entliälL  S.  das 
unten  Ann\.  4  abgedruckte  Stück  aus  der  Vorreda. 

')  Der  Herausgeber  war  ein  magister  3o.  Dom.  Traianus. 

•)  Vgl-  in  der  Vorrede:  .Sed  et  haec  recensere  suppuditum  esset,  nisi 
laboriust  testen  uperis  Venetiis  haberem  (fuam  plurimos ,  qui  cum  siiigula 
fere  uerba  deleri  aliaque  sub^titui  eernerent,  mulandi  laborem  et  ueterum 
impreasorum  Inertmm  iiiirat)<intur.  Sed  quid  testimoniis  opus  esset?  Re^ 
ipba  per  se  luquitur.  llonferatur  cum  nostra  Parisiensis  editio  fere 
octogenaria,  nihil  h  nie  non  ucrissime  dictum  rcperietnr.  Ac  in  ceteri:; 
quidcm  libris  ronieclura  fuit  ulendum,  cum  öftere  uero  de  Vniuerso 
melius  actum  ex  collatione  manu  scriploruiii  exi'inplaiiiim  ,  ex  quibus  casti- 
galissimum  unum  c.  q.  s. 

')  Von  diesen  Conjekturen  hebn  ich  hier  nur  zwei  besonders  cliarak- 
tcrtstische  hervor:  p,  Ö2.H  et  substantia  itnmateriala  duttd.  (wie  zu  lesen  ial\ 
et  scienüa  materiatu  Htt  inateriae  immixtn  Venet.  (und  Orleans).  —  50,12  «- 
mini  praeparalo  D  (praeparala  h)  nam  semipraeparala  Vemt. 


76  Gundissalinus  De  immortalitate  aninifte. 

den  erscheinen.  Abgesehen  \tiii  ileiii  Siipjilement-Bamle,  in 
wek-hcni  Le  Feron  mehrere  bis  dahin  ntxih  unetiierlc  Schrillen 
WiUiplni's  lierausgiebt ,  ist  iliesc  lüTitT  Aus]?abL'  lediglich  ehi 
Neiidnuk  dpi*  Venediger,  wie  in  der  prat'fatio  zum  Supple- 
nientband  ausdrücklii-ti  bemerkf  wird ,  und  wie  in  der  That  — 
bis  auf  wenige  Fillle  —  der  Augenschein  lehrl '). 

Allen  diesen  i  Texlquellen  der  Sohrifl  des  Wilhelm  von 
Auvergne  (/*■  immortalittt(e  tin'utuie  ist  eineTexlumstetUnig  genjciri- 
sam.  Der  Text  des  Doniinicus  Gundissalinus  wird  nünilich 
in  der  Übenirbeitnng  Wilhelin's  in  folgender  Reihenfolge  ge- 
boten : 

1}  GumL  p.  1  -  I74H  ')  (non  per)  ')  (==  t^\üL  p.  3*)-  50,1  HJ. 

-1]  (iiitifl.  :Jn,£4  (igtiolnliorti  in  omni  subieclo  sunt 
propler)   -  :H,I7  (deref^u^s)  |=  Guil.  r.(>,l(>— 55,:^1|. 

3)  GutiiL   IS,7  (Ainplius.  Vita)    -   iöSi  (ignobilia  in  omni 

subitKto)  1=  OuiL  56,1— 59,31 1. 

4)  GumL    Ut,13    (Temptemus)    —    38,13    (Ende)  |=  Guil. 

60,1— bl,i>H  (Ende)]. 
Wälin-nd  also  Anfang  und  Schlutä  an  ihrer  ritJitigen  Stelle 
stehen ,  haben  die  Stricke  :*  und  A  des  (I  u n d  i ssa  l  i ii us  bei 
Wilhelm  ihren  Platz  getauseht.  Die  Annahme'),  dali  diese 
Umstellung  von  Wilhelm  selbst  absichtlich  vorgenommen  wor- 
den, ist  hinlallig;  denn  der  Text  ist  in  dieser  Keihenfolge  völlig 
zusauuiicnhanglos  und  giebt  keinen  Sinn.  Vielmehi"  ist  eine 
Blattver.setzung  in  dem  Codex,  auf  dt-n  unsere  Textqu^-llct)  zn- 
rückgehen,  anzunehmen.  Ob  dieselbe  schon  in  den  alten  lland- 
schriflen  stand ,  oder  erst  späteren  Datums  ist ,  vermag  nicht 
gesagt  zu  werden,  da  unsere  Quellen  alle  erst  ans  verhällnis- 
mäJiig  später  Zeit  stammen.  In  dem  belrefTendcn  Codex  fand 
sich  unser  Traktat  auf  5  Blättern  vor,  von  denen  die  beiden  ersten 
den  oben  unter  I)  bezeichneten  Abschnitt  enthielten  und  von  denen 
das  letzte  nur  zum  Teil  ausgefüllt  war.     Blatt  I,  i  und  Ö  sind  an 


')  Vgl.  auch  unten  S.  85  Anm.  3  und  oben  S.  til». 

')  Die  Seilenzahlen  sind  die  des  obigen  Textes  der  beiden  Sühnflen. 

»)  p.  17,23  manerel  —  I8,il  feliciUtis  fchll  bei  Wilhelm. 

•)  Zu  der  man  auf  den  ersten  Blick  vietleirtit  *lurch  die  Conjektur  des 
Venediger  Herausgebers  kommen  könnte,  der  (s.  p.  üO,l*J  u.  Anink.  3)  Ü^r 
non  per  einsetzt  non  essenl  an)  dann  Zeile  17  das  sunt  forüafit. 


t.  TexlesgrundUg«.  ^^K^T  ^ 

der  riclitigen  Stelle  geblii-ben.  Blatt  It  uinl  4  aber  hüben  »eUva 
linrch  ein  Versehen  des  Buclibinders  bei  dem  Heften  der  Hand- 
ächrirt)  iliron  Platz  vertaus<'ht.  F^Iatt  i  begann  mit  den  Worten : 
ignobiliora  in  omni  subieilo.  Diese  Anfangsworto  des  fol^t-nden 
Blattes  waren  am  Schiuli  von  Blatt  A  -  das  mit  ^oiiinia  se- 
cundaria et*'  schloü  —  unten  am  Rande  nochmals  hingeschrie- 
ben worden,  wie  das  ja  Irüher  zur  Erleichtrrung  des  Lesers 
sehr  oft  üblich  war.  So  *'rklärt  ^ieh  auf  sein-  einfache  Weise 
das  zweimaÜK^  Vorkommen  der  Worte  ignohiliora  (resp.  igno- 
hilial  in  omni  subieclo  nul  p.  .VJ,1()  und  59,30. 

Die  lli!ran/,ii?liunpr  iler  Sihritl  Wilhelm's  nun  ffa*  die  Re- 
zension des  Textes  des  (iundissalinus  war  ledijitlich  eine  se- 
kundäre; sie  geschah  in  der  Weise,  daü  der  Text  derselben 
beim  Schwanken  der  Lesarten  der  Manuskripte  des  Uundissa- 
linus  dazu  diente,  die  Lesart  des  t-inen  der  leUleren  zustutzen. 
Ich  habe  mich  also  an  d<'n  meisten  Stellen,  wo  die  Lesai'ten 
tler  Manuskripte  von  einander  abwichen  und  sich  nicht  andere, 
innere  Gininde  für  die  Bevorzu^runK  der  einen  gellend  machten, 
för  die  Lesart  entschieden,  die  auch  von  (luilclmus  gel*oten 
wurde.  Namentlich  ireschah  dies  hei  Abweichungen  der  trleich- 
werligen  (Codices   /'  und   M  ^}. 

Betrachten  wir  nun  die  4  Handschriflen  des  Gundissa- 
linus  nach  ihrem  Wert  für  die  Textesrezension.  Dieselben  zer- 
fallen in  zwei  Klassen :  eine  gute,  vertreten  durch  /'  und  M,  und 
eine  schlechte,  bestellend  aus   C  und  X. 

/*,  zu  dem  wir  uns  zunäclist  wenden,  ist,  wie  ein  sehr 
alter,  so  ein  sehr  guter  Codex.  Zwar  ist  derselbe  keineswegs 
fehlerfrei;  er  oniliAll  vii-hnctir  eine  sehr  griitäi'  Zahl  von  Ver- 
derbnissen-)*  einige  Lücken  '} ,  ihx-h  allrs  »hcs  im  Vergleich  zu 


')  An  mehreren  Stellen  scheinl  sogar  Guilelmus  ganz  allein  gegen  alle 
flbrigcn  Manuskripte  das  Richtige  bewahrt  zu  haben.  Vgl:  8^)  subetantja 
adä  ex  f.f'nii.  —  ^7,5  aut  destruitur  destructa  sustinentift  essenlia  aäder  (iuil, 
«^  33,13  erit  modus  inlelUgendi  oJd  ex  Guil, 

')  Ich  habe  mir  über  200  sitlcher  SLetlen  aufgezeichnet ,  die  hier  anzu- 
führen sieb  cnlbrigt.     Man  vgl,  den  kril.  Apparat. 

')  Eb  finden  »ich  deren  in  V  nur  11,  »gl.  Ii,4  f.  —  \2^  -  16,19  C  — 
18|7.8Ä  _  26^  _  27^  r.  _  29,12   -    32,18  f.  -  37,19.     Die  grAßle  dewel- 


78  Gundissaliaus  De  initnorlalitate  animaö. 

den  Handschriften  der  schlechten  Klasse  in  nur  geringem  Maße. 
Vor  allem  nher  ist  P  so  jful  wie  völlig  frei  von  Emendalioneii 
oder  fiitHrpoliiÜoneri.  Fftr  den  Werl  von  P  spricht  auch  ilit» 
bfzi'iclinendt'  Thalsachc,  diili  tliose  all*'  HaiKlschrifl  an  sehr  vielen 
Stellen  dmrli  den  Text  Wilhoim's  j^eslfitzt  wird'). 

Auch  eine  Anzahl  der  Verderbnisse  ist  derart,  daß  sie  eher 
für  als  pegeii  die  Trene  von  F  sprechen.  Sie  zeijren  näTiilich, 
da&  der  Schreiher  von  P  ein  ziendich  iingelehrter  Mann  war, 
der  seine  Vorlage  zwar  gewissenhull  nachmalte,  von  dem  Inhalt 
des  Geschriebenen  selbst  aber  nichts  oder  wenigstens  nicht  viel 
verstand.  Dies  beweist  die  haulige  Verwechshing  der  Gornpen- 
dien  verschiedener  Worte,  die  riutietlirli  ähnlich  waren,  nieist 
jetloch  tranz  verschiedenen  —  hiuiHiJ  geradezu  entgegengesetzten 
—  Sinn  hatten:  7..  B.  <he  Verwechslung  von  (I7,2J  eä  (=  eam), 
was  stehen  muti,  und  CÄ  (^=  cauÄiim);  von  (IS,2)  cfl  (=  cum) 
und  en  {=  eum) :  von  (-?ö,20)  cä  (=  causam)  und  cft  (=  cutn]. 
Ferner  geliürl  hierlier  die  Henierkung,  daß  P  da,  wo  niaior  ste- 
hen nujU,  dafür  minor  einsetzt  (15,15— :äO,8. 12— ^*.».24  — 
.13,19—35,9),  sn<l:inii  «lie  Vertauschung  von  euius  und  eius 
(:äO,4>. 1 1 . 1 3) ,  von  (]Mam  uiul  quein  (äl.fi.tC)),  von  leciione 
und  locutione  (^Kllt  und  Hi),  von  aptum  und  apertum 
(äl,ä4),  von  quidom  und  quid  (i?^,3),  von  et  und  id  est  (2ä,*i); 
sodann  die  irrtiurdichc  Schreibung  des  Pronomens  aliquis  lur 
alius  (4,IK  — äO,:ä.1-),  von  incorporalis  für  incorruptibitis  (i::*,lH), 
von  declarauinius  für  de(eririitiauirnus  (d*J,[!iK  vun  naluraruim 
für  materialium  (?<,l>^)  und  von  innaluralibns  für  irnmaleriHli- 
bus  (9,10). 

Ili4-rlier  geliArt  auch  die  schwierige  Stelle  33.18  f.,  die  für 
die  Alt,  wie  P  gesilirieben,  ctiaraklerislisch  ist.     Hier  haben  M 


ben  (lÜ.IH  r.j    uml'a&L  \n  Worte;   sie  und  noch  3  andere  (18,8  und  36.2)  sind 
Tolge  eines  IlumotcIeulonH  enlätand^n. 

M  Ich  lialw  Ober  200  eolctier  Stellen  i^eriiDtlen,  w3tirend  C  und  A'  nur 

angcHihr  die  HUlflc  von  derartigen  Stellen  aufruweiBen  haben.    Aub  dieser 

jQen  Zahl  derSlellen,  nn  ilnnen  /*  diirfli  Wilhelm  t;e«iint2l  wird,  »eii^e  irli 

er   nur    iiiiC   l'olgemle    hin      1,11   -  2,1  -  ;i,1.2.;i  -  -l,!»  -  ri,l(;.2-l- 2r)  — 

18    -    Hl,»i  —    U,I2—    18,15  --21.11  -  22,1»»  -    24.1  -  28.14  —  33,21 


1.  ^'extesgriindlage.  i9 

Und  GuiMwus  allein  die  einzig  riclilige  Lesart:  -viibito  autem 
iiUelligere,  cum  inU'lligere  non  sit  nisi  per  bewahrt.  P  aber  ist 
nächsldem  vtTbältnismi'iiäig  ain  treuesten  und  Kuv^Tlftssigstcn ; 
dorm  or  hat  nur  —  offenbar  infolge  dt-s  Homotclculons  cum 
inti'lligi'jv  uusgoi;.lti^en  uiui  itilblge  lalüclieii  Lesi-ns  für  .sit"  „lit" 
gtsciirieben ,  C  indes  mit  seinem  cum  intelligore  sit  per  und  N 
mit  cum  intelligere  nisi  sit  per  scheinen  doch  wohl  absichllifti 
omendierl  zu  sein. 

Auüordetu  spriilit  lür  die  Zuverlässigkeit  von  F  der  Um- 
stand ,  data  fJep  Schreiber ,  der  sich  offenbar  redlich  bemühte, 
seine  Vorlage  nach  besten  Krflften  zu  entziffern,  :in  mehreren 
Stellen,  wo  ihm  Hies  nicht  möglich  war,  nicht  zu  J'iner  Kon- 
jektur gi'iff,  süiulern,  sein  Unvermögen  ringeslehend,  eine  Ruch- 
stabenlücke lieii.  Es  geschah  dies  an  folgenden  5  Stellen:  1,11 
diflidentibus  —  19,1  sensationeni  —  20,H>  nuda  —  d:i.3!ä  nee 
attingit  —  :i2,ir»  innenire. 

Infolge  seiniT  gnjöeren  Treue  und  seines  Alters  ')  fol^fc  ich 
f  in  einer  Reihe  von  Ffillen  von  geringcror  Reileiiturig,  nAni- 
lich :  I.  in  der  Wortstellung,  deren  Ab\vei<-hnngen  in  tien  ver- 
Schietienen  TexlL[ui'lli*u  überaus  häulig  sind.  ^.  an  ileuzahlliisen 
Stellen,  wo  quud  und  quiu  (tiäulig  auch  quoniamj  mit  einander 
verlaus<'.ht  sind.  Diese  drei  Worte  nämlich,  die  in  jener  Zeit  ge- 
wöhnlich für  den  Acc.  c.  Inf.  (oiier  auch  für  ul)  stehen,  werden 
ohne  jede  Bedeutungsnüantiei*ung  abwechselnd  gebraueht.  :t.  In 
den  (iebrauch  von  aut  und  uel,  i.  von  ei*go  und  igitnr,  die 
auch  beständig  abwechselt»,  und  5.  von  e  conuerso  und  e  con- 
trario, die  elienfalls  fortwährend  vertauscht  sind. 

In  allen  diesen  Fällen  folge  ich  gewöhnlich  P  —  ausge- 
nommen allerdings  den  Kall,  wenn  alle  übrigen  Textquellen  da- 
gegen sind  — ,  nicht  als  ob  ich  glaubte^  daü  die  Lesart  desselben 
stets  die  genuine  des  Arclietjpus  wäre ,  sondern  nur  ^  da  hei 
jenen  geringfügit<en  A'ertaiisrhutigeii  vollkommene  Willkür  ge- 
herrscht hat,  um  wenigstens  nach  einem  festen  PrifKip  zu  ver- 
fafiron. 

Trotz  der  gro&eu  Vorzüge,  4lie  /*  aufzuweisen  hat,  sind 
Beine  Verderbnisse  doch  so  zahlreich  und  demrtig,  datj  es  nicht 

»)  H.  oben  S.  iü. 


ao 


GuDdlMalinns  De  immortaliUt«  tnimaft. 


möf(lit'h  ist,  mit  ihm  allein  —  auch  nicht  mit  Zuhilfenahme  des 
Guilflnius  —  eine»  braurliharen  Text  der  Schrift  des  Domi- 
ni cus  hpHcusIpllcn. 

Daü  dies  rloch  ni6g1icli  gewest^ii  ist.  danken  wir  dem  zwei- 
ten Vertreter  der  puteii  Klasse,  unserem  M.  Derselbe  steht  /*, 
mit  dem  er  seiner  Ab^tammunK  nach  verwandt  ist ,  wie  an 
Aller ') ,  so  an  Wert  ungefähr  gleich.  Allerdings  scheint  sich 
das  Wertvcrhällnis  zu  Gunsten  von  M  insofern  zu  verschiel>en, 
als  von  den  /.iemlirh  zahlreiclu^n  Stellen,  an  denen  J/ von  P 
abweicht,  l)ei  weitem  die  grötiere  HSifle  von  M  richtig  über- 
liefert ist ').  Auch  eiitlullt  J/  fast  gar  keine  Lücken.  Nament- 
lich aber  ist  M  da<liircli  wichtig,  dali  rr  uns  an  mehreren  Stel- 
len entweder  ganz  jiHein,  oder  nur  im  Verein  mit  dem  Guilel- 
nius  das  Hiclitige  bietet  ').  Wtlhi-end  also  M  sozusagen  von 
grölierem  praktischen  Nutzen  (ur  die  Textesherstellung  ist,  so 
darf  man  tlocli  di-n  objektiven  Wert  von  /*  dt^hnlh  nicht  ge- 
ringer aiisirhlagen.  Denn  wenn  man  im  allgemeinen  mit  Recht 
in  dieser  Hinsicht  dun  Handschriften  den  Vorzug  giebt,  die  von 
ungelehrlen  Schreibern  gewissenhaft  —  ohne  VeretAndnis  des 
liilialtes  —  nachgemalt  sind,  so  ist  vvieiier  P  im  Vorteil,  dessen 
Schreiber  ja  ein  s<>lrtuT  iiiigeMnler  Mann  war.  Wenn  auch  die 
Zahl  der  Verderbnisse  in  iHesem  Falle  eine  grofae  ist,  so  ist 
doch  die  Gefalu*  einer  b e w u til en  Emendation  völlig  ausge- 
schlossen;  auch  das  unbewußte  Einsetzen  eines  synonymen 
Ausdrucket^   für   den    in  der  Vorlage  stehenden  ^)  tritt  nicfiL  ein. 


*}  8.  olt«n  8.  et  unil  lifi. 

*)  Olier  400  Stellen  tiind  Rbweicheml,  nber  2S0  dersetbea  haben  die 
genuine  Lesurl  bewiihrl.  Ks  urflbrigl  sich  wolil ,  alle  diese  Stellen  hier  zu 
notieren  ,  da  ja  oin  Blick  auf  den  kritischen  Apparat  den  Beleg  giebt.  Ich 
begnQge  mich,  auf  die  folg(«nde  Anmerkung  zu  verweisen,  in  der  die  be- 
sonders wichtigen  StHlen  veixeichnet  sind. 

")  Hier    küuiiiiou     Tulgende  Stellen  in  Iktrachl:    2,4  —  2,16  (mit  Gtul.) 

-  4.12  (tfiiiV.}  -  fi.lli  i^'MiY.)  —  8,11  -  10,4  —  lO.tO  —  11,20  (GmiV.) — 
11^  -  12,3  ((.'iii7.).  H  -  13,16.20  f.  (Oiii/.).  81.  2S  [Ouit.)  ^  U.a  (Giifl;). 
9  {UuiL).  23  {Ona.)  —  16,1  -  IMfÜMiT).  7{G«(7.)  -  llJb{Guil.).  ll(Ouii.). 
19  {(iuil.)   ~   18.17  —  1»,13.U  -  217.11  {Guil).  12  -  22.3[Ö«»/)  -  24,18  f. 

-  «7,17  —  Ufl.C  (iJun,)  —  32,17  iauil.)  -  34,24  -  37.10  f. 

*)  Wie  dies  wohl  jedem  mit  VerslAndnis  Absrhrei tuenden  gelegent* 
lieh  onterlSuft. 


I.  Textesgrundlage.  81 

Der  SchrfibiT  von  M  nun  war  zweiMsoline  ein  Mann,  der  ganz 
gut  verstand  f  was  er  sclirieb,  und  dem  wir  in  der  Thal  un 
einigen  Stellen  die  beiden  der  vorher  erwähnten  Textändemiigen 
nachweisen  icönnen  ').  Alles  in  allein  betraclitel  stehen  sich 
also  M  und  P  an  Wert  so  ziemlich  gleich.  Aus  den  Abwei- 
chungen ergiebt  sich  id»rigens ,  dalä  P  und  M ,  wenn  sie  auch 
derselben  Familie  angohört-n,  nicht  auf  dieselbe  Vorlage  üurück- 
gehen;  es  ist  vifJnielir  noch  je  ein  Zwischenglied  anzusetzen. 

Auf  diesen  beiden  Handscliriften  also  beruht  hauptsiU'htich 
der  Text  von  Dominicus'  Traktat.  Neben  denselben  treten  C 
und  jV,  die  Vertrol(?r  der  schlrchlen  llandsehrilli'nklasse,  hei  wei- 
tem zurück,  lileieliwohl  aber  sind  auuli  (tie:je  nicht  ganz  zu 
entbehren,  da  sie  an  mehreren  Stellen  allein  die  richtige  I^esart 
bewahrt  haben  ■). 

In  C  sind  die  Verderbnissi*  noch  zahlreieher  als  in  /*"); 
uutierdeni  ist  der  Text  durcli  eirte  grol'te  Zahl  von  zum  Teil 
recht  ansehnlichen  Lücken  entstellt  *).  Auch  die  Zahl  der  Stel- 
len, an  denen  C  mit  Guilelniu^  die  richtige  Lesart  aufweist,  ist 
geringer  "j.  Was  al>er  vor  allem  ilen  Wer!  von  f'  herabselzl. 
ist  die  Thatsache ,  dali  er  an  mehreren  Stellen  Interpolationen 
oder  Emendalionen  aufweist.  Viele  derselben  Ünden  sich  auch 
in  .V.  rühren  also  bereits  aus  dtr  Vorlage  beider  her'|. 

iV,  zu  dem  wir  uns  nun  wenvien ,  zeigt  groLie  Ähnlichkeit 
mit  r.  Er  weicht  zwar  in  einer  ziemlich  l)etnichtlichen  Zahl 
von  Frdlen   von  ('  ab  ') ,   stimmt  aber  gerade  an  den  charakte- 


>)  Vgl.  5.28  -  7,13  -  7,28. 

»)  Vgl.  2r>.19  f.  —  3I.iy  —  35.2-1. 

')  Gegen  300  solcher  Stellen  habe  ich  ges^nnimell! 

*)  C  colhült  deren  insgesanil  mehr  als  40  mit  Qber  *210  Worten! 

^  S.  oben  S.  78  Anm.  1. 

•j  Vgl.  l.U  -  3,U.13  -  4,10  ff.  —  8,r>  —  It/ivl  —  11.16.21  -  \'2,2  — 
ia,lü.24  -  14,4.12  —  I5,2i;  f.  —  17,4.10  —  21,11.111  —  24,1  —  2ti,lä  -  30.11 
.12,11.  —  An  allen  diesen  Stellen  finden  «Ich  die  Emendalionen  in  (■  und  -V; 
allein  ist  C  an  fidgenden  Stellen  emendiert :  2,21  —  lO.L'-.f  —  18J  —  22.20 
—  23,151  —  24,23  —  2.M  —  a6,2!>.22  —  27,15  —  2ft,in  -  Äi,ft  r  —  3l,li  - 
32,2  —  35.14  —  3fi.3. 

*J  Vn^etÄhr  4<X>  Stellen,  die  al>er  zum  Teil  gerj ngrii^iger  Natur  sind, 
z.  B.  die  Vertaus<-hung  von  (|Uod,t|uia.  quonlnni,  ergo  und  igilur,  erontrario 
und  e  conuersü  u.  a.  m. 

BaitrAgc  II.  S.    BUlüw,  UandiuAliuns.  6 


I.  Taxte^rundlage.  83 

er  etwas  weniger  emendiert  ist ,  namentlich  aber  nicht  so  viel 
Lücken  aufweist  als  jener.  N  ist  nicht  aus  C  selbst  und  auch 
nicht  aus  derselben  Vorlage  wie  jener  geflossen ,  sondern  es  ist 
je  ein  Zwischenglied  anzunehmen. 

'X  Als  sekundäres  Hilfsmittel,  um  bei  schwankender 
Lesart  der  Mss.  die  des  einen  derselben  zu  stützen,  dient  der 
umgearbeitete  Text  des  Guilelmus.  Die  Handschrifl.  die  dem 
Äuvergner  bei  seiner  Bearbeitung  vorlag,  gehört  keiner  der  bei- 
den Handschriflenfamilien  an,  sondern  ist  wahrscheinlich  vor  der 
Abzweigung  derselben  entstanden  ,  wie  aus  den  vielen  Stellen 
hervorgeht ,  die  Guilelmus  mit  Familie  A  (gegen  Familie  -ß) 
einerseits  und  mit  Familie  B  (gegen  A)  andrerseits  gemein- 
sam hat. 

Es  ergiebt  sich  also  folgendes  Stemma: 

(ü) 


/ 
Gui/ehnUH 


I    \       I    \ 

(X)     (Y)        (V)     (W) 


M  V       X 


B4 


Gundissalinus  [)e  imiiiorUlilate  aniiiin«. 


IL  DIE  AUTORFRAGE. 


Des  Dotninicus  Gundissiiliniis ')  Sclirifl  ilr  iiniiior- 
talitate  uniina  e.  deren  Texl  im  Voiuiiälelicüdeti  zum  wstwi 
Mide  ediert  ist ,  war  der  golehrlen  Welt  lange  Zeit  so  gut  wie 
uid)ekannt  -).  Die  erste  Nachricht  von  derselben  gab  Jourdain 
in  seinen  Kccherches  criliques  sur  Tage  et  Torigine  des  tra- 
duclions  latinea  d'Arislote  ^),  wo  er  auch  don  Anfang  des^^Traklates 
aus  unserem  Codex  /*  vei-öffentliihti'  'J.  Die  Angaben  Jour- 
dain's  verwertete  Menondez  Pelayo  in  seiner  Historia  de  los 
heterwloxos  espanok's  (Madrid  IS781.  'I 

Diesrn  beiden  Gelehrten  entging  jedoch  die  Thatsache  '•), 
6aü  sich  unter  den  Werken  des  Guileltnus  Aluernus  (oder 
Parisien sIs)  eine  Abhandlung  df-  inimotiafttnff  anhmie  findet, 
die  mit  der  *ies  norninicus  tÜc  allei-gröLile  Ahnlirlikeit ,  ja  an- 
scheinend fast  wörtliche  Übereinstimmung  vaA^I.  Aui*h  Valois 
scheint  dies  nicht  gcwuiil  zu  habt-n ,  da  4'r  wenigstens  in  seiner 
schon  mehrfach  envühnten  Monographie  (luildnie  trAuctrgnf 
(Paris  ISKO)  darüber  nicht  sprirlit.  Auch  Currens,  der  (a.  a. 
O.  S.  34  f.J  auf  die  Schrill  des  noniinicus  Bezug  ninuid,    er- 


')  Die  Namensform  (jundissalious  (oder  Gondissalinus)  ist  haod* 
schriftlich  besser  bezeugt  als  die  Form  (t  undisalvi.  Vj?f.  hierüber  P.  Cur- 
rens:  Die  dem  Buethius  t^lsi-hlJch  zugeschriebene  Abhandlung  des  Dominicuä 
<:un<li.«al.i  de  unttate  (Bacuniker,  beiLr.  z.  Gesch.  d.  PUilos.  d.  Mitlelalt. 
BJ.  I.  Hll.  I.l  Milusler  1«M.  P.  31  Anni    1. 

'')  S  oben  S.  07  und  uiileu  S.  K'i  Aiim.  3.  Le  F^ron  hatte  die  tou  üim 
edierten  kleinen  Stflcke  der  Schrift  des  Gundissalinus  nicht  als  solche 
erkannt. 

•J  S.  113  der  neuen  Auiigabe,  Paris  1843. 

•    Ebd.  S.  4r><).    S.  üben  S.  (iL 

*)  S.  4tX>. —  Menendez  dn:ckt  tiucb  cbendtiselbst  das  von  Juurdain  publi- 
cierte  StHck  ab.    S.  oben  ö.  Hr. 

"j  Was  liei  Jüurdain  einigermafien  auffallen  könnte,  da  er  doch  — 
wie  aus  S.  '2%1  ft.  seiner  ächrilt  berTorgcht  —  sich  zJemlii-h  eingehend  mit 
den  \Vert;en  de«  Guilelmus  Aluernus  be^cbfiftigt  biiben  mu&. 


II.  Die  AiiloiTiaiie.  ^■'  8S 

wähnl  davon  nichts,  ebensowenig  Werner  ')  und  Darden- 
hc'wer  '^).  Zuerst  macht  Loewcnlhal  (Pseiiäoarislotck-s  über 
die  Seele.  liortin,  l8tM  S.hd)  auf  die  Ueziehnnp;  der  beiden  Trak- 
lale  jinfinerksaui.  Seinn  Heint*rktin^r''ii  JotJoch  zeigen,  rlati  er 
höchstens  den  Anfang  der  beiden  Scbrirtcn  mit  eigenen  Augen 
gesehen  hat**);  trotzdem  aber  stellt  er  xiber  dieselben  kühnlichst 
Behauptunpen   auf,    die   natiirlidi    ain  Ziele  vnrbeischietäen.     Er 


't  Karl  Werner,  Die  Psychdln^'ic  iles  Wilhelm  von  Ativci*pne 
{Silzgsbr.  d.  k.  Akad  d.  Wissennliuflen  z.  Wien.  Philo*,  liisl.  Kl.  BJ.  70, 
Hefl  2.  S.  2Ö7  ff.)  und  Wilhelms  von  Auvergn«  Verhallnis  zu  den  Plalonikern 
des  XII.  Jbrhdt».  tSitigslwr.  tl.  fc.  Akad.  Wien.  Philos.  hi.st  KI.  Bil,  74JS7:t. 
S.  nü-17->). 

*)  Otto  Bordenhewer,  Die  pseudo-anstolelische  Schiifl  über  das 
reine  Gul*»-,  hekannl  unter  dein  Namen  Liher  i!e  caiisi«.  Freilpur^j  1KÄ2. 
S.  12S. 

■j  Ob  Loowenlhal  *ien  Traktat  Wilhelm's  ilberhaupt  in  Händen  ge- 
habt hal,  muü  hßi-hst  zweirt-ihafl  erscheinen,  da  er  selbst  (S.  119)  zugielil, 
dsiti  „die  belrenTende  Kililion  (Wilhejm's}  ihm  voMkomtnen  unziiifänglich 
wiir".  Duraus  vermutlich  erklärt  sich  auch  der  Irrtum,  —  den  er  selbst  Crci* 
lieh  als  neue  Entdeckunp-  betrachtet  — ,  der  ihm  mit  der  Vorrede  zum  Sup- 
|ilenienlband  der{]*lT4erl  Aufgabedes  Wilhelm  begegnet  ist  Locwenlhal 
bebnupLeL  nümüdi ,  d.iß  der  Heiausgeber  in  jener  praefatio  mitteile,  „diift 
sich  in  der  ed.  Venedig  1591  der  Werke  Wilhelm'»  eine  nndore  Version 
de»  Über  de  immnrtalilate  befinde*  und  daß  „der  VerPasser  da;«  zweite  Kapite! 
von  den  dreien,  in  welche  das  Werk  in  der  ed.  Venedig  zerHllIt ,  mitteile.' 
Die  Wahrheit  nun  ist  so  ziemlich  das  Gegenteil.  Die  jöoijere  edilio  von 
Hi74  nämlich  enthält  nach  ausdiflcklieher  Angabe  ihres  Herausgebers  Le 
Feron  —  deren  Wahrheil  ich  bestätigen  kann  —  denselben  Text  wie  die 
ältere  ed.  Veneta  von  1591  ^Le  Feron  sagt:  .Venelam  editionem,  quam  «• 
quitur  haec  recenlior*  s.  auch  oben  S.  G8).  Die  andere  Hezen.^ion,  von  der 
lii-  Fcron<priclit,  und  von  der  er  die  beiden  ersten  Kapitel  [nicht  blns  daszweite, 
wie  Ijoewenlhal  angiebt)  mitteilt,  entstammt  nichl  der  ed.  Vcnetn,  ^iondern 
einem  codex  Curnotensis  (unserm  C;  s.  ob.  S.  69  t)/den  er  neu  aurgeTunden. 
und  aus  dem  er  den  ganzen  Supplementband  herausgicbt.  Er  hält  nümlich 
den  im  (.^rnolensis  enthaltenen  Triiktal  tir  imtuoiinlUnte  (der  dem  GiindissaU- 
nus  angehört)  irrtümlich  för  ein  Werk  Wilhelm's  und  teilt  jenes  Stock 
behufs  künftiger  Kmendation  des  Textes  Wilhelm's  mit  Unrichtig  ist  es 
ferner,  wenn  Loewenlhal  behauptet,  das  erste  Kapitel  sei  «wfirtlieh*  iden- 
tisch mit  dem  von  Jourdain  mitgeteilten  Anfange  unserer  Schrift.  Das  ab- 
gedruckte Stück  w?ist  sogar  von  seiner  Vorlage  (unserm  C)  eine  g^nze  Reihe 
von  Abweichungen  auf  (6..Db.  8.  69  Anm.  3),  um  «.o  mehr  von  ^oardain'» 
Text,  der  auf  P  zurückgeht  ...  .     .  _ 


II.  Die  Auiorfrage.  87 

die  Übersetzung  des  Föns  uitae  des  jüdischen  Philosophen  ihn 
Gebirol  ').  Auch  eigne  philosophische  Schriflen  werden  dem 
Gundissalinus  zugeschrieben  -): 

1.  de  unifate  ^), 

:2.  de  anima  *) 

3.  de  processhne  mutufi  •*)  (oder  de  creafionr  munfii}^ 

4.  de  diuisiom  philosophme  *■). 

Guilelmus,  nach  seiner  Heimat,  der  Auvergne  (wo  er  zu 
Aurillac  geboren  wurde)  Alvernus,  nach  dem  Orte  seiner  Wirk- 
samkeit auch  Parisiensis  genannt,  lebte  ungefähr  ein.Jahrhun- 
dort  nach  Dominicus.  Erst  Hörer,  dann  Lehrer  an  der  Uni- 
versität Paris ,  bekleidete  er  seit  l  :228  den  Bischofssitz  jener 
Stadt  und  starb  1:240  ').  Außer  zahlreichen  theologischen  Ab- 
handlungen *) ,  die  uns  hier  nicht  interessieren,  verfaßte  er  auch 
philosophische  Schriften,  deren  Namen  sind:  1.  de  trinitate '•'), 
'2.   de   uniuerso  ^'') ,    3.  f/c   anima  ^^).     Außerdem   wird    in   allen 


')  Diese  Übersetzung  ist  kürzlich  nebsl  austöhrlichen  Prolegoinen.i  her- 
ausgegeben von  Clemens  Baeuinker  in  s.  Beilr.  zur  Gesch  d.  Philos.  d. 
Mittelalters  Bd.  I.  Hft.  2-4.  Manster  1895. 

*)  Vgl.  Loewenihal  a.  a.  O.  S.  13.    Gorrens  a.  n.  0  S.  31  ff. 

")  Die  Schrift  wird  dein  Dominicus  beigelegt  von  Haureau:  Memoire 
»ur  lu,  vraie  source  des  erreurä  altribu'es  ä  David  de  Dinan  (Meni.  de 
l'Acad.  des  inscr.  t  XXIX  deuxiöme  partie  Paris  1879  S.  311)  ff.);  vgl.  auch 
Haureau.  Hist.  d.  1.  philos.  scol.  U,  1  S.  Bl  u.  Ueberweg-Heinze,  7. 
Aufl.  II.  S.  184.  Erschöpfend  bewiesen  wird  dies  erst  durch  Gorrens  a.a.O. 
*)  Behandelt  u.  z.  Teil  herausgegeben  von  Loewenthal  a.  a.  0. 

^]  Abgedruckt  bei  Menendez  Pelayo:  Hist.  d.  l.  heterod.  esp,  J, 
üyi-7U. 

")  Noch  unediert;  vgl.  Gorrens  a.  a  0.  S.  31  f.  Ebenda  s.  über  die 
fälschlich  von  Haureau  dem  Gundissalinus  zugeschriebene  Abhandlung 
de  ortu  scientiarum. 

')  Vgl.  Baumgartner  a.  a.  0.,  wü  auch  die  nähere  Litt,  angegeben 
ist.  Außerdem  vgL  noch:  Oudin:  Script,  eccl.  Hl,  73t  f.  Jourdain:  Re- 
cherches  cril.  288  f.  Bardenhewer  a.  a.  0.  8.224.  Stöckl:  Gescdlh. 
Philos.  d.  Mtllelalt.  Mainz  1865  II.  S.  32d.  Hauräau:  Hist.  de  la  philos. 
scol.  n,  1,  S.  143  f.  Ueberweg-Heinze^  II,  S.  ^9.  —  CaUlogue  gänära. 
des  manusctits  des  bibl.  publ.  de  France.    Tome  X(  p.  172  (N.  377). 

»)  S.  Stöckl  a.  a.  0. 

")  Baumgartner  S.  2.    Valois  a.  a.  0.  S.  162. 

'")  Vgl.  Baumgartner.S.  2.    Valois  S.  161. 

>*)  Bauiugartner.  a  3  f.    Valois  S.  166. 


nunilifsulinus  U«  iininortalitute  nnimae. 

itcn  Toxit'squellcn  '|  der  Werke  Wilholprs  unter 
inom  Numon  der  Ti-nktil  de  immorialitfitr  mütHtu  veröffenU 
lil ,  drr .  wie  Iteteits  oben  =1  iTwäliiil ,  iiiil  der  gleichnainijfrn 
»handluiig.  die  in  P  dein  Dominicus  zugeschrieben  wird,  die 
aöto  Ahnlirlikcil,  ja  l>ei  oU-rfläcli lieber  Belmehtung  last  völlige 

Eiiislitunuuig  ni  zei^^n  Steint  '*). 
Der  erste  (redauike  bei  Beb-achtun^  dieser  audnllenden 
achi"  L-st .  an^re^irbts  des  Allers  und  der  AutoiitAt  von  [\ 
r,  ttn  ein  Vrr:aeh«n  biblit^jrnipliiscber  Aii,  an  einen  Irrluni  — 
tihl  wfüiper  an  eine  absiehtlicIiL*  Fälschung)  —  der  Hand- 
!lriAMsrlimb<T  oiler  I4emusgeber  zu  glauben  und  anzunebmeji, 
§  «K»  Schfifk  tu  Unrecht   unb>r  ilen  Werken  des  Alverners 

Dkw  Annalime  jedoch  wird  diinli  (iiiilohnuä  selbst  wi- 
rir^,  iVnn  derselbe  beruft  sich  an  zwei  Stellen  seiner  Schrift 
auf  eine  trüber  verfaßte  Abhandhing  ilf  immortnlitate 
kmttMtiiftrut».  Er  s;igl  du  ') :  ^hiiri  aulciii  l'eci  te  >cire  in 
»etatu  singulari  de  iiumortalitalc  animarum  tiuma* 
rum.  quoniam  oninis  aniina  irrationulis  niortalis  est  siue 
TUptibilis  ex  nattn-ali  defectibilil;tt<'  su;i  et  rci-idpus  in  nou 
;v.  a  quo  per  oninipolcnti-ni  inrUUeiii  t-realoris  i-ducta  erat 
esse.'  Kur/  darauf  ITihri  er  fort  ■•) :  „De  aniina  uero  ratio- 
3ili  iam  notum  est  tibi  ex  eodem  tractatu  et  etiam  alio, 
a  nohiliores  ar'  prae.-ilaiitiort'S  oporaliortes  eins  sunt  ci  non 
'  corpus,  sed  scorsum  u  corpore,  uidelicct  post  separationein 
illo.- 
lyteav  Stellen,  auf  die  hier  verwiesen  wird,  linden  sich  nun 

Jhlich    iit  dpMi  Traktat  Wilhelms  th  immoiiiditatf  anhnoe 


Im  Ciitlox  ii  und    in   allen  drei  Ausgaben ,    auch  schon  in  der  alle- 
Hl**j,    ubeteicti  dieselbe  nur  eine  vcrhaUnismäfsig  ^erinue  Zahl  (11) 
fn«n  DiithAK  und  gerade  die  wichtigsten:  de  trinitate,  de  uniuerso, 
il»  ih^toriM  diuina  nicht  »ufweisL    S.  «uch  oben  S.  72  und  75. 
I*  wb.  S,  72  und  »4  ff. 

iJ**  "»«rden  weiter  untAn  (S.  92  ff,)  eine  eingehendere  Vergleichung 
'  |*w«»«hmen. 

omn.   ed;   Aupliae  1G74  Supplem.  S.  r2  col.  a.     Auch  Valois 
Hüureau:  Xolices  et  exlräit«  führen  diese  erste  Stelle  an. 
***  fttcllfl  wird  v6n  Vuloit  und  Haurtju  nit-lit  erwähnt. 


II.  Die  AuLorfrag«.  ^^^^F  RH 

vor.  Die  erste,  welche  von  der  Slerblichkt-il  der  aninia  irnitio- 
nalis  —  die  sonst  Kewfthnlich  aiiima  animalis  odt-r  bnitalis 
lieiül  —  hatiilfit ,  Ipspii  wir  in  dem  ohon  als  Appendix  edierten 
'n-xl  Williflm  s  auf  S.  i.\  :i-ir»  i|: 

^Quod  si  quis  quacral  de  anima  animali  siue  bmlali ,  an 
iramateriatis  forma  el  ipsa  sit .  oportet  respondei*e,  quia  maleria- 
liiim  formanim  duae  sunt  maneries :  una ,  quoe  totaliler  inniti- 
tur  ei  incumbil  malenae  suae  et  non  refrit  noque  sustinel  eani 
iiUo  modo,  sed  ^nslinetuv  ab  ea,  et  haer  est  forma  proj)ric'  cor- 
poralis :  alia .  rni  potius  innititur  sua  materia  et  sustinetiir  i't 
regitur  ab  (*a.  Verumtamen  non  est  operatio  huius  forraae 
uisi  in  materia  r^im  el  per  eam ;  et  ideo  apparet .  qund  eins 
easenti»  extra  matrriairi  suam  otiosa  üssrt  el  iiititilis.  Hör  igi- 
tur  modo  foniia  materialis  est  anima  brutaiis  et  uegetaliuu.  hoc 
est  ex  materia  sLia  dependens,  et  qiiantum  ad  esse  et  qtiantum 
ad  operari ,  et  ruin  de:itructiom'  suae  malmae  destniclibilis, 
siciit  liquor,  qui  serriatur  in  \xase ,  deslriiitur  destructione  uasis 
et  igiiis  in  lignis ;  licet  istae  dissimiles  sint  niultum  ei .  propter 
quod  induounlur.'' 

Das  zweite  Citat,  in  welchem  die  Rede  davon  ist.  daii  die 
opiTatio  der  aniniu  ralioriulis  unabliängig  ist  vom  Korjjer,  lindot 
soj^ar  durrli  zwei  Stellen  *)  der  Schriß  von  der  Unsterblidikeil 
der  Seele  seine  Restälipung.  Vgl.  oben  Guilelmus  S.  i2, 
li— 18"): 

»Onmis  subsiaiilia,  cuius  operalio  non  pendel  ex  corpore, 
neque  eins  essentia  pendet  ex  corpore.  Liberior  enim  debet 
esse  essentia  quam  operatio.  (ium  erjro  operalio  animae  hu- 
manae,  scilicet  illud ,  quo  brutis  antecelUnius,  iil  est  oprnitio 
intelleclus,  non  pendeal  ex  eorpniv,  neqiie  eius  essentia.  Est 
igilur  sepaj'abilis  a  corjwre  naturaliter  el  uiuens  praeter  corpus. " 


•)  Vgl.  auch  oben  meinen  Text  des  Hominicus  S.  0.1(5  - 10,7.  Die 
Stelle  ist  von  Haureau  a.  a.  O.  abgedruckt  und  zwar  nach  dem  Co  lex  P, 
.von  dem  übrigens  H.  irrtümlich  behauplel.  dafi  er  hier  mit  Guilelmu» 
wörtlich  übereinstimme,  während  sich  außer  andern  bei  Wilhelm  z.B. 
eine  Lücke   von  13  Worten  vorfiniel-    (Vgl.  oben  S.  9/23— lu,l  u   S.  45^  f.) 

=*)  Beide  von  Haureau  nicht  erwähnt. 

')  Vgl.  oUeu  Dominicua  S.  &^— 11.   _ 


00  Gundissalinus  De  immorUlitate  animae. 

Norh  schlagender  ist  <\'iv  zweite  Slelk-  {oben  Gu'ilelin. 
S.  43,33-37)  '): 

.Mariifestimi  hx  his.  quod  nohiüssiriia  üpenitro  ac  fortissima 
uirtulis  inlellecliuae ,  quae  est  proplietia  ucl  reuelalio,  tunc 
niaximo  uiget ,  cum  corpus  est  inlirmissimum ,  siciit  in  extasi 
iiel  raptu  paiam  est,  Haer  aiitem  t-st  inaximn  eius  separatio, 
dum  est  in  corpore.  In  oinninioda  igitur  sppai-alione  a  corpore, 
quae  mors  est.  omnino  uigel." 

Es  kann  :4omit  \vohl  keinem  Zweifel  uiiterlieg:en ,  daü  die 
von  Wilhelm  in  (h-  itnimft  cilierte  Sclirill  inJI  dem  unter  seinen 
Werken  viTöflTentürhten  Traktat  ilr  hnuftt-ftiNffifc  ftninnif  iden- 
tisch ist,  und  dalj  letzterer  mithin  mit  Recht  itmi  zugeschrie- 
ben wird. 

Wie  steht  es  nun  uUw  mit  di-ni  Text  im  Codex  P?  Rührt 
derselbe  nicht  von  Doniiniciis  liuniliss;i]in  us  her?  Trägt 
der  Traktat  also  dort  mit  Lijirecht  den  Namen  jenes  Mannes? 
Fast  niß<;htG  es  so  scheinen!  AUerdinKs  würde  diese  Annahme 
an  einer  nii^ht  unbedeutenden  UnWahrscheinlichkeit  teiden. 

Wissen  wir  doch,  dali  F  (s.  o.  S.  0^  f.)  in  einem  der 
ei*sten  zwei  Drittel  des  \'.\.  Jahrhunderts  K*'^'hriel)en  wonlen, 
also  noch  zu  oder  ^nn/.  kui-z  uacti  Lebzeiten  des  Wilheliu 
von  Auvergne  (f  I^+-^  s.  o.  S.  S7  f.).  Bald  nach  1^71  oder 
1375  fedng  der  Codex  aus  dem  Nachlali  des  Magisters  Gerar- 
dus  de  Al»batis  nilla  in  den  Besitz  der  ^Sorbonne  über*}, 
im  der  Hochschutu  der  Stadt  Pajis,  wo  Wilhelm  gewirkt  und 
sogar  den  Bischofssitz  eingenommen  halte.  Es  ist  miÜiin  im 
hohen  Urade  nnwatirscheinlich  .  daU  eine  Schrift  jenes  damals 
altbekannten  nnd  lioclibedeutenden  Mannes  einen  falschen  Aulor- 
nanu-n  nicht  nur  erhallen,  sondern  aucJi  belialten  häite.  Denn 
wemi  man  auch  an  ein  Versehen  des  ungebildeten  und  ungc- 
lehrlen  Schreibers  ■*)  glauben  könnte ,  so  wäre  dasselbe  doch 
wahi-scheinlich  später  richtig  gestellt  worden,  als  die  Ilandschrill 
in  den  Besitz  der  Sorbonne  überging ,  wo  die  Werke  des  wür- 
digen  und  berühmten  Bischofs   doch   wohl  bekannt  waren  und 


*)  Vgl.  oben  DuminJcus  S.  7,20—20. 

')  S.  oben  ri.  ü-i. 

*•)  Wie  ea  der  von  i*  wirklich  war.  f.  oben  Ö-  7d  f. 


]I,  Die  Aulorfrage.  ^^^^^  91 

zweifelsohne  eifrig  gelesen  win*den.  Also ,  nie  gesagt ,  der 
lilaube  an  eine  irrtümliche  Angabe  in  F  sieht  auf  recht  schwa- 
fhen  Fülien,  günzlich  abzuweisen  aber  ist  diese  Vermutung 
nicht.  Denn  es  können  Wrhriltnissc  und  Zulalligkciten  eingetre- 
ten sein,  die  jene  HJcIiligslellung  des  Tilüls  verhinderten  ')• 

Ständen  uns  also  nicht  andere  Argumente  zu  Gebote  als 
jene  beiden  =),  so  wäre  dit*  Frage  nach  dem  Autor  unserer 
Schritt  auch  ternerhin  ein  hihlin^Taphisches  Rätsel ,  «'in  Oogon- 
jitaiid  lief  Controverse,  je  nach  der  geringeren  oder  größeren 
Wahrscheinlichkeit,  die  man  jenem  Zweifel  gegen  P  beimißt. 

Die  Lösung  des  Rätsels  nun  ist  die  Thalsachn ,  daß  wir 
es  hier  nicht  mit  einer»  sondern  mit  zwei  vcrsrhicdcnen  .Si;tu*ir- 
ten  zu  lliun  hahi»n.  Die  erste  dt'rselben .  ivprasenliert  durch 
die  Handschriften  PMCy,\  ist  ini  Voranslehenden  zum  ersten 
Mal  herausgegeben;  die  zweite  ist  die  unter  den  Werken  Wil- 
liehn's  verön'enlliclile.  Letztere  war  bisher  nur  iti  dem  jredruck- 
len  Text  der  drei  Ausgaben  vorhanden,  entbehrte  al>er  der 
hiUidscliriUlicheti  Grundhige  '■]. 

Durch  den  oben  '|  austOhrlich  beschriebenen  Brüsseler 
Codex,  auf  den  :^i(Ii  die  als  Appendix  (oben  S.  H9  (Jll  gege- 
bene Texlcsreernsion  der  Schrill  Wilhelm 's  zum  groben  'IVil 
stützt,  ist  nunmehr  auch  diese  handschriftliche  Gewähr  gewon- 
nen, hl  derselben  wird  die  Schritt  ausdrücklich  einem  W.  pa- 
risiensis  zugesrhrieben  '.  Der  dort  nur<lurih  den  Atilangsbiich- 
slaben  gegebene  Name  wird  in  der  Subskription  '';  Wilhelmus 
ausgeschrieben. 

Diese  zweite  Schrift  nun  fuJJt  vollkommen  auf  der  des 
Gundissalinus;  sie  ist  nichts  anderes  als  eine  -  man  kann 
wohl  sagen  ziemlich  llüchlige  und  ubernüchliche  Umarbei- 
tung jener. 


*)  Z.  B.  langes  Verstectllicjren  der  Hiindschiirt  u.  u. 

*)  Die  CiUte  Wilhelm's  oinerseiU  und  die  Autorilät  vom  /' andi-ci-seilx. 

•)  Für  mich  wenigsten?,  da  mir  die  Oxforder  HdschrfL  (Merton  coKege 
n,  136)  unzugänglich  war  und  ii-h  Zweifel  tu  die  Angaben  von  Vatois  und 
Haur6ftu  aber  dies  Ms.  seUe  s.  ob.  ä.  71,  Aiiin.  3. 

*)  S.  oben  S.  72  ff. 

*)  Wie  oben  S.  72  crwühnU 

«)  S.  üben  S.  73. 


93 


Gundissnlinus  De  immorlulitalc  animiii?. 


Die  endgtUige  Entscheidunij  in  rier  Autorfrage  Iiängl  also 
flavon  nl),  ob  es  gt^lingt ,  den  Nachweis  zu  ITihreii,  daü  die  Ab- 
weichungen der  beiden  Schrillen  auf  bewuiäter,  absichtlicher 
Umarbeitung  seitens  des  Guiloliniis,  und  nicht  bloU  fiu(  Ver- 
sehen, Nachlässigkeit  oder  Emendatioti  (resp.  hiterpolation)  der 
Abschreiber  beruhen.  Und  hier  genügt  es  nicht,  einige  allge- 
meine Bemerkungen  über  diese  UmarbeilunR  zu  machon  und 
dann  den  Schluß  der  l)eiden  Schriften  zu  veröffentlichen  ')  — 
(denn  dieser  weist  gerade  verhilltnismäUig  die  wenigsten  Ab- 
w<>ichungen  auf)  — ,  sondern  hier  gilt  es,  eine  genauere  Ver- 
jfleichuiig  nach  systematischen  (icsichtspunklen  vorzunehmen, 
da  —  eben  wegen  jener  Klüchligkeil  und  Obernächlichkeit  der 
Überarbeitung  —  die  Sache  nicht  ohne  weiteres  klar  au!  der 
Hand  liegt  und  die  Grenzen  zwischen  bewußter,  absichtlicher 
Umarbeitung  und  rein  redaktioneller,  kritischer  Textabweichung 
öfters  etwas  verwischt  erscheinen. 

Verschiedener  Art  sind  die  Abänderungen,  die  Wilhelm  an 
der  Schrift  des  tlundissalinus  geiegenllich  seiner  Überarbeitung 
derselben  vornahm  —  zu  welchem  Zwecke  interessiert  uns  hier 
zumlchst  nicht.  ■) 

Zuni'ichst  in  ilit*  Augen  lallend  und  überaus  charakleristisch 
sind  eine  Reilie  von  Zusätzen,  die  WJllielm  in  den  ihm  ror- 
liegendeu  Text  einfügte.  Die  größeren  derselben,  die  zum  Teil 
ziemlich  umfangreich  sind,  erscheinen  dadurch  besonders  interes- 
sant, dal.i  sie  ihrem  ganzen  Inhalt  uhcIi  auf  Wilhelm  als  ihren 
Urheber  hinzudeuten  scheinen.  Sie  sind  nämlicli  durcliweg 
theologischer  Natur,  was  sicherlich  nicht  dagegen  spricht»  daü 
sie  von  Wilhelm,  dem  Pariser  Bischof,  dorn  benihmten  und 
fruchtbaren  thcülogischcn  Schriftsteller  *) ,  herrühren  können. 
Einer  der  am  meisten  charakteristischen  unter  diesen  Zusülzen 
ist   folgender*):    „Nam    auctoritates  noui   ac  ueleris  teslanienli 


'}  Wie  dies  Haur^nu  a.  a.  O.  gelliati.  Hier  hiin  auch  nicht  die  Be- 
merkung: nc  pöuvaiit  mettte  en  paralliile  tu  tolnlile  des  deux  texles.  Es 
gilt  eb«n.  üie  t-haraklerii^liselien  Abänderungen  bervorzubebca  und 
systematiscli  zusamineftzusteUen,  um  ein  ileutlichcä  Bild  zu  gewinnen. 

•)  S.  unten  S.  98. 

»)  S.  oben  S.  W.  

*)  S.  oben  S.  2,9  (40,1!)  ff.)    Die    erste  der   l>cidea  'ZifTefu   bezeichnet 


II.  bie  Autorfrage.  ^\ 

et  originalium  sanctorum  et  experientias  scriptas  in  dialogo 
beati  Gregorii  papae  et  in  aliis  consimilibus^  quia  de  i'acili  po- 
lerunt  ab  aliis  inueniri ,  ideo  adponendum  hie  non  laboramus, 
quia  scilicet  per  talia  erroneos  philosophos,  contra  quos  nitimur» 
efficaciter  non  cuincemus.  Ad  haec  ergo  sunt  auctoritates ,  et 
primo  Arislotelis  dicentis  in  secundo  de  anima  etc.  Reuertere 
ad  quaternum  disputatum  pro  auctoritatibus."  ^) 

Eine  größere  Anzahl  anderer ,  meist  kürzerer  Zusätze  ist 
glossierender,  erklärender  Art,  hervorgegangen  aus  dem  Be- 
streben, etwaige  vorhandene  Unklarheiten  zu  beseitigen,  dunkle 
Ausdrücke  zu  erklären  u.  a.  m.  Beispielsweise  führe  ich  hier 
folgende  Stellen  an: 

Gundis  salin  US  Guilelmus 

i2,lä  40,10  ff. 

Hae  enim  indubitanter  sen-         Hae   enim  animae  sie  reuer- 
tiunt  e.  q.  s.  fentes  ab  exterioribus  ad  se  ipsaSj 

sicuf  dicit  Flato  in  Ubro  de  im- 

mortalitafe  animae,  indubitanter 

senliunt  e.  q.  s. 

S,U  ff.  41,7  ff 

cum   nee   in   uita   isla    propter  cum   nee    in   uita   isla   propter 

hoc  sit  eis  nisl  deterius,  nee  in  hoc   sit   eis  deterius ,    qiü    non 

alia  sit  eis  melius,  cum  alia  non  colunt^   nee   in  alia  sit  eis  me- 

sit  futura  post  istamV  lius,  qui  colunt ,    cum  alia  uita 

non  sit  futura  post  istam  secun- 

dum  erroreni,    qui  dicit  animam 

humanam      cum     corpore     mo- 

rituram  ? 

4,2  41,22  f. 

Tertia   autem   radice   ad  id  ip-  Tertia   autem   radice  ad  id  ip- 

sum  uti  solebamus.  sum ,  aliam  scilicet  uitani  osten- 

dendam,  utimur.  *) 


hier  und  in  allen  fülgendeo  Citaten  den  Text  des  Dominicus,  die  daneben 
in  Klammern  stehende  Zahl  die  entsprechende  Stelle  der  Schrift  Wilhelm's. 

')  Andere  solcher  theologischer  Zusätze  finden  sich:  1,4  (39,4  ff.)  — 
3;>  {40,aö  f.)  -  4,11  (41,32  ff.). 

*)  Andere    solcher    glossenarliger   Zusätze   finden   sich   an   folgenden 


di  tiundisRaliuus  De  immorlalitale  animae. 

Diesen  Erwoitoniniren  der  Textvorlage  stehen  zahlreiche 
Kürzungen  gcgenüher.  Wilhrcnd  nun  die  Zusätze  sich  in  über- 
wiegender Zahl  in  der  ersten  Hälfte  der  Sclirifl  vorfinden,  be- 
gegnen wir  Aveilaws  den  meisten  Kürzungen  in  der  zweiten 
Hälfte,  Es  ist  dies  wohl  nieht  hloUer  Zufall ,  sondern  für  die 
ziemlich  tlüchUge  Art  der  Überarbeitung  bezeichnend :  Wilhelm 
ist  von  dem  Bestrohen  erfüllt,  in  iler  zweiten  Hälfte  zum  Schluü 
zu  eilen.  Daher  gereichen  jene  Küi7.ungen  an  gar  manchen 
Stellen  (durchaus  nicht  zur  Erhöhung  der  Klarheit. 

Diese  Kürzungen  nun  bestehen  in  großer  Zahl  in  einfachen 
TexirfMtiiissungen.  Freilich  möchte  ich  nicht  alle  diese  Stellen 
dem  Wilhelm  selbst  zur  Last  legen;  vielmehr  sind  diese  Lücken 
zum  Teil  wohl  erst  in  den  Handschriften  des  Wilhelm  entstan- 
den. Leider  lätät  sicli  aber  bei  der  auch  jetzt  noch  ziendich 
traurigen  Hescbaffenheit  der  Textgrmidlage  für  den  Traktat  des 
Ciuilelnuis  im  einzelnen  eine  genauere  Siclitung  der  belreften- 
den  Stellen  nicht  vornehmen.  Unter  die  ei*st  in  den  Hand- 
schriften entstandenen  Lücken  möchte  ich  aber  jedenfalls  alle 
die  Stellen  rechnen .  wo  ein  Homoteleuton  als  Grund  der  Fort- 
lassung vorhanden  ist.  ') 


Slellen:  1,5  (39,8)  -  1.8  (3!M*i)  -  1,!»  (»»,121  -  I.Iü  (30.17)  -  2.2  (40.1)  - 
2^  (4t>;2)  —  2,1  (40.21  -  2,4  (40.-3;  -  2.8  (40.G  f.)  -  2.10  [Mi»)  —  2.11 
(40,91  —  2,14  (40.13)  —  2,16  (40,15)  —  2,18  f.  (40.18  (.)  —  3.19  (41,14)  — 
n,2b  (41.19)  -  3.2Ü  (-ILao)  -  :J,26  ^40,21)  -  4.1  (41,22)  -  4,2  (41,24)  -  4,5 
(41.25  f.)   -   AS  {+I,2!M  -  4.10  ;4131)  -    4.22  (42.0  ff.)  (Wichtige  Slellel) 

—  8.17  (i4.i:t  f.)  -  18,5  (.^.7)  -  lÖ.I  (r»ß,lß)  -  2l.2<i  (»7,26)  -  22,7  l5H,5) 
2ri3  (5iM7)  -  28,1  (M^-i)  —  28,23  (52.14)  -  29.2  ;B2.17j  —  2*t.8  (Ö2,22)  - 
;»i),l  (53,4)  —  .•13,22  (55,2U)  —  34,10  [55,0(1). 

'}  Solche   durch  Hotiiolcleuton  entstandene  Lücken  finden  sich  an  fol- 
genden SteUen:  15.11  f.  (18.28)    -    IG,18  1 19.2G)  -  18.9  f.  (.W.3)  -3G.2  (50,19) 

—  27,1  (51,«)  — 28,22  (ü2.l4 1—27,1«  (51,16).  —  Anderen  Fortlassungen,  betreffa 
deren  KnUlehung  man  iu  Zweifel  sein  kann,  bc^^egnen  wir:  2,12  (40,12)  — 
4,6  (41,27  f.)  -  5,4  (42.15)  -  5.9  (41,10)  -  6.U  (41,18)  -  5,1  (42,22  f.)  - 
6,11  (43/ij  —  t;,17  (43.10)  -  «,19  (43,11)  —  «,22  (43,13)  -  7,5  (43,21)  —  7,6 
•  43,21)  -  7.7(13,22)  -  7,1»  (43.23)  -  7.10  (+^24)  -  7.14  (43.27)  —  7,20 
(43,32)  -  7,24  (43,35)  -  7,2«  (14  I)  -  8.1  (44.2)  -  8.2  f.  (44,3)  -  8,12 
(44,11)  -  9.2(44,2«)  -  9.7  i44.2J)  -  11,1  (45,96)  -  11,4(16,2)  -  12.8 
(46,28)  —  12,10  (4Ö.30)  —  13,6  f.  (47,13)  -  13,11  (47.17)  -  13.24  (47,27)  — 
14,17  (48.12)  -  15,8  (48,25)  -  1«2  (49.13)  -  17,13  (50,8)  -  18,18  (56.9)  - 
20,4  -  14  (07,1)  (bedeutende  Fortla-sungl)  —  20,15  (57,2  f.)  —  20,28  (57.13; 


II.  Die  Autorfrage.  95 

Von  diesen  bloßen  Texlfortlassungen  ist  die  andere  Art 
der  Kürzungen  zu  scheiden,  die  Textzusammenzifehungen.  Bei 
diesen  Stellen  ist  deutlicli  die  abändernde  Hand  Wilhelm's 
bemerkbar,  der  bestrebt  ist,  denselben  Gedanken,  den  Gundis- 
salinus  in  breiterer,  ausführlicherer  Weise  ausspricht,  in  knap- 
perer und  kürzerer  Gestalt  darzulegen;  freilich  geht  er  in  die- 
sem an  und  für  sich  ja  im  allgemeinen  billigenswerten  Bestreben 
bisweilen   auf  Kosten  der  Klarheit  und  Durchsichtigkeit  zu  weit. 

Einige  Beispiele  mögen  die  Arbeitsweise  Wilhelm's  ver- 
anschaulichen : 

Gundissalinus  Guilelmus 

23,11  —  14  58,10 

quomadmodum  omnis  essentia,  quia  omne,  quod  mouetur  liic 
quae  naturaliter  illuc  mouetur,  inferius,  subiacet  corruptioni. 
ubi  omnia  sunt  corruptioni  sub- 
dita  uel  obnoxia,  suo  ipso  motu 
et  inclinatione  et  plaga,  quam 
naturah  motu  quaerit,  se  indicat 
esse  corruptioni  obnoxiam  uel 
subditam. 

34,17—26  60,4—7 

Cum  enim  sentientes  calidum  Cum  enim  intelligit  aHquid,  non 
necessario  calefiamus  et  sentien-  denominatur  ab  eo ,  quod  in- 
tes  lucidum  necessario  illumine-  telligit ;  nihil  enim  est  de  in- 
mur,  intelligentes  tarnen  calidum  telligibilibus  apud  intellectum 
nullo  modo  calefimus ,  neque  nisi  forte  ipsa  intellectio  et  in 
intelligentes  colorem  uUo  modo  sensibilibus  ipsa  sensatio.  *) 
coloramur.  Quia  igitur  nulla 
est  passio ,   nisi  per  applicatio- 


—  21,1  (57,13)  -  22,1  57,33)  —  22,19  (589)-  24,4  f.  (58,3t)- 26,20  (öl^l)  — 
27,3  {51,0  f)  -  27.7  (51,12)  —  27,19  f.  (51,19)  —  28.2  (51,26)  -  28,8  (52,2)  — 
2{t,l6  (52,20)  —  29,19  (52,31)  —  30,5  (53,6)  —  30,6  (533)  —  31,3  (53,28)  — 
31,11  (5U)  —  31,24  (54,12)  —  32,5  (54,16)  -  32,10  f.  (54,19)  —  32,13  (54,21) 

—  32,16  (51,23)  —  32,17  (54,25)  -  32,20 (5 ' ,27 f.)  —  33,3(55,5)  —  33,9(55,10) 

—  34,15  (60.2)  -   34,16  (60,3)  —  35,1  f.  (60,8)  -  35,3  f.  (60.8)  -  35.9  (60,11) 

—  36.23  t60,2G  f.)  —  37,4  (61,2)    -  37,5  (61,3)  -  37,19  (61,0)  —  38,2  (61,14) 

—  38,3  (61,14)  —  38,5  (61,16)  —  38,10  (61,19). 

')  Die  übrigen  Stellen ,    an  denen  wir  solche  Texlzusammenziehungen 


w, 


Gundijwalinus  Ue  imroortaliüite  anima«. 


nein  siue  coiiiunrtionem  agentis 
ad  patk'ns,  nu]laquc  conueriien- 
lioi'  t'oniimctio.  nulla  iifhcmcn- 
tior  applicatio  intelleclus  a<i  in- 
tr-lti^Mbiliu  uel  sensibilia ,  quam 
irilelleclio  ipsa  eoruni,  queniail- 
inoduni  et  in  sensu  s»*  habit, 
quia  nulla  umior  aut  uehe- 
nientior  applicatio  eoruin  ad 
fjonsuni,  quam  ipsa  eonitii  scii- 
litio  p.  q.  s. 

Zu  diosou  gröüeren  und  wich  tieferen  UmarbLnluupfu .  die 
WiDiolm  mit  der  Schrill  des  Domin ikus  vorgenommen,  kom- 
men noch  einige  geringfOjkM|jrerp  Abänderun^fen,  die  aber 
inmierhin  zum  Teil  charakloristisfh  sind. 

Dieselben  möy:en  vielleicltt  zum  Teil  unbevvulit  vor  sich 
ge^raiigren  sein.  Dies  ist  wohl  an  einigen  Stellen  anzunehmen, 
an  denen  lör  ein  Wort  sein  Synonym  penommfii  ist,  wie  z.  Ü. 
H't^O  (Öl, 3):  Gundissulinns:  est  de.struclibile.  Guilelmus: 
destruilur  —  ^5,15  (59^43)  (Juiui.:  pendet  GuiL:  pendeus  est 
—  27,15  (5i.ää)  ßw/M/..-  uideUcet  GniL:  scilicei  -  27,3  f.  (51,9) 
und  57,0  (59,11)  HumL:  quemadmodum  QuiL:  sicul  u.  a.  m. 

An  anderen  Stellen  ist  niötrlielierweise  die  Veranlassunj;  zu 
der  Ämierunif  das  Bestreben  gewesen,  einen  vorgefundenen  Aus- 
druck durch  einen  besseren  (deutlicheren  oder  üblicheren) 
zu  ersetzen.  Etwas  derartiges  liey^t  wohl  z.  ß.  vor  3,11  (41,5) 
Gutui.  .se  prostilurre  Gull,  se  proslernere  —  0.10  f.  (W.5)  Gund. 
defectui  approximare  GuiL  destructioni  appropinquiire.  Hierher 
geliören   auuli    Stellen  wie  \,±±  {\-'2M  Gnwi.  boiio  suo  GnU.  ad 


bemerken.  WvAen  sicli :  5,ü  f.  (4I.lt;  f.)  -  lH20~]r>,:>  (DÖ,U— IW)  —  l!V;-2-l 
i&(;,19— .TU)  (ZuMtninenitiehunB  und  Uinarheiluuit!!  —  22,3-1.*)  (r>8,2- 6)  - 
22,18-2:^7  (68.l-ir>)  -  21.4-7  l58,30  (T.l  -  24.6-21  (3.1-0)  -  25,2 
(Ö0,7  ff.)  —  27;)— 13  (riM2-14|  (Nicht  im  Interesse  der  Klurheil!)  -  27,23  f. 
(r»l,2S)  —  ftM  {A3.'*)  -  3^.15  ff.  (55,i:»  f.)  —  Xj.3-8  (GO.»— Ii>)  —  .^,12— 1« 
{tiO,l3-lfi).  (Teils  Zusummcnziehunu,  teils  Ums-telhmg!)  —  35,19— 3fi,2 
lflO,I8-2n)  —  36.0— 1;>  ((k),2l— 24).  (Starke  Xii8«!rtmeniiehunK!|  —  37,7-1»; 
(6i;J   i;). 


tt.  Die  Autorrnig«*.  Ö? 

commoduni  suum  —  20,1  1 56,32)  (rund,  post  sensationem  suam 
OhU.  postquam  sontiliir  u.  a.  rn.  *) 

Nai'li  nioitifn  Darl 0^711  n^en  kann  i?s,  glaubif-  ich,  keinem 
/wt'ifc!  mehr  unlerUt'gt'n ,  dalä  dit'  Schrift  W il h e  1  in s  hi  der 
Thal  nichts  undert^s  als  eine  tiicht  jferade  jfrünilliche  Pberar- 
beitunf  des  ersten  ^leichiiaiiiii^en  Traktates  darstt'llt. 

Also  hat  sifh  Wilhelm  von  Auvergne  eines  Pla*riats 
schuldiK  K^niachl  ?  Dem  Anscheine  nach  ist  dies  iler  Kall ,  und 
Uaureau  z.  B.  nimmt  dies  auch  an.  Auch  ich  würde  in  dieser 
Annahme  an  und  für  sich  nicht.«  Auffallendes  linden.  Auch 
ich  würde  den  Wilhelm  von  Auvert^ne,  den  hoehangesehenen 
Bischof  von  Paris,  einen  der  bekannleslun  und  bedeutendsten 
(»'lehrten  jener  Zeil,  der  Begehung  eines  Plagiates  immerhin  lür 
ialiiK  halten. 

(lewiü  ist  zwar  eine  solche  llandlun;,''  nach  der  lienlifren 
Anschanungsweiso  vei-dainniuti|;swürdig  -).  Kin  Uelelirler  oder 
Schriflsteller.  der  sich  heute  etwas  derartiges  /u  Schulden  kom- 
men Iflßl,  ist  wissenschaftlich  und  gesellschaftlich  gerichtet 
Nicht  so  in  den  Tagen  des  Guilehnus.  Die  Unsitte,  fremde 
(ieislesprodukte  aus-  und  abzuschreiben  und  nls  eigene  auszu- 
geben, die  im  spAlereii  Allortutn,  besonders  von  den  Ta^on  eines 
Didymos  flhalkenteros  an  ^),  hei  den  griechischen  und  rrniii- 


')  An'lere  Stellen,  an  rl«nen  sich  solche  kleinere  Ahantleningen  vorfin- 
den. «dJ:  I,S  (311.11)  —  1,12  l3*l,lü)  —  2,7  (40,6)  —  2,8  {40,1)  -  3,16  (-11,11) 
—  4.1  (41,2.^)  -  4.2  (4Jt,23)  -  4,19  (42,3)  -  f),*  f.  (42.14)  -  5,ü  (42,16)  — 
5.9  (42.17)  -  ö,2ö  (42.29)  -  5.27  (42^0  -  7.7  f.  (43.23i  -  7,18  (43,31)  — 
8,4  iU,4)  -  8,ft  (44.6)  -  8,11  (4t,10j  ~  9.(>  (44.29)  -  9.11  (-11,32)  -  9,15 
(4fi,l)  -  l(»,28  (4:)^1)  -  11.2  (45.36)  —  11,4  (46.2)  -  11,9  (46.6)  —  12,2« 
(473)  —  13.''  (47,15)  -  13,18  (47,23)  -  13.20  (-17,21  f.)  -  15,25  (49,9,  -  15,26 
(49,10  f.)  —  17,12  i50,7)  —  19,20  (56,27)  -  20,2  (iV;,*»)  -  21.13  (ri7,23)  - 
23,23  rr.  (58,30  f.)  -  26,11  (50,25)  -  28.3  f.  (51,271  —  3-;,20  f  (60,25j  — 
37,2  (li0,28)  —  29,8  (5i,l8)  -  31,2.-)  (54,12)  -  3<;.20  f.  ((VV-Ti)  —  37,2  ((50,28) 
37,21  (61,10)  -  38.2  (61,14). 

')  Ce  i[u'on  appelle  de  nos  jours  une  niauvaise  aclian,  sagt  Ha  uro  au 
In  »einen  NuL  et  extr.  V,  p.  198. 

')  Er  lebte  r.  bn  v.  Chr.  vgl.  Christ,  Gesdi.  «1.  griei-Ii.  l.iUenitnr  (2. 
Aufl.  Mfinchen  1H90)  S.  idl  (T  Freilich  wurden  srlion  früher  Plagiale  be- 
ITiint^eii .  irh  hübe  id>er  gerade  seinen  Njirnen  erwähnt,  weil  er  i^rudezu  ty- 
pisch für  jene  Alt  von  Geistes.) rbeil  ist. 

B«-!trttg«  It    8.     Bftluw,  OniKÜMKlinUN. 


II.  Die  Autiirfrag«.  fiO 

beil.  sei  c^  infolge  des  mangelliafleu  Beg^riffes  vom  littcrarisohen 
Eigentinii.  sei  es,  weil  er  in  iler  Thnl  nach  Verlniif  iler  Jahre 
nicht  mehr  ^enrtu  wußle,  wieviel  von  jener  Srhrid  andiTHwoher 
ciillolnit  und  wieviel  sein  tceistigeri  KigenUnn  sei.  ')  So  ist  denn 
später  uUgemein  diese  umgearbeitete  Schrift  für  ein  tieistespro- 
dukt  Wilhelms  gehalten  und  unter  seine  Werke  aufjfeommen 
worden. 

Auf  diese  Weise  scheint  sieh,  meiner  persr»n flehen  Ansieht 
nach  ,  diis  Rätsel  am  natürlichsten  zu  lösen.  Dali  die^e  V'er- 
nintung  jedoch  jedem  anderen  als  sicher,  ja  nur  als  wahrschein- 
lich erscheinen  dürfte,  wage  ich  keineswegs  zu  behaupten. 

Der  V'erlasser  nun  der  ursprünglichen  Schrill  <h  hmnurtati- 
Uitt'  tinimiie,  der  Vorlage  des  (iuilelnius,  ist  der  im  (>)dex  l* 
ats  Autor  bezeichnete  -)  Dominicus  Gundissalinuä.  ^) 

Dies  bestimmte  Zeugnis  der  ätleslen  und  zuverlflssig- 
slen  Handsrhrill  erscheint  schon  an  und  für  sich  durchaus 
als  vollwichtig  \|.  Ririem  anderen  Autor  als  dem  Dominicus 
(fundissalinus  schreibt,  so  weit  wir  wissen,  keine  Hand- 
schrilt  unseren  Traktat  zu;  die  drei,  welche  ihn  nicht  ausdrück- 
lich dem  Archidiaconns  von  Segovia  beilegen,  bringen  ihn  ano- 
nym "|.  Aber  es  lassen  sich  auch  noch  einige  innere  Wahr- 
scheinlichkeitsgründe für  die  Veifasserschaft  des  Domini- 
cus geltend  machen. 

Wie  oben  (S.  rtf»)  erwähnt,  hat  Dominicus  im  Verehi  mit 
Johannes  Hispanus  den  Fims  uitfw  des  Avencebrol  fiher- 
setat.  Zu  dieser  IJbersetziuig  nun  linden  sich  in  unserem  Trak- 
tat mehrere  Beziehungen. 

Zunächst  ist  höchst  wahrscheinlich  eine  Anspielung  auf 
dieselbe  enÜmlten  an  der  Stelle  unserer  Schrin  (:^,li~lö),    wo 


')  Hut  doch  in  ähnliclicr  Weise  in  neuester  Zeit  ein  Gclelirler,  dem 
inan  Plagiate  in  einer  seiner  Scbriflen  zum  Vorwurr  madite,  als  EnlschuJdi- 
gung  gellend  geinftc:hl,  dnU  jenes  Buch  aus  seinen  Vurlesangen  entstanden 
sei  und  er  daher  nicht  mehr  genau  gewu&t  habe,  welche  Teile  jener  Schrift 
sein  gcistifteä  Eigenluin  uml  welche  nn'lcrswoher  entlehnt  worden  seien  **  in 
der  Zeit  nach  Ertlndung  der  Buchdrurkerkunst,  wü  jedem  die  SelbsUconlrolle 
leicht  ist,  rreitich  eine  wunderliche  Ealschuldigung. 

*)  S.  oben  S.  «U.  —  ")  S.  oben  S.  W  Anra.  l  und  S.  8ti 

•J  8.  auch  oben  S.  tW  I.  —  *)  S.  oben  S.  *^i,  iW  und  70.  ^ 

7  ♦       ■ 


100 


GundissalinuK  De  immortaliule  animae. 


«s  heifit');  ^Hae  eniin  (sc.  animae)  indubitanter  ^^entiunt  se 
niliil  habere  cum  uiorte  vi  seorsutn  se  esso  a  regione  mortis; 
agrioscuut  etiain  continnitatpni  suam  ad  fontem  iiitur  e(  nihil 
ess*'  inhTponibili-  sibi  et  fonti  uitae  -)  v.  q.  s.* 

Der  Auädriick  fons  uihtf  (iiidet  sich  nocJi  an  zwei  weiteren 
.Stellen  unüerer  Sclirift  (S.  37.2  und  17)  *). 

Vielleicht  darf  auch  sonstit^cn  Übereinstimmungen  in  nicht 
gerade  häutigon  Formen  eine  gewisse  Bedeutung  fiir  mi-sere 
Frage  beigelegt  werden.  So  begegnen  wir  dem  seltenen  Ver- 
bum  approximnre  je  einmal  in  beiden  Schriften :  vgl  Föns  uitae 
III,  55  p.  ä01,n),  und  de  inimort.  *»,10  f. 

Auü^'i-dom  tiiidet  sich  der  Ausdnick  ultimum  uUiUtfh  p, 
15,24.  Im  Pons  uitae  lesen  wir  in  uliinm  uiliUite  III.  57  p. 
205,11  ;  die  beiden  Stellen  weisen  auch  inhaltlich  Ähnliclikeit  auf. 

Allerdings  ist  diese  auf  den  VV-rgleich  mit  dem  Sprachge- 
brauch des  Föns  uifae  gestützte  Bi^weisfühnrnK  nicht  eben  strin- 
gent;  denn  der  /''»mx  «//«#-  Avencebrol's  war,  wie  schon 
Guttmann  gezeigt  hat  *),  auch  dem  Willjelm  von  Auvergne 
bekannt. 

Auch  in  dem  Folgenden  kannte  ein  weiterer  Hinweis  auf 
Doniinicus  als  den  Verfasser  unserer  Srlirin  gefunden  wenlen. 
Bekanntlich  hat  Gundissalinus  die  darstellenden  Ti'ile  von 
Algazel'ä  MakAssid  al  fuläsifa  (Logik  und  Physik),  in  denen 
dieser  eine  klare  Zusammcnslellung  der  von  ihm  im  wcitcruu 
Verlaufe  des  VVerkes  bekSnipUen  peripalelischen  Lciirt'U  gab,  in 


')  Von  l.oewenthal  S.  60  nod  Correns  S.  3-1  erwähnt. 
«)  V^jl.  Kons  uit^e  e«l.  Uaeumker  V,  -13  p.  im,  'M  t 
')  Diiü  der  Ausdnick  fons  uitae  zunächst  auf  Aveacebrol  zurück- 
gellt ,  bleiht  mir  wenigstens  im  höchsten  Grade  wahrscheinlich ,  wenn  sich 
auch  eine  volle  Gewißheit  nicht  erzielen  IftSl ,  da  Avencetirol  keineswegs« 
der  einzige  ist,  der  den»elben  gebraucht.  8o  hndet  '^ii-h  dertelhe  z.  B.  auch 
hei  Augustin  in  der  eniirratin  in  Psalmum  41  ,  wo  Gott  fons'uitae  und 
lumen  genannt  wird.  Die  Stelle  gehl  /urück  auT  l'saEm  35  t.  10:  quoniam 
apud  le  khI  fono  uitno.  (Auch  an  vielen  andern  Bibelstellen  findet  sich 
übrigens  der  Ausdruck  fons  uitae.)  Wahrscheinlich  hat  auch,  wie  beiläufig 
hier  bemerkt  tiein  m^V^.  Avencebrol  den  Titel  seiner  Schhfl  jener  Fsah 
mensteUe  enUiommen. 

*)  Guttmann.    Revue  des  etudes  juives  Vol.  Will  p  24J  ff.    Ders. 
Oie  Philosophie  desSalomon  JbnOabirnl  (Avicehron),  GOUingen  1H89,  S.  .'4  ff. 


II.  Die  Autorfrage.  :*  .•:  *•  HU 

das  Uileintsohe  übersetzt  ^),  Nun  zeijft  eine -Stelle- tiiwprer  Schrill 
(19,7—10)  —  es  wird  dort  von  den  zwei  Gesiclitermla'juensch- 
liehen  Seele  gesprochen '  —  \svoue  Äliiilichkeit  mit  einer  Stelle  in 
Äl^azel's  Physik  (vgl.  Algazelis  l'hilosophiae  Über  II .  (tclj- 
Peter  Liirhlen.steyii,  Venedig  !.">lj'i,  Traclatus  4-,  cap.  V.  Wu\ 
kotnmeu  später  auf  diese  Stelle  des  Näheren  zurück,  s.  u.  S.  1:^6.) 

Freilich  lindet  sich  dieser  tJedanke  nicht  nur  hei  Alpazel. 
Wir  heKCgiien  dcjnselhen  inicli  in  einer  Schrill  .Über  die 
Seele".  Aber  diese  liat,  was  noch  mehr  lür  Doniinicus  Giin- 
dissalinus  als  Verfasser  der  Schrift  de  iinniortalitate  spräche, 
eben  unsern  Gundissalinus  zum  Verfassier,  bez.  Übersetzer. 
Wie  zuletzt  Loewenthal  nacliirewiesen,  hat  Douiinicus  (!un- 
dissaliiius  im  AnschluLi  uti  eine  uns  verlorene  Schrill  Avence- 
brol's  und  an  Avicenna's  Über  »fjitm  mtiundi um  QUienTrakial 
<1e  ftnima  verfallt,  den  bereits  Muiik  nnd  (luttnumn  bei  ihren 
Arbeiten  über  Avencebrol  uiehrliir-h  benutzt  liatteii  und  den 
Loewenthal  zum  Teil  hcrausge-f^eben  hat  -\.  In  dieser  Schrill 
nun  kehrt  gleichfalls  das  Bild  von  den  ^zwei  Gesiditem*  des 
hUellektes  wieiler").  wenn  auch  in  weniger  enger  Übereinstim- 
MUUig,  als  wie  wir  sie  zwisdien  unserer  Schrift  'fr  htttmufntitah 
und  Algazel  feslstellea  köimen.  Aber  auch  sonst  linden  sjich 
einzelne  Bj-rfdinnigeii  zwi.scheri  beiden  Schriften  ,  wie  z.  B.  hin- 
sichtlich der  Seelen  vermögen ,  tlie  nach  dem  Tode  noch  Tortbe- 
slehen.  und  derjenigen,  die  mit  drin  Köiper  untergehen  sollen*). 

Mit  der  Schrill  des  Gundtssulinus  '/c  aiihnn  zeigt  aber 
auch  die  irleiclmamitfi'  Abliandlung  des  Guilelmus  Alucrnus  ^) 
eine  grotäe  Ähnlichkeit.  Es  ist  dalier  innerlich  durchaus  {^laub- 
hafl,  daü  Wilhelm  von  Auvergne.  wie  er  in  dem  Werke  //#■ 
uiäwa  die    gleicluiamige   Schrill    des  Gundissalinus   de  atüma 


')  Erhalten  z.  B.  im  V^otl.  Paris,  (j.'i'y^,?  und  einem  Coil.  Turioensis 
iMonlfaucon  Tom.  Il  pg.  ]'}lf3);  vgl.  Wüsleofuld:  Gtiers«Uuntreu  urabisclier 
Werke  Id  das  Lateinische  {=  Abhdlg.  d.  Äkad.  d.  W.  GGUingen  Bd.  72. 1B77| 
S.  39.    Correns  S.  29.    Jourduin  .S.  IK". 

*)  Über  diese  ^!c)jri!l  de  unimii    vgl.  jel£l  auch  M.  Steinschneider 
Die  hebräischen  Ühersetzungen  des  MiUelatlers,  Öerlin  1893,  S.  20  ff. 

')  Loewenthal  a.  a.  O.  S.  128. 

*)  V|;l.  de  immort.  itniitiae  2ri,2— fi  und  de  dnima.  p.  120.  130. 

*)  Gnilelmi  Opera,  (Aureliae  167-1)  Suppicmentum  p.  tjri  fl. 


ttCit  /   iliiftitissaliniis  Df  iinmortalilate  animae. 

honinzojj,  >Äi"truch  bei  Abfassung'  seines  Werkes  de  immoi'Uilitute 
»i;ij »Ulf '.oliirii  gleichimriii^en  Traktat  des  Dominicus  vor  sieh 
g^lmKt  tiiul  benutzt  habe. 

-..Xl*  "Ueirlien  diese  Krwrn.MMij;en  aiu-li,  für  sich  allt'in  ^M'rionjinen 
;iihhl  aus.  eineu  rtberzeugerulen  Bi^weis  ft'ir  die  Autorschall  de^ 
Düuiinicus  Gundis^alinus  zu  geben,  so  dürften  sie  doch  in 
ihiTf  Gesamtheit  sehr  wohl  jrfeijmel  ^eiii .  da:?  unanfechtbarf 
Zeugnis  des  codex  /*  /.u  unterstützen.  Wir  können  also  mit 
Sicherheit  den  Donünieus  Gundissalinus  als  den  eigenllielien 
Verfasser  der  Schrift  iie  immoiitilitaie  animae  bezeichnen  *). 


2u  erftrlem  ist  noch  die  Fra^.  ob  und  in  wie  weit  nnser 
Traktat  ein  selbständiges  Werk  des  Gundissalinus  ist. 

I.oewcnthal -1  —  dem  auch  Baumgartner  ^|  zuslinutil 
—  glaubt ,  .daß  die  Schrift  th  hutuorltiliOitr  ihrerseits  eine  hier 
und  da  erweiterte  (reie  Cljersetzung  einer  verlorenen  Schrift  des 
Avencebrol  (Ibn  Gebirol)  darstellen  dfirfte". 

Die  Vemudung  hat  an  und  für  sicli  nichU  Unwjihrschehi- 
liches  an  sirh.  Allerdings  wird  Loewenllial  zu  dfi-selljen  le- 
diglich durch  die  erste  der  oben  *)  von  mir  erwähnten  Stellen 
unserer  Schrift  veninlalit,  an  denen  sich  die  Anspielung  auf  den 
FotM  uiitte  findet:  die  Schrift  selbst  hiil  er  weiter  niciil  eingese- 
hen. Jene  Stellen  nun  weisen  zwar  darnuf  hin ,  daü  dei-selbe 
Mann,  der  den  i-Ws  uU*ie  übersetzte,  Dotninieus,  zugleich  Ver- 
fasser unserer  Schrift  ist;  nicht  aber  berechtigen  sie  zu  der 
weiteren  Folgerung,  da(i  der  Traktat  avlbsi  auf  Avencebrol 
zurückgehe  ^  wie  ich  gleich  zeigen  werde.  Zuxugeben  ist  aller- 
dings, daß  die  Annahme,  Üominicus  habe  ebenso,  wie  die 
Schrift  th  aniwa,  so  auch  die  uiisrige  von  Avencebrol  entlehn!, 
für  den  obei-flächlichen  Beurteiler  viel  Bestechendes  an  sich  hat. 


')  Wenn  dieselbe  auch,  naeli  LoewcnLhal  S,  13  und  tk),  aicht  unter 
Jon  »'elhKtilndtt^en  Schriflen  des  Dotninieus  liel  Johannes  WalensU 
aufpefnhrt  wird. 

»)  A.  a.  0.  S.  60. 

'l  A.  a.  0,  S.  4;  rgl  auch  S.  17  Anin.  4. 

*)  S.  üben  S,  99.     Die  erste  Stelle  (ladet  sieb  oben  {).  2,12 — 15. 


II.  Die  Aultirfrage.  10:) 

Sie  ist  jedoch  unrichtig;  es  Ifliät  sich  vielmehr  mit  Bestimmt- 
heil  sagen,  dali  unsor  Traktat  nicht  auf  Avencebrol  zurnok- 
gehen  kann. 

Der  Gruuilgcdanko  ilor  Lohne  ilos  Salomon  ihn  Geliirol 
oder,  wie  die  SrhnlaslikiT  ihn  nannten,  de^  Avein<'broI  oder 
Avicebrol  '),  ist  bekanntlich  der,  dalä  die  Unterscheidung  von 
Materie  und  Form  universiü  sei,  *l.  h.  nicht  mir  Tür  die  ma- 
lericllcn.  sonth'rri  aiuh  fnr  ihr  iinrnalcrioHr'n  Substanzen  gellr, 
daü  also  allt*s  (leschalTonr ,  auch  dir  t^eistigru  Substanzen,  aus 
Materie  und  Form  bestehen  ^).  Eine  Schrift,  in  der  diese  Lehre 
geleugnet  und  bestritten  wird ,  kaiui  mithin  auf  keinen  Fall  auf 
Avencebrol  zurückgehen. 

Das  aber  gt-schifhl  in  unserer  Schritt.  Aul'S.  2S,I4  ff.  un- 
seres Textes  nämlich  lesen  wir:  „Et  de  primo  cjuidein  modo  ■^) 
manifestum  est,  ((uoniain  Ipsa  *)  est  pura  forma  et  substan- 
lia  imraaleriala  et  incomposita  in  se  Imiusmodi  composi- 
tione,  quae  rst  ex  maleria  et  forma."  Also  es  wiiNl  hior 
gerade  das  Gegenteil  der  Ansicht  Avencebrol" s  behauptet. 
Letztere  kennt  imser  Autor  allcrflbigs  und  erwrdmt  sie  auch 
gleicli  darauf,  wenn  er  Ibrtlahrt :  (:2S.I7)  .,Aut  si  forte  quts  hie 
dicat,  quia  est  i*x  niateria  et  forma",  aber  imr,  um  gegen  sie 
zu  polemisieren  oder  wenigstens  sie  als  m  seinen  Augen  weniger 
richtig  hinzustellen. 

Ebenso  spricht  gegen  Avenci'hrol  als  Quelle  unserer 
•Schrift  der  l  umstand  .  dalä  p.  :j<i,8  ff.  ausdrücklich  die  Ewigkeit 
der    Himmelsbewegungen    m    Abrede    gestellt    wij-d ,     während 


*)  Vgt.  über  dieFürroen  dieses  Namens:  Baeumker:  Beitr.  z.  (tesc)i.  d. 
Philos.  d.  Mitlelalt.  I,  'J  p.  XVIIL  >^ii  den  «iurt  für  dlit  ricJitii^e  Form  Aven- 
cebrol oder  Avicebrol  (nictit  Avicebron)  gegebenen  Nai-hweisen  kann 
nofh  liinzugefilgt  werden  Thomas  Bradwardina:  lie  rnuM  tlei  contra 
l'rUigiufn ,  &\.  Heiir,  Öavilius,  Londini  UJlM,  1.  I.  c.  2,  p.  150.  164;  c.  J\ 
p.  193;  I'.  10.  p.  201,  wo  HberaH  die  Form  Avicebrol  erbalteD  iäl. 

•)  Vgl.  GulUnann:  l>ic  Pbilos.  d.  Sai.  ibn  Gabirol,  Gmtin|$en  1880. 
S.  7U  ff.  Munk  a.  a  O.  S.22i)  Ileberweg-Heinze  ^  \\.  S.  L>l2fr.  Stueikl: 
Gesch.  d.  Philus.  d.  MiUelalt.  \{ ,  S.  (JO  ff.  Correna,  S.  11».  Haureau: 
Hist.  de  la  pbilos.  scolast.  11,  I,  S.  30. 

')  M.  deslnictionis. 

*)  Bc.  aninia  human».  _-.— 


1^  GunJissalinus  De  inimorta]i(ale  animae. 

Avcncebrol  mit  Arislülolos  uml  dem  Nouplutonisiiuis 
(Hese  ebenso  ausdrürklicJi  lehrt  VI- 

AiifTallond  allerdings  krmnte  es  hk-r  sclieineri,  daß  derselho 
Doriiiiiicus  in  den  Srhriflfn  fh'  unitate  '•)  und  ilr  uninut  •*)  die 
Lelriv  A vcnt't'brors  vertritt*),  in  luistTer  AbbandlunK  jedoch 
dieselbe  verleuKnet.  Mati  könnte  vielleirht  hier  wieiler  in  Zwei- 
fel geraten  betrelTs  der  Autorscliaft  des  Gundissalinus  an  lui- 
srnn  Traktat.  Ich  gestehe  jedof  li .  dafä  ir-h  von  th-rselbm  so 
fest  überzeugt  bin,  data  ieh  urist>i-n]  Pliilosüphen  doeti  nach  eher 
jene  anderen  SehriUen  abspreehen  wnnle  als  die  nnsrige.  Doch 
ist  dies  natürlirh  keineswegs  nötig;  vielmehr  sind  alle  die  er- 
wähnten Abliinidlunjfcn  ihm  zuzusL-hrriben. 

Man  bedenke,  dat3  ÜfUiiinicus  auljer  bei  iler  «Lebens- 
quelle"  auch  bei  Übersetzungen  der  Werke  des  Avicenna, 
Alga/cl,  Alfarabi  mitwirkte^)  und  mithin  mit  den  SohriRen 
und  Anwhauungen  der  niinsten  hnleutenden  arabisdien  Philo- 
«H)phen  bekauut  wunle. 

Was  liegt  da  nAher  als  der  Gedanke^  dali  er  —  ebenso 
wie  er  es  bei  AveucebroTs  Sehrifl  „von  der  Seele"  gethau  — 
aucli  eine  kleinere  SehrÜl  eines  anderen  jeniT  i*hilosoplu*n  nicht 
blos  übei-setzte,  sondern  selbst  überarbeitete,  um  sie  mder  sei- 
nem Namen  zu  veröffentlichen!'  Gundissalinus  ist  eben  ein 
Koinpilator,  der  sich  seine  Vorlagen  überall  nimmt,  wo  es  ihm 
gettdlt,  und  wo  sich  ihm  Getegenlieit  biptet ,  ohne  sich  darüber 
Ängstlich  SknijK'l  zu  nmeln-n,  wenn  sich  einmal  in  seinen  neue- 
sten Bearbeitungen  Anschauungen  (inden ,  die  denen  seüier  frü- 
hen?n  Werke  widerstreiten  *). 


')  Föns  ititae  ITI,  Til.  p.  193,  13  ed.  Baeumker. 
»)  Vgl.  Correns  S.  19. 
")  S.  Loewenlhal  S.  'M  u  Vi. 

*)  Er  thut  dies  auch  in  de  proceattione  mun^i;    vgl.  Gorrens  S.  33  f. 
^«nid  Blenendez  Pelayo:  Hist  de  los  beterod.  Gapaftolea  I.  6H1  fT. 

»)  Vgl.  Ueberwe^T'Heinze'  II,  2^1  u.  Correns  S.  '29,  wo  auch  die 
tiUier«  Littcrolur  Inerflber  itngci^ebon  ist-    Vgl-  auch  oben  S.  8i;  f. 

*)  Daß  Dominicus  aurb  andere  Scbriflen  als  solche  Avencebrol's  be- 
and  enllebnt«  ja  sie  so^ar  mit  ersleren  zu  einem  Werk  zusammen* 
il ,  leigl  sich  in  de  am'ma.  Dieser  Traklal  ist  der  Hauptsache  imoh 
ol  entlehnt,  das  8.  Kapitel  desselben  und  der  Kr^ßle  Teil  des  9.  ist 
Mi  wArtlich  aus  Avicenaa's  liber  sextus  naturalium  herQbergenom- 


II.  Die  Autorfrage.  lf»ft 

lii  dm*  That  (Ifirfte  weriiKf^tcns  der  Hauptteil  unserer  Schrift 
auf  eine  arabische  Gnindluge  /.urückfiflten.  Darauf  weist  eine 
Reihe  von  sprachlichon  Eigctitfiinlir^hkoilou  hin,  die  für  die  inil- 
telalteriichen  lateinisdien  Cbersetzuiigen  au?:  dem  Arabischen 
churaklerisliseli  sind. 

Dahin  gehört  z.  B.  eine  auffallende  Construktion ,  ihe  sich 
an  zwei  Stellen  lindet:  5,8  f.:  Omnis  substuntia,  cuius  opei'atio 
non  pendet  ex  rorp(.»re.  Mfc  eins  essentia  pende(  ex  coijwre, 
und:  Omnis  uirtus,  enins  operatio  tnipedilur  a  corpore,  cius 
esse  uel  essentia  non  pendet  ex  corpore  (5,li  ff,).  Gonstruk- 
tionen  dieser  Art,  bei  denen  das  Substantiv,  stalt  in  den  Geni- 
tiuiis  suhiectinijs  (resp.  possessoris)  gesetzt  zu  werden,  im  No- 
minativ vorangestellt  und  dann  durcli  den  Genitiv  de-s  Prono- 
mens wieder  auffrenomnien  wird  ,  la.ssen  unzweifellian,  die  ara- 
bische Vorlage  erkennen. 

Ebenso  dnrfteit  CoMstmklirjnen,  wi4?  IS.O:  suuni  i^'ilnr  ni- 
uere  üitelleetus  (^tJenit.)  aut  eine  L  liersetzuntf  iiinweisen. 

Dasselbe  gilt  von  sul>stantivisohen  Ausdrücken,  in  denen 
die  Negation  mit  einem  Sulislantivurni  oder  Verbum  verbunden 
ist:  eht  Gebrauih ,  der  j:eradr  lür  derartige  CbeK-ielzungen  aus 
dem  Arabischen  rluu-ikteriätiscli  ist  '|.  So  /..  B.  p.  1:^,(1:  cum 
esset  in  non-(inem ;   l!M7:  eloii^ant  a  non-esse. 

Alle  diese  Kigmlfimlictikeiteii  linden  sich  in  dem  mittleren 
Teile  der  Schrill.  Dersrlbc  sticht  zu/leicli  diurli  seine  sprach- 
liche FArbunj.'  und  seine  ganze  Haltung  ab  vcm  rieiti  Tone  der 
Einleitung  nnd  des  Schlusses.  Wfibrend  wir  tnunltcb  am  An- 
fang und  am  Ende  der  Schrill  der  gewandten  und  eleganten 
Schreibweise,  dem  eolor  I^atinus  des  Dominicus  unsere  An- 
erkemiuug  nidil  versagen   kömien  -) ,    erscheint  der  Stil  in  den 


men;  vgl.  Loewenlhal  S.  11!).  Ebenso  sind  in  Gundissiilinus*  Schrift  tit 
processione  mumÜ  [s.  ob.  S.  87)  ^anze  Slücfee  fast  wörtlich  aus  A  viL-enna's 
„Metaphysik*  entlehnt. 

'j  Vgl.  die  Zusamnieaslellungau?  Avencebrol  in  Hacumker's  Aus- 
gabe des  Fort«  nitae,  p.  .'K'*<  s.  v.  non. 

•)  Auch  Menendcz  Pelayo  S.  Idl  Anm.  und  Ijoewcnihal  S.  II 
zollen  dem  I^itein  un<iet-e.s  Verraäsers  Anerkennung'.  Auch  die  Abhandlung' 
de  UHt'tnte  zeichnet  sich  durch  gewandte  LäUnitilt  aus,  Vßl.  Corrcßs  S.  3  ([. 
Mit  dieser  Sprachbeherr^chung   unseres  Gelehrten  steht  die  Angabe  im  Ein- 


\0R  Gundinsalinus  De  Jnintorlalitate  aniinae. 

initllcn.'U  Partien,  wir  dies  bei  einer  Übersetzung  leicht  erklär- 
lii-li  ist,  Öflei-s  weniger  gewaiuU  und  lätit  itirittiach  Klurlieit  und 
durrhsirhlijreii  Salzhau  veniiisseii  '). 

h'h  hin  daher  der  Ansieht,  dati  DoniinieU!^  die  ^aiixe 
Kinleilnnt:  (^I-  .'»,^)  und  den  SchJuli  (von  :^7,!äl  an)  entweder 
vfllli^r  selttstäudip  verfalU  ') .  oder  daU  er  sicti  dort  von  seiner 
Vorlaufe  weniKslons  in  hohen»  tJrade  frei  gemacht  tiat. 

Niehl  unwatnvelieiulieh  ist  es  mir.  data  .sich  aurh  in  dem 
nutlh'ren  TeiU'  der  Sehrifl  einige  selbständige  Ein:?chit'biuigen 
des  Ikiniinicus  tinden.  Doch  lä^t  sich  hier  schwer  etwas  mit 
einiger  Sieherheil  ausmachen.  Die  Bemerkung  z.  B.  (S.  S5,i!— 7), 
es  ve^rsiolse  nietd  ge^'eii  den  fronnnen  und  wahren  (ilauben.  an- 
yunehnicn  ,  <luli  der  (JeMehts-  oder  (ieiiörsiiin  oder  irgend  einer 
«Irr  andei'en  Sinne  sterbüch  sei  und  mit  dem  Körper  vei-gehe. 
sondern  nur  die  Meinung,  der  menschliche  Geist,  insofern  er  ein 
speziMwh  menschlicher  ist ,  sei  sterblich .  hebt  sich  aus  dem 
IhiliMH-n  dei-  übrigen  Beweishlhrung  lioraus.  Auch  die  zwei- 
malige KrwShruing  der  fi<fei  pietus  nut  Herltas  und  ucndifn 
/mniiw  fidcx  an  dieser  Stelle  könnte  etwas  Auffallendes  zu 
haben  scheinen.  Denn  wenn  diese  Ausdrücke  auch  im  Munde 
eines  Aral>ers  nii-hl  unmöglich  sind,  so  könnte  ilorli  der 
Umstand  I  da&  es  sicli  hier  inu  einem  Kontroverspnnkt  der 
damaligen  christlichen  Theologit-  handelt,  die  Deutung'  uul 
den  christlichen  Glauben   nahe   legen  ').     Allein  gerade  durch 


klantr,  Jafi  er  von  Johannes  Hispaous  zu  der  Üi>er8eUuri|f$thäUgkeit  her- 
ungezogen  niirde,  um  das  Castilische,  in  da»  jener  /unüchst  den  arabischen 
Text  Qherselzle,  ins  Laleinixclie  zu  ühertragen.  Denn  es  ist  wohl  klar ,  daß 
>ich  Johannes  nur  einen  Mann  von  hesoridcrer  Sprochlerligkeil  als  Helfer 
HUseikoren  haben  wird.  Vgl  Correns  S.  *>  und  Uoewenlhnl  1»  f.,  der 
ah«r  die  Thätlgkcit  des  Dominieug  meiner  Ansicht  nacii  faUch  faeurteiU 
und  verkennt. 

')  Dieser  Gkgensalz  xeijft  sich  recht  Ihr  gleich  am  Ende  der  Elnlci- 
luny,  am  Anfang'  der  Seite  f>.  Andere  sohwerfüllige  Stilproben  Anden  sich 
11»,«  ff.  -   21.4  ff.  —  22  Knde  und  23  —  30,8  ff. 

*)  Was  das  wahrscheinlichste  ist. 

"l  Auf  die  .aniteli  sancli"  (•.'!. 18  f.  und  24,t9  f.  —  ül)  und  die  .suh- 
'"  (2';,Iy  ff.)  ist  überhaupt  kein  Gewicht  zu  legen,  da  dcrglei- 
Arahern  (j;e|tiufig  ist  ,  und  du  eine  Hinweisung  auf  spezihsch 
.ellunyi'n  sich  an  diesen  Stellen  nicht  tindet. 


III.  Der  philos.  Gedankengang  und  tlie  phtlos.  Stellung  der  Schrift      107 

diese  Stelle  werden  wir  zur  Vorsicht  [femahnt ;  denn,  wie  sdioii 
oben  (S.  101  f.)  beniorkt  wurde,  n-heu  wir  aus  der  auf  AviMice- 
brol  /.urückgeheiiden  Setirifl  th  *iniwa .  datj  jene  Frage  keines- 
wegs nur  von  der  chnritlirJitMi  Tbeologic  erwoffon  wurde. 

Ziehen  wir  scliielslich  das  Hosultat ,  so  fi-gifbt  sich,  dul.i 
die  Schrift  dt'  immm'tt$lit<tif  uninuit-  eine  Kompihition  (ies  Donii- 
niriis  Oundissaiinus  darslrllt,  deren  grötUer  Teil  wahrsrhcin- 
Ikrli  auf  ai-abis<'her  (inindlajft'  beruht.  Der  Vinfas-ser  nrrd  Titel 
dieser  letzteren  ist  bis  jetzt  norli  in  Hnnkel  j-'elifdlt  '). 

In  wie  weit  sich  Dominicus  im  einzelnen  jnehr  oder 
weniger  eng  an  seine  VorlaKe  atigestrhlossen  hat,  latät  sidi  bei 
dem  g-änzÜrhen  Fehlen  der  letzteren  nirhl  lulhcr  angeben.  Nur 
so  viel  lälit  sich  sagen,  daü  (iiindissalinus  der  Kinleituug  und 
dem  Schluü  Verhältnis! nüüig  am  meisten  den  Stempel  seinei-  In- 
dividualität aufgedrückt  hat.  Vielleicht  vermag  —  was  sehr  zu 
wünschen  wäre  -  ein  Glücklicherer  als  ich  später  einmal  die 
arabiirehti  Vorlage  ans  Kichl  zu  ziehen  und  der  ÖlTenllichkeit 
zu  übei-geben. 


IIL   DER   PHILOSOPHISCHE   GEDANKENGANG 

UND  DIE  PHILOSOPHIEGESCHICHTLICHE 

STELLUNG  DER  SCHRIFT. 

Eine  Darstellung  des  philosophischen  (iedankeninhaltes  von 
Dominicus  Gnrnlissalinns'  Schrift,  tle  itmnoft/tlittftf  miimüe 
ist  bisher  noch  tiiclit  eriolgt.  bidesseii  sin*l  einigi-  Sttillen  der- 
selben auf  indirektem  Wege  (iegensland  der  Behandlung  gewor- 
den, in  Schriften,  welche  sich  mit  der  Philosophie  Wilhelm's 
von  Auvergne  (Paris)  hescliäftivrten.  So  herührl  Werner 
in  seiner  Abiiaiidlung:  Wilhelm's  von  Auvergne  Verliältni.s  zu 
den  Platonikern  des  XII.  Jahrhunderts,  Wien  187:^,  S.  lil),  die 
metaphysische  Lehre,  daß  die  Menschenseele  in  <ler  .Stufenleiter 
der  Wesen  ein  Millelwesen  zwischen  den  Engeln  und  Tierseelcn 


>)  llfigUcher  Weit»e    ){ebt   sie  auch   —  ähiilifh   wie    äe   nnima  —  auf 
mehrere  Schriften  verschiedener  Autoren  zurück. 


108 


Gundissalinus  Ih  imiiiorlalitate  animae. 


sei  ').  Auf  einifiTe  psychologische  und  crkeiinlnistheoretische 
Fragen  kommt  Baunigartncr  in  seiner  ^ErkKuilnisIphrt*  des 
WilhHm  von  AuvrrKTi*'" .  MOnsU-r  IS93,  auf  S.  17-),  22  ="), 
dH  %  SM  *)  KU  sprechen  •). 

Gehen  wir  niui  nfdier  auf  den  Inhalt  und  Oedaukengaiig 
unseres  Traktales  ein. 

Seiner  eigentlichen  AbhiiiidhHi'rJ  schickt  Doniinicus  eine 
Einleitung  voi-aus.  in  uelcInT  er  den  V^ex'sueh,  die  Unsli*rbliili- 
keil  der  Seele  philosophisch  zu  beweisen,  i'echUerÜgen  und  seine 
Notwendigkeit  dartliuii  will. 

Vier  Mittel .  ao  hebt  «t  an ,  liat  die  götlli<^]ie  Oftle  iws 
Terliehcn ,  durcli  die  den  Irrtüniern  der  Menschen  abgehdll'en 
werden  soll:  die  Widirnehinuiig  (oder  Erfahrung!,  das  strafende 
Gesetz,  die  pfjilosophische  HeweisfCilirung  und  die  göttliche,  pro- 
phelische  OITcnbiinuig. 

Der  schlininisk'  und  geirilirlichsli'  aller  Irrtfuuoi*  aber  ist 
gewilä  der  Zweifel  an  der  UjisLerblichkoit  iler  Seele.  Wenn  man 
diese  leugnet,  so  erscheint  Tugend  iu»d  Enthaltung  von  Fleisches- 
lust nicht  mehr  als  erstrcbensweii.,  sondern  nur  ni»ch  als  Tlior- 
heit.  Oeiin  dur  Tugendhatle  geht  der  meist*'»!  irdischen  Freu- 
den vei-justig  rind  iiiulit  niilliin,  wenn  i«  nach  dem  Tode  kein 
Lebeji  mehr  giebl,  fdierhaupt  jegliche  Freude  entbehren  •). 
Schon  bei  Fhito  "}  Jindel  sich  bekannllich  dieser  moralische  Be- 
weis der  Unsterblichkeit,  dessen  UrinHlge<ianke ,  wenn  auch  in 
modiUcierter  Uestalt.  noch  in  Kant's  ^Höch-stem  Lint"  und  (it^u 
sich  daraus  ergebenden  moralischen  Postulateri  der  Unsterblich- 
keit der  Seele  und  des  Dnseins  Gottes  wiederkehrt  ■'). 


*)  Vgl.  oben  Guitelmus  I*ut'iitifttsia  p..')0.19  If.  (=:  O »ndissalinus  \t.'2f>,\'^  fl.}. 

•)  Vgl.  ob.  attil.  42,1!»  ff.  (=  fitiHd.  b,Vi  ff.). 

>)  auil.  56,UI  ff.  (=  (iuntt.   19,tl  ff.). 

*)  Guit.  m,l  ff.  (=  (iund.  'M.IH  ff.) 

*)  Guil.  &3,9  ff.  (^  Gund.  3(»,8  ff.)- 

"JA.  Loewentbal:  Paeudo- Aristoteles  über  die  Seele ,  Berlin  1891, 
S.  tJO  behandelt  kurz  die  Stelle,  in  welcher  auf  die  Verwandlscliafl  mit  der 
Lebenbquelle  tiintiewietien  wird,  p.  2,13  ff. 

']  Vgl.  auch  ob.  S.  3,r>  ff.  -  .%21  ff. 

"}  Vgl.  Pialu:  Phaedo  HIT  C— D   Republ.  X,  610  D. 

")  Kant.  Kritik  der  praktisclien  Vernunft.  I.  Th.  II.  B.  H.  Hptst.  IV 
V  (Werke,  hrsfg.  v.  Uurlenslein»,  V  IJh  ffi. 


Itl.  Ber  philos.  UeüankeDgang  unJ  die  pliilos.  Stellung  der  Schrift.      lOH 

Vor  allem  ^etren  diesen  Irrtum  sollen  dalier  jene  vier  Mit- 
tel, jedes  in  seiner  Weise,  wirken.  \hii^  unmilleibarste  «ml  tlalier 
sicherste  ist  die  innere  Walirneliinuny.  Die  Seelen  nfimlich, 
weiche  sich  vom  KOrper  und  seinen»  Einilnli  niöKliehsl  frei  zu 
niadien  snchen  und  sich  iiiogüchst  in  sich  solhsl  vi-rsenken, 
fohlen  selbst ,  daß  sie  über  den  Tod  erhaben  sind ,  da  sie  sich 
ihres  engen  Zusanimenhange.s  und  ihrer  nahen  Verwandlscbafl 
mit  der  Lebensquelle  liewulit  werden  '].  Diese  Erfahrung  aber 
ist  den  inristeii  Seelen  versagt,  da  sie  allzusehr  in  der  Sinnen- 
welt befangen  sintl  umi  zu  fest  in  lieri  Banden  ihres  Körpej*s 
liegen.  Diesen  muli  daher  die  PhilDSopliie  mit  iliren  Beweis- 
grOnden  zu  Hilfe  kommen.     (V^l.  oben  S.  1,1  — :ä,M).) 

Wie  die  Lo^ik  lehrt  *J,  hat  ein  Schiuli  nur  dann  apodikti- 
sclic  Krart.  wenn  er  „ex  propriis"  ist.  Letzleres  ist  offenbar 
eine  Übersetzung  des  Aristotelischen:  ix  räjv  dg^f^  ^tör 
lAifov  ^).  Dominieus  will  also  hier  im  Anschluß  an  Aristo- 
teles sagen :  Der  Schhiü  hat  mu*  dann  wirkliche  (.iültigkeit, 
wenn  als  Mittelglied  die  eigentliche  Ursache  verwandt  wird.  Die- 
sen Sehlüssen  ex  propriis  stehen  gegenfiber  die  Ht-'onrlusiones 
ex  extraneis"  nder  .ex  Iruaseeiidentibus".  Man  erkennt  «larin 
leicht  das  aristotelische  ^fiFrufiavTn"  wieder  *).  (jundissnli- 
nus  dürfte  somit  ohne  Zweifel  —  unmitlelbar  oder  mittelbar  — 
von  den  Aualylica  posteriora  des  Slagiriten  Kenntnis  erhal- 
ten hallen  ^).     Vor  allem  gehören  zu  den  SchhVssen  ex  transcen- 


0  S.  ob.  S.  9»  I.    Haumgartner  S.  17.  Loewenthal  S.  (}U. 

')  S.  ob.  S.  :i,ifU:  .Et  iaii)  dosU  ex  doctrina  logices,*  In  bezug  auf  diese 
Slelle  sagt  \.  Jouidain:  Recherthes  i-riliques  sur  Vage  el  rmigine  des  tni- 
ductiims  latincs  d'Amlolc,  *2.  M.^  Purjfi  18  'A,  S  113:  ^Gundisaluus  nnus  y 
appreiid  qull  a  tWrit  i^ur  Ja  Ingiiiue.**  Pranll:  Gesch.  d.  Logik  im  Abend- 
iande  Hl,  (Lpz.  16ü7)  S.  3Anm  'J  und  Barden  he  wer:  Liber  de  causisS.  122 
Anm.  r>  bemerken^  daß  dieser  Scidufi  sehr  unsicher  sei.  Wir  werden  kauin 
zu  weit  gehen,  wenn  wir  ibn  ^erudezu  als  faUcli  t>ezeichnen;  denn  ^doclrina 
logices"  bczeifhnet  gar  nicht  „ein  Buch"  Ober  Logik,  sondern  die  logische 
Wissensc iiaft  uder  Uisclplin  Oberhaupt. 

')  Vgl.  Aristoteles,  Aoalyl.  posleriorum  1  7,  p,  75  a  38  f.  u.  bes. 
p.  76  b.  18  u.  75  a,  17. 

*)  cf.  Ariatot.  Anal    po?l,  1  7,  p.  7.'>  a  38. 

^J  Die  Quelle  ist  jedenrulls  nirhl  dir  lat  Clierselzung  des  noethiua, 
da  doli  zwar  von  den  pro[jria  principia,  aber  nirht  von  ejtieni  Irnrisrcndere, 


\  \\\  OondlMftUDUS  t)«  tmmortaliUle  animae. 

iU*iail»iiit  wM\e,  in  donm  das  Mittelglied  (tcrnnnus  medius)  aus 
»*ihrr  niKlrn»  Wisseii^chafl  ab  der  Oberbegriff  genommen  ist  '). 
Mit  «>lrl\en  uiivoUkonuaeue»  SchlOäsim  jedoch  pflegen  sich  die 
M(*H»dHHi  im  altgvmefaien  aus  Unkeuiitniä  otler  der  Sucht,  die 
Wahrheit  um  jc«tm  Prvis  -xu  erfaliren  —  sei  es  auch  durch 
9v>lMMH>tt^*«s^  -  ciifrM«n  zu  geben  (2,20-3,2). 

Uundtf^ftlinus  srt/t  mm  zunächst  einige  Argumente  aus- 
di«'  man  gewöhnücli  für  die  Unsterblichkeit  der  Seele 
lülVft^,  die  ihm  aber  nicht  als  überzeugend  gelten. 
^  ^  oklit  iu«Uphysi.sch-p5yc  ho  logisch  er  Art  sind ;  sie  geben 
Itv^  SdtKtese  .ex  proprüs"  ^}.  Dieselbeji  sind  in  der  That 
mMiI  tM^pb>*si$ch ,  sondern  dem  Gebiete  der  praklischt>n ,  der 
MtniK  oder  Religionsphilosupliio  —  wenn  man  will,  der  Theo- 
1«^  —  entnommen. 

Kr  stützt  sicii  auf  vier  (wie  er  sagt,  vei-schiedene)  Haupt- 
iM^wuHite  solcliiT  Art   |  —  rmfices  nennt  er  sie. 

D«i^  erste  Argument  ist  die  (ierechtigkeit  Gottes  und  die 
Nolwcmligkeit  eines  künftigen  Gerichtes.  Wenn  nänilicli  die  Seele 
nicht  unsterblicli  ist,  so  sind  die  Froitinien  und  Tugendhaften 
«rhlimmer  daran  als  die  Gottlosen,  die  sich  zOgrllos  ihren  Be- 
UntTilen  hingeben,  da  ersten'  für  die  Entbehrung  der  irdischen 
Kreiden  dann  nach  dem  Tode  keinen  Ersatz  erhalten  können  *). 

Ninnnt  man  dies  an,  so  sind  zwei  Erklärungs weisen  des 
Verhaltens  Gottes  möglich.  Erstens,  wenn  Gott  sich  um  seine 
Verehrer  kümmert,  so  mulä  man,  um  seine  Veniaciilässigung 
derselben  zu  erkinrcri ,  aTinehnion,  er  sei  nicht  mächtig  genug, 
ihnen  zu  dem  verdienten  Glück  zu  verhelfen.  Dies  aber  wider- 
spräche der  Allmacht  Gottes.  Zweitens,  wenn  Gott  sich  um 
^  Frommen  nicht  kümmert,  .so  mulji  man  annehmen,    daß  er 


loadem  »oo  einem  descenderc  die  Kede  ist,  vgl.  Doethii  opera  in  Migne: 
rairol  lau  (>4,  72(1  B  u.  C. 

')  Wenn  z.  B.  geoinelrische  Sätze  aritlimetiacli  bewiesen  wenlen.    Vgl. 
a.  a.  0.  p.  7.\  a  3«, 

)ies    Bohl  herror  au»  S.  4,25  f..    wo  Dominicas  nnch  Anführung 
mentc   forlführl:    Nunc    auteiu    ex    prupriis  immortaliUlem  eins 
eDipUibimUB. 
&  dimegen  uol.  S.  112. 
iMWlbtj  ist  schon  l,1(i  IT,  ausgeführt.    8.  oh.  8.  108. 


lU.  Der  philos.  Gedankengantc  uml  Jie  |ihilo<t.  Slellung  der  f^fhrifl.      111 

äie  entwedt^r  nicht  kennt ^  oder  aber,  daü  er  sie  zwar  kennt, 
ihr  Los  und  üK"ick  ihm  jedocli  j^leichgiltg  ist.  Krsteres  al>or 
wiik'rstreitel  seiner  AlUvissenheit.  letzteres  seiner  AHgu- 
ligkeit  >). 

Da!ier  werden  wir  dureh  diese  drei  göttliclien  Eigens<:liaflen 
gezwungen,  an  die  Unsterblichkeit  der  Seele  zu  glauben.  (3,3—211. 

Der  zweite  Grundgedanke,  den  Dominicus  anführt, 
ist  wiederum  die  Gerechtigkeit  Gottes.  Seine  Auslfitirungen 
decken  sich  fast  völlig  mit  den  vorliergeheuden ;  sie  geben  nur 
eine  geringe  Modilikation  derselhen.  WiUirend  nämlich  vorlier 
die  Hede  (iavon  war.  daü  die  Frommen  infolge  ihres  gnltgefiil- 
iigen  i^ebeiis,  ihrer  Knlhaltimg  von  Kleisriieslust ,  i]f^r  irdischen 
Freuden  verlustig  gingen,  fieißt  es  hier:  die  Frommen  und  die 
Schlechten  erhatten  beide  in  diesem  Leben  meist  nicht  ihren 
gebfdirenden  Lohn.  Dem  ersterert  geht  es  oft  sehr  schlecht, 
letzteren  sehr  gut.  Zum  Ausgleieh  hierfür  mnU  notwendiger 
Weise  —  eben  wieder  auf  grund  der  götlliehen  Gerechtigkeit  — 
nach  dem  Tode  ein  Gericlit  slaltlinden;  mithin  ist  eine  Fort- 
dauer der  Seele  anzunehmen.     (:i,t,M— 27.) 

Die  dritte  W'ur/.el  ist  lol^'ciide.  Wer  gerecht  ist,  belohnt 
gute  Thaten  nur  dann  tiiehl,  wenit  er  die.se*.ben  entweder  nicht 
kennt,  oder,  wenn  es  nicht  in  seiner  Macht  liegt,  den  gebfih- 
renden  Lohn  zu  erteilen.  Dieses  beides  aber  i.=;l  bei  Gott  aus- 
geschlossen. Daher  luuü  er  die  l-'rommen  belohnen.  Da  dies 
nun  aber  Ihutäüchlich  im  Leben  nicht  geschieht,  so  muti  jene 
ßelofinung  nach  dem  Tode  eintreten.     (4,1 — 7.) 

In  seiner  vierten  Beweisführung  führt  unser  Philosoph 
folgendes  aus.  Die  Weisheit  veranluUt  die,  welche  ihr  nach- 
streben, die  Güter  dieses  Lebens  und  letzteres  selbst  zu  verach- 
ten. G&be  es  nun  nichts  Besseres,  als  dieses  Leben  bieten  katiii, 
so  würden  jene  Weisen  zugleich  die  gröliten  Thoren  sein ,  da 
sie  treiwillig  überhaupt  auf  alles  Gute,  was  ihnen  geboten  wer- 
den kann,  Verziclil  leisteten.  Uiri  diesen  Widerspnich  zu  lösen, 
muü  angenommen  werden,    dati  Gott  —   infolge  seiner  Allwcis- 


*)  In  Shnlicher  Weise  versiuchte  später  Leib  alz  aufgrund  der  drei 
^(lirheti  Attribute  der  Allwissenheit,  Alli^ätigkeJt  und  AUiimchl  nachzuwei- 
sen,  daä  die  bestehende  Welt  die  beule  sei. 


112  GundJ<)aaUDU9  De  immorlaUlate  anima«. 

heit  und  Allgüte  —  etwas  Bessere»,  als  das  irdische  Leben  ge- 
währen kann ,  für  die  Guten  geschaffen  lial.  Damit  ist  das 
Fortlftben  der  guten  Seelt-n  erwiesen.  Hieraus  folgt  aber,  doli 
auch  die  «chtechten  Seelen  nach  dem  Tode  uoeli  forlexistieren 
müssen  und  zwar,  um  die  Strafe  für  ihre  Obellhalon  zu  em- 
pfangen. Denn  wAre  dem  nicht  so,  dann  liAtlen  die  Frommen 
und  Weisen  vor  den  Ciottlosen  nichts  voraus.  Denn  letztere 
würden  dann  ungestraft  ihren  st-hJechten  Neigungen  fröhnen  und 
im  irdi-sflien  Lt'hen  das  (Jluc.k  genieläen  .  das  ersteren  erst  nach 
dem  Tode  ?.n  teil  wird.  Dies  aber  widerstreitet  wieder  der 
göttlichen  Gerechligkeil.  Also  muß  allen  Menschen,  guten  und 
brtsen,  eine  unsterbliche  Seele  innewohnen.     (i,8 — 24.) 

Wer  das  Gesagte  aufmerksam  veilViigl  liat,  erkennt  sofort, 
diiü  Oominicus  in  Wahrheit  gar  nicht  vier  Argumente  ,ex 
transcendenlihu.s*  iinffdirt.  Denn  die  drei  letzten  sind  eigentlich 
nm*  weitere  Ansfüfirungeti  oder  nnhedeutende  iModiOkationen 
<les  ersten. 

Da  unser  Autor  den  bisher  besprochenen  Auseinander- 
sclzin)gt'ii  selbst  wonig  Beweiskrall  zutraut,  geht  er  nunmehr 
an  die  eigi'Jilln'lie  Beweisfübrunf? .  an  die  Darlegimg  der  argu- 
menta ex  propriis.  Dieselben  gehören  meistens  dem  Gebiete 
jnetaphysisch-psyehologischer  Erwilgungen  an;  in  einigen  Fällen 
bemüht  er  sich  Jineli.  empiriseh-psyehologi.^che  Thatsachen  ins 
Feld  zn  ifibron. 

Die  Binveistnhrung  ist  in  der  Reget  so  eingerichtet,  dali 
der  philosophische  Grundsatz ,  der  die  Voraussetzung  bildet  — 
radijr  nennt  er  ihn  —  vorwigestellt  und  auf  diesem  das  Ge- 
bAude  seines  Beweises  aufgeführt  wird. 

Zunächst  behandelt  Gundissalinus  zwei  ^radices"  ,  die 
ihm,  wie  er  sagt,  von  anderen  Philosoplien  überliefert  sind. 

Er  geht  aus  von  der  Substanz.  Bei  dieser  ist  zu  unter- 
srheiilen  zwischen  ihrem  Sein  (essentia)  und  ihrer  TbStigkeit 
odt-r  Wirksamkeit  (operalio).  Erslere  steht  höher  als  letztere. 
Ist  daher  schon  die  Thäligkeit  einer  Substanz  nicht  abhängig 
vom  Körperlichen,  so  muli  erst  recht  ihr  Sein  frei  davon  sein. 
Dies  aber  ist  der  Fall  bei  der  nienschliclien  Seele.  Denn  die 
Thätigkeit  des  edleren  Teiles;  derselben,    die  des  JnlellekLs,  der 


IlL  Der  philo».  Gedankengang  uiiJ  die  pbilns.  Stellung  der  Srhrift.      113 

uirtiis  intellecliim .  Iiflngt  nicht,  ab  vom  KOrper  ').  Ouher  muß 
erst  recht  itire  Wesenheit  frei  vom  Körper  sein.  Die  mensch- 
liche Seele,  oder  richtiger  (ter  Intellekt.  muU  also  (iShig  sehi. 
auch  allein  ,  ohno  KOrper,  zu  existieren.  Damit  wäre  die  Mög- 
lichkeit einer  Extstttnz  der  Seele  nach  dem  Toile,  also  ilirer 
Postexislenz.  erwiesen.    (5,7—11.) 

Was  aMifiMjji^'  isl  .  ist  nicht  si-lhstfindi^';  es  liranclil  und 
rrlmlt  Lfnlerstützimg  und  Küi-dcnuitf  viiti  dein,  von  welchem  i-s 
abhiln^ig  ist.  tfin^okehrt  wird  daltcr  der  Umstand,  daÜ  ein 
Dintf  von  einem  anderen  in  seiner  Thatigkeil  behindert  wird, 
die  rnahli;uiKigk('it  des  crsteren  vom  /.wi^iti-n  iiezeupen.  Man 
kann  dalitM-  dtii  nlii^ien  Bfwcis  auch  umi^fkuhrl  oder  mdirekt 
fOhrun,  indem  man  iUistrchl  vou  dem  Satze:  Wt-nn  die  Thilti^- 
keit  eines  W-rmögens  vom  Körpt^r  nehindHrt  winl,  su  hänj^'t  seine 
Wi'smlieit  von  jcnnm  iilclit  n\t.  Hips  tritTl  briin  Intellekt  /.u. 
Ih.-nti  je  mehr  vr  sich  dem  Körper  nfdiert .  sich  seinem  t^iiiüuLi 
liiii^deht,  um  s4>  mehr  mj<rl  sich  seine  Thätigkeit,  sein  Erkennt'u 
lintelligerc) ,  ^rfhinitiTt  und  In-tüiurrfi  unterworfen.  .1*'  mehr  i-r 
sicii  ab4T  vom  KöriKT  frei  macht  —  sich  von  ihm  entfcrtU  — . 
um  so  freier  mid  lebendiger  ist  seine  Wirksamkeit.  Natflriieh 
ist  das  «Sich  nähern"  nicht  im  wörtlichen  Sinne  von  einem 
körperliclien  NrdKTkoniincj)  /u  verstellen;  es  isl  nur  ein  biidli- 
clier  Ausdruck  für  die  Hingabe  an  die  Neit;un|jen.  Bestrebungen 
und  Lüste  des  Körpers.  Da  also  der  Körper  in  hölierem  oder 
geringerem  Grade  der  dem  hitellekt  ei}fenlniiiliclnii  TlidLigkeit 
hinderlich  ist,  so  kann  die  West-nheit  des  letxleren  nicht  von 
Hrslcrem  abhiln^en.     (5,12 — "ICy.) 

Kine  Variation  dieses  Argumentes  bringt  tlas  folgende. 
Wenn  ehi  DiuK  von  einem  zweiten  abhängig  ist ,  so  wird  die 
Gradation  in  der  Belhätigimg  des  ersten  am-li  eine  (iradation 
in  der  Bethäliginig  des  zweiten  zur  Folge  haben:  Steigen  untl 
Fallen    btii    beiden    werden   sieb    entsprechen  -).      Angenommen 


^)  Wir  sehen  hier  bereilB  eine  Zweiteilung  der  menschlichen  Seele  an- 
gedeutet, auf  die  spfller  zurückgekommen  wird.    S.  unl.  Ö.  114. 

•)  Man  denke  an  zwei  Maschinen,  vun  denen  die  eine  der  Motor,  die 
andere  die  ausübende  .\rlieitwnuuscluiie  isl.  .Ie  rsischer  und  slilrkcr  der 
Motur  in  Thättgkeit  ist,  unk  so  mehr  steigert  sich  auch  die  Wirksumkeil  Jer 
Bvftmeo  TT.  3.    B»low,  Ouiidiaialmaa.  8 


\H 


6un<1is5ottnus  De  immortalitate  nniniBe. 


also,  lUr  Inlt'lli'kt  Iiin^e  vom  Körper  ab,  so  müßte  er  dann  am 
Hrliwjiclistr'ii,  am  wcniKslm  tttalkrafliß  sein,  wi'iiii  jenrr  um  hiii- 
tilllit^steii  ist,  d.  i.  im  (iivisenallor.  (icracie  das  (Jeironteil  ist 
»bor  d*'r  Kall,  Die  hOchsle  Weisheit  und  Kluglieit  wohnt  dem 
(irt'ist^  iiiiic.  Damit  ist  zum  dritten  bewiesen,  dafi  die  Seele, 
bozw.  (Ut  Init'lk-kt.  vom  Körper  turbt  nbhfingijf  ist.    (5,:27  — 0.4.) 

Gehen  wir»  auf  diesem  dritten  Argument  fuljend ,  «-inen 
Schritt  weiter.  —  Wir  sahen  soeben,  dali  der  Intellekt  im  Grei- 
stmalter  seine  grOütc  Krafl  xelj^t.  M;in  kann  also  von  ihni 
sigen ,  daß  it  um  so  mehr  waolise  und  an  Kraft  gewinne,  je 
lAii^er  er  bestelle.  Nun  ist  es  alier  Thalsaclie  ^  daü  alle  sterb- 
lichen Dintfe,  jo  länger  sie  dauern,  um  so  hiiißllliKer  werden, 
bis  sie  sohlietilieh  am  ZusannnenliUl ,  uni  Tmle  oder  der  gänz- 
liehen  Vernichlung,  angehuigl  sind.  Da  sich  ntm  i\ov  hitellekt 
gerade  entgegengeselzl  verhall,  mnlj  er  unsterblich  sein. 

An  dieser  Stolle  geht  Oominleu.s  genauer  ein  auf  die 
I  Zweiteilung  innrrhall»  di-r  Mi^nsctieuseole,  die  er  vorher^)  nur 
JUiyeik'Ulet  hatte.  An  der  nien^chliclien  Seele  nämlich  ist  zu 
unterscheiden  das  sinnliche  VermAKeii  (uirlus  animalis)  und  das 
geistige  Vermögen,  der  hitellekt  (uirtus  intelhrtiua).  Krsteres  ist 
vom  Kßrpei*  ahhüngig;  es  gewinnt  und  verliert  an  KraJl  und 
vei-gebt  zugleich  mit  jenem.  Der  Intellekt  hingegen  viu-hält  sich 
gerade  umgekehrt. 

Nun  könnte  liiir  tin  Einwand  gemacht  werden.  Der  In- 
tellekt, könnte  man  sagen,  ist  doch  vom  Körper  ahlifuigig;  denn 
es  zeigt  sich  bei  den  verschiedenen  Geisleskranken,  nämlich  den 
(h'hirnkriinkeii,  Besessenen,  Melancltolikeru  u.  a.,  daLt  der  Inlel- 
U'kt  zugleich  mit  dem  Körper  angcgriflen  und  in  seiner  geonl- 
neten  Tliätigkeit  gehindert  sei. 

Wer  das  sage,  meird  Doniinicus,  schei<ie  nicht  genau  die 
Begriffe:  Hinderung  oiler  Verletzung  (hnpedinienlunj  et  lae- 
sio)   einerseits   und    Beschäftigung   oder    Inanspruchnahme 


rgteii  MfliM^liine,  und  im  gekehrt:  steht  eralere  sliU,  so  arbeitet  uucb  letx- 
nicht  mehr. 
i)i)j6  It    S.  üb.  S.  113.    Die  Uhrc  geht  auf  Aristoteles  zuröclc,  ist 
gg^  üaaieingut  und  üt?iiieinplinz  aller  griechischen,  arabischen  und  Ih- 
HB  reripuleliker  geworden. 


III.  MfT  philo»,  (iedankengani^  und  die  philn<t.  Stellitnp  tler  S'-liriri:       11% 

(occitpalto)  aiidrorsoils.  Die  Kiiswirknnjf  des  Körpers  anl"  tien 
lntell''kl  nun  ist  Iptliirlicli  eint'  « liiunspruchnahnu''*.  Denn 
dnirli  die  Tlialitrkt'it  der  Sinne.  (_i<'hör  nnd  (li-sichl  .  winl  der 
Geist  auf  äuli*'H'  Din^e  drr  Sinnenwelt  abgelenkt  und  rladurch 
seiner  eiKent liehen  Thäligkeit.  dem  geistigen  Krkeiuien.  zeitweise 
t'iilzo^ren.  Kbeiiso  isl  es  bei  den  erwähnten  (iei*fte.skraiikhriten. 
Die  \Valinl»ildei-,  die  dort  die  Serie  ln'lii'iTRcheii,  sind  den  Träu- 
men vei^deictibar.  iVu-  mich  die  Seele  uni^'unk^hi  und  mnfungeu. 
Sie  dauern  nnr  länp*r  al:;  diese,  sie  sind  dnuli  das  Leiden  l'est- 
^ehalleti;  gh-i(-)i  diesen  aber  heschäflij^en  sie  den  Intt-Hekt  nnr. 
verlelzen  ilm  aber  nicht.  Beweis  hierfui'  ist  die  Thalsai-he,  daÜ 
der  Geist,  wenn  jene  Krankheit  v^lli«  ^^eliobeit  ist.  wiedw  in 
aller  Kralt  zu  seiner  eiKt'ntlichen  Besclmftijkiinis'  zurückkehrt;  vor 
Mllcrn  abiM'  der  Umstand,  dalj  gerade  noch  während  der  Dauer 
des  Leidens  der  Gnisl  ,  »icti  ^jleirbsani  voiri  Körper  loslösend, 
sich  zu  seiner  hüctjHten  und  vonieinnsten  'l'häti^^kfit  erliebl.  Diese 
aber  besteht  in  prophetischer  Ahnunj?  und  OflenbarunK. 
Den  Zustanil ,  hi-i  welclieni  diese  aullrelen ,  JH'nnt  man  Ver- 
zOckung  (ext;isir> .  raplus) .  und  diese  tritt  gera*le  dann  ein, 
wenn  der  Körper  iu  liolieni  Maüe  geschwächt  und  angogrifTen 
ist.  In  diesem  Zustjtnde  zeigt  sicli  die  Ki^'<<tuiögtii-he  Loslösung 
dei'  Seele  vom  Kr)r])er,  solange  sie  mit  ihm  noch  durch  das 
Band  des  irdisiihen  Lehens  verkiiüpÜ  isl.  Und  da  sieh  schon 
bei  dieser  teitweisen  Loslösung  eine  hulie  Steigerung  der  Tlifilig- 
keit  des  InteHektes  zeigt,  so  muü  dieselbe  bei  der  gänzlichen 
Befreiung  vom  Körper,  die  im  Tnde  eintritt,  zur  hOrhsten  Stufe 
der  Vollkommenheit  gelangen.     (0.0—7,^0). 

Wie  oben  (S.  I|:J^  ausgeführt,  ist  die  Thätigkeit  des  In- 
tellekts, das  geistige  Erkennen  (intelügere) ,  um  so  mehr  behin- 
dert und  um  so  weniger  rege,  je  mehr  jener  sich  dptu  KiufUili  des 
Körpers  liingiebt,  je  näher  er  sieh  ndl  demsplbeu  vereint.  Hier- 
aus rnuü  man  schliefen,  daü  dicselbt.'  im  (Jegeusatz  dazu  um 
so  stärker  mid  reger  vvini,  je  rnelir  sich  der  Geist  vom  Küi-p(?[- 
freimacht.  Am  stärksten  miit^  djesell>e  mithin  bei  einer  völli- 
gen Trennung  der  Seele  vont  Leibe  sein  ,  d.  i.  im  Tode.  Und 
in  der  That  zeigt  sich ,  dali  \'erzück.ung ,  UlTenbarungen  und 
Propitezeiliungen ,    die    doch   die   höclisle   Potenz  der    geistigen 

8* 


116  GundissaUnus  De  immorUlitAle  animae. 

Thätigkeil  darstellen  (s.  o.  S.  115),  ineistenteüs  gerade  in  der 
N&he  des  Todes  thitrelcn.  Ist  aber  die  Thrdi^lieit  eine  gestei- 
gerte, so  kann  iitmuViH'h  die  Wesenlicil  verletzt  sein.  Es  vi- 
giebt  sich  also  dit-  Th:Usacln^,  dai^  das  Sein  (esstMilia)  de»  In- 
tellekts durrh  den  Tod  des  Körpers  in  keiner  Weise  in  Mitlei- 
denschaft gezogen  wird.     (7,äG— KJ3.) 

Dainit  ist  die  Mfihe  der  Hi'weisc  ersfhn[>fl .  die  sirh  auf 
der  ersten  Wur/el  aiilbiiiien  ').  (lundissalinus  gehl  nini 
zu  einem  zweiten  Grundsatz.  fd)er,  welelier  lautet:  ,Jede 
SuI>sUm]z,  deren  Form  nicht  zerstörbar  ist.  ist  selbst  iiieltl  zer- 
störbar* -).  Inwiefern  tindut  nun  diesi-r  Sutz  auf  die  Men;^chen- 
seele  als  geistig  erkennende  Substanz  (>ul>stantta  intelligeusj  An- 
wendung? Allgemein  wird  zugestanden,  dali  nur  die  in  die 
Materie  ganz  versenkten  Formen  (die  fonnae  niateriales)  zer- 
störbar seien.  Konnte  man  also  nachweisen,  dali  dtr  Wesen- 
heit des  Intellekts  keine  materielle  Form  eigne,  so  wäre  daniil 
seine  Unzerslörburkeit  erwiesen. 

Ventiiltcls  der  Walmiehmung  nimmt  der  Intellekt  die  ma- 
teriellen Formen  oder  vielint-hr  deren  Ai>bildcr  ')  in  sich  auf. 
Es  kann  ihm  selbst  daher  keine  bestimmte  materielle  Form 
eignen,  da  er  sonst  nicht  die  Ahbilder  aller  materiellen  Können 
in  sich  aufnehmen  könnte*).  Doniinicus  veransehauliehl  dies 
an  den  seil  dem  AlterLun»  ••)  geläufigen  Bililern.  Das  Auge,  sagt 
er,  muii  an  der  Stelle,  wo  es  <lie  Abbikier  aller  Farben  in  sich 
aufninmit,  selbst  farblos  sein,  da  es  sonst  für  Farben  nicht  em- 
pfänglich   wäre.     Denn  was  z.  B.  selbst  weiti  ist,    ist  gegen  die 


')  Dieselbe  liieJJ:  «Wenn  di«  Tiiäli^keJt  einer  Substanz  vom  Körper 
nicbl  abhÜDgiy  ist ,  su  liängl  uucli  ihre  Wesenheil  von  jenem  nicht  ab.*  S. 
ob.  S.  112  r. 

')  Arabiscb-peripatetischer  Gemeinplatz. 

*)  simililudines:  s.  ob.  S.  8,2U. 

*)  Vj(l.  Arisloteles  »le  aaima  III,  4  p.  429  a  18  ff.  Der  Gedanke 
geht  bekanntlich  auf  Anaxaporas  zurück,  viuf  den  auch  Arisloteles  ver- 
weist; vgl.  Anaxagor.  fragm.  G  (Hullach)  bei  Simplic.  phys.  1,  4,  p.  ir>0,  13  IT, 
ed.  Diel». 

*)  Vgl.  z.  B.  Alexander  Aphrod.  de  an.  II,  p.  lOG.  3Ü  ff.  ed.  Brana 
(dieses  Stflck  —  .Tf^i  rov  —  war  auch  ins  Arattisctie  und  daraus  ins  Latei- 
aiüche  tlberselzl;  v^l.  oben  S.  CA  Anni.  7). 


111.  Der  philüs.  Gedankengang  und  die  phüos.  Stellung  der  Schrift.      117 

weiUe  Farbe  oder  deren  Abbild  iinempliniJlich.  In  gleicher 
WeiHe  V(U*hAli  sich  der  Ot^srhinackssliiti ;  er  mub  au  der  Htetio, 
wo  er  alle  die  verschiedenen  Geschrnackseirid rücke  orupfiintjt, 
selbsl  geschmacklos  sein  '). 

Ebenso  also  darf  auch  der  Intellekt ,  da  er  die  Eindnicke 
aller  materiellen  Formen  in  sich  aulniinmt,  iti  sich  keine  mate- 
rielle Form  als  uatrirliclu"  oder  Wesensforin  enllmlten  •).  -  Da 
nun,  wie  oben  bemerkt  vvui-ile,  aur  die  nialeriellen  Formen  zer- 
störbar sind,  SU  fbl^4,  daö  der  Intellekt  unzerstörbar  ist. 

Warum  at)er  sind  itiir  tXw  fiirin:ii'  rnateriales  zerslörhar? 
—  Del-  Beweis  bierlTir  wird  iiuft-M-lintU  auf  dem  Gedanken,  der 
ursprnn(.dich  auf  Aristoteles  /.arüek^'olil,  dal^  alle  Veränderung 
auf  körperlicher,  riluiulieher  Herühruu^  und  IJewe^^ung  berulit '). 
Also  müssen  auch  Entstellen  und  Vergehen ,  welclie  die  Folge 
des  wechselseitigen  Entgegenwirkens,  des  Konfliktes  entgegenge- 
setzter Kräfte  sind,  durch  körperliche,  materielle  Bewegung  (eon- 
tactus)  veranlalil  weiden.  Milliin  können  sie  bei  iiiiitiateriellen 
.Substanzen  nicht  wirksam  sein.  Hierzu  kommt  noch  die  Thut- 
sache.  daü  es  bei  immateriellen  Substjmzen  rdn-rliaupt  keinen 
Oegensatz .  keine  contrarielas ,  giebt.  Alles  Immaterielle,  mithin 
auch  der  Intellekt,  ist  dalier  unzerstörbar.     (W.ti— D,I5). 

Wie  steht  es  nun  aber  in  dieser  Hinsicht  mit  der  Tier- 
seele (auinin  animalis  oder  brutalis)  y  Ist  diese  :mch  eine  im- 
materielle Form  und  mithin  unzerstörbar?')  Nein,  sagt  Do- 
minicas, sie  ist  eine  materielle  Form.  Die  materiellen  Formen 
^ind  allerdings  nicht  alle  gleichartig.  Man  muß  zwei  Arten  der- 
selben unterscheiiien:  eine  höhere  und  eine  niwlere  (forma  pro- 
prie  coi-poralis).  Letztere  steht  völlige  in  Abhängigkeit  vom 
Körper,  sie  regiert  jenen  keineswegs,  sondern  wird  im  Gegenteil 
von  ihm  regiert.    Die  erstere  tiingegeti  i'egiert  den  Körper;  sie  ist 


')  d.  Ii.  im  passiven  Sinne. 

')  Wühl  al»er  kann  dieselbe,  wie  der  äcliolasLisc-he  Austlruck  lautet,  als 
intentionale  Form  in  itini  vurtiandcn  seid,  d.  h.  als  die  MOglichÜceit  der  Er- 
kenntnis der  materiellen  Form. 

•)  Vgl.  Zeller.  Philos.  il.  Grieclien.  U.  2.  S.  3flU  IT.  (3.  AuH.). 

•)  Was  mit  S.  6,13  im  Widerspruch  stünde,  s.  üb.  S.  111. 


m 


nunitis)<alitiufit  Df>  iniiiiiirtiililalo  aninm?. 


sfiii  Träger.  Imios  rtyl  iiml  hrlliiltigt  sich  auch  ilire  fianze 
Tlmligk(Mt  ausschlii'ülitli  in  ilci*  Materie  des  Körpers  unH  durch 
dieselbe;  tnilhin  inuö  auch  ihre  WesenliMil  von  IptzlerL'in  al>- 
liflnKL'n  und  inil  ihm  zerstftrl  weitieii.  Zu  dieser  lelztt^reu  Art 
gehört  uls((  uiicli  die  Tier-  und  IMhiiizeiLseuk'  (auitiui  Jh'uUiHs 
und  uegetabilis)  i).  Um  das  Verhfdtüis  der  lebilcren  zu  ihrem 
Körper  üu  verausdiauhchcn ,  hcflienl  sidt  unser  Autor  wieder 
der  HilHer,  dir  ov  nlli-rdiri^^s  e^olhst  nicht  für  sehr  passend  häJl. 
Kr  ervvälml  ein  (iriViLi,  in  dem  sjrli  eine  KU"issit'keit  l»etuidet, 
uiid  ein  lUil/stilck .  an  wfdehein  eine  Klimune  loderi.  Diese 
Tierseeie  kann  auch  iti  der  Erke-nnluis  nirld  alle  maleriellen 
Formen  erfassen.  Das  eigentliche  Objekt  ihrer  Krkeuntuis  sind 
die  sensibilen  Können ,  hingegen  ist  sie  völlii:  untuhijf  zur  Auf- 
nahme der  AllgenieinbegrifTe ,  der  uniuersatia.  Auch  der  tieri- 
fiehe  Fnstinkl  (uirtus  aestimatiua)  -)  bildet  keine  Geg-eninstanz; 
denn  auch  dieser  beruht  nicht  auf  einer  begrifTlichen  Allj^emein- 
crkennlnis ,  sondern  vei-bleibt  inn^rbalb  der  Sphäre  der  .Sinnen- 
erkenntnis ,  inneriialb  derer  er  das  Tier  das  sinnlich  Nftlzliclie 
oder  Schädliche  erkennen  laßt.    ('J.l^i— 10,15). 

Soeben  ^)  war  dargelhau ,   daÜ  die  materielle  Zei-stönmg' 


*)  Ober  die  mannigfachen  Ansichten  hinsichllipli  der  Tienteele  in  der 
lateinischen  Philosophie  des  zwölften  Jahrhunderts  vpl.  M.  Bauni^.Trlner, 
Die  Philosophie  det>  Alanus  de  Insulis,  Münster  18iMi  (Üeitr.  z.  (icsch.  d.  Phil, 
i).  M.-A.  II  Hen  4),  S.  84  ff.  98. 

'J  Diese  „Vis  aestimatiua'  wird  von  Jen  Arabern  (Avicenna ,  Algazel, 
.Averroes)  als  einer  der  inneren  Sinne  aufgefrthrt.  deren  ATicenna  fünf.  Aver-' 
roes  vier  aufslellt.  Üie  laleinisf^hen  Si-holastiker  folgen  Ihnen  darin:  vgl, 
z.  Lt.  .\lbertus  Magn.  äutitma  de  creiiL,  pars  2  (de  honiine)  ,  lt.  l  q.  37  a.  1 ; 
Thomas  Aqu.  S.  Theol.  I  q.  78  a.  4,  —  Die  Schwierigkeit,  welche  die  Vis 
aesUmatiua  dem  (iundissiliniu  hier  bereitet,  liegt  darin,  daß  schon  heim  Tiere 
der  Instinkt  gewiseermalien  Ober  das  sinnlich  Wahrgenommene  hinaus- 
führt. So  sagt  Albert  der  Große  a.  a.  0. ,  indem  er  über  diese  Lehre  der 
Araber  berichtet:  Dicil  Algazel  sequens  Auicennam:  ,aestimatiua  est  uirtus 
apprehendens  de  aensato  quod  non  est  sensatum.*  Das  gewöhnliche  Heispiel 
hl  das  Schaf,  welches  inslinktir  vor  dem  Wolfe  Hiebt,  nicht  weil  etwa  die 
Farbe  oder  Gestall  desselben  seinen  Gesichtssinn  lieleidigte,  sondern  weil  es 
in  ihm  seinen  Feim)  erkennt.  Kritisch  behandelt  hal  diese  Lehre  Schütz, 
Die  uis  ae^llmatlua  !^.  cogitaliuu  des  h.  Thomas  von  Atpiin.  GArres-Ges., 
Sekt.  f.  Philos.,  Jaliresber.  Iflr  I88.J;  Köln  l««4,  S.  ;J8-  üi. 

•)  S.  S.  116  f. 


lU.  Der  philos.  Gedankengaug  und  die  pliUiJs.  SteMuiiK  der  Si'lirifl       Mit 

den  iniinaleriellcn  Substanzen  nichts  anhaben  bann.  Warum 
aber,  lietUl  es  jetzt  weilor,  sollte  es  nicht  auch  eüie  imma- 
terielle Zersiöninp  dersetbtMi  geln^n?  Oenn  es  stellt  düch  lest, 
daÜ  die  Seele  verechiedenen  sLimnisehen  Ket:nn{;en  und  Sobmer- 
zen,  wie  Zorn,  Hau,  Neid,  Scluun  und  anderen,  unterwtjrfen  ist, 
die  ihr  nicJil  fewiige  Pein  veiursachen.  Sehmerüeii  aber  und 
Qualoii  nafen  ilocli  \'erlet/ungen  hervor.  Ist  nun  ein  VerrufVen 
(uirlus)  rdx'rliaupl  Verletzungen  ausgesetzt ,  so  ist  es  andi  der 
hnchslen  P4>lenz  derselben,  dem  Verixeheu  oder  Tode,  unterwor- 
fen. Denn  die  Widerstandslalii^fkeil  des  Vennögens  rtrieht  doch 
nur  bis  zu  einem  Ijestimmten  Kriide. 

Dagej^en  ist  eüizuwenden,  meint  Dominicus,  daü  die  ße- 
grifTe  Schmerz  und  Verletzun^^  nirlirdculi^'  sind.  So  ist  z.  B. 
der  Schmerz ,  den  maji  inlblge  einer  Verwmidung  cmplindol, 
ein  aniierer  als  der,  den  uns  der  Verlust  eines  geliebten  Besitz- 
tumes  verursacht.  Etwas  andere.s  ist  es .  ob  man  von  Vereini- 
gung und  Trennung  tiei  zwei  sich  liebenden  Wesen  oder  bei 
den  Teilen  eines  zusanunenhüngendeti  (tanzen  spricht.  So  ist 
auch  zu  scheiden  zwischen  der  Verletzung,  welche  die  Wesen- 
heit ihres  Zielobjektes  triltl  (laesio  essentiabs) ,  und  deren  Ge- 
gentful ,  die  also  nur  auf  ein  äuUerlich  mit  dem  (ietroffenen 
Verbundenes  (res  forinseca)  einwirkt.  Von  letzterer  Art  nun  ist 
die  Verletzung,  welche  der  Schmerz  in  der  mensehlichen  Seele 
hervorruft;  dieselbe  kann  also  nicht  zum  Tode  führen.  --  Indes 
gilt  ilies  nicht  lur  die  Tierseele.  Dt>im  In  dieser  kann  sehr 
wohl  ein  Sciimerz  oder  eine  Erregung  solche  Oimetistonen  an- 
nelimen.  dati  dadurch  der  Tod  dos  Köipers  und  damit  auch  zu- 
gleich der  Untergang  jener  niederen  Seele  verursacht  wird : 
denn  <lie  Wesenheit  dei*»  letzteren  hängt  ja  vom  Körper  ab. 
(10,16—11,18). 

Hier  schiebt  unser  Philosuph  die  Bemerkung  ein,  dati  fast 
sämtliciie  vorerwähnten  Argumente  auf  Aristoteles  und  seinen 
Nachfolgern  lussen.  Unter  letzteren  haben  wir  wohl  die  arabi- 
schen Peripatetiker  zu  verstehen.  Üie.se  Angabe  werden  wir, 
wie  der  kundige  Leser  selbst  gesehen,  und  wie  ja  auch  aus 
meinen  Anmerkungen  ersichtlich,  im  alJgememen  als  ricidig  be- 
zeichnen  müssen.      Aui    die    tlnsterbliciikelLsbeweise    des  Plato 


i 


läft 


Gundissalinus  Üe  imumrUlilale  unimae. 


ihnii'geiu  iiR'inI  uiisi-r  Aulor,  Uisse  er  sirli  nicht  ein.  iJcnn  die- 
selben pHÜlcn  aueli  auf  die  Tierseele ,  deren  Existenz  aulierhalb 
des  Körpers  und  nach  demselben  unnütz  und  zwecklos  wäre. 
(Il.ltl— li',2). 

Üicde  Krililt  des  Doriiinirus  nmsseii  wir  in  dic^scr  alljjc- 
ineinen  Form  als  nicht  zutreffend  orler  mindestens  als  ober- 
flächlich bezeichnen.  Denn  sie  paiJl  wohl  auf  die  meisten  Ar- 
gumente des  Phaedrns  —  aber  auch  da  nicht  anf  a!l(^  -  .  nirhl 
jedoch  atif  die  des  Phaedo  '). 

Nunmehr  wird  zu  etwas  Neuem  ubergegan^wi.  Den  Aus- 
gangspunkt bildet  die  Lehre,  data  in  der  Natur  nichts  zweoklas 
geschieht  -|.  Daher  lie^d  c«  auch  in  der  Natur  jeder  Br-we^img, 
die  nach  einem  Ziel  i^tTichtr-t  ist,  dali  sie  an  und  inr  sich  die 
Möglichkeil  besitzt,  diesus  Ziel  zu  erreichen.  Andernfalls  würde 
diese  Bewegung  zwecklos  sein.  Nun  ist  aber  zu  scheiden  zwi- 
schen körptrlichen  und  seelischen  Bewegungen.  Hier  glaubt 
sich  Doininieus  m  einem  bewulJten  Widerspruch  mit  einer 
angeblichen  Ansicht  des  Aristoteles  zu  belinden.  Jener  Phi- 
losoph man  lieh ,  sagt  er,  lehre:  , Bewegung  ist  ein  fortlaufender 
und  nicht  plnl/.hilier  ("bcrgang  von  iler  Möglirlikril  zur  Thätig- 
keif  V.  Diese  Delhiilion  jedocli  sei  nicht  allgeinein  genug,  da 
sif  nur  auf  die  körperliche  Bevv4'gung  jklssc.  (iundissaliuus 
verstetit  unter  Bewegung  eine  Geneigtheil,  ein  Gerichtetsein  auf 
die  Erreichung  eines  Zieles.  Diese  Definition  passe  snwiihl  auf 
körperliclic  als  auch  auf  seelische  Bewegungen.  Zu  letzteren 
gehören  nun  auch  Furcht  oder  Abneigung  und  Verlangen  oder 
Begehren.  Krstere  ist  ein  Sictiahwenden  der  Seele ,  ein  Bestre- 
ben, einem  anderen  auszuweichen;  lel/leres  ein  Sichhinneigen 
der  Seele,  ein  Slrel)en  nach  luTeichnng  des  Krstrehten.  Sind 
nun  jene  Hegungen  in  der  Seele  vorhanden ,    so  rnufi  ihr  auch, 


')  Vgl.  PIaL  Phnedr.  24ö  B~246  A.  Pbaedo  64  Ä— 69  A.  7»  U.  107  C. 
lUpubl.  X. 

')  V^;!.  (las  ArisLolelische :  r>  /trös  nai  ij  ffvm^  ovöiv  ftntrjv  .T«oPo<f, 
de  cado  1  4,  p.  271  a  ^3.    Vgl.  Zeller  a.  a.  O.  U  2.  S.  4^4. 

*)  Diese  Definition  lintlel  siirli ,  meine-s  Wittsen«  weiiig^leiis ,  iiicbl  bei 
Aristoteles.  Phys.  2ti2  A  uml  267  A  wird  nur  von  eiuer  xtrijoi^  rti-KfjfiJc 
gesproc}ien,  ohne  zu  sagen,  ilaä  jede  ttivtj<itg  eine  orvex»}^  sei;  auch  l'ehlt  der 
Zusnlz  des  höh  aubiinB, 


[it.  L>er  |)hilo5.  üedsnkengaDfr  und  die  phrlus.  Stellung  der  Schrift.      1:21 

daitnt  jene  Bowt'gungtMi  nicht  zwecklos  sind ,  dir  Mö^'Uchkeil 
t'elwtrn  .sein,  da&  sie  ilu'  Ziel  erreichen.  Die  Seele  niuli  also 
(las.  was  sie  lliriM-  Natur  mich  erslrclit.  anch  crreir-hen  <t(Jer  ati- 
di'erseils  sich  völlig  von  ilciii  ahwenilrii  köinini,  tlus  si(t  lliehl. 
(li>,3~13,l)). 

Welches  sind  nun  aber  jeiu'  der  nii-n.schlichen  Seele  spe- 
ziell als  stjlf'her,  d.  ti.  üircr  höheren  Natur  nach,  eig*-rtfnnili)-hen 
Stri'bmigen  und  Wollnnt<t'n ':*  Sie  ersehnt  eine  wahre  und  i'clite 
(Ilnckselitrki-'it  und  llidil  den  Znstand  wirkhcher  Unsetigkeil. 
Hierbei  darl'  man  aljcr  nicht  an  die  Wünsche  und  Neigiinnren 
der  sinnlichen  Seele  denken;  es  handelt  sicii  nur'  uin  den  edle- 
ren, erhabenen  Teil   di-r  tnenschlicheri  Seele. 

Kommt  nun  letzterem  eine  ilim  eigentümliche  (ilnrk- 
Seligkeit  zu  oder  nicht?  —  Der  animalische  Teil  lK*sitzl  ohne 
Zweifel  seine  ihm  eiKentümlicIien  rrenderi  und  Krgötznntren  und 
inn^'rkelirt  auch  steinen  un^lüekliulien  Zustand.  Vielleicht  nun 
sind  dies  dieselben  Güter,  die  der  InteUekt  erstrebt  odermeidel; 
vielleicht  also  decken  sich  hier  die  Slrebunnren  der  vernünftigen 
und  <ier  sinnllrlien  Seele?  Allein  dieses  ist  uninOplich.  Denn 
jen{'  Freuden  dvr  animalischen  Seele  sind  nicht  ^'cistiger  Art, 
mithin  tler  edlen  Natur  des  Intellekts  nicht  entsph'clu'nd.  Glück- 
seligkeit aber  kann  nur  liei-voi-gerulen  werden  rlmch  den  Besitz 
von  tiütern,  die  der  Wesenheit  des  besitzenden  Vermögens  an- 
gemessen sind.  Die  Glückseligkeit  niimlrcli  brsteltt  in  der  Huhe, 
die  eintritt,  wi'?in  das  der  Natiu*  nach  eigeulümbche  Ziel  er- 
reicht ist.  Diese  Hnhe  t.rilt  ein ,  wenn  das  Vermögen  seine 
Vollendung  lindet.  Vollendung  '|  aber  ist  die  Erreichung  dessen, 
was  in  dem  Vollendungsfrdngru  poti'ntiell  vorhanden  ist.  Also 
mutj  die  Glfiekseligkeit  drs  (nU-llrkU,  sofern  er  rihcrhaupt  eine 
solche  besitzt,  eine  andere  sein  als  die  der  animalischen  Seele. 
Nun    muü   aber  in  der  Thal  dem  Intellekt  seine  ihm  eigentum- 


')  S.  ob.  S,  14,10  ff.  Vet'frciio  enlspricbl  id  unserer  Schrift  der  arislo- 
tetisclien  ivitXix^^  ~  ^'^^  Obersetzung  ptrftctio  isl  zwur  die  (^ebrducliliche 
in  arahisch-laleinischen  Versionen,  während  die  griechiscli  Inteiniiichon  das 
Hpftler  allgemein  Hhliche  »ctu»  vorziehen  ;  über  äie  Htiilel.  »ir)i  keina'swegs  nur 
durt.  So  giebt  scbou  der  im  älittelaKer  (namentlicb  im  fnlberen)  viel  be- 
nutzte Kommentar  des  Chulüidiu:!!  zum  platonischen  TimueuH(c.2{d  Uullach) 
in  der  aristoteliechen  Definition  der  Seele  kvttXixfia  durch  perfrctio  wipftor. 


I52 


GundisHalious  De  immorliüiute  animae. 


liehe ,  soincm  Wesen  entsprcn-ljendu  UlückseÜKkeit  zukomm«»n, 
da  st'Jion  die  animalische  Sct'lc  eme  sulcfac  hat ,  das  Nie- 
dere, Uiiedlcrt^  aber  vor  dem  Hölieron  nichts  voraushahori  kann. 
(1S,I0— !4J5). 

Didi  abei-  diese  Gh"ieksc'h(fkeil  verschiedfti  von  der  der  ani- 
niahsrhoii  Seele  sei,  weist  er  neben  der  obijren  deduktiven, 
apriuristlKMi  Weise  aufh  durel»  ein  enipiriscli-imliiklives  Arpu- 
nu-iil  nach,  Weise  und  jreistig  hochstehende  Mtnischrn ,  sagt 
(lUtidissLilinus,  sm-heti  iimi  finden  in  j^-nen  iiilischen .  sinn- 
lichen tifilern  und  I-Veuden  nicht  ihr  Glück  ;  im  Gegenteil ,  sie 
verarhtrii  und  fliflien  dieselben  '),  Aber  auch  die.  welche  jene 
irdisrhni  GöIü-  besitzen.  wiTdcn  dni-eli  ilirsr'lbcn  nirht  jrlflrklich, 
sondern  sind  im  Gegenteil  elend  durch  sie.  mögen  sie  selb.-;!  die- 
selben nun  lieben  oder  niclil.  Denn  sind  sie  diesen  Gütern 
iiiclit  znljelluut ,  so  kann  der  Bt'sitz  derselben  ihnen  natürlich 
keine  Freude  mal  kein  Glück,  sondern  nur  Last  uu*!  ünbelui^en 
bereiten.  Aber  mich  wenn  sie  an  jenen  Gütern  liän}jen.  brin^'en 
Urnen  dieselben  kein  tiiilok:  denn  alle  Leiden  und  Anfechtungen, 
denen  der  (iejrenstand .  an  dem  sie  in  irdischer  Liebe  liAiiKen, 
ausf<esel/t  ist,  bereiten  ihnen  viel  Schmerzen  und  ICunmier.  Da- 
her bringt  ihnen  jene  Lieb(?  zum  mindesten  eben  soviel  Leiden 
als  Freuden,  so  daß  Freude  und  Leid  sich  aufheben;  meist  aber 
öberwieKen  die  Leiden,  und  jene  Güter  ^-ermehren  dalier,  da  sie 
ober  die  Suituiif  des  i^eides.  welche  ausreicht,  um  die  K''Ken- 
ubersleliendi'  Lusl  auf/JihebiMj ,  hinaus  noch  weiteres  Leid  mit 
sich  bringen,  nur  das  Elend  des  Menschen.     (14,16  —  15,16), 

Dies  wird  nun  nochmals  auf  dwluktiveni  Wege  erwiesen. 

-hnle  Aniiriherufi^i  an  das  eine  von  zwei  Kxtremen  ist  eine 
—  Je  nadi  tlent  (irade  der  ersteren  gn'ilJere  oder  geringere 
Entfernung  von  dem  andern.  So  ist  also  auch  die  Hingabe, 
die  Annälierung  eines  Subjektes  an  niedriger  stehende,  weniger 
edle  (Jbjekte  ein  Herahsleigeu,  eine  Kmii'drigung  jenes;  sie  ent- 
fernt es  von  seinem  edlen  Z'w).  Daher  wird  auch  die  mensch- 
liche Seele  durch  die  Hingabe  an  Irdische  Freuden  abgelenkt 
von  ihrer  Vervollkonnnnunp  unil  ihrer  tiefsten  Erniodrigimg  und 
damit  dem  Unglück  genähert.     Der  Intellekt  hui   eben   andere. 


*)  S.  üb.  U,12  n.    \^l  uuch  4,10  r.  und  ob.  s.  iil  f. 


111.  Der  philos.  QedRukcn^ting  nn<]  i)ie  phiUis.  Stellung  der  Schrift.      133 

seiiiei'  (MÜPit  Niitiir  aiiireinossrnere  Objekte  seiner  Tfiäliffkoil  ^), 
ilic  ci-  rrKi'hnt,  und  liurcli  (\]ii  fr  iliT  Vci-vollkünifunuiig  nnil  dem 
(ilfick  imher  gerührt  wird.  Er  niui-i  sie  nalur^feniAU  haben,  da 
ja  die  Sinnesorgane,  die  doch  viel  Liefer  stehen,  ihre  eij^en 
Sinuesobjekto  besitzen ,  deren  Betrachlung  sie  vervollkoninniet 
und  erurrnzt.     (15,Hi-  !(i,7). 

Nudi  dinrli  eine  Keihe  weiterer  Wendungen  hindureh  wird 
dier^i:^  Gedanke,  der  die  er:^te  Sluie  des  Uiislerblicfikeit.'^lit'weises 
aus  den»  StrchL'U  drr  Serlr  nafli  cwi^fcr  (MMi-ksrlijfki-il  eiilbrdt. 
von  tiundissalinus  durcligL'föhrt ,  der  (ledanki;  nüinlieU.  dati  dor 
veniünlli^en  Seele  eine  ihr  eigen lünili die,  von  der  der 
anirnaüschen  Seele  versebi(*deiie,  und  dannn  nicht  an 
die  Vereinigung  niil  dem  Knrper  gebundene  (Jluekselig- 
keit  lind  VollendunK  zukouiuie.  Die  Ziele  des  StrebtMis  des 
bilellekls,  die  doch  eben  seinen  Zweck  ausmachen,  hebt  er  her- 
vor, müssen  selbst  edler  Natur  sein;  sie  können  niebt  irdische, 
sinnliche  Güter  sein ,  da  kein  Ki-schaftenes  um  eines  Zweekes 
willen  ersrliaffen  ist ,  der  niedriger  und  tiefer  stände  als  Jenes 
selbst.     116,8—14..) 

Ferner,  wenn  von  zwei  Vermfigen  das  eine  erhabener  als 
das  andere  ist ,  so  niuLi  aui-h  die  htjcliste  Steigerung ,  d.  i.  die 
Vollendung .  des  ersteren  bßher  stehen  als  die  des  Kweiten. 
\Venn  also  das  Denkvetmögen  rein  geistiger  Natur  imd  unab- 
hängig vom  Körper  ist*),  so  wird  um  so  mehr  sein  vollkomm- 
ner  Zustand  *)  rein  geistiger  Art  und  völlig  frei  von  i\en  Sehran- 
ken des  Körpers  sein.     (10,15  —  33.) 

Dasselbe  läßt  sich  auch  durch  ein  schon  mehrfach  erwälm- 
les  empirisehes  *)  Argument  darthun.  Wie  bereits  oben  ge- 
zeigt ^),  tritt  die  höch-ste  Steigerung  der  Thätigkeit  des  Inlellekls 
in  dem  Zustande  ein,  in  dem  er  sieh  möglichst  —  d,  h.  so  weit 
es  während  seiner  Verbindung  udl  dem  Körper  überhaupL  sein 
kann  --  vom  Körper   frei  macht,    d.  j.  im  Zustand  der  Ekstase 


')  Das  sind  eben  die  eigenLlichen  Denkobjekte. 

»)  S.  üb.  Ii4  fr. 

')  In  dem  eben  »eine  Gläckseligkeit  einUjtl. 

*)  Empirisch  wenitrstens  nach  Ansicht  unsres  Autors. 

')  S.  115  ff. 


I 


13-1 


Gundis-salinus  De  immortaliUte  aninue. 


I 


oder  Verxöckuni^.  Die  Steigerung  der  'Difilifkeil  eines  Vermö- 
gens aber  fülirt  das^^elbe  seiner  Vollendung  entgegen.  Tritt  also 
schon  im  irdisclien  Leben  bei  der  höchsten  Steigerung  der  in- 
leMoktuclIeri  Thätigkeit  eine  fast  vOlHge  Lo.sIösinig  der  vernünf- 
tigen Seolr  vom  KoifM^r  ein,  so  muLi  um  so  mein-  bei  erreichtem 
Zustande  der  Vollendung  ')  vollkommene  Freilieit  vom  KörpiT- 
lidien  sich  zeigen.     (lfj,24— 17,^». 

Nachdem  lummehr  erschöpfend  dargcthaii  worden,  daü  die 
Glückseligkeit,  nadi  der  sich  der  Inteik-kt  sehnt,  i-ine  ganz 
andere  als  die  der  animalischen,  in  den  Banden  dv^i 
Körpers  befangenen  Seele  ist,  daü  dieselbe  vieltnehr  eine 
seiner  edlen  Wesenheit  eigentümliche  ist,  wird  numnehr 
nachzuweisen  versucht,  daü  diese  Gtückseligkeil,  und  el)enso  ihr 
Gegenteil,  der  Zustand  der  ünseHgkeit.  ewig  sein  muß,  und  dalä 
darum  der  Seele  ein  ewiges  Fortleben  zukomme. 

Data  die  Seele  die  Möglichkeit  besitzen  tnuLi,  jene  Glück- 
seligkeit zu  erreichen  -),  da  sie  das  Streben  nach  demselben  be- 
sitzt, geht  hervor  aus  der  oben  ')  besprochenen  ZweckmäUigkeil 
des  Nalurgeschehens.  Diese  Glückseligkeit  aber  mtUi  ewig  sein; 
denn  sonst  wäre  sie  keine  wirkliche  Glückseligkeit,  da  die  Seele 
in  diesem  Kalle  ja  der  Vernichtimg  uihI  dem  Tode,  d.  i.  dem 
größten  Übel,  unterworfer]  wäre.  In  spitztlndiger,  dialektischer 
Begriffsspaltung  wird  nnnmelu-  von  Gundissalinus  das  Verhältnis 
(Jer  Rc^Tiffe  „Ewigkeit"  (perennitas)  ^)  und  „fJifickseligkeit" 
(feHcil4is)uriler.sMcld,  umzuKcigon,  in  wrichei- Welse  man  von  einer 
„ewigenGlüikseligk*;!^  spreclien  könne,  und  so  zu  erweisen,  dab  eine 
ewige  Glückseligkeit  der  Seele  eine  (a  parte  posl)  ewige, 
d.  h.  unzerstörbare  Seele  voraussetze.  t)ie  Kwigkeit  darf  näm- 
lich zunächst  nicht  als  ein  Teilinhalt  der  Glückseligkeit  gefatit 
werden.  Denn  da  dieselbe  auch  dem  Gegenteil  der  Glückselig- 
keit,  der  ewigen  Unseligkeit,   zukommt,   so  würden  in  diesem 


■)  bi  der  die  Gldckseligkeit  besteht. 

')  Und  ebenso  siib  von  dem  Unglück  völlig  abzuwenden. 

")  S.  S.  120  r 

*)  Diese  Ewigkeil  (perennitos)  ist  natürlich  nichl  im  Sinne  einer  nach 
vorwärlH  und  rflckwürU  ewigen  Üaaer  (atternUaa)  gemeint,  sondern  im  Sinne 
einer  ewigen  Fortdauer. 


lU.  Der  philos.  Oedankengung  und  die  philos.  Stellung  der  Schrifl.      125 

Falle  zwei  konträre  Gegensätze  in  einem  wesentlichen  Merkmal 
übereinslimnicn  ').  Aus  demselben  Gnindc  kann  die  Ewigkrit 
auch  kein  Werhselbegriff  der  Glückselijfkeil  sein,  da  dann 
wiedenini  zwei  konträre  Gegensatze  einen  geineinsanien  Wechsel- 
bcKTifT  hätten.  Dieselbe  kann  auch  ntoht  als  Folge  der  (Unek- 
seligkeit  gedacht  werden;  denn  sonst  würden  wir  wiederum  die- 
selbe Wirkurjg  aus  zwei  entgegengesetztiMi  l'rsachen  hervorge- 
hen sehen,  was  unmüglith  ist.  Daher  bleibt  nur  noch  übrig. 
dal4  die  Ewigkeit  eine  Disposition  ist,  die  von  der  Glückselig- 
keit in  ihrem  Trüger  verlangt  und  vorausgesetzt  wird,  und  die 
dann  der  EiKenschnll  der  (Ilürkseligkcit  selbsl  zukumtiil.  Nur 
eine  ewig  Cürldauenide,  d.  h.  unsterbliche  Substanz, 
lieiüt  das,  ist  also  ßlhig,  eine  derartige  ewige  Glückseligkeit  zu 
erhingen  und  zu  besitzen.  Damit  ist  also  die  UnstiTbliiJikt'it 
der  Seele  selbst  dargethan.     (IT.S- ls,(i.) 

Noch  eine  Reihe  weiterer  Beweise  schlieüt  sich  an ,  in 
denen  zunächst  Gedanken,  welche  im  Voraulgehendcn  hier  oder 
dort  berührt  wurden ,  wieder  aufgegriffen  und  neu  gewendet, 
zum  Teil  auch  tiefer  begründet  und  in  neue  Zusanunenhänge 
gebracht  werden. 

Das  Leben  -)  der  V^ernunft  ist  ihre  ErkruntnisthAligkeit. 
Wie  (liese,  ist  (hiruiu  das  Lebi-n  iK.i  v<'riintittigi'U  Serie  nicht  an 
den  Körper  gebunden.  Diiü  über  die  erkennende  Thätigkeit  der 
vei'uüntligen  Seele  nicht  an  den  Leib  gebutHlen  ist,  vielmehr 
durch  die  Ltislüsung  von  den  }^(iden  lii.'s  Leibes  S4'lbst  eine 
Steigerung  trlahrt,  zeigt  sich,  wie  schon  bemerkt  ■),  besonders  in 
der  Exlase  oder  Verzückung.     (I8,(i— li.j 

Diese  Entzückung  und  die  in  derselben  erfolgende  Ver- 
bintlung    der  Seele  mit  der  hötieren  intelligibelen  Welt  ist  näm- 


')  Nicht  berücksictili|$l  hat  liier  Ounülssalitius  üie  Erwritrung,  daß 
die  perenriitas  der  (iattuagsbeitrirr  zu  Glück  und  L'nüLüük  sein  kannte, 
wie  z.  h.  auch  die  beiden  conträren  (ietfensatze  .weifi'  und  .schwarz*  unter 
den  gemeinsamen  (.iaUungi>l>egrifr  der  Fnrbe  fallen.  Er  raäl  ,{mrs*  offonbar 
im  Sinne  vou  »pezUiiicher  bitlereiiz. 

*)  uiuere  in  efTeclu;  vgl.  Gebiral :  Föns  uitae  lil,  Zi  |i.  132,1  f.  und 
24  p.  I34,2Ü:  omue  quod  est  in  eßeclu,  prius  t'uit  in  potentia. 

•)  S.  ob.  7.20  ff.  M.7  f.  KJ.aR.  IH.IÜ  IT. 


m 


GundiaaUniK  Dt  bnmortalital«  «nhnag 


lieh  iQr  die  Seele  entweder  gewaltsam  oder  freiwillig,  ent- 
weder natürlich  oder  zufällig. 

Zutüllit;  kann  sie  nicht  sein:  denn  da  die  Oftecüxtrunpen 
und  Prophezeihtuigen .  die  jener  Zust;iud  mit  sirli  brin]ft ,  ilas 
höchäte  Regulativ  für  das  menscliiiche  Letten  sind .  denen  sich 
alle  übrige  n»eni*chlichr  Weisheil  und  Kunst  beugt .  so  würden 
letztere  einem  blintlen  Zufall  folgeii.  Üics  ist  alKT  nnninglicli : 
daher  niu&  die  Verzückung  der  niHuschlirhen  Seele  natürlich, 
d.  i.  in  ihrem  Wesen  liegend  st^in.  lübensowenig  kann  jene 
Entzückung  für  den  Intellekt  etwas  Gewaltsanies  sein,  da  sie 
ja  eine  hohe  FönJening  der  Ttiütigkeit  desselben  herbeiführt. 
ulle5  (Gewaltsame  atier  die  im  eigenen  Willen  liegende  Tlifdigkeit 
hindert.  MiU»in  muti  die  Verzückung  ein  rreiwilliger,  d.  h. 
dem  eigenen  Streben  des  Intellektes  entsprechender  Zustand 
sein.  Alles  aber,  was  aus  dem  Wesen  und  Willen  eines  Ver- 
m^ens  entspringt,  il.  Ii.  iialürlich  und  Ireiwillig  ist.  i-jt  demsel- 
ben heilsam  und  förderlich.  lUiher  mu&  Jene  i^slüi^ung  der 
menschhchen  Seele  vom  KOrper  ilu*  heilsam  und  fönlerlich  sein. 
(18,15-19,5.) 

Wie  aus  tler  verschiedenartigen  Thütigkeil  der  mensclüi- 
eben  Seele  hervorgeht,  besitzt  diesell>e  ein  doppeltes  Ant- 
litz *).      Das   eine    ist    nach    oben,     nach    dem    Ucbten,    Er- 


I 
I 


*)  Die  .Stelle  ist  t>ereiu>  ut>en  S.  U)U  T-  erwAhnt  Ganz  ähnlich  hei&t  e 
In  des  Uundisaalinus  Srlirin  ä*  nm'mn  lA.  Loeweiithal.  x.  aO.  S.  128); 
Sic  meo»  hunianu ,  cum  per  »uperiurem  favieni  uirtutis  solis  iiitelligentia«  ad 
conlemplandum  ileiim  mnuerlitur,  ex  illa  parie  illiiminiitur  e(  sihi  dam  ai- 
detur,  quia  se  aut  deuin  nulta  pliantasia  interueJante,  sed  reuelat.i  farie  con- 
tiwiiir.  Cuui  uero  per  inferioren!  uirtutem.  scilicet  scientiam ,  ad  haec  sen- 
sibilia  inlellii;ea<lM  et  di^ponenila  se  deprimit.  ex  ea  lenebrei^it  et  se  non 
utdet,  quia  »ibi  et  alüs  terrenis  et  aeterots  shiiul  intendere  non  ualel.  Such 
nither  aber  steht  UDH^rer  Stelle  die  Ausführung  Algazel's  Otitr  die  »zwei 
Antlilie" ;  vgl.  Algazer^  Liber  philosophiae  (richtiger  phy^icae:  in  ro<l. 
Paris,  bibl.  nut  laL  65Sa  Melaphysiea  genannt)  et!.  Petrus  Liechlensleyn, 
Venedig  lAOtl,  Trnctatus  4  cap.  V:  .Anima  uero  humana  habet  dujis  fa* 
cies.  unum  ad  parletn  ^uperiorem,  t\u»e  est  ua&lita::  superior,  eo  quod  ab 
illa  acquirit  scientjas ,  net*  habet  anima  uirtutem  speculatjuain,  niät  re> 
spectD  illius  parlis,  cuiu»  debiturii  erat,  ut  semper  reciperei.  et  aljain  farieni 
ad  partem  inreriorem.  scilicet  ad  regendum  corpuü.'  Der  Gedanke  ist  an 
beiden  Stellen  genau  dersetlte,  stellenweise  finden  sich  auch  die  Ausdrücke 
wioler. 


III.  Der  philos.  f«edankengang  und  die  philoe.  Stfllang  der  Schrift.      137 

halM?nen  und  Immateriellen  gericlitol,  das  andere  nach  unten, 
pach  der  Körperwelt,  item  Reii'he  des  Sensiblen.  Und  will  man 
diese  Auffaissuiig  nicht  billigen,  so  niiiLt  iiiiin  weni^ifstens  anneli- 
mcn ,  dflU  dif  Seel*.*  zwar  nur  oin  AiitliU  habe»  dieses  aber  be- 
liebig nacii  einer  von  beiden  Richtungen  bewegen  könne  '). 
Natürlich  wendet  sie  sich  vor  allem  dem  Höheren  zu .  und  je 
mehr  .sie  sicli  mich  demselben  hinlenkt ,  zu  um  so  g;rritjeri'r  Er- 
leiicblung  und  Vollkommenheit  ^'chuigl  sit*.  Die  Hinwendung 
an  das  Geistige  aber,  deren  Folge  die  V'ervollkommmmg  ist,  Ist 
zugleich  eine  Abwendung  umi  Loslösung  vom  Körjierlidien. 
Je  mehr  also  dir  Seele  sich  von  Iftzlerem  abwendet  .  n[u  so 
vollkommener  wii-d  nur,  sie  kaiui  also  vom  Körper  nicfil  uhiirm- 
gig  sein.     (I*.>,'i  -  2^.) 

Letzteres  lüüt  sieh  aueh  noch  auf  andere  Weise  darlhun. 
Sehr  heDigf  Sitiniswaln'in^li(MUMgen  greifen  das  Sinnesorgan  an 
und  liindeni  es  zeitweise  in  seiner  Thruigkeil  -}.  Reim  hdellekl 
hingegen  ist  es  gerade  umgekehrt.  Ueim  hat  derselbe  seine 
Thaligkt.'it  auf  ein  in  hohem  Grade  intclligibles  Objekt  ;;elenk!, 
so  ist  er  dadurch  nicht  unfalliger  zum  Denken  geworden ,  son- 
dern im  Gegenteil  zeigt  sich  seine  Denkfähigkeit  gehoben  und 
gesläikl.  Was  aber  die  Thfitigki-it  naturgem;"li.i  li^rdeH ,  das 
kann    erst  recht  der  Wesenheit  desselben  keinen  Abhrn'li  Ihiin. 


')  Hiermil  wird  die  Ansicht  Aveneebrori*  iingerohrt,  die  Föns  uitae 
lU,  37  p.  U'^ifi~Ui  enlwickell  ist.  An  eine  Be/iehuu^  zu  Avicenna.  auf  die 
Baumgartner  S.  22  Anm.  9  hinweist,  ist  wolil  nidit  zu  denken,  <lit  dort 
sich  nur  der  Ausdruck  „zwei  AntliLze"  flndel;  aber  in  gnnz  .mderein  Sinne, 
nftnilicb  von  der  , praktischen  und  der  intelligibjen  SeelenthAtigkeit"  (vgl. 
Haneberg:  Zur  Erkennlnislebrc  des  Ibn  Sina  -=  Abhdig.  d.  pliltos.  philul. 
Kl.  a.  K.  bR>T.  Akad.  d.  W.  Bd.  XI,  München  IW»,  S.  Il»li  f.).  Obrigeus  1ml 
Bauingartner  nic^it  gesehen,  dafi  hier  eine  (iegenfiheislL-lIung  v<m  zwei 
Ansichten  slattUndet.  Si-buld  hieran  ist  der  verderbte  Text  Wilhelm' s, 
der  hier  statt  aut  eadem  est  uirtus  bietet:  et  eailem  e»t  uirlus.  S.  ob.  S.  &ti 
Aoni.  18. 

*)  Z.  B  wird  da«  Äuge  durch  Blicken  in  die  Sonne  lilr  einige  Zeil  ge- 
blendet;  ist  unser  Ohr  kürzere  Zeit  einem  überaus  heftigen  (ierilusch  aus- 
gesetzt, mi  hören  wir  einige  Zeit  hinduixh  nachher  scbleclit  u.  s.  w.  Die 
Anschauung  geht  auf  Aristoteles  zurQck;  vgl.  Arlst.  de  anima  III  4,  p. 
i'2a  a  29  und  Brentano:  Die  Psychologie  des  Aristoteles.  Mainz  1867, 
S.  126  f. 


138  GundissaliauR  Ue  immorUltUte  «nima«. 

Dalier  kmin  das  Wiseii  drs  Iiilrllokts  durch  npscImftijfunK  '"Ü 
abstrakten .  inlelligibleii  iiiul  iinmalmelit'n  Obj^'klt^n  nicht  ge- 
schrnli^t ,  sondürn  niiiU  trn  LicKentoil  K<?f'"'i'*if'i't  werden.  Die 
TtviitiiJiijf  vom  Körper  /et}^t  sich  aUo  wiedermu  mit  <iei'  Vollon- 
dmm  cJeü   VerriiM^etis  verbiiiulfii.     (19,25 -:JO,:*l.) 

Wir  koirinieii  zu  einem  neuen  Beweis  für  die  gleiche  Be- 
haiiptnn^'.  Der  Inlollekt  liat  ki*in  Werkxeuy  ini  Körper  für  seine 
ei(fenllirlK'TI);ili^<keit.  Allerdings  ist  seine ThäliKl^eit  hinsirtitlichder 
Sinncjidinge  abhäiijfitf  von  der  unpeslörlen  FunktiiHi  der  uiilUeren 
Zelle  ')  des  Geliirns.  Die  SiniieseindrOcke  nämlicli  werden  ans 
den  Sinnesorganen  von  der  inmtfinaliua .  der  Phantasie,  aiifge- 
ruminien;  von  dort  wajidern  sie  als  (fai-nitj/iarn  in  die  mittlere 
llirnzelle,  wo  sie  der  Intellekt  wie  in  einem  Buche  abliest  Ist 
also  (he  mittlere  Zelle  oikraiikt  oder  zerstört  — ■  wie  dies  bei 
den  (ieisteskninkeii  tlci-  Kall  —  ,  so  vcrniaj;  das  Denkvermögen 
die  Abbilder  der  SintiesoJjjekte  nidd  mehr  zu  erkennen  •).  Nirhl 
aber  ist  ihr  aiieh  die  Trdjigkeit  benonniien ,  in  ihrem  eilleren 
Buche  zu  lesen,  d.  h.  d;is  Intelligible  zu  erkennen.  Ihre  Ver- 
bindung mit  der  hix  priniu  bleibt,  wenigstens  zeilweise,  beste- 
hen.    1-teweis    liici-iTir    ist    ilie  TlmLselie ,    dati  die  (leisteskranken 


>)  Eine  ntiiilir-|i{>  AutTossuii);  von  der  Rod«>utun(r  der  mittleren  iiehiru* 
£elle  aufh  sonst.  Am  mei^tten  älimmen  zu  GuuiltüsaliDUs  Adelard  von 
Balh  (yuaesliunes  iiiiluralea  c.  16)  uii  I  Wilhelm  von  CoDclies  (vgl. 
ileüäen  PEiilusupliiu  tJiuiiJi  IV.  v.  22,  bei  l^i^ne,  I^ulrut.  laL  T.  '.*0.  col.  1174 
(■'— D  und  T.  !7'2,  i-ol.  !tr)B;  l'hilosophia  secunda  t>ei  Haurtau,  Singulariles 
liistürupics  et  lilLüraii-cs.  l'aris  IHGl,  |i.  IH|  r.  ;  (!ouuneuL  in  Tim.  bei  Bauro- 
gartiier,  Pliilos.  iles  Alanus  S.  !M  Aniii.  4).  Ähnliches  Hndet  sich  bei  Cod- 
slantinus  Africnnuij  (Pantechni,  Theorica  IV  e.  10  in:  Of>era  omnia 
Ysaan,  Luydunj  IfilO,  T.  U  Tot.  17';  Dp  otiliuion«,  ebd.  ful.  ■JffJ"),  Cosla 
Ijeu  Lucu  (de  diH'erenlia  (Spiritus  et  aniaia«,  <-.  -2,  in:  Biltliolheca  Ptuloso- 
phorutn  metljue  aetalis,  hn^.  v.  Uarach,  II.  Innsbruck  iSlti ,  S.  126  f.). 
VgL  auch  Wilhelm  von  St.  Thierry:  De  natura  coriioris  et  nnimao  I.  f, 
Migne  T.  län,  cot.  102  A;  Johanues  vuri  Salisbury:  Melalutf.  IV  17. 
Migiie  T.  \i>\\  cul.  f>2t)  B;  Alauus  vun  Lille:  Ue  planotu  naturue,  Higne 
T.  210,  col.  414  C,  und  ^L-hou  Neiiiesiu^  von  Emesa,  .^eyi  q-u'-aton  ^dujch 
Alfanua  im  XI.  und  durch  Burguiidio  ijii  XU.  Jb.  ios  L4atcinische  über- 
setzt), c.  12. 

*)  So  allgemein  in  der  mitleiallerlirliea  Philosophie;  vjjl.  /.  B.  Tho- 
mas Aquin,  üuiiinia  Lheul.  1  ij.  7-'*  u.  ^  ad  A;  q.  ti\  u.  7  e. 


1 


tu.  I>er  philüs.  Gedankengaag  und  die  philoä.  Slellan^c  der  ScbrifL      l2i> 

zwar  ihre  sinnlidie  Umgebung  nicht  wahrnehmen .  oft  al)or  Of- 
fenbarungen und  Propbczeiliuiigen  kundjreben  '),  Wenn  also 
sogar  die  Zerstörung  des  edelsten  Orpane.s  des  Körpers,  mit 
dem  doch  der  bitetlokt  imnierhin  in  einiper  Bezlehmip  stt-hl.  die 
eiligen tlif he'  Thätitrkeit  des  letzteren  in  keiner  Weise  hindert,  son- 
dern eher  fördert ,  so  kann  der  Tod  des  iri»nzen  Körjiers  anl 
die  Wesenheit  der  Seele  t;ar  keinen  Einfliiti  aiisütien.  {50,^0 
-23,15.) 

Ein  weiteres  Ai-guineut  bildet  der  aristotelischti  (jt'danke, 
daß  alles,  wonach  ein  andres  st-ineni  Wesen  na(th  strebt,  diesem 
selbst  wesentlich  ist.  Da  also  die  menschliche  Seele  von  Natur 
ein  Verlangen  nach  einem  Ort  oder  Znstand  hat,  an  welchem 
Vcrjrönjflic'hkeit  und  Tod  nicht  zu  finden  sind ,  sn  müssen  jene 
zwei  Dispositionen  der  Unvergänfflichkeil  und  Unsterblichkeit  üir 
selbst  eifrentüinlirrh  sein  -).  Im  Gep:ensalz  hien^u  müssen  alle 
Wesen ,  die  nach  einem  Ziele  streben ,  das  der  Verjrünglichkeil 
unterworfen  ist,  selbst  vei*^'ün^diih  sein.     (2:2.10—23,14.) 

(«ebOrt  nun  nicht  aueli  die  nicnschliclie  Seele  zu  letzteren, 
da  sie  sieb  ja  nach  dem  K«5ri>er  hin  bewegt?  Wer  so  frugt, 
bea(ditet  nicht,  daü  Bewegen  und  lii'wegen  niclil  immer  d;Ls- 
selbe  ist.  Denn  die  uiensctiliche  Seele  lenkt  sich  dem  Körper 
zu ,  um  diesen  zu  vollenden .  nicht  aber .  um  selbst  Vnliendung 
zu  fmden ;  werm  auch  zu^^egeben  wenlen  soll,  daß  sie  sich  sozu- 
sagen eine  Art  von  sekundfirer  Vollkommeidieit  erwirbt,  insofern 
sich  ja  ihr  (iesiclibikreis  dm-cb  die  KViinhiis  :uii'li  der  Sinnesobjekte 
erweitert  —  wenn  auch  nach  onten  zu.     (d3,l5~äi.7.) 

Die  nun  folgende  Ausführung  ist  deshalb  besonders  in- 
teressant, weil  sie  im  ersten  Augenblick  in  gewisser  Beziehung 
eine  Einschränkung  zu  früher  Gt>sagtein  zu  bringen  sctieint.    Sie 


')  VkI.  S.  II;-). 

'I  Zu  besserer  Veiauschdulichuui;  greifl  DominiciK»  zu  einem  Bei- 
8|iiel.  Das  Feuer,  safgl  er,  wilre  in  seinem  nntdrlii-hcn  Ort,  d.  i  in  der  Wöl- 
bung de-H  Mondliliiirtiels ,  dann  unzerstörbar,  wenn  UnzentlOrbarkeit  zu  den 
nalürlictieo  Heüia^uugen  jene-?  Ortcö  ^ehQrte.  Allerdin^  ist  rieni  ja  in  Wutir- 
helt  nicht  »o  .  da  nllcs,  was  unter  dem  Mondhirumel  liegt,  der  ZerstOrtmK 
prcisgegchcn  ist —  Obrigen»  ist  der  Gedanke  (ni'^bt  da.^  (iild)  der  Kosmu- 
lo|Eie  urisluteliscli;  vgl.  Arist.  de  caelo  I  2,  p.  :J<>8  b  14  ft 

B«itrft«o  II.  U     BQlow,  Onndissaliuns.  9 


m 


Giindissalinus  Xie  iinmoHaliUte  animae. 


stdizX  sicli  auf  den  echt  neuplalonischen  Gedanken  t).  daü  die 
Natur  eines  jtnlen  Wesens  tlurch  seine  Stellung  'm  der  Reihe 
der  Wesen  bedin>rt  sei,  indein  es  sowohl  an  der  Natur  des 
Qliop  ihm  wie  des  tinter  ihm  Kelindliehen  toilhal.  Jr-des  Ver- 
mö(ren,  das  vriUig  von»  Kftrper  getrennt  und  unal)hän^ig  ist,  ist 
unsterblich  und  unzerstörbar  durch  den  Tod  des  Körpers;  und 
im  Gegensatz  dazu  ist  jede^  Vermögen,  das  völlig  mit  dem  Körper 
verbunden  und  von  ihm  abhilngrig  ist ,  sterblich  und  geht  7m~ 
gleirji  mit  dem  Körper  zu  Grunde.  Beispiele  der  ersleren  Art 
shid  die  Enyel  (angi*Ii  sancti) ;  solche  der  letzteren  smd 
die  animalische  und  die  vegetative  Seele.  Zwischen  beiden 
steht  <iir^  mtnscJiliche  Seele.  Diese  ist  in  ihrem  edlen  Teil  völlig 
uniiblifini^i^'  vom  Körper,  in  ihrem  zweiten  Teile  jedoch ,  wel- 
cher drr  Tierseele  (aninia  animalis)  entspricht  '),  hängt  sie 
vom  Körper  ab.  Die  Ki-üfle  des  letzteren  Teiles,  z.  B.  die  Wahr- 
nehmunifsiTihigkeil  der  Objekte  des  Gesichtes,  Gehörs  und  der 
übrigen  Simie,  sind  vci^änglich;  der  edlere  Teil  jedoch,  das 
eigcntliclic  Denkvermögen  ,  ist  unsterblich  =').  FYeüich  darf  man 
jenes  .Vergeben**  nicht  so  auflassen,  als  ob  nun  die  Seele  wirk- 
licli  eines  Teiles  ihrer  selbst  beraubt  wurde ;  sie  bleibt  vielmehr 
ein  (»aiizes.  Selbst  hinsichtlich  derjenigen  Fälligkeilen ,  welche 
die  menschliche  Seele  (anima  humana)  mit  der  Tierseele  (anima 
animalis)  teilt ,  unterscheidet  sie  sich  von  der  letzteren.  Denn 
bei  den  sensitiven  Erkenntniskrälten  hal)en  wir  zu  unterscheiden: 
erstens  die  Fähigkeit  des  Sinnes,  von  äuUer<.'n  Objekten  alliciert 
zu  wenlen,  zweitens  das  Urteil,  welches  in  der  sinnhchen  Wahr- 
nehmung enthalten  ist  *).     Das  erste  dieser  Elemente  hängt  vom 


^)  Mao   denke  an  Proklas,  Pseudo-Oiooysius  Areopagita,    den 
liher  äe  eawtiSf  die  Lauteren  BrQder  und  AvRncebrol 
»1  s.  ob.  S.  114  und  117  f. 

■)  Vgl.   Gunilissaliuus   de   anima   p.  120.  130  Loewenlbal.    S.  oben 
S.  101.  IIH  f-  Hr>  IT.  127  ff. 

<)  Man   beachte ,    wie  biet  in  den  Wahrnelimungsprozofi  selbst  bereite 

«in  Urleil    bineinrerlegt   wird  (^,14 :   uirtus  iudicaodi ;  2G,2:    ra<lices  iadl* 

in.    Derartigem    wird   auth   sonst    in    iler  arabischen  Philosophie  hervor* 

t)«n,    i-  H.  bei  .Mhaten  (vgl.  Hiebeck,  Archiv  f.  Ges<:h.  d.  Philos.  11, 

S.  417  r.|.    Den    Ausgangspunkt   bildet«   wohl    die  Lehre    des  Aristo* 

^  vom  iimeru  Sinne  als  einer  die  Objekte  der  rcrschiedeneo  Au&ensinne 


lll.  Der  philos.  G«dnnl[engang  und  'He  pliilos.  Slelluntt  der  !^ctl^it'l.      l3t 

Körper,  das  zweite  von  der  Seele  ab,  aus  deren  Wesen  es 
tlielät.  Beim  Tier  nun  vergeht  mit  dem  Körper  auch  die  Seele 
ihrem  Wesen  nach;  es  hfingt  daher  i)ei  ihm  indirekt  aucli  das 
zwtMlo  jVnor  K!<'iijente,  iViv  Fähigkeit  des  simdichen  Urteils,  vom 
K6rper  ab  und  wird,  wie  das  erste,  dureh  diin  Tod  zei*str»rt. 
Anders  bei  der  menschlichen  Seele,  die  Ihrem  Wesen  nach 
nicht,  wie  die  Tiersecle,  vom  Körper  ahhängtg  ist.  Bei  ihi* 
hängt  daher  /.war  die  Fähigkeit  des  Organs,  von  alliieren  Ob- 
jektun  Affektionen  xu  erleiden,  vom  Körper  ab;  nicht  aber  auch 
das  Vermögen  des  sinnlichen  Urteils.  Die  seelUche  Substanz 
nämlich,  aus  welcher  dieses  Vermögen  (lielät,  ist  beim  Menschen 
eine  dem  Körper  gegenüber  selbstüiulige.  Sie  gerAt  auch  nicht 
etwa  deshalb  ihrem  Sein  nach  in  Abhängigkeit  vom  Köipcr, 
weil  aus  ihr  Kräfte  flieüen,  die  zu  ihrer  Belhätigung  des  Köi-pers 
bedüri'en.  Denn  diese  Kräfte  nind  nicht  primärer,  sondern  se- 
kundärer ^atur,  hängen  also  von  den  primären  ab,  nicht  um- 
gekehrt. Das  Stärkere  in  der  McnschrnseeU-  teilt  dem  Schwä- 
cheren von  seiner  Kraft  mit.  und  niclit  zieht  das  letztere  das 
erstere  zu  seiner  Schwäche  herab.  Das  Niedere  folgt  dem  Hö- 
heren ,   wie  die  Strahlen  dem  hirjit,    die  Wirkung  der  Ursache. 

Hiermit  ist  die  Zahi  der  Beweise  erschöpft ,  die  sich  aus 
den  der  Seele  eigentümlichen  Slrcbungen  und  aus  ihrer 
Stellung  in  der  Stufenreihe  der  Wt'sen  ergeben. 

hn  folgemlen  will  unser  Autor  nachweisen,  dati  die  Seele 
deshalb  unzerstörbar  sei,  weil  keine  der  verschiedenen  Ar- 
ten der  Zerstörung  ihr  etwas  anhaben  könne.  Kr  unter- 
scheidet vier  Arten  der  Zerstörung.  Die  Zerstörung  eines  Seien- 
den kann  nämlich  herbeigeführt   werden 

i)  durch  Trennung  der  Form  von  der  Materie,    und  zwar 

a)  wenn    die  Form  für  sich  allein  bestehen  bleibt  (wo 
dann  nur  das  Ganze  als  Ganzes  vergeht), 

b)  wenn   auch   die  Form  vergeht  (corruptio  im  eigent- 
lichen Sinne) ; 


zusammenrassenden  und  heurteilenden  Kraft  (vgl.  Baeu  mker,  des  Aristo- 
teles Lctirc  vüii  ileu  äuüeni  und  inDerii  SJunesTemiÖgeo ,  L>eipzig  1877, 
S.  Gti  ff.). 

9  • 


132 


GundisKalinus  De  immorlalitate  animae. 


2)  durcii  Trennung  der  integriereiKlen  Teile; 

3)  durch  Zerstörung  dos  tragenden  Subjektes  '); 
4-)  durch    Aufhören    f i  er    bewirkenden    Ursache,     (26,20— 

27.13.) 

Mit  diesen  vier  Arten  sin(J  die  nir>Kli(;hen  Weisen  der  Zer- 
störung erschöpft.  Un/.ulässig  ist  die  Annahme  einer  fünften 
Art»  die  man  ein  «Ilinscliwlnden*  nennen  will,  z.  B.  beim  Grei- 
senalter oder  bei  dur  Fäuhiis,  Denn  diese  letzlrn  beiden  Ffdle 
gehören  unter  den  Hereich  der  »Tsten  Art.  Das  Greiscnalter 
führt  zum  Tode ,  d.  i.  zur  Trennung  von  Materie  und  Fornit 
wobei  letztere  bestehen  bleibt ,  und  Ffiulnis  ist  Trennung  von 
Form  und  Materie  mit  gleichzeitiger  Zerstöning  der  ersteren. 
Gebt  nicht  ;U>er  luanches  durch  ein  Schwinden  o(Ut,  eine  Schwä- 
che der  eigenen  Wesenheit  zu  Grunde?  Dieser  Einwand  wird 
von  Dominicus  durch  die  sich  auch  bei  Augustinus  lindende 
Lehre  -) ,  dati  alles  Kreatfirliche  aus  sich  allein  incbL  die  Kraft 
des  Forlbestehens  habe,  widerlegt.  Es  wfirdit  also  nichts  Ge- 
schaffenes bestehen  können ,  wenn  nicht  fortwfdirencJ  die  Ein- 
strömungen der  ersten  Ursache  auf  dasselbe  eniwirkten  ").  Wenn 
aäso  jene  Schwache  der  WesenJioit  alJein  ein  Ding  vernichten 
könnte,  so  würde  alles,  was  geschaffen  ist,  durch  dicselbi.'  zer- 
stört werden  müssen.  Es  würde  nichts  geben,  was  Bestand 
hat.  Dies  ist  aber  doch  nicht  der  Fall.  Daher  muü  zu  jener 
„ninirdligkeit",  damit  sie  diTi  iriiltTgaii;^  hcrbeiffdirl ,  noch  eine 
der  vier  Arten  der  Zerstörung  hinzukommen.  Da  es  also  nur 
dies<?  vier  giebl ,  so  wAre  die  Unzerslörbarkeit  ^  und  damit  die 
Unsterblichkeit  der  menscldiftieti  Seele  erwiesen,  wenn  dargt^ 
ttmn  werden  könnte,  duU  dieselbe  keiner  jener  vier  Arten  un- 
terliege.    (27,14  -i>S,i:i.) 

Der  erste  Weg  der  Zerstörung ,  der  sich  durch  Trennung 
der  Form  von  der  Materie  vollzieht ,    ündet  auf  die  menschliche 


')  Das  dritte  QU«d :  „üüI  desU-uimr  deatrucla  auslinentis  cssentia"  Ul 
in  allen  unseren  Ha ndsch rillen  ausgefalJen,  muß  aber  aus  Willieltn  ergAnzt 
werden,  wie  auch  die  Aufzahlung  der  vier  Arten  p.  27,17  IT.  und  p.  32,26  ff. 
beweiitt. 

')  Vgl.  Augustinus:  De  Reneal  ad  liUeraro  lib.  IV.  cap.  12. 

')  Vgl.  auch  ob.  S.  33,ü  ff.  und  uuLeu  S.  137.  13.»  f. 


ni.  D«r  philos.  Gedankengang  und  die  philos.  Stellung  der  Schrifl.      13.^ 

Seele  koiiie  Anwendung,  da  dieselbe  ja  —  wie  Gundissalinus 
im  bewutileii  Oepcnsab.  zu  Avencebrol  ausfülirl  ')  —  nicht 
aus  Materie  und  Form  zusammengesetzt,  sondern  oinn  inima- 
lerielle  Substanz  und  reiiie  Fonn  ist.  Damit  ist  auch  zugleich 
bewiesen  —  was  unser  AuJor  allerding^s  nur  nelienbci  crw.lhnt^) 
—  dafi  sie  nicht  durch  die  Entziehung  des  tragenden  Subjelites 
zerstört  werden  kann ,  da  sie  ja  als  reine  Form  selbst  keinen 
Trilger  hat. 

Ninmit  man  aber  auch  an  —  wie  dies  Avencebrol  thut  — , 
daÜ  die  Seele  aus  Materie  und  Form  bestelle,  so  ist  dennoch  die 
letztere  unzerstörbar,  Dt*nn  die  Fonn  des  Denkvemiöjfons  hat  keinen 
Gegensatz  (eontrariuni),  durch  den  sie  zerstört  werden  kömite.  Gäbe 
es  nämlich  t-in  solclies  (jegrusätzlicties  lür  <lrn  hitt'llekt,  so  könnte 
er  dieses  nicJit  erkennen.  Detui  das  Erkennen  vollzieht  sich 
diu-ch  Autnahm«'  der  Fonn  des  Erkannten ;  keine  Form  kann 
aber  die  ihr  entgei?en?esetzte  in  sich  aufnehmen ,  wie  z.  B.  das 
Weiße  nicht  die  Form  des  Schwarzen.  GAlje  es  also  ein  Ge- 
gensätzliches für  den  Intellekt,  so  würde  er  tlasselb**  nicht  er- 
kennen können.  Mithin  würde  die  Seele  etwas  nicht  erkennen 
können,  was  mit  ihr  auf  derselbfri  Stufe  der  Wesenheiten  steht. 
Nun  mulä  sie  aber  alles  erkennen,  was  auf  dereelbcn  Stufe  stellt 
wie  sie,  da  sie  ja  das  Höhere  erkennt.  Und  zu  welchen  Unge- 
reimtheiten würde  die  Annahme  eines  solchen  GegensAtzlictien 
führen !  Du'  Seele  si'Ibsl  nimmt  an ,  daü  es  ein  solches  Gegen- 
sStzliclic'S  giebt ;  sie  muü  es  also  in  gewisser  Weise  erkennen ; 
und  doch  ist»  wie  eben  gezeigt  wurde,  ein  solches  Gegensätzli- 
ches für  die  Seele  imerkennbar.  Also  erkennbar  und  unerkenn- 
bar wäre  es  zu  gleicher  Zeil.  Mithin  giebt  es  kein  Gegensätz- 
liches für  die  Seele  ');  die  Armuhnio  desselben  ist  niclilä  ab 
eine  Thorhoil  *).     (28,14—29,10.) 


')  DicM  interessante  Stelle  dienle  uns  schon  oben  in  der  Frage  niicli 
dem  Ursprung  der  Schrin  als  eino«  iler  enUcheidenden  Argumente.  S.  oben 
S.  103. 

')  p.  27.1  K. 

^)  Die  Eiifentfchaft  der  Seele,  iiiimateriell  zu  sein,  hat  zwar  den  Ge- 
gensatz ilcs  ,Halcriellen",  aber  die  ScetcnsiibslaDZ  selbst  hat  —  wie  ülier- 
hHUpt  jede  Form  —   keinen  Gegensatz. 

*)  Vgl.  p.  29,8  pttsilio  liaec  deliratio  est. 


m 


fluDdiesalinus  l>e  intmortaliUte  antnme. 


Ebenso  also^  wie  keine  der  sichtbaren  Formen  zum  üe- 
sicblssiiui  im  Cpgensiitz  steht,  kann  auch  keine  der  inli^lligiblen 
Kormon,  H.  i.  *'ben  der  Objekt*?,  auf  wclclie  sich  die  Thäligkoit 
des  lotelSekLs  ri(,'hteL,  ein  Gegens;'itz!iühes  desselben  sein,  mithin 
ancli  seine  Fonn  nicht  zerstören.  Der  Intellekt  ist  also  durch 
eine  immateriell*'  oder  spirituelle  Korruption  nicht  zerstörbar  ') ; 
mithin  erst  recht  nicht  durch  krn*|ic;rlirho  Zerstfinmg.  Er  steht 
ja  zu  den  intelligibelen  Formen  in  demselben  Verhältnis,  wie 
die  Unnaterie,  die  Hyle,  zu  den  sichtbaren  Formen.  Wenn 
also  die  Hyle ,  die  Träj^erin  aller  körperlichen  Formen .  docli 
selbst,  wie  allgemein  /.ugeslanden,  der knijjcrlicIienZtTstörimn: nicht 
unlerworlen  ist  -),  so  kann  dit*  letzl**ri'  ei-st  recht  den  Intellekt, 
der  doch  viel  hßher  steht  als  die  Hyle,  nicht  erreichen. 

An  dieser  Stelle  schiebt  Gundissalinus  eine  Zwisctienbe- 
merkun^'  ein  ■•).  Wenn  der  InliOlrki  sich  liinsirlilHcii  d*:'r  Fähig- 
keit.  alle  geistigen  und  köipcrlichen  Kurnien  aulzunehnien ,  ver- 
hält, wie  die  erstt-  Materie  liinsichllich  der  körperlichen  Formen, 
so  ist  er ,  scheint  es ,  in  sich  selbst  nicht  erkennbar  *).  Unser 
Autor  erwidert  —  wenn  das  vielleicht  auch  nicht  sein  letztes 
Wort  in  der  Sache  ist  —  ,  daß  er  in  der  That  dius  lur  richtig 
halte;  wie  der  Gesichtssinn  selbst  invisibel,  so  ist  der  Intellekt 
inintellipihel.     (29,1 1—30,3.) 

Kurz  vorher  ist  die  ünzerstörbarkeit  des  Intellekts  durch 
die  intelligiblea  Fornjen  dadurch  nachgewiesen  woi*den,  dali  er- 


')  Eine  «olchfi  toimpiio  Hpirilmtli^  Iräle  eben  dann  ein,  wt-tiii  eine 
intellltfible  Purin  pin  <ieKeiileil  des  Intellekts  wftre. 

•)  Zerstört  wird  nur  das  einielne,  aus  Form  und  Miilerie  zuäainmeti- 
geseUle  Diü^' :  die  lerste)  Mnterie  seihst  iai,  nueJi  Aristoteles,  wie  uiienl- 
»tanden.  so  iinverirAnttlich  Vgl.  Hapumker,  Ihis-  Prülderu  der  Maleiie  in 
der  griccliisihen  riiilosnphie.  Münf'ei-  Ih'yu,  S.  2til.  2Ö5  11, 

»)  p.  *2fl,22— 30.3. 

*)  D€nn  alles  Erkennen  gescliiehl  ja.  nach  der  aristotelischen  Lehre, 
durch  die  Form.  I>a&  die  Aliilerie  in  sich  unerkennhnr  üei,  lehrt  .\riätu- 
leles  ansdrOcklich  (metaph.  VII  Ul.  p.  liWi  a  H;  vgl.  1035  a  8— 9;  pliys. 
III  6.  p.  mn  a  2»— 2<J).  Schon  Plato  hatte  den  Denkproceß ,  dun-li  welchen 
wir  zu  ihrer  Erkenntnis  gelangen,  tils  einen  ^«»>io/^o»  r<i9oi  hezeichnel  (Tim. 
52  Bj.  Vgl.  Baeumker  a.  a.  O.  S.  137  IT.  23h.  —  Das  inmttUigibiiiH  p.  2!>Ä) 
l>eruht  zwar  iiiil  Konjektur:  diesellte  wird  aber  durch  den  Zusammenhang 
unbedingt  gefordert. 


m.  Der  philos.  Gedankeii^ng  unr)  die  philo«*.  Stellung  iler  Schrift      I,*t5 

slerer  «ille  die  lelzleren  erkennt.  Hierdurch  kannte  man  /.u 
einem  falschen  Analo^Mi'sohluti  verleitet  werden.  Man  konnte  fol- 
gern, daß  obiger  Thal.<ache  analog  auch  das  Sohvr-nnögen  durch 
die  visiblen  Formen,  die  es  ja  doch  auch  alle  erkennt,  nicht 
zerstört  werden  könne.  Diesem  widerstrHti-t  alier  die  Erlahnmg, 
daä  die  Sehkrall  <lnnli  lieflifje  Einwirkungen  ofl  Einbuße  er- 
leidet, ja  bisweilen  j.';"inzlich  verniclitet  wird.  Wie  ist  nun  dieser 
scheinbare  Widerspruch  zu  lösen -^  ^ehr  einfach.  Das  Sehver- 
mögen steht  in  einem  bestimmten  VVrhrdtnis  zu  seinem  Werk- 
zeug, d.  i.  zu  dem  körperlichen  Organ  *)  des  Gesichtssinnes;  es 
ist  von  demselben  abfiAn^tg.  Nun  ist  aber  letzteres  nur  einer 
bestimmten  Spannung'  lAhiK  und  wird  durch  allzu  heRi^fe  Ein- 
wirkungen zerstört,  und  mit  ihm  das  von  ihm  atdiänglge  Seh- 
vermögen. Beim  Intellekt  ist  es  gerade  umgekehrt :  derselbe 
wird  durch  das  in  hohem  Grade  Inlelli^'ible  trehoben  und  ge- 
krädigt .  da  er  ja  kein  Instrument  im  Körper  hat  -).  Die  Ein- 
wirkung der  intelligibU'ii  Form  ■')  auf  den  hitellekt  besteht  darin, 
daÜ  sie  denselben  reizt  und  zwingt,  sich  ihr  anzuähnlichen  und 
sie  in  sich  nachzubilden,  .le  mehr  aber  etwas  intrlli^ribel  ist  imd 
je  mehr  es  auf  den  Intellekt  einwirkt,  um  so  mehr  erhöht  *'s 
seine  Kraft  *).  Da  nun  dit*  höclusten  Fonnen  ihn  nicht  verletzen 
können,  so  Ihuu  dies  um  so  weniger  die  moderen,  deren  Eui- 
wirkutig  eine  schwächere  ist.  Der  Irdellekt  kann  also  durch 
keine  Einwirkimg  eine  V(*rlelzimg  erlahr<'n.  Auch  nicht  so, 
dali  er  etwa  infolge  der  Einwirkung  eines  Nicht-IntelUgihelen 
auf  sein  Organ  verletzt  wörde;  denn  einmal  hat  er  kein  Organ, 
und  zweitens  entbehrt  das  Nicht-Intelligibele  der  Form,  aus  der 
allein  die  Thfltigkeit  hervorgeht  ^).     (^0,4— :il,10.} 

Damit  nim  wäre  jetzt  unter  der  Voraussetzung,  daÜ  der 
Intellekt  selbst  reine  Form  ist,  nachgewiesen,  daü  er  der  ersten 
Art   der  Zerslönmg   nicht    unterliegt.      Nun    köimle    man    aber 


*)  8.  auch  V.  25.10fr.  lind  oh.S.  137.  131.   ßaum^artner  S,.'t1)  Anm.  *i. 

•1  Vgl.  Aristoteles  de  an.  III   t.  j»   i-2\i  »  2!»  -b  5. 
*)  Sie   enLwickeU   steh   aus    dea   fartdofiata.     Die  Anschiiiiuii)f  i^t  iiH- 
stnlelisch-andiisches  Ueineiogul. 

*)  und  damit  auch  »eine  Wesenheit,  wie  oben  S.  127  ausgefnhrl. 
^)  Ein  peripaletiscber  Gemeinplalz. 


13«i 


Gandissalinu»  D«  immorUiliLate  aniinae. 


sagen :  der  Intellekt  selbst  ist  ja  gar  keine  Form  ') ;  er  kann 
daher  auch  selbst  nieht  Ihälig  sein ,  wie  eben  atigenominen 
wurde,  als  es  hielj,  daü  seine  Krad  durch  Objekte  von  stärkerer 
Intclligibiiitüt  gesteiprerl  werde  -}.  Hiergegen  ist  folgendes  zu 
erwidern:  Der  Intellekt  ist  an  sich  selbst»  in  seinem  Sein  und 
seiner  Art,  Form.  Wie  aber  die  Glasflüssigkeil  des  Auges  und 
der  „spirifuji  ut-tibida''  ^)  in  sich  etwas  (loformtes  sind  und  sich 
doch  zu  (lern  Lietitu  und  den  Farben  als  Malerie  verlialton,  so 
kann  ainh  dr-r  Intellekt,  obwohl  an  sich  Form,  doch  zu  den 
inlt'lliKilH'len  Formen,  die  ihm  als  äuläere  Objekte  entgegentreten, 
sich  ;ds  Materie  verhalten.  Und  was  die  Behauptung  anlangt, 
der  Intellekt  könne,  weil  formlos,  auch  nicht  thätig  sein,  so  ist 
zu  entgegnen,  data  die  Thätigkeit  des  Intellektes  nicht  aus  sei- 
nem Wesi'U  hervorgeht,  das  ja  allerdings,  wie  zugestanden 
wurde,  als  Mutorie  sich  verhält,  sorultrii  daü  sie  dann  erfolgt, 
wenn  der  Intellekt  eine  der  inlelligibelen  Formen  in  sich  auf- 
genommen hat  *).  Es  verhält  sich  damit  wie  mit  dem  Künstler, 
der  im  Wachs  erst  dann  das  Gepräge  herstellen  kann,  wenn  er 
den  Stempel  als  vermittelnde  Form  anwenden  kann  ^)  (31,11 — äO.) 


')  Man  vergleiche  damil  auch  den  ICtnwanJ  (Jes  Schülers  bei  Aven- 
celrrol,  Kons  vitae  V  HS,  p,  'iÖfitlK  ff.  IJaeutnker:  Vidi  supientes  in  hoc 
conuenire,  quu«!  intelli^entiM  non  habet  roniiam,  (juaesil  ei  prn[>ria.  Et  r«d* 
ditleruat  raliuneiii .  dicentes,  quod,  si  inlelÜKentia  haiwrel  lormam  [iropriain, 
prohiheret  ipsa  runiiu  upprehenäJunmii  (niuiiuiii  aliiiiuiii  fortniiruin  jiraeter 
86.  Die  Antwort,  ivek-he  Avencebrol  hierauf  giehl ,  ist  freilich  eine  an- 
dere, iils  die  an  unserer  Stelle  iceboteae :  ilic  liilclligeoz  habe  keine  piirtl- 
kulÄrc,  sondern  eine  universelle  Form. 

•)  p.  31,3. 

*)  Man  kennt  diese  besonders  durch  Galen  gepllegle  Lehre  von  den 
Spiritus  animales,  die,  .mf  die  aris  tote  tische  und  stoische  Lehre  vom 
.ryfpfin  als  dem  VerniitMer  ilcr  Sensationen  ^ettützt ,  nodi  bei  Doücartes 
eine  große  Rolle  spielL  Ein  näheres  Eingehen  auf  dieselbe  dClrfte  sieh  er- 
ilhrigen. 

*)  p,  31,18  9ed  per  forrnam.  cum  iltam  fuerit  uenatus.  Ohwoh)  hier 
(und  V.  19)  sowohl  die  bens^i-c  HandschriHenklasse ,  wie  Wilhelm  Qberein* 
stimmend  die  Lesart  nut  bieten,  sn  erfordert  doch  der  Zusammenhang  unbe- 
dingt den  tiegeosülz.  welcher  durch  das  ard  der  schlechteren  Hanilschriften- 
ktasse  ausgedrückt  wird. 

")  Freilich  liegt  hier  insofern  ein  Unterschied  vtir.  »U  im  letzteren 
Falle  die  UaterJe  —  das  Wachs  —  unil  der  Kilastler  getrennte  Substanzen 
wahrend  der  Intellekt  in  sich  selbst  die  Gedanken  ausprägt 


III.  Der  philos.  Gedank entlang  und  die  plülos.  Stellung  der  Schrift.      137 

Warum  aber  ist  der  fiiteltekt  nicht  Kerstörliar  cliurli  Tren- 
nung (Irr  inte^t'rendL'ti  bcHtfindU-ilo?  ^) 

Wenn  dies  der  Fall  wäre ,  so  nifiUk*  4ler  hilellukl  teilbar 
und  aus  niehreren  Teilen  zuaitnniengeselzt  sein.  Wie  einem 
jeden  aber  die  eigne  innere  Erfahrung  zeigt,  liören  wir  zwar  die 
gesprochenen  Worte  allniAlillrh  in  lortlaufender  Heilie.  der 
eigpntliche  DenkakI  abi^r  vollzielit  sich  plöl/heh  auf  einmal  *). 
Daher  kann  das  Denkvenitögen  nur  ein  unteiltiares  und  niilil 
aus  Teilen  bestehendes  Ganzes  sein.  Dasselbe  laut  sieb  auch 
noch  durch  folgende  Krwägung  nachweisen.  Das  Denken  be- 
steht,  wie  oben-')  gezeigt,  in  einer  Amllinlichutig  des  Intellektes 
iui  die  intelligible  Form,  tl.  i.  h\m)  in  einer  ^Umwaridlnii^^"  (im- 
mut(tfio)  des  Intellekts.  Diese  könnte  sich  nun  niclil  plölzlicli 
vollziehen,  wenn  der  Intellekt  teilbar  und  zusammengesetzt  wäre. 
Denn  ein  Zusammengesetztes;  kann  sich  nicht  plötzlich  umwan- 
deln. Mithill  muU  der  hitellekt  ein  unteilbaies  Ganzes  sein;  er 
kann  also  auch  nicht  durch  Tretuiung  der  wesentlichen  Teile 
zu  Grunde  gehen.     (31,31 -32,2^.) 

Nunmehr  ist  nur  noch  nachzuweisen ,  daß  die  Seefe  auch 
nicht  dureh  die  Ejitziehung  der  wirkenden  Ursache  veniichlet 
wei'den  kann. 

Die  erste  Ursache  hat  i\vr  von  der  Natur  disponierten 
d.  h.  lebensfiihig  genmchten  Materie  Leben  HirigelliUil ;  sie  läljt 
auch  in  di'ii  disponierten  Samen  (resp.  Embryo)  die  menschliche 
Seele  öbei-gehen.  Fortwährend  gehen  Eiiiströn*ungen  von  der 
ersten  Ursache  aus  auf  die  Naturobjekte  und  überhaupt  auf 
alles  Geschaffene.  Nun  steht  al>er  die  Seele  hoher  als  die 
Natur  ');    mithin  ist  sie  der  ersten  Ursache  näher  als  jene,  und 


')  S.  ob.  ».  132. 

')  Der  Autor  will  hier  sagen,  daß  man  zwar  in  einem  SaU  die  Worle 
nach  einamter  spricht  und  liOrt;  daß  aber  der  synthetische  Akt,  welcher  die 
VurstcilungSTorbindiing  erst  zum  Urteil  nianht,  jil^tzlich  ciutrill. 

«  S.  l.'fö. 

^1  Plotiniäch,  dann  Gemeinplatz  bei  griechischen  und  arabischen 
Neuplatonikem.  Vgl.  Plotin  111  8,3:  ^  Xryoftiy^  ^>aa  yv^i)  avoa  yhvif- 
fut%f'*'xV'^  fi'fJtooi  /h'ritia'neQor  C*''*otiC-  S.  auch  Zeller:  Die  Philosophie  der 
Griechen  "  Ul,  2.  S.  54  f. 


1.1« 


OimdiMalJous  De  immurulitate  animae. 


also  sind  auch  die  Ausströmungen  von  obenher  auf  sie  größer 
und  wirksamer  als  auf  jene.  Hören  sie  aber  schon  nicht  auf, 
sich  auf  jene  hin  zu  ergielien .  so  müssen  sie  erst  recht  der 
Seele  fortwäiireiid  zuströmen;  ihre  Ursache  also,  die  ihr  Leben 
spendet,  kann  ihr  nie  entzogen  werden. 

Die  animalische  Seele ,  auf  die  ja  auch  die  Einslr/imungen 
übergehen,  stirbt  trotzdem  deshalb,  weil  der  Körper,  von  dem 
sie  abhängig  ist,  vom  Totie  erfaül  wird. 

Somit  ist  jetzt  nachgewiesen,  djiß  keine  der  Arten  der 
Zerstörung')  auf  die  menschliche  Seele  GinftuU  ausübt; 
sie  ist  also  unzerstörbar  und  somit  unsterblich.     (I^i^fäl- — 1^4,12.) 

Die  FiaupLaufgabe  unseres  Traktates  scheint  nunmehr  erfüllt. 
Ehe  jedoch  der  Autor  zum  Schluß  eilt,  lührt  er  noch  einige  Ar- 
gumente auf,  die  nicht  viel  Neues  bringen,  sondern  die  vornehm- 
lich nur  gewisse  Seitenpfade  oder  Modifikationen  der  bespro- 
rhenen  Gedankeiireihen  berücksichtigen. 

Wenn  ein  Sinn  eine  Wahrnehmung  vollzieht ,  geht  in  ihm 
eine  physische  Veränderung  vor  sich.  Das  ta.slende  Organ  wird 
wann  beim  Wassen  waritter  Objekte,  die  Flüssigkeit  im  Auge  wird 
eijeuchtel  ^).  Ganz  umgekehrt  verhüll  sich  der  Intellekt.  Nimmt 
er  sensibile  Objekte  wahr,  so  nimmt  er  keine  von  rlen  Qualitäten 
in  sich  auf.     Er  kann  nichts  von  ihnen  erleiden.     (34-,  1 3— 35,2.) 

J<'  mehr  ferner  und  jt*  Schwierigeres  und  Höheres  der  In- 
Lellekt  erfaüt,  um  so  fähiger  und  geübter  wii-d  er,  im  Ctegensatz 
zum  Sinne ,  in  der  Ausübung  seiner  Tbätigkeil.  Seine  Thälig- 
keit,  das  Denken,  ist  also  eine  unbegrenzte.  Jedes  Vermögen 
aber,  das  eine  unbegrenzte,  unendliche  Thätigkeit  besitzt,  muü 
auch  zeitlich  unbegrenzt,  d.  i.  ewig  sein.  Denn  wenn  eine  un- 
beschränkte Thätigkeit  zeitlich  begrenzt  wäre,  so  wäre  sie  nicht 
mehr  unbeschränkt.  Ist  aber  die  Thätigkeit  ewig,  so  mxiü  erst 
recht  das  Vermögen,  von  dem  ja  jene  ausgeht,  ewig  sein.  Nun 
ist  aber  die  Thätigkeit  des  Intellekts  unbegrenzt  ^) ;  mithin  ist 
derselbe  ewig  d.  h.  unsterblich.     (35,3—36,2.) 

>)  S.  oben  S.  13t  f. 

')  Vgl.  Baumgartner,  Williclm  von  Aurergne  S.38.  Breolaoo  a-a. 
0.  S.  120  Anin.  4.    Arist  de  nnima  111  4.  p.  429  a  25  fT. 

')  Denn  der  lutellekt  kann  s.  B.  etwas,  waa  man  im  einzelnen  nicht 
durchgehen  kann«  dooti  im  Ganzen  erfassen,  z.  B.  uogebeore  Zahlen. 


III.  Der  philoa.  GednnkengHng  und  die  philo».  Stellung  der  Schrifl.      1% 

Nun  hönnte  cinfreworidet  werden:  d;is  Denken  des  Intel- 
lekts sclilei'htlnn  mag  unbegrenzt  sein,  jedenfalls  aber  ist  der 
einzelne  Denkakt  begrenzt. 

I>as  MatigelM?nde  ist  abiT  doch  d;is  Denken  srldechthin, 
um  dessenlwilleri  die  Seelt*  gesrhafiVn  worden,  und  diest^  ist  un- 
begt'enzt.  Der  Intellekt  verhält  sicli  also  so  wie  dieBewegungs- 
krad  des  ersten  Hiinmels.  Denn  jede  einzelne  BewegTing  des- 
s^'lben  ist  zeillicli  liegivnzt;  liie  fjanzi'  Beweuuntf  hin^'egen  un- 
beKivnzt  •).     (:iG.ä-10.| 

Nun  könnte  man  wieder  sagen,  data  die  Thfittgkeit  des  In- 
lellcklü  doch  begrenzt  ist,  und  /.war  durch  «las  L'rUcht  (iit^r  pt-iittti), 
über  welches  jiinuu.s  er  nichts  erkennen  kann.  Dies  jedoch  ist 
ITn*  unseren  Zww:k  olinc  Helanj:.  Di-nn  wi-nn  die  Denkt hrtligkeit 
dir  niilürliches  Endi-  und  Ziel,  d.  i.  ihre  Vollendtnig,  in  dem 
(^uell  de.s  Lt-ben»  ffon.'<  uifat-j  selbst  hat  *),  so  mulä  sie  selbst 
unsterblich  sein.     (3(i.:20— ^4.) 

Ist  nun  aller  die  Seele  einmal  au  dieses  ihr  nalörlielic 
Ziel  gelangt,  so  kann  sie  sicli  von  dort  nicht  mehr  entfernen. 
Denn  ein  .darüber  hinaus"  in  derselben  Rrchlimg  giebl  es  nicht 
mehr;  also  ninlite  sie  sich  riickwilrLs,  d.h.  in  einer  ihrer  eigen- 
tÜMilicheii  fiif'hlung  etdgetji'njresetzten  nitblnng,  bewet;4*n.  Dies  ist 
aber  unmr)giieh.  Denn  da  die  Natur  an  und  für  sich  das  Princij» 
der  Ruhe  imd  Bewegung  ist  ") .  so  niüüte  dasjenige ,  was  zwei 
einander  entge^^engeseizte  Beweguniren  hiit,  auch  zwei  verschie- 
dene Naturen  besitzen,  was  natürlich  unniöf^lich  ist. 

Die  Seele  kann  sich  also  von  ihrem  natürlichen  Ziel ,  der 
Lebensrjuelle,  nicht  mehr  fortbewegen.  Zu  bemerken  ist  noch, 
dalä  diese  Trennung  um-h  nicht  ^:ewaltsam  vorgenommen  werden 
könnte,  denn  in  jenen  hellten  Höben  giebt  es  keine  (icwaltUial. 
DaU  aber  die  Seele  freiwillig  jenen  Ort  ihrer  Freude  und  Ver- 
kläi'unf?   verlassen  sollte,    ist  ausgeschlossen.     (37,1 — iäl.) 

Man  sieht,  wie  das  alte  Platonische  Argument,   das  die 


')  Aufgrund  iirisloteli^her  An^rliHUuiii^t'ii. 

")  Diese  Sldle,  in  der  möglicher  Weise  eine  Anspieluug  auf. Avencebrni'» 
PoDs  uitae  enUialLen  sein  könnte,  ist  schon  oben  S.  ft9  f.  ant^erülirl. 

')  Vgl.  Alistot.  Phys.  II  1,  p.  I9*i  b  21:  ffvins  äox'i  "o*  "^"'a  """ 
tt$rflo9at  xai  ^grfirir  f/1  i',Titej(fi  .t^küioic  xa&'  a{'rö  xai  fti]  xarä  m'ftßrßrjxö^. 


Mo  (jUttdissRlinus  De  imiiiorlBiJUte  animae. 

UnstcrbhV'likfit  der  Seele  aus  der  Verbindung  derselben  mit  der 
Idee  lU'ä  Lebens  darthun  will  %  hier  unter  dem  Einflüsse  der 
iK'uplatoniii4*lu'n  Anscliauunjr  von  der  kausalen  Verkellunt;  aller 
Wesen  in  der  StHretireihc  des  Seins  und  von  den»  alles  dureh- 
Uringendeii  bflebemlt-n  Kinfluti  der  Causa  prima  eine  neue,  groß- 
artige Gestalt  gewonnen  hat. 

Wir  sind  am  Ende  unseres  Traktates  iuigelangL  üomi- 
nicus  schlieLU  mit  einer  in  si-hwungvolle,  fast  poetische  Worte 
gekleideten  Schilderung  des  innigen  seelischen  Zusammenlebens 
der  Seele  und  des  Lebensquells. 

Wie  ein  Vater  nur  für  seinen  heifigelieblen  Sohn  und  in 
dcrijsclbi'ii  It'bt  und  weht,  \vk-  sein  g^anzer  Gedankenkreis,  sein 
Hofl'en  und  Fühlen  sich  nur  auf  jenen  eretreckt ,  so  wird  auch 
die  menschliche  Seele  sich  völlig  in  den  Lebensquell  versenken. 
(37.22—38,13.) 


Werfen  wir  zum  Schluß  noch  einen  Rückblick  auf  den 
Inhalt  der  Schrift,  um  ihren  reichen  hihalt  in  Kürze  zu  über- 
seliauen  und  so  die  Bedeutung  dei-selbcn  werten  zu  köimen. 

Nichl ,  wie  früher,  aus  äuläeren  Gründen  will  der  Ver- 
fasser die  Unslerblidtkeit  der  Seele  darthun,  sondern  aus  in- 
nrren,  d.  lt.  aus  t\ev  .Naiur  der  Swle  selbst,  aus  der  ihre  Un- 
sterblichkeit wie  eine  iialürliche  Eigenschall  aus  dem  Wesen 
folgt  (ä,-iO— 3,2). 

Jene  äußeren  Gründe  variieren  vierfach  den  moralischen 
Beweis  aus  der  ausgleichenden  göttlichen  Gerechtigkeit. 
(3,3-4..äi.) 

Die  inneren  Gründe  sind  (bigende: 

1)  Die  Seele  hat  eine  eigene,  vom  Körper  unabhängige 
Thätigkeit;  darum  ist  auch  ihr  Sein  von  demselben  unab- 
hängig (5,3—8,13). 

2)  Die  Seele  ist  eine  immaterielle  und  darum  unzerstör- 
bare Form  (8,15  —  11,18.  mit  einer  Digression  über  die  Tier- 
seele 9,10-10.15). 

3)  Die   vemünllige   Seele    hat    ein    ihr   natürliches   und 


PUto,  Pha«d.  102  A  —  107  B. 


in.  Der  philos.  Gedanken^n^  und  die  philos.  Stellung  der  Schrift     l4t 

daruTii  nicht  eitles  Verlangen  nach  einer  ihr  oigentiiiiiHcheri, 
tl.  Ii.  vom  leiblichen  Leben  unabhängigen,  ewigen  Vollendung 
und.'Glficksrligkeit  (1^,3—18,5). 

4)  (Varialiom^ri  der  voraufgehenden  Beweise:;  Der  Vernunft 
ist  die  Erhebung  zum  hilelligibelen  natürlich  (IS,7— 2!0,:ä4) ;  sie 
ist  ohne  körperliches  Organ  (iO,ä5  — 2ä,f  fi ,  mit  Digri'ssion  über 
die  Bedeutung  des  Gehirns  äO.ä*»-^!,!.'»)  und  strebt  zum  Iin- 
ujattTiellen  {:i:ä,36— ä4,7,  mit  Digri-ssion  über  die  nalüilieJie  Be- 
ziehung der  Seele  zuni  Leibe  i^vi,15— ä4,7). 

5)  Die  Stellung  der  Seele  in  der  Slufenreihe  der 
Wesen  zwischen  den  reinen  Geistern  und  den  in  die  Materie 
versenkten  Tier-  und  Ptlanzenseelen  spricht  dafür,  daU  die 
Krärte  der  Seele  zum  Teil  sterblich,  zum  Teil  unslerblich,  die 
Seele  selbst  also  unsterblich  sei  ^34,S— i(»,I*)). 

G]  Keine  der  vier  Arten  der  Zerstörung  kami  die 
Seele  treffen  (ä*>,äO— 84-,l4,  mit  mehreren  Digressionen ,  u.  a. 
über  die  Geltung  des  Beweises  auch  bei  der  Ansicht  [Avence- 
brol's],  daß  die  Seele  aus  Materie  und  Form  zusammengesetzt 
sei  38,17 — 29,10,  und  über  den  Zusammenhang  der  Seele  mit 
der  ersten  Ursache  3:^,5— Hi,2). 

1}  Im  (Jegensatz  zum  Sinne  ist  die  Vemunfl  ein  üher- 
organisches  Vermögen  (34.15^^5,8;  Variation  von  früher 
GJesaglem) ,  welches  eine  unendliche  Krkenntnisfaliijjkejt 
und  darum  auch  unendliche  Dauer  hat  (85,9     'M\,-Ii). 

H]  Die  Uns(erhlichkeH  der  Seele  ergiebt  sich  aus  ihrer 
Verbindung  mil  dem  Quell  des  Lebens  (37.1—38,14). 

Es  ist  eine  reiche  Fülle  von  Argumenten,  welche  t!un- 
dissalinus  uns  in  wohlgeordneter,  klarer  Uarritellung  vorführL 
Mag  er  dit-si-lben  rtur.h  ganz  oder  zum  Teil  einer  älteren  ara- 
bischen Quelle  entlehnt  liab<'n  *),  so  ist  er  jedenfalls  derje- 
nige, durcli  welchen  jene  Beweisketten  in  dieser  F(irin  dem  la- 
teinischen Abendlande  vorgel^t  wurden. 

Mit   dem  Aristotelischen   Grundgedanken  -)  sind   in   ge- 


»)  S.  8.  105  ff. 

*)  Aristotelisch  »«inil  vor  allein  die  Prämissen ,  welche  die  besondere 
Natur  des  Vernuiiflcrkeuuen»  i;e^uflher  der  Sinne»erkenntni8  und  eeinea 
überorganischen  Charakter  betonen. 


m 


Gundiraalinus  L)p  itnmortaliULe  animae. 


schiekter  Weise  neuplatonischc  Anschauungen  ')  verbunden. 
Und  wenn  unser  Autor  auch  Plalo's  Argumente  als  unzutänp- 
lich  /.urüt'kweisl,  so  isl  docli  dasjenige  Argiituent,  welches  Plalo: 
für  das  entscheidende  hfilt,  in  einer  cliaraklerUtischen  Umfor- 
mung ^J  auch  das  lelzle  Wort   hei  ihrii. 

Natiirlicli  ihiiI';  man  die  Schritt  mi  Mahnien  ihrer  Zeit  be^ 
traclit(*n.  Der  weitere  melaphysisctie  Ausbau  ^  den  die  spätere 
Scholastik  durch  die  Untersclieidunp  der  unnihShth  und  der 
rorruptiu  jenen  üe<latiken  zu  gehen  versucht ,  ist  ihm  n<K'h 
fremd  ■*) ;  (Jen  erkenntnistheoretischen  Untersuchungen .  zu  denen 
l^ocke's  und  Hume's  Kritik  des  SuhstanzbegrifTs,  Kant'^ 
Behandlung  des  psyeholo^isehen  IVoblems  und  die  moderne 
„Aktualitjltstheorie"  nötigen,  stelU  er  noch  so  fern  wie  den  Fra- 
gen der  modernen  Psycliophysik.  Aber  für  seine  Zeit  liat  der; 
Autor  etwas  sehr  Achtbares  geleistet;  die  damals  envogenen 
i'>agen  und  (jesiehtspuiikte  belierrschl  er  vollkommen.  Was 
auf  dein  Boden  der  arisloleiisch-neuplatonischen  Philoso- 
phie zu  jener  Zeit  geteistel  wi/rden  konnte^  hat  er  gebracht. 

Dazu  kommen  noch  bt'^ondere  Vorzüge.  Die  Physiolo- 
gie ')  und  die  empirische  Psychologie  ")  werden  nach  Maß- 
gabe der  Zeit  lierKugezügen;  die  dialektische  Gewandtheit 
ist  hervorragend  und  zeigt  sich  besonders  auch  in  der  Wider- 
legung gegnerischer  Argumente*^.  Der  Stil  ist  snchlich ,  klar, 
nach  dem  MaJk'  des  niitlelalterlithen  Sprachgebrauchs  gemessen 
von  ziemlicher  ReLnJieiL  und  erhebt  sieb  am  Schlüsse  zu  hohem 
Schwünge.  I 


')  Besonders  was  Aber  Kkstase  i^A.  r>}  und  die  Slufenteihc  der  Wessen 

(S.  ISüf.j  t;esagL  wird;  ferner  dicrnteist-heidun^  der  oberen  und  der  unteren 
Vcmunll  (die  zwei  , Antlitze"  H.V2i\  f.).  Die  „l^benstjuelle'  tann  auf  Aven- 
cehrol  zurHcktrehen.  vielleichl  unter  niitwirkcutler  Krititicnin^  un  AuKUstin 
(s.  S.  100  Anm.  'S.  S.  13U),  dem  wir  auch  sonst  begeyneii  {s.  S.  l'JZ). 

»)  S.  a  137  und  1H!(  f. 

■)  Dorh  vgl  die  Ansalze  dazu  p.  27.14—38,13  (s.  ohea  S.  132). 

*)  Die  ntfilia  n-lfula  dos  Gehirns ;  s.  S.  ['2S. 

')  Der  UrleiLsiikt  nucli  seinem  psycholoj^iselien  Verlauf  (S.  137):  patho* 
lodisrhp Zustände  bei  Geisteskranken  (S.  114  f.  128  f.);  Ekstase  und  Prophetie, 
Zustände,  die  wenigstens  unser  Aut'jr  mit  vielen  Arabern  als  empihäch-psy- 
chologischeii  Material  bebandell  [S.  lir>  ff.  123.  13.')  f.). 

•)  Vgl   z,  B.  S.  114.  IIK  liy-i.  KIT,  f. 


llt.  Der  philo5.  GedankengAng  und  die  philos.  Stellung  der  Schrift.      14:^ 

So  ist  es  kein  Wunder,  daß  der  Traktat  in  der  Periode, 
in  der  die  neu  aus  der  arabischen  Welt  zuströmenden  Wissens- 
quellen eine  gewaltige  Gährung  erregten ,  eine  gewisse  Beach- 
tung fand,  Wilhelm  von  Paris  (Auvergne)  hat  ihn  über- 
arbeitet und  unter  seine  Werke  aufgenommen. 

Indessen  war  diese  Aneignung  der  Schrift  durch  einen  be- 
rühmten Autor  für  diese  selbst,  oder  doch  wenigstens  für  den 
Namen  ihres  Verfassers,  in  gewisser  Weise  verhängnisvoll.  Letz- 
terer geriet  in  Vergessenheit;  er  scheint  von  dem  bekannteren 
und  berühmteren  Namen  Wilhelm's  verdrängt  worden  zu  sein. 
Letzterer  galt  bisher  neben  Alexander  von  Haies  als  der- 
jenige, welcher  die  arabisch-peripatetische  Wissenschaft  in  wei- 
terem Umfange  in  das  Denken  des  christlichen  Abendlandes 
einführte.  Von  diesem  bevorzugten  Platze  muß  derselbe  abtre- 
ten; an  seine  Stelle  muß  Dominicus  Gundissalinus  als  der 
erste  Apostel  des  neuplalonisch  gefärbten  Aristotelismus  treten. 
Sollte  es  mir  gelungen  sein,  zur  näheren  Erkenntnis  der  histo- 
rischen Stellung  dieses  Mannes  und  dadurch  zur  Einsicht  in  den 
Werdegang  der  Scholastik  zur  Zeit  ihrer  bedeutungsvollsten 
Wendung  einen  kleinen  Beitrag  geliefert  zu  haben ,  so  ist  der 
Zweck  dieser  Abhandlung  erfüllt. 


Verzeichnis  der  Eigennamen. 


AdelurJ  von  Bnth  12H, 

Alanus    üe     [nsuli.s   (vun    Lille;    IIH. 

128. 
AU»erlus  Magnus  llH. 
Alchuinus,  s   Alkcndi. 
Alexander  A|iliroilisit'nsis  (»4.  llfi. 
Alexander  ^on  Haies  l-l^t. 
Allarahi  IVl   ÖG.  104. 
Alfredus  Angticu?  04. 
Alpizel  m.  im.  101.  W4.  118.  12«. 
Allmcen  ]m. 
Alkendi  (Jakiib]  (J4. 
Alverniis,  s.  Wilhelm  von  Pwi». 
Ainlirosius  U7. 
Anaxatjuras  Uli. 
Amher  116.  118.  141. 
Arisloleks  11.  \±  40.  4»;.  Ja  104.  lOH. 

110. 114.  Ilß.  117.  Hfl.  1-20.  V>\.]>' 

l*ill.    130  r.    l.'M.    VXk   I.Tii.  138.  130. 

141.  142.  I4:t, 
Auguslin  m.  (tT.  100.  132.  M2 
Aveucebrol    87.    i)9.     100.     101.     11I2. 

HO.    104.    lOf).    107.    125.    127.    VMK 

IST!  13»;.  131».  142. 
Avendealh.  s.  Johannes  Hiüpalensi'^. 
Aveiroes  118. 

Avicebrol,  Avic^bron,  p.  Avencebrol. 
Avicenna  8t;.  101.  lOl.  KkV   U«.  127. 
Basilius  ü7. 
Beda  G4J. 


Boclliius  lOf)  f. 

Boniiventura  73. 

Bradwanlina  103. 

Bor^undiu  128. 

Ca&tercum,  Ca:slerlien,  s.  Gcraitius  de 

Custertum. 
Chalcidius  121. 
Clemens  (papa)  Mt. 
Conslanlinus  Africanus  l'?8. 
Coättt  ben  Luca  (>4.  128. 
Deafartes  136. 
Didyinos  Cbalkenteros  117. 
Dionysius  Areopagila  (Pseado-)  130. 
Dfvnunicus  (iutulisHalinii.s '>  i>4.  84.  fV», 

87.  101.  KM.  io:>.  lac. 
Galen  136. 

(Jelnhausen,  s.  Konrad. 
(lerardiH  i,lier'ititius)  de  Abliutls  uilla 

i;a  mi. 

Gerardus  de  Caslercum  (Casterkon)  74. 
Gr^oriu«  (papa)  4l>,  93» 
iiuilelmus,  s.  Wilhelm. 
Gkindisgaltnus ,    Gundi^alvi  ,    u.  Uonii- 

nicus, 
Heinrich  Heynbuch   von  LangeDBtem. 

s.  den  fol^nden  Namen- 
Henricus  de  Ha^sia  der  ftltere  70.  71. 

73. 
Henricus  de  Hassla  der  jiln(;ere71.  74. 
Hume  142. 


')  Von  den  zahllosen  Stellen,  an  denen  Üominicus  Gundbisalinu!;  und 
Wilhelm  Vün  Paris  erw&hnt  wonlen ,  führe  ich  in  diesem  Verzeichnis  nur 
diejeniijen  an,  an  denen  von  einer  anderen  Schrift  jener  beiden  Autoren  ab 
von  ,de  immorUlitate'  gesprochen  wird.. 


Verzeichnis  der  Eigennamen. 


14Ö 


Jacobus  de  Napoli  73.  74. 

Jacobus  Alchuinus.  s.  Alkendi. 

ibn  Daud,  s.  Johannes  Hispalensis. 

ihn  Gebirol»  s.  Avencebrol. 

ibn  Sina,  s.  Avicenna. 

Johannes   Hispalensis    (Hispanus)   04. 

86.  99.  106. 
Johannes  von  Salisbury  128. 
Johannes  Walensis  102. 
Isidor  66 

Konrad  von  Gelnhausen  71. 
Kant  108.  142. 
Lautere  Brüder  130. 
Le  Feron  1ö.  76.  84.  8.^. 
Leibniz  111.. 
Liber  de  causis  130. 
Locke  M2. 
Marvillien  71. 
Nemesius  von  Emesa  128. 
Xcupla  ton  i  Sinus  KH.  142. 


Parisiensis ,     s.    Wilhelm    von   Paris 

(Auverg:ne). 
Petrus  ^apostolus)  40. 
Plato   11.  40.   46.  93.    108.   119.   120. 

134.  139.  140.  142. 
Platoaiker  107. 
Plolin  137. 
Proklus  130. 

Propheten  idie  kleinen)  .67. 
Ptolemaeus  S6. 

Raymund,  Erzbischof  von  Toledo  86. 
Richard  von  St.  Viktor  73. 
Salomon  (ibn  Gebirol),  s.  Avencebrol. 
Scholastik  142. 
Simon  (magus)  40. 
Stoiker  136. 

Thomas  von  Aquin  118.  128. 
Wilhelm  von  Concbes  128. 
Wilhelm   von  Paris  (Auvergne) ')    68. 

72.  70.  87.  101. 
Wilhelm  von  St.  Thierrv  128. 


')  Vgl.  oben  S-  144  die  Anmerkung  zu  Dnminirus  Gundissalinus. 


BpitrAKo  Tl.  I.    BüIoW.  Oüridissalinus- 


10 


Berichtigungen. 


Außer  den  bereits  S.  62  berichtigten  nind  noch  folgende  Versehen  lu 
verbessern : 

S.  7  zu  Z.  18  uelutj  fflge  hinzu:  fuit  P. 
R.  9  Z.  23  statt  huius  lies  huiusmodi. 
S.  10  zu  Z.  4  est] :  P  hat  Irü  d.  h.  tarnen. 
S.  10  zu  Z.  17  fage  bei :  dolores]  doloro*««  P. 
S.  2t  zu  Z.  10:    /'  hat  q,  d.  h.  quae. 

S   22  Z.  '27  ist   (ntit  3dA)  statt  propterea  zu  lesen  propter  hoc  und  im  kriti- 
schen Apparat  zu  bemerken :  hoc  om  P. 
S.  26  Z.  13  statt  dicimus  lies  diximus. 
S.  28  zu  Z.  18  statt  esse  om  CM  lies  esse  om  PM. 
S.  29  zu  Z.  22  fdge  hinzu  ipsam]    ipm  {=  ipsum)  P. 
S.  48  Z.  5  V.  u.  statt  quaeipsi  lies  quae  ipsi. 
S.  ä?  Z.  10  statt  imstrumentum  lies  inslrumenlum. 
S.  58  Z    11  statt  huiusmodo  lies  huiusmodi. 
S.  64  Z.  11  statt  90*   lies  iK)f. 
S.  64  Z.  12  und  Z.  13  statt  96  *   lies  96 '. 
S.  64  Z.  19  sUtt  43''   lies  43'. 
S.  lU  Z.  15  statt  Dem  lies  Denn. 
S.  117  Z.  28  lies  völlig. 
S.  119  Z.  1  lies  kann. 


BEITRÄGE  ZI  GESCHICHTE  DER  PHILOSOPHIE 


TEXTE  ÜP   ÜNTERSICHÜKEN. 


HERAUSGEGEBEN 

VON 

DR.  CLEMENS  BAEUMKER, 

O.   Ö.   PROFESSOR   AN   DER   UNIVERSITÄT    BRESLAU. 
UND 

DR.  GEORG  FREIH.  VON  HERTLING, 

O.  Ö.  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


BAND  IL    HEFT  IV. 

DR.  M.  BAUMO ARTNER,  DIE  PHILOSOPHIE  DES  ALANUS  DE 
INSULIS,  IM  ZUSAMMENHANGE  MIT  DEN  ANSCHAUUNGEN  DES 
12.  JAHRHUNDEKTS  DARGESTELLT. 


-^^■^op^^^cy^  -u- 


MtmSTBB  1896. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASGHENDORFFSGHEN  BUCHHANDLUNG. 


DIE  PHILOSOPHIE 


DES 


ALANUS  DE  INSULIS, 

IM  ZÜSAHMEMM&E 
HIT  miS  A9SGHAUÜ9&EH  DES  12.  JAERHÜITDEBTS 


DARGESTELLT 

VON 

DR.  M.  BAüMaARTNER. 


-^<'-^>C>>«Wl(«feUr>^- 


DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORliTSCHEN  BÜCHHANDLUNG. 


\ 


HERRN  PROFESSOR 

DR.  GEORG  FREIH.  VON  HERTLING, 

REICHSRAT  DER  KRONE  BAYERN, 


ÜNP 


HERRN  PROFESSOR 

DR.  CLEMENS  BAEUMEER 


ivt 


DANKBARER  7EREHRÜNß 


ZUGEEIGNET. 


Vorwort 


Für  die  Bcarbeihmg  der  Philosophie  des  Magister  Ala- 
nus  de  Insiilis  inutite  bei  der  Unsicherheit  bezüglich  der  Per- 
sönlichkeit und  der  Lebensverhältnisse  des  mittelalterlichen  Scho- 
lastikers ,  bei  dem  Streite  über  die  Echtheit  gerade  der  wich- 
tigsten seiner  Werke,  vorerst  das  feste  Fundament  geschaffen 
werden  durch  eine  gründliche,  auf  handschriftlichen  Studien 
benihende  Untersuchung  über  die  Person ,  das  Leben  und  die 
Schriften  des  Insulensers.  Ich  werde  die  Ergebnisse  der 
nach  den  genannten  Richtungen  hin  von  mir  an  den  Bibliotheken 
zu  Paris,  Rom,  Florenz,  München  angestellten  Forschungen  dem- 
nächst zur  Veröffentlichung  bringen.  Für  die  vorliegende  Ab- 
handlung mag  einstweilen  die  Bemerkung  genügen .  daß  ihr 
litterarhistorischer  Unterbau  vollkommen  gesichert  ist,  und  der 
Magister  von  Lille  auf  die  in  ihr  herangezogenen  Schriften 
ein  unbestreitbares  Eigentumsrecht  besitzt. 

Was  die  folgende  Entwicklung  der  philosophischen  Doktrin 
des  mittelalterlichen  Lehrers  angeht ,  so  habe  ich  mich  über  die 
leitenden  Gesichtspunkte ,  speziell  über  das  der  Philosophie  des 
Alanus  zukonunende  geschichtliche  Interesse,  über  die  im  Ver- 
laufe meiner  Darstellung  überall  befolgte  Methode  und  über  die 
Anordnung  des  weit  über  eine  bloße  Universalienlehre  hinaus- 
reichenden Stoffes,  am  Schlüsse  der  Einleitung  in  genügende^ 
Weise  ausgesprochen.  Es  sei  hier  nur  noch  hinzugefügt,  daß 
meiner  Meinung  nach  die  philosophische  Spekulation  der  Früh- 
scholastik ,  nach  ihren  einzelnen  Lehrpunkten ,  Proble- 
men und  Fragen  aus  der  Masse  des  theologischen  und 
anderweitigen  Materials  herausgehoben,  auf  ihre  Quel- 


Vm  Vorwort. 

len  geprüft,  in  ihrem  Zusammenhange  betrachtet  und 
in  ihrer  Bedeutung  für  die  Folgezeit  gewürdigt,  in  einem 
merkhch  günstigeren  Lichte  erscheinen  wird,  als  vielfach  ange- 
nommen wurde.  Insbesondere  wird  ihr  propädeutischer  Cha- 
rakter für  die  Philosophie  der  Blütezeit  und  damit  die  Continui- 
tät  beider  Perioden  klar  heraustreten. 

Die  erste  Anregung  und  Anleitung  zu  meinen  Studien  über 
den  Magister  Alanus  de  Insulis  verdanke  ich  Herrn  Pro- 
fessor Dr.  Cl.  Baeumker.  Ich  benutze  gern  diese  Gelegenheit, 
dem  auch  auf  dem  Gebiete  der  mittelalterlichen  Philosophie 
hocliverdienton  Forscher  meinen  wärmsten  Dank  zu  sasen. 


'ö'- 


München  im'  Mai  189C. 


Der  Verfasser. 


Inhaltsangabe. 


Einleitan^.    S.  1-16. 

Die  geistige  Thätigkeit  des  Alanus.  Abgrenzung  des  Themas  1—2. 
Alanus  in  der  Geschichte  der  Philosophie  3-~4.  Die  philosophisch  in  be- 
tracht  kommenden  Werke.  G^amtausgahen  derselben  4—5.  Charakteristik 
des  Philosophen.  Sein  Stil.  Seine  Stellung  innerhalb  der  philosophischen 
Strömungen  des  12.  Jahrhunderts  6—8.  Charakteristik  der  alanischen  Philo- 
sophie 8—9.  Ihre  älteren  und  neueren  Quellen  9—14.  Ihre  geschichtliche 
Bedeutung  14—1.^.  Die  bei  ihrer  Darstellung  befolgte  Methode  15.  Anord< 
nung  des  Stoßes  15 — 16. 

I.  Abschnitt. 

Lo^ik  und  Erkenntnislehre-    16-38. 

1.  Ugik, 

Geringe  Rücksichtnahme  auf  die  Theorie  der  Logik  16 — 17. 

2.  Erkenntnislehre. 

Eine    etwas   eingehendere  Behandlung  nur  hei  den  mit  der  Theologie  im 
Zusammenhang  stehenden  Fragen  17—18. 

a.  Sinneserkenntnis. 

Bedeutung  der  Sinne  für  den  Körper.  Objekte  der  Sinneswahrnehmung. 
Ihre  Grenzen.  Kurze  Äußerung  Ober  die  Gesichts  Wahrnehmung  18. 
Die  Thätigkeit  der  Sinne  und  der  Imagination  vermittelt  durch  den 
Spiritus  physicus.  Ignorierung  zeitgenössischer  Erörterungen  auf  dem 
Erkenntnisgebiet  19—2(1. 

b.  Begriffshildung. 

Die  Bildung  der  Begriffe  ein  geistiges  Erfassen  der  Formen.  Notwen- 
digkeit der  Form  20.  Das  geistige  Erfassen  ein  Leiden  und  zugleich 
eine  Thätigkeit  der  Seele.  Aristotelische  .und  augustinische  Ansicht 
unvermittelt  neben  einander  21—22. 

c.  Universalienlehre. 

Stellung  d^  Alanus  im  Universalienstreit.  Parteinahme  für  Gilbert 
22 — 23.  Alanischer  Realismus.  Gilbert'sche  Färbung  desselben  23—26. 
Die  realistische  Denkweise  des  12.  Jahrhunderts  b^önstigt  die  Auftiafame 
des  durch  die  Araber  bekannt  werdenden  ganzen  Aristoteles  26—27. 

d.  Methodenlehre. 

Die  mathematisch-deduktive  Methode  in  den  Regulae  und  in  der  Ars 
fidei  27.  Bofithius  und  Gilbert  als  Ausgangspunkt  Die  mathematische 
Deduktion  auf  dem  gesamten  Wissenschaftsgebiet,  die  Theologie  mit- 
inbegriffen  28—29.     EinfOfarung   des  logischen  Begriffs  des  Axioms  in 


InlialLsangdliR . 

die  Theulogie  -J!t— .K).    Die  iledtiktive  Methode  in  der  Ars  lidei  'JH—S2, 
Kernpunkt  des  nliinischcn  Versuchs  Si. 
Gliuihu  um)  Wib!<en. 

l)o|ipel1e  Strömling,  (ilaube  und  Wissen  zwei  (felrcnnte  Sphfii'en  •18. 
[)cr  (ilaube  Htier  (k>r  Meinung,  aber  unler  ileni  Wilson.  Die  VcrnunH* 
ur/umenle  nichl  stritigenl ,  ^«Jiidecn  nur  Mtdive  zum  (^Hauben.  Kflrde- 
rung  des  Wissens  durcli  den  Glauben  3-J— 3i».  Wendung  zur  abae- 
lardschen  Denkweise.  Abaelardscher  Einilufi  .%— 37.  Verbindung  der 
hervorslecbendsten  das  Verbällnis  von  Glnwbe  und  Wissen  belreffendpn 
Gedanken.  Ahinus  kein  Iheologisclier  H;ilioniilisl  im  slrenpen  Sinn  37. 
L'm.scldag  iler  erkcnntnislhcorcltscbcn  Ite^^lrcbungun  in  den  lolgenden 
Jahrhunderten  oT-38. 

II.  Abjitihnitt. 

Die  outoIo^isch<Mi  Begriffe  und  Gesetze,    38— 6I>. 

Zusiiniiiipnban(!  der  (hitoluyie  niil  dpr  Theolinjie.     Einduä  dor  rrübmitleliilter- 

lli'ben  Ontulugte  auf  das  VersUndniü  der  artstutelischen  MeUjdijtlk  tiS—39. 

1.  HubstaiiK  and  Aceideus. 

Uo|)|>ell)edeutunt;  des  Sulpstjinzt^egrifTs  40.  Delinitiun  des  Accidcns.  Sub- 
jektloBtgkeil  der  Aecidenzien  lt.  Der  Substanz-  und  At-ridensheKriff  er- 
nilirt  int  13.  Jahrhnndcrl  keine  we^tcntllchc  Vcrändcrun*,^   12. 

ä.  Natur. 

Boi'lhius  als  Ausgant^spunkt.  Vieldeutigkeit  des  NalurhegrifTs  12 — U.  I>er 
NalurbegritT  bei  Thomas  von  Ai|uin  -ll. 

3.  Person. 

Wichtigkeit  des  PervunhegrifTs  für  die  Theologie.  Auf^Uätin  und  Buetlilua 
als  Ausgangspunkt.  Die  buetbianische  Dellnilion  44-45.  Weitere  De- 
Itniiiunen  4f>. 

4.  Muterle  und  Form. 

Bedeutung   dieses    Hegrifläpaares   wahrend   der   ersten  Periode  der  Srho- 

tiiütik  47. 

ii.  Materie. 

Materie  itn  dii|ipeUcn  Sinn ,  inateria  sccundu  und  primoitlialis  47—48. 
Der  HegrilT  iler  rrnialerie  weder  aiislolcliscli,  not-h  autjustinist-Ii.  Drei 
verschiedene  Hich(uni;en  I'*— .'il,  Abuius  folgt  Bernhard  \on  CbRrtres 
.M— .'>2.  Hedeutung  des  MuteriebegrilTs  des  12.  .lalirhumlerls  fftr  den 
Ahslotclistnns  itS. 

h.   Kt»rm. 

Kin  plalüni.tcbe:!  und  aristotelisches  Element  Un  mitteUllerliehen  Porin- 
liegrifT  53—54.  FonnbcgrifT  des  Alanus.  BinTeilung  der  Furmen  {for- 
mae  substanlitiles  et  accidenlales).  Die  Form  als  Pro|inelät  .VI— 5»i. 
Ursprung  dieser  Auffassung  .'»T— .'i8.  Verbindung  vonMaterip  und  Form 
;'»8— fiJ).  Die  Korni  ein  Bestandteil  der  christlichen  *S)>*pkuIaIion  schon 
vor  dem  13.  .fahrhundert.    Fortschritt  be^nglicb  des  KormbegritTfiöU- (;n. 

5.  Werden  und  VerUndenniff. 

Theorie  des  Wenlenr»  im  Zu^antmenhang  mit  theologischen  Ijchiien  Ort. 
BegiifT  und  Arten  der  Veränderung.  Accidenlelle ,  suh^lanziale  VerÄndo- 
ning  und  die  Verwandlung  der  TninKsubsInntialion  »JI— ö3.  Die  Theorie 
des  Werdens  auf  aristotelischer  Grundlage  ist  bereit»  im  12.  Jahrhundert 
Tertig  entwickelt  ti3. 


InlmltsHngabe. 


XI 


6.  IrsarlH»  »ud  Un*iieh«'K<*sclzp. 

UrearliehrgiifT.  piiiicipiuiii  und  nm^a  synonym  IVi.  K»usnlilftt»geselz 
lU  -  (»r».  Axiome  itezOylioli  ()es  Zeit-  und  Wurlveihrillnisses  zwischen  L'r- 
siirlie  und  Wirkung.  Axiom  und  I'KHtuhd  für  den  Hcreith  von  l'rsache' 
reih»*n  «.'»— fil».  Die  vier  arlbtoteliäclicn  Ui"SAt:hea.  lltre  Kcnnlnts  im  12. 
•UhrliunittTl  liÜ— (Ä.  rhilosophiwhe  Bedeutung  der  Ursachel«hre  des  In- 
5ulen»cr^  ü9. 

Itr.  AhschnilL 
Kosmologie.    6I1--H8. 

1.  Bohfiprnui^  iinil  Theorie  der  Weltbildanf. 

Pieifai'heHicIilunii;  in  der  Hehnndlun^weise  tcisroologischer  Fragen  *iO— 70. 
Das  SchApftingsdogma  die  Grunditige  der  ko^molugisclten  S|>ekulaliunen. 
7<i— 71.  Sclinpfungslelire  des  Alanuts  71 — 73.  Theorie  der  Wellbildung. 
Verbindung  der  platonischen  Ideen-,  der  gilbert'st'hen  Universalien-  und 
iler  neu[i)ÜiHgoreiächen  Zahlenlehre  itiil  dem  SchOpfungädogma  73—76. 

'Z.  StellunfT  nxd  Aufgabe  der  \»tur. 

Di«  Natur  als  Sudlveilrotcrin  (iollfts,  als  Vulttitrerkerin  der  Wellgesetz* 
mftfiigkeit  7(t — 78.  Die  .Nutur  das  Zeugungs-  und  Gestalluiigi^princip  kun- 
stanler  Arien  78—80.  Quellen  der  alnnischen  Au(Tas.*iung.  Piatos  I*hre 
von  der  Weltaeele.  Das  stoisrhe  Kalum.  Uorihius.  Bernhard  vun  llhar- 
Ire».  ChalcJdiu?.  Johannes  von  Salisbury.  Ein  laychologisches  Motiv 
Öl>— 82.  Historische  Ile<Jeutung  der  kosmulogischcn  Lehren  83.  Verwer- 
lung  naturwitisenschaniicher  Anschauungen  K3. 

3.  Wesen  dvr  Tlenwele. 

VcrFcliiedene  .\nsichlen.  MalerialisliKcliur  Standpunkt  des  Alanu»  K4— 85. 
ri-'sitive  Begründung.  Widerlegung  der  Gegner.  Naivität  der  beidenwiti- 
gen  Beweisführung  yö    Hl,    Stufenfolge  der  gesclmflenen  Wesen  H7— 8K 

IV.  AbscbnilL 

Ati1hro;>ologie  nnd  l'sycholoffie.    88-lOß. 

J.   AnthropnloffiM'heK. 

Dor  M€n>ch  Mirrotosiiiu»,  der  Sammelpunkt  der  ganzen  Schßplung 88— IH 

2.  IN;i-Uidog;]e. 

iJrr  i]iL'l;i:phyäis;:he  niianikter  derüclhen.    Ahinu»  als  rsyrliut(^  !U. 

a.  Klaaaifikation  der  Seelen  venu  ßgen. 

Die  FOnneilung  des  Buches  de  spiritu  et  anima.  Die  platnnisehe  Drei- 
teilung.   Die  Zweiteilung  7ud  sensualitos  und  ratio  Ut— !^-t. 

b.  Wesen  der  Seele. 

Die  Seele  eine  vernünnige,  unkörperliche  Substanz.    Beweise  05-'J(j. 

c.  Ursprung  der  Seele. 

Der  Traducianismus  von  Auguslin  bis  Odo  von  Cambrai,  Der  tVea- 
lianismus  die  Lehre  der  Kirche  SH?.  Der  Creatianismus  des  Alanus. 
Seine  Verbindung  mit  der  platonischen  bleenlehre.  Abweisung  der 
p>ihagöreiich*'n  Seclenwaiiderungstheorie  Ü7-DÖ, 

d.  Unsterhiirhkt'it  der  Seolc. 

Die    Polemik    mil    den    Kiilhiirern    Jie    Veranhissuiig.      Beweis    ilurch 
Autoritäten  9?*— KW.     Bationelles  Hewcisvcrfaliren   UX)-H>2. 
c  Vcrhällnis  von  I-eib  und  Seele. 

natoniscb-iiugustinisL-he    AufTasü^ung.     Ablehnende  Hallung   gegen  die 


XII  IiihHllsungHbe. 

arislolelisclie  Lehre  vom  Forntprincip  des  Körpers  hti.  Die  Seele 
nfti.*h  Alanus  nicht  Korm  des  Körpers ,  weder  Seins-  noch  Or^nisa- 
li<insjirinfji).  Der  Körpiir  dinrh  die  Niitiirknine  gebildet  IilCl— UM. 
Verhindunit  von  Leih  und  Seele.  Phitüniscli-pjUi.iKoreisrhe  Auffassuoy. 
Die  ladirtr  der  Thysikcr.  Üio  Einlieil  eine  persflnlithe  K>1  — H»6.  Die 
l^sychülogi«  dea  Alanua  verglichen  mit  der  Psychulogie  des  fulgenden 
Jahrliunderts  lOB. 

V.  Ahflfhniit. 
Theologie  oder  Lelire  von  der  Gottheit. 

1.  Ileuelse  ntr  die  Existenz  (■oüch. 

Zwei  liruiidrornicn  der  Gotleslicweisc  107.  Au.sgangsjiunkt  de.s  (lutle^he- 
weises  bei  Alunus.  Kausaler  Oedankcntiang.  x\rgiuiieiil  aus  der  Bewe- 
gung und  ViTünilernni?  107 — UHl.     Die  tjoLtcsbRWRi.so  nicht  slringcnl  110. 

*J.  Beweise  Hlr  die  OrelpersSnliehkclt  Uottes. 

Erltlärungsgnlnde  für  derartige  V'ersuclie.  Die  BeweiJ«  nicht  stringent 
IUI— 112.  Drei  Vernunflarguincnte  Uä— IM.  Beweis  dun.ii  pliilusophi- 
sclie  Aulvrititten.  Hermes  TritimegislusF.  Der  Suix:  moaas  gignit  uiuna- 
deni  etc.  lU— ISi». 

3.  Krlieiiiibarkelt  des  irSttlieben  WeHeas. 

rnmMghchkfil  einer  ailacquakn  Krkenntnis.  Erkenntnis  im  uneigentli- 
eben  Sinn.  Vierfacher  Weg  hierzu  lÄ'— lli3.  Die  ßebilde  dcrUranimuUk, 
in  ihrer  Anwendung  auf  die  Theologie  123— l:iJ. 

i.  Wesen  und  El ^enseh urteil  <<otteH. 

tlonsirukliun  des  Golteslie^rifls.  Die  liotUieit  Monas  oder  L<nitn»i  121 — lÄ"». 
Fid^4>tungen  aus  dein  Bcgrilf  der  Monas.  Gott  das  esse  purum.  UuU  lUs 
foinia  und  ütib>dunlia.  l'nveHliiderlicIikciL,  Ewigkeit,  L'ncrnieElivlikeil, 
l'nbegreinicbkeil  üolles  I2C— 128.  AHmnelil  Gotleji.  Deren  tirtnzen 
128— 1-*!^.  Allgegenwnrl  und  VuUkornmcnhoil  Gottes  12'J.  WundcrbegrifT 
VJ<d-VM. 

b.  VerliUlliiis  Gottes  zur  >Telt. 

GotL  unter  diMii  (iitaichlspuiikl  einer  dretfuLhen  Kausalitäi  131~K12. 

a.  Gott  at»  cuu»a  erficien»). 

Die  cnusa  suprema  eine  causa  efßL-ions,  Das  göttüclic  Wirken  ein 
Schalten  132 — U\3.  Verschmelzung  philusophischer  Theurien  mit  dem 
Schöpfuiigsgedanken  1?VJ  — 131.  Die  liollheit  als  transwcendentes  VVelt- 
princip.  Khill  /wisthea  dem  SL-böiifer  und  den  Kreaturen  V^>~~l'SJ, 
Motiv  der  \Vi'11hihö|«funt'.  Deduktion  dir  wicitligslen  Hettlaiidleile  des 
GewIiatTpnen,  der  Kngel.  riiT  Wi-Il  und  des  Mensrhon  137--138. 

b.  Golt  als  causa  cxcmptari!». 

riato  nl.<;  Anknrip(ung.«i]>ankt.  Die  l^ehro  des  Alnnus  eine  Hcpruductiun 
der  herrschenden  Ansicht  130—141. 

c.  Golt  als  causa  finalis. 

Gott  als  Finalursachc  in  dreiracbeni  Sinn  141— 14'J.  Xusitnimcnra?- 
sende  Würdigung  der  philosophischen  Gülteslehre  des  Alanus.  Ihr 
Verhältnis  zur  ralifinulen  Tlieologic  des  13.  Jahrhunderts  14:^—113. 


Einleitung. 

Unter  don  christlioUen  Denkern  dos  ausgehenden  13.  Janr- 
hunderU  nimitU  die  Persötiliclikrit  dos  Magister  Alanus  de  In- 
fiultä  ')  die  hervorragendste  Stelle  ein.  Ein  Mann  von  umfas- 
sendem Wissen  ') ,  ein  Freund  und  Verehrer  der  Alten  ') ,  niit 
den  artistischen  Disciplinon  aufs  beste  vertraut,  berütinil  und 
gefeiert    als   DiciUer  *) ,    bewundert    als   akademischer    Letirer  -'), 


')  InHulne  in  Flaitdeni,  da»  heutige  Lille,  int  des  Magigtora  Geburts- 
ort. Er  starb  im  Kloster  Cfteaux  im  Jalire  1203,  woselbst  er  auch  sein« 
letzt«  Ruhestätte  fand.    Tgl.  H.  G.  SS.  XXIII,  S.  881,  48. 

-')  Für  die  hohe  H(>inung ,  welche  man  von  der  Gelehraamkeit  des 
Scholastik «rrt  hatte ,  zougen  die  elegisch  gestimmten  Verse  auf  seinem 
Orabmat : 

.Alanum  brevis  hura  brevi  tamulu  sepelivtt, 
Qui  duo,  qui  aepteni,  qui  t-utum  acihile  acivit, 
Scire  »uuni  morieiis  dan«  vel  rctinero  nequivit.* 
Ans  einem  Codex  der  Pariser  Nationalbihlinthek,  n  3äl7.  s.  XIII  (1274),  f.SOr. 
)  Den   ,  Anticlaudian"  sendet  der  Verfasser  in  die  Öffentlichkeit  mit 
dem  Epilog  (Migno,  Patrologia.  Sor.  lat..  t.  210,  co[.  574  C): 
Vive!  nee  antiquos  tcntcs  nequarc  puHaa, 
Sed  potins  veteruiD  \'estigia  sempcr  adorans 
Subaequere,  et  iauris  humilea  aubmitt«  myricas 
Auf  die  zahlreichen  Nachahmungen  römischer  Dichter  in  dem  herHlimten  Ge- 
dicht hat  K.  BoBsard  (Alani  de  Insulis  Anticlnndianus,    Andegavi  1880,    S. 
109—115)   aufuierksum  gemacht.     Auch  in  andern  Schriften  finden  sich  nicht 
wlt«n  Citat«  aus  römischen  S4.'hrift«t4'llem 

*)  Der  vor  1280  verfaßte,  nnter  dem  Nomen  des  l^einrich  von 
Oent  bekannte  ,liber  de  scriptoribos  ecclesiasticis*  (Fabricius,  Bibliotheca 
iBceleeiastica,  Hamhurgi  1718,  cnp.  21,  S.  121)  srhreiht :  Alanus  ....  libera- 
Itum  artinm  peritus  ....  Et  qnia  metro  multum  damit  ....  Ober  die 
Autnrschaft  des  Heinrich  von  Gent  siehe  Lorenz  * DeuUrhIands  Geschichta- 
quellen  im  Mittelalter,  Berlin  1887.  U,  S.  21.  Anm.  2).  wUhrend  Hnnreaa 
(M^moires  de  1'  Institut  national  de  France,  Academie  iles  inscription«  et  bel- 
ies lettres,  t.  XXX,  2"  partim,  S.  349  ff.)  guteOrflnde  dagegen  geltend  macht. 
')  Alberich    von   Trois-Fontaines  (M.  0.  SS.  XXIII .   S.  881»  48) 

BeitrARe  IL  4.    Baaug  artn  »r,  Alanen  de  Iimulis.  1 


Alanns  d«  titsulis. 

i'niruUi'ti»  er  «lU»  Kraft  seines  vielseitigen  Geistes  in  pint^r  aus- 
pwlehnten  schnftslellerisdien  Thäti^fkoit  ').  Spatere  Jahrhunderte 
Kobvn  ihm  den  Beirmnieii  „«ier  Groüe" -)  und  den  Ehrentitel 
.Üot'tor  univprsalis"  ■'). 

Kh  ist  indessen  uiclil  unsere  Absicht,  ein  allseitig  ausgi*- 
fOhrtes  Bild  von  dem  Gesanitwirken  des  berühmten  mittelalter- 
liehen Gelehrten  /n  entwerfen.  Nur  eine  bestimmte  Seile  seiner 
wisst-nsehnlt liehen  ThätiB'krit  soll  in  der  foljffudi-n  UnliTÄnchnng 
heruusi^i'griffen  werden,  nätnhrli  sfitie  Sli-Ilun^f  mul  Bed^'iitung 
fOr  die  Geschichte  der  mittelalterlichen  Philosophie. 

Über  die  verwickelte  Persojienl'rage  und  dk'  venvorrenen, 
zum  Teil  legeudarisi-ben  Narliriehten  bczOpliih  simikt  näheren 
LebensverliJillniÄse ,  die  K<lithfil .  sowie  den  Inhalt  und  Cha- 
rakter der  ihm  zujfehörigen  Schrillen  gedenken  wir  demnächst 
eine  ergänzende  Abhanillung  liltrrarhistoriseher  Art  zu  veröffent- 
lichen. Einstweilen  möge  es  gestallet  si-in ,  die  ResuHate  ein- 
gehender handsclirifllicjier  Sltidien.  soweit  sir  unentbehrlich  sind, 
ohne  den  umfangreichen  Appatal  quellmmritiiger  Belege  her- 
anzuziehen. 

Wenn  wir  die  Dnrslellunp  di-r  Philosophie  des  Alanus  de 
liisuHs  versucht-n,  so  holTen  wir,  oine  bisher  in  der  Ciescliichlc 


nennt  ihn  »tloctor  illr  famuHUH".  Der  Chrouitit  Hchreitit  zwischen  1232  und 
1252  (Wiitt«nbnch,  l»«ut«ctiliindH  (.ieschiclitaquollen  im  MitteliOter,  fi.  Aufl.. 
Berlin  181»4,  II.  8.  4^^'^•.  Siherfer-Hoichurst,  M.  U.  SS.  X.Mll.  S.  t>46  ff.) 

')  OttM  vonSt.  Üinsientt  1223:  vgl.  Wattenbuch.  a  a.O.,S.284ff, 
M.  0.  SO.  XX.  S,  aua)  lieljt  die  Kracbtbarkeit  seiner  Feder  hervor  (M.  0, 
HS  XX.  Ö,  82«,  lt»~2;i):  .  -  •  roulU  conscriben»  oxposuit  ...  et  niult«  all« 
suiA  et  cfttholio«  oouMripBit. 

*)  'liun  emteiiiniü  begegnet  uns  dos  PrjLdikat  , Magnus'  bei  dem 
«iglijchen Dominikaner  Robert  Holkot  (t  1349;  in  winem  .liber  sapi^ntiae", 
cap.  10,  lecL  128  (nicht  118,  wie  bei  Migne,  t  210,  oel.  30  A  stefati,  fol. 
120  Ä.  Wir  benutxt«!  eine  Inkunabel  n.  I.  et  a.  der  üniversiiltabibliotliek 
ürealau. 

')  Johannes  Tritbomiu»  (1462—1616)  in  ,de  ncripturibna  occlesia- 
sÜcis"  ibei  Fabricius.  Dibliotheca  eccleöiantica ,  Hamburgi  1718.  c.  527,  S. 
128;  bei  Migne,  L  210.  3l)  A  ff.):  Alanua  de  InsuliB  ....  l'niverealia  me- 
ruit  appeÜBri.  —  Hurtmnnn  Schedel  (1440-1514}  ,in  über  Uhronice'  (In- 
Icungboldnick  Her  Mllnchoner  Staatobibtiotbt'k ,  fol.  221  r ;  bei  Migne,  t  210, 
ttl  C  ff.):  Aianum  autem  dootorem  celeberrimnm,  oognomeuto  universalem  .  ,. , 
'^iiu  Alaiii  magni,  dooteria  universalis. 


EJDleituDg. 

der  mittelalterlichen  Pliilosophie  vorhanden  gewesene  Lürk*^ 
auszufüllen. 

AlanTis  hat  zwar  von  Seite  der  Philosophichistoriker  schon 
Iflngsl  eine  freundliche  und  anerkennende  Beurteilung  gefunden. 
Um  die  kürzeren  Besprerbungen  in  den  bekannten  (ifsc-.liii'lils- 
werken  der  Philosopliie ')  zu  übergehen,  zu  denen  kürzlicli  eine 
von  De  Wulf'')  gegebene  hinzugetreten  ist,  so  haben  sicli  mit 
größerer  Ausführlichkeit  Heinrich  Ritter"*),  Albcrl  Stock!*) 
und  Benianl  Hiiurcau^)  über  unseren  SeholastikiT  verbreitet, 
und  AJbnrl  Dupuis*')  ihm  eine  schätzenswerte  Monographie  gt^ 
widmet.  Einzelt)carbtilungen  hat  sein  »Anticlaudian"  erfahren 
durch  Oscar  Leist')  und  Kugen  Bossard  **). 

Wohl  sind  die  genannten  Arbeiten  für  die  Kenntnis  der 
Pers^lnlichkeit  und  einzelner  (iedaiikenzüge  des  Magistei-s  nicht 
ohne  Wert,  allein  den  Anforderungen,  welche  in  philosophie- 
geschichtlicher  Beziehung  gestellt  werden  müssen»  genügen  sie 


')  Brucker.  Historie  critica,  Lipaiu  1766,  III.  S.  780  ff.;  Tiede- 
maiin,  Ueint  il.  Kpokulativen  Phiti>s.,  Marburg  1795,  IV,  8.  320  ff.;  Kulile. 
Lebrbucli  d.  Ue»ch.  d,  Philos.,  Göttingen  1800.  V,  S.  255  (f.;  Teunemann. 
Oeach.  der  Philoe.,  Leipzig  1810,  VIH.  1,  S.  288  ff. :  Rixner,  Handbuch  d. 
Owch.  d.  Philoa..  SnUbacb  1>429,  M,  S.  71  ;  Prantl.  (joscb.  d.  Logik.  II,  2. 
Auä  .  Leipzig  1885,  S.  260  ff.;  J.  E.  Erdmaon.  Grundriß  d  Gesch.  d. 
PhiloB.,  4.  Aufl.,  bearb.v.  B.  Erdmann.  Berlin  IHSti,  K  S.314ff. :  Überweg. 
Grandri&  d.  Gesch.  d.  Philo»,  7.  Aufl.,  hearb.  v.M.  Heinzc.  Berlin  1886.  U, 
a  17f»  ff.;  Hiatoire  litt^raire  de  la  Fraiice.  XVI,  ParLi  1824,  S.  396  ff.; 
Rouasetot,  Etüde«  mir  la  philosophie  dan»  le  muyen'Ag« ,  Paris  1^0,  I,  S. 
S05  ff.;  A.  Jonrdain,  rechorchen  critiiiae^,  Paria  IH43,  S.  27,  278  ff. 

')  Maur.  De  Wulf,  IliatoJre  de  1h  philoHuphie  »rolastique  dan»  lea 
Paya-Baa  et  la  principaute  de  Lit^g»  jusqu'ä  la  niviilutioii  fraii<;ai»Mf ,  Louvaia 
et  Paris  189:»,  8.  41  ff. 

')  Geschichte  der  Philosophie,  Hamburg  1844,  VII,  S   593  ff. 

*)  Üeachicbte  der  Philosophie  des  Mittelalters.  Mainz  1864,  1,  S.  411  ff. 

*)  De  la  Philosophie  scolastique,  Paris  1850,  I,  S.  345  ff.  Histoire  de 
la  Philosophie  scotastique  ,  Paris  1872.  1,  S.  521  ff.  Vgl.  auch  Hauri-au*» 
Aufsatz  Über  das  Leben  und  einige  Schriften  des  Alanus  in  M^moiree  de 
l'Acadtiinie  des  inscriptiuns  et  bellea  lettres,  t.  XXXEl,  U^  partie,  S.  1  ff. 

")  Alain  de  Lille,  Stades  de  philoeophie  scolaatique,  Lille  1859. 

')  Der  Anticlaudianu» ,  ein  lateinisches  Gedicht  des  12.  Jahrhunderts, 
and  sein  Verfasser  Alanus  ab  Inaulis.  Beilage  sum  Progranini  des  Gymna- 
niuns  zu  Seehausen  i.  d.  Altm.  1878—1882. 

"^  Alani  de  Insulis  AnticUudianus  cum  divina  Dantis  Alighieri  Comoe- 
dia  coltstoB,  Andegavi  1885. 

1* 


4  AliiuuM  ili;  Inäulis. 

nicht.  Was  sie  bringen ,  sind  bioKraphische  und  biblioi^phi- 
sche  Notizen  und  j^röiere  oder  kleinere  Aiiszfl^e  aus  verschit*- 
denen  Werken;  aber  eine  gründliche,  umfassende  und  nie- 
Ihodisi-})  durchgeführte  fiesamidarslellung  der  philoso- 
pliisdu-n  Doktrin  unseres  SelmlasUkers  mit  Beröt^ksiehtiKung 
ihrer  Quellen  und  Motive  suchen  wir  vergebens. 

Im  Interesse  einer  vollständigen  und  erschöpfenden  Be- 
handlung des  bei  Alanus  vorliegenden  Gedaukenmaleriuls  wini 
es  zunäclist  geboten  sein,  den  Umkreis  der  Schriften  abzu- 
sle<*ken ,  welche  für  die  Darstellung  seiner  Philosophie  in  be- 
Iracht  konuuen.  Voniehmlich  sind  sechs  Traktate  zu  nennen, 
iji  ileiien  der  Magister  über  jdiilcjsophischc  Dinge  sich  geäuüerl 
hat:  Diu  Abhandlung  „de  planrtu  naturae"  (de  pl.  n.|  —  wtr 
geben  die  Werke  in  tier  Reihenfolge  ihrer  wahrscheinlichen  Al)- 
fassung  und  mit  (\an  bei  Migne')  stehenden  Titeln  nebst  den 
hierfür  knnflighin  gebrauchten  Kürzungen  •)  — ,  das  so  benihnil 
gewordene  Gedicht  „ Anliclaudiun"  (Anticl.),  die  eigenartig 
geformten  ^Theologieae  Hegulae"  (Reg.),  die  vierteilige  po- 
lemische Schrift  „Contra  Haereticos"  (G.  11,),  die  exegetische 
Arbeit  „Distinctiones  dictionum  Iheologicalium"  {Dist.) 
und  endlich  das  Meisterstück  dwluktiver  Methode ,  <iie  „Ars 
fidei  catholicae*  (A.  f.).  Einigemale  werden  noch  beigezogen 
die  „Ars  praedicandi*  *) ,  der  angedruckte  Traktat  „de  vir- 
tutihus  et  vitils" ')  und  zwei  Sernionensammlungen,  von 
welchen  ein/eine  Bruchstücke  unter  dem  Titel  ..liber  senten- 
tiarniii-  bei  Migne  c.  ;221*"2'ii2  gedruckt  .sind  ^). 

Bezüglich  einer  nälieren  Charakteristik  der  in  Frage  ste- 
henden Werke  verweisen   wir  auf  unsere   uj  Aussieht  gestellte 


'>  Migae.    Patrologia,    Her.  Int..  l.  210.     Bei    Überweg,    Grundriü, 
7.  Aufl.,  n,  188Ö,  H.  175  st^bt  fÜlschlii-U  .im  12U.  Band'. 

'■)  Die    den  Abkürzungen  beigefügte«  ZaUiüii  lezichi-n  »ich  auf  die  Ixy 
treSfenden  Cohimnen  der  Migne'achen  Aiugabc. 

.*)  Migne,  ratrologia,  S*t.  lut.  t.  210,  c.  111  ff. 
s,*)  Codex  Paria-,  BiWiotli    i.at,.  n.  823?  F.  h.  XIII,  fol.  84v»-85vl,. 
'1  Die    eine  Sammlang    wird    in   den  llandschriftyn    als  Appendix   der 
•Ära  pruedicandi"  aiigercilit,  z.  B.  Cod.  Munac,  4Mli,  a.  Xlil,  fol.  .s»r    f[  ■  ^^ 
andere    ist   enthalteo  in  einem  Codex  der  Toulouaer  SUtdtbibliothvk  ,    n.  195, 
s.  XUI,  fol.  93r  ff. 


<;. 


Einleitung. 

Abhandiuiitr.  Nur  einige  Benierkunt^en  über  die  Gesanitaus- 
gaben  alanischer  Schriften  wollen  wir  anfügen.  Die  ersle 
gröUcre  Kdition  nach  bereits  früher  erfolgler  Drucklegung  ein- 
zelner Arbeiten  vrratistallrte  der  Ci.ster/ienscrprinr  Karl  de 
Visch  zu  Antwerpen  1  (jjH  ' |.  Ergänzungen  brachte.*n  später 
Pez*)  durch  den  Druck  der  „Ars  Udei  eatholicae"  und  Minga- 
relli^)  durdi  dir  VerofTentlichung  der  „Theologicae  Regulae". 
Die-se  sanitUclii-n  Ausjraben  vereiiiigle  Migne  in  dern  ^\0.  H;tnd 
seiner  Faliulogia  (Serifs  lal.l  und  nahm  nach  ciiif'tn  Iiikunabel- 
druck  noch  die  „Dislinctiones  diclionuni  Lheologiruliuru"  hinzu'). 

Die  textliche  Beschaffenheil  der  Migne'sclien  Ausgabe  Ifilil 
noch  viel  zu  wünschrn  übrig  und  trägt  nii(  die  Scluild  an  der 
Schwierigkeit  und  Dunkelheit  unseres  Scholastikers.  Einigt'  nichl 
unwesentliche  Verbesserungen  und  BerictiÜgungen  gerade  zu  den 
wichtigsten  Trakl^ib-n  hat  Cl.  Baeumker'*}  mit  Zuhilfenahme 
niührerer  HandschritVn  bekannt  gegeben. 

Nach  dii'sen  Vorbi-nierkungen  über  dit*  \\'erke  des  bchola- 
stikere  und  die  ihn  betreffende  I>illeralur  wenden  wir  mis  nuii- 


*)  Migne  210,  27  giebt  den  genaueren  Titel  an  Die  zwei  letzten  DO- 
<-ln*r  von  .Contra  Haeretiros'  vcrnffentlithtt*  de  Visch  l*lä*!  (KOlnl  in  «Bibliu- 
theca  Bcriptorum  sacri  ordini»  Cisterciensis"  ,  App.  8.  4^0  ff.  Sttlie  Mi^nt« 
210,  G.  3t»9  400. 

*)  B.  P(>z,  Thofuuinu  Anecdotontin  ndviHsitmis .  Ao^btirg  1721,  t, 
c.  476  ff. 

')  J.  AI.  Miiigurcilli.  Anecdotomm  Fanciculu»,  Kuinne  17fi(:.  S.  171  tf. 
Mingarolli'ä  AuüguLe  d!>er  ,R4>guljio'*  ist  indessen  nicht  die  ernte  und  nicht 
vollständig.  Hoin  Rep.  hibliogr ,  n,  .190  und  381»)  erwfihnt  zwei  sehr  frühe 
Drucke  unter  dem  Autonmmen  des  mit  Alanuä  de  Inäuli^  identischen  Alanus 
Porr^tnnns  --  auf  den  Nachweis  dieser  Identität  mQsüen  wir  hier  verzieh* 
ten  —  ,  einen  Kölner  aun  lirm  .fahre  1500  iiml  einen  amlem  a  1.  a  et  typ. 
Der  letztere  (Hain  'AHU)^  von  dem  die  Münthener  StaaUbihliothek  mehrere 
Exemplare  betntrt.  enthält  bereits  die  I>ei  Mingarelli  und  Migne  feldeuden. 
neuerdings  von  Cl.  B tie u m k e r  bekannt  gegebenen  (uie^ie  unten  S.  22, 
Anm.  2)  Pro^üsitionm  des  ■'^cliIufJnbBchnittett  nebet  deren  ErlAuteningen. 

*)  Migne  210.  v.  6H5,6yr.. 

^)  In  di>m  Phili>äophi.%hen  Jahrbuch  der  Gflrresgeaellscimft ,  R  VI 
(1893),  S.  163  ff..  417  ff.;  M.  VII  (lfi94),  S.  109  ff.  Separat  erschienen  unter 
dem  Titi'l  .Handschriftliches  zn  den  Werken  desAlanus*,  FuhialSlW.  Von  dum 
.Antielaudian'  und  von  ,de  planctu  iiaturae'  veranstaltete  Th.  Wright 
(Ttennn  Britannicarum  medii  aevi  »cnptoreä.  The  Anglo-LatinSntirical  Poeta 
and  Eptgrammatista  of  the  twelflh  Century,  London  |H72.  vol.  II,  S.  "268 — 522) 
eine  kritisch  nicht  immer  aorgf^lti^  gearbeitete  Neuau.<tt;abe. 


Alnnufl  dp  Insulin 


mehr  zu    einer   kurzen  Charakterisierung  unseres  Philosophen 

und  seiner  Philosophie, 

Trotz  des  hohen  Ruhmes,  welcher  dem  Magister  von  Lille 
bei  Mit-  uimI  Naehwell  so  ausKiebig  beschieden  war,  reicht  er 
als  Philosoph  itorh  nicht  an  die  ihm  vorangegangenen  groüen 
Denker  des  12.  Jahrhunderts  hinan.  Er  war  nicht  der  Mann, 
den  auf  cJuisllicher  Seite  während  iler  letzten  Dezennien  jenes 
Säkulums  unleugbar  eingetretenen  Stillstand  des  pldlosophischen 
Denkens  durch  neue  und  eigene  Gedanken  zu  überwinden. 
Dazu  mangelte  ihm  die  Kraft  des  produktiven  Schaffens,  wie  sie 
in  manchem  Belrachl  einem  Gilbert,  Abaelard,  Hugo  von 
St.  Viktor  eignete,  es  fehlte  ihm  die  Gabe  des  spekulativen 
Denkens,  das  ehien  Bernhard  von  Ghartres')  und  WMthelm 
vort  Conches ')  beiahigte,  unter  Anlehnung  an  alte  Quellen 
den  Versuch  eines  umfassenden  ptiilosophischon  Systems  zu  wa- 
gen. Alanus  erscheint  als  ein  dun'Ii  und  dunli  receptiver,  mit 
Emsigkeit  anfsammelnder,  grötälenteils  von  den»  vorgefundenen 
Stoff  abhängiger  Geist,  di»r  mehr  die  Gedanken  andeivr  auf  sich 
wirken  läiät,  als  eine  selbständige  Lösung  anstrebt. 

Dabei  aber  versteht  er  es,  ebenso  selir  eine  dichlerische 
Natur  als  ein  dialektisches  Talent,  dem  einmal  aufgegriffenen 
Ge<ianken  ein  glAnzendes  poetisches  Gewand  zu  geben,  wie  nicht 
minder  das  gesammelte  Material  mit  seltenem  Scharfsinn  und 
iiben-aseliender  Prägnan/.  zu  formulieren  und  mit  spielender 
Leichtigkeit  dialektisch  zu  handhaben. 

Durch  diese  allseitige  Beherrscluirig  philosophischer  Ideen, 
ihre  poetisclie  Einkleiilung  %  wie  die  geschickte  dialektische  Ver- 

')  In  seinem  Werke  ,de  niundi  nniversiUt«  sire  mogacosmuft  et  mi- 
crocoamuH' ,  ed.  Barach  und  Wrultel  in  ,Bibliothpca  philosüphorum  mediae 
R^Utis",  Innäbnick   187^. 

*)  Vgl.  Karl  Werner,  die  Kuäinologie  und  Naturlehre  des  HchoIaHii- 
acben  Mittelalters  mit  »pezjelter  Beziehung  auf  Wilhelm  von  Conchcs, 
Sitsungsb.  d.  kaiH.  Akademie  d.  WIb»..  phüos  -hial.  Klasse,  Wien  1873.  B.  75, 
8.  309  fT.  Das  ,:^foi  AiÖä^rtov  ftive  elementa  philoaophiae*  betitelte  und  bei 
Beda  iMigne,  t  90,  c  U27  ff.)  veröffentlicht«  Werk  Wilhelm's.  welches  am 
raachesten  in  seinen  Gedankenkreis  ejoftlhrt .  ist  auch  unter  den  Schriften 
des  Honoriub  von  Autun  (Migne,  t,  172,  c.  39  40  ff.)  mit  dem  Tit«l  ,Do 
philosophia  mundi*  abgedruckt.  Auf  die  weiteren  Werke  de«  Philusophen 
ainzugehen,  ist  hier  nicht  der  Ort. 

")  In  »de  planctu  naturae"  und  im  .Antidaudian'*. 


Kinipitnng.  7 

Wertung  der  vorgefundonon  Stofftnasse  zuni  systematischen  Aufl)au 
und  zur  polemischen  Vertcidijmnjf  ^)  der  Glaubenslehren  über- 
ragt Alanus  weit  seine  sämtlichen  Zeilgenossen.  Hierin,  in  die- 
sen mehr  formalen  Momenten ,  liegt  das  Eigentümliche  seiner 
Leistung  und  Bedeutung. 

Die  beiden  hervorstecheridstiTi  Ki^jenschaften  seines  Geistes, 
die  Stilen  in  einem  Kopf  vereinip^t  ei*scheinen ,  die  dichtfriseho 
Begabung  und  die  dialektische  Anlage,  haben  auch  seinem  Stil 
unverkennbar  den  Stempel  autpeprügt.  Eine  auffallende  Ver- 
schiedenlieil  der  Schreibari  zeigt  siel!  in  den  frütieren  Schriften 
gegenüber  den  späteren.  Während  in  den  ersteren  -)  die  Plian-  \ 
lasie  des  Dlciilers  überwiegt,  die  ans  Marlianus  Capeüa  0 
und  Bernhard  von  Chartres  reiche  Nalinmg  zieht,  li'itt  in 
den  letzteren ,  sj'stematischen  Werken  ')  die  Schilrte  des  Dia- 
lektikers zu  Tage,  welcher  bei  Boethlus  und  Gilbert  von 
F*oitiers  in  die  Schule  ^M.  Dort  eine  FfiHo  phantasrevoller 
l>oeiiseh<T  Erfindungen  nnd  Wendungen ,  pla.stisthe  Anschau- 
lichkeit der  Schilderung  und  eine  oft  ermOdemle  Häufung  der 
Ausdrücke,  hier  nüchterne,  abstrakte  Begriffe  und  Formehi,  kurz 
nnd  pnicis  j.'ehalleno  Beweise  und  eine  fast  all/.n  >:parsaine  Karg- 
heit der  Worte.  Wälirend  dort  die  Cbcrfülle  lästig  fällt  und 
schwer  verstilndlich  wirkt,  ist  es  hier  eine  lakonische  Kürze,  die 
aufmerksames  Studium  erfordert. 

Was  schliHssticIi  die  Slellnng  des  f'hilosupffen  innerhalb 
der  mannigfachen  Strömungen  seines  JahrliundiTls  betrifil  ,  so 
ist  eine  genaue  Abgrenzung  derselben  nir.lit  leicht.  Kine  unri<-h- 
lige   Beurteilung    erfährt    der   Scholasliker  hei  Haurean,    wenn 


')  In  den  .theologischen  Kegeln'  {Theologicae  Kegulae).  in  .Contra 
Hnorotiroe'  und  der  .Ars  fidei  catholicao',  welch  letztere  zwei  direkt  gegen 
die  tläresiea  der  Zi>it  gerichtet  waren. 

')  In  ,de  plmirtu  naturae"  und  im  .Anticlaudian*. 

')  Aus  Martianus'  Schrift  ,Jo  nnptiis  PhiloloKiae  clMt-rcurii' btanimt 
auch  die  auf  die  Stoiker  und  Neuplatoniker  ziuik'kgehende,  in  «dcplanclu 
natura«'  stArV  znr  Geltung  krnnmonile  allegoriB<:he  D(!Utung  der  altttii  G^Jttor- 
mythologiti  und  Üichterfabeln ,  unter  deren  äußerer  Hülle  ein  aüßi-r  Keni  der 
Wahrheit  versteckt  liege-  Vgl.  de  pl.  n.  -451  CD;  A,  Rbert.  AUgomeine 
Ueschichte  der  Litteratur  des  Alitt«lalter&  Im  Abendlande,  Leipzig  1889.  I, 
S.  476.  *?2. 

')  In  den  „Regalae',  in  ^Contra  Haeroticos*'  und  in  der  «Ars  fidci". 


> 


fi  ^^^^^P  Alanns  de  Insulis. 

derselbe  ihn  den  Mystikern  oder  Theosophen  biüzühlt  '). 
Mit  keinem  andern  Autor  bekundet  Alanus  so  wenig  Öeislesver- 
wnndtschall,  wie  mit  dm  Haupt  Vertretern  der  Mystik,  mit  Bern- 
liurd  von  («lairvaux  und  deu  beiden  Viktorineni  Hugo  und 
Hietiiiril.  Er  ninnnt  von  allen  Rlditungen  innl  liuldigt  keiner 
ausschlreülieh.  Am  ehesten  muß  rr  ym  den  Vertretern  jenes 
Piatonismus  Kerechnel  werden,  welcher  in  der  einnuüreichen 
Sehule  von  Oliarlres  eine  so  begeisterte  Pflege  fand.  Zumeist 
(reh(  er  die  Wt?ge,  welciie  die  beiden  Carnotenser  Bernhard  ^) 
um)  dessen  Haider  Thierry  ")  und  der  Sclifikr  des  ersteren, 
der  scluirfsinniK«'  (itlberi  de  la  Porree  angebaJint  liatten  ^). 

Die  PliilosopJiie  des  Majrister  von  UUe,  daraur  inafr  schon 
das  bereits  (besagte  schheUen  lassen,  tritt  uns  nicht  als  ein  ge- 
tddoäsenes,  consequent  durchg^eführtes  System  entgegen,  und  wir 
dflrten  keine  neuen  Pruhlcnie  und  selbslenlachlen  I^Osungen  er- 
wartnn.  Sie  ist  vielmehr  itirrm  (tnindlnn  nach  eine  Art  Ober- 
ifclmu,  dir  Zusanmifiirassinig  des  itt  .hilu-hunderte  langer  Arbeil 
[in  den  geletirtt^n  Schulen  des  Abendlandes  bewahrten  und  hin- 
zugewonnen Materiales,  Nicht  ein  Werk  aus  einem  (iuß.  gleicht 
Rii'  dem  Mosaikbild ,  in  welchem  Steinchnn  verschiedenster  Fär- 
bung  sich    zusauHncngelTigt   lindi'n.      Alfenttiulben    in    einzelnen 


■)  Haiir<^iin.  Hist.  de  k  phjloä.  acot..  I.  8.  5'2U  52.^. 

-)  /.iiwpit  geht  die  Bohniiptung  Rotisselot's,  di«  Philosophie  des 
'AIrtiiiin  nri  mir  eine  Nachahmung  Bernhards.  Raaseelot,  Ktndes  nur  la 
philodophie  et*'.,  1,  S.  :i09. 

■)  (Ihor  denselbon  hüten  C'Ierval  und  B.  llaur^au  in  erwBiischter 
WoJH«  »nhere  Kenntnis  gegehen;  erntiTer  durch  eine  Analyse  und  WQrdiguiig 
vun  Thierry's  . Ueptateachoa * ,  einem  aus 45 Schriften  coiVtpilierten  l^hrhuch 
der  niithen  freien  Künste,  durch  daa  xueret.  wie  tu  acheint,  nahezti  das  ganze 
nriHtittelischo  OrgBnon  bekannt  wurde  (vgl.  CJerval,  L"  ensergnement  des  arts 
lihiVftux  a  Chartres  et  h  Paris  dans  la  premi^re  moitii^  du  XII«'  m^de  d'apr^s 
l'HepIntt'Uchon  de  Tlnerry  de  CLartre»  in:  Congr^a  acientitiqiie  international 
des  oatholiqiieH  tenn  a.  Pari«  du  8  au  VA  avril  1888,  Paris  1889.  U,  S. 
277— 2f«i).  letzterer  durch  seine  dankenswerte  Publikation  dee  ersten  Buchen 
VttnTbierry's  Schrift  de  sex  dierum  operihua  inaeinenNnticeset «xtrait«, 
T.  I.  Paris  1800.  S.  62  ff.  (vgl.  T.  VI.  IH93.  S  2i».  -  Über  seinen  hand- 
schriftlich in  BrOssel  (n.  10057)  erhaltenen  Kommentar  zu  den  unter  Cicero'a 
Namen  gehenden  Rhetorica  adHereunium  vgt.l*aul  Thnmas  in:  M^i'langeB  Graux. 
Paris  1HM4,  S.  41  ff.  und  B.   Haureau  im-Iournal  des  snvanta,  18S4,  S.äl6f. 

•)  Anf  die  Beziehungen  ru  Gilbert  haben  achon  Ritter  (Oeech.  d. 
Philos.,  VII,  S.  601}  und  Pranll  iGetich.  d.  Log.,  1885,  S.  260)  hingewiesen. 


Kinleidin^  9 

Bemerkuni^^en  zerstreut,  spiegelt  sie  den  Mangel  üuläerer  Em- 
heil  wiifrr  in  der  Vielgestaltijfkett  ihrer  inneren  Bestandteile. 
Mit  plalonischen,  arislotelischcn  und  noupytliagorei- 
schen  Elementen  werden  Gedanken/üge  (-Jiristliclier  Denker 
zu  einen)  seitsam  goniiscliten  Gemenge  verbunden. 

Den  angedeuteten  eklektischen  Charakter  und  die  erwäiin- 
len  mannigfachen  Sclialtieruiigen  der  Philosophie  unseres  Alanus 
beweist  dentlii))  die  Namhaftrnarhung  der  zahlreiehen  fdleren 
und  neuen-n  Quellen,  aus  dtneii  die  verselüedenen  iVnsciiauun- 
gen  gellossen  sind. 

Für  Plato  beyt  iler  Insulenser,  der  alljremeiiieii  Zeilstim- 
mung  folgend  '),  die  höclisle  Verehrung.  Kr  ist  ihm  der  Philo- 
soph und  Mt^liiphysiker  xaf  ^^oxtjyj  der  die  Geheiuniisse  der 
Dinge,  die  Tiefen  des  Himmels  und  das  Wesen  der  Gottheit  er- 
gründet 5).  Gleichwohl"  kennt  und  benutzt  er  von  ihm  nicht 
mehr  als  das  bekannte  Timaeusfragmenl  ■'')  in  der  Übersetzung 
des  (.:haleidius.  Wcmi  er  den  „P[iaedon*'  ')  gelegentlich  er- 
wObnt,  so  zeigt  schon  die  Art  des  Citates,  data  ihm  nichts  wei- 
ter als  der  Name  und  die  jdlgerneine  Tendetix  des  Buches  be- 
kannt war.  Das  Piatonisehe  in  seiner  Philnsophie  stamnil  aus 
viel   späteren  ptalonisierenden   Quellen ,    ans    Apu  lejus,    Boe- 


')  Joh.  Scotns  Eriugenii  (fiber  die  .Schreibweise  Eriiigi-na  ttiehc  S. 
13,  Antn.  0)  nennt  Plato  unter  Kenifung  auf  denTimaeus  „philosopbuntium  de 
mundo  mnximu»'  nnd  an  einer  anrlereti  St«ll45  „philnHOphnnim  siimnma"  (de 
divis.  nat.  I.  31:  III.  S6.  Migne  V^■^ ,  476  C.  728  A)  -  Adelord  von 
Batb  bezficbnet  tbn  alA  .prinoeps  pUilosopItonini'  (de  ecidem  H  diverso.  Cod. 
Paris.,  bibliuth.  nat.,  2389,  8.XII,  fol.  82vbJ.  &l.s  ^familwiri«  muun  Plato"  fol 
SS^a).  Er  fuhrt  ihn  ferner  ein  mit:  «Unde  pbiloHuphus  in  thimeo",  .ut  phi- 
losopliTis  promittit"  (fol.  86  rb).  In  seinen  .QuaeJttionefl  natumU'h"  sagt  t-r : 
auctor  hiiiuH  divinac  raitoniB  Plato  sinml  cum  auin  vvlt^hrvUir ,  umotur  (Cod. 
Pari».,  bibl.  nat..  r>415,  s.  XII,  fol.  SO^a;  Inkrinabcldnick  der  MUnclioner 
StaatBbibliotbek,  b.  I.  et  a.,  Cap.  28),  —  Genau  in  dt-rseiben  Weise,  wie  die 
eben  genannt«n  Autoren,  fiuüem  sich  Wilhelm  von  Conches  und  Aba«i* 
lard,  weli'h  letsterer  sein  Urteil  ausdrücklich  auf  daa  Zeasniß  der  Vftter  stlltjtt. 
.^iehe  Pranll,  Gesch.  d.  Log..  II,  S.  129,  Anni.  96;  S.  16H,  Anin.  259  ff. 

"^  Antirl.  4HI  B; sed  eo  divinixis  ipsa 

Somniat  urcaoa  renim  cocliquc  profunda 
Mento  Plato  aensumque  dei  perquirere  ientat. 
Vgl.   ebd.   505  C:    de   pl.   n.  40«  C,   479  D;    C.  H.  1,  5.  811  C:    ,ut  dicit 
pbUosopboa'. 

')  Siehe  S.  64,  99,  108,  187.Anin.3.  -  *)  C.  H.  I,  .SO,  333  A.  Vgl.  S.  99. 


10 


Alanns  de  Insalis. 


Ihius    und    den    mitldallerÜrhen    Plalonikeni    Bernhard    von 
Chartres  und  Wilhelm  von  Gonches. 

Der  HocJisrliäUun^'  Plalo's  gehl  panüle!  din  geringe  Mei- 
nung von  Aristoteles.  Der  einige  Dezennien  spüler  so  aus- 
sclilaggebend  gewordene  Philosoph  von  Stagira  mulj  sich  uüt 
der  wenig  sclmieichelhaften  Rolle  eines  Logikers  *)  begnügen, 
ober  dessen  Dunkelheit .  Rälselhanigkeil ,  Geheimnisthuerei  und 
Konfusion  -)  nicht  genug  geklagt  werden  kann.  Selbst  einem 
Porphyr,  der  die  Brücke  schlägt  über  den  Abgrund  des  Ari- 
stoteJes  und  als  ein  zweiter  Ödipus  dessen  Sphinxrätsel  löst, 
einem  Zeno  und  Boi-thius  muß  d*'r  BegröndifT  der  wissen- 
schafllichc'ii  I-ogik  iiiuhstehen  ■^).  Erwähnung  ünden  lediglieh 
„de  interpretatione"  oder  ,»nft«  /y;/»j»'fiVK**  *),  die  ^Kategorien'*  *) 
und  die  „Analytiea  posleriora"  •').  Völlig  unhaltbar  ist  die 
Behauptung  von  Tiedeniann  ')  und  Buhle  %  Alanus  hal)e  be- 

')  Anticl.  491  B:  Itlic  arnia  parat  logjcu  logicaequc  palaestmm 

Ptugit  Arit^tuU'les 

Siehe  de  pl.  n,  464  D. 

^)  Antid.  511  B:  Verboram  turbator  adest  et  turbine  multoe 
Turliat  Amtotwle»  nostor  guuiletijiip  latere. 
De  pl.  n.  4VJ  D:  llÜc  Aristoteles  sententiaä  aenigmaticnrum  t(K-iittntiiitn  jati- 
bulis  involTebat.  Ebd.  445  C:  .  .  .  .  ArifltutelicAeqiie  auct4>nUtiM  tuba  prt>- 
clamat,  qiind  üle  maieätAtcni  miniiit  secrct-onim,  qni  indignis  HerretA  divulgat 
Vgl.  Aoticl.  511  BC  Radulf  de  Longo  (.'ampo  nimmt  das  letzte  Citat 
aus  einem  dem  A ristoteles  zugoacliriebent^n  ^libor  de  ymagiiiibiit«'  (Cod. 
Haris.,  bibl.  nat.,  8083,  s,  XIV,  fol.  22vb). 

')  Atiticl.  511  HC.  Dae  Luh  Porphyr's,  dessen  Verdient«!«  schon 
Bot^thius  (PrantI,  Gesch.  d.  Log.,  L  S.  680,  Anm.  74)  preist,  bezieht  i^Jrh  auf 
die  [sugoge  zu  den  arisUttelittchen  Katt'gorien.  Tnter  Zeno.  dem  Athleten  der 
Lugik,  kann  nur  der  berühmte  Eleat«  verstanden  sein,  wohl  im  Anschloß  an 
Apulejuft  (de  dogmate  Platunis.  ed.  Goldbacher,  Wien  1876,  8.  65,  v.  16). 
Radulf  de  Longo  Oampo,  Alan'»  S<!hüler  und  der  Kommentator  suines 
Antirl.,  ernjlhnt  ein  zenoniüehes  Argument  gegen  die  Bewegung  (Cod.  Paris., 
bibl.  nnt..  HOm,  s.  XIV.  fol.  23 -"a). 

*)  Sententiae  243  C ;  Diät.  U\fQ  B ;  Reg.  38,  63U  I> :  de  int«rpret.,  1  ; 
Heg.  87,  639  C:  de  Interpret.  3;  Reg.  88,  667  A:  de  Interpret..  11.  Siehe 
unten  S.  21.  —  ')  Reg.  88,  666  D :  Catcg..  8. 

")  R«g.  64.  652  B:  .\nalyt.  post..  IL  19.  In  C.  H.  1.  31.  334  B  wird 
deoi  Ari^ioteletf  noch  zugeteilt  ein  .über  de  oligeudis  duobtis  propositts* 
Siehe  unten  S.  lOL  —  ')  Geist  d.  spekulat.  Philos..  LV.  8,821. 

")  Lehrbuch  d.  tiesch.  d.  Philoa.,  V,  S.  255.  Von  den  Nenoren  scheint 
iiiir  P.  Haffner,  Grundlinien  d.  Gesch.  d.  Philos.,  Mainz  1881,  S.  523  die» 
irrige  Meinung  noch  aufrecht  erhalten  za  wollen. 


Einleitung.  TST^^^^  1 1 

reils  direkt  aus  der  aristoleüsebeii  Metaphysik  und  aus 
Moses  Maiinonides  ^esc^höpfl.  Seine  Schriflen  bieten  hiefur 
nicht  den  geringsten  Anhaltspunkt.  Vielmelir  hatte,  wie  schon 
Jourdain  ')  jrosehcn,  die  von  Spanien  ausgehende  Bewegung, 
welche  seit  der  Mitte  des  1:2.  Jahrhunderts  die  christürhe  Spe- 
kulation allmählich  mit  der  aristoteüsch-arabisch-jüdiscbejn 
Philosophie  in  Bendirurtg  hrarhte,  niifilm  noeh  keinen  greifbaren 
KinfluU  zu  gewinnen  vennocht.  Diis  einzige  Zeugnis,  dalä  we- 
nigstens vereinxelte  Vorboten  jenes  gewaltigen  geistigen  Auf- 
schwunges bis  zu  ihm  gedrungen  waren ,  Uefem  einige  Stellen 
aus  dem  ,liber  de  causis"  '),  der  aber  im  übrigen  ohne  weitere 
Einwirkung  gplfliehen  ist  ^). 

Allein  trotz  dieser  merkwürdigen  Verkennung  des  Aristo- 
teles, welche  Alanus  mit  dorn  gesamten  fi-Qheren  Mittelalter 
teilt  *),  enthölt  seine  Philosophie  doch  eine  Heihe  ober  die  Logik 
hinausgreifender,  in  das  Gebiet  der  Metaphysik  fallender  aristo- 
telischer Elemente.  Boi^tliins  ilbeniahm  hier,  wie  auch  be- 
züglich platonischer  Anschauungen,  die  Vermittlung.  Zwar  fehlte 
es  nicht  an  andenveitigen  Schriflstfuken ,  welehe  wichtige 
Punkte  des  aristotelischen  Systems  unter  dem  ausdrücklichen 
Namen  seines  Urhebers  überlieferten.    Ambrosius  ^)  halte,  wenn 

■)  Recherche«  cntiqnes,  S.  286. 

-)  C.  H.  I,  80,  S32  C:  I,  31.  834  B.  Jüurd«in.  «.  a.  O, ,  S.  188, 
278;  0.  Biirdenhewer.  Die  pseudo-ariätcteliache  Schrift  Qber  daa  reine  Gate, 
Freiburg  i.  B.  18H*2,  S.  205  ff. 

")  Überweg's  Annahme  (Grundriß.  7.  AuH.,  II,  ISH6,  S.  221),  der  Jibt-r  de 
camnft*  hebe  „Huf  die  Darstell uugiiweise  dea  AlanuB  einen  weaent liehen  Ein- 
flnft  gettbt*.  enlbohrt  joder  Begründung;.  tTber  die  nirht  minder  unbowicuenen 
Behauptungen  vun  Haurtau  und  Berthaud  siehe  topfiter  S,  140,  Anm.  6. 

*)  Die  stereut^'p  gewordent'  Klage  über  Aristoteles  —  im  10.  Jahr* 
hundert  tadelt  ein  gewisser  G  u  n  z  o  seine  Dunkelheit  (P  r  a  n 1 1 ,  Gesch.  d. 
Log.,  11,  S.  50,  Anm.  196 1,  im  11.  »pricht  ein  unbekannter  Autor  von  dem 
.Aristotelicus  laberinthuB*  (ebd.  II.  S.  73,  Anm.  296),  im  12.  urteilt  insbe- 
sondere Johannes  Saresberiensia  Subersi  ungllnsttg  liber  die  beiden 
Analytiken  (ebd.  II.  S.  236.  Anm.  M2  ;  S.  243.  Anm  &«9)  —  Keht  zuriirk 
bis  auf  den  TiniaeuH-Komment-ar  des  l'halpidiiiä,  woselbst  der  Stagirite 
seiner  Scbwierigkeit  we^en  mit  lieraclit  zufiammenge«t«IIt  wird  (ed.  J. 
Wrobel,  Lipsiae  1S76,  S.  346),  und  auf  Bnäthiun,  der  bereit«  den  Aus- 
druck .turbator  verhorum'  gebraucht  (PrantI,  (xesch.  d  Log.,  [  ,  8.  682. 
Anm.  79). 

')  In  HexaSmerun  I.  1  (Migne  14.  123  B):  alii  quoque,  ut  AristoLelea 
com  suis  disputandum  putavit,  duo  phncipia  poDerent ,    materiam  et  spcciem 


i 


18  Alanus  (1«>  Insulii*. 

auch  niil  aphoristischer  Krir/4' ,  auf  Materie  und  Korm  als  die 
aristotelisclien  GrumJprinzipien  zur  ErklSrung  der  körperlichen 
Dinge  hingewiesen,  und  Chuicidiiis ')  ließ  über  den  gleichen 
(JoKenstand  ausfölirliche  Erörtenitipen  in  seinen  Kommentar  zum 
Tirnaeus  eintlieüen,  wie  er  au<'h  des  Aristoteles  Definition  von 
der  Seele  als  der  Gntelechie  des  Leibes  kommentierte  =).  Aber 
anflihllender  Weise  blieben  diese  wertvollen  aristoteiisctien  Ko- 
ininiscenzen.  soweit  wenigstens  (Iha  leid  ins  in  Frafi'e  kommt, 
von  Seile  der  millelalterliclien  Lelirer  völlig  unbeachtet  oder 
unverwertet  lioKcn«  L)ie  fast  ausschheliUehe  Quelle  für  den  Ari- 
slotelisnitis  vor  dem  Ki. -latirhunderl  bihlele  Boethiiis.  Er  ist 
der  philosophisclie  I^elirnieister  der  Irüheren  Jahrhunderte  i;enau 
hl  Heniselhen  MaUe,  wie  später  Aristoteles,  und  sein  tielgeliender 
Eintluti  auf  die  Entwicklung  der  mittelalterlichen  Philosophie 
nicht  blo&  in  logischen,  sondern  ebenKO  sehr  in  metaphysischen 
Fragen  laut  sich  nm*  mit  jenem  des  Stagiriten  in  Vergleich 
bringen. 

So  sehen  wir  auch  unseren  Magister  immer  und  immer 
wieder  auf  Boelhius  zurückgreifen.  Wahrend  die  KirchenvrUer 
in  den  Hinlergrund  treten  und  nur  einige  unwesentliche  Notizen 
aus  Hilarius-'K  C'laudianus  Mamerlus  0»  Hieronymus  ^), 
Augustin  "I  und  Gregor  *)  aufgenommen  werden,  wurzeln  diu 


#f.  tertium  rum  üh  ,  quorf  operatorium  dicitur,  ctu  suppotoret  competenter  ef- 
ticere,  quod  ailoriimHiim  piitaaaet.  Der  Salx  findrt  sich  wftrtlich  b<»i  Khii- 
lianus  MauruH  (Migne  107.  441t  AI  ;  bei  Kernig ius  von  Auxerre  (Migne 
131.  hfi  D),  welcher  bezUglirh  üph  dritten  Prinripa ,  der  Wirkursftche ,  hinxa- 
ftlgt:  tertlum  quiddam.  neacio  quid  volena  dicere,  operatoriam  appvUavit: 
femer  t>ei  FctruB  Lombardutt  (»cnt.  II,  1,  n.  2;  Migne  192,  653)  und  bei 
dessen  Schüler,  dem  Magister  Bandinns  iMigne  19*2.  101*2  Ak  Pctru« 
Conieistor  »chrvibt  (Migne  li>H,  10&&  C) :  AristoMca  doo.  mundnm  rt  opi- 
ficem ,  qiii  do  duobaa  prinüipiis,  scilicet  matoria  et  forma .  nperntna  est  sine 
principio  et  opemtur  «tne  Anc. 

')  ed.  Wrobel,  S.  312  ff.,  n.  283— '28*1.  S.  31«.  n.  2^6  wird  ein  lan- 
ges Citat  aus  der  ari«tot«liaohen  Physik  eingeflochten  (Phys.  I,  9}.  Siehe 
unten  S.  4i). 

*)  Ebd.  S.  257.  n.  222  If.     Siehe  unten  S.  102. 

=•)  Reg.  20,  630  D;  116.  681  D;  DUt.  922  C.     Vgl    spÄt-T  S.  24. 

•)  gieho  unten  Ö.  97,  und  Reg.  21.  631  B.  -  ')  Dist.  960  A. 

')  Reg.  I,  623  C:  4,  625  A  :  6,  626  C;  22,  631  C.  Vgl.  unten  8.30, 
Anm.  4:  S.  128.  Anm.  2;  S.  137.  Anm.  5. 

^)  Siehe  unten  S.  85;  8.  85,  Anm.  2;  S.  90.  Anm.  3. 


fiinleittlng. 


m 


wichtigsten  und  wertvollsten  Bestandteile  seiner  Ptiilosophie  in 
dem  Schriftenkoinplex  des  größten  der  laleinisctien  Fhilosopheit, 
wie  Abaelard')  den  tioOtliius  nennt,  in  dessen  Übersetzungen 
und  Kommentaren  sowolif.  als  in  seinen  eigenen  Werken,  Her 
„Consolatio",  der  „Aritlunetik**  und  vornehmlich  in  seinen  tlieo- 
lojjrischeii  Ablian4ilun[?fn  =^1.  IU*("-thius  entstammt  die  Mnlolo^e  ""7 
des  Alanus  und  seim?  vieliferülimle  Metliode*);  in  ihm  haben, -^ 
wie  ilie  platonischen  und  aristotelischen  Anschauungen,  so 
auch  die  seltsamen  pythagoroisirenden  Spekulationen  *)  des 
Scholastikers  ihren  Ausnanjispunkt. 

Als  die  letzte  der  SItern  von  Alatius  Ix'nutzten  Quellen  ist  ' 
der  sonderbare  hermetische  Schriftenkreis  zu  jiennen.  In 
der  Seclerüehre  '•'),  un<i  wo  es  sieb  darum  bändelt,  für  «üe  ratio- 
nelle Beweisbarkeit  der  TrinitAt  ''\  einen  philosophischen  Zeugen 
aufzubringen,  henift  sich  der  Magister  verschiedene  Male  auf  den 
Asclepius  di'S  Philosophen  Menurius  und  auf  ein  weiteres 
Buch  desselben  Verfassers  unttr  dem  Titel  „Logostileos  id 
est  verbum  perfecliim"  •). 

Sucht  Alanus  de  Insulis,  wie  aus  dem  bisherigen  erbeltt. 
die  tlamals  liekanute  aus  dem  Altertum  überlielertc  i»hil()sophi- 
sdie  Litteratur  seinen  Zwecken  entspreclieml  zu  verwimdcn ,  so 
bemüht  er  sieh  nlehl  minder,  hervorragende  («edanken  der  christ- 
lichen Philosophen  und  Theologen  /u  deji  seinigen  zu  ma- 
chen. Deutlich  lassen  sich  tUe  Spuren  und  Nachwirkimgen  ^ 
eines    Pseudo-Dionysius  "j^      Scotus     Eriugena^'),      Än- 


')  Introductiu  ad  theologiam  I,  *25  (Mignt>  178,  1034  A).  AlMtebird  wHr 
digl  hier  ä'w  liosAmtWdoutung  ilc»  BoJ<t]iiiiH  fUr  die  frUhmittoUlttirli^-he 
Wineuchaft. 

')  Gogeu  F.  Nitzach,  Syätem  des  Bti^thius ,  Berliu  1860,  liulteu  wir 
mit  Usener,  Anecdolpn  Iloldon,  Bonn  1877,  S.  48  ff,,  uod  U.  Krieg,  t)bor 
d.  thoolog.  Schriften  des  BotHhius ,  Jahresber.  d,  Görresgcsellschaft  f.  Xam, 
ä*  23  S.f  na  der  £cbtheit  deraelbeo  fest 

•)  Siebea28ff..  —  ')  SwlieS.  74  ff.,  112.  -  ')  Sie»ie.S.»9.  -  ")  Siehe 
S.  114.  —  ^)  (?ber  desijen  VerhflUnis  rnm  Asclepiaa  siehe  H.  115. 

"1  Siehe  S.  93,  Anm    o;  122.  Anm.  4;  135. 

'*>  Siehe  S.  »3,  Anm.  6;  13.\  Diät.  780  A  wird  die  eriugcniat  ische  Eintei- 
Inng  der  r-heophania  in  epiphftiiiii,  hypurphaniii  und  hypopbniiiii  t-rwühnt,  eine  Kin* 
t«Uiui^,dio  auch  des  AlanusZeitgenosaen  Garneriaa  run  Rochefort  Isermo 
IX,  in  die  Epiphaniae,  Migne  205,  631  B;  Taagogae  theoplmuianim  B^iiihullcnu 


u 


Alanufl  de  Inattlia. 


selm'),  Hugo  von  St.  Victor  ^)j  defi  Verfassers  des  Buches  de 
spiritu  et  anima  '*)  und  wahrscheinlich  auch  des  Über  Herme*i 
tis  ■')  nachweisen.  Nachhaltigeren  Einfluß  «owinnen  seine  un- 
mitteibaren  Vorgänger,  die  bereits  erwälinten  Platoniker  Bern- 
hard '")  ujul  ThieiT)'  von  CliarLres '')  und  Wilhelm  von 
Oonches  '),  der  berühmte  Kommentator  des  Bo^thius,  Gilbert 
von  Poitiers  •*),  Abaelard  '^),  Johann  von  Salisbury  ***)  und 
endlich  noch  der  Spanier  Dominicus  Gundiüsalinus  '*). 

So  laufen  denn  in  tiem  Insulenser  —  darüber  wird  die  reich- 
halti|<e  Liste  der  angeführten  Autoren  keinen  Zweifel  lassen  —  die 
weilverzweigten  Fäden  einer  langen  philosophischen  Entwick- 
lung, wie  in  cijieni  Punlct,  zusammen.  Während  horeits  von 
Spanien  aus  der  erste  Anstoli  erfolge,  um  das  am  Ausgang 
des  12.  Jahrhunderts  sichtlich  ermattete  philosophische  Denken 
neu  zu  beleben  und  zur  höchsten  Kraflentfaltung  zu  fuhren,i 
steht  unser  Scholastiker  noch  mit  alU'n  Fasern  auf  dem  Boden 
der  alten  Schule  als  der  letzte,  von  der  fremden  Strömimg  noch 
unberührte  Repnlsetitant  jener  altem  Richtung,  welche  auf  der 
ünindluge  des  aus  der  Väterzeit  ererbten  Malerial(»s  sich  im 
Scholät'  der  abcndUlndisrhen  Kirche  Hulwickt'lte. 

Aber  gerade  dieses  Unistandes  wegen  kommt  der  Plülosophje 
des  Alanus  ein  nicht  geringes  geschichtliches  Interesse  2u. 
Wird  in  ihr  auch  KKli^lich  das  Facit  gezogen  aus  der  geistigen 
Arbeit  der  verflossenen  Jahrhunderte,    so  gewälirt  sie  doch,   anl 


II,  1.  Cod.  Troyee  ii.  455,  fol.  21  ^J,  der  ansdrQcklicfa  den  «Johannes  cogno- 
iiu-nlu  äi'ütuä'  cLti(>rt,  und  wuh)  auch  Isaak  von  Stella  (Migne  194.  1888  B) 
Yun  Eriugvna  entnomnii«  haben.  —  Die  handschriftlich  am  besten  beglau- 
bigte SchreibwciM  ist  £riugeaa.  wie  neuesten!«  Baeumker  (Ein  Traktsl 
gogon  die  Amalrioianer ,  Jalirbnch  f.  Pbilt>a,  nnd  spekulative  Theologie, 
B.  7  (1B93.  8.  Uü,  Anm.  2;  Bd.  S  (18941,  S.  222)  nnf  Grund  der  ftltesten 
i^dicee  gezeigt  hat. 

')  Vgl.  S.  83  ff. 

^  Allerdings  be^cbrünkt  itich  dessen  Rinwirkung  lediglich  aaf  die  De> 
linitiun  des  Glauben».  Ben  niyHli»chen  Aoachauungen  Hugoe  steht  Alanna 
gänzlich  fern.     Vgl.  oben  S.  8  und  apÄter  S.  84,  Anm.  1. 

')  Siehe  S.  92.  —  *)  Vgl.  S,  118  ff.  -  =)  Stehe  S.  51;  78,  Anm.  2- 
74:  76,  Anm.  2;  78;  81.  —  ")  Siehe  S.  112;  124.  —  0  Siehe  s! 
IM;  6«;  94.  -  "J  Siehe  S.  28  ff  ;  28  ff.;  57,  -  ")  Siebe  8- 36  ff.;  64;  107; 
114  ff.  —  "*)  Siehe  S.  bb,  Anm.  5:  64;  6«;  82.  —  ")  Siehe  S.  H4;  IWr« 
m,  Anm.  2 ;  141,  Anm.  8. 


fiinleitung  16 

der  Grenze  zweier  i^pochen  slehend,  einerseits  einen  Einblick  in 
den  IJmt'andf  und  den  Wert  der  bereits  vorbandenen»  auf  fhrist- 
lichent  Boden  erwaclisenen  tJedankeiimasson,  .inderorscits  lälit 
sie  die  Art  und  das  Mau  dt's  Fortschrllls  erkennen,  wcIcIut  mil 
dem  Bekanntwerdender  aristotelischen  Ptiysik  und  Mcliipliysik 
und  ihrer  Kommentatoren  für  die  Philosoplut;  des  christliclien 
Oecidents  verknüpft  war. 

Treten  wir  unter  solchen  GesicIiLspunkten  an  die  Darstel- 
lung der  philosupbischi'ii  Uoklrin  des  Matristers  von  Lille  heran, 
80  kann  es  l)e/'ÜK)ich  der  hierbei  einzuschlagenden  Methode  nicht 
genügen,  nach  dem  Muster  der  bisherigen  BearbeiUuipen  nur 
Auszüge  oder  einen  Abriü  einzelner  Werke  zu  ^'eben').  Es  muß 
viehnebr  unsere  Aufgabe  sein ,  die  Lehrmeinuh^en  des  Philoso- 
phen aus  der  Masse  anderweiLit?en  Material*^,  aus  den  poeliscben 
Zutbaten  und  den  streng  tlieolc^ischon  Malerien,  herauszuson- 
dem ,  sie  auf  ihre  Quellen  zu  prüfen  und  jene  Punkte  aufzuzei- 
gen, an  welche  die  alsliald  niiu-bti^' aufstrebende  aristotelische 
Richtung  des  begonnenen  IM.  Jahrhunderts  sich  anlehnen  konnte, 
welclie  sie  modifizierte  und  weileriiaute. 

Was  endlich  die  Anordnung  des  Stoffes  angehl,  so  liegen 
hiefür  in  den  Werken  unseres  Lehrers  selbst  keinerlei  Atibalts- 
ponkte  vor.  Der  Scholastiker  hat,  wie  bereits  erwähnt  -),  je 
nach  Gelegenheit  oder  je  nachdem  es  das 
verlangte .  seine  philosophischen  Ansichten 
ohne  äuÜeren  systematisclien  Zusammenhang  niedergelegt.  Hau- 
r^au's")  Verfahren,  der  nach  dem  Vorgange  von  V.  Cousin  •) 
jeden  Denker  des  früheren  Mitb'ialters  nur  unter  dem  Gesichts- 
winkel des  Universalienproblems  ansiebt ,  halten  wir  für  unzu- 
rcichenti.  Die  Frage  über  die  Universalien  beschäftigte 
diiigs  die  Frübscliolastikcr  auf  das  lebbaftt^te,  allein 
doch  nicht  die  cmzige,  in  welcher  ihr  ganzes  Wissen  und  Sti- 
chen restlos  aufgegangen  wäre  '■).     Sie  bildete  nur  ein  Besland- 


i  bereits  erwähnt  -) ,   je  - 

s  theologische  Interesse    I 
en  bald  da ,    bald  dort  J 


IT  mr  unzu- 
fligte    aller-  T 
ein   sie  war  J 


')  Siebe  ob«n  S.  3  ff.  —  *)  Siehe  oben  S.  8  & 

")  In  Beint>rHtHU>ire  de  la  pbilosopliic  scolastiquo,  Paris  1872,  U'^pftriie. 
'I  In    der   heduutuugu vollen  Einleitung  zu  den  Ouvragu»  in^ditä  d'Abu- 
lard,  Paris  1HS6.  S.  LVl  IT. 

")  Mit  Recht  wird  dietteH  gegen  Cousin'a  und  Uaaräau's  Auffassung 


t« 


AlatuiH  dti  Inaulis. 


stück,  vvtMin  auch  ein  sehr  wichtiges«  einer. viel  umfassendereu 
Spekulation.  Bei  Alanus  selbst,  wie  wir  bald  sehen  werden, 
spielt  das  Problem  nur  eine  sehr  untergeordnete  Rolle. 

Um  daluT  t^iri  vollstäriiliir  ^ptiviifs  Bild  von  der  Gesamt- 
summe der  Ansichten  unseres  Philosophen  y.n  ^ehen  und  insbe- 
sondere dem  oben  berührten  \)  pliilosophiet^eschiclitlichen  Inter- 
esse gerecht  zu  werden ,  wfthJen  wir  ein  ungleich  umfassenderes 
Schema,  das  iJie  einzehien,  für  die  Enlwickhinif  der  Folgezt.il 
wiciilitjcn  Lehrpunkte  mit  wünschenswerter  DeutHchkeit  heraus- 
treten lüüt.  Wir  gtHienken  in  einem  ersten  Abschnitt  von  der 
Erkenntnislehre  dos  Alanus  zu  reden,  in  einem  zweiten  die 
ontologischen  Begriffe  nnd  Gesetze  zu  behandeln,  und  daran 
in  drei  weiteren  Abschnitten  diu  Darlegung  seiner  kosmologi- 
schen  und  psycliologischen  Arischauungen,  sowie  seine  Lehre 
von  der  obersten  ITi-sache  aller  Dinge,  der  Gottheit  anzureihen. 


I.  Abschnitt 
Logik  lind  Erkenntnisloiire* 


1.  Logik. 

Ol)gl('ic!i  wir  uiisern  Magister  als  einen  in  der  Praxis 
höchst  gewandten  Dialektiker  rülnnen  mußten,  so  bleibt  er  doch 
nicht  bloß  einzelnen  logischt-n  Streitfragen  fem;  auch  die  Theorie 
der  Logik  trfährt  nur  insoweit  Berücksichtigung ,  als  sie  gleieli 
den  Obrit'eu  artes  im  ,,Anliclaudian"  ■)  personifiziert  auftritt  und 


w-lion  von  M.  F.  Picftv*>t  geltend  gemacht  Vgl.  dessen  Atif^jitz  De  l'ürigiDc 
da  la  pliiloAOphu«  aoolostiquo  en  Frnncc  et  en  AUemftgnp  in  Bil.  I.  der 
liiblioÜi^uo  de  L'  Ecole  des  Ilautoe  ßtade»,  Section  dea  Sriencea  religieuaes, 
Pari»  1889.  p.  253—279  (bos.  S.  254  ff.i. 

»)  Siehe  S.  U  ff. 

']  Anticl.  509  ff.  Vgl.  rrBiitl.  Ge»ch.  d.  Log..  11.  S.  260  ff.  Die 
Person  ifiziertiiig  der  Scptitin  artcs,  wetche  fiiinlicli,  wie  Alanns,  ftchon  vor  ihm 
Adelard  von  Hatli  in  seiner  von  .Tourdnin  iRechercht-s  critiqiie»,  S.  2fi0  ff.) 
nach  Cod.  P&rw.  28^9  (siehe  ohen  8  9,  Anm.  l^  Atuzugswei)»)  vor5ffentlich- 
tcn  Kchrift  de  eodem  et  diverso  durchgeführt  hAt»  gebt;  «nf  Msrtianas 
Capella  do  noptüa  Philologiae  et  Merctirü  zurflck. 


t,  Abschnitt-     Logik  und  Erkonnbiislehrp.  17 

als  eine  Jungfrau  von  bleichem ,  durch  lanjr«  Nachtwaclien  ab- 
gemüdelen  Antlitz  gesdiilthrt  wird,  woran  sich  eine  kurze  Skizze* 
der  Hnuptpiinkle  des  danialiiren  logischen  Unterrichts  ')  nebst 
eine-r  Art  lirstorischen  Ülierbhcks  -)  über  die  als  liervorragend 
jfeltenden  Logiker  anscblieiät.  Unter  den  GeifenslAnden  des  lo^i- 
scheri  Schulbetrieb.«;  erwähnt  der  Scliolasliker  die  Lehre  von  den 
Topen  riDil  Maximen,  vom  «ylloji:islisr*h«?n  Sclduli  ntid  seinen 
Teilen,  vom  abjrekürzten  SyI|oj<isniuri .  von  den  ScIiluLileldern. 
von  der  Inritiktioii,  von  dem  exemplum.  der  Detinition,  Parti- 
Uon ,  Deseription  und  Division.  Keine  'der  anderen  artes  kann 
die  Loj-'ik  entbehren,  Sie  isl  der  Sohlnssel  und  die  Pforte  zu 
den  Geheimnissen  der  Weisheit  •')  nnd  sie  hat  die  Aufgabe, 
die  Walirheit  ans  Licht  zii  ziehen  und  gegen  sophistische  An- 
(rritfe  zu  verteidigen  *). 

Nehmen  wir  zu  diesen  went^  interessanten  und  philoso- 
phjsclj  bedeutungslosen  Aufzählungen  notli  die  bereits  früher  ') 
erwähnten  schiefen  Ansichten  unseres  Magisters  flt)er  die  ge- 
schichlliche  Kntwickhmg  der  logisctien  Discipltn  hinzu,  so  ist 
aMes  ersfhOpn.,  was  sich  fiber  ihm  thenretisiht  ii  l^ogiker  sagen 
läÜt.  Die  Logik  war  ihm  wohl  da;;  Mittel  dialektischer  Si-hu- 
iung  lind  (lewandtheit;  aber  ihr  rein  formaler  Inlialt  als  solcher 
)tiit  sriricn  teilweisen  Subtilitäten  und  Spilzliiidigkeiten  koimte 
he^'reillit  her  Weise  in  vonvi<yen<l  Zwecken  (h-r  Theologie  die- 
nenden Traktaten  keinen  breiteren  Kaum  linden. 

2.  Erkenntnislehre- 

Aus  dieser  Stellung  Alan's  als  theotogischer  Lolu*er  und 
Schriftsteller  crklSrt  sich  auch  eine  gewisse  ZnrfickhaUmig  auf 
den)  (Ji'biele  der  Krkenntnislehre,  Nur  jenen  erkiHiritiiislheoreti- 
schen  Fragen  wendet  er  größere  Aufmerksamkeit  zu ,  weldie  in 


')  Anticl.  "»09  D— 510  B.  -  ')  Khd    .MI  BC.  —  ')  Anticl.  510  B. 

*)  Antici.  509  C,  hh4  D.  Die  Behauptung  PmnM'»,  a  a.  O.,  S.  2t>0, 
Ataons  bnho  die  Logik  .nur  als  ein  Miiti>l  der  Arganic*utatit>n  liehafs  der 
Rekkmpfuiig  d«r  Kt'tzi'r  nnerkannt"  ,  i^t  um  ho  iinvorHUndHchiir  ,  als  Praiitl 
einige  Zeil«*n  npftttr  die  Be<l6utung  der  Logik  ,nls  We*'kKt>uJi  odt>r  SchlOABct 
der  Weisheit,  aowie  als  Waffe  für  alle  Qbrigen  Künste"  crwfthnt. 

-)  Siehe  oben  S.  10. 
Dffitragc  II.  4.    BAaiDKArtaar,  Alnnn»  da  Tnintia.  )2 


18  Alanad  de  (nnilis. 

ihren  Kons(H|uenzpn    in  tlirektom  Zusammenhang  mit  der  Theo- 
logie standen,  nAintieh  der  UniversaUen-  ontl  MoUiodenlehre. 

«,  SlnnfsrrkeniitnU. 

UeziVüeli  tlcs  sinnlichen  Hrkennen^  vermögen  wir  aus 
«Inillictirn  alanisclien  Schriften  nur  wenige  Bemerkungen  heraus- 
zulüseii.  Die  Sinne,  die  Wachposten  drs  kürperücht-n  Oemein- 
west'iis,  hah«'ii  den  Köi-per  vor  Au&eren  EinilOsi^eii  sicher-  zu  slei- 
K»u  ').  Wiw  waliniehmende  ThäliKkeit .  auf  den  Umkreis  der 
k^rpri-liilKii  (n>ic-kle  heschränkl ^J,  ist  zwisciien  den  Grenium  des 
litölilfh  ntiil  Kleinsten  nnil  wenif^er  Krineu  einpeschlossen  '). 
Hatten  Adi-lanl  von  Balli  und  Willielm  von  Conches  in 
dem  Vorgang  der  Siiint^wahrnehnmng  ein  Prohlem  erblirkl, 
dessen  S<hwierigkeiten  sie  sieh  nicht  verhehlten  *),  und  das  sie 
in  eingehenfh'n  Erf>rttTn(igeri  im  Ansrhlnli  an  den  platonischen 
Tiniaeus  und  l)ezügiich  der  Scliallprniitindungen  an  Boethius  ■•) 
zu  lösen  suchten,  so  findet  sieh  hierül)er  bei  Alanus  nichts  wei- 
ter als  die  kurze  Äuüennig,    di-r  Sehstrahl  trete  durch  die  Pu- 


^)  l^B  pl.  n.  442  D:  senHtig  quasi  corporese  civitAtis  esoubiaa  vigilare 
praecepi ,  ut  quasi  exterorum  hüstiiim  prnevisuri.^  corpUH  ab  exteriuri  impor- 
tunitate  defenderent 

*1  C.  R.  I,  28,  ä30  C :  In  spiritu  vero  bniti  non  Imbont  locuui  nisi 
duae  [>oU>ntine.  quae  circa  corporalia  versantitr.  Dies«  heiden  Potenz«n,  Däm- 
lieb  aeoans  und  imngiaatiü,  bat  dur  uiikOrp« Hiebe  MenBchengeist  mit  dem 
Tier  gemeinsam. 

'}  Ebd.  331  B:  Et  sicnt  aensna  deficit  circa  maxima  et  minima,  it« 
circa  minus  Bubtilia. 

*)  Adelard  eagt  in  seinen  quaestiones  nalurftles.  C4ip.  20  Oukiinaliel- 
druck  der  Mflucbener  Stastabibliotliek^:  De  »eoeibus  istis  enodandum  esse  iu- 
dico.  Nibil  enim  in  rorpurea  baminis  roni|>OKitii>ne  meo  iudicio  vel  iotellectii 
diflicilius  vel  mutua  anocutloDe  inexplicabiliua  est  meriia. 

')  Adelard  beapricbt  (a.  a.  0.,  cap.  28i  vier  verschiedeDe  Tbeorien 
der  6«Bicbt«wabniebmung :  Quantum  »pud  diverses  coUigero  potui ,  de 
visu  Mntentia  quadripartita  enL  Kr  sellist  folgt  der  Meinung  de»  platoni- 
schen Timaeus:  Conveniat  igitur,  ut  illam ,  quam  pbilosüpbub  approbat, 
tractemuä  acntentiam  ....  Vgl.  Timacu»  4^  B  ff.  und  Chalcidius.  ed. 
Wrobel,  S  271.  n.  230  ff  BezOglich  der  GebOrerapfindaugen  dagegen  will 
er  von  einem  »o  grüüeo  FbiloBoptien,  wie  BoPthiaa  [de  musica  I,  14 1,  nicht 
abweichen  (quoeat.  nat ,  cap.  20  ff.).  —  über  Wilhelm  von  Couchea  aiehe 
Werner,  Die  Ku»mulugie  und  Niiturlebre  de»  Hchulast.  .Mittelali  ,  Sitxungsb. 
4.  k.  Akad.  d.  Wiaa..  pbUw.-hiat.  KlHsae.  Wien  18TS,  B.  75,  Ö.  Stil). 


I 


I.  AtischniU.     Logtk  und  Krk enn toi sl ehre.  19 

pillp  all  die  äu&eren  Ge|(:enstände  heran  ^).  Die  Thätijfkeil  der 
beiden  sinnlichen  Potenzen ,  der  Wahrm-hmun^  und  der  Imagi- 
nation, d^ftkt  er  sich,  den  naturwissenj^cJiafllichen  Anst?hauunfe'en 
der  Zeit  folgend,  durch  eine  Art  Fluiduni,  eino  foint-  körperliche 
Substanz  (spirilus  physirus,  naturalis,  animalis)  viTtniLti-lt  -),  olme 
indessen  auf  ein  genaueres  anatomisches  oder  physiolojrisi-hes 
Detail  einzugehen,  wie  dies  seit  Constantinus  Africanus  von 
Seite  rnandicr  ffinsinrher  hehrer  ^)  biTieltt  wurde.  In  den  „An- 
liilandian"  wuhI  wohl  (rine  lüiiKere  IJesprei'hunjf  der  luiir  Siruie 
eingefloehten,  allein  in  der  Form  einer  wissens<iiafllieh  wertlosen 
poetisehen  Allegorie,  indem  sie  mit  fünf  Pferden  von  verschie- 
dener Schnelligkeit ,  Wohlgestalt  und  Ilrrkunfl  verglichen  und 
an  den  Wagen  der  das  Wellgebüude  durchfahrenden  Prudentia 
angespannt  gedacht  werden  •). 

Erfährt  die  Lehre  von  der  Sinn^swahrnehnunig  eine  höchst 
stiefmütterliche  Behandlung,  so  werden  andere  Versuche  und  Erör- 
terungen, welche  wichtigere  Punkte  der  Crkenutnislehre  behandeln, 
vollständig  ignoriert.  So  die  eines  Adelard  von  Balh  über  die 
Vernunft  als  die  einzige  Quelle  der  Gewißheit^),  eines  Wilhelm 
von  Oonches  über  das  Ineinandergreifen  der  erkennenden  Kräfte 
im  Erkennlnisorganismus •'),  eines  Johann  von  Salisbury  über 


'}  Dwt  880  D,  916  B. 

*)  C.  H.  I,  2S.  329  D :  Eet  nomqut  in  hoinioe  duplex  Spiritus,  spiritua 
rationalis  et  incorporeus  ...  et  alius,  qui  dJL-itar  physicu»  sive  natiirulis  .  .  ., 
qiin  mediant«  fit  scnsas  et  imaginatio.     Vgl.  Dist.  952  D. 

')  Vor  allein  von  Wilhelm  von  C u n c h e s  and  Wilhelm  von 
Thierry.  Siehe  Werner,  Der  Entwicklunpaganp  der  mittt^lalt.  Psycho- 
logie, Wien  1876.  a  14  ff.  und  die  S.  18,  Anm.  ö  citiert*  Schrift  de» 
gleichen  Verfassers. 

*)  AnticI.  521  C. 

*)  Cod.  Paris.  2389,  fol.  8&vft;  Jourdain.  Rech,  erit  .  S.  268  ff.; 
StOckl.  (Joach.  d.  Philos.  d.  MiU«lalt .  I,  S.  2t>9.  Sehr  treffend  hat  Ade- 
lard auch  den  l'nterwhieil  zwischen  der  platüniachen  und  aristotelischen 
Methoile  gezeichnet  (Cod.  Paris.  2389 ,  fol.  SS^a;  Jourdain.  a.  h.  0., 
S.  267). 

•)  In  dem  sicher  Wilhelm  von  Conches  angehOrigen  (Haartfan, 
Hist  de  ]ft  philo»  acol.  i,  S.  432,  438,  Anro.  I),  von  CouHin  Fragments  de 
phQosophie  du  moven-Age,  !*aria  1856 ,  S.  296  ff.)  aus  Cod  1('95  de  Saint- 
Gpnnain  (heute  biblioth.  nat.  140651  bruchsttlck weise  vernffenthrhten  und 
von    Migne  (172,  246  ff.)    unter   den    Werken   des   Honorius    von  Autan 

(9    • 


dö 


Atnnus  Je  IdmiIib. 


dt'ti  AusKaiiK^'puükl  des  niiTischlH-hen  Erkemions  und  dt*s5pn 
Enlwickluii^rtslailU'ii  '^.  um!  d'iv  lioih  interessanten  Resultate, 
zu  tlenon  der  Vedasser  des  aus;  der  abaelard'scben  Schule 
statijiiienden  „Mlier  dr  intrlliM-libiis^'  =)  jfeluntjl.  Nur  bt-zÖK- 
lirli  dirr  BejjrifTslubhnii;  bat  Alauns  einiffe.  in  «ler  Folgezeit  ix- 
dfulsaiii  t'e\voi*i.ie]ii'  Bemerkungen  eingestreut. 


1i.  Ilf^iiirstiililnii!;. 

Die  Bildung  lit-r  Hegrill'p  wird  bestimmt  als  ein  innen», 
ifoisligfs  Krfassen ,  ein  Ergreifen  der  substanzlellen  und  accideo- 
tf'llrri  Korim'ii  lier  Dinge,  wobei  der  innere  Akt  in  einem  Na- 
men oder  Laut  seinen  äußen-n  Ausdruek  findet  ").  Die  Form 
erselieint  als  unerlütilictie  BetiiiiKung  des  bejtritllichen  Erken- 
nens*),  und  naib  Boelhius  seien  es  die  Proprietäten  odt-T  For- 
men gewesen,  naeh  denen  der  raensetdiebe  Geist  uranlänglirli 
di'M  Dinaren  ilire  Namen  gegi'ben  hulir  'j.     Wo  keine  Form,   da 

nArhg>pilrurktf>ii  KiHiuiieiitAr  zum  'J'imaeiid.  K^nier  in  Dra^miiticon  philoso. 
phine  (vgl.  Haurüitu,  a.  a.  O.,  S.  444,  Aiirii.  1;  Wt*riicr.  Kosmologie  a. 
B.  w-,  Wiener  Sttsmngsb.,  B.  75,  &  4ÜÜ). 

')  C.  äcUaarMchinidt,  Johaiinei«  SareHberiviisie,  Leipzig  1862.  8. 299ft. 

^  Sielu^  F'rantl,  Oesrh.  tl.  Log.,  II,  S.  2W  ff  :  Üherweg,  ftrundriÜ. 
IL  8  1?;*.  7.  Auf!  ;  V.  Ctioain,  rein  Aliaelardi  opom,  l'ariß  is.M).  i?.  733  ff. 
bui  Bt>Hpri>chuiig  itfr  lieiHtmigcii  der  einzelnen  ErkiMiiittiiskräfL«!  wird  die  Or 
gflnloBtgkeit  der  intcllektiven  Kraft  gegonftb«r  dou  Sinnen  betont  (Coasin, 
S.  7-34),  der  weitere  aristoteliHrb»  Gedanke  vertreten,  dali  unsere  begriffe 
ohne  die  Hhanlasinoii  uiiinogtic))  Heitin  (ebd.  S.  7H6) ,  die  vorschiedeiien  Arten 
der  bei;rifilü*ben  Erkenntnis  und  die  Theorie  der  Abstraktion  entwickelt 
(ebd.  S.  73H  ff). 

')  Sententiue  248  B :  V'erbum  dicitur  proprie  intvrior  meoiis  cooceptm 
exUrioru  voce  expressua.  Ueg.  3<(,  «3S  IJ:  cum  eniin  veri  numiniH  inteUectos 
Hur^t  ex  formae  perceptione,  qua  re«  intelligihir  esse  quid,  vel  qnalia  .  vei 
quanU  .  .  .     Vgl.  Üiet.  i)iHi  BC. 

*)  Siehe  die  vorige  Ani».  —  A.  f.  Prot.  098  B:  InleUeoius  eat  potentia 
animae  admlnicalo  furmao  rem  com preh endend.     Kbd.  L   16.  001  B:  .  .  .  cum  -, 
intellectna  naUirahs  oiai  adminiculo  formae  rem  non  coroprehendM. 

')  K«g.  17,  629  I>.  Die  nach  you  Wilhelmvon  Concfaes  (PranU. 
a.  a.  0.,  II,  S.  I9H,  Amn.  99)  angezogene  Stelle,  welche  Alanus  im  Angt^ 
hat^  steht  iußot^thiu»  KummenUr  zw  den  Kategorien  deg  Ariatntelea  (BoO- 
thii  Opera  ouinia,  ed  Ba.-iel  löiO,  .S.  112).  Vgl.  übrigens  rdcIi  Chalcidiu«^ 
ed.  Wrobel,  S.  262,  n.  '225:  Igitur  iu.\ta  hanv  fonnnm,  qua  fonnantur  c«r — 
pora,  uoniiiia  e«8e  imposita  robita  vemm  n«t  .  -  .  . :  femer  Uilbert*«  Koio--' 
mcntar   zu    Bo«thiua    de    trinitate  (Botithii  opp. ,    ed.  Basel.  S.  1141);    Jq- 


I.  AbitctiniU.    Lo^ik  unti  Erkenntnislohr«.  21 

auch  kfiiu-  Erkenntnis  im  stnMi^t-n  Sinix'.  Daher  kOnne  tiiidi 
demselben  Uewährsninnn  (JotL  nrul  die  Matt-ne  mittoUl  des  Be- 
griffes nicht  i'iKenllicli  erkannt  werden  'f. 

Fragt  man  nun  ^,'f*naner,  wie  jenes  jreislijfe  Erfassen  zu 
denken  sei,  wie  die  objektiven  Formen  der  Dintfe  in  die  Seele 
gelangen,  so  antwortet  Alanus,  an  eiin*  Stelle  aus  Aristoleles 
negi  fofti)vtüti;  sich  anleimend,  der  Kiisl  oder  die  Seele  leide  "i 
gewissermaßen,  wenn  sie  den  BejcrilV  eines  Dinges  besitze-}.  ■ 
Merkwürdiger  Weise  talit  aber  der  Scholastiker  denselben  gei- 
stigen Vorgang,  welchen  er  ehen  rnit  Aristoteles  als  ein  Leiden 
(passio)  bezeichnete,  ohne  jfjfendwi-lehe  VrnniltInnK  zu  vei>u- 
clien ,  mit  Augustin  als  i-ijie  TlifdiKlteit  der  Svele.  Der  (Jeist 
eraeuge  den  Begriff  ans  sicli,  wie  der  Vater  den  Sohn-*). 

Mag  man  auch  diesen  Ausführungen  ihrer  unbefriedigenden 
Kuj'ze  Wegen  kein  besonderes  tJewii-ht  beiiegi-ii,  das  zeigen  sie 
zum  mindesten,  ilaLi  eln'istliciier  St-its  aii(  Ans^';nig  des  lui.  Jalu'- 
hunderts  die  Tiialsache  der  Abstraktion  nichl  indir  tediglieh 
im  angustinisehen  Geiste,  wie  dies  in  dem  Biulie  de  spiritu  > 
el  anirna  ^)  geschieht,  sondern  bereits  durch  das  Hereinziehen  t 
eines  spezitisch  uristoleliei'hen  Uedankeiis.  des  berüiinitcn  Be-- 


hnnnes  SarcHberi(>nHiM  (Entlicliciis,  v.  8kI  ;  Mrgiit'  lUO,  978  C) :  Forma 
quidt'iii  reu  t-fit,  ex  qu«  res  vora  vocatur. 

')  B«g.  36,  688  HC:  Diät.  H71  X.     Sieho  anteii  S.  52.   120  ff. 

')  Scntentiae  "lA'-i  B:  l'nde  et  vorltum  dicitiir  a  verbure  mentitt  i.  c.  u 
nuoione,  quin  quodaiiuiKuIu  aiiirriH  patitiir,  cum  ab  ea  <le  re  intellectiis  habe- 
tur. (Da»  Folgende  tiacii  Cod.  Moii.  4r)Ht>,  ».  Xdl.  X^^\.  12.^v.)  Cnde  ariato- 
tolea  in  libro  pericrminiarum  ait :  pa,  qoe  aunt  in  voc«,  sunt  earura  |»aasiu- 
num ,  qiie  »ant  in  anima,  not«.  Siehe  Dist.  t)9ß  ti.  Vgl.  Aristut.  .iFfti 
hjtttjrn'n; ,     [,  Ajlf.  :    "Aon    urv    ovv   lä  fv   rif  ly-fin/}    xthv  iv   rf/  i/'i'^//  siaQtfiiüitav 

m'itfioin  ....  ßücthii  opp.,  od.  Baävl,  S.  21Ö:  Sunt  «rgo  ea,  qua«  annfc  in 
voce,  eaniDit  quae  sunt  in  anima.  iwusionum  notae. 

*)  SententJao  243  C :  Eleganter  ergo  filiua  dei  dicitur  verbum ,  quia 
nieutis  nmceptufl  de  inentc  jiroct^dit,  ita  pater  titium  gpiiuit :  aicuti  aino 
diminiitiüD<4  niciLs  gignit  int^^Hcctum  ,  ^w.  pater  smv  omni  diminutione 
8ui  gignit  liliuni.  Vgl.  Dint. SOli  L*.  .Sichre  AuguAlinui«,  do  (ifii.  ad  litt.,  XII, 
c.  Iti,  n.  33:  tarnen  eandem  emn  imaginem  non  i-orpiu  in  apiritu .  sod  ipse 
bpirittts  in  bt<  ipäo  facit  relentate  mirabili.     De  muaica,  VI.  c.  ö,  ii.  d  —  VZ. 

*)  Dp  spiritu  et  anima,  c.  24  (Migue  40,  79@).  Vgl.  unuere  Abband* 
[ung  .Die  Erkenn tnislehre  dea  Wilhelm  von  Auvergne"  in  den  «Beilj-ftgea 
xur  licBoh.  d.  Philoe.  d.  Mtltelolt/,  herauageg.  von  Bacumker  und  v,  Hort- 
ung. II,  I,  s.  :a  ff. 


^  AJbaos  de  iDsalis 

gfg^  ..^  UmIni«".  zu  erkläret!  versucht  wurde.  Freilich 
^411  lUiiM»^  ^  bHilfii  gegnerischen  Anschauungen  noch  völlig 
^^j^f^-t^l^l  mshen  *'iiuinitfr,  ohiu'  in;riidwir  Bedenken  zu 
jm^y^i  Ab«r  artran  tialtl  mutete  sich,  um  ihre  Getlung  behaup- 
ut  ^Mitk«  die  aUKUätiuische  Theorie ,  wie  wir  bei  Wil- 
'w^m  v4Mk  Attvvrgne  sehen  ^),  eine  zu  Gunsten  des  immer  ein- 
wvrtlendt'n  A  r i  h  to t  el  es  angebrachte  Modification 
lUBwt«,  bis  sie  eiidlit-li  unter  Albertus  Magnus  und 
THomA't  ^^*i  Aquin  durch  die  zur  Lehre  vom  intellecius 
;-i  und  ugens  ausgebildete  und  allgemein  anerkannte 
«/«»^WlUvhe  Ansicht  völlig  in  den  Hintergrund  ges<thoben  wurde. 

e.  UnlverKulkiilehre. 

*t>tktren  die  bisher  behandelten,  in  das  Gebiet  der  Erkciml- 
M^-^O'  rinst-htngt'ndeii  Lelirpuiiklt*  den  Charakler  (mikh'  fiuJäersl 
|rHKt»»'>daris4.'hen  Behandlung  zur  Sdiau,  so  steht  der  Magister 
\Am  Liile  auch  der  brennenden  Frage  seines  Jahrhunderts,  dem 
K«mpf  "">  ^^^  Universalien,  auläerordentlich  kühl  gegenüber. 
Kwar  iiuilile  er  wegen  der  niaiinigfaclien  Herührungspunkl«*  mit 
^  *rii(H)l«gie ,  speziell  mit  der  Triuitälslehre,  liier  t?twas  weiter 
mishulen,  wie  er  dies  vornehnilifh  in  dem  letzten  Absdmitl  seiner 
„Hegulae"  thatsächlich  iliut ').  Aber  trotzdem  hätten  seine  ErÖr- 
(«H'uiigen   auch  in    diesem  Purikl  kaum  abgerissener  und  kürzer 

■)  Vgl.    Baumgartner,   Die    Erkeiintnistehre   d«s    Wilhelm   von  Au- 

^^PVfM.  a.  «■  0.,  ä.  bh  ff. 

*)  In  der  Ausgabe  der  .Kegulae*  von  Mingarelli  beziehungsweis«  von 
MiitD*)  ^^^^  ■1"''  ^'^  ersten  10  Regeln  iIoa  nach  Mlgne'scber  ZAhlung  in  der 
Mitte  von  Hegel  115  beginnenden  letzten  Abschnittes  abgedruckt,  während 
dio  weitaus  gri>IJte  ZaIiI  der  Handäclirirteu  neb»t  der  oben  (S.  5,  Anm.  3)  er> 
wJÜinten.  in  der  Müticbener  ätaatabibliothek  betindtiehen  Inkunabel  noch  neun 
wettere ,  voniehmlif^b  für  die  Universalienlcbre  des  ScholaaÜkera  in  Betracht 
kommende  Kegeln  anfQgon.  Die  Echtheit  und  die  Zugehörigkeit  diese« 
Schlu&teilea  zu  den  .Regulae'  steht  außer  Zweifel.  C1.  Baeumker  bat  die 
bei  Migne  auagefatlenen  Propositiünen  mit  Ausschlnfi  der  darauffolgenden 
ErlÄuteningen  nach  dem  Litionfeldor  Cod.  n.  Ii4  veniffentlicht  (Handschrift- 
Itchea    zu    den  Werken  des  Alanu»,    Phüos.  Jahrbuch  d.  GörrBsgesellscbaft, 

^ß.  VI,  a  4'21  IT:  Separatabdnick  .  Fulda  1894.  S.  IT  ff.)  Durch  die  Lie- 
•wttrdigkeit  des  Herrn  Profesbora  Baeumker  war  ca  mir  möglich,  den 
[.ilienfolder  Codex  Kur  Verbeüaening  des  gesamt«D  TeJites  der  Regeln  zu 
benviifcn 


F.  Abschnitt,     [.»ogik  iiiitl  Erkrnnüiinlehro. 


23 


.«usfallcn  köniH'u.  \Vi*pchlicli  suchiTi  wii-  iiacli  eiiior  jfescliiclil- 
licheii  Orientierung  übtT  die  so  zuhlrt-ich  aufpetrelcnen  Partcian- 
sichten,  wie  sie  in  sehr  verrtJonslvolKT  Woiso  von  Johannes 
Saresberiensis  ')  geboten  wird,  vi'iyi -bhch  nach  einer  Polemik 
gegen  die  eine  oder  andere  Srhulrirhluns:.  Für  den  Thf*oloi<«ii 
Alanus  scheint  das  Problem  bereits  end^'illiK  entschieden,  iudemC. 
er  sich,  ohne  jetriichi-  BeKründun),'  dieses  sl'Iiil's  8r-lintles,  auf' 
den  ätaiidpunkl  der  Universalienlehre  des  (iilbertus  Porre- 
tanus stellt. 

Das  Eigentümliche  der  <fitbert 'sehen  Tlieorie  lii'i^l  iiudi 
dem  Urtrik-  des  Saresbericnsis -)  in  der  AursteHun^.  dalÄ  dio 
iVJjbilder  der  göltliehen  Idt'cn,  die  „tbrmae  uaLivat-",  den  gi-schat- 
tenen  l^injren  in  singulärer  Weise,  als  Eiiizelnexistenzen,  inhärie- 
n'ii,  währiTid  das  Allgemeine  in  der  Conlbi-mität  jener  indivi- 
ihuM  i'xistin-iidt'ii  Formen  zu  erblicken  sei.  Wir  ziehen  diis 
H*'fonit  .loliuuns  herbiM ,  weil  es  mit  seltener  Prägnanz  die  we- 
senllielien  Momente  der  Anschauung  Gilbert' s  heraushebt,  an- 
dererseits dieselben  Punkte  von  Alanus  als  eigene  wissensehall- 
liche  Überzeugung  vorgetragen  werden. 

Den  ausgespi'ochenen  R t-a  1  i s ni us  unseres  Seholaslikei's 
bekundet  schon  die  Passung  des  Urteils  als  Aus<lruck  der 
realen  Verbindung  einer  Proprielät  mit  einem  Subjekt  ').  Prä- 
dizierl  werden  heiül  in  realer  Weise  inhilriereri  *).  Aber  auch  abge- 
sehen von  dieser  unbedingten  Verwandlung  der  logischen  Ord- 
nung in  die  metaphysische  oder  reale,  werden,  wie  bei  Gilbert, 
die  Inhalte  der   Gatlungs-  und  Artbegriffe   als  „res"   bezeichnet 


')  Hetalogicus  II,  17:  Mtgoe  199,  87A  A  ff. 

*)  Kbd  ;  Migne  199,  87.^  D:  Porro  alius ,  tit  Amtotelem  exprimat, 
cum  Oilberto  episcopo  Pictaviensi  universalitatom  formis  natrvia  attribuit  et 
in  pHniiii  conformitat«  Uborat;  eaX  aut«m  form«  oativa  ori^inalis  exempliim 
tit  ()U«(>  non  in  mente  dei  consiätit ,  aed  rebtis  rreaUs  inhaeret ;  haec 
graeco  elo^uio  dicitur  fi%>i,  haben»  »e  ad  ideain  ut  exeinplum  ad  t'xcmplur, 
.senHihilJM  quidfin  in  re  sensibili,  aed  mente  concipitur  inaen»ibitis ,  äiagninris 
quoquc  in  aiu^nili».  sud  in  uinntbuti  universalis. 

^)  V  f.  I,  IH,  6Ü1  C:  Cum  enim  <:ircA  tliui»  teritiinott  liiiiotinuH  >erniu 
versftur,  sitbieetuui  8ciHu«t ,  per  ijuod  exphmitur,  do  t^uo  fit  tiormo ,  ot  prao- 
dicatum,  quod  subiecto  cupulat  pruprieUtem  vel  Formani. 

*)  Reg.  12,  B2ä  A:  Eadein  ratlone  nee  de  aimplici  aliquid  praedicatur, 
enm  pracdicari  nihil  aliud  sit  quam  inhaercro.     Vgl.  Reg.  hü,  642  D 


> 


^ 


1 


M 


Alanus  ilu  Imutis. 


uiki  ihiHii  ilie  Rolle  von  Realitäten  und  Ursachen  zugeschrieben. 
AUnus  tfpHclit  von  der  „lonifiludo**,  von  der  „albedo",  wie  von 
WliKiMi  ').  Selbst  dem  Be^iff  der  Einh«.'it  (iKiilasJ  i-nlsprichl 
<to»  RetthtAl  •),  Die  „Jmmanitas"  macht  den  Mi-nsehen  ') ,  wie 
tW*  ,,alhiMlo''  das  Weite,  Farbige  und  Sobeschaffene  bewirkt  '(. 
1%  (iHUuitgen  und  Arien,  von  Substanzen  sowohl  wie  von  Acci- 
(leiuien.  figiirieren  als  l'rsaflu*n,  als  „causae  snhslunlitiles"  be- 
welmuirswcise  „eausae  accidenlales"  ^),  und  als  sülrlu*  cnlhallen 
*ie  nach  dem  Zeugnisse  des  H il a ri u s  den  (\ rund  und  die 
Uewfthr  Klr  die  Wahrheit  der  prädikativen  Aussage,  die  ohne 
'»ie  inhatUlos  würe  *'). 


*)  R«g.  26,  A33  C:  Linea  e«i  longa,  et  hoc  nomen  .longa'  et  res  liuias 

noRMniit,  i.  c.  longitudu,  traosfertur  «b   oo,  cuiwa  est Ebd  :  Monachua 

9m  nIoDn.  (fanafortiir  hoc  nonieii  albus  «tl  boi?,  ut  conveniat  monaclio.  aed  ntm 
rv«  noiiiinis.  Cnm  enim  inunachita  dicitur  nibua,  non  dicitur.  <juod  ait  affeetaa 
tlbiHlmts  *mh1  quift  est  albi  habitus. 

')  Hvg    12^1,  684  R:     aicut  Socrate»  dicitur  homo  humafiitato,  ita  UQua 
nitilAtp,  quac  eomitatur  illam  liumanittttcm,  et  ita  dicitur  iimi»  lionin.    Alitnii» 
dvnkt  hier  genau  wie  Gilbert  (Boöthii  opp..*'d.  Basil,  .'^.  117S|:  iinilo!»  omniiitn 
ft  M  divinurum  in  quiUibet   facultatum    genere    praedicaiiKMitorum    comes    eat 
ÄÄ«  Prantl.  Gesch.  d.  Log,  11,  Ö.  222,  Aam.  477  ff. 

")  C.  H.  I,  5,  811  B:  Si  humanitas,  quae  eat  natura  aabstantialia 
hominis  M  cauaa  formaliB,  immutabitis  eät,  iuirnntabilis  et  t>fl!c4;tuii  eiu«,  i.  e. 
tacere  bomincTn  (wir  citieren  nach  Cod.  Bcmensis  n  335,  s  XII ;  Über  die 
Handachrift  vgl.  Baeurakor,  Philoa.  Jahrb.  d,  Gtirreajfes,  B.  VI,  S.  417), 
')  K«g.  1,  62.'^  B:  Undo  albedo  facit  album.  facit  cotüratum.  facit 
viunlem.  Vgl.  Cod.  Lilienfeld  n.  144,  Keg.  11  (di«  Handschrirt  l)eginnt>  wie 
bei  den  zwei  vorausgehenden  Abschnitten,  su  auch  beim  letzten,  als»  mit 
Kegel  116  nach  Migue,  eine  neue  /.Ahlungl,  fol.  llH'b:  allwdo  enim  facit 
albuni.  colurntum,  quale.  Siehe  tiilbert  (Uo^tbü  opp. ,  ed.  Ba^d.  S.  1142): 
Albedo  ...  et  qualem  ...  et  coloratum  ...  et  album  .  .  .  facit. 

")  Cod.  Ltlienf  n.  144.  Kog.  11,  fol.  llK'b:  In  ojituralibuii  uutcm  cauaae 
aubstantialen,  generale»  vcl  speciales,  compo^iiae  sunt  ex  pariibus  suarani 
dftinitionum,  ut  haec  specieahomo  .  .  .  .,  hoc  genua  anim&l  similiter.  Causae 
vero  accidentoles,  ut  albedo,  nigredo,  compomtne  sunt  ex  divcniia  efTeotibua. 

*0  Reg.  116,  681  D:  Umne  dictum  usque  adeo  a  cauaa  est,  ut  si  cauita 
mm  facrit,  iponm  quidem  vacuum  ait  .  .  .  ■  I't  enim  testatur  Hilariua:  In. 
irlligentia  dictonim  ex  rausia  cet  aaaumenda  dicendi.  (Hilariua  de  trinitate 
IVf  n.  14;  n,  n.  81:  omne  enim  dictum,  ut  dicatur.  ex  cauaa  eat  ...  .) 
....  Qood  enim  Petrus  dicitur  oaae  homo,  ab  humanitale  eat,  qood  albua,  ab 
ftlb^tne  ....  Vgl.  Ariatot.  Praedicam.,  c.  12  (Boßthti  opp..  ed.  Basel, 
S.  '^Ot*):  Etft  Auiem  quidf^m  vera  oratio  nequaquam  eamia,  at  Hit  rea,  venim* 
lAinen  videtur  quitdammodo  res  causa,  ut  sit  oratio  vera. 


7 


[.  Abftclioitt      Logik  und  Krkeiintnislehre.  25 

Verlolgen   wir   die   excessiv   realislisclie  Denkweise  unseres 
Alanus  weiter,  so  stimml  er  mit  Gilberl  überein,  wenn  er  auf 

dio  Autorität  vfiri  BoPlhius  ')  hin  die  oljjektiviortcn  Inlialto  iJor 
Gallungs-  und  Arlbegriffe ,  die  geschaflont'n  irdischen  Formen, 
von  deren  Urbildern,  den  ewijfen,  immaleriellen  Ideen  im  götlhchen 
Geiste,  untersrheMdei  und  sie  den  Dingen  immanent  sein  IflÜl  als 
ihre  substanzjalen  Formen,  Naturen,  Propripl;ltcn ,  als  ^ 
ihre  formalen  und  inneren  Ursaelien -|  —  Ausdrücke,  wie 
sie  neben  dem  häufigeren  „subsistentiae"  sämtlich  bei  (Ülberf*) 
vorkommen.  Am  deutlichsten  jedoch  springt  seine  Abhängigkeit 
von  dem  Bischof  von  PoiHers  in  <lie  Augen,  wo  er  von  der 
„singularU;is"  und  „ctmforniitas"  jener  Naturen  spricht ,  wo  es 
sich  also  darum  liandelt ,  das  Verhältnis  der  Naturen  oder  F^or- 
men  zu  den  empirischen  EinKotndingen  und  das  eigentliche  We- 
sen des  Universale  zu  bcstinnnen.  Diu  Correlale  der  Begriffe 
—  so  nimmt  Alanus  mit  «iilbiTl  an  —  existieren  nainlit-h  nicht 
als  allgemeine  Subslanzun  in»  Sinne  eines  Wilhelm  vonCham- 
peaux,   sondern   singuiär  und  individuell,  d.  h.  ebenso  oft  ver- 


')  Disi.  796  D:  .  .  ■  ande  Bodtliius:  non  uportet  nos  detitici  ad  iiuHgi- 
nariiut  forni&s,  ä*d  hiI  Tunnas  aet«rna«,  es  qiubus  aliae  »uiit.  Vgl.  Hui'thiuä 
de  triii.  2  (eil.  Feiper,  S.  I5*i,  I7j:  .  .  .  uettue  diduci  ad  ima^inationcs.  äod 
potius  ipBHUi  itispicoru  fnnnam,  i]Iibp  V(>ru  forma  nm*.  ima(i!o  i>«t  .  .  t^bd., 
S,  1>S4,  5U:  Ex  Ins  enim  fomiis.  quae  praeter  mafceham  äunt.  istav  formae 
veiierunt,  quae  suut  iu  matcria  .  .  .  Siehe  Juli.  .Saresh.  Mi'tal.  IV,  35 
(Migne  löti,  »^8  C|. 

')  C.  H.  I,  58,  360  C:  Tranbäubstontiatio  est  iUa  specie«  mutatiuntSr 
SMundura  quam  et  miitatur  mataria  et  subat&ntialiB  forma  £bd  1,5,311  B: 
humaniiaa,  qaae  eut  natura  auli^tantiuliri  liominis  et  caiu»a  formalis.  Dist. 
960  A:  Subatantta  transuinitur  ad  biibHUuitialem  proprii^latfin  sive  9ul}«t4Ui- 
tial«in  nattirain.  V^^l.  Diät.  98Ö  H.  Reg-  120,  6H2  I):  Intrinseca  causa  est. 
pur  quam  res,  cuius  eat,  est  vel  aliquid  eat.  ut  corpua  corporeitate  t-tit,  colore 
vero  est  aliquid.  (Wir  K^beii  den  Satx  narli  Cod.  Lilienf.  n.  144,  dpr  allerdings 
das  ,eat'  nach  „eiiiua  eat"  auslft&t )  Bextlglich  dos  titmiinti«  causa  ist  noch 
vorige  S,  Anm.  5  zu  vergleichen. 

-*)  Bofithii  opp  ,  ed.  Basel,  S.  1255:  Natura  enim  subsistentis  est,  qua 
ipflum  flubflistons  aliquid  est.  llae  vero  .sunt  Kiibstantiales  formae  .  .  .; 
S.  112H:  proprietates  8ubstaiitia]e&,  quibim  ipsi  sunt;  S.  1154:  et  est  quiHoni 
corporalitat«  corpus  .....  borum  (fL  li.  der  Accidenzien  der  Farbe  und  der 
BegreDEtfaeit)  corporaJita»  cauaa  est;  S,  1142:  Nam  et  ea,  quae  est  Iota 
forma  subetantiBe  bomiois,  non  modo  «x  eo,  quod  ip^a  tota  eutn,  in  quo  e«t, 
facit  homiD«in  .... 


26  Alanus  de  Insutis. 

viclfälUizl .,  als  die  Art  Individuen  zählt.  Es  giebt  ebenso  viele 
,^iuiiianilales*'  als  Eiiizelnmenschen  ').  Konsequenter  Weise  kann 
für  einen  dorailig'en  inrlivic^miislisphen  Healismus  das  Moment 
der  All|femeitilicit  mir  iti  der  Alinliflikeit,  IdcntitiU  odur  Confor- 
iiiität  ^)  jener  siiij^ulfiri'n,  rnilividnell  jfedaeliti^n  Naturen  oder  For- 
men gelegen  sein.  Ihn^  I'riivHival**  rtnluziert  sich  auf  eine  blofäe 
Relation,  eine  Ahnliclikeilsbeziehung")  zwischen  jenen  individuel- 
len Healitäten. 

So  bietoi  die  Slellungnalune  unseres  Magisters  in  dem  viel 
verhandelten  Streit  um  die  Universalien  keine  neuen  Gesichts- 
punkte. Was  (iilbert  in  seinem  Scharfsinn  ausgedacht,  das 
webt  Alanus  den  Orundzügen  nach  in  seine  theologischen  Re- 
gchi  ein,  nlchl  ohne  jenes  (ii*fülil  dei'  Sicherheil,  welches  sich 
im  iinheÄtritlenen  Besitz  der  Wahrheit  glaubt.  Höchst  bemer- 
kniswerl  aber  lileibt  es,  dals  jene^  Jahrhimdert,  in  welchem  der 
Kampf  zwischen  Nominalisnms  und  Idealismus  so  heftig  geffdirt 
wunie,  mit  einem  Healisnius  endigte,  welciier  die  Correlaie  der 
Begriffe  nicht  über  die  Dinge ,  sondern  in  sie  sellisl  hinein  ver- 
legte. Der  Sieg  des  realistischen  Denkens  im  l^.  .lahrhundert  über 
Plato,  wie  über  tien  Nominidisnms,  an  welchem  der  jlurch  Boe- 
Ihius  überliefert^' Aristoteles  rim-ii  nichl  gi-ringcn  Anteil  hatte. 


'I  Heg.  28,  635  B:  Non  enim  vertMÜceretur :  PetniB  PSt  aliiia  boino  quam 
Paulus,  nitti  alia  humanitate  vaaei  honiu  (|uam  Puulua.  Vgl.  Cud  LtUenf  n  1-M. 
lieg.  \b,  fol  llHva:  llt  ttocr^t««  ot  pluto  tücuntur  natiiraliter  conforme« 
8Dis  singntaribna  hiinianitatibus  eu8  similitor  eunrormantihim.  Klid..  Re^  16: 
....  Hucratt?8  t>l  ])!ato  iliveret  ijicuntur  aiiigularitatt*  duaruiii  huntanit«tnTii. 
Sioli4f  Ujibcrt  (.Bi»^thn  xipii  ,  ed.  ßai^d,  8.  1241) :  Uiiuh  eniin  hoiuo  una  singtilari 
bnmanitate iit  plnrihus  human it.atii>UH  pliires  homincs  et  sulmtantiae. 

")  Cod.  Lilicnf.  u  U4,  Reg.  13,  f»1.118rbff.:  Ui  sncrote«  et  pUt»  id«in 
sunt  natura,  non  ydemptitate  singuUritaH» ,  setl  ydemptitate  conformitAiic 
Kbd.,  Kog.  14,  fnl.  llH^a:  IdemptifaH  naturae  vel  gfneris  in  conformiUte 
cunaistit.  Eb<l.,  Reg.  15:  Cünformitaa  ej«t  dingularium  naturanim  plena 
»imilitudu. 

')  Kbd.,  Reg.  14 :  hoc  enim  iioinen  confuniiitA»  pluralitat-em  insinuat. 
Unde  non  atteiidttur  in  natnro  Hingularitat<' ,  sod  in  naturanim  similitudine. 
Vgl.  Gi)hprt(Bi>@tliii  opp.,  ed.  BaAel,  S.  1136):  Dicuntur  etiam  multa  subaist^ntia 
uQuni  et  idem  uon  naturae  onius  singulnritate .  Bed  multanini ,  qua{>  rstione 
»irailitadiniä  fit,  uniono  ....  Hk,  quao  divcrsarum  naturanim  adunat  roiv- 
formitos ,  gcnere  vel  epecie  nnum  dicuntur.  Siehe  Praotl,  &.  •.  0.,  11.  S. 
222,  Anm.  474. 


T.  Abschnitt.    Tiogjk  iin«!  Krk«>nntni8]ohr6.  27 

mnläte  hei  rier  MöKÜchkcit  eines  einK*'lifndcren  Studiums  des 
Stagiriten  nultii-gtMiiätä  ein  volloTi(li't<-r  uihI  allgemeiner  werden; 
denn  die  übprliefi/rte  realistische  Tenden;^  der  chrisllirlion  Lehrer 
fand  in  dem  durdi  die  Araber  bektiiiiil  fe'ewordcjien  ^ixiiZL'U 
Aristoteles  nur  eine  glAn/.ende  B<^trdi)^ng. 

d.  Mt-thodeiilehre. 

Wenn  auch  iiichl  völlig  original .  so  doeh  weit  seibsLäiidi- 
diger  als  in  der  Universalienfrage  tritt  Alanus  auf  in  dem  in- 
liTessan testen  Punkte  seiner  erkeuntnistheorelischeri  Erörtcnui- 
gen,  in  der  Methodenlehrr.  (Irrade  um  seinrr  nialhema- 
lisch-dedukliven  Methode  willen  ward  er  von  den  Ge- 
schichtschreibern (Jer  FhiJüsopliie  von  jeher  gerühmt  und  mit 
einer  gewissen  BereohliffuriK  den  Vertretern  des  modernen  er- 
kenntnisll]('on4is('liHti  rtiitioniilisriuis .  ciiiHni  Clarlesius,  Spi- 
noza, Wolfi',  an  die  Seitif  [/rslelll.  In  iler  Tliat  nehmen  auch 
seine  beiden  systematischen  Schriften,  die  „Regulae"  und  die 
„Ars  fidei",  in  der  Lilleralur  des  zwölften  JahrhuntJerLs ,  was 
iJire  inoHiodische  Anla^'i'  tniil  l>iirchi'ri})ning  hMrillt ,  eine  Art 
Ausniihniosteliurij*'  ein.  Ihirch  das  hemlnle  methodische  Mo- 
ment sich  deutlich  von  den  gewöhnlichen  Summen  und  Sentea- 
zenbüchern  unterscheidend'),  bilden  sie  die  merkwürdigsten 
Denkmale  jenes  cigmiirtigen  mitlclallerlichen  Hationidistniis, 
welcher  bei  Scotus  Eriugena  mit  ungemessener  Kühidieit  und 
Schärfe  begimiend ,  bei  Anselm  in  seinen  Ansprüchen  weit  ge- 
mätäigler  und  bescheidener  auftretend,  bei  AbAlard  aber  wie- 
der anspruchsvoller  werdend ,  im  Vertrauen  auf  die  Veninnft 
leiliglich  aus  Hogriffen  und  allgt-nieinrn  Sätzen  durch  das  Mittel 
des  Syllogismus  alles,  Gott  und  die  Welt,  die  natürlichen,  wie 
die  Glaubenswahrheiten,  zu  deduzieren  versuchte. 


')  H.  Ritter  (Geeoh.  d.  Philoä.,  VII,  S.  594  ff.)  stellt  sie  mit  de  trini- 
tat«  des  Richard  von  St  Victor  und  mit  ilen  Sentenzen  des  Lombarden 
io  Vergleich.  Deraelbi'  trifft  jedoch  nur  ineofuni  zu,  hIh  Richard  dir  Tri- 
nititalehre  auf  non  itiodo  prubabileti,  verum  etiatn  nt'nesMiria»  rationes  (de 
trin.  ],  4;  Mtgne  lÖC,  H92  C)  basieren  vÜl,  und  der  Lombarde,  wie  Ql>er- 
haupt  die  Sententiarier ,  den  Glaubensinhalt  an  der  Hand  einzelner  Tbesen 
entwickelt.  Ks  fehlt  dagegen  den  Schriften  der  beiden  Lehrer  jene  cfaarak- 
tezistiacbe  forroelte  Gestaltung,  weiche  Alanus  seinen  Arbeit«n  zu  geben 
«eifi. 


28  AUnu»  dp  Inmilie. 

Hrillc  nun  rtiR-li  ht-i  »Ion  vWn  gHiannUn  L)eiikt.'m  die 
apriorisllschc  ErkennlnisrichlnriK  sf:hoii  Ifuipsl  eine  ki-aflvollf 
Vrrtretmijj  jrcfuiuli'ti,  sn  schöpft  dovh  Alauns  zuiiuisl  ;ius  ganz 
anderen  (^)iifll*'ii .  wenn  er  seine  Anflicht  über  die  Melliode  der 
Wissensehaflen  entwickelt  und  pniklisch  betfu'dipt ,  iiäniüch  aus 
BoOlhius  und  dessen  Kommentator  <iilberl   de  Ui  Porree, 

Boetliin^  he/.eiclmel  die  rn:i1lieinatisfhe  Mclhnde  als  die 
wisspnsclijifllidie  Methode  ')  rit)erhanpt  und  er  verlangt  zum 
Zwecke  der  Arpumenlatton  unbeweisbare  durch  sich  selbst  eitt- 
leuchlende  SSlze  oder  Maximen  *).  Von  diesem  Gedanken  aus- 
Kcfu'iid  will  der  Verfasser  der  „Regulae",  }?U>ich  Gilbert,  die 
niatliemalische  Deduktion  iUif  rlas  gesamte  Wissenschaftsgebiet 
uusgedi'hnt  wissen.  Zwar  siiielen  aucti  die  Autoritäten  hei  ihm 
eine  Rolle  und  er  vei-wertel  sie  in  .^tlonlra  f lid-rtdicos"  aas- 
piebip  K^nu^,  allein  als  Ideal  der  wissenschalllielien  Keinonstra- 
lion  schwebt  ihm  die  ralionelle  Be^rnndun^r  auC  sylloiristischeni 
We^re  ■'),  aus  höchsten  und  alltrenicin  anerkannten  SAtzen  vor. 

SAmllieiie  Wißsensr haften  stfilyeii  si<h  auf  solche  oberste 
Regeln,  welche,  selbst  keines  Bt^veises  bedürfli;r,  das  Fundament 
und  den  Auspanpspunkt  für  die  Denionstration  innerhalb  jeder 
einzelnen  Üisciplin   abhoben  ').     So   hat  —  um   von    den    melu: 


')  De  hebdomadibus .  PioJ.  feJ.  l*eiper,  S.  168}:  t^t  igiUir  in  mathe- 
maiica  fieri  »ulet  ceterisque  otiam  ilisoiphniä,  praeposui  Unninv«  rc^ilasqa«, 
quibus  cuDcta  quae  vecuntur  ofiiciain. 

"I  De  differcntiis  Topicis{BoPÜiii  npp..  cd  Basel,  S.  859} :  Propasitionuili 
quoqotf  nliae  sunt  per  so  ni>tae  et  quaniin  probatio  nequeat  invcniri,  »htiv,  qni» 
tAmot^ii  antmnH  audientis  probat  eiäqui-  coitKentiiit  ,  t4ini<'ii  possunt  aliiü  hu- 
periorihufl  Hpprobari.  Et  illat?  quldt-iii,  quarnni  null»  probatio  est,  m&xiina« 
et  prinrijtaleH  vacatittir ,  quod  jiis  Ülas  necesäe  eat  approbari.  quae  ut  dcinoti- 
»trari  valeatit  non  recuBaut  ....  Quae  propoäjtionet»  cum  tidem  aui  imtara 
propriam  gerant ,  noii  solum  alieno  ad  ßdem  non  egent  argumento ,  veruju 
caeteri»  quoque  probaliouia  aolent  esse  prinriptuni.  Igitiir  per  ae  nntae  pnn 
positioni'S.  qnibus  nihil  est  notius ,  indcmonstrahileu  ac  inaximae  et  principA- 
lee  vovantur.     Vgl.  ü    2Q,  Anm.  3. 

'0  C.  II.  I,  30,  333  A:  Sed  quia  auctoriias  cereiim  habet  oasuni.  i.  o. 
hl  divennm  yotesi  flecti  sensuin,  rationibas  roburanduin  eni. 

'}  Keg:.  Pro].,  621  A  :  Omiiia  ncientia  suis  iiitifcor  regulis  veltit  proprii« 
fundamentiä  .  .  .  caeierae  Rcientiae  proprias  faabent  regulaa,  quibiis  uitiintnr  et 
quasi  quibuaiinm  tcrminia  certis  clatiiluntur  .  .  .  Vgl.  Gilberts  Kommentar 
(Boetbii  üpp.,  ed.  Basel,  S.  1187):  L't  igiturtuaesatisfaciaoi  poatuiatioui,  fecisic. 


1.  AWhnitt.     Logik  uaA  ^rkcnutnislebrt'.  ^ 

OflfT  niirnttT  willkfirliclien  RcgrHn  dfr  Grammatik  zu  schweigen  — 
dif  niült'ktik  ilirc  Maximen,  die  Rhetorik  ihre  lot-i  communes, 
die  Ethik  ihn*  geiierules  sentenlino,  die  Physik  ihre  Apl»orismon, 
die  Arilhinotik  ihiv  Porismata,  die  Musik  ihre  Axioniata.  dio 
Geometrie  ihre  Theoreme,  die  Astronomie  ihre  excellenliae  *). 
I><*ii  prolaiion  WIssensehafleii  gleich  besitzt  auch  die  Tlieologfie 
itiro  Maximen,  die  unter  mannif; fischen  Gesichtspunklen  betrjiclitet 
mit  den  versohiedenslen  Namet» :  prtradoxae,  aenif^inata.  emble- 
mat;»,  enlhymemahi,  hebdoniiides  ansge/.eiehni*t  werden  -). 

Ohne  jinf  tlie  ührijren  ÜisiMplinen  weiter  zu  rrHektieren, 
maeht  nun  Alanus  in  j*einen  MHe^ulae*'  den  seilsjimen  Versuch, 
den  ursprüngHch  lo^schen  Betfriff  des  Axioms  in  die  Theologie 
einzufahren,  die  obersten  Sätze,  die  Maximen  oder  Regeln  der 
theologischen  Wissenschaft  im  einzelnen  festzustellen,  jene  The- 
sen zu  bestimmen ,  wehthe  seiner  Meinung  nach ,  wenn  auch 
iilchl  hei  der  \iri>Üi'n  Mitsse,  so  doili  in  der  <ielelirlen\vrl(  den 
Clmrakier  allgemein  unerkannter  Sülze  besitzen  =*),  um  auf  ihnen 


nt  Rßri  solet  in  MatfaeniRticii  maxime  dtsripitnn.  i.  o.  Arithtnetieo.  Oeotnetrin, 
MusicB .  Aatrumtmin  et  in  eeteria  etiaiii  plurihnn  rlisciptiniä ,  ut  in  prneitica- 
mentt.i  ft  analjtiris ,  fn  iiutluH  i|iineilHiii  tu'i-utiirr»  tractatibiis  noeesaariu 
prnepoDuntar ,  vitlelin-t  proeputttii  titniiiiios  rt'^iiIsMque.  Kosdem  quoä  rorat 
l4>n»inos,  viicnt  ftiam  rogiilaa.  ^^d  ri^gnlaA  quidcm  ,  quonium  locsli  similÜD- 
dine  riiulta  c<mtiiit<nt ,  tfrmrtiufl  vero ,  quonium  vx  eoruni  prinripiis  doiiiüii- 
tttmtio  prapoHitonirn  di'ijtu'itiir  el  eonim  postri'inis  inHuctionibiiH  taniquani 
finibus  tcrminatur.  Wie  aus  iIod  angeführtfii  Stellen,  insbeKundpre  aus  ihrer 
Teniünologie ,  erHichtlich  ist,  schßpfou  Gilbort  uiul  AIriiuh  zunächst  aua 
Bo^thiuB,  während  die.  Originalqucllc,  die  Aiialyttcu  poflteriura  (I,  I  ff; 
II.  Um  dee  AriatotclcH,  mir  nebenbei  crwühut  winl  als  pin  Buch,  in  wel- 
chem, wie  desgleichen  in  den  rradicamenten,  die  Methode  dea  boftthinni- 
Achen  über  d**  hehdomadibus  bofolc;!  sei  Dafi  die  Kenntnis  der  Analytik 
von  .Seite  Gilbert'«  ein«  ganz  niinimale  war.  bat  schon  l'rantl  t<tesch.  d. 
Log,  11.  S.  217)  bervorgebobeD.  Die  von  una  ciüert«  St«II(i  scheint  ihm 
Qbrigcns  entgangen  zu  sein. 

')  Reg.  Prol.,  621  A  ff.  Dieser  Passus  ist  teilweise,  von  den  otymolt)- 
giaohen  Erklärungen  abgoseben .  fast  wörtlich  ans  Gilbert  (S.  1187)  ge- 
nommen. 

■)  Ebd,  621  H  (T.  Di«  Ausdrucke  finden  sich  mit  Ausnahme  von 
Aentgraata  sftrotlich  bei  Gilbert  (S.  IIH."^). 

^  Reg.  Prol .  622  B  fl :  Cofiimunis  imimi  conceptiu  est  cnuntiatio  (mit 
Coli.  Lilienf.n  IM),  quam  quisquc  intelligwi«  (mit  Cod.  Lilionf.l  probat  nuditam  . . . 
Eleganter  autem  dicitur  communis  animi  i.  e.  mnitonim  aniiiiorum;  ad  hoc 
enim ,    ut  ait  maxima .   oportet  ut  ox  natura  vel  artificio  in  plurium  noUtiam 


tö 


Altnu  de  Inaalu. 


in  beigefOgtea  Erläuterungen  ein  umfassendes  System  des  ganzen 
Glaubensiii^ialtej;  mit  Einsdilafi  der  Mysterien  auEzubauen.  Die 
Auäfötirung  dieses  morkwürdipon  Gedankens  bietet  natüriieh 
nichts  anderes  als  eino  Aneinanderreihung  teils  durch  die  Tra- 
dition geheiligter*),  aus  Boethius-},  Pseudp-Dionysius  ■*), 
Auguslin  *)  und  anderen^)  «itnommener,  teils  selbst  formulier- 
ter, oft  in  überraschende  Wendungen  und  Wortspiele  gekleide- 
ter theo lojriso her  Sfitze  mit  nachfolgenden  Erklärungen ,  wobei 
die  einzelnen  Proposilionen ,  wo  nur  irgendwie  möglich,  durch 
den  Faden  logischer  Ableitung  mit  einander  verknüpft  er*- 
scheinen. 

Äuiaert  sich  das  Streben  nach  rein  deduktiver  Behandlung 
der  Th<.'ologK'  in  den  „FU'guIfir"  -  einer  olTenknrHUgcn ,  ins 
Breite  gezogenen  Nachahmung  der  in  Bofthius  „liber  de  heb- 
ilomadibus'*  aufgL^tellten  Regeln  *)  —  in  der  höciist  eigentümli- 


veaiftt ,  ot  «i  ad  aliud  prftb&ndain  accedat ,  alt«nuä  probatiooe  n«n  cgefti. 
Unde  indenioDMtmbiliH ,  per  se  nota  ot  mazima  niincupator  ....  Tlieologi- 
canun  aaU^m  maximanim  aliae  veniunt  in  notitiain  maltonim,  ut  haec :  uniun 
eaM  rerum  principium ;  aliae  in  nntitiam  paucoram  i.  e.  sapientum ,  ut  haee : 
Omne  simplex  esse  bquid  et  id  quod  e»t  nnnm  habet.  De  his  igitnr,  qnae 
vuiijunt  in  iiutitiaiii  pauconiiii,  atiendum  oat  Vgl.  ßufthius,  de  hebdoniatl. 
(tKl.  Peiprr,  S  169):  C^nrnuniM  «nimi  conc4>ptio  nat  entintiaüo,  quam  quiäqae 
probat  aiidttan).  haraiii  duplex  moduH  eat :  nani  ana  ita  comntuniti  eat ,  ut 
oTnoiam  eit  hominum  ....  AUa  vero  est  doctoram  taiitum  ,  -quae  tamon  ex 
talibus  communis  animi  com-eptionibiu  venit  ....  quae  non  ralgus,  sed 
duoti  (^ouprobant.  Siebe  den  Kommentar  G  i  1  b  ort '  8  zu  dieser  Stelle  (S. 
1187),  an  welchen  Alaous  sich  enge  anBchlie&t. 

')  Keg.  8,  628  A:  Unde  secundum  lioc  vidütur  illa  regula  tradit«  ease 
A  quibusiUm. 

')  Z.  B.  Reg.  8  (Boeth.  de  tnn.  4,  ed.  Peiper,  8.  1S6,  17 ff.]:  Reg.  9 
(Ebd..  8.157.  S2);  Reg.  10  (Ebd..  S.  157,  26);  Reg.  U  (De  bebdom.,  S.  169); 
Reg.  VZ  (De  trin-  2,  8.  158,  41);  Reg.  14  (Ebd.  2,  S.  162,  20). 

")  Reg.  18  (Dionys.  de  coel.  lerarchia ,  c.  2:  Migne  122.  1041  C). 
Vgl.  Thomas.  S   th.  I.  18.  a.  12,  ad  1. 

*)  Reg.  4  (Augustin.  de  doct.  cbri.st  I.  5;  Migne  H4.  21);  Reg.  22 
(De  trin.  V,  8;  Migne  42,  916  ff.). 

'')  Reg,  1  stammt  aus  der  (Ulschlich  dem  BoJ^thius  zogetfilten  Schrift 
des  DominicuH  (iundisalvi  de  untlate  (Currens  in  «Beiti-ftge  z.  Gesch.  d. 
Philoa  d.  Mittelalt.',  heraiisgog.  von  Barumker.  B.  I.  H.  1,  8.  a).  Siehe  un- 
ten S.  124.  Rpg.  3  und  7  sind  hilchst  wahrscheinlich  dem  über  Herme- 
tis  entnommen.     Vgl.  uiitt-n  S.   llx  ff, 

')  DalierielbetvortitAjidlich  auch  der  Titel  .Kegulae*  oder  .Mftximae*^ 


\.  AbarliniU.     Logik  nnit  Erkenntnislehrc.  ftl 

chen ,  in  der  ganztJi  nutlelalterliciion  Litleratur  völlig  isoliert  ') 
dastehenden  Form,  die  Glaubt-nswahrheiten  unter  dem  logischen 
Gesii'hlspnnkt  von  Axiomen  zu  belniclilen»  ihnen  die  HeileiiliirfK 
von  iillKenicin  anerkannten  Sfit/en  zu  ^eberi ,  so  komnil  die 
mathernatisch-iU'dnktive  Methode  zu  ihrer  naturgemäßen  Ent- 
faltung iti  di*r  „Ars  fidei**,  welcher  ebensosehr  wie  den  „Re- 
gulae''  das  elM?n  genannte  boethianisehe  Buch  als  Vorlage  ge- 
dient hat.  Werden  dort  eine  iieilie  von  Sfitzen ,  auf  welche 
die  folgende  Entwieklung  sieh  stützen  soll,  vorangeschiekt,  so 
-schlAgt  Alanus  in  seiner  „Ars*'  den  gleirheji  Wi?g  ein,  nur  {lii6 
er  seinem  vorangestellten ,  zur  Beweisroiirung  erforderlichen 
Material  eine  reichere  Gliederung  giebt,  es  in  DefinitiontMi,  Po- 
stulate  und  Axiome  auseinanderlegt  ').  Mit  Hillo  dieses  drei- 
fachen Uüstzeugs  werden  nun  philosophische  Sätze  und  lier 
Hanplinlialt  der  (ilaubenslehren,  die  Mysterien  der  Trinitäl  und 
Incarnalion  nii-hl  ausgenommen,  auf  dem  Wege  des  Syllogisnnis 
deduziert  mit  einer  umfassenden  Systematik  und  Konsequenz, 
wie  wu-  sie  in  anseimischen  und  abaelardschen  Schriften 
nicht  finden.  Wir  worden  vielmehr  lebhaft  an  <las  von  Spi- 
noza in  seiner  „Ethik"  4'ingehallene  Verfahren  erinnert.  Wie 
jenes  Werk  des  neueren  Philosophen,  .so  ist  auch  die  „Ars  fidei'* 


')  Allrrdtngfl  hatte  lieroits  dor  Viktorinpr  Rirhard  gcwi-ise  theologt- 
Mcliväätze  bIh  Maximen  (kKt  Kegi-ln  bezeichnet,  allein  er  dehnt  die^f-n  Be- 
griff nicht  auf  die  Hämttichen  Glaubens  Wahrheiten  uis  nnd  noch  viel  woniger 
UDt^mimmt  er  es,  sie  in  dieser  Form  in  einem  eigenen  Werke  zu  behandeln. 
De  trin.  I,  20  (Migne  196,  S9fi  D  ff):  Contingere  itaque  videtur  qiuisi  qua- 
dam  dot<^  natura« ,  quod  eoncti  paem*  tarn  eruditi  quam  minuu  eruditt  sulenL 
hatwre  fuiniltare  et  quaai  pro  regula  teuere,  Deu  videlicei ,  quidquid  Optimum 
iudtcant.  incunctant^-r  attrihuere  ....  EhI  itaque  eruditis  velut  maxima 
prupuuitio,  4tflt  cunctiH  tn  cuuimurie  veluli  communi»  aninii  ctincepttn ,  deo  at- 
tribaere.  quidquid  altiuB  attingit  humana  aeittimatiu. 

')  A.  f.  Prul.  597  ß  ff. ;  DeAi-ripttonea  uutem  appositae  sunt  hac  de 
eaoBa ,  ut  appareat,  in  qun  »en»«ii  ac  qiiot  modi^  Ktiir;  arti  \'<M^a))itliA  sit  uten> 
dam.  (Die  Stelle  iät  korrigiört  nach  Cod.  Paria.,  biblioth.  nat.,  6069,  s.  XIII, 
f.  152''.)  Tres  autem  potitione»  aubiunciae  sunt  sie  diciac,  quia  cum  prc^ 
bari  per  alia  non  possint  tarnquam  mnxlmoe  licet  non  adeo  evidentes,  verum- 
tarnen  ad  probationein  sequentium  iltas  peto  mihi  concedi.  Commones  aut«m 
atiimi  conceptiones  sequuntur  sie  dictae.  quia  adeo  sunt  evidentes,  quod  eas 
auditaä  (itaiiin  animus  c«ucipii  e«se  veraa  Hae  aQt4*m  uunt  ad  probatiunem 
0«quentium  totruductae. 


i 


S2 


Alauns  du  Insitlis. 


des  miLtelaUcrIichen  Scliolastikeis ,  loiii  formell  angesehen,  ein 
vollendelfs  melhodisclies  Kunstwerk  ') .  und  die  maÜieumlisdie 
Di'diiktion,  wie  sie  das  Milti-lMltcr  -iiH-ziell  in  seiner  Alteren  Pe- 
riodr  auffaßte  und  anf  ilie  Tln-ulai.'-if  ariwanilti',  hat  In  ihr  ihren 
prägiianteslfii  Ausdruck  ^'cfuijdfrj. 

Überselmuen  wir  die  bisherigen  Ausführungen ,  so  liegl 
deren  Kernpunkt  darin,  daü  Alanus  die  Theologie  wissenschaft- 
lich iM'gnMMli'ii  will  und  dii'si'  AiifKaix!  nach  jener  Methode 
durchführt,  welche  er  mü'  dem  ganzen  damaligen  Wissenschafls- 
gebicl  in  Anwendung  und  noch  dazu  durch  die  Autorität  des 
Bof'thius  gefestigt  fand.  Zwar  drängte  die  ganze  Richtung  der 
Zeit  zu  einer  systemalischen  Hehandhjng  des  Glaubensinhallos. 
Anselm,  Richard-),  Abillard  und  andere  arbt-ilelen  nach 
derselben  Methode,  aber  noch  keiner  hatte  mit  solcher  Betonung 
es  geradezu  -als  sein  wissenschaftliches  Programm  ausgegeben, 
die  Theologie  in  mathematisch- deduktiver  Weise  zu  gestalten. 
Alanus  hat  auch  hier  aus  den  v<irangegarigenen  Bestrebungen 
die  Sunmie  gezogen ,  diesmal  aber  sich  nicht  lediglich  receptiv 
verhalten,  sondern  mit  Einsetzung  eines  bedeutenden  Malies 
eigener  Energie  dazu  beigetragen,  die  Theologie  auf  das  den 
I  Anscimnuiigen  und  MiUeln  seiner  Zeit  entsprechende  wissen- 
schaftliche Niveau  zu  heben  und  niil  ilir  das  Princip  der  syllo- 
gislischen  Behandlung  auls  engste  zu  verknüpfen,  hi  der  That 
nahm  auch  das  dreizehnte  Jahrhundert  ji-nes  Verfahren  als  ein 
Erbstück  aus  dem  zwülflen  herüber. 

c.  Illnube  inul  WisHeu. 

Wenn  ih'r  Insulenser  für  alle  Wisscnschaflen,  die  Theologie 
mit  einbegriffen,  die  deduktive  Methode  proklamiert,  wenn  er 
die  ciiristlichen  Mysterien  der  Trinität ,  der  Incarnation ,  der. 
Auferstehung   einer  rationalen    Begründurig   unterwirft,    so   tritt 


'}  Daher  oacb  sein  Name.  Ä.  f  ProL  597  6:  Nempe  editioncm  haue 
,Artt<m  cathnljcae  Bdei*  morito  iipp«llo.  Jn  miHlum  arüs  composiU  dcGnitiooc«, 
(lialinctioneH  continet  et  propoflitioofH  artiticioso  siiccessu  propositum  com- 
probantes. 

")  in  seiner  nfter  erwilbniea  Schrift  de  triiiitAt**.  Siehe  obea  S.  27, 
Anm.  1,  8.  Bl,  Anoi.  1. 


1.  Abschnitt.     Logik  niiil  Erkenninii^lehre.  SS 

er  unstreitig  für  die  Forderungen  eines  erkeiintiiiHtheoretischen 
Rationalismus  in  die  Seiiranken.  Es  Tragt  sieh  indessen .  bis  zu 
welcliem  (ürnde  Her  Scholastiker  diesen  Standpunkt  :mf  dem 
Gebiete  der  TheoloKie  zur  tiellunjf  braeiite ,  mit  anrieren  Wor- 
ten, wie  sieli  bei  ihm  d;is  Vf^rliätliiäs  zwischen  Ulaubon  und 
Wissen,  Theologie  uml  I'Iiilosophie  gestaltete. 

Dif  gestellte  Fni^^e  nuiU  beantwortet  wer<Ien  dnreh  den 
Hinweis  auf  eine  doppelte  Strömung.  Ala  nu^  versncld  tien 
An.sehluü  an  den  Krzbi^eiiof  von  Canterbury,  ohne  sith  je- 
doch völlig  dem  Einflüsse  Abaelard's  entziehen  zu  können. 

War  Ansehri  weit  en t lernt ,  diurli  seine  rationellen  lU^ 
weise  für  die  cliristliehen  Mysterien  '}  diese  in  l)lolJe  Ver-nuiift- 
wahrheih'U  aufzulösen,  wcillti*  er  Vielmehr  iliren  <!liarakter  als 
(ilaubensgegenstände  vothiuf  gewalirt  wessen  *)t  ^^  scheidet  auch 
Aianus  den  Idauben  scharf  von  dem  Wissen,  niclit  im  Sinne  -y 
eines  Widerspruchs  zwischen  beiden ,  sondern  insofern  sie  sieh 
in  zwei  getrennten,  iinnierhiti  aber  in  Wechselwirkung  mit  ein- 
ander stehenden  Sphären  bewegen  ^). 

Das  Wissen   ist  Erkenntnis   der  Dinge  aus  ihren  Wesens--^ 
gründen*),    im    GUiuben    hingegen    erfassen   wir  die  Walirheit    ' 
nielit    melir   auf  (Iruiul    der  Einsieht    in  die  Ursachen,    sfHiilern 
auf  (Jrund   freier  Willenszustimnmng  '').     Erhid>en  über  die  Mei-  ^ 


')  PQr  die  IVinitAt  im  , KTonologiam* ;  für  die  TnCAnutioQ  in  dor  Schrift 
.Cur  deua  humo'. 

')  PnislugiüD.  ]  (Migiiß  168,  227  C) :  Neque  oiitm  i|ua£rD  intelligcre,  ui 
credaiD ,  sed  eredo ,  ut  intclligam.  Natu  et.  boc  crcdo  quiu .  tiist  credidero, 
Don  intelligam      Vgl.  8t0ck],  Gesch.  d.  ?hilos.  d.  Mittclelt..  I.  S.  154  ff. 

"0  De  pl.  n.  446  A  :  Nee  mimm  .  si  in  hia  theologiu  suam  mihi  fami- 
liaritatom  non  exhÜiet,  qnoniam  in  plerisque  «on  odvwn-ia,  »eil  diversn  sentiiniw. 
Ego  ratione  tidem  ,  illa  fide  comparat  ratiunem.  {IHe  Natur,  welche  hier 
redeud  eingeführt  wird.  gUt  als  die  Vertreterin  des  weltlichen  Wisaena.) 

*)  Dist.  d22  0:  ...  cngnitio,  qiiae  baUettir  de  relmi^  per  inferiores 
cttueaa  i.  e.  per  subst«otiaJes  renim  natiiras,  non  eal  lidea,  sed  ?cientla.  Vgl. 
Tract«tuB  de  virtutibua  et  vitiia  (Cod.  Paris.,  3238  F,  fol.  84^»;  siehe  oben 
S.  4.  Anm.  4):  Uhi  uuiui  cauHanim  raciu  prevenit  ad  aliquid  probanduin,  non 
est  fidea ,  aet  scientia,  De  pl.  n.  44f>  B  :  ego  (natura ,  siehe  vorige  Anm.) 
cou&eutio  actons,  Ula  (theologia)  sentit  conaentiün:^. 

''}  Üiat.  755  1):  fidea  est  pcrcoptio  rerunt  nun  aa.'iensiune  (uacli  Cod. 
Mon.  "tit'Jii,  fol,  2B^,  der  as^entionc  hatl  aiue  cauiitiruin  cognitione.  Tnict.  <le 
virt.  et  vit. ,   a.  a.  0. :   Fides   oat    pereeptiu    x'eribitia   reruiii  cum  aäaeiisione 

Bo!tr&fe  II.  t.     Haumgar tour,  AIhiiub  tl«  IiiKitlin.  3 


u 


AJftntia  de  Insulia 


nung  steht  der  («laube  unter  dem  Wissen  ') ;  nicht  hinsidUhcli 
seiner  Gewitiheil  oder  seines  Objektes ,  denn  den  Iheologisctien 
Sätxon  wohnt  i'ini'  absolute  und  unverbrüctiliclio  NotwendiKfceil  ') 
inn«' ,  die  Tlu'Olojjif  is!  die  irrlimislo:!;*'  Schule  der  Wahrheit, 
die*  mehr  Vertrauen  verchent  als  die  VeniUiifltTrüiide  ')  und  sie 
bcerhiljligt  sich  mit  dem  Urivpränderhrhen,  dem  IJnbi-jfrHÜichen. 
den  göttlichen  Geheimnissen  *),  während  das  Wissen,  schwan- 
kend »uifi  wandelbar  wie  seine  Quelle,  der  tiewöhnliche 
Verlauf     der    Natur '•) ,     auf  .die     sichtbare     Welt     beschränkt 


(d.  Cod  hat  aaeertione)  sine  causaniin  cognitione  .  .  ,  ebd  ,  ful.  84  ^  b :  fidea 
est  voluntRria  certitudo  abseotium  sapra  opiaioneni  et  iofra  ecientiam  con- 
atituta  A.  f.  !.  17.  (iOlD:  Fides  enim  eat  ex  c«rtia  raÜODibus  ad  äcientiam 
non  sufficientibus  «rta  praestunptio. 

')  A.  r  1.  17.  6ul  I>:  Fides  igitur  ntique  super  opinioni'tn  ,  scd  infra 
aciontiom.  Traci.  de  vjrt.  et  vit.,  a.  h.  O.  :  fid«s  est  voluntaria  certitudo  al»- 
sentium  isupru  opiniunem  et  infra  Bcienttam  coiistituta.  Die  Definitioa  iat  die- 
jenige des  Hugu  von  St.  Victor  (S«nt.  I,  1  ;  rie  Aacram.  1,  p.  10,  c.  2 
Mtgn«  176,  -43  C;  M30  C,  381  B).  Sie  findet  rtich  weiterhin  bei  Johanne« 
Saresberienais,  der  sich  auf  Hago  beruft  (Vtetalog.  IV,  13.  Migue  199. 
9-24  Gl.  bei  Peter  von  Poitiers  (.Senlfat.  III.  21.  Migne  211.  1091  B),  in 
den  Sentenzen  Roland's  (Dcnifle,  Archiv  f  Lttteratur-  und  Kircheogesc^,. 
d,  MittßlaU.,  I,  1885,  8.  436)  und  bei  Garneriuä  in  tieinem  Traktat  gegen' 
die  Amalricianer  {c.  4.  ed.  Haeumker,  .lahrb.  f.  Phil.  ii.  8|)ek.  Thei>].. 
U.  I,  16^'6,  ti.  378).  Vgl,  auch  vou  spfiteren  Alexander  von  Ualea,  Summa 
tlieoL  t,  q.  1,  m.  1,  ad  4;  Thomas  von  Aquino.  S.  tbeol.  It',  q.  4,  a.  1  c. 

')  Reg.  Prot.  6'21  B:  cum  ceteramm  regulanim  tota  necesaitaa  nutet, 
quia  tri  connuetudine  sola  est  conai»tens  penes  cuntmetiim  nuturoe  decursuro, 
nece«8itjiK  tbeologicarunt  maximuruin  absoluta  est  et  in-efragabiitd ,  quia  de 
JMS  tidein  faciunt,  quae  actu  vel  natura  nuitarj  non  posaunt. 

'^  Anticl.  555  I) :  Ani  tlivina  poli .  veri  schola,  nescin  falfli.  De  pl.  n. 
445  D:  Auctitritotem  conmilu  thetilügieae  facuItatiB,  cuius  fidolitati  putius  quam 
invaruiii  raliununi  ßrinitnti  dare  debes  aseensum. 

')  De  pl.  D.  44G  B:  ego  (natura)  vix  viailiilia  video,  illa  (tbeologia) 
iDt'.omprehen(nbilia  comprehenüit  in  speculo:  cgu  vix  minima  metior  int«Uectu, 
illa  immenRa  rntione  nietitur:  ego  quuäi  bestialitcr  in  terra  deambolo ,  Uta 
vero  caeli  militat  in  secreto.     Vgl.   Anticl.  531   A,  532  C. 

')  Siebe  Anm.  2.  ßermoDea.  Cod.  Tolosanos,  n.  195  (siehe  S.  4,  Anm. 
5),  fol.  lOSi*:  Terrestris  philosapbia  cum  mundo  transibit ,  tbeologia  in  eter- 
num  manebit  Ebd..  fol.  102''  Tmdet  sich  auch  die  bekannte,  schtm  bei 
Petrus  Damiani  (siebo  rborueg,  Gnuidriß  7.  Anll.,  II,  .S.  145)  stehende, 
auf  das  N'.rhJillnisi  von  Pliilosuphie  und  Theologie  bezQglirhe  mittelaltfirlicbe 
Konuel  :  naturales  scieiitias  a  so  (deo)  institutas,  a  se  ipso  mirabiliter  ordin»-J 
tos  pediaaecAs  theologiue ,  ancillos  celestis  philoaophiae.  (Ähnlich  bereita 
Philo,  i.  B.    De  congresau  quaer  erud.  grat.  §.  14,  p.  53U  Mangey:  :**»'oir' 

und  an  zahlreiobea  andeni  Stellen.    Auch    der  Vergleich  des  welllichun  Wi»- 


i 


i.  Abschnitt.    Logik  und  Erkenntnixlehr«.  Ä5 

bleibt  '),  sondern  insofern  als  ihm  die  Einsicht  in  die  (irfnule  ab- 
gehl, von  wetclier  stets  das  Wissen  begleitet  sein  muß.  In  der  Ab- 
wesenheit jener  Einsicht  tiejjt  das  Charakteristikum  des  Glaubens  •), 
welches  ihn  wenitcstens  für  diese  Zeitlichkeit  inr  immer  von  dem 
Wissen  trennt  ■'(.  Er  holte  nach  dem  Worte  üreKor's  kein 
Verdienst  mehr,  wenn  die  inenscliiiclie  V^ermmfl  den  strikten 
Beweis  für  seine  Inlialte  zu  erbringen  vermöthlr  ').  Zu  einer 
völligen  Durfhdnns:iin;z  der  rJelieinmisse  fehlt  ihr  und  den  welt- 
lichen Wissenstliafien  die  HofäliivauiK  ').  Die  Argumente,  welche 
sie  fi>r  die  ftlaubensgegensifinde ,  die  Mysterien ,  ins  Feld  führt, 
gewähren  wohl  eine  starke  Sicherheit,  aber  keine  absolute 
Strinj?enz  ") ;  sie  vermitteln  kein  Wissen  im  strengen  Sinne, 
sondern  haben  ttur  die  BedeulunK  von  Motiven,  welche  zum 
Glauben  liindnlngen,  der  sich  dünn  ei^st  in  einem  freien  Willcns- 
entdohluä  bettiäti^en  mutä  '). 

seoa  mit  der  Uagar«  der  ToUkonunnon  Tugend  mit  der  Sura  ist  dem  Philo 
sehr  gclftufig.     Vgl.  Zeller.  Philua.  d.  Gr.,  III'  2,  S.  408.) 

')  Siehe  vorige  S.,  Anm.  4. 

*)  Vgl.  S.  83,  Anm.  4  und  "i.    AnticI.  539  X> :  fides  ratioite  remota. 

^\  A.  f.  Pro).  6U7  A  :  Haec  etenJm  erit  gluria  noblra  perfecta  acienttA 
comprehetidere  in  patria,  qued  nunc  quasi  in  aenigmate  per  speculum  coii- 
templamur. 

')  Oiai.  922  fi :  tuide  Qrogorias :  Fidea  non  habet  merittim,  cui  humana 
ratio  praelyet  experimentum.  Vgl.  A.  f.  I*rol.  597  A  :  Tract.  de  virt.  et  vit.. 
a.  n.  O.,  fül.  84*"b.  Der  Satz,  welcher  aus  Uregor'a  Hoinilien  (H^^ntilia  2t> 
in  Evangclia;  Migno  70,  111^7  0)  stammt,  wird  auch  von  Abaelard  in  aein 
,Sic  et  Non'  aufgenommen  (Migne  178,   1349  Dl. 

')  De  pl.  n.  446  A ;    Sed    ab    hoc   aecniidae    nativitatia  myaterio  meae  ~i 
professioni«  mini»tr>riiiin  ablegatur  .  .  .  ego  natura  buius  nativitatia  ignoro  nat-ii*     i 
mm  et  ad  liaei-  int^lligcnda  mei  iiitellectiia  hebet  (»talt  ha Wtl  acumen  .  .  .  Kt     ,' 
cum  in  Ina  omnibus  nuturatia  ratio  langui^at  .  .  .    Dit^t.  Pnd.  6H7  V.  :  ubi  mn- 
strucliü    non    aubiacet    lugibos  Donati ,    ubi    tranKlatio  alieria  a  reguliti  Tullit, 
nbi    enantiatio    peregrina   ab  Ariatotelia  documento,    ubi  fldeä  (elatt  tidei  des 
Textes)  remota  a  rationia  argumento.     Vgl.  Anticl.  b'Hi  B  ,  542  D  S.     In  ge- 
reimten   Veraen    schildert  Alanus   diu  rnmßgUchkeit ,    mittelst   der  tfeaetze 
und  Regeln  der  aeptem  artcs  das  Uebciniuis  der  Menäcbwerduu^  zu  ergrTmden, 
in  seinem  Hh^'tbmuä  de  incamaiiuno  Christi,  hei  Migne  c.  ö77  fl. 

")  A.  f.  Prol.  596  A:  Prohabilea  igitur  iidei  noutrae  ratione« ,  quibua 
perapicax  Ingenium  tix  poasit  retuatere ,  atiidiosius  erdinavi.  Ebd.  I,  17, 
HUI  0 :  Fidea  enim  est  ex  certia  rutiunibiia  ad  Mcit>ntiiini  nun  HuAirientihua 
orta  praeeumptie. 

^  Kbd.  Prol.  5W7  A:  qui  prophetis  (mit  Cod.  Paria.  6569,  fol  152'; 
siabe  S.  31.  Anm.  2J  et  evfuigebo   acquiescere   rüntemnunt ,   huniania  aaltem 

3* 


w  AlaniiH  de  [iisulln 

Bietet  in  der  (reschil(i(?rlon  Weise  die  Vernunft  dem  Glau- 
ben eine  kräflij;«^  Slülxe,  so  fftrdeii  andererseits  iiuch  der  Glaube 
die  Vernunfl  '),  Kr  antioipiert  das  Wigsren ,  indem  erst  unter 
seiner  Lt'itunK  oin  relatives  Verständnis  der  Mysterien  ennftg- 
liolit  wird  -).  In  breiter  ADexorie  kommt  der  ietztoro  (iedanke 
im  „Antiflaiidian"  zum  Ausdruck,  wenn  4lie  personifizierte  Well- 
weisheit ,  die  „Prudentia" ,  aus  eigener  Krall  die  irdiselien 
Räume  durchmilit .  aller  an  der  Grenze  des  Fixsterntiiinnu-ls 
arifc'ekonimen  ratlos  Hall  macht  und  liie  ülteriidisdien  He^nonen 
bis  zum  Tfirune  der  Gottlieil  nur  unter  Fülinmg  der  Theologie 
und  der  Fides  zu  durcliwaiidcrn  verniai;  •'). 

Ks  ist  nicht  lediplidi  der  (leisl  Aiisdm's.  welcher  aus 
den  vorangehenden  En'jrlcrun^'en  spridil  ;  sie  vt-rraten  beix^ils 
eine  deutliche  Wendung  zur  abaelard'schen  Denkweise.  Hflll 
Alanus  mit  dem  Er/Jiischof  von  Canlorhury  bei  scharfer  Hervor- 
lu'tmrij:  (\es  wesriillichfu  i;rit*^rsciiied('s  zwischen  (iliinhcn  und 
Wissen  an  der  Mü^dioliktMt  einer,  weiui  auch  nicht  völlig  strin- 
jrenteu,  rationalen  Begründung  der  Mysterien  fest  und  setzt  er 
einerseits,  wie  jener,  den  Glauben  voraus,  um  auf  seinem  Gnmde 
das  der  Vernunlt  erreichtiare  Vorsländnis  aufzuhauen ,  so  lAlit 
vr  doch  wieder  mit  Al»aclar(J  die  Vi-rnunfUjcweise  als  Motive 
oder  Impulse  dem  Glauben  vonujpehen. 

Nocli  deutlicher  kommt  der  abaelard'sche  Einfluß  zur 
Gellung  in  diT  mehr  als  einmal  ausgesprochenen  llcliauptimg, 
(laLi  andi  die  Philosophen,  speziell  Mercurius,  auf  ticni  W'ege 
bloljer  Vemunftforschung  zur  Erkenntnis  der  Tririität  gelaugt 
seien  ').     Auf  den  ersten  Blick  scheint  Alanus  durch  die  aber- 


rationibtia  indncantnr.  Hne  vero  rationes ,  otsi  hominom  &A  creJeiidum  indu- 
caut,  nun  taineu  ad  fidem  pleno  capeäcendam  sufficiuiit  iiäquetjuatiuo  (mit 
dors.  Handuchr.). 

M  De  pl   n.  446  A  :    Ego   (natura;   ratione  fidem .    illa  (theologia)  fide 
rnraparat  rntionem;  ego  scio,  nt  credam,  illa  credit,  nt  sciat. 
■)  Anticl.  b4i)  C : 

IpHBTTi  namqiift  Hdom  ratio  non  praevenit,  imo 
Ipsa  Tidfs  hnnc  anticipat,  fideique  docenti 
Obsequitur  taudfm  ratio  sequiturque  docentem. 
'^  Anticl.  im  A  ff. 
*)  Siebe  das  Weitere  hierüber  und  die  Belegstellen  unten  S.  IH  ff. 


Ahschnitt.     Logik  uml  KrkunnliiiHte)tr<>. 


a? 


inaligo  Parleinahnie  für  Abaclard  in  einen  ofTenkundiKen  Wi- 
derspruch mit  sicli  selbst  zu  geraten,  da  es  ja,  wie  wir  liörlen, 
ein  Wissen  von  den  Mysterien  nicht  ijeben  kann.  Allein  bei 
genauerem  Zijseiien  lAßl  sich  der  fOr  den  abaelard'schen  fledan- 
kenkrcis  clianiklcristische  Satx  doch  widerspruchslos  in  den 
Ideenganp  des  Scholastikers  einreihen.  Wir  brauchen  bloü  zu 
erwägen,  daß  er  jene  den  Philosophen  zugesprochene  Erkcnntiii.-? 
der  Trinitflt .  wie  seine  eigenen  Beweise  für  dieses  Oheiiiniis, 
nicht  als  ein  Wissen  im  absoluten  Sinne  faüt .  sondern  als  ein 
Erkennen  im  Rätsel»  dem  eine  gewisse  Sicherheit  nicht  mangelt, 
das  aber  von  dem  eigenlhciien  Wissen  noch  weit  entl'enit  ist  *). 

So  bemüht  sicli  der  Magister  von  Lille,  die  hervorstechitid- 
sten  Gedanken,  welche  im  1:2.  Jahrhundert  über  das  Verhalnis 
von  (ilauheii  uinl  Wissen  anf'grtancld.  waren,  mit  einander  zu 
verbinden.  Trotz  selnei-  Sympathie  mit  dem  rationalistisch  an-  ^ 
gehauchten  Abaelard,  dem  er  insoweit  zustinunt,  als  er  eine -^ 
Vemmiflerkenntiiis  der  Mysterien  vor  dem  ülauben  anninnnt. 
bleibt  er  doch  auf  Anseltn's  Standpunkt  einer  wesentlichen 
Scheidung  von  GUuiheii  nu(]  Wissen  stehen,  itisolern  er  sich  mit 
ihm  darin  einig  fnhll ,  daü  der  Vernunrt  jene  Beweise  nur  bis  . 
zu  einem  gewissen  (Jnide  gelingen  kennen.  Sowenig  wie  An- 
selni.  ist  Alanus  ein  theologischer  Rationalist  im  strengen 
Sinn ,  obgleich  er  die  Methode  der  Deduktion  auf  dem  Gebiete 
der  Mysterien  allenthalben  zur  Anwendung  bringt.  Die  Sicher- 
heit des  matlu'iriiUii^chen  Verfahrens  wird  im  Interesse  des  Glau- 
bens wesentliclt  abgeschwächt,  ja  der  Verflachter  der  deduktiven 
Methode  gehl  soweit,  dalJ  er  sich  sogar  dem  Beweise  für  die 
Existenz  (»oUes  gegenüber  skeptisch  verhrtlt  ').  So  erscheinen 
die  theologisclien  Wahrheiten  in  ihrer  Gesamtheit  zwar  beweis- 
bar, aber  diesen  Beweisen  lelilt  die  volle  Stringenz. 

Die  Anschauung  von  der  Weseiisverechiedenheit  zwischen 
Glauben  und  Wissen  ging  unverändert  auf  das  13.  JahHmndert 
über.  Eine  rnckläuüge,  historisch  hoch  interessante  Entwick«- 
lung   naiiuien  dagegen  <he  erkeiaitnisthcorutischen  Bestrebungen 


^ 


■)  Vgl.  oben  S.  Bh  und  spüter  .S.  tll  ff. 
•)  Vgl    spater  S.  llU. 


38 


Alanaa  de  Iriäulis. 


die  Grenzen  der  Vernunft  möglichst  zu  erweitem.  Hatte  sicli 
das  Id.  JaJirhundert  wenigstens  fÖr  eine  relative  Beweisbarkeil 
der  Mysterien  ausgesprochen,  zielte  also  sein  Streben  dahin,  die 
ErkenntnisfVihi^iceit  der  Vernunft  zu  steigern  und  zu  erweiterii, 
so  H(*hen  wir  im  13.  und  li.  diese  Tendenz  gerade  ins  Oegen- 
teil  uinsctdagen.  Man  versudit  das  Vernunftgebiet  /u  Ciunstoii 
des  Glaubens  immer  niolir  zu  verongt-m.  WAhrend  noch  Tho- 
mas von  Aquin  nur  die  Möglichkoil  bestritt,  auf  dem  Wege 
vernrmft.igen  DeiUtens  die  Mysterien  zu  beweisen  ') .  machten 
Duns  Scotus  und  Wilhelm  Occam  einen  folgenschweren 
Schritt  nach  nickwöiis.  Sie  leugneten  auch  die  Fiihigkeit  der 
Vprnnnft,  rein  natnrliohe  Wahrheiten  -'1  mit  Siclifrlieit  zu  erhfir- 
ten,  und  wurden  so  die  Vurläufer  des  Nuniiiialisnms  und  Skep- 
tizismus. 


IL  Abschnitt. 
Die  oiitolojE^iseUeii  Begriffe  iiiul  Gesetze. 

Sobald  die  Theologie  dazu  Ibrtschritl,  ihren  SlolT  wissen- 
schaftlich zu  veraibeiti-ii .  in  die  der  Zeit  enlspreclieiiden  wis- 
senschaftlichen Formen  mid  Termini  zu  gießen,  sah  sie  sich  un- 
abweisbar zur  genauen  Fixierung  einer  tieihe  von  metaphy- 
sischen oder  ontologischen  Begriffen  gedrängt.  Schon  die 
Kirclu-n Vater  hatten  in  dieser  Richtung  vorgearbeitet.  Um  so 
mehr  tnlillf  abfr  die  Scholastik  diese  Nötigung,  als  seit  dem 
kfdnien    Unternehmen    eines    Scotus   Eriugena   die  sämtlichen 


')  S.  th«ol.,  I,  q.  32,  a.  1,  ndo:  imposiaibile  est  per  rntioneni  oatoraltin 
ad   Cognitionen!   trintUtifi  diviuarum  personarum  pervenire  ....    Qui  autcm' 
probari'    nititiir    triiiitateni  pcrsDiiHruni  imturuU  ratioiii- ,    (idei  dupliciter  diTo- 
gut.     FbH.  ad  'i :   trinit-atc    posita   coii^iunt  haiiismodi  rntiones ,    non  tarnen 
ita ,    ijUDd    per    haa    ratiooe»  sufficient^r  probvtnr  trinitas  personnram.     Tho* 
maa  ist  also  btizOgUch  der  Stringenz  derselben  Anschanung,  wie  Alanus. 

^  Scotas  bcatroitet  neboQ  der  Beweisbarkeit  der  absoluten  SchSpfor- 
macht  Gottes  die  Evidenz  dvr  Beweise  f1)r  die  ('nst^rblichkeü  der  S«ele 
(Stftckl.  G*?8ch.  der  PhiIo8.  d.  Miltelalt..  W.  S,  837,  iii'S).  Occam  leugnet 
die  zwingende  Kraft  der  Argumente  ft\r  das  Da&ein ,  die  Einheit,  din  All* 
marht  iiottes,  ftlr  die  Geistigkeit  der  menMrblichen  Seele  (StOokl,  «.  a.  O.. 
S.  1011  ff.). 


U.  Abschnitt.    Die  ontologiarhp'it  hK^r'iffe  unil  (veaeitze.  30 

GlaubciLswahrheilen  in  den  Kreis  dialektischer  Behandlung  ge- 
zogen und  di<'  SysLeinbildun^  immer  umfassetider  nmj  konse- 
quenter versucht  wiirdp. 

So  hatte  sich,  freilidi  ziinäebsl  im  theotofrisrhcn  Inleresse, 
lange  vor  dem  13.  Jahrhundert  eine  Siininif  von  onloloKi-^cfK-n 
BeslinununjjTen  angesammelt,  die  alh'rduiKs  riielit  an  die  (ein  »h- 
g(HV(>gene,  sysleinatiäcli  iuiji^elejfie  Öiitolo^ie  der  scliolastisch-ari- 
stnlelisehen  Zeit  hinaiuvichen ,  die  aber  kerneswcffs  jene  (le- 
ringschÄtzuiiK  verdienen ,  mit  welcher  sie  oft  bi^iiandejt  wertlen. 
Sie  repräsentieren  vielmehr  einen  nichl  unbi-deulenrien  Knml 
IthilosophiscliiT  (jedaiiltrn^  welche  das  Vei-stfuidiiis  der  arii^loteli- 
schen  Tirminolo^Hc  und  Denkweisi'  mficbtitr  lörderten,  mid  die*  i'S 
begreitlicli  machen,  M'ie  der  Statririte  in  verbrdtnismäi.ii^'  kumer 
Zeit  niil  so  durchschlagendem  Erfolge  die  Herrschaft  über  die 
Geister  ^rewinnen  konnte.  Der  weitere  Verlauf  unserer  Abband-"' 
handbiri^'  wird  zur  Uenüjfe  zeij^en ,  dati  die  ebristliidie  Spe- 
kulation schon  längst  mit  jjrundiejienden  Punkti-n  der  iirislo- 
telischen  Metaphysik  gert^hnet  hatte.  Wenn  diese  später 
durch  die  Araber  ihrem  vollen  Unifanjfe  und  ihrer  ganzen 
Trafrweite  nach  l)ekannt  wurden  .  so  erschienen  sie  den  cbrisl- 
lii'heu  Deuki-ni  nichl  als  ehvas  vfdlig  Neues  tjcler  Fremdes,  son- 
dern vielfa«-li  nur  als  eine  Vertiefung  und  Krganzimg  christliclier- 
scil.s  bereits  überlieferter,  ui'sprünglich  durch  Bo^lhius  vertuil- 
telter  Lehren. 

Diese  allgetni'inen  (ledanken  vorausgeschickt,  beginnen  wir 
die  ontologischen  Erörterungen  mit  der  Auseinandersetzung  des 
Substanz-  und  Accidenzbegriffes. 

X.  Substanz  und  Accidens. 


Gleich    andern    I'hilosophcii    und  Tlieologen    dts  12.  Jahr- 
hunderts,    wie    Wilhelm    von    Conches '),    Gilbert    de    la 


*)  PlnlogOH  de  aubstantÜB  phyaicis  eonfectus  a  Vuilhelino  Anepu- 
nymo  philnaoplio,  indu.'^lriA  (iuilcltni  (■  mtiirolt,  Argeiitorali  ir>67,  8.  H: 
Aliqimndn  iiaiiH|ue  corpits,  aliqimndxi  )<piritiis,  et  qiiod  t>x  tüniqtio  cninponitnr 
9iih»tfliitia  nnncupAlur ;  unde  talis  deecriptio  substantiae  ^a  qiiihitsdam  dnlur: 
subätontia  est  R-e  per  ae  «xisteiib:  aliquando  tain  ista  quam  gt-nera  ot  species 


40 


Atanu  de  Imalts. 


Porree'),  Peler  von  Poiliers'),  Johannes  von  Salis- 
bury  *),  ht^t  auch  der  Magister  von  Lille  jene  Doppt'lbedeiilung 
des  Substanzb<'|;riffes  hervor,  welche  die  Katejforien  des  Ari- 
stotelfs  ')  an  die  Ausdniek«*  prima  und  s(>curida  suhstan- 
lia  knöpfen.  Substanz  im  eifj^cntlicheu  Sinn  U'yposlasis, 
usia.  usioiiis),  erste Subf^tan^e.  ist  da^;  Kompositum  aus  Materie 
und  Form,  dan  kronkrete,  Rjr  sieh  existierende,  individuelle  Ein- 
üchidini^  ■■).  In  übirtratJencr  Bedeutunp  dapejren  bezeii-hnel 
l  Substanz  die  im  Hivrifl"  erfaläle  Wi-seriheil  der  Dinxe,  ihre  suIh 
IJ    stanzialen    Proprietäten     oder    Naturen  ") ,     denjenigen    Faktor. 

i8U)ruii]  sabfituiti«  dicuntur  dissimiliter :  iinde  ab  AnstotelL'  in  primam  et 
Hecundsm  di^nditur. 

')  Boöthiiopp.,  i>d.  Kn^el  lö7ü,  S.  1161  :  Non  onini  subsistfiia  tAntum,  scd 
etUun  Bobaistcntia  appt^llatur  aubstantia  .  .  .  Siibsiatcns  igitor  est  .  .  .  illa  sub- 
Htnntiii ,  quae  est  nlitjuid.  SubaUtcutia  verü  est  substantia  ....  qua  aulum 
Hubsi^t^Dft  cat  (tliquid  i.  c.  est  liomii  Sjohe  Prautl,  Geach.  d.  Log.,  U, 
S.  218,  Anm.  4ÜÜ, 

0  Sentent.  t.  fMMijj;iie  'ilLSoei'):  hoc  numin(<  »sulmtatitiii"  implicutii 
ti6t  atfquivocAtia  npud  Latinoä.  quai*  in  duohtis  vocaütnitiUivs:  vocabuli^t  cxpli- 
eata  ^t  apud  Oraecoa  i.  e  hypostasis  et  uii»ia  ....  Substaritia  a  Mu)mtnndo 
dicitur  i]wum  Bubii^otum,  quud  siibstHt  förmig  ....  SubsUnti»  n  sub^ilMk^ndu 
dicitur  forma,  qn»«*  ndvi'niens  mibiectu  illud  aabsistit  ....  Vgl.  Prantl, 
a.  H.  0..  II,  S.  2U>,  Aiini.  4.VJ.  Aus  P(.'ter  von  Toitiers  öbernimmt  den 
Gedanken  fiarneriu»  von  Knchefort.  Isag.  theoph.  aymbül.  1,  b,  cod. 
Troyes  455,  fol.  ö"". 

')  Policrat.  II.  }x  (Migne  199,  438  Dr.  Quod  igitur  sensna  percipit 
forniiaque  subiecttini  est ,  Hingulari»  i*t  primu  eubstantia  est.  Id  vcru .  aine 
quo  illa  nee  eaac  ih'C  iittelli^i  pote«t ,  «i  substaiiliiiie  i-st  et  pU-ruinqne  s*^ 
euiidasubsiaiitia  nioniimtur.  Vgl.  Metal.  III,  3  (Migne  199,  897  D)  iiml  Frantl, 
a.  a.  0.,  S.  252.  Anm.  59H. 

*)  Ariatot  Kateg.  c.  ^i. 

'}  A.  f.  Prol.  597  C:  Substantia  est,  qont-  conatat  ex  subieet»  materia 
et  forma  (DU*  Korrektur  nach  Uafumkcr.  Pliilos.  Jahrb-  d.  liörreage«,  Vt, 
S.  lH(i).  DistL  960  A:  Hiibstatitia  prufine  dicitur  rea  existfns  ab  aliis  re- 
bos  Bua  propria  qualitate  distiuctu.  L'nde  Aristoteles  in  libru  praedicamcn- 
torum  ait :  prima  auba'aiitia  i-st,  quae  proprie  et  principsliter  substantia  di- 
citur, et  atM.Mindum  hanc  atgniticationero  aequipollet  huic  nnmini  hypostastia. 
{Na*.^h  Cod.  Moii.  7998.  s  XIll.  fol.  IH"'.)  Dist.  9K8  B:  Usia  proprie 
aliquod  compositum  ex  maU^rla  et  forma.  LUiosis  etit  re»  »uWiat^ns  tnin 
Mbstantittli  pruprietati',  unde  hnmo  et  a«iuus  dicuntur  nsiosea.  Vgl.  Reg.  lOS, 
67tt  D.  Wp  vielbciapruchcnm  'IVnnini  r.ii'>otrtnti  ,  "ioi'n,  ot'ot'otai';  atammcn 
aus  Boi^tbiua  (r.  ICutych.  et  Ni«al.  c.  3)  und  aus  Angustinua  (siehe  S. 
45,  Anm.  1). 

'')  Dist  OtfO  A  :  ^:inbstaIltia  trunssumitur  ad  aubstantialem  pmprietutein 
sive  aabsiantialem  naturam. 


tl.  Abschniil.     Uic  üntolugisciien  Hegriffe  uuJ  Gesetze.  41 

\vfldii;r,  zur  MaU'riv  hinÄiitrctcnd ,  Hi^ni  Wm^  das  volle  Sein 
(ticbl.  Die.stni  U'UU*rt'ii  Sinn  luibc  Ho^*ll]ius  ')  im  Auge,  wenn 
er  die  species  die  Substaiix  ihrer  Individuen  nenne,  oder  wenn 
Aupustin  •]  die  substanzialen  iJiflprenzen  unlcf  rür  nsiosrs 
rechne. 

Unter  den  BejriifT  des  Accidens  fallen  alle  jene  Bestim- 
mungen, wi'lrhi'  nur  in  einem  Subjekt  ihre  Existenz .  ihiv  causa 
haben,  also  zu  dem  in  seiner  Wesenheil  bereits  konstituierien 
Ding  hinzukuninu'hd  demselben  nieht  mehr  das  Si'iii  verleihen, 
sondern  dessen  i nd i v iduelle  Versehie denheil  begründen  %  In 
der  Eucharistie  allerdings  haben  die  Aceidenzien  kein  materielles 
Subjekt.  Derjenige,  welcher  sie  gescliaffi^n  hat  mit  der  Bestim- 
mung, in  einem  Subjfkt  zu  sein,  kann  auch  maehi>n ,  daU  sie 
olme  Subjekt  existieren  ^).  Man  könnte  zwar  sagen ,  duii  die 
flauere  Foito  des  Brodes  wunderbarer  Weise  die  übrigen  Acei- 
denzien trage,  allein  man  nnjikte  dann  doch  wieder  nach  dem 
Subjekte  jener  Form  (Vagen,  welche  Ja  aueh  ein  Accidens  sei  ■''). 


')  Fltid. :  iiii<]i>  MtW'thiim  ait ,  (jutiil  honiiiiom  iii^rviÜ  fluhntaitt tani  est 
ipsuiii  ingrfrfi  spfciftn  )4pec-tHUs.Hiiituin.  Idern  ctiain  nit :  Spet-ii>m  enae  fiub- 
t^tantiAin  Auorum  individnorum  BozQglich  der  letzten  Stelle  vgl.  BrW'thü 
opp. ,  in  Parpfa.  a  Victorino  tiBnalHt.,  S  71  :  Nani  cum  äpccica  »ubstaatiani 
niünstret  unaque  Bit  omniuiti  iiidividuorum  sab  sp«^cie  poaitonini  subatantia... 

■)  Ebd.  0*^0  B:  et  secunduin  lißiic  significutionem  equipullot  hiiic  iiomini 
yaioftis  .  niide  augnstinus  ait :  Huhstantialc-s  dltTi'rentia.s  rcporuenila»  u:!i.*se  intor 
ysioaes  i.  y.  int*r  substaBtiaki*  proprii-tatcs.  (Nach  (."«d.  .Mon.  lUiiB,  ».  XHI, 
fol.  111  V.)  Vgl.  Dist.  iW8  B,  Die  Notiz  durfte  auf  Pseudo- Augantinus, 
Pecem  Cat^'guriae,  c.  9  (Migne8*2,  14*27)  zurQekgehen :  Atque  idco  Aristoteles 
eaii)  (difTerontiain)  sjgoificatione  quidem  mixtam  dixit,  virtute  nutem  tnt«r 
usias  habeiidam  decrevit 

')  A.  f.  Prol.  hUH  A:  Accidens  wtt  proprieta«,  quae  per  subiectum 
existtt,  eid<>m  ohhc  non  conr«:rt>ns,  sud  diffcrre.  Ebd  I,  2,  598  D :  Acciden» 
enim  ex  descriptioiif  ipsius  habet  esee  per  subiectum  ;  crRO  a  deiicriptiafie 
rausae  subiectum  est  causa  accid«ntit).  Bbd.  IVqI.  59ä  A :  sccidentalia  est, 
quae  est  adventitiae  iiatui-at>.  Vgi.  Abaetard  (ed  Couain,  Parts  1859,  II. 
S,  471):  Praeten'a  philo:[jopbi  arctdentia  detormlnaiii  esse  posterioriB  generis 
et  adventitiai^  natiirae. 

C.  H.  I,  58,  361  D:  accidentia,  quae  rcmanont,  «unt  sine  subieoto 
.  .  .,  qaia  qui  ea  creavit,  ot  in  subiecto  e&sent ,  polest  facerp .  nt  sine  sab- 
iecto  «int.    Vgl.  Reg.  107,  678  f 

')  Ebd,  362  A  :  Pociaumus  tAineu  dicer^ ,  quad  coliir  et  sapor  sunt  in 
forma  pania  et  ita  miraculose  accidens  sit  In  accidente.  Sed  aimiliter  hie 
qaaeri  posset  de  ipsa  forma,  in  quo  sit,  cum  et  ipaa  forma  ait  accidens. 


42 


AljuiiiH  ilc  TnsultB 


i 


Die  Scholastik  tlcs  l:i.  .lahrliuiiilerls  kennl  keine  anderen 
Ik'jfrifTe  von  Siibstafiz  und  Aoridr-ns  als  die  eben  dargelegten. 
Von  besstM*  foninilierten  Definitionen  abgesehen,  lialle  sie  inhalt- 
lich nichts  Wesentliches  mehr  hinzuzufügen.  Thomas  von 
A(liiin  hrdt  ebenso,  wir  die  Lt'brtT  des  1:2.  Säkulunis^  an  dem 
oben  ausg^'fubrten  iJoppelsinir  des  Sul>stanzbegriflfe  fest,  nur  dafi 
er  sich  auf  die  arisLoleüscIie  Metaphysik  beruft  %  In  derglei- 
elu-n  übert'instiniinonden  Woise  wird  das  Accidens  tiesliniml  *) 
und  die  itiöglic-hi^  Subjektlosigki-il  ilec  Accidenzicn  voi^elrageri  ''). 
Eine  äbrilicbt*  ConliriuitrU  der  Anschauungen  läßt  sich,  wie  wir 
-sogltMch  sehen  werden,  beim  NalurbegriO'  konstatieren. 


a.  Natur. 


j 


Schon  seit  Papias  ')  ptleglcn  die  Scholastiker  ilire  Aus- 
rrdirungen  übt-r  den  Hegrlfl"  „natura"  au  die  bekannte  Stelle  in 
Boethius  Huch  contra  Eutychen  et  Ne.stonuni  '■'j  anzulehnen. 
Neben  Johannes  von  Salisbury  '*)  war  es  insbesondere  Gil- 
bert gewesen,  welcher  sich  daniil  in  seinem  Boethiuskonnneniar 
aufs  eingehendste  bescIiälUgt  halte  ').  Wenn  der  Bischof  von 
PülLiers  von  der  Vieldeutigkeit  dieses  BegrilTes  und  seinen  zahl- 
reichen Anwendungen  l)ei  den  Philosojvlien,  Ethikern  und  Theo- 
logen  spricht''},    so   tritt   eine  gleidie  Mannigfaltigkeit  aucli  bei 


')  S.  theul,  in,  q.  2,  s.  6,  ad  3 :  BubBtantia  Hittcin  .  .  tliiplicitcr  di- 
i-itur:  iitio  iiiudo  pro  fäsentia  sivi?  itaturH .  hIki  mudo  pro  suppo^tlo  sive  hy- 
postasi.     Vgl.  ebd.   I,  q.  29.  «.  2,  ad  2 

')  S.  tbcol.  III.  q.  77,  a.  1.  ad  2;  I,  i|.  77.  n.  6,  c.  Kbt)  ad  2  iienni 
auch  Thumas   das  Subjoct  die  eauitn  pruprü  accidentia. 

^  S.  thool.  in,  q.  77,  a.  1,  r:  Et  idco  rrlmqtiitur ,  quo«)  AccidcDttn  in 
Iioc  Mcratnentu  mancrifc  sine  äubtecto.  qiiod  fluidem  virtutc  divina  ßeri  po- 
test.  Ht«r  weist  Thoni  as  aticb  die  l>ereit«  von  Alanos  (C.  U.  I,  57,  359  BC; 
H<»g.  107,  678  et  erwfibrite  Ansicht,  daß  die  bnft  TrÄgcr  der  Accidenzien 
8Ai,  XU  rück. 

*)  (n  seinem  im  U.  Jahrbundfirt  vHiatoirc  Jitteraire  de  la  France, 
t.  22.  ä.7)  geschriebenen  Vokabular.  Siehe  Inkimabcldruck  der  MQiicheiwr 
Staatflbihliothelc.  Venetiia  1496.  fol.   Iü8v. 

-')  Boethius  contra  Eut}'cheD  etNeatorium,  c.  1,  od.  Pcipcr,  S.  18ti  if. 

*)  Metnlog.  I.  8  (Migne  Üfy,  KSriBtT.):  Ebd.  M,  Ä)  iMigne  199.  803 
B  ff.J.     Vgl.  Prantl,  Gesch.  d.  Log.,  M.  S.  248,  Anra.  585. 

^  Bo#thii  opp.,  S.  1223  ff. 

')  Ebd. :  Natura  enim  multiplex  nomen  eet  adeo,  quod  non  Bolum  mul- 


U.  Abschnitt-     Die  ontoloitisclipii  Brgriffo  iin«l  Ucserx''.  43 

Alauus  zu  Tage,    der  in  lUm  „Disliiiclioiu's"  iilclil  \vi-nij;t'r  als 
jsehn  verschiedene  Bedeutungen  von  natura  auii«uiiiili]en  weiLi. 

Die  vier  ersten  piebt  er  wörtüch  run-ti  Boethius.  Natur 
ist  jedes  in  ir/rnd  einer  Wrisc  erkcnnlmre  S<Mende.  Amli  iUAi 
und  die  Hyle  können  nach  dieser  Definition  Natur  f^enannl  wit- 
den ,  weil  beide  wenigstens  in  einem  (jrewissen  Sinne  nocli  er- 
kennbar bleiben  *).  —  Bei  eni<erer  Kassunj;  bezeichnet  Natur 
jrde  Subslaii/..  iiisoferri  sie  sich  iliäli^r  fider  h'idcnd  verhall.  S<i 
ist  Gott  als  die  Wirkursarhe  alier  DiiiKe  Natur  -).  —  Auf  die 
körperliehe  Substanz  beschränkt  bedeutet  das  Wort  Prnnip  der 
Bewegunj<  aus  sich  und  durch  sich  selbst ,  wie  solches  bei  den 
ElenuMitarkrirpern  zutrifll  ■').  —  Wciti-rliin  heiUt  Niitnr  die  suh- 
sliuiziale  unrl  spezilisrhe  DitTerenz,  welche  zum  ^fiius  hiiizukoni- 
niend  die  speeies  begnindet  *).  —  Au&er  den  eben  genannten 
Bedeutungen  verdienen  noch  eine  besondere  Hen'orhebung  Na- 
tur im  Sinne  des  subslanzialen  Seins  oder  der  Wesenlifil  der 
Dinge  ■') ;    lerner    der   Nalurbetrrid  bei    den    Naturpliilosophen, 


timodis,  vi>nim  otiam  niulti-s  nigniticatiuntbu»  de  rebus  diversuruin  in  diversis 
facuItatibuB  etiani  jzencrum  diritur.  Nam  at  phibim>phi  et  ethiri  t>t  thfulu- 
gici  usu  plurimo  pornint  hoc  nom^n.  Vgl.  Buch  die  Bemerkungen  iit«8  H«go 
von  St.  Victor,  erud.  didaöcal.  I,  U  (Mignt-  176.  74ö  C  IT.), 

')  Diät.  871  A:  Nntura  aliquando  it«  Urge  äumjtur ,  quod  onine  illud, 
quod  quoquo  modo  int«>tligi  potest .  nntnra  diritur  .  unde  boj'thius  in  libro  de 
duplici  natura  [ed.  Peiper,  S.  181:1):  natura  est  quicquid  qnoquo  mudo  in- 
teTltginpoteä:~'(N"ftch  Cod."  Mon.  7998,  a.  XIIl,  fol.  77^.}  Secundum  haue 
expositionera  et  hyle  et  deus  poteat  dici  natura  ....     Siehe  unt«n  8.  Ö'i. 

-)  Ebd.  ^'l  K:  Natura  aliquundu  Humitur  in  deHtgnatiunf^  suhstantiae 
Untnm  ,  unde  Boi^thius  (yd.  iV'iper,  8.  IHH) :  natura  est  quidquid  agere  vel 
pati  pulest  (so  zuerst  Plato,  Soph.  247  I),  von  dorn  üf  ,  dann  dio  Stoiker 
von  dem  damit  gleichgesetzten  nm//ii ;  vgl.  Zelk-r,  Phil  d.  (ir.  IIl'  I,  S.1I7: 
DieU,  Doxogr.  GrtuKÜ,  S.  (;t2.  23),  et  secundum  faanc  acceptioneni  deoa  poteat 
dici  natura,  quia  ipse  est  causa  untversurum  efficieuu. 

')  Ebd. :  Kestringitur  tAmen  hoc  nomen  natura  circa  aubataiitiam  cor- 
ptiream,  unde  Bo^thius  (ed.  Pciper,  S.  lÜO) :  natura  est  prim-ipium  motus  per 

se  et  nun  per  accidens  .  .  .  .  ut  levi«,  scilicet  ignia  et  a£r nt  grftvia, 

acilicet  terra  et  aqua. 

*)  Ebd.  671  C :  Re«tringitur  ctiam  circa  äubsUntialem  differentiam  et 
apecificam ,  quae  advenieris  gencri  facit  speciem  ....  imde  Bot'thius  (ed. 
Poipur,  S.  IIW}:  natura  est  rem  infonriftna  »pccitica  differentia  (Nacli  Cod. 
Mon.  7998,  fol.  77  v). 

Ebd.:  Dicitur  esse  eubstantiale  rei,  per  quod  res  naacitur,  i.  o. säum 
•aae  ingreditnr. 


I 


44 


AInniia  He  Insult». 


; 


VI 


welche  uriler  Nftliir  ouic  den  Dingen  innewohnende,  f^estaltendc 
Kraft,  das  Prineip  der  Generalion  verstehen,  das  aus  Ähnliehem 
Ähnliches  erzeuge*);  i"fJ  endlich  Natur  auf  dem  Gebiete  der 
Ethik ,  wo  mit  dicsciti  Ri^priflT  die  in  einem  natürlichen  Trieb 
der  Vernunft  wurzchide  Krkermtnb  der  Forderungen  des  Silteii- 
gesetzes  bezeichnet  werde  *).  —  Weniger  von  Belang  sind  die 
übrigen  Bedeulungcn,  wclt^hc  Alanus  noeh  erwähnt,  wenn  näm- 
lich Nafur  gcnoninirij  winl  int  Sinne  eint^-s  angcbomen  VemiiV 
g(?ns,  Lniicr  u»*sprünglieht'ji  Anlage,  wenn  die  Physiker  unter  den 
vei-schiedeniTi  Naturen  der  Dinge  ihre  verschiedenartige  physi- 
kalische Zusammensetzung  begreifen,  oder  wenn  sie  das  physi- 
kalische Agens  der  Naturwilrme  niil  Natur  bezeicluien  ^. 

Vergleicht  man  die  erschöpfende  Zusammenstellung,  weiche 

der   Siiiolastiker    des   ausgehenden    13.  .lalu'hunderls    von    den 

mannigfachen    Bedeutungen    des    NaturbegriflV^s    zu    seiner  Zeil 

giebt,  mit  dem,  was  der  Aquiruile  Ober  ,,nalura"  zu  sagen  weiü, 

so  seilen  wir,  wii-  Thomas  lediglich  wiederholt,    was  Alarms 

und   seine  Zeitgenossen   schon   hingst   gelehrt    hatten ,    mit   dem 

[7' einzigen  Unterschied,    daü    er   neben  Boethius  die  Quelle  des 

\    lctz(en*n    seU>.«t.    die   Physik    und   Metaphysik  des  Aristoteles, 

1    zur  Verfügung  hat*). 


3.  Person. 

hl   unmittelbarem  Zusammenhang   mit  den  Begriffen  Sub- 
stanz und  Natur  steht  der  für  die  ThtK^Iogie  so  wichtige  Per- 
v^aonbegriff.      Mil    dem   Dogma    der    Trinitfd    und    hicaniation 


')  Ebd.  871  D:  Natura  dicitar  potentia  rcbos  naturalibus  indita  ex 
aintilibus  prucreaiis  simiün.  Vgl.  JohanneB  SHresb.  (Metjü  I,  S;  Migno 
Utif,  835  V] :  Kst  Huleni  oalurH  ....  vis  iitiaedaiii  genitiv«  rebus  umnibiia 
insitn.  ex  qua  fticere  ve\  pnli  potvsiint.  Wilhelm  von  Conclics  (Komm.  x. 
Timaeue,  Cod.  Pari».  U06ä,  fo).  hl^b;  swhe  oben  S.  lU,  Anin  6):  eat.  natura 
vis  rebus  insita  similia  de  airoilibus  operana. 

^)  Ebd. :  Natura  dicitur  naturalis  rntio  .  .  .  .  i.  e.  naturali  iiiMtinctu 
rationis :  et  secundnm  boc  aal&i  dici.  quod  natura  dictat  homini,  ut  non  faciat 
aliia,  qood  »ibi  non  vult  fieri,  i.  e.  natoralia  ratio. 

'}  Ebd.  S71  CD:    vgl.    Uugo    von   8t.  Victor,    erud.  didascal.  I,  11 
(Migne  176,  748  D  ff.). 
[  *)  S.  theol.  I'.  q.   10.  a.    I,  c ;  III,  q    2,  a.   1,  c;  I.  q.  29,  a.   I,  ad  4 


U,  Abschnitt.     t>ie  ontoiogiscli«D  Begriffe  und  (lesetze. 


45 


> 


aufs  engste  verwachsen,  wurde  er  von  den  mittelalU-rlichen 
The<jlij)ireti  mit  besonderer  Sorgfalt  behandelt.  Den  springenden 
Punkt  ihrer  nnlersuchunj^en  hihlele  die  l'nti'fscOieidunff  zwis^-hen 
Substanz  in)  Sinne  von  W es e nh  e i t  und  Substanz  als  su b- 
stantia  prima  oder  hyposlasis.  Aber  auch  hierin  K'^Kf'» 
sie^ncht  selbständig  vor,  sondern  siefolKleri,  wiePelnis  hom- 
bardns '),  den  bezüt?lichen  Auseinandi'i'setzunf^en  Aii^ustiri's, 
oder,  wie  die  fiberwlt^gende  Mehi"/ahl,  —  von  den  Scholaslikent 
des  l:}.  JahHiunderts  insbesondere  Thomas  von  Aquin  — ,  den 
irdialtlich  Klt'ichen  Ausiuhrunj?en  und  der  berühmten  Definition, 
welilie  Büethius  in  dem  oben  enviihnlen  Budie  Contra  Euty- 
chen  et  Nestorium  fiberliolert  hatte  -). 

Auch  der  iMa}^ister  von  Lille  greift  des  Bo^thius  Defini- 
tion auf:  Persona  proprie  dicitur  naturae  ralümalis  individua 
siibstaniia  ").  Person  ist  ihm  Substanz,  fremiuerhin  erste  und 
vernünllige  Subslanz  oder  hyposlasis,  der  ein  Sein  för  sich, 
eine  völlip  selbstAndige .  von  jedem  andern  Ding  losgelöste  Exi- 
stenz zukommt.  So  ist  der  Mensch .  der  Kngel  und  Gott  Per-  ^ 
son ,  während  dagt^gen  die  Seele  trotz  ihrer  Snbsljuizialitilt  und 
Verm"irifli}?k('il .  weil  ein  Teilfrlied  des  Menschen ,  niehl  Person 
genannt   werden  kann  *). 

')  Sent.  I,  dist  23,  c.  4  ff.  (Migne  192,  584  ff.).     Vgl.  A_uftU8tnm8.  ., 
de  trin.  VII.  4  [Migne  42.  939  ff). 

•')  Bal'ttn'na  ciinlni  Eutychen  et  Nestorium,  c.S^cd.  Peiper,  S  193  ff.). 
WAlirenJ  Papiaa  ^Cod.  Paris ,  bihlioth.  nat ,  tl531,  s.  XII,  fol.  ITS^a:  der 
8.  42,  Änm.  4  ervfthnt«  Inkunabeldnick  bat  das  Wort  nicht  aufgenommen), 
Aoot'lm  (Monolog,  c.  78;  Migne  1&8,  222  A),  Odo  von  Cambrai  (De  pec- 
ratij  orijuinali  H;  Migne  IßO,  lüHO  D).  Gilbert  {BiiPtliii  opji.,  S.  1235)  «ich 
ebne  wi>ttereH  an  die  bo^tbianiscbo  Di'tiiiiticin  halten,  verHUcbt  Kicbani  von 
St.  Victor  (De  trin.  IV,  21;  Migne  196,  'Mi  D»  eine  Korrektur  derHelhrn. 
und  Petröa  Fictnv.  (Sent.  I,  4,  32;  Migne  211.  HI>1  B.  923  AB),  dein 
Qarueriua  von  Rocbefort  folgt  (Isag.  tbeopban.  aymbol.  I,  26,  cod. 
Truyea  455,  s.  Xltl,  fo!.  IS"";  siebe  oben  8.  13,  Anm.  9j,  vermag  ihr  nnr 
H-anIg  Vertrauen  entgegen  zu  bringen  Von  den  späteren  kommen  außer 
Thomas  (S.  tbeol,  I,  q.  29,  a,  1,  c.)  auf  dieselbe  ziirftek  Alexander  von 
Halee  (Humma.  p.  I,  q.  44,  ad  4),  Albertus  Magnua  (in  1.  p.  .Sum.  tlieol., 
tract.  10,  q.  44.  membr.  2),  Bonaventura  |in  I.  Sent,  dist.  25,  a.  1,  q.  1 
u.  2;  ed.  ^uaracchi ,    t    1,  S.  43ö  ff.). 

")  Dist.  H98  D. 

')  Khd.  :  .  .  .  snbstAntin.  qnae  est  ita  naturae  rationalia,  quud  ab  omni 
re  e«t  diatincta .  ut  bomo  vel  angelua  vel  deus ;  qailibet  istorum  ost  natarAO 
rationalia,   quae    est    sub^tantia   ab   omni  alia  re  distinota,     Anima  ergo  non 


4Ci  Aiatto»  de  Inaoln. 

Neben  der  aus  Bo^thias  entlehnten  Formulierung  kennt 
aber  Alanus  noch  andere  Wendungen  für  den  Personbeftrilf. 
wdrhe  er  mit  Kilbert  und  Peter  von  Poitiers  gemeinsam 
hat.  Kr  bf7jAi'huvi  riämhrh  Person  unter  Anspielung  auf  ein«? 
gänzlich  verfehlte  Etymologie  aU  .,reä  per  se  una*'  ') .  als  eiDe 
.gegen  jede«  andere  Wesen  streng  abge^hlossene  Einheit  '),  und 
er  definierf  rlie  persTjnlirhe  Proprietflt  —  von  den  Grammatikern 
.,propria  (jualita^**  genannt  als  den  „proprius  status" .  wel- 
cher aus  dem  ZusammentrefTen  aller  subritanziellen  und  aociden- 
tellen  Bestinimlheileii  des  Dings  resu]tiere  und  in  dem  Worte 
Sücrates  oder  Pinto  zum  Ausdruck  komme.  Doch  will  er  die 
letztere  Delinitiun  nur  l'ftr  das  Gebiet  der  natürlichen  Dinge  gel- 
ten lassen;  auf  die  Gottheil  ladjK*  sie  sich  ledigUdi  analog  (per 
sirailitudtnem)  anwenden  "). 

est  peraonft,  qnia,  quAinvis  natnne  rBtionalla,  tarnen  non  est  substaniia  indi- 
vtdua .  qnift  non  eni  nh  nmiii  nlia  re  (livlsn ;  de  iHimini'  enim  ptit  UmqDRin 
oiuB  pars,  nee  ab  *'0  ilivisa  phI.  Elx'iiKa  Gilbert  (KoJilhii  npp  ,  S.  1236  geg. 
SchluB):  Ideoqiie  quatnvm  ipfift  ait  rutJonalis  nat-urae  öuUdtantia,  niN^uaquan)  tarnen 
poteat  esse  peraoiia.  Anch  nacti  Thomas  (S.  tlieol.  I,  q.  29.  a.  1,  ad  h)  ist 
diB  Seeli)  iiielit  Person,  wie  ttotchea  frUli^r  Hago  von  S.  Victor  behauptet 
hatte.     Siehe  Stnckl,  tlench.  d.  Fhilu».  d.  Mittelalters,  1,  S.  387. 

')  Diese  aonderlinre  i>l>-iiuihigi»(>hi'  Krkl&rung  giebt  schon  Papiaa, 
iltT  eich  auf  Kemigiii»«  von  Auxerre  beruft  :  „persona  dicta.  quod  per  se 
una  ent  Hemigiuä.*  (Cod.  Paris.  llöSI,  ful  lT:i''a;  siehe  K.  45.  Anm.  2). 
Uie«elbü  Definition  erwähnt  auch  Albertus  Magnus  'in  1.  p.  Sum.  theoL, 
IriM'l.  10,  q.  44.  meinbr.  2),  der  sie  aber  auf  läiduruA  zurückführt 

')  Reg.  32,  H37  A:  Pemomi  dlcitiir  (jniiai  per  so  iina  ....  Unde  et 
dieuntur  personae  <]iia6t  per  »«  iiiinm  i.  e,  ita  diatinctae,  qnod  unnm.  Vgl. 
Keg.  IU2,  T)?!)  li.  i;in>ert  (liof'thii  opp.,  ü.  1129):  Omni»  enim  peraooa 
reete  intelligittjr  per  sc  una ;  ebd.,  S.  llGh,  12H.S  (iSchluß);  Petruä  Pjctav., 
Seut  I,  4  (Migoo  211,  80O  C) ;  UarnorJUA  von  Uucherurt,  Isag.  Iheupli. 
Byrab.  I.  3.  cod.  Troye»  4bb,  fol.  3v. 

)  Heg.  r>0.  It43  AB:  In  iiaturalibiia  auteln  pereonnliä  proprietaa  dici- 
tur  propriu»  htntiM  peraonae.  i|iu  atletiititur  ex  concursu  (ininiuni  substantia- 
liun)  et  accideiitaliuiii  rei ,  qui  ^«tatt  quao  doH  l'extett)  prnedii-atiir  hoc  voca- 
bul»  iSücratea  et  h<H'  vocabuln  Pinto  ,  qui  (st-att  quod)  etiuin  propria  qualitus 
a  gramniaticis  solet  dici.  In  divtnis  auteni  non  proprio ,  aed  per  siniilitndi- 
ncm  poteat  aasignan  por)»oiiaJ(a  statu»,  .\hnlieh  drQekt  sich  Ausolm  (De 
fide  trin.  V);  Migno  I&8,  27H  1):  personam  designamus,  quae  cum  natura 
coUe<-tioneiti  hnbel"  prn|irielHtiuii ;  niehe  ebd.  279  A),  «JJIbert  (Bo^tbii  opp., 
8,  12S£  IT. :  OniDia  enim  per-aona  adco  eai  per  se  una ,  quud  cuiualilfet  plena 
i-l  ex  üinnibu.<4  quiu-  illi  eimvi-iiiunt  rollecta  pioprietas  riirii  tilterjus  iterHOnae 
similiter  plcna  et  ex  omnibu«  coUeeta  prupvietate  de  uno  vere  individuo  prae- 


II.  Aliaclinitt.     Die  ontojo^mclien  begriffe  und  Öesetse.  4t 

4.  Materie  und  Form. 

Zwoi  weitere  metaphysische  B<^iffe  von  fntulaiiH'ntal'T 
Bedeutung  für  die  gesamte  si-holastisthe  Philosopliie  stiul  Ma- 
terie und  Form.  Bildete  dieses  Beffridspaar  bei  den  arabi- 
schen und  jüilisrhen  AristotelikiTii  den  Ceritralpunkt  ihrer  Mi?- 
taphysik,  so  spit-lte  es  nidit  minder  ijun-rhalli  d^r  rhrisUlrhen 
Schüiastik  schon  lange  vor  dem  13.  Jahrhundei-t  eine  bedeut- 
same Rolle.  Auch  während  der  ersten  Periode  der  raittelaller- 
licht'U  Philosophie  wurde  ständig  mit  diesen  Be^friffen  operit-rt. 
Malrni-  und  Form  fallen  als  dip  al!i*ni  W^rdiMi  zu  (inimh'  li^'- 
gendt'n  Faktoren  '),  mochte  es  sieh  nun  um  die  Lntstohunj^  der 
sinnlichen  physikalischen  Welt  handeln  oder  nach  der  Anschau- 
urifc'sweise  extremer  Realisten  um  die  intHli^hle  der  GattimKt'n 
und  Alien  -). 

ÜhereinstJiruni'nd  nut  der  allgwuiMii  fest  gi^wurzeltcji  rhci-- 
zeugung  ')  bezfichnct  Alanus  de  Insulis  Materie  und  Form 
als  die  Wesensbesandteile  der  Dinge  *). 


n.  Miil«rlt?. 

nieicliwi*'  ("Hihurt  de  la  Porree  eine  materia  formata 
uoil  int'nnnis  unlersdieidet ^).  sfj  spricht  aueh  AlanUH  von  einer 
Materie  in  doppeltem  Smn.     In  der  „Ars  fidei"  ")  wird  sie  de- 


(licnri    non    potent-),    unil    der  VorrnKsor    iler  S^ntentiae    divinilnii^  (Do- 
li if)t>.  Art'liiv  f.  Litt.-  uml  Kin-ht^tigcuwii.  il.  MitU>lalt..  I,  S.  418)  auB. 

')  Kineo  äprfchi'ud^n  Heweu  hiurfdr  liefert  (i'\e  vi»n  H((iir«rtii  O'i'^t. 
de  la  philos.  scol.,  I.  S.  3il4)  mitgeteilte',  intoreäsaatt;  Üemerkimg  dün  Tliierry, 
von  Cbartrea,  dafi  von  den  Tbeolügen,  Philofiophon  und  Dicht^im  Mati^rie 
und  Fonn  ah  die  EU-inonle  des  Werden»  angesehen  werden. 

'}  Vgl.  t>ezägli4-h  des  letzten  Punkte>H  iIbh  Biuh  de  generibuB  et 
speciebus  bei  Prantl,  Gesch.  d.  Log.,  II,  8.   )44  ff. 

Die  HauptqueUe    waren   die  bo6thianiachen  Schriften.     Vgl.  oben 
S.  11  tf. 

'}  A.  f.  Prolog.  &97  C :  Subsüuiiia  est ,  quae  constat  ex  aubiectjt  ma- 
teria et  forma.    Siehe  oben  S.  40,  Anm.  5. 

^)  Bi>6tbii  opp. ,  S.  113K:  Ex  hw  manifestuni  est,  quod  rnaterianun 
alia  infonuis  et  ideo  aiinplex,  ut  Ükt} ,  alia  Tonaata  vi  tdeu  uou  aimplex, 
ut  Corpora. 

-)  Prol  597  C. 


Alftnus  de  liuulis. 

teiMVt  als  ,.r^s  discreta  ronnflc  siisceptibilis".  Der  Scho- 
Wiil-tfr  vcf^t^l  a1^  ^■^''  <»>'t'r  Malerü^  ein  konkretes,  mit  allen 
DiiiliHMnthriV^ri  ausifcstattotrs  Diri^r.  ilas  HlliiK  i^t  t  nour  Formm 
^  arfc  aufzunehmen,  als  (inirullagc  (uli-r  Substrat  von  \"enln<lt^ 

nii^^i  ^>  dienen. 

Was  <ter  Maj^ister  in  dem  eben  darKelepten  Sinne  Materie 
miint .  ist  nielits  anderes  als  die  imali'rra  secunda  der  SpS- 
Xvn^i*  der  sinnenlAllige  Körper,  der  Träger  der  accidenteUen 
ViTünderungeii. 

AlaniiK  kennt  abt-r  außer  der  sekundären  Materie  audi 
eine  Urmaterie,  eine  .,mahTia  priinordiiilis'*.  welche  von 
dni  Grieelien  „  H y ! e " .  von  dvw  Lateinern  und  von  P 1  a  t  o 
silva"  ')  K*^nanni  werde.  Gleii.'hwie  das  Holz  den  StotT  ab- 
fflrbl  rOr  dii'  Aufffdinmn  von  Gebäuden,  so  ist  die  maleria  pri- 
niordialis  das  Snb-^lral  und  dif  MiiHcr  (Tir  die  gesaiide  KAipcr- 
welt ,  der  erste  fiiridanii'nlalc  fiesLaniileil  lür  die  körperliche 
Suhnhinz.  Oeni  Wasser  ähnlirti  vermag  sie  alle  mö^Iidien  For- 
men anzunehmen  -). 

In  der  Slatuicnni^i"  einer  Umialerie  als  des  gerni-insnnu'n. 
bi'slitnitnni^slahi^rt'ii  Substrates  für  die  körpcrlii-hen  Uiiiije  stim- 
men dir  ehrislüehen  Lehrer  vor  dem  i:^.  Saekuhnn  durchaus  mit 
(Irtk    Srliolastikern    der   Blfitezeit    zusammen.      Der    Unterschied 


')  Gilbert  bemerkt,  wohl  im  Ansohluli  an  Clialridius  (ed.  Wro- 
bot.  8.  886.  n-  308;  vgl.  Baetimker,  Das  Prubltim  der  MuUrio  in  der  gri»- 
obinrhmi  Ph)lnB<>pbic.  Männter  IHOO,  8.  lU.  Anm.  ]).  ilafi  Plato  wlbst  (I«n 
AiinitriK-b  '"Äry  oder  silva  nicht  gehram-ht  huhe ,  dalj  er  vielmehr  von  seinen 
Hi'liUU'ni  Mtammc.  Platu  nenn»  den  Ainfang  der  Dingt',  von  anderen  Uezeirh- 
nunK''n  ftttgetiehen,  , prima  nrntenn".     (Un^thü  o|>p.  ,  B    1137:    Origo  namqiie 

HJvt*  initinm  rennn,  quod  Platn  voeat  nenessitatem auditores  vero  «>iutt 

u|)|iplliii)t  Wi/v  i.  **.  silvftm,  ipse  Plato  nominnt  primom  materiam). 

')  DiHt  944  C:  Silva  diL-itur  primordialis  uiateria,  quae  apuil  tirsecoa 
tlif'itiir  yle,  laiine  ailva,  quam  etiuni  Platu  Hilvam  vocat,  quia  ainit  silva  tnn- 
Icnnrii  pracbct  acdiHcüa,  bIc  priinurtlialiM  intiierta  c-orporibus  univeraia.  Diät. 
7ü4  A:  Aqua  dicitiir  i'ttaiii  priinurdialis  inaterlB,  quia  Micut  hunuir  nrnteriain 
prHd«t«t  omni  rei  eurpnreao ,  sie  illa  primordtalts  materia  corpuri  omni.  Et 
«li-ut  aqua  cuiualihet  rei ,  cui  infunditur.  fonnam  capit ,  sie  illa  inateria  aptA 
»«mt.  r«':c'ip<'ri'  unmi-H  fonnas.  Anticl  498  A  :  Ad  cbaoa  antiqouiii  prupriam- 
qm-  requirero  matrem.  A.  f.  1,  '2h.  008  D :  Matoria  priinuni  suhütontiac  fuu- 
danientum.  Heg  •*>,  62<)  A  :  priinnriltaÜM  miit4^ria  »ecundum  phiio«upbos  dico- 
'ur  compoaitB,  quia  ad  huc.  ut  vi  ^tilalt  e«)  aliquid  componerctar,  erat  apta. 


tt.  AWhniti.    bie  ontologüclien  ßegrifle  und  tresotze.  id 

zwisciicti  i)*'i(Icn  Heriodon  zeigt  sich  <*rsl,  wenn  fs  sich  um  pino  gt^ 
iiaiicn*  BpÄchreibung  und  Fixkrung  jenes  Subslralrs  hanrlcll. 

Obtrlcirh    OS   dt^n  Dfiikcrn  dir  früheren  Zoit  ')  nicht  unbe- 
kannt   tii^liliobcn    war,   dalä  auch  dt-r  Philosoph  von  Sta^ira  die 
Matcrff    als  Erklärun^'sprincip    für   die  körpcHicht»  Well   vtTWL-u- 
delo  ,    und    obwohl  ChaU'idius    in  si-ineni   Kotnrnent-ar  zum  Ti-'7 
iiiaeiis   sich  auslnfirMchor  Qher  den  arislotidiscIuMi  Begriff  der '. 
Materie  und  dts  Werdpiis  fiuUertf -).  so  fanden  doch  jene  (»cdan- j 
ken  in  die  Spekulation  der  Krühscliolastik  keinen  ICintran}.; ,    wie  \ 
ebenso    dif   aufrustinische  AuffasisunK  der  Urnialorie  als  eines, 
absohil  4jualilätslosen  Ktwas.  eines  „prope  nihil"*),  ohne  tiefere 
Wirkuiit;  blieb.     Andere  Autoritäten  waren  es,  welche  während 
jener  Jahrhunderte    auf  d?e  t)estinunlere  (.leslalluntr  des  Begriffs 
der  Materie  einwirkten. 

Die  Theologen  fol^li'n ,  wie  ein  Blick  in  die  zahlreichen. 
der  Erklärung  des  Hexarnieron  trewidineten  Schriften  lehrt,  und 
Wilhelm  von  Conches  *)  ausdi'ückJich  bestätigt,  der  Schö-. 
pfujD^urkuiuie  der  Geöesis.  Ihnen  fiel,  ähnlich  wie  ehedem 
einem  Einpedocles,  die  Urmaterie  znsanmien  mit  t](ir  mehr 
oder   minder   formlos   und   verworren   gedachten  Masse  der  vier 


^ 


')  Siebe  oben  R  11,  Anin.  5. 

•)  ed.  Wrobel,  8.  312  ff.,  n.  28S— 288:  Cuioa  enntentia,  cara  alt 
praeclara  et  nobilis  et  ad  IMntonici  dogmatia  conHiderationem  saita  adcummn- 
data,  non  otiose  praetereuDda  est  Chalcidius  entwickelt  nun.  wie  Ari- 
»tntvles,  um  da»  Problem  des  Werdmia  ku  lOsen,  ein  in  gewisser  ßczio- 
bung  Seiendes  und  NiclitaeJendes,  ein  der  M/^glichkeit  nach  Soieo- 
des  annimmt.  Er  erfirterl  ferner  im  Anacbltiü  an  ein  Citat  uuä  der  arlBtoic- 
lischeu  Pbysik  (T,  9)  die  Principien  der  silva,  der  speciea  und  der  v.a- 
rentia  (oiffttjoii).     Vgl.  oben  S.  12. 

*)  Confeaaionea.  XII,  8  (Migue  3*2,  829):  illud  aiitem  totiitri  prope  nihij 
erat,  ^noDiam  adhuc  omnino  informc  erat;  iom  fameii  erat,  qnod  fnrmari 
puterat.  Tu  enini,  dumine,  fecisti  nmndum  de  materiu  infonui ,  quam  feclnti 
de  nuUa  re  pene  nullam  rem.     Andere  dagegen  in  de  Gen.  c.  Man.  1,  c.  5—7 

(Migne  34,  178  fl.J.     Vgl.  S.  50.  Anm.  I. 

*)  Element»  philosophiae ,  1  iMigne  9U,  1133  C,  Dcdae  opp.  I):  Sunt 
alii,  qnj  dicunt,  lata  qnae  videntur  esuo  elementa  ....  ßin  Vcrgleiir}i  mit 
beda's  und  anderer  Ansicht  zeigt,  da&  Willielii)  die  Erklärer  de«  HexaJJ- 
pierun  im  Auge  bat. 

lI«itrago  II.  4.    Dniintffartiier.  Alnnna  ila  iDsnlis.  4 


M  Alauns  tl<*  toaulis. 

Klcintiili»,  d)*ni  Chaos  dvv  (Jrit'ohen  »).  Nur  bei  einigen,  wie  bei 
lUiuhaiiiiM  Maurus  und  bw  Papias,  wini  der  Beridit  Isidors 

vcr/cirluipl.  ilir  ilrinhi^i»  hAtlni  die  Mulcric^iiiizlicli  lieÄtinimunjrs- 
loj*  Ki'ibirhl  und  mis  ilir  si-icii  erst  die  ElfinenU-  hcrvoivejianiren  ')• 

Unln'fritMlijil  von  (lieseni  Versuch ,  die  limiaterie  mit  dem 
liundKrriilifhen  und  sinuenfalligen  Stoff  zu  identifizieren,  tritt 
Wilhelm  vun  Conches,  nicht  ohne  Opjvosilion  von  Seile  sei- 
ner /eitKenossen  ") ,  im  Ansehlulä  an  Conslantinus  Africa- 
nufi,  den  rbersclxer  von  Isaak  Israeli 's  Schrift  über  die 
Kiemente,  t»lr  den  alomistischen  Aulliau  der  Materie  ein,  ind^n 
i»r  uU  das  letzt«-  Substrat  der  Muiteriellcn  Well  kleinste,  ein- 
fache, nur  durch  eine  Deiilcoperation  erfaübare  Parlikelctien 
|iusUili*-rte  'j. 

Andere  Auflassunpen   der  Urmaterie   fufiten  auf  dem  pla- 


■)  Augustinus,  de  Gen.  c.  Mau.  1,  •^—7:  Beda  (in  Hexa«ni.  I; 
Mi)!t;nr  91.  15  AU);  Alcnin  (inti^rrog.  otv.  in  Geneain.  n.  21;  Migne  100, 
:tl\t  Hj ;  Kliabanus  Maurus  (conim.  in  (Jen.  I;  M.  107,  446  B.  Die  gona» 
HU'll«  int  au8  Beda  a-  a.  0.  genommen};  Hemigius  von  Anxerre  (comin. 
in  livu.  1;  M.  181,  bb  AB):  Anselm  (Munulog.  VII;  M.  158.  153  CD); 
M)inoriu8  von  Autuo  (in  Uez.  1;  M.  172,  255  A<;  Hugo  von  St.  Victor 
(Klucii).  in  Gen.  V;  M.  175,  U  BC),  Robertn«  Pul  loa  (Sent.  II.  1;  M.  IHÜ, 
717  V);  Abaiaril  (in  Hex.;  M.  178,  "38  C,  735  A) :  Petrus  Lombardus 
(Hfiit.  II,  12,  n  1:  M.  192,  675);  Tetra»  Pictav.  (Sent.  U.  7 ;  AL  211. 
It&H  0);    Petrus  t'omestor  ^IIist    scholastica,  lib.  Gen.  I;  M.  198.  1055  B). 

*)  Kbabaiiua  Maurus  (De  univ  IX.  2;  M.  111.  2ti2  D) :  Ylen  Gnuwj 
r«rnm  quandam  prinuun  mutoriam  dicunt  nullo  prorsua  modo  fonnatam  .  aed 
nrriniiim  rorjwraüinu  furuiarum  capacum  ,  ex  qua  vbibüiu  tiatn-  Hlcmentu  fur- 
itiaU  umit.  Eboii*!  Papias  (Cod  Paris.,  11531.  a.  XII,  fol.  25Ü''o).  Vgl. 
Uidor  lEt>ni.  XIII.  H,  ii.   l   tV. :  Migtie  H2,  473  C). 

')  CUtT  Wülther  von  St.  Victor,  neben  Wilhelm  von  Saint- 
Tbierry  einer  dei'  Gegner  Wilbetm's,  siehe  Haureau.  Hiat.de  la  pbilos. 
acol .  1,  a  443. 

')  Elementa  phUcsophiae,  I  (Migne  90,  ll.>2  D,  ßedae  upp.  l) :  Ele- 
ments ergo  atmt  »implae  et  minimae  particulae ,  quibua  haec  qualtuur  oon- 
Htunt  quae  videmus.  Haec  olcnienta  nujiquani  videntur,  aed  ratione  divisionin 
intelliguutur.  Ebenso  iu  dem  früher  (S.  U»,  Aiini.  H)  erwilhuten  Kommentar 
xuui  TimaeuB  ^Cod.  Paris.  140G5,  fol.  59  v»),  D^n  Versuch  der  Philosophen, 
die  Mat^rio  atomiBtiacb  zu  erklfiren,  rrwjthnt  schon  Kbabanuö  Maurua  (De 
uwiv.  IX,  1;  Migne  111,  262  A)  nach  Isidor  (Etym.  XIII.  2,  n.  1  ff.; 
Migne  .«2.  472  D  ff;  vgl.  ebd.  VlII.  6,  n.  16;  Migne  82.  307  A), 
Die    Lehre    der    alten    Atomiicer    koimten    die    frOhraittelaltertichen    Lehrer 

lua   dem   aii   hiütoriachen  Notizen  ao  reichen  Chaicidiua  kennen  (ed. 

ai,  8.  Slü,  D.  279). 


tt.  Abschnitt.     Diu  ontologisrhen  B«(^iffe  und  tiedetze.  öl 

tonischen  Timaeus.  Im  Altertum  bereits  waren  die  Meinungen  " 
über  die  Materie  jenes  berühmten  Dialogs  geteilt  ').  Diesitlbe  \ 
Differenz  sdipn  wir  im  Mittrlalti-r  foHhcstelioTi.  Wfilircnd  Oil- 
bertus  Porrelanus,  j<*'wisst'ii  Sb-Ilrn  des 'riiniiriis  und  Cbul- 
cidius  folgend,  die  Materie  als  das  absolut  lorrii-  und  qnalitäts- 
lose ,  rein  passive  Substrat  der  körperlichen  Dingo  ansah  -), 
stellte  sich  Bernhard  von  Charlres  auf  die  Seite  jener  Pla- 
tonikor,  welt-lie.  auf  andere  Stellen  des  Timaeiis  sieh  beriifeiHl. 
die  l^rniaterie  rnit  der  bereits  qualitativ  beslinnnten  Materie  ver- 
wechselten und  ihr  eine  in  ihrer  Natnr  liegende  Bewegung  zu-  ^ 
teilten  ■').  Nacfi  dem  f^arnotenser  ist  nändicti  die  materia  pri- 
mordialiö  eine  stünnisch  und  ordinuigslos  bewegte,  in  angebo- 
renem Streit  sich  eidzweiende  SLofl'taasse  *),  das  Chaos'"),  die 
massa  confusionis  '■) ,  die  zwar  als  formlos  •)  bezeichncl  wird, 
aber  nicht  im  absoluten,  sondern  nur  im  relativen,  von  den 
vorher  erwähnten  Ttieologen  vermeinten  Sinne,  insofern  sie  noch 
nicht  jene  Hestinmiiingen  und  Formen  an  sich  trägt,  welche  «iie 
jetzige  Well  auszeichnen  "). 

Innerhalb    dieser   verstrhiedenen  Richtungen   und  Anscliau-  j 
ungen    über    die  Unnaterie   ergreifl    der  Magister    von  Lille   für  |  J;? 
Bernhard    von  C'.hartres  Partei,     (ileieh  dem  berühmten  Pla-j 


')  Siehe  darüber  liacumkßr.  Das  Problem  der  Materie  in  der  grie* 
chiwlien  rhiloB<ip)iie,  Münster  1890,  S.  143.  383. 

*>  Bo^thii  opp.,  S.  1141:  Haec  edt  üla  prima  iiiatena,  quam  Pinto  rceep« 
tKolnm  vocat ,  in  qua  .  .  .  formantur ,  quaecunquc  reci^miitiir  «tb  ob,  cum 
tamen  nnllam  ex  eis  ipsa  contruhat  fomiam,  et  est  omniao  infurtnis.  Vgl. 
ebd.  S.  1137  ff..  1226.  1231. 

")  Siehe  darüber  Chaleidius.  ed.  Wrob«!,  S.  32d.  n.  300,  S.  375, 
n.  352. 

♦)  De  mnndi  univ.  1,  I,  v.  18—27,  ed.  Barnch,  S.  7;  obd.  I,  2.  v. 
75,  S.  11. 

*)  Ebd.  11,  2,  V.  1,  S.  35:    lum    neHum  per  mt^mbra  cbao8,     Vgl.  ebd. 

I.  2,  T.  47,  8.  10:  Erat  lijle  Daturoe  vuUuh  antiquiMsimufl. 

")  Ebd.  II,  1,  V.  ö,  8.  33:    Ecc« .  inquit .  mundus.  o  natura,  qoem  de 
antiquu  aeminario,    quem  de  vultu  veteri,    quem  de  uiHssa  confusinniH  excepi. 
')  Ebd.  I,  1,  V.  I,  S.  7:    Congeries    tnformis  adhuc  com  silva  tonerot; 

II,  IS.  V.  h,  8.  61  ;  diversum  non  aliud  quiun  hjrlo  eaque  indigcns  forroa. 
•0  Ebd.  I.  1,  T.  Ö,  H.  7: 

MoIliQS  excodi  Hilvam  pü.-nitoquo  vetemo 

Poaae  anperdoci  melioris  imagine  (beiBaracb  iiiirichhg  iiiiaginem)  forma«. 

4* 


\ 


Jj2  Alanus  Ae  Insnlis. 

tonikoi*  schildert  audi  er  die  Uranfänge  und  die  Samen  ^)  der 
k»\i*p*'rHo!»ci»  Well ,  die  materia  primordialis,  als  die  stürmisch 
und  i-^^Kt'llos.  in  Streit  und  Haß  durcheinander  wogende,  dem 
Spirl  d*^  Zufalls  pnMsgiyebone  Stoffmasse  der  Elemente*),  als 
das  ohaos  anli(|uum.  die  massa  vetüs  *).  Mi%estaUet  und 
tkAlihv'lu  also  nur  relativ  formlos,  ^Irebl  sie  nach  der  Gewinnung 
v^uuM  In^ssionm  Koriu  *).  unter  deutlicher  Bezugnahme  auf  den 
Tnuaeus  und  auf  Chakidius  nennt  sie  der  Scholastiker  eine 
.»iwvoutia  adulterina**  ')  und  mit  Boethius  lehrt  er,  wie  wir 
H\  h^m  tVrther  erwähnt  haben ,  daü  sie  nur  durch  die  Negation 
MUi  Konu  in  gewisser  Weise  erkeruibar  sei  und  insofern  noch 
\vdur  nenaimt  werden  könne  "). 

'>  Viitid.  492  ß:  Heiitinu  ntundi ;  .W»  A:  aemina  reram ;  503  B: 
|mmoi^)ia  n>niiii ,  aus  dem  StniziainiiH  Htummcnde  ÄusdrOcke.  die  aach  bei 
UtniilkAnl  vi>n  ChartreM  in  Übung  Bind  (ed.  Barach,  S.  7,  t.  2;  11,  v. 
(':^  i''>:  S3.  V.  7i)  und  auf  AuKtiHtin  (Do  triii.  Kl,  8;  Higne  42,  875)  und 
tU*f>lltiH8  (Consol.  II,  inetr  H,  od.  Polpor,  8'  48:  Quod  pognantia  aemina 
lWd«i»  |M»rpi»tuum  tenent)  zurlirkwoimm. 
■)  Anticl.  4it2  C: 

QuJH  liditi  noxu  civilia  bella  refrenans 
Et  frAtniin  rixuH  idon-ontis  oscula  pacis 
Indidit  oi  nunieri  nodo  meliore  ligavit. 
KImI    .Mm  HC: 

Ni  Htiihili  noxu,  concurdi  foedere,  pace 
TorpotuH  vicibtwque  meis  elementn  ligassem, 
Intimtinua  adhuc  Htropitus  primordia  rerum 
DJHHonn  conruteret  gemianaque  bella  moveret; 
OlllrÜH  i>xr(«pt»  Huiu,  ignara  iiieatus, 
Srnbrii  Hitu,  cunfuna  locis,  perraisto  figuris, 
FurtuiÜH  agitata  iiiodis  elemenU  iacerent. 
)  Anticl.  4Ü2  B:  <JuiH  chaoa  antiquum  vultu  meliore  redemit;  534  D: 
(Jtii    vott'H'in    massam    do  vultus  sorde  querentem.    Bist.  689  B :   Mondanam 
iimrbiiinm   vocat   abyssuin    proptor  aui    confusionem    et   obscuritatero ;    unde 
(tani  l]rM>cu8  chaos  dixit,  quod  est  confiisio. 

')  Be  pl.  n.  442  B:  cuius  vultum  miaerata  deformem;    Anticl.  492  C: 
Bum  formao  melioris  opem  vultuaqne  decorem 
Quaerorot  atque  suum  lugeret  ailva  tumultum. 
Vgl,  obd.  534  B. 

")  De  pl.  n.  442  C :    Quae  olim  tui  corporis  materiam  adulterina  prim- 

urdiaÜH   matoriao  eaaentia  fluctuanteni  in  verum  ease  prodaxi.     Vgl.  Timaeua 

b$   B :    sed  ipsuni   »ine   aensu    tangentis  tangitur  adulterina  quadam  ratione 

Mbile;    Chalcidius,   ed.   Wrobel,   S.   370,    n.  346  ff.;    Apulejoa,    de 

»te  Piatonis,  I,  6,  ed.  Qoldbacher,  1876,  S.  67. 

')  Diit.  871  A:    qnamvia   yle  proprio   intellectu  capi  non  ponit,    sed 


11.  Alj.'sebiiitt.     Die  ontologtsf-hcn  ItogrifTo  unil  Gesetzt-.  5^ 

Suchen  wir  nuniut^lir  •.tun  der  Lehre  unseres  Scholastiker:* 
und  aus  der  dt-s  12.  .liihrhunderU  das  für  die  geschiohlliche 
Entwicklung?  wichtij5o  Moment  herauszuheben.  Vor  allem  ist 
das  enerpipche  Slrehen  nach  finer  iH-tricdi^ioiidou  Auffassung  der 
Materie  al^  des  einen  wesentlichen.  Faktors  der  körperliclieii 
Din^e  von  gröläler  Bedeutung  für  die  Folgezeit.  Wir  sehen,  wo- 
hin die  christliche  Spekulation  am  Ausgang  des  lä.  Jalirhunderls 
dr^liiift.  Man  uiiterselii-idet  hen-ifs  zwiRrJirn  nialeria  prima 
und  secnnda,  und  obwohi  man  -mit  wenigen  Ausnahmen  — 
noch  an  dem  körperHcheii  Stoff  hänpren  geblieben  war,  so  daclite 
man  doch  die  erstere  als  das  alU'U  Kürpern  gemeinsame.  Be- 
stiniimuigt'n  aulnelnnende,  letzte  Substrat.  Der  bisherige  Materie- 
IjcgritT  enthielt  Merkmale,  welche  ebenso  dem  uristolelisehen 
gemeinsam  sind.  Sobald  man  nun  mit  den  Anschauungen  des 
griechischen  Denkers  über  die  Materie  nähere  BekaimL^chall 
maelicn  könnt»',  muliteu  diese  mit  der  in  den  christliehen  .Sehn- 
ion (radierten  Lehre  verwandt  erscheinen;  ja  sie  r-rwicsen  sich 
als  die  letzte  Konsequenz  des  cfiristlicherseitü  eingenonnnenen 
Standpunkts,  Man  brauchte  mir  mit  der  Forderung  der  Form- 
losigkeit und  Beslimmbarkeil  vollen  Enist  zu  machen,  und  inan 
war  lieini  Substrat,  das  in  jeder  Hinsicht  b!i>U  „potentia"  ist, 
bei  der  Materie,  welche  Aristoteles  für  das  substanliale  Werden 
voraiL*'setzt.  angelangt.  So  traten  die  Scholastiker  nicht  als  Neu- 
linge, sondrni  wohlvorbereitet  an  ilen  a  ristoteltschen  Fundatnen-  I 
talbeftrifr  heran  und  sie  nahmen  ihn  um  so  rascher  in  itir  (Je- 
dankensystem  auf,  als  sie  in  ihm  die  dem  bisher  überlieferten 
Maleriebegi'iff  noch  anklebende  Inkonsequenz  vei-niieden  fanden. 

b.  Form. 

Der  mittelalterliche  Formbegriff,  sowohl  der  falberen  wie 
der  späteren  Scholastik,  zeigt  mit  Rücksicht  auf  seine  geschieht- 


J 


iantmn  per  forme  abncgatiunem,  tainen  quoqoo  modo  intelligitnr.  (Nach  Cod. 
Mon.  7998.  s.  XUI.  fol  77". i  Bei  Bofthius  (r.  Kulych.  *•!  Nest.  1,  oil. 
Peipcr.  S,  1H9}  IimUit  die  bezügliche  Stdie :  deiw  et  mattrria  integro  per- 
fecioqu«  tiitollei'tii  intellegi  noti  posMunt ,  si-d  aliquu  tarnen  modo  ceteraruiii 
rerum  privRliono  capiantur.  Vgl.  olien  S.  21  a.  43.  Siebe  Johannes 
Sareub.  (Mctalog.  Jl.  20;  Mignc  199.  883  A),  der  sich  ebenfalls  auf  Bo6- 
thins  «tatzt. 


S4 


Almms  He  Insulis 


liehe  Enlstclmny  ein  doppeltes  Gesicht.  Er  vereinigl  mit  einem 
platonischen  ein  aristoleligches  Element. 

Der  Zusanmienhatig  mit  der  platonisclien  Spekulation  ist 
gegeben  in  dem  Verhälliiis  von  Form  und  Idee.  Die  bereits 
bei  IMiilu  und  dem  Plaloniker  Albinus')  vollzogene  Scheidimt? 
beider  und  dio  Idenliiizieiung  der  Ideen  mit  den  jfötlUchen  Ge- 
V.  danken  ging  durch  Augusti  II,  Matrobius,  Priscian*),  Apule- 
'jus-')»  (IhaU'idins '),  Hürlhius  und  P>4'udo-I>ionysiuj!  auf 
das  MitlelaUr.T  QU-r.  Mit  aller  Deullii-hkeil  nntiTscheiden  die 
christlichen  Scholastiker  die  Ideen  als  die  Ot^;mkHi  Golt^  von 
den  Formen  der  Dinge  und  dacliten  die  letzteren  als  die  Abbij- 
d^  jener  ewigen  göttlichen  Urbilder. 

Ward  so  das  ^anze  MillelalttT  hinduRh  in  platouisii-ren- 
der  Weise  die  Form  in  abbildliche  Beziehung  zu  den  {/öttlichon 
Gedanken  gebracht^  so  koinnit  Aristoteles  zu  seinem  Rechte, 
wenn  die  ForniL-n  als  ininiancnle  Principien  der  Dinge  be- 
trachtet und  mit  den  begrifflich  er  faUlen  Wesenheiten  itlenliliziert 
werden. 

Diese  allgetneinstenr   histonscli   bedingten  Grund/.Oge   zei(^ 

der  FornibegrifF  auch  bei  unserm  Alanus.     Mit  Boetliius  lehrt 

er,  dalä  ilie  Formen   der  Din^'-e    aus   den  ewigen  Formen  in  der 

J  göttlichen  VW^isheil  ihren  ürspning  genommen  haben '^),  daü   sie 

/  die  Phantasmen   und  Schaltenbilder  der  göttlichen  Ideen**)  seien. 


')  Siehe  tlnraber  Btteiimker,  Problem  (W  Materie,  S.  373,  Auni.  3. 

*)  Auf  diese  drei  AutonUteii  beruft  sich  z.B.  Abaplnrd  (in  Hexaöra.  ; 
Migne  178,  788  AU;  iotrad.  ad  theo).  I,  9;  II.  16;  Mi^^ne  178.  991  A. 
1080  C;  tlieol.  christ.  IV;  Migne  178,  1307  A  ff.l.  Vgl.  Deutaeh,  l»et«r 
AbÄlard,  Leipzig  1883,  S.  208. 

')  In  seiner  Schrift  de  dogmote  Platoni.s,  I,  6,  etl.  Goldbiioher,  Wien 
1876.  S.  67  ff. 

*)  ed.  Wrobel.  S.  367.  n.  344:  Quippe  Beconda  species,  id  est  uativ», 
mutimtiir  Biibutantiam  de  specie  principali ,  quoe  aine  ertu  edt  et  aeterna, 
cenMta  ideae  nomine.  Vgl.  8.370,  n. 347.  Ana  0halcidiu8  nimmt  offenbar 
Gilbert  seinen  bekannten  .Viiadmck   .funna  nativa'.     Siehe  oben  S.  23. 

")  Siehe  hicrflber  S.  25,  Anin.  1. 

"0  Anticl.  -498  C : 

<jualit«r  in  moiido  phantaama  remiltat  ideae, 
CuiuB  inoffensiiB  »plendor  aentitur  in  nmbra. 
Dist.  866  B  :    Mundas  dicitiir  aapientia  Dei ,    iuxtA  quani  munduit  factua  «st. 


IT.  Abschnitt.     Dir  ontolügisclien  Bugriffc  und  GcsoUe.  55 

die  Formen  der  Formen*),  tlie  Gopien  der  gcistigon  \Vi:it  •).  Zu- 
gleich aber  werden  sie  als  die  in  den  BegrilTen  erfalile»  Naturen 
oder  Wesenheilen  '),  als  die  tconstitnliven  Faktoren  der  Dinge 
angesehen,  weiche»  den  Dini^^eti  ininmnent,  ihre  Wirk.sainiteil  eriU 
fallen,  sie  /um  Sein  fülu-en,  das  Sein  erzeugen,  es  veränilem 
und  erhalten  *). 

Die  KoniH'n  scheiden  sich  nach  dem  Effi-cl  ilirr-s  Wirkens 
in  formae  substantiales  (proprielates,  causae,  naturae  substan- 
tiales)''),  welche  die  Materie  zur  Wesenheil  der  Dinjre  ergjuizen, 
das  wesenlhdie  Sein  verleihen,  den  WesensunlerscJiied  hwlin- 
gen ').  und  in  formae  accidenlales  (proprielales,  eausae  acci- 
denlalf-s) '),  welche  zu  dum  seiner  Wesenheit  nach  bereits  konsti- 
UiierLen  Ding  hinzutreten  ")  und  den  (irund  seiner  itulivithu-Üen 
Bestimmtheiten  bilden  =*}. 


4)iiHe    n    prophetiH    dicitur  archetypn«  mundiu,  quAsi  principRÜa  mandi   ÜgurH, 
uudt'  Ikii'thiuM  (oona.  HI,  nietr.  '.*.  ed.   Pciper,  S.  71,  v.  7): 
Pnlrbnim  puicliemiiius  ipse 
Muiidum  mentti  gereas. 
')  Anticl.  498  A  : 

8tibi«cti  86>it<>  iion  deflorata  iiivAiitua 
Konimnim  forma»  scmpcr  fat-it  esae  pueltaä. 
*)  Anticl.  hM  D: 

(Jui  rcnim  spveies  et  niundi  aensitiB  nmbrAni 
Duciü  ab  exemplu  mundi  iiieutali»  uutiduin 
ExteriiiH  pingen»  («rrvstriH  iiuagint)  fontiiie. 
Die  Stelle    ist    «ine  Nachahmung    von  Bo^tliius  (Jonsolatio,  III,  nielr.  tf,  od. 
Peipor,  S.  71,  v.  7  ff. 

*)  Siehe  hierQber  oben  S.  25. 
')  Antid.  497  U : 

l^iiac  rem  cM^Dducit  vcl  quoe  perducit  ml  e.sse, 
ijoae  genenit,  qaae  mutat  eam.  quae  4prvat  in  enae. 
Vgl.  Johannea  Hareab.  (UeUlog.  II,  20;  Migtie  1911.  »^3  C}. 

*")  A.  f.  Prol.  598  A  :  Proprietaa  est  alia  sitbstanttaliH,  alia  aci'idGtitaliif. 
Ober  die  verachte  denen  'I'ennini  vgl.  oben  S  US,  Anm.  2.  .\ui'h  Johannes 
Sareab.  (Metah  II.  20;  Migne  19i),  8S2  D  trifft,  aie  l'nterscbeidiiDg  v.>n 
formae  substaiitiales  und  occideiitales. 

")  A.  f.  Prol.  n98  A  :  Siit^stantialia  mt.  c|iiai'  cuinpoiiitiir  bubiectao  nia- 
teriae  ad  cuinplendam  Bubstantiam. 

^}  Siehe  Anm-  5  und  oben  S.  24.  Anni  ,5. 

")  A.  f.  Prol.  598  A  ;  HccideiitallH  eat,  quae  est  adventitia«  natura«. 
Khd. :  Afciden«  est  proprietuM.  «juae  per  suhiBClura  existit  eidem  esse 
pon  oonfereti»«  -sed  differre. 


( 


56 


Alands  i\c  Insulin. 


Finden  sich  die  bis  jetzt  berührten  Momente,  das  Verhält- 
nis dfr  .Form  xur  Idee,  die  Identifizierung  niH  den  besrrilTlicheü 
Wesenheiten,  die  UnterschcidiinK  in  siilisliuizialp  und  arcidenlelle 
Formen  im  Wesenlliflien  ebenso  bei  den  Lehrern  des  13.  Jahr- 
hunderts, so  springt  doch  iler  t'ewallige  Fortschritt,  welchen  die 
sprtlere  Metaphysik  f^ejfenfiber  unserm  Alanus  zu  veraeichnen  hat, 
fiofoK  in  die  Augen,  sobald  wir  von  den  trenannten,  mehr  ull- 
jyerneinen  BesliinrnunKen  der  Kenn  al>sehon  imd  fragen,  wie  sicli 
der  SdiolasÜker  dim  Foririprincip  als  solrhes  gciliirbt  habe. 
.^  Alanus  rieliniert  die  Form  als  die  Proprietät  eines  Din- 
ges 0  oder  an  einer  anderen  Sltflle  als  die  Summe  von  Proprie- 
t.lten.  welcln'  in  ihrem  Ziisaminentreffen  dorn  .Subjekt,  dem  ^e 
inliiirieren,  ein  von  jedem  anderen  Ding  vtrsrhiedeties  Sein  ver- 
leihen *).  Die  Form  ist  also  nicht,  wie  in  der  späteren  aristo- 
telischen Seholiistik,  ein  in  sich  völlig  einheitlichem,  unteilbares, 
unter  die  Kalegoiie  der  Substanz  fallendes  Prineip,  sondern  eine 
Kigeiischall  urler  ein  Ooniplex  von  solehen.  Die  Wesens-  oder 
snbstanziale  Form  erscheint  als  tue  Summe  der  im  Begrifl  ent- 
haltenen, wesentlichen  Merkmale  o<k'r  Eigcnschalten .  wfdirend 
die  acridenlellen  Formen  die  auüerhalb  des  Begriffes  lii^'onden 
Bestinnntheiteti  des  Dinge;;  umfassen  '),  D<t  (legensatz  von  Ma- 
terie luid  Form  gestaltet  sich  deniiiach,  ahidich  ^vie  bei  den 
Stoikern,  als  ein  solcher  von  Substrat  und  Eigenschaft,  Sub- 
jekt und  Proprietät  kimslituferen  ilie  Dinge.  Aiicli  die  geistigen 
WrstMi  wurden  aus  diesen  b(,!iden  Faktiwen  zusanmiengesetxt  be- 
trachtet*). 


')  Dist.  796  D:  Fonnu  dicitor  proprietRs  roi .  nude  Bu^tÜiius  {dv  tri«. 
2,  ed.  Peiper,  S.  152):  considerat  en'im  corponioi  formas  i.  e.Jpruprietalee, 
qtiae  dine  muteriii  efutt'  non  poasunt.     «NnchCod  Mon  7}>d8,  S.XIII.  Toi.  47''.) 

')  A.  f.  Hrol.  Ö97  ft :  Kormfl  e«t .  quae  ex  «.-utieuräu  proprictatum  ttd- 
vcniflns  n  qimlihet  alia  substaDtia  facit  suum  subiecturn  aliud  cd«e.  Ebd.  II, 
2$,  61U  A :  ^>i  funnae  deHcriptionom  attf  tida»  in  priiiiu  libro,  inveniea  eam  ex 
proprictatihns  coDcurr<>ntibiiB  conntarp. 

')  Reg.  11  (Dach  Cod.  Lilienfeld  144.  fol  llSrb;  Riebe  oben  S.  22. 
Anm.  2) :  In  nataralibna  autem  causac  äubistniitja]t>^ .  {cpn4>ralea  vel  tupecialee. 
composituc  Hunt  vx  portibu»  aaaniin  difBnitionum,  iit  haee  epecies  humo  com- 
poflitn  est  px  genere  nt  substoDtialibns  dtiferentiia  CaiMa«  v«>ra  accid«nt«les, 
tif  albedn,  nigredo  compo«itae  »luit  ex  diversis  efi6ctibiia. 

*)  ü.  11.  I,  8,  314  C :     Item    cum    diubidus    mutabUis    ait  et  vannbilis, 


V.  Abschnitt.     Die  ontologi»clien  B^fp-ifTu  und  (»osetzc.  öT 

rier  Srliolaslikcr   zu    tlieser  Gleichsflxung 
Kij^enst^liaflen    und    rnll    Komplexen   von 


Wie  kointnl   nun 
der   Formen    mit   den 
solchen  V      Sihon    bei    Boetliius    werden 
körpeni     Wfsonl  Hellen    EiKi'nseharteii    mil 


mit 

die    den    Klrnirnlar- 

«leni    Ansditirk     for- 


'mae  belegt'),  und  bereits  Gilbert  hatte  die  Untersebeidun^ 
in  proprietates  accidentales  und  subslajiti:ilt's  gHtrolTfU, 
wobei  unter  den  letztem  die  Wesensfonui-n  (ier  Dinpe  vi^rstaii- 
den  werden  *|.  Nacli  lier  Lehre  des  Bischofs  von  Foitiers  ist 
ferner  die  Fonn  kein  einfaches  Princip,  sondern  ein*-  Totalitnt. 
eine  Summe  von  Teilen,  von  Teilqualitüton  *).  Mögen  nun  auch 
diese  Autoritäten,  insberiondere  (iilhert,  bei  dvr  AulVassunir 
unseres  Scholastikei*s  mitiJrewirkl  haben,  so  ist  der  tiefrrr  firund 
(loch  vorwii-ijend  darin  zu  suchen^  daii  sein  Formbejrriff  nicht 
der  Betrachtung  realer  Naturthatsachen  enlsprinfrt.  sondern  aus 
der  Logik  herausgewachsen  isl.  Die  (retfenfdjerstellunK  von  Sub- 
jekt und  Proprietät  in  der  Metaphysik  ist  der  ifetrenr  Abdruck 
des  logischen  (-iL'^feiisatzes  von  Subjt^kt  und  l^rAdikat.  Die  jre- 
dankliche  Verbindung  der  letz-tern  im  Urteil  wii-d,  auf  die  Autlen- 
welt     übertraK«*"  i     zm*     meUipliysischen    Zusannnenset/ung    der 


ftliqiia  est  in  oo  compoaitio  salfctn  propriotatitt  Atl  aubioctnm.  Vf^I.  Kcfc.  L 
623  B  ;  Keg.  ä,  626  A  :  qiiia  spiritalihua  multiplex  est  concreta  prnpriftHN. 

^)  De  triii.  2,  t'd.  PeiptT.  W.  löU:  t*rra  quoqne  ips«  non  spciinilutii 
^jtunr  vkt}v  dicilur,  aed  «eüuncluin  siccitatfin  {i^ravitateinqiie,  quae  sunt  fonuso. 

•)  BoNhiiopp.,  S.  1128:  ut  Platunis  et  Ciwrunia  non  bolum  accidentaleu 
proprietatea ,  voram  <'t  Buhntaiitiales,  qnibus  ipsi  sunt,  verhi  gratin  vet  di- 
versa  corpore  vel  diverai  lioiuines,  diver>iat'  sunt.  Vgl.  dazu  S.  1281.  Hi»'r 
wird  aber  unt<>r  suliatantiali«  propriotas  nicht  die  Wesenbeit  st'lbat  verstau- 
den,  tiundeni  eine  west'ntliche  Eigenachaft ,  z.  H.  dit  rationalita-s.  Aucb  P«-- 
trua  Pictavienais  (dvn  Cvarneriua  von  Hncliefort,  Uag.  thfopb.  symb., 
t,  5,  cod.  Troyes4.V*,  fol.  Ti^ ,  ausachreibt)  nennt  die  'individuell^}  aubstanziale 
Form  eine  «propriftas'  (Sent.  I,  €:  Migiie  211.  8Ü7  A). 

^)  Ebd.  S.  1141 :  CuiUHÜb»'!  cnim  aubäiatentis  tota  forma  subalantiae  non 
aimpicx  cat  .  .  .  .  ut  de  aliquo  boniim-  tota  forma  aubiitantiae .  qua  ip8e  est 
perfectus  homo,  et  owne  genua  omnisque  diffcrontin,  ex  quüiua  est  )]>sr  citin- 
potdta,  ut  corporolitaa  et  animatio  et  huiusmodi  aliae  et  deni(|ue  •>nmia,  quae 
vel  toti  illi  form««  adannt  ....  vel  aliquibua  partibua  eins.  Daß  diese 
Aafiassunf!  der  Form  wieder  in  BoJ^thins  wurzelt,  xeigt  Gilbert  seibat  (S 
1142)  durch  die  BcruFung  auf  den  boethianiachen  8atz  (de  trin.  2,  ed.  Pei* 
per.  8  l.'i^  :  uniiniquudque  euim  habet  esae  auutn  ex  bis  ex  quibus  eat,  id 
est  ex  partibua  auia 


7 


ftl  AUmu  d«  Insulis. 

Oint«* ').  Dif  Fakloron  des  realen  Seins  sind  infolge  einer  ex- 
Ircnt  ri^il ist i sehen  Denkweise  den  lo^rischen  Teilen  des  Urteils 
HiiL-likonstruierL  Die  Teile  oder  Merkmale  des  Begriffs  werden 
zu  niflaphysisclien  Teilen  der  Form,  die  ja  das  objektive  Corre- 
lal  des  ersleren  darstellt. 

Dieser  Ursprung  des  Fornibi-griffs  verrät  sich  auch  in  man- 
chen Wendungen,  mit  dt-nen  der  Scfiohistiker  die  Art  der  Ver- 
bindiiii^r  der  beiden  Wesensbestandteile  zur  Einheit  der  Sub- 
stanz   hesciirciliL      Die   Tivimun(,r    von    Materie    uttd    Form    ist 

1  nfimlich  nur  tht'oretisch,  in  Ge<lanken  vollziehbar*),  in  der 
WirklichkiMt  koninil  ue<U'r  dem  einen,  noch  dem  undcni 
Princij»    eine    gf-sondiTli-    Existenz    zu  ').       Ihre    \vtH-hscIs»*itijre 

y  Verbinduiii?  ist  din  BedinjfunK  ihrer  eijfenen  Wirklidikeil,  wie 
die  der  Substanz  *).  Auch  die  Unnateric,  wie  wir  sahen,  exi- 
stiert nicht  ohne  alle  Form^.  Beiden  Principien  eignet  von  Na- 
tur aus  eine  gewisse  Fähigkeit,  ein  Streben,  sich  zu  verbinden "). 


')  Si«he  üben  S    23,  Anin.  3  und  4. 

*)  Dies  und  nicht«  andere»  iKi  diT  Sinn  jener  Stelle  im  Anticl.  498  A, 
H(iH  welcher  it&ur^aii  (BiKt-  de  ta  philoij.  svol.,  1,  S.  527)  dit>  Lehre  von 
einer  Halbstündigen  Exiirtcnz  mtwohl  der  Materie  al$i  «urh  der  Fonn  Iieraua- 
losen  will.  Die  drei  Spiegel  der  Katio  sind  utTenbar  nur  eine  poetische  Um- 
schreibung der  von.  UoJ'thiuH  (dt*  Irin.  2.  ed.  Peiper,  ä.  152l  im  An- 
tH'hlaü  an  die  aristiftelische  Dreiteilung  der  theoretischen  Wisscoachafteu 
geforderten  dreifachen  RrkenntnisweiKe,  Dämlich  des  rationabiliter  auf 
dem  liebiete  der  in  Bewegung  befindlichen  Naturdinge,  des  disciplinaliter, 
dcH  mathomatim-hen  wler  abstrnktiven  tlrkennenH(Heg.  HO,  63>^  D:  Nomina  ma- 
thetnatica.  aiv«  pnncipaÜH  Hpud  natumlem  phtIo5<iphiiiti  dicuntur  illa  ,  qune 
signtticont  proprietat^m  [statt  des  unrichtigen  iniproprietatem  dew  Text««] 
matheniBtice  id  est  uhstrnctivc,  nullo  habit«  reapecta  ad  subioctuni.  ut  ntbedo, 
nigredo)  und  des  intellectualitor  auf  dem  Gebiet«  der  unbewegten,  imma- 
teriellen göttlichen  Dinge. 

')  A.  f.  I,  4,  599  B:  Neqne  Mibtecta  mat«ria  eine  fomiA.  nequ«  formH 
sinu  snbiecta  mat^ria  actu  potettt  ease.  Vgl.  .Iithannes  SHresb.  iMetalog. 
11.  20  :  Migne  190.  8><3  \^\  HAnri^Bu.  a.  n  <).,  S.  502,  hftttc  diascn  SaU 
nicht  kurzweg  ala  einen  nominal  ist  ischen  bezeichnen  aollen 

*)  Rbd.  I,  5,  690  C:  Compositioneni  formae  ad  materiani  eese  caosMii 
subntantiae  ....  Ergo  forma  et  muteria  actu  habeot  esse  per  compositioneni 
earum :  ergo  compositio  est  cjuisa  existentiae  eanun.  Sed  exintentia  earum 
est  cauaa  mibfltantiae. 

*)  Siehe  oben  S.  52. 

")  Reg.  .*>,  626  A:  Aut  aptitudine  componendi ,  ut  qiiaelibet  proprietM^ 
i^uae  ....  tarnen  ad  hoc,  nt  componatur  sabiect«  (statt  subiectiu),  e6t  aptiii 


iL  Abaciinitt.    Du-  uiitülogiwhen  Begrifftt  un^  (lesetze.  59 

Die  Weise  der  Vereinigung  selbst  alier  fienkt  sich  Alanus 
nach  Analogie  eines  ehelichen  Verhältnisses  (connubiuml,  nach  Art 
eines  Kusses  (oseulum) ');  etwas  nüchterner  hezeichnet  er  sie  an  ^ 
anderen  Jitcllen  als  ein  Eingeboren-werden  der  Forrn  in  die  Ma- 
terie-),  als  eine  Verwachsung^),  eine  Verkettung*)  mit  dem 
Subjekt,  als  eine  inhärenz^)  in  demselben:  Ausdnicke,  von  wel- 
chen die  beiden  letztem  lebhall  an  ditj  Verbindung  und  das 
Verhältnis  von  Sul)jekl  und  Prädikat  im  Urteil  eririii<-m. 

Wenn  wir  nun  nocli  einmal  die  ij-hre  von  der  Form  über- 
blicken, st)  ei^ebt  sich  4iie  bistoriseh  hfachtenswerte  Thalsache, 
dali  ebenso,  wie  der  Begriff  der  Materie,  so  aucli  jener  der 
Form,  schon  ehe  die  Physik  und  Metaphysik  des  Aristoteles  be- 
kannt \vurde,  eineJi  integrierenden  Bestandteil  der  chrislJichen 
Spekulation  bildete.  Zwar  besaß  sie  noch  nicht  den  aristoteli- 
schen Formbegrilf  in  semer  vollen  Reinheit  und  Tiefe,  sowenig 
wif  den  der  Matcnc  Wir  halx'U  bereits  jenen  Punkt  aufgezeigt, 
in  welchem  das  eingebende  Studium  der  aristotelischen  Philoso- 


juit  iiptitudine  compogjti ,  ut  primordialU  inateria  wcundum  philoRophoa  dtce- 
Kalui-  nxupoeita ,  qui»  ad  hoc,  ut  «i  aJiqiiid  eomponeretiir,  erat  apin.  Vgl. 
Antkl    4;i2  C: 

Dum  forniap  im-liorm  opoin  vultiwcjuo  decorem 
(^iinercrct  atque  siium  luj^crct  silvu  tuiniiltuni. 
*)  Anticl.  497  C : 

"■" 8nbiecti  formoeque  videt  connubia,  cernit 

08€iila,  qtiae  mmcet  concretto.  quoeve  propinat 
L'nio  nativa  formiM  »uliiectji  inaritai». 
Die  Ausdrtcke  .uni"  nativa"  und   ,concictiü'  dent«n  auf  Gilbert'schen  Ein- 
fluß.    Vgl.  BoPtliii  opp..  S.   113H  ff. 

';  A.  f.  I.  25,  ß03  D:  fonnAm.  quae  innaacitur;  ebd.  1.  2ö,  604  A: 
Matcn'ae  forma  innata. 

^  Siehe  Anm,   1      Vgl.  Re»;.  30,  636  A 

*)  Dist.  922  C:  Katiü  dicitur  ürnia  cnnnexiu  oxiat«tittac  ad  suum  mib- 
iecttim  ,  unde  Hilariiis :  veriUs  est  ratio  substantioe  rei,  i.  c.  rata  connoxio 
ßubstantiali»  proprietatit^  ml  »tnini  subi«*cium.  Vgl,  Reg.  ö8,  tt49  A  :  aliquid 
incipit  esse  album  per  concnt('nationi!ni  »ubstantiae  et  proprietatis  (Cod.  Li- 
lienfeld 144  hat  roncretioneni). 

'')  Diar.  922  A :  Ratio  eät  potentia  animae .  qua  anims  comprehendit 
inhmerentiam  proprictatis  in  auhieci« .  HM-undiirn  quam  roitsiderat  quid  re«. 
quanta  res.  quaJin  res.  Reg.  50.  642  D:  In  naturalibua  enim  aliquid  prae- 
dicntur  per  inhaerentiam  .  quando  aliqaid  ostenditnr  alicui  inhaerere  vel  con- 
venire  taraquam  rei  pruprietan. 


(tu  Alanus  dö  Insulia. 

pliir  t»ii»r!i  cutschvidonden  und  weitreichenden  Fortschritt 
tM'tu'htt\  hrtiulirh  ilio  Fassung  der  Fonn  als  eines  einheitlichen,  unteil- 
Imi't^n»  sulislun/.ialen  Princips,  in  welchem  nicht  bloß  die  Vielheit 
drr  KiKvnwhunt^n  ihn^  Wunel  und  ihren  Grund  hat,  das  auch 
riiir  rbo»'tmK»"V  **"•  *'«*'  ptlanzliclie  und  tierische  Lebensprincip 
\\w\  Huf  dit»  jn^isliKt^  S*H^lo  in  ihrem  Verhältnis  der  Materie 
m>tvuai«'r  »ulioli.  AlKnn  wenn  die  christlichen  Denker  vor  dem 
\X  JahrlmudrrI  die  Form  als  den  zweiten  konstitutiven  Faktor 
der  Oiujte  daehleiu  wenn  sie  ihre  hauptsAchlicIiste  Funktion 
durtu  nalieiu  den»  Oin^v  tlie  im  Begriff  erfaßte  Wesenheit,  das 
weHenllit'he  Sein  /.u  trehen.  wenn  sie  die  Formen  einteilten  in 
wulwliiit/iule  nnd  aocidenlelle,  wenn  sie  femer  der  Form  ein  wirk- 
lii'hes  Sein  nur  in  ihrer  Verbindung  mit  der  Materie  zuschrieben, 
H(t  wurm  damit  dm-li  wesentliche  Bestimmungen  des  aristoteli- 
Nclien  Fornüiegriffs  gegeben,  und  die  Scholastiker  fanden  bei 
dem  bekuimt  wertenden  Aristoteles  eine  Bestätigung  ihrer  eige- 
nen Tradilioii.  So  erweist  sich  auch  hinsichtlich  der  Form  die 
Kiilwifklung  der  späteren  Scholastik  bei  allem  Fortschritt  als 
eini'  continuierliche,  als  eine  Weiterbildung  der  Lehren  der 
iVilheren  christlichen  Jahrhunderte. 

5.  Werden  und  Veränderung. 

Materie  und  Fonn  haben  wir  als  die  Wesensbestandteile 
der  körperlichen  Dinge  kennen  gelernt.  Auf  die  gleichen  Prin- 
cipien  greift  nun  der  Magister  von  Lille  zurück,  wemi  er  Ver- 
änderung, Entstehen  und  Vergehen  zu  erklären  versucht. 
Das  die  griechische  Philosophie  bis  zu  Aristoteles  beherrschende 
Problem  des  Werdens  tritt  aber  bei  dem  mittelalterlichen 
Scholastiker  in  einem  ganz  andtjm  Zusammenhange  auf.  Nicht 
die  Betrachtung  der  Naturvorgänge  in  erster  Linie  drängt  ihn  zur 
Aufstellung  einer  Theorie  des  Werdens,  sondern  theologische  Leh- 
ren, wie  das  Geheimnis  der  Transsubstantiation  '),  die  Lehre  von 
der  Einfachheit  Gottes  %  von  der  Auferstehung  des  Leibes  und 
der  Weitemeuerung  ^)  veranlassen  ihn,   auf  das  Wesen  der  Ver- 


')  C.  H.  I,  58,  360  ff. ;  Reg.  107,  678. 

»)  A.  f.  I,  13,  600  D  ff  ;  ebd.  Prol.  598  A. 

■}  C.  H.  I,  26,  326  D  ff. 


tE.  Abschnitt.     t)ie  ontobgisehen  Begriffe  und  (rneiz».  ßl 

ändorung,  i\\e  dabei  betcili^rten  Kaktoren  und  auf  eine  Klassifi- 
kation der  einzelnen  Vernrnlerungsarten  einzugehen. 

Die  Veränderung  (niutulio)  wird  hestiniint  nU  das  Hinzu- 
treten einer  Proprietät  zum  Subjekt  und  das  Vei-seluvindcn  einer 
andern  ^),  als  ein  Kommen  und  tJehen,  ein  Wechsel  der  Proprie- 
tilten.  Im  Subjekt  Iieg:t  der  tiefere  (Jrund  für  alle  Watuiotbar- 
keit.  während  die  Proprietäten  an  sieh  ein  unverändrrlic.lies, 
kouHtuntes  Eüenienl  repräsentieren.  Ihre  V'eründerhchkfit  uiui' 
ihr  Vergehen  erklärt  sich  lediglich  aus  dem  „fluxus"  der 
Materie  *), 

Mit  den  aristntcfischen  Kategorien^)  unterscheidet  der 
Insulenser,  gleich  (iilbert^),  sechs  viTschiedene  Arten  der 
Veränderung  oder  der  Bewegung,  nämlich  generatio,  corruptio, 
augmentum,  diminutio,  secundum  locum  niutatäo.  alteratio  ^). 
Ohne  aber  weiter  auf  diese  Einteilunji  zu  rellektiLTi'n,  setzt  *t  an 
deren  Stelle  eine  Dreiteilung,  die  uccideritelle  und  subslatiziale 
Veränderung  und  die  Verwandlung  (Ut  TnuissubrilanÜation. 

Die  accidenlelle  Veränderung  (alteratio,  transilus  acci- 
<]entulis)  ei-streckt  sich  auf  die  äußeren,  accidentelJen  Qualitäten, 


')  C.  H.  1,  8,  814  C:  cum  rautatio  nihil  aliud  ml  quam  occessus  uuius 
proprtetatiti  nd  atiliiectutii  (alierius)  et  rt^;4'AHitö  alteriua. 

')  Dtflt.  Wl  D :  .Stini  HliqimiHlu  oütut  hiimutabilitat«iii  rei ,  unde  BoM- 
thina  in  aecnndo  proIngo  super  arithTiintif^Ani  ^1,  h,  ed.  Friedlein,  Leipzig 
1867,  H.  7,  V.  2&):  tSapientia  est  eoruin  ,  quac  sunt,  quae  eui  inirautabilem 
sortiuntur  sul>&tantiani,  Icoinprehcnaio  veritatial,  i.  e.  proprieUtuui,  quac  in  se 
sunt  immutAbilcs ;  quod  enlm  inutantur,  a  sulieclis  halieut  (Nach  Cod.  Mon. 
7998,  iol.  114*';  das  xwisflien  [  |  Stehende  fÄlIt  in  der  Handschrift  aus).  Das- 
selbe Citat  aua  Hui'thiiiH  Aiithmetik  tiiidtH  Mfh  C  H.  I,  HI,  33H  H;  ebd. 
383  A  :  Quidqutd  curnimpitur  ,  nitt  currumpitur  .  .  .  .,  aiit  tiuxu  materiei,  ut 
pruprieliu.  Omni»  enini  pruprietoa  in  ae  imniutabih's  est ;  quod  autom  de* 
siuat .  ex  Huxu  niateriei,  in  qua  est,  habet  (statt  habetur).  Ahnlich  ftu&ert 
»ich  Johannes  Snresb.  (Metalog.  IV,  35;  Migne  199,  938  Ü),  ebonfalla 
unter  Berufung  auf  die  Arithmetik  des  Bo^thius:  fomiae  matcriei  centactu 
quadam  ratione  variantur. 

')  Ariatot.  Catcg.,  c.  14.  Vgl.  besonders  den  Kommentar  des  tio6- 
thivs  hierzu  (Boethii  opp.,  S.  211  ff.). 

*)  BnCUiii  opp.,  R  1229.  Auch  Abaelard  behandelt  die  Vorgänge  der 
Verfinderung  im  AnHcbIu&  an  die  KaLegurien  und  den  Kommentar  des  Bo^- 
tliius  (Uousin,  ituvragiia  inedita  d'Abölard,  Parts  1836,  S.  414  tF.J. 

')  A.  i.  Prol.  Li9M  A;  ebd.  wird  die  Bewegung  (motua)  deüniert  als 
„aocidensj  quod  attenditur  aecundnm  aliqtum  aubiecti  mutationem*. 


4ft  AbBOB  Je  Inaalu. 

ohne  das  Wesen  dt^  Dinge  selbt  zu  berühren ').  Wenn  ein 
weißer  Gegenstand  schwarz  wird,  so  entsteht  das  Schwarze  nicht 
aus  dem  Weiß  al>  ^finiT  Materie,  .sondern  die  eine  Qualität 
verschwindet,  subald  die  andere  eintritt  %  Eine  Ven'inderung 
der  bt*ieiclinelen  Art  ist  die  Emeuerunjf  der  Welt '')  am  Ende 
<ier  Zeiten  imd  die  NeugestallunK  des  Auferstehun^leit)es  *). 

Tiefer  jrreift  die  substanziale  Veränderung  falteritas, 
transitus  ^ubstatdialis)  ^).  Sie  be:^:hränkt  sjcli  nicht  blo&  auf  die 
Äußeren  Accidenzien.  sondern  sie  trifft  das  Wesen  der  Dinge 
selbst.  Auch  die  substjiriziaieji  Proprietäten,  die  subita nziale 
Fomi  oder  Natur,  werden  in  den  Wechsel  hnieinf?ezo]^en,  und 
als  Rest  verbleibt  die  Materie  *•).  AU  Beispiel  einer  äiü)stanzia- 
len  oder  Wesensverrindi^niriK  figuriert  die  Verhandlung  des  Was- 
sers in  Wein  0  *if>d  an  einer  andern  Stelle  die  ^)enäo  nur  gött- 
licher Wundeniiacht  mögliche  Verwiindlutiy  eines  Baumstammes 
^  in  ein  Kalb  *").  Das  „substanliale"  des  Wassers  hört  aal  und 
das  „substantiale''  des  Weines  flSngt  an  zu  sein**),  und  im  letz- 
lern Falle  löst  GoLl  die  Natur  des  Stammes  von  seinem  Sub- 
jekte los  und  prögt  ihm  daPör  die  Natur  des  Kalbes  ein  "*). 


')  C.  H.  I,  26,  327  B :  mtelligendum  est  Je  transihi  Aocidentali .  nob 
(In  Hubatantiali ;  dod  enim  intelligenduni  est  caelom  et  tcrram  ita  tran^ 
iturK,  quod  deainant  esae  vel  maleutur  in  aliud  ,  qui  trarmituä  dubstantiaÜH 
cni,  Hod  iroiiaibunt  »ecimdani  oxUriorvH  quHÜtutcH  Rog.  107,  678  B:  Alif>- 
ratio  Hubiectt  est  suciinduit)  a<:cii]entulua  prnprictatcs.  C.  H.  I,  58,  3Ö0  B: 
In  liac  muttttione  manet  subiüctum ,  inancnt  ut  unlistanti&Ua  ,  aed  noo  manent 
([tiotidiini  iiocidcntalia. 

')  C.  H.  1,  58,  SOO  B :  aed  non  eoncedimtw,  quod  de  albo  fi«t  nignun, 
De  albuni  intclligatar  enae  niatoria  nifcri;  ,de*  entrn  materinm  notat  (Nach  Cod. 
Bernensis  335,  a  XII  ;  Qbui-  ili«  HaiidHc-hrtfl  aiohL«  Bacuinker,  Thilos.  Jahrh. 
d.  tJörresges-,  Hd.  VI,  S.  417);  tibd-  III,  U,  414  C:  In  accidentinm  enim 
quonindnm  aUiTatioiH* .  cum  homo  uigur  fit  albua  wu  albua  niger ,  9up«>rv«>Di- 
i^nte  altero  perit  ünmiiio  iLlt«nini. 

•)  C.  H.  I,  26.  327  ß.  —  ')  Ebd   328  A.  —   ■)  fliehe  Anm.  1. 

^)  C.  H.  I,  5H,  360  B:  Alteritoä  voro  cat  illa  speciee  mutAtionia,  in 
qua  iiiaüente  eadom  niiitoriii  non  rnani'nt  mibatantialia  ....  Qtuedam  eiüun 
lUTtdeuliiliu  inutata  Hunt.     Vgl.  Heg.   107.  678  B. 

^  C.  H.  I,  .'»K,  800  BC.  -  •)  Reg.  58,  (M8  C. 

*)  0.  H.  1.  5H.  360  C:  nam  illud  sulutantiale ,  quod  aqna  «rat,  dctaiit 
esAe  aqua,  et  illud,  qa<id  vinum  v»U  vinum  t*ii>iv  iocuepit 

'")  Reg.  5fl.  ttiü  C :  poasot  tnmcn  duua  nataram  trunci  a  subiecto  re- 
irere  «i  vituli  naturam  ei  imprimere. 


1}.  Al>8cl)nttt.     t)iv  onto!ogi»riien  (jegriffe  un<l  Oesetze.  5$ 

Neben  diese  berden  Verflnderungsweisen  stellt  Alanus  noch 
eino  driltt.'  Art,  welche  dem  Myslcriuiii  der  Eucharistie  ungehört. 
nämlich  die  Transsubst;iiiliatioii ').  Das  Eigrhlfiniliche  die- 
ser lelütoii  Verwandlungsform  Ündt*t  der  Scfiolastiker  (hiriii,  dali 
nicJil  hloii  4lie  forma  suhstantialis,  sondern  auch  deren  Substrat, 
die  Materie,  also  die  ganze  Substanz  nach  ihren  beiden  Bestand- 
teilen, von  der  Veränderung  l)etrotTt'ti  wird,  während  dagegen 
die  Acridunzien  durch  guttliclie  Macht  uuaiigelastfl  tbrlhestehen. 
Au£er  ilinen  bleibt  von  der  Substanz  nictits  mehr  übrig-). 

Trotzdem  der  Magister  von  Lille  seine  ErtVrtemngen  über 
die  VerAndtrung  an  theologische  Materien  anknüpft,  so  liaben 
sie  doch  ein  hohes  philosophiscltes  Interesse.  Sie  enthalten  be- 
reits die  fertige,  aus  den  Prmcipien  von  Materie  und  Form  sich 
eiKebemie  Theorie  des  Werdens  und  sie  beweisen,  daß  schon 
im  1^.  Jahrfmnderl  die  Vorgänge  der  Veränderung,  soweit  sie 
in  Betraiht  gezogen  wurden,  genau  in  derselben  Weise  ihre  Kr- 
Uärung  fanden,  wie  in  der  späteren,  aristotelisclien  Schola- 
stik^). Auch  in  diesem  Stücke  verkündigte  der  Stagirite  den 
christlichen  Lehrern  keine  neuen  Gedanken. 


6.  Ursache  und  Ursachegesetze. 

Haben  wir    im  I?isiierigen    eine  Keihe  für   die   Metaphysik 
höclist   wichtiger  Begriffe   Itehandclt,   so   obliegt   uns    noch,   am 


')  C.  H.  I,  IjH,  ätiO  A:  mutatiottuni  alia  est  alt«ratio,  alia  est  altcritas, 
alia  transsnbataiitiatiu.  Vgl.  Reg.  107,  648  li.  Sacblicb  dieseltH.'  Dreiteilmig, 
aber  ohne  die  nlanische  Terminologie,  verzeichnet  Petrus  Pictarienftis 
(Beut  V,  12;  Migne  2U.  1240  Ci. 

*)  V.  U.  I,  5H.  3f>0  C:  TranMsabat&ntiutio  est  illa  specles  mutationia, 
8t*cunüuin  quam  et  mutatur  muteriu  et  »ubätaiitialia  forniu.  8ed  renioueut  ac- 
cidenlia.  Unde  dicittir  traiiaHuhatantiatio ,  quia  nibil  de  Hubstaiitia  remanet 
rel  i^tuntum  ad  materiani  vel  quantuiii  ad  aubatantialem  naturara  ....  Et 
qaia  tota  BubaLantia  mutatur.  \'gi.  Kog.  lUT,  ö78  BO.  Über  die  Subjekt* 
bsigkeit  der  Accideuzien  biehe  obeo  ä.  41. 

")  Sehr  iuteroiwant  ist  in  dieser  Beziehung  ein  Vergleich  der  Ansehau- 
ongen  unaeres  Alaous  mit  der  Doktrin  den  Aquinuten  (8.  tlieul.  Ul,  q.  77, 
a  3~H).  Das  zwülfte,  wie  das  dreizehnte  Jahrhundert,  schöpften  aua  der  glei- 
chen Quelle,  nümlich  auu  Aristoteles;  die  eratere  Periode  freilich  nur  aus 
den  Kategorien  und  aus  dem  Kommentar,  den  Bo6thins  zu  dieser  SteUe 
unter  Herbeiziehung  der  in  der  aristotelischen  Phjsik  getroffeneu  Kiu- 
teilun^  gegeben  hatte.     Siehe  UüiJthii  opp.,  S.  211. 


H 


Alaims  de  IiiBolü». 


Schlüsse  des  Abschnittes  über  die  Onlolog^ie,  die  Anschauungen 
ztisammenzustellen,  welche  der  niillelalterliche  Mat^istcr  über  den 
Ursacliebeprirf  in  seinen  Sehrilli'U  hinbrl-jsscti  hat.  Wir  dür- 
fen zwar  weder  Ünlersuohuntfen  üi)t:r  den  ot>jekLiven  (Jehalt  des 
Kausalbetn'itVes,  noch  soh-he  über  die  allgemeine  und  unbe- 
schränkte Geltung  des  Kausalsatzes  erwarten;  beides  war  fftr 
die  ^esainnile  Seholastik  so  selbslverslfindliofi.  dalä  auch  nicht 
lier  h'isesle  Zweifel  lüeran  autlauchte,  tmil  inlnltie  dessen  auch 
das  Bedürfnis  einer  Eii'SrIeruntr  nicht  empfunden  wurde;  aber 
was  Alanus  bietet,  unil'aUt  doch  eine  Summe  von  wertvollen 
UrsaclioKcsel/en  und  die  bekannte  auf  Aristoteles  zurüclc- 
gehende  Vieiteilunj;  «ler  Ursachen. 

Der  hiHulenser  rtefiriiert  Ursache  (causa)  als  dasjenige, 
durch  welches  i-iri  anderes  das  Sein  hat.  Dieses  andere  heißt 
die  Wirkung  (causatump). 

Wenn  die  Späteren,  wii-  Thomas  von  Aquin-),  princi- 
pinm  als  den  umfassenderen  Ht^riff  von  dem  engeren  causa 
untei-scln'iden,  so  tritt  eine  solche  Scheidung  bei  Alanus  oioch 
nicht  ausdrau'klicli  hervor.  Er  ^lebraurht  die  beiden  AusdrücJte 
als  synonym'),  wobei  er  allerditijfs  7Air  Bezeichnung  der  trinila- 
risclien  Procisaioneti  niemals  das  Wort  causa  anwendet. 

Das  Kausalitiltsgesetz  entnimmt  unser  Magister  mit  Abac- 
lard*),  Wilhelm  von  Conches''),  Johannes  Saresberien- 
sis")  dem  platonischen  Timaeus"|.  Das  Welt^esctiehen  ist 
kein  zufälliges  t   kein   Ursache-  und  veniunflloses,  soudeni  jedem 


')  A.  f  Prot  597  C:  Cimsa  est.  per  quam  liabet  ftliqiiiil  esse,  qtioil 
dieitur  cHUsatani.  Olier  die  Korrektur  cau-sutuni  sit^he  Uaeuuiker^  HliÜOfl. 
Jahrb    il.  Görresges..  B.  VI,  S.  166 

"0  S.  theol.  I.  q.  33,  a.  1,  ad  1. 

*)  Dist  911  C:  Prinniilium  dicitar  c«a?a.    Vgl    Reg.  51.  6S8  D  ff. 

*)  Theol.  ehriöt.  I.  2  (Migue  178.  1125  B). 

'•)  In  seinem  Kommcntor  zum  Timaeua  (l'wl.  Paris.  14065,  fol.  57'») S 
nihil  gignitur  sine  cauaa:  fol.  57 ^a:  quicquid  gignitur,  ex  aliqua  oansa 
giguitur.    Siehe  oben  S.  19,  Anm.  6. 

•0  Eothet,  V.  615  (Migne  199,  978 C):  Praocedit  ratio  remm  quamm- 
liSet  ortom. 

*t  Timaeua  2H  A  :  Omne  autem  quod  gignitur,  ex  aliqua  causa  neces- 
Hariu  gigiiltiir;  nihil  enim  fit,  cuiua  ortuni  nuu  legitima  causa  tt  ratio 
praec'edat. 


^ 


II.  AWhilitt.     Die  unUtlugiwIipn  RegrilTe  und  Gi*Me(xf>  ^ri 

Entstellen  ffehl  eine  gosetzmAUigc  Ursaclio  und  *'iii  vornüiiiliger 
Grund  voran.  Seine  let^ite  unii  tiefste  Wur/.ol  hat  diosos  Gi'setz 
in  dem  t'ötl liehen  Weltplan,  in  der  göttlichen  Provi- 
denic '),  Wf'lche  mit  dorn  Fatfini  idenliscli  ist*). 

hl  tiniltTur  Kornnilit'rimjf  und  ^^i-wisserninLion  auf  rirn-n 
Spezialfall  angewendet  begegnet  uns  der  Kausalsatz  in  der  irr- 
sten pelilio  der  „Ai-s  fidei":  „Jede  Zusiiiiimensetzung  erfoixlerl  eine 
zus;uiirnriisi't/rndr  Ursache"  '),  und  in  ,.f  Inntra  rhnTctieos":  ..Alles 
Zus;ininn'iij/i'sclzt{',  uUl's  (ieselialTeiiL'  liaL  i-in  I'rjneip  seiner 
Existenz'*  *)• 

Bezflglich  des  Zeit-  und  Wertverhülhiisses  zuisohen 
Upsaclie  tnid  Wirkung'  jjelleii  dir  Axiome:  ..Dir  Ursache  ist  frü- 
]ier  und  wertvoller  als  ihre  \Virkunj<*'  ^),  und  das  aiidi-re: 
^.Nichts  ist  früher  und  wertvoller  als  es  selbst** ').  Aus  letzte- 
rem erjficbl  sich  di-r  Folgesatz:  »,Nichts  hat  sich  selbst  xmn 
Sein  ^iofnlirl  «wter  sdbsl  zusnniinenj.'esetzt'*  '•],  und  in  weiterer 
Konsequenz:    „Es  giebt  keine  causa  sui"  ").     Endlich  betrilll  das 


')  C.  H.  I.  5.  311  C:  Et  (]nainviR  mulln  in  li«c  sacrulo  caaii  agt  vitle- 
nittiir,  tauten  rontru  dei  or<1in.iti(>ni>m  nun  Hunt  .  ([tii  novit.  qiminotUi  t't  (|ua- 
litcr  Hingula  liaiH.  NulUi  iminqui'  res  est,  ut  il'u-it  philüscpbua  ,  cuiua  urluiii 
Ipgitiina  cauu  ot  raliu  uuq  pra^cedat. 

)  I)ist,  THf!  C:  FaUim  dicittir  temporalium  rcnxm  Serien  ftocumlum 
dirinain  ProvidcntiBm  proceden« ,  iiiidc  BuiHliiu.s  in  libro  i'on^olAtioDum  (Cod. 
MoM.  7n9H,  fol.  44^;  siehe  Consol.  IV.  6.  fil.  Teiper,  S.  10^  ff.)  distiiigiiit 
iiitor  providviitiam  vt  ratiiin      ^KAtuin)  dicitiir  dlvina  providt^utia,  luide  ^tatiun: 

Parcarum  praciiuace  maiiuB  fatumqiit;  t^uud  ultra  eat. 
Vgl.  duzu  Aiitir).  544  A.     Ucnuu    in    dt^raelbcn  Weiiie  hoatiniint  das  Vi^rlijilt- 
nis  KwJHclien  providnntia  und  fatuni  Apulejus  (de  dogm.  Platoiiia,  I,   VI,  nd. 
Guldbaclier.  ä.  73.  v.  *J3  fT.). 

')  A.  f.  Prot.  598  B :  ciiiualibt-t  cimpiif^itionis  causam  compontn- 
tom  c«»e. 

*)  V.  H.  \,  8,  814  C:  Oniiie  cninposituni  bübt-t  auae  existeiitiav  priii- 
cipium  ;  ebd.  I,  5,  311  A. 

')  A.  f.  Pral.  b9ii  C:  omni»  causa  prior  et  di^nior  est  suo  cnnsuto. 

*')  Ebd. :  nihil  est  priiw  vel  diRnius  vcl  altins  «e  ipso. 

')  Ebd.  I,  3,  599  A  :  Nihil  ne  ipaiim  romposiiit  vel  iul  esae  perduxit. 
Der  gl4>ichä  (jodanke  hat  hei  Auguatin  (de  ti-ia.  1,  1  ;  Migni'  42.  H20\  auf 
den  ftich  Ahälard  itraet.  de  unitate  et  tnnitatu  divitia.  ed.  Stülzlc,  Frei- 
hurg  i.  B.  1891.  S.  42)  beruft,  die  folgende  Faaäimg:  ntdlii  cnini  omnino  rea 
est,  qnae  se  ipsjim  gignnt,  ui  sit. 

')  Ebd.  I.  ti,  6U0  A:  Nihil  ent  causa  Hui, 
BuitrftgB  II.  4.    BRUrnsiirtitor.  AIhku«  ile  In^nli».  5 


ZeitveriiäHnU  noch  dfr  in  ^Contra  HacrreÜeots'^  \erw4s9^it-  Satter 
«^Solange  dicr  l'rsai-lie  als  ^(olclie  existiert  mofi  aiae^  «fie  ITor- 
kung  exislieiyfi"  'j. 

Alinlicli  wie  <\<-r  Viktorimf  Hugo-|  efUkil  AÜ^kUtvi-i-  ül 
dem  Weltganzen  t-in  .«treng  in  einamler  greifeiiKle».  nuf&caiiHitJHtr 
System  von  Vr^^aeUi^  und  Wirkungen  (c-an^ae  äiif*erii«tin^. 
niinoresK  an  deren  Spitze  die  «rausa  i»uprenia  oder  <^a4■ll<■?-lti:^ 
i^teht  ^).  Inneriialb  des  Bereiclieä  jener  Ursacbereibe  lial  «ftk> 
Axiom  Geltung:  .Jedes  Ding  verdankt  dai;  Sein  in  letzter  i««ij»ig 
der  Trsaehe  ^iner  eigerMTi  Ursache"  *),  oder  anders  aii?<peiflriKkt: 
„quidquid  e:»t  causa  causae.  est  causa  caa^ii*'  -).  So  täi  die  Cr- 
sitcho  tles  Subjekt:  auch  die  Ur?faclie  der  Acpid(tiziieii''|.  Zu 
ileu)  eben  genannten  Satz  kommt  aber  in  der  zweitHi  petitio 
der  .Ars  tidei*  noch  ein  weiterer,  ungleich  wichtigerer,  aas  wA~ 
t'heiu  von  jeher  der  Kausalitätsschluii  auf  die  Existenz  Gölte» 
seine  Kraft  geschöpft  hat,  nämlich  das  Postulat:  „Die  Reihe  Aar 
lTrs;i('hen  kami  nicht  ins  rnendliche  gehen;  es  giebl  keinen  ne- 
grt'ssus  in  infinitum"  •). 

Die  Ursachclehre  des  In.sulen.sers  wird  vervollständigt  durch 
jene  berühmte  Klas.si(ikation,  welche  sich  an  den  Namen  des  Ari- 
stoteles heftet  Sowohl  dem  Magister  von  Lille,  wie  vorher  schon 
Abuelard,  Thierry  vonCliartres,  Wilhelm  vonConches*) 

')  C.  H.  I»  31,  333  C :    qiunidiu    enim    cansa   est    secoDdiiBi    qiio4  tat 

rausa,  nunquam  cefwat  efler^iw. 

')  De  sacrain.  I,  p.  2,  c.  2  (Migne  176.  206  D).  Vgl.  waA  Joban* 
nes  Saresb.  (£Dtbet.,  v.  fUn,  61.*):  Mign«  Mfif.  978  BC). 

■)  Anticl.  497  A : 

Attente  rati»  HpMiil«  flpMiilatnr  in  isto 
Causarum  H4ir'wm  .  .  .  , 
Ebd.  543  B :   Tranascendit  caiiiiniii  Ranlontin  cfluan  minores ;   R^.  67,  6M  A  : 
Necessitati   superioriM  caima«   r.**i]\l   nnffcmitflN   inferioris   caosae.     V^  R«g. 
66,  647  J)  ff.     A.  f.    I,  9,  fU)t}  A  :    (''iMtinlibf-i    inferioris    cansae   est   suprana 
causa,    (über   die  Korrektur  niiiNii«  nImIip  llttoiimkor.  a.  a.  0,  TI,  S.  168.) 

*)  A.  f.  i*rol  MiH  It :  (imniM  r««  bntiKl  cMie  per  illad ,  qnod  cansam 
eius  perducit  ad  esso. 

'}  Ebd.  I,  1.  597  I). 

*')  Ebd.  I,  2,  59H  I);  Oiiinin  i'Httitn  wibim^M  »st  causa  accidentis. 

')  Ebd.  Prol.  598  H:  niilliiw  r«i  cttiiHuin  in  inftnitum  ascend««. 

")  In  seinem  Kommentar  zum  Timaous  (CoiiHin,    Fragments  de  philo. 

Sophie,  S   307):  quatiuor  illiiis  raiisHH,  Ncilic<<t  «fttcientem,  formalem,  finalem, 

*»rialem  ostendit  ....     Est   efliciens  causa  divina  essentia ,   formalt«  4i- 


II.  Absclinitt.     Dit>  «iilnUtgi^vlNin  Üegrittt*  iiml  lienetz«. 


uiul  Jtjluniiios  von  Salisbury')»  war  die  Einteilung  in  Ma- 
terial-, Kornial-.  Wirk-  und  Zweckursaehe -')  bekannt. 
KiiiiiT  dtutol  aber  die  Quelk-  nii,  woraus  sie  jenc-s  Schema  onl- 
li-lintfU.  Es  (Ulrfli'U  irniossjoii  \vonij.'rr  die  Analylifa  Posttriopa  •), 
\vii'  PriiiiU  ')  brzü^iii-li  di's  SjirfsbiTii-nsis  meint,  in  be- 
Iriiclil  kommen,  als  vielmehr  klar  und  bestimmt  lautende  Slellen 
in  dem  Kommentar  des  ÜoPtlüus  znr  Tnpik  Cicero's ")  unil  in 
iU'V  Solirill  ib-  ilillV-n-nliis  lopicis"). 

l>i(.'  .Miilrriiihir.sa<-iif  i^^l  tlas ,  uoi-iiiiH  chvas  wird,  das 
Snl)stral  des  Werdens  utid  dir  VenlndtTiinir.  Sie  winl  bezcicli- 
nel  durcli   itic  Pifipositioneii  de  oder  ex  'J. 

vinu  8B[ii4-ntitt.  fiiuilin  (]ivin:i  iMinita.s,  inutoriiiliit  qimttuor  ole-.iientd.  \g\.  eljit. 
H.  :W8.  bei  MigiK-  stt-lit  ilieStolIe  t.  172,  24M  00.  (luiitiu  w»  Tliierry  vim 
l'li»rtruM  (Hftareuu.  NtHL'es  e"  ex'rai  s ,  l'nris  1H9.) ,  \,  Ö.  52.  Ül)«r 
Ali.ielarJ  vgl.  die  folgende  Anni.  d. 

')  Kntliet..  V.  37:>  ff.  (Mignn  lft9.  «78  C): 

(^uiitttuir  istci  3nl«>nt  hiiHteni  prat>Htun'  rrpiiliq ; 

Sitliiectiiin,  t^p^t-rii'K  jirtifit:is({uc  riiunuH, 

Fiiiis  it4'iii.  4-imcLia  f|tii  iKimina  rebu»  ixluptut. 

')  Kbon.(H>  hatten  «Hg  Sciitcntitirior  nchoii  länget  <li<! Termini  materia. 
forma,  catuM  4*fficienB  und  finuli.i  In  die  Theologie  einft^fOhrt.  Hugo  von 
St.  Viktor  spricht  von  der  Materiis  und  von  der  Form  der  äjikramente 
(Sent.  \\  3:  de  sucram.  I,  p,  Jl,  1  ;  Migne  17(1,  lüil  A,  817  ti).  In  gleicher 
Wfiflf*  fragt  der  bumliürde  mich  der  Form  di;r  Sakramente;  er  will  handeln 
von  der  caiiHa  efliciens  und  cntisn  propter  quam  <\vs  Klicsiikrameiitii.  In  der 
TrinitAt«lohre  verwendet  er  den  Ausdruck  mnt<>rifl  inid  cmimi  tnaterialii) 
(Sent.  IV.  8.  n.  1.  27.  n.  1 :  1.  19.  n.  11:  Migne  l!t2.  Ml\,  »10.  :i7«).  üer- 
Helhen  Terminologie  bediont  nirli  der  SchiUer  de»  Lnmimrden,  Petrus  l'ictn- 
viensia  (Sent.  V,  f..   14.  Ki.  17;  Migne  2U.  ]2mD,  1257  B,  1259  A.  1260C). 

")  Annlyt.  Post.  II.  H.   -   *)  Gonch.  d.  Ug..  II,  S.  25».  Anm.  «27. 

'')  Bo^thi  i  opp.,  S.  X'M :  Cum  iffilur  ArintoteleH  quattuur  poHUirit 
cmuMis,  quihuä  uuuniqiiodquo  cnnficitiir :  primani .  qitiie  movendi  priuciptiuu 
est>  secundam .  ex  qua  lU  ali(|uii],  i|i])im  U)»ti<rlum  vocHt .  tertiiim ,  rationein 
ar  speciem.  I|tn^  iuiiiiiii{(iiMli[ni>  tonniittir.  qiinrbuii,  linein,  pnipter  quem  qnnd. 
liliet  efliettur. 

')  Ebd.  S.  H(17 :  ex  cauäis  vet  eHicientihuH .  vel  maleriu ,  vel  iiuturah 
forma,  vel  flne;  et  Mt  eltieiens  quaedatn  cau.su  .  quue  tnovet  atqiic  operatnr, 
ul  a1ii{uid  expliretur,  materiii  vern  .  ex  qua  tit  aliquid  vel  in  qua  ttt  ,  ÜiiiK, 
propter  qiiod  lit.  Daß  in  den  angezogenen  Ötellen  die  Quelle  filr  die  Kennt- 
niB  der  Rristotelischen  Ursiicheturel  xu  Auch en  int,  beweist  Abnelard.  der 
sich  ausdiiQekUch  auf  Bol<thius  bertitl  und  in  Anlehnung  un  ihn  die  I.ehre 
ober  die  vier  Ursachen  entwiekelt  (Cousin,  Ouvnigea  inediU  d'Ahehird, 
Paris  l;?86,  S.  410  ft'.). 

")  C.  H.  I,  r>8.  aöO  B;  Beg.  107,  678  8;  Dist  782  A:  ,Ex-  qaandnque 
notat  causAni  muterinlem. 


6fi  AlanuA  ile  Insults. 

Formalursaclien  siinl  ilie  Fonnen  der  Dinge.  d\e  sub- 
stanzialen  und  acckleutelloii  Proprietäten,  welche,  in  die  Dinjee 
einKt'liend,  als  causac  intnns<.'cae  deren  Wesen  und  BescJiafleti- 
lioil  Jjffliiipfti ').  Bezüjflicli  der  Foiinalursarhen  gilt  die  Glei- 
ehuii^"^:  Wii'  die  Ursache,  so  die  \Vil■ktm^^  Ist  die  Ursaclio  un- 
verrindeHicii,  so  ist  es  auch  die  Wirkung,  uml  umgekehrt  ^). 

Causa  rffif'iens  ist  jene  Ursache,  welche  dniTh  ihre 
TlifilifJrkeit  riti  Oiii}:  /nr  Kxislrnz  fuhrt  '1.  Hier  bestellt  die  vor- 
liin  envrdinle  tJleichlieitsbeziohunij  nicht  mehr.  Was  vom  Künsl- 
lor  KÜt,  dos  gilt  nicht  auch  vom  Kunstwerk,  denn  letzteres 
kann  fndhestclien »  wahrend  di-r  Künsllor  niehl  mehr  ist,  nnd 
titn^'ekehrt  *), 

0(4'  causa  finalis,  durch  die  Präposition  pmpler  \m^ 
zeichnet"),  findet  Iiauptsflchlich  Anwendunjr  auf  die  GottJioit  in 
doni  dopjjclli'u  Sinn  ,  ilaü  (Jolt  einerseits  als  die  das  Sein  der 
Din^'e  erhallende  nnd  betTrenzi-nde  l^rsjichr,  an<lererseiU  als  das 
letzte  Ziel  boslimnit  wird,  dem  alle  Kreaturen  und  ihre  Tbätig- 
keitsäuUeruriRen  znstreben  *'). 

Wenn  Alnnus  Gott  aiieh  causa  fo rm a l i s '•)  nennt ,  so 
nimmt  er  das  Wort  nicht  in  dem  tilicn  datyeUvtm  Sinn  einer 
Kornialursache,  welche  in  die  Din^fe  eini^eht "),  sondern  im  Sinne 
der  vüibildlichen  Ursache,  der  causa  exemplaris,  der  Spä- 
teren ").  Hatte  er  so  der  VieHeiluiiK,  wenn  auch  nicht  im  Aus- 
druck, so  doch  der  Saclie  nach  ein  neues  (;iied  hinzut'eltigl ,  so 

')  Siehe  oben  S.  25. 

"^  C.  H.  I.  h,  311  U:  De  runimlj  uutem  causa  verum  est,  ut  si  ipaa 
sit  immtiUbilis,  eflectiis  sit  etiutii  intmuUbilLS.  et  contra,  ut  ai  alt»eilu  sit 
inutabile,  lübum  otitmi  git  miitabile. 

")  Ebd.  311  A:  ElhcieuH  causa  est,  quae  inovet  et  operatur  ad  hoc, 
ut  rett  sit;  ut  urtifex  est  causa  oflicivnfl  aperia  aui  illndque  movet  et  apt^rutur 
Uli  hoc,  ut  ait. 

*)  E1>d. :  Atta  est  cuuem  cftictenH ,  aVia  formaliu  ....  noc  tamen  sequi- 
tur,  quüd  si  uliqiiid  pruedicHtur  de  aiiiticie ,  (quod)  etiaui  de  ettis  opere,  vel 
contra.     Contingit  oniic  opus  ee»e  diutumuni,  et  nou  arttfieem. 

-)  Dist.  913  B:  .Propter'  uotat  causam  flnalem. 

")  Siehe  hieraher  unten  S.  141  ff. 

')  Anticl.  'i^T}  A:  Kormali»,  dum  pingitt  eani. 

'0  C.  H.  I,  >i,  Hll  C:  Cmii  ergo  dßiis  non  ait  rniisa  farinnlia .  s«d 
eftieiens. 

")  Vgl.  Thomas.  8.  tluml.   I.  q.  4-4.  a.  3. 


II  f.  Alwhiiill.     Kosmoll tgio.  fi!l 

slatuiorl  ^'^  noch  weiltMiiin  eine  causa  occasionalis  und  in- 
strumcntalis  '),  die  der  Vollsländitfkcit  lialbtT  ebenfalls  orwälint 
sein  mögen. 

Ks  ist  ein  ansehnliditT  Apparat  von  tJosi^lzen  und  Unter- 
sL'liuitluniren ,  welche  der  Magister  von  Lille  UMdaiij: reicher  als 
irgend  ein  anderer  Scholastiker  des  12.  -lalirhunderts  ange- 
samnielt  und  formuliert  liat.  Seine  Ausführungen  dienen  zwar 
noch  vorwiegend  rein  theolnirisdien  Zwecken,  allein  tiieinand 
wii-d  die  einschneidende  allgemein  pliildsophisclie  liedculunj:  der- 
selben verkennen.  Die  meisten  Säb-e,  und  manche  völlip  un- 
veröTHlerL,  kehren  in  der  kommenden  Periode  wieder*)-  Kbenso 
verhall  es  sich  mit  den  vier  aristotelischen  Ui-saehen .  die 
bei  Aianus  hn  Princip  vollständiiif  klar  entwickelt  vorüetren. 
So  war  auch  beznt^lich  der  Lehre  von  den  Ursachen  cliristliclier- 
seiLs  dem  Verständnis  des  Aristotelisnius  niäcliti;^  voi>;e- 
iwbeitel  imd  der  Weff  prebahnt.  Nicht  in  der  Kinführun^'  der 
vier  arislolelischen  Ursaclien  in  den  ohrisllichen  tiedanken- 
krcis  ist  der  durch  den  Stapirilen  bedingte  ForUchritl  zu  su- 
chen» sondern  darin,  dali  im  18.  Jahrhundeil  ernstlicher  als  bisher 
jenes  Doppelpaar  Ober  den  Kreis  der  Theoloj:ie  hinaus  zu  einer 
piiilosopbischen  Natur-  und  Welt-Tkläruni;  Verwendung  iund. 


IIL  Abschnitt. 
Kosmologie. 


I.  Schöpfung  und  Thecrie  der  Weltbildung. 

Vennilit   man   in  den  Zi'iten    vor  dem  Bekanntwerden  der 
aristotelischen  Physik    und  Metaphysik   nicht  jede  ontologi- 


0  DUt.  782  B.     Vgl.  Reg.  «0,  669  A. 

^  So  l8nt«t  der  8atz :  qiitdquid  «at  cauiia  ciinsiip,  bhI  cntis»  rnunati 
bei  Thomas  (S.  theal.  )',  q.  79,  n.  1.  ml  H):  qtiidqiiid  cet  caiiHH  rntmae,  est 
cauBa  effectus ;  das  Postulat:  ntillius  rct  caiiKam  in  infinittiin  Rsc«nilere  bei 
Thomas  (S.  thcol.  J,  q.  2,  a.  H,  ad  c) :  Dun  est  proccdere  Jn  iiifinitiim  ;  das 
Axiom:  umnEa  cau»a  prior  ei  dignior  est  8Uo  causato  hei  Thomas  {H.  theul. 
IIE,  q.  62.  a.  6,  ad  c;  (',  q.  66,  a.  1,  nd  c) :  cautm  efficiert«  n4m  potest  esse 
posterior  in  euse  ordine  durationis;  sempvr  enini  est  putior  causa  mio  eifectu  ; 
die  Sätie :  nihil  est  cauaa  sui,  nihil  ent  .  .  .  .  priit^  se  ipm>  bei  Thomas  {S. 
theol.  I,  q.  2,  u.  3.  ad  c) :  doc  est  poasiMlQ,  quml  aliquid  ait  cauim  tifficiena 
aui  ipsiua,  quia  esset  prins  ae  ipaa. 


7ü 


AIhhus  de   fnsulis. 


sehe  Spekulation,  ho  l'dilt  es  aucli  auf  dem  Gebiete  der  Na 
lurpliilosuplii<s  i3pi';;ii.-ll  dtT  KüsinoIoKie,  nicht  au  muniiiiJr- 
fiuhcii  Rcslirliuiivrrii.  Kill  drciriuInT  SlaiHlpiiiikl ,  wnm  aiieli 
niclil  in  soliarliT  Abgreiizim^',  lüUt  sich  in  der  lJelian(tlunir5\vi.'ise 
kosniolofrischer  Fragen  natiihall  machen.  Während  die  Reihe 
der  Tln-olofien  ')  ihre  kosniolot:isch(Mi  Ans<'haiiutippn  im  enjf- 
sU-n  Ansi-hlul.!  an  illi- Scliüiifungsgeschirlilr  th-r  (ient'sis — nach 
dem  VürjyraJi;;e  Aut:iisLins  vli-lfach  in  Komnieularen  zmn 
HexaOnienui  —  entwiekelle,  suchten  Pliysiker,  wie  Adelard  von 
Halh-J  umi  vur  allenr  Willielm  von  Conches^*),  auf  der  rein 
Iihysikülisi-luMi  firuri(ll!ij;e  der  KlrnienLenli'lire  <ia.s  Weltifanze 
und  die  WelLiJijiye  /.u  erkiureii,  uin  kosinologtsiches  Syslein  auf- 
zufi'ihrt'M.  Einen  iindurn  dritlun  Wej?  ging  die  piiilusophiÄclie 
Schule  von  Chartres.  allen  voran  Bernhard  ^rlbsL  Sie 
unlenialim  es,  nach  di'ni  Vorhildi*  des  plalonisclien  Tiniarus 
und  mit  llerriii/ii-huiig  dt-r  neiipylhagoreistlien  Zahlenlehre, 
die  Entstellung  der  Well  mittelst  metaphysisclier  Principien  ver- 
sUnillicli  zu  inaelu-n.  ficriiluit  d's  Rruder  Tluerry  von  Char- 
lies vcrwiMitk-L  dii'st;  Aiischanniigcn  zur  Erklärung  des  Hcxar— 
ineruijs  und  vt'rbindi'l  sn  die  drille  niil  der  crslcn  (Imppe. 

Sänitliche  KielttungiMi  JHiurh  sind  einig  in  ilvut  einen 
Punkt,  in  welchem  sieh  das  ehristliclic  Pliihjsopliieivn  unver- 
HKMdlicfi  von  dein  antikni  sehL'iden  miiUle.  dariu  nätniieli,  daß 
dir  letzten  Princii>ii'n  der  Well  einmi  Scliöpferakl  (Jotles 
ihr  Dasein  verdanken  ')•  D^is  Fundanie-nt  aller  kusnudogischen 
Spekuiationr-n  de.-^  Mitlelaltei-s  bildet  das  Dogma  von  der  Well- 
seliMi>riint:.  Wie  schon  ilie  Kirchenviller,  su  pixiteslierleii  ancli 
die  Scholaslrkcr  aller  -lalirliuiiilertc  eiiei-gisch  gegen  die  alten 
Theorien  ehies  Plato,  Aristoteles,  der  Stoiker  und  Epieur's*) 


')  8iehe  «hcn  8.  50,  Anm.  I.  —  "']  In  Beinen  (jiincfiiionos  naturales. 

■')  Hiülie  üben  H,  ü.  Anm,   -, 

*)  TrofTeiid  lieiui'rkt  Hiign  vun  St.  Victor  (Eliiciil.  in  Ppntat^nrh. 
c.  TV:  Mi^nc  175,  :i:t  H):  In  Ikm;  «iiim  ditf^nint  anctoros  nostri  h  pliilimophi», 
quo<l  pliilusophi  flenm  opiticcm  tiuiturn  et  tria  ponunt  principiii ,  deuui .  iiiü- 
tcriam  et  archetypna  ideas ,  ixitttri  ven>  iinictim  puiiiiiit  ])nncipinm  t-t  htM- 
iltitnn  äoluin.  Et  cum  liuc  cuUdtL-t  apiid  uuiiu-s  diviiii  verbi  tructuturcs ,  sci- 
licet  quod  unum  aoliuii  Hit  jirincipiiiin  .... 

'•)  pApias  (Cod.  Paris.  115;^!,  s.  XII,  f.  250*' u);    venun  in  Iwc  vrnuit 


HI.  Abschnitt.     Kosmologie.  71 

vcm  (Irr  Ewij:k»'il  lU-v  W'i-Il  iiiul  ilin-r  Irlzm  FJi'r^tunHtfile.  Atil' 
dt'ii  Ppntfilcucli  i,'i'.stütKl  viTlrrtcii  sie  ilcn  srhrjpIiM-isclM'n ,  zeil- 
liclK'ii  I'i-.s|imiitr  (In-  Wi'll  um]  ihnT  Priiiripieii :  vor  drin  li^, 
Jiilu'lumHert  ririlirli  wi-nigcr  ruit  philosopltisc-lini  (Iniiiden  als 
hauplsüchlü-h  mit  doni  Himvei.s  auf  das  erste  Knpih'l  iUt  (lencsis. 
Dii'  Anw-hamiii^r  drs  rlifUdk-hcn  Do^niifis  (eill  sollislviT- 
vcrsirmillif'li  aiu'li  Alanus  di.'  Insiilis.  Kr  lätil  iVw  V nwnlvvU* 
von  (ioH  {-'rsrhanV'ii  wiTdcn  '),  er  irlirl..  daU  snwolit  du-  Sul>jt'ktp 
din*  I'ropiii'tält.'n  als  aurh  die  Proprirtfdi-n  drr  SiilycliU'  in  (ioll 
ihren  Ursprung  habm  ■}.  Er  sdnvitil  ilic  ErscluiflunK  der  Ma- 
tcrio  dein  Vater,  .jene  der  Kortii  ilern  Sotiii^  (iml  die  Verhitulun^' 
beider  dum    lil.  Geiste  z\i^)    und  er  wiiih-iliolt  den  aupusliiii- 


qiiiHHiM  gpiitiliiirii,  qiinil  (viLin  tMiiHiuiun  (-u4itcrnATn  doo  coniitngurit,  nt  ItAtic  uh 
illu  rum  sit ,  quHinvi»  hU  illo  formctiir.  Qiuvd  ulienuni  c&^v  n  veriUde ,  ipSH 
Vf^ritiiä  (lotet  :  de  Iiac  «nim  »criptnni  loqiiitiir  sie :  Qiii  fevisti  miinditm  de 
tttfurmi  niat4.'ria  (Sup.  U,  IH).  8«d  niateria  facta  eat  de  nihilo,  mnndi  uutem 
Bpecic«  do  informi  mHti^ri».  Hugo  von  8t  Victor  (De  ancrain.  I,  p,  1.  c.  1; 
Migne  ITfi,  IH7  H) ;  Phtlusophi  gentiliiiiu  trin  qunediun  reniiti  phocipiu  sine 
priticipio  po&itvniut :  opiNccm,  matoriain  et  forinam  ,  proÜteiitt'.s  en  qtiiie  facta 
sunt  umnia  i>x  titaU-ria  quJdcm  in  fonimni  per  opiticem  esao  prodtbct-a.  Sod 
isti  fartoreiii  Roliim .  mm  (TCAtorum  deitni  profeusi  sunt.  Johannes  Siirosb. 
{Mttul.  IV,  S!-;  Migiie  199,  938  C) :  Et  licet  Ötoici  materiiiin  t-t  ideam  duo 
rrcdcrent  cuaet«rnHni ,  alii  vero  cum  Kpirtiro  pr^ividontiani  (>vaciiantr  ideam 
oiimino  iollereiit ,  lute  (Bemardns  Ciirnut.)  cum  illia,  qiii  philuwiphantiir,  deo 
iieiitram  diceliitt  coiU'ti^niam,  AcquieüCfbat  eiiim  patribiis,  iiiii,  »icut  AiigiiBti- 
Ulm  tefltis  «at,  pri>1>ant  ,  qnia  deiid  est,  ({iti  oiiiiiia  fecit  de  niliilü ,  uiitniuiit 
creuvit  materiam.  Vgl.  ebd.  II,  20  (Migne  lU'.).  H82  D  fl'.).  Petrus  C«. 
mestor  (Historia  twbi^L,  über  (tcn.  c.  I  :  Migoc  lit^,  lOöö  C) :  Cum  veru 
dixit  MoyseB  »creavif  ,  trium  errores  elidit,  PlaUniB,  Ariatotelis  et  Epicuri. 
Platu  dixit  tria  fuisse  ab  aeternr»,  sciliret  deum ,  ideas ,  liylc  ,  ui  in  priiicipro 
teiuporia  dt>  liyle  mundum  factum  futsse.  ArinUrteles  veru  diict ,  nitiiidiim  et 
opifl(Tem,  qui  de  duobun  pritioipii»,  scüicet  materia  vt  forma,  operutuB  <.>Mt  sine 
principio  et  uperatiir  sine  Kiie.  Kpicurua  dun,  inane  et  ntomos^  et  in  principio 
natura  (tuoedam  atomos  stdidavü  in  terram ,  alioe  in  aquatn  ,  aliua  in  s^ra, 
alios  in  ignem. 

')  Diflt.  689  D:  Abyaaua  dicitur  inundimu  niaebina  ,  pnmt  primo  fuü 
creata,  unde  in  Qeneni :  Tenebrae  ernnL  Niiper  fucieni  aby^fii. 

Keg.  5H,  65t>  A:  Sic  ergi»  uiiivoranlitiT  virum  est,  omiiift  esse  a 
deo,  tJiin  eubiecta  proprietatum  ,  quam  prupriet^tes  atibiectennn.  Vgl.  -Jo- 
hannes Saresb.  (Met4il.  IT.  20:  Migiu*  l!^!',  8H2  C) :  Omnia  per  ipaum  facta 
»nnt :  ufjque  tum  stihiecta  furmaruni,  quam  furmac  subiectorum. 

'')  A.  f.  I,  25,  6ü:{  I) :  Licet  in  ciiiiintibet  <Hiait  qnnlilii^t)  suh»tnntiae 
crcatiun?  materiam  patri ,  fiprmam  tilio ,  compoaitiunem  spiritui  sancto  poasil 
oongruus  ordo  degtinare. 


72 


AlanuH  i\v  Insiilis. 


sehen  *)  Sn(7.,  daß  Mutene  und  Form  xuma]  (insimul)  goschafTen 
wm*3en  seioii  *).  Krfilich  unk'HrilJl  er  es,  sicli  üIht  den  Sinn 
Jriies  msiniul  mit  crfcmJerliilirr  Klsiilieil  anszusprcelien ,  wie  er 
iiueh  mit  keinem  Wort  ilie  im  xMitlc'l;iUer  ;ui  ileii  augusliriisclien 
/■  Terminus  sieh  miseliUeläeiide  Contmverse  berübii ,  ob  näuilieti 
creätio  und  tbnualio  xeillicli  ;iuä  einander  liejren,  oh  die  for- 
mierende und  gestaltende  Tliatij^keil  Gottes  mit  dem  S<-liöpfunKS=- 
akt  zusanimi'rifalle  oder  sieb  ei-st  successiv  im  Seclistairewerk 
^yollzopen  habe  %  Zwar  wird  naeli  ihtn  ,  wie  bei  der  Melirzald 
der  TJjeologen.  die  Form  sieber  rim-  iiisolern  gleiehzeific  mit  tjer 
MutiTJe  gescIialTen  ,  als  die  letztere  relativ  lonnierl  ins  Dasein 
tritt*);  er  seheidet  somit  die  Erschaffung  des  relativ  fonnierten 
UrslofTes  von  der  Ausgestaltung  desselben  zur  beutigen  Formen- 
weit,  (»ine  sich  iiber  darüber  ansznlnssen ,  ob  zwiseben  dem 
el*sten  und  dem  zweiten  Akt  eine  g{'\visse  Zeit  VerÜossen  s<»i, 
und  üline  auf  die  in  der  Genesis  geletirte  Sueression  jener  Foi^ 
niiernng-')    einzugehen ,    legt   er   sieh   die   Entstehung   der    Welt 


')  Do  gBiK  ad  litt.  I,  ITi.  n.  2^*  (Migne  34,  2Ä7) :  Non  quin  iiirurmia 
materia  formntis  rohim  tnnipore  prior  e^t ,  cum  sil  utriiiii<|it(.<  simitl  cuocrea- 
yt  tum  .  .  .  f«^Hllt^llII    ijuippe    creavit    mutorium.       Vgl.    obd.     IV,    S4.     n.    53 

(Higno  S4,  319). 

^)  Dist.  754  D :  Crearc  pruprie  ex  iiiliilo  uliquid  fiicerD,  quaado  scJIicet 

materia    ot    forma    crcanttir    iiusinial ,  quin  aimul    iimUiria  et  foriDH  cre- 

antur.  Vgl.  JoLHiiiies  .Saresb.  lM«t4iLlI.  20;  Migno  l\i9,  t*SSA):  Ut  emm 
ait  Augiiatinim,  formiitam  creai'it  dt^iiH  malerimn. 

")  Papias  (Cod.  Paris.  11531,  fol.  I45vh),  der  au8  Ui(l«»r  lÜiff.  II, 
U,  n.  27  fr.;  Migno  83,  74Cir.)  sflil^pft :  nutem  liabct  dialantiam  intcr  cre«- 
tioncin  et  furmationom,  qiita  nrigintiiit<>r  aeciindiim  mtitonuf  aiibstantinin  äimiil 
cunciii  ureat»  mint,  »ccundum  distiitctionem  rerum  vero  por  sex  dierum  alter 
uatiun«in  furmata  Hunt.  Itiinu  v.  St,  Virtor  (De  satTam.  I.  p.  I,  c.  2  ; 
Migiit<  I7ß,  1X7  C) .  Sfii  mm  purv«  ijiinestw  est,  utniiii  ca,  qiiae  Uicta  siint, 
HJmut  in  mat^ria  et  forma  ad  esse  prodicriDt ,  an  priua  pur  materiam  quidciu 
cssentialit«r  condita  siut ,  postmodum  fnrmata.  Ders.  fElucid.  in  Pentatciiuh. 
c.  IV;  Migne  175.  33  B).  Vgl.  Petrus  Lombardua  (Sent.  U,  12.  n.  2; 
Migne  192,  676).  Er  unt«rächeidet  e)>eur»l1a  gegi<n  Augiiatin  die  forma 
cunftwinnia  von  itor  runiia  dispositionis.  Sieh«  dieselbe  Streitfrage  bei  Tho- 
mas, S.  tliool.   I,  q.  6ß,  a.  1. 

*)  Siehe  S.  71.  Anm.  1  und  obiri  S.  49. 

'^  In  einer  in  den  Dictu  alia  oder  Sont^mtiao  aliae  (Mtgiio  c.  254  C) 
sich  tindeitden ,  von  Haurt^aii,  a.  a.  0.,  S.  527  heningczo^nen  Stelle  wird 
alli'rdiup*  von  einem  zeitItcben  Verlauf  der  Farmtening  gesprochen  (Renim 
aiibstantia    »iniul  creata  eat,    aed  uou  aiitiul  per  apeciea  furmuta  eat);     allein 


ni.  Abschnitt.     Kosmolugie.  73 

nncli    (liT   WVisc  des   platonipchen  Timaeus  und  des  Bero- 
hanl  von  Clhartres  zureclii. 

Mit  den  Jx-iden  jf^'nnnnlfti  Aiilffriirilcii  hctnidilrl  er  als 
den  Äusf'un^r.spunkl,  der  \Vi*lll)ildiin^'  dir  cliaolisrh*' ,  slüruiisrh  > 
und  gesetzlos  duiTh  einander  wogende  Stoffniasse,  dir  nicht, 
wie  bei  Plato,  ewig»  äondcni,  wie  wir  sahen,  von  Gott  ge- 
schaffen h\.  ?>i'r  jjöttlirlii'  Weltiirrliilrkt  ^  seliafi)  Ftjnn  und  \ 
Gestaltung,  Ordnung  und  lluniiünie,  indem  er  die  irdi.siheii 
Formen,  die  species  der  Dinge,  den  göüliehen  Ideen  naeh- 
bildel  und  sie  der  MaLeric  cinprä^d  ,  die  letzlere  j^letehsam  mit 
einem  h<'Ss*Ten  Kfeide  iuisslaitet,  ifir  das  Sie^i'!  der  Korni  auf- 
drückt -)  und  in  und  durch  die  specie;?  Gesetz  und  tiarmoniscJien 
Zusammenhang  in  dem  ordnung.sh)sen  Chaos  realisiert'^),  hi  den 
species  erscheint  nflmlich  der  Widei-streil ,  welcher  den  (laltun- 
pen  noch  anhaltet,  ausj^epliclien  *).  Sie  schliefen,  wie  dun-b  ein 
nnsichlbares  Üaud.  die  Vielheit  der  Einzelndinge  zur  Einheit,  ilire 
individucllf  VerscIiieitenlielL  zur  Ideiilitül  des  West-ns  zusam- 
men -'),  insofern  in  allen  Dingen  derselben  Arl  dieselbe  inliatllich 


die  Echtheit    (ll^8    uiitt^r  j(*noii  Titeln  hoi  Migtie   godmcktun  Abechnittes  ist 
H)hr  zweifelhaft. 

*)  Do  pl.  n.  453  It :  tamqimm  iniiniii  etegans  architoctus. 
1  Anticl.  51Ö  A  : 

Hie  erat,  ud  cuiuä  fornuini  deitatis  idea 
Impreasit  robus  formiu  iniiu<loquo  figuram. 
Ebd.  5S4  D: 

Qui  rcnim  species  et  rotindi  itciwilis  uinbrHni 
Dticis  iib  cxi>mpl<)  mundi  tnontjilifl,  ci)nd«m  , 

Exterius  piiigena  terrestris  imngine  formae ; 
Qui  veterom  ninftaam  de  vultus  eorde  qiii<reut«ni 
iDTOstis  metiuru  togd  formaoque  hi,^illo 
8ignans  oxcludis  noxii  mediiint«  tumiiltum. 
In    nhiilichen  AuHdrflck«n  bewegt  eich  auch  Bernhard  von  Chartro»,    cd. 
BKrBch.  S.  U.  V.  Jt:l  ff.;  8.  35.  v.  ih  S.  r.H,  v.  64;  S.  fil.  v.  5  ff. 

1  De  pl.  n.  458  C :    ileua ,    (|ui    inuniliHli   pulAtio  variiu  renim  specieH 
fteciihendo,  qiids  discrepantium  genonim  litigiu  dtsparat4i8  Icgitinii  ordiuiscon- 
'  grupütia  teinpentvit  legcs  indidit,  sanctionibu»  alligavit. 

')  Kbd. :  aicque  res  generuui  oppoMitiom*  c«tntniriHS,  inter  quas  Im-iis  ab 
oppoKJtis  lociim  posuerat,  luiiischiin  rccipnjtfto  hnliitndiuis  relativia  oHcuIia 
foedcraiido  in  amicitiae  puc-pm  lit^'m  rcpugDnDtifle  comniutavii.  Vgl.  Bern- 
hard von  CliartrcB  {cd.  Barach.  S.  33.  v.  lü) :  Miaaum  faciu,  undo  sacer 
contro vertan t ja  aibi  genera  foederavit  ninplcxua. 

^)  Kbd. :    8ubtilibiis    igittir    invisibilis  iuncturae  catenis  concordaDtibiu 


74 


AUdub  de  Innilis. 


identische,  numerisch  aber  vprvielRlUigrte  Wesenheit  wohnt ,  wie 
Alanu.s  mit  Gilbert  aiuiiinmt ') ,  und  so  die  Eirizelndinpt-  der 
p'leicben  AH  unter  einandor  confonn  ptstaltel. 

Sucht  der  Insulrnsor  den  Ursptiin^'  drr  Well,  das  Eidstflirn 
ihrer  Oixinunp  und  (ie.setüniäfiigrkeit  durch  Verbindunff  eines 
platonischen  Gedankens  mit  d^Mii  Scliöpiunj/.sdoj?ma  und  durch 
Ifcreinzicbunjj:  der  Gill)ert 'scinni  UiilviT^aliciiIcIirc  iM'grciMicIi 
zu  iiiac-lirn ,  so  niniml  er  weilci'hin  nacli  dein  Vorgang«»  Ailc- 
hird's  von  Batb,  Thierry's  und  Bcrnhard's  von  Char- 
<  tres  die  nt'Upythatforeische  Zahlenlehre,  welche  durch 
Apuleju:^  ■') ,  Auifustin'*)  und  Bof^lbins  *)  Ein^'nn^'  ins  Midel- 
altrr  gcfiindrn  IkiHc,  in  st'inc  kusnioloi(ischen  Spekulationen  auf. 

Nacliklänge  eines  pythagoreisierenden  Einflusses  machen 
sicJ»  bemerklich  in  der  Hochsclifltzunj?  der  Arithmetik  und  Mu- 
sik ■'•) ,  femer  wenn  der  J^diolastiker  die  Gejrensatzpaare  des 
Weihlichen  und  Männlichen^  des  Körpers  und  der  Seele ,  der 
Erde  und  des  Himmels,  des  Sinnes  und  der  Veniunft,  der  Ti'uuer 
und  der  Freude,  des  Todes  und  des  Lehens  mit  dein  Gegensalz 
von  grnidtT  und  nnperader  Zahl  in  Verhiridun^'  brinjit,  und  wenn 
er  die  Zalilen  mit  den  ;.^eütnelriscli<-ii  GrhiitJen  des  Punktes,  der 
Linii',  der  Flßchc ,  der  Kugel,  dt-r  Pyramide  u.  s.  w.  in  Mezie- 
hung  setzt**}.  Abgesehen  aber  von  dieser  mehr  synilxjlischiMi 
Bedeulung  spielt  die  Zaiil  auch  auf  mclapliysischeni  und 
kosmolügisthoni  Gebietu  eine  heuierkünswerte  Kolle. 


umveisiB.  nd  unititt«uj  plunilttas,  äit  iitcntität^m  iliversitas,  »d  consunantiani 
diHijOUHntin,  nd  cuncorditiDi  dincordi^i  utiiunv  pucilic-u  remeuvit. 

')  Siehe  oben  S.  25  II". 

0  De  dttfm.  Platim.  [,  7,  H.  aoldbachcr,  S.  CS,  v.  21  ff.  Nicht 
übne  t^influlJ  war  iiueli  der  Tiiiiufusk^innicutur  des  C'hnlcidiuB.  welcbfr  in 
eioem  eiKi'nen  Abachnitt  Über  die  Kahlen  humlelt  (ed.  Wrobel.  H.  113,  n. 
46  ff.;  vgl.  b«aondegr»i  n.  5S). 

■}  De  lih.  »rbit.  11,  16.  n.  42  (Mipne  32.  1263);  de  civ.  dci,  XI,  30 
(Mignf4I,  348):  vgl.  drtzii  laidor  (Ktynndogiamiii  III. 4:  MIgiie  82,  Uö  C), 
wt'lchtT  .Ausxflgti  aus  der  letzteren  St*IIe  giebt. 

')  Do  Arithnietlc«.  1.  o.  1,  2  (ed.  Friedlein,  S.  lU,  v.  U  ff.;  12,  v. 
14  ff.);  Conaolatio,  III.  metr.  9  (ed.  Peiper,  S.  71). 

*)  AnticI.  .'il4  B,  f>16  C.  Diewlbe  Stolhmg  nimmt  die  Aritiiint'tlk  bei 
Adelard  von  Itath  ein  (Ct»d.  Parts.  2'SH*J,  fa|.  hH>  u):  barum  ergo  prima, 
quae  quadam  excellontia  roliquaa  tres  siipeiat.  Vgl.  aucb  Aliaolard  (de  on. 
et  Irin,  diviaa,  ed.  St&Iste,  Freiburg  i.  ti.  1891,  8.  9). 

*)  Anücl.  filÄ  B. 


III.  Alraclinitt.     KoHinfiUrgip.  75 

Aliifins  jircisl  ilirr  Marlit.  ihn*  vcrbiiuli'inl«'  uihI  onliifiide 
Kr;il1  'K  Kr  niliint  die  Krlinili-r  (Icr  Ziililt-ri .  nllfii  vi>raii  Niro- 
iiiacliu^  und  PyLlini/ornSt  iils  iliejuiiiTfii ,  \vi*lr-lii*  dir  Hätsi'I 
Her  Din^L*,  ihr  JSt'iti,  ihren  Wechsel,  ihre  rrsaehen.  ihre  Bewe- 
gung, ihren  Zusamnieiiliaii^'  (hin-h  lUe  Zahlen  zu  enlschieiern 
versuch*  hfiUen '-').  Die  ZahU-n  sind  ihm  Pi'ineip  und  Ziel,  Trhild 
und  Sie(5el  für  die  wertk-ndeii  Üirtpe,  nnd  niieli  ihrem  Vorhild 
liu(  die  GoUheil,  die  pMlIiehe  hlee .  dvn  Dinaren  ihre  Kornieii 
im<l  der  Well   ihre  Figur  eiiigi-pi-ayl  *^J.    (»leit-h  den  Ideen   werden 


•)  EM.  hU  D: 

Qimc  niimiTJ  virtti«,  qiiiio  lex,  quis  nt^xiiH  t-t  ordu, 

Nodiir«,  amor,  nttio,  focdoB.  cuncordia,  limes. 
')  Ebd.  516  B : 

Illiv  Nicomachua  praedicUi  ludit  in  art« 

Kt  i|iuLHi  ptT  niiiriiTim  mnnn  »pcrt'ta  prophrt«(. 

I'ythHgoruM  pn^pritM'  iiK-nti  coriviviti  doiiiiris 

ücrti>4  itHcribit  iiiiinororiim  legihtia  urtus. 

Kssc.  vk'ps,  r«uHUM,  mi'iiis  et  viiiciilii  roriiiii. 
Nrbfii  Niconiflchus  um!  Pythngoms  werden  aU  Vertreter  tl^r  Arldimetik 
noch  Gilbertiis  und  Olirysippus  erwähnt  L*ut«r  dem  erstoron  ist  th'T 
auch  naf  dem  («ebietc  der  Mathetnitik  tliäHg  gcweacnu  (Icrbert.  dci'  apAtore 
Papst  Silvfstor  IT,  zu  ven*t*heiij  wio  dur  ^tlion  früher  (I^.  10,  Aniii.  "J  und  H) 
Kuuaont«  KjtdiiU'  dt-  Linien  Cuin}>ii,  dor  SrUflkr  de8  Alttriiis  und  iU*r  K)im- 
iiivtitator  dos  Aiitirlniidiiiii ,  zu  rinr  l>i-tri.>tfF>i)H(>n  Sudlo  ln^mi^rkl  (l-uiL  l'Hi'iH. 
8083.  ful.  211  ^a). 

')  Atiticl.  515  A  : 

Quomodo  iiiisccnti  mundo  rt'bnsqiiL'  crcauditi 

rriiu-ipiiiui,   Hiiif*.  i-xcrnplar,  fnniiii,  sigilliim. 

Hii^  friitf  ail  ciiiiifl  fomiiim  drihiti»  iAva 

Imprcasit  n'lms  furma.'*  innrjiloqut'  figiirum. 
DtT  gleichf  (ü'drtiikf  Jind^t  sich  l>ei  Adelard  vun  Halb  (de  eodiiii  rt  di- 
vermi.  Cod.  Paris.  '2H8H,  fid.  8H  v  U) :  numuniH  ....  tnieo  ipHis  ri'hus  iiicuni- 
bit ,  ut  quaL'Cunque  in  ordinvm  (ataft  ordinc)  a  (statt  ad)  primn  qundam  cuii- 
fitsione  digest-a  sunt,  ex  oius  similitudinc  exemploqiie  decorcni  accepisse  vidtn- 
antur;  ebenso  bfi  Hugo  v.  St.  Victor  (EnuL  <lidii8c'al.  11.  ■'< :  Migne  176. 
755  D) :  Virtud  auteni  numeri  est,  quod  ad  eiiiH  »iiriilitudinuni  cunct»  forutatu 
sunt;  ähnlich  bei  Wilhelm  von  Coiichea  (Cousin,  Fragment«  de  philt>< 
Bopbie,  S.  305;  Migne  172,  240  250).  Hotne  gucdle  hat  er  in  Nico- 
mnchus  von  Oerasa  (introductiuarithmetica  1, 4,  2  ff.  ;  U,Iif.:  ed.  H.  Hnch«, 
Leipzig  IMIJK),  vermittelt  durch  Biti'thius  (de  iinthmeticu  I,  1.  ed.  Fried- 
lein,  tS.  10,  v.  II  (f.):  haue  (urithnielicaitO  ille  huui.-«  mundiinae  niulis  con- 
ditnr  deua  primam  suuf  liabuit  rutiuciniittunt!*  ifxempliir  et  ud  hiiiic  nini'ta 
conHtituit;  eM.  I,  2  (ed.  Friedlein,  S.  J2.  v.  ll[ :  lunnia  quaecunqu"-  n  pri- 
iDAeva    renim    natura  constmcta  sunt ,    numerürum  videntur  ratione  formata. 


76 


AUnuD  ile  Tnsiilis. 


sie  also  zu  pötllirlii'ii  (iHlanken  und  zu  UrbiUlfni  der  gescbalTe- 
iu<ri  Diiigi*.  Sil*  sind  rcnicr,  wie  im  obi^rtm  (ittlaiikriiKuiifr  die 
spn-ies .  Ordnung,  Gtsdz  und  Zusaninienhanp  slinmdr  Pnnt;i- 
|»ion,  die  Ursaclnn  innl  die  .Samen  der  !)irine,  das  Hand,  durch 
welelies  alle  Urdnunp»  (reselzinülai^keil  und  Sieligkeil  im  Wn-hwl 
der  EiNclifinun^vn  berlinpl  wird  'K  Die  Zald  verknupll  alles, 
ist  rimnd  für  die  Eiidieit  dt_^  Zusiiiiiiitenjfeselzten ,  verbindet  die 
Ktenionle.  vermählt  die  Seelen  mit  den  Körpern,  bewepl  die 
Gestirne,  rejfierl  die  Well  und  iinJnet  d4'n  Krdkreis  •). 

a.  Stellung  und  Aufgabe  der  Natur. 

Wenn  Alanus  in  seiner  Theorie  der  WeJtbildun;;  platoni- 
selif  •und  neupyniat'*Jreisebe  Elemente  neben  einander  stellt. 
sti  Anläeni  sich  versebiedenarlige  Einflüsse  weiterhin  in  einem 
zweiten  Punkt  alaniseber  Wellbetraeblunp,  nändich  in  der 
\  eipi-ntfiinlichen  Stell untr ,  wrldie  die  Natur  als  allumspaiuiende, 
1  gesctzgrtterisrlif  und  j^estallmde  iMaelil  einei-j^eils  (.jmII  Unit  ati- 
derci'seils  den  WcUdingen  gegenüber  einnimmt. 

Naehdein  Gott,  der  KütisUer  des  Alls,  den  Dingen  ibre 
Koritien  ^.'epeben  und  gesetznulUige  Zusanimenhän|ie  zwiscben 
ihnen  mesehafl'en  hatte''),  da  woNti-  er  in  ilu'eii  ferneren  Bestund 
nicht  melir  unrniltolbar  selbst  eingi'eifen ,  sondern  zugtotch  mit 
der  Welt  sehuf  er  ein  Wesen .  welches  an  seiner  Statt  die  wei- 
tere Entwii'kelunp  der  Dinge,  die  KortpflanÄung  der  Organismen, 
zur  Aiilgahe  liatirti  sollte,  die  Natur').  Die  Natur  ist  Gottes 
Werk,    wie   die    ührigen  Dinge   nacli  ilent  Hilde  einer  Idee  ber- 


Hm!  enim  fuii  principnlr  iii  nriiinu  uomlitoii»  e.\eni]lUr.  Auf  hmh  Meilen 
Wnifi  sich  rior  untor  den  Werken  Ueda'ti  Ht«hen)|e  dialogiia  de  oomputo 
(MigiiL-  liU,  H4a  A.  «viO  A). 

')  Anticl.  bbb  H. 

')  Ebd.  .SU  D  (f.  Vgl.  BnrnhArd  vuii  Chartres  (ed.  Bamch, 
JS.   n,  V.  K6;  8:>.  V.  it):  elcnn-iita  Iigiivi 

Üfincordem  intinero  coiiciliantc  fiit«-!!!, 
uml  weiterhin  Ho<>thiuH  (Consal.  III,  nietr.  U,  ed.  I'eiper;  8.  71): 
Tu  niimeri»  eli^incMitA  lij^HS. 

")  De  pl.  n.  453  V. 

*)  C  H.  I.  40.  'Mh  D:  Ufus  n  jiriiiij*  miindi  crejttione  naturam  crea- 
vit,  n<H-timliim  qiinm  similia  ex  aiiniltltiiH  pruduxit  rinn  ergo  detta  mediant« 
natura  rea  prpcreatunia  esaet  .  .  . 


III.  AUtM-hiiitt.     Kn>tm(iliigie.  77 

vorgebrnchl  ').  In  Abhän^ijfkcit  vnn  (('"itlltclifi'  Loitunj.'  vollzichi 
si(>  iils  fiottes  Stellvciiri'terin  -f  iinil  dos  höclislcn  Mt'UtiTS  <lf- 
mfttig*^'  Selnllenn  ^}  die  ^rrttlliKlirn  Ri'tVhIr  *).  Ihr  Wirken  ist 
durchaus  verschieden  von  fter  gtMthchen  Wirk^iiimkcil  sowoh] 
dtT  Art  als  anili  rlem  Objekle  nach.  Ea  ist  iiitfil  riii  SciiallVn 
aus  niehU,  wnuhTii  ein  Hi'rvürbrinj,'eri  aus  Etwa:;.  Ihre  Belhä- 
ligung  erfordert  stets  einen  bereits  vorhandenen  Stoll  und  hin- 
zieht sieh  uiciit  auf  d;ij;  (Ifillliehe  und  Unver/fuiKliclie ,  sondern 
nur  auf  die  veriuidei-lichi-ti .  tnaterirllm  Din^^e  ").  Ks  kojitiid  dir 
iH'i.spieUweise  wohl  zu,  den  inenscliüehen  Körper  zu  trestallen, 
aber  die  Seele  zu  sehuflTen  l>leihl  ilirer  Macht  entzogen  'j. 

Stellt  die  Nulur  Ootl  tf<-l:f<'n'^her  im  ViM'haltnis  jfe.seht^pni- 
rlier  l^nlerordnun^' ,  s{>  iH'thiUigt  sie  ilire  Macld  iiill  itücksicht 
auf  die  Wi'Itdin^ii-  in  einer  iiili'S  nnifa-ssenden  Herrschaft.  Sic 
ist  der  Einheitspunkt,  ilas  Band  der  Welt,  welches  die  Dinge  zu 
einem  festen  Uefögc  zusaminenhAlt  "),  die  Weltköni^rin  "),  die  Trä- 


')  De  pl.  n.  445  C:  egn  notn  .  .  .  cgo  fi«;ta,  .  .  .  i^jin  o\mH  opilicis  ; 
ebd.  447  H:  «  >ilei  pro]«»;  ehd.  As\  A:  cuni  iiiiiiiH  iileiio  uxemplari^  imtio 
ntiB  in  nativuin  oant^  proiliixerit.     8o  epricht  der  Genius  zur  Natur. 

^  Klifl.  442  C:  tlei  auctoris  vicaria;  ebtl.  4^3  D:  ille  igittir  tninqtiam 
Hui  vicarii^ni ;  cid.  47d  A :  O  aiipr«^uia  caeleatiH  priricipia  fiildi»  virartu. 

^.Eljd.  445  C:  ccrtiwimo  aummi  mugistri  me  liumilein  profiteur  oasc 
discipulum. 

')  El)d.  4.V~t  D:  Inipi^rautiK  igitiir  imperio  ego  obtemperanH ;  Anlicl 
500  A  :  DeiiH  imp«rat,  illa  iiüniMtrjtt. 

^)  De  pl.  II.  445  CD:  Eiiut  operatio  aimpbx,  moa  multiplex  ;  eiuM  opus 
aufficienH,  meum  deficien-s  ....  ille  nperatur  ex  nihilo ,  r<gti  ineudiro  upus 
ex  aliijuo ;  Antiil.  500  A: 

Quod  Utttura  fiU'it,   ilivimm  p«rtirit  aiintor  ; 
DiviDuui  rreut  fx  nitiiln,  iiatttrn  nidurum 
Procreat  ex  ft]iquo. 
Der  AuMlnick     «procreare^     für    doa  Naturwjrken    »tammt    au«  ChaU'idiua 
(ed.  Wrobel.  8.  89,  r.  10,  n.  33). 
*)  Siehe  unten  S.  97. 
T  De  pl.  n.  447  BC: 

Vini'uluiri  inundi  stablliaquc  nexus. 
Quae  tuia  mundum  modcraa  habcois, 
Cuncta  coDcordi  atabilita  nodo 
Nectis  et  puvis  glutiDO  Tnaritjk.s 
Caelica  terris. 
BoPthiuH  (CouBol.  III.  metr.  2;  *^t\.  PiMper.  S.  54'. 
")  De  pl.  a.  470  A :    O  nativorum  umiiium  originale  prim-ipium  !   O  re- 
ru)u  (tinniuia  speeialo  aubHidiuin !  0  muuduimt;  regioiiJH  regina '. 


78  Alanus  ile  InsuliA. 

gL*tifi  uihI  mit  \'inln'<lnHil  waUfinIo  Vollslrfokerin  der  Wellnor- 
iiicii  urul  i\fv  Wi'llgi-sflziiiälÜKki'il ').  All«'  Ti-ilr  uiul  Glietlor 
(k's  Wrltiills,  iMv  Fk'Wf'p'un^'t'n  der  (ieslirric  uiiti  ilii'  Vorgänge 
<U*r  unorjfani.schf'ii  Wt-ll.  wii*  ilic  I.fbriisünLn'ruiijfi'ii  iliT  or,;ani- 
sclion  Gt'l)iUU'  unit'riiegcu  dt'ii  (it'scl/cri  tlrr  Niilur"). 

Dränpl  sich  dem  Scholaslikrr  ftUrrall  ein  pcsUzmüliigfS 
Gi'scliclu't)  :iuf  um!  dt-rrkt  er  dasst-llio  ViTwirklicIil  mIh  i]t'n  Voll- 
zug der  Bi'felile  einiT  üIjlt  dun  OingL'ti  slflk-ndch  Maclit ,  si> 
sieht  er  das  gleiche  Agens  w'n^lcnini  lli;llij.',  wenn  es  sich  um 
die  Lösumg  des  Problems  ti*'!'  Koiislatu  der  Arien,  der  Enl- 
sli'hnntir  stt-ls  sich  ähnlich  hlcthciHli'f  oiyanisehtT  Wesen  Imndell. 

Bekanntlich  haue  AristoUdes  das  IJesetz  der  Sync»- 
nymie  aur^est<'llt :  (Jleicliartiges  wonie  aus  (ileirlmrtigrni  erziMigl. 
der  Mensch  er/.eiige  den  Meusrhi-n').  Durch  f'si-ndo-Apnli»- 
jus ')  nnd  BoeUiius')  ging  ih-r  ih-danki-  atiC  das  JrOlMTf  Mi(- 
lelallcr  über,    wo   er   von  Bfinluird  Silvc-stris  "j .    Wilhelm 


•|  Ebd.  447  C : 

r*ax,  nmor,  virtiw,  mgimeit,  pote-^ta-*. 
Ordo,  lex,  finin,  vin,  ditx,  origo, 
Vittt,  lux.  Rplendor,  Apecies,  figiirn 
Hogula  muiuli ; 
Anticl.  492  It : 

Singiiltt  d(Mrerni'nf*  seiiHU  iiiitiini  proftindo 
tSedibuM  lii.s  hiih  itiru  tenvi  Icge^iiue  ti^urat 
Providfl,  qiias  toto  spsr»im  promulgtit  iu  orbe. 
1  De  pl.  n.  447  C— 44Ö  C. 
'I  Met  XII.  3.   1070  a  5;  VII.  7.  1032  »  25. 
■*)  Anclppius  i^  4  {ed.  (»oldKjicb^^r,    S.  MO,  v.  |9  (f.):    gcüfrji    rerum 
oiiiiitum     siiu})     spci'ieH    »i(><]tiui)ilur,    iit  nit  itit  soliditju  gPDiiä,     s|ic<-i«'H  geiitri» 
partirtilii  .  Gonii.s  ergo  diHiriim  ex  si-  deoriuii  faciet  Hpecics:   daeinonutn  geiiiw. 
acqii«  homiDiim,  Bimilittir  vüliuTum  vt  ümniuin,  qu&e  in  kc  miinduH  liitUft,  hui 
»imileM    wpwiie-s    geiiemt.      Vgl.  eUd.  o.  'i3  (t-d.  Goldhnclicr,  S.  46).     äiVlm 
unt«ii  S.  1 14,  Aniii.  h. 

•)  Kjmiint'niJir  zsi  Topir«  Cicuronis  (Hotttliü  opp.,  S.  838).:  'Omni»  igi- 
tur,  qiiuc  ex  nutiirit  ittqiie  nrt«  d>%srijni]iint,  cotistiintiii  Htiiit.  Nahirn  i|itippe 
atque  ars  »uum  scmper  npii.^  cffiriunt ,  ni'si  Hiibifctii«*  itiut<!nH4'  olmtvt  liirer- 
ttim  ....  Idem  est  in  natura ,  servat  nainque  rnm*tAntinm  Mliiim ,  runt  bo. 
niini'm  riirniat,  ex  homine.  Itaque  similiii  in  ccterij»  ex  simililms  gigiiit. 
")  Ed.  Barach.  S.  70,  v.  170: 

Kormat  c*t  effingit  sollert»  nntiint  liquorein, 
l't  eimili  geneaiit  or^  rcduc-at  avoä. 


III.  Abächnitt.     Koamologie.  79 

von  Gonc'lies^)  uiul  von  den  Physikern  aufgcgrilTt-n  winl.  Eine 
intcressajite  Vt^rwertuiiK  findet  er  auch  hei  unscnn  A  lanus. 
Das  Gnsctz ,  dafi  aus  Ähnücht'in  sli'tü  Ähnliches  erzt^u^i  werden") 
\VK*  aus  ilmi  Mrnschi'ti  der  McriÄch,  iTsrlicitit  ilmi  Sdiolastikfr  | 
als  oin  Au-sHuJi  drs  ^'öltlicheii  Willens.  i^Jotl  woilU-,  daü  bei 
allem  Wechsel  dpa  Eid.'^tehen.s  und  Vergehens  der  Einzuhulinge 
ihr  be?sUmniler  Ailtypus  erhaUcn  Uleihe ,  um  so  auch  die  ver- 
jfruiglirlipri,  ctidlirlicn,  zrillifhcn  Uinj^f  an  tUr  Slahilihll,  UmimhI- 
liehkfil  und  Ewigkeit  Toil  rielinu'n  /.u  lassen  -).  Als  VoIlslrer-kL-riii 
dieses  göttlichen  Wilk-ns  wird  vom  Beginne  der  Schöpfung  an 
die  Natur  bestimmt  ").  Ihr  ohJiegl  es.  lU-n  Lebewesen  den  Ty- 
pus ihrer  Art  zu  w{dtren  \|.  Sie  ist  es,  welche  in  Ireiir-r  W-r- 
ehrnng  der  r4'inen  hleen  des  Nous  den  werdeiidiMi  Orginiisnien 
ihre  speeit^  einprägt,  sie  mit  den  Kurmen  hi'kleidet  un^i  /.um 
vollendeten  Abhitd  der  göttlichen  UrbiUler  gestaltet  •).     Die  Th5- 


')  Koramentifir  zum  Timneufl  [Coiil.  PaHh.  14065,  fol.  b't'U):  Opus  iin- 
tura«  est,  quod  similia  nascuiitur  ex  «timilibuA,  ex  semine  vel  ex  gerniiiie,  et 
est  nutura  vin  rehu?«  InititA  Himilia  ile  similihu.t  opornnH. 

')  De  pl.  n.  463  CD:  volens  ut  nanccDdi  occidenilique  mutune  relßtionis 
circuitu  p<?r  inaUljilit»t«in  HUl>DlitAM,  per  tineiii  intiniUs,  per  temponüitatem 
»«U^nutaM  rebug  occiduid  donaretJir  rerumque  (**ries  HdriuU«  reciprcKUitiowie 
nasrenili  iugiter  texeretur,  ätatuit,  ut  ....  ex  similibuä  simtliu  eitucerentiir. 
Vgl.  bnzDglii-h  der  ^tAbilitÜi  der  genera  und  spocte»  jWIopiuH  r.  4  (ed. 
(«oldbaidier,  S.  31,  v.  2  ff.):  reliqiiorum  gon^ra,  quorfim  at^t^rnitiLs  ent 
generio,  quumvis  per  spetie»  ocvidaU  nortccntli  feciiiiditnte  sonatur  idooquo 
species  mortnies  »unt.  ut  liotim  mortnliN  hü,  immurtAtis  liumunihu«;  ebd.  c. 
U5  (ed.  Uoldbiirlier,  tS,  57,  v.  2'2):  »peries  ergo  pyriimnct  .  .  .,  »pecteh  veru 
üev  mutatur  nee  coavertitui*.  UrsprUiigticb  int  aucb  dieser  Gedanke  arUtote* 
lisch  (de  an.  11.  4.  415  a  26;  Oen.  an.  H,  1,  731  b  24)  resp.  platoniscb 
(Conviv.  207  D). 

')  Df  pl.  n.  4Ö3  D:  Me  igitur  iftmquam  aiii  vtciiriant  renim  generibua 
BJgillaodih  monet^iriam  deutiniivit^  «t  egu  in  propriis  rneudibus  renim  etfigics 
t'oiumouetanä  ab  itii-udift  forma  (-(mfomiatuiti  Jt-viare  nun  Hiiierem.  (J.  H.  J, 
40,  'i4h  D:  Dt^U-K  a  prima  fnundi  i-reationo  natiirani  i-reavit.  se<-iindum  quam 
aimilia  ex  ttimilibuK  produxit.  Cum  ergo  deuA  meditinte  natura  reu  procreatunu 
esset  ....  Kaec  enim  fuit  lex  natnrae  ab  urigino,  ut  ex  .simjlibuH  simiHu 
procrearentur.  ut  de  bomine  homo,  de  rationali  rationalis. 

*)  De  pl.  u.  403  I> :  mei  operant«^  »»oleitia  .^b  f-xt^mplaria  vultu  uutla- 
mm  naturaruin  dutibus  defraudata  exemplati  farieä  nutlatenus  deviaret. 

")  Ebd.  547  C  : 
Quae  noys  puras  (»tatt  plurcs  na^^b  ed.  Wrigbt,  8.  458)  recolena  ideos, 
dJDgiilas  renim  äpecie»  mtuietan!«, 


80 


Alanua  Je  InsuUa. 


ti^keit  GoLtirs  bei  der  Schöpftxng  nachahmend,  wird  sie  zum  Zeu- 
gimgs-  und  Gestaltun^'sprincip,  zur  Gcbärcriii  und  Vermitllerin 
der  organisclieti  Wesen  *). 

1'^  sind  prolir  ProM^^m*'.  wt'lrhf  t\vm  miltr'laltt*rlichfn 
Schohistiker  vorschweben,  die  Erklärung  fler  (iesetzmäüigkeit 
des  Geschehens  in  der  Well  und  die  FniKe  nach  der  Konstanz 
der  Arten,  Pixihleme,  die  gerade  in  der  neueren  und  neuesten 

/Zeit  NalurrorscIiiT  und  Philosdfihi-rt  aufs  lehliafteste  ht-wegl  ha- 
ben. Die  Lösunjfen  freilich  und  der  We^'  liierzu  liegen  einander 
ebenso  fem,  wie  die  Perioden  des  menschliehen  Ü<*nfcons  seihst, 
welche  sie  zu  geben  vei*suelien.  Während  di*»  motlerne  Wissen- 
schidt  ihre  Anseliaiiungcn  auf  dir  ausgcdi'linlestr  Welt-  und 
Njdiu-lH'i)bae!ilung  gründet,  liiüen  die  Spekulationen  des  nültel- 
alleHiehen  I^flirers  lediglich  auf  ch-ni  Boden  der  sehriRUclien 
Aulorih'd. 

Die  Auffnssnng  der  Natur  al^  einer  die  Well  und  die  Dinge 
beherrschenden  Macht  hat  offenbar  ibre  ]üV/lt'  Wurzel  in  einem 
Punkt  der  platonischen  Naturphilosopliie,  welcher  auch  auf 
andere  Denker  des  l^.  Jahrhuu<lerls  =9  einen  ungewöhnlichen 
Zauber  ausdblo ,  nändich  in  dur  piaionischen  Lehre  von  der 
■  Weltseele.  Zwar  vermeidet  Alanus  beharrlich  den  Ausdruck 
I  anima  mundi,  allein  er  gebraucht  doch  nur  ein  anderes  Wort 
lt\r  dieselbe  Sache.  Wie  die  Wellseele  Philo's  von  Gotl  ge- 
macht ist  uml  die  Beherrschung  der  Welt  in  Unlerordiuuig  unter 
ihn  £nv  Aufgabe  hat  '),    ebenso  Ullit  der  Scholastiker,    wie  wir 

Ke»  U>j;aa  fumiL»,  cblainiUeuique  furnme 
PoUice  foniiAs. 
Vgl.  t'l.a.  404  A. 

')  Ebd.  447  13;  genitrixquc  rcnim;  obd.  451  A:  0  rernni  omnium  me. 
diutrix ;  ebd.  47^  A :  0  niitivorum  uinnium  origmale  principium  *.  0  remm 
omnium  HpeiMalc  »ubHidium  !     ÄiiticI.  ö5ü  B :  nattira  pareriK. 

•')  Thierry  uud  Bernhard  von  ChurtroH,  Wilhelm  von  Con- 
dies,  Abaelard.  über  die  veri^-hiedmien  An»icht«i)  bezüglich  der  ge- 
Daueren  FiUMung  der  Wdteeelc  vgl.  Wilhelin  von  Concbes  (elemcniu  phüoa. 
I;  Mignc  £(0,  1130  C  lf.|. 

-*)  Apulejns,  de  dogm.  Plat  I.  9  (ed.  Goldbacber,  S.  70),  Qberliefprte 
alä  pLatoniäche  Lehre:  Aniniam  vero  aiiimaDtium  omnium  ...  itt  imporitaro 
et  regere  ea,  quorum  curani  fuerit  diligfntiami|ue  stirtita  ,  .  .  st^d  illam,  fuu* 
tem  animnrum  omnium,  caelestem  niiinnim  opiinmm  et  HupteotiuBimam  virtu- 
tem  eitsts  genitricem,  Hubäervin?  etiam  fabricnton  deo  et  pnifiuto  eüHc  ad 
umnia  inveota  eitu  pronuutiaL    Vgl.  Timaeuü  34  C  (T. 


ITT.  Abschnitt.     Kusmologiv.  8t 

sahen,  die  Natur  von  Gotl  gcsdiatlen  werden  mit  der  ^l'^'f^hen 
Beätimniuiii< ,  als  seine  Stellvortreteriii  <\\e  Fintri-iii  dr-i  vuii  ihm 
i^ewolllen  WeUordnuiip  zu  sein  '). 

Zugleich  erscheint  aber  damit  der  stoisclie  tieilanke  der 
Fifm^fU'Vij^  des  Fatunts,  vcnvoben,  wenn  tlie  Nalur  ids  eine  mit 
Vorbedacht  waltende,  KCsttzmätüg  wirkende  Kraft,  als  fin  das 
WelUill  verknüpfendes  und  durcluirin^'endes  Band,  aU  ilie  Welt- 
re^e]  pesehildert  wird  in  laanm^I'acliem  Änkliiufen  an  des  Boe- 
IJiius  Cuhsolatio,  wo  der  W'd'asser  die  Natur  airf  ilie  Macht  I 
preist,  welche  durch  ilirt-  Ceselze  den  nnernieülifhen  Knlkrei« 
beherrscht  •). 

Zu  diesen  plaloiiisch-stoischeii  Kintlnssen  tresellt  sicli 
t'iij  aristulelisrlit-r  (KMliiiiki'h/Ui<.  Wir  nnnnlfn  liercits  ncht-ti 
Pseuiiii-A|j«h'jns  den  Bo^thius  als  de»  Cbennitlh-r  des  ari- 
stotelischen Salzes  von  der  Er/eu^un^j  dn*  (Jry:anisuit;n  durch 
andere,  ihnen  Wesens;;! eiche  ").  DiT  latcinisclie  Philosoph  betont 
hiebei  nnl  besonderem  Naclidiiick  dw  Wirksanikeit  der  Natur 
und  macht  die  letztere  zum  Zcui^un^fsprincip  der  Ori^ranismen.  ^ 
Die  Natur  tonnt  ilen  Menschen  aus  ilem  Menschen,  die  fdinli- 
clien  Wesen  aus  <len  ähnlidien.  In  trh'icher  Weise  ist  bei  dem 
späteren  Bernhard  von  Charlres  die  Natur  <lie  Mutler  ik^v 
Zeu^nijf  *)  und  die  Bildnerin  ähnlicher  orjranischer  (iebilde  -). 

Noch  t'jnc  andere,  ün  Mittelalter  viel  benutzte  Quelle,  nAm- 
licli  Chaiciilius,   sieht   L-tienfulls   in  drr  Natur  ein  Können  er- 


auf  dii'  Idet-u  üeH  Mous  liiublickr»  ,  allein  ilit>  l'latuiiikor  Ui-nlccD  »W  dorli 
mit  der  ErkHiutni»  aller  Din^e  niii^rätAttct.  Sieljc  Chalcjiliua  (eil.  Wro. 
hei,  S.  U(»,  n.  j1  ff.). 

')  Consol.  \\\,  metr.  2  (ed.  Peiper,  H.  &4  ff.): 
QuanUs  reruin  Hec-tjit  ImWim^t 
NAttirn  pütoiiH,  qiiibiis  irami>i)-suui 
liOgibus  orbom  providn  sc^^'et 
fjtringatquc  liganä  inresoluto 
Singulu.  oexu. 
Vgl.  dwu  die  AuafUhniugeii  im  AHclepius  r.  39  (ed.  (ioldbncher,  S.  60  ff.) 
über  die  ^riitavurrij' ,  die  .riBces^ihw'   und  ded   ,(irdo". 
*)  Siehe  8.  7S. 

'')  Ed.  Biirnch,  S.  58,  v.  81:    Quippe    niutrem    geueritlioum    iiiiiunim 
prMMDMrat  ndv^ntare. 

»)  Siehe  olwu  S.  78. 


B«ttrA|[f  II.  4.     Bau  niga  rl  Uf  r,  AlanUA  de   liiKuliit. 


0 


irr.  Alisclinitt.     Kosmologie. 


Was  rlie  historisclie  Be<ir'utuii(jf  dm*  koymolojrisi'lion  Lehren 
unseres  Magisters  betrifft,  so  wird  untt>r  KorUassung  der  Jieii- 
pythagoreischen  ZidileiispokuUüion  tlic  platonische  Tlu-orif 
(!('!■  Wi'ltliilihiii^  t:rmfili  den  ^'ötlhcht^ri  Ideen  auch  vom  13.  .tahr- 
liumlerl  fiLteriionunen  aU  eine  willkünuiu-ne  Krjränzunj:  der  in  (die- 
sem I*unkt  lückenhaft  jrebliebenen  arislotelischen  Anschauujigen. 
Hingegen  der  (ledanke  eines  (.'inzigen,  über  die  Oinjire  herrschen- 
den und  tn  ihnen  wirkenden  Princips ,  mochte  es  nun  Wellseelc 
odi-rNalur  heilieti,  nmf^le  der  melir  nöditernen  arislolelisclien 
Lehre  von  öner  Vielheit  individueller,  bestimrale  Zwecke  reali- 
sieremler,  den  Einxelndinjcen  innnanonter  Priiifipirn,  <len  Kunm-n 
PIrdz  machen.  Die Seholaslik  j.'int:  von  der  ptalonL^chrti  N;ilur- 
pliilosophie  zur  aiistoteiischen  über,  ein  fundamentaler 
Fortschritt,  welcher  eine  wes<*ntliciie  Uni^e.staltU]i^  der  bisherigen 
unklaren  und  phantasli-sehen  Nalurbetraehlung  mit  sieh  bmehlc. 

Dnmit  hahcu  wir  ilJe  philosophisch  wertvolli-n  Materien  und 
zuj/leieh  den  llanplinludl  der  alanisclien  Naturpliilosophie 
ciNchöpft.  r>er  Magister  von  Lille  hat  zwar  noch  eine  Reihe 
von  DetailpunkteM  aus  der  Naturtelire  seiner  Zeit  in  „de  plunctu 
nalurae" 'I  nnd  besorulers  in  den  „Anticiaudian"  eingeHochlcn,  i)L 
welch  letzterem  Werk  er  Kelegeiillich  der  Heise  der  Pi-udentia 
durch  das  Wellgebäude  einen  kurzen  Abriß  der  damaligen 
Astronomie  und  Metereologie  bietet,  die  Luftre-p^ion  ■)  und 
in  V'rrhindinii;  daiint  die  Dätnnnenh'hre ''J  bespricht,  die  FMani'- 
tensphi'iren  und  die  Spliäreniuusik  ')  ^  da.s  Kirmatrient  mit  di-ii 
(leslirm-n  und  dem  Tierkreis  ').  den  Kryshdlhimmel '•)  und  das  Em- 
pyreimi  ")  in  dti-  Weise  seiner  Zeit  beschreibt.  Allein  diese 
sämtnchi-n  fOxkurse  sind  nicht  hioLi  Tür  die  l'liilosophie  bedeu- 
tun^i'slos.  sundrcn  auch  tuT  ilie  Kenntnis  der  damahgea  Natur- 
wissenschaft itn-rr  andenlnngsweisen  Behandlung  wegen  ohne 
Wert.  Alanus  war  i'hrn  kein  IMivsiker  von  Fach,  wie  Adelard 
von  FJ:itli  ritnl  Wilhelm  von  <.:onches. 

Nur  ein  Proltleni ,  <las  aller  n]<?lit  allein  der  Nalurlehre 
angehört,  sondern  noch  mehr  in  den  Ki'eis  des  Nalurphilosophen 


'I  Col.    433-442.    —    ")  AnticI.   524  C  ff.    —    ^  Kbd.  52r.  A  flF.    — 
*)  KIjJ.  i-J(i  Uff.-'')  EUd.  520  Äff.-")  Kbd.  5S5  B  ff.  -  ')  Ebd.  53«  C  ff. 


i 


111.  Abnchnitt.     Kofitnntogi«  B& 

Spitze  nbziiln-iM-licn  durch  dit*  gcgcnlcilipc  Brliuuplung  von  der 
Köi'perlirhki'il  des  litTisclK'n  LeluMispHufips. 

Dil'  Tiorsi'rlo  könne  wolil  Spiritus  ^'onumit  werden,  wie 
dir  llrircUker  wollten'),  ullcin  malt  müsse  mit  tiregor  und  den 
Physikern  untei-scheiden  Kwiseheti  spirilus  im  Sinne  eines  uii- 
körperlichen,  unsterblichen  und  vennUilligen  fJeisles  und  zwist^hen 
spirilus  pliysicus  (naturalis,  animalis)  ^),  einem  Mittel- 
ding' zwisrheii  Feuer  und  Luft,  einer  feinen  kürperiichen  Sub- 
stan/,  '*).  Ein  spirilus  der  letzteren  Art  ist  das  belebende  Prin- 
eip,  die  Stwle,  des  Tiwes  *),  welche  wegen  ihrer  maleriellen  Na- 
tur iitlei-dinps  mit  itt-tn  Körper  unlerp-ht  ••). 

Die  Körperli<  likeit  des  tierischen  spirilus  louelitel  ein  bei 
Helraehlun^'  seines  Ursprungs,  Nach  dem  Zcu^isse  der  Ver- 
nuitn.  uns  der  zweiten  digestio  4'nt_stehend,  ist  er  nichts  anderes 
als  düinier  Haueh,  der,  an  versrhiedenen  Orten  lokalisiert,  ver- 
sehiiMlcne  Numeri  fübrl.  Er  iieilil  spirilus  naturalis  in  der 
beber,  vilalis  ini  Herzen  und  aninialts  im  Haupte").  —  Üer 
Spiritus  physicus  dient  femer  als  Bindeglied  zwischen  Leib 
und  Seele   im  Mensehen.     Er   muü    also,   um    hiezw  tauglich  zu 


qn«  raHoni?  perit  cum  corpur«  et  noii  spirittu  homini«?  Qiih  enim  mtione 
aiit  vi  f'dnMprvüUitur  potitw  iinima  human«  in  rorpore  iiimm  Animn  brutiV 

')  Ebd.  :(2U  A :  t^iiod  f^piritua  slt,  sie  probntur  .  .  . 

')  Diöt.  701  D:  unde  in  phyaic«  (Cod.  Mon.  TJtöS,  fol.  3'  hat  aptid 
philosophoH)  disttinf^uitur  int<>r  unimnlum  flpiritum,  qui  vegetiit  bnitum  animal, 
et  itil«r  rfttionnl*'in.  qui  vpKclftt  hnniinem;  dul.  1*52  D:  und«-  sanrliis  (ireRo- 
rii]4  di.Hhngiiil  iTiU>r  riiion  .ipiritim  homini»,  »nrmalcm,  qiii  cum  mirpor«  di>sinit 
eM4e,  et  THtioiuiIem ,  qui  po>it  rvrpuri«  diüMoliilionPUi  Hupcrst^p-s  vh{  H  immor- 
trtli«.  llei  Uregtir  (drnlug.  IV,  i\  3;  Migne  77,  321  AU)  lauM  die  StcUe: 
Splriturt ,  qui  cnrn»  tej|;itiir.  Hcd  cum  i-iinio  non  inoritiir ,  hoininum ;  »piritus, 
qui  came  f«gitur  et  cum  carn?  moritiir,  iuinentorum  omniiimque  lirutonim 
iiotm*liuin'.     Vgl.  C.  H.  I.  28.  329  D. 

')  Keg.  102,  676  C:  Phy^icus  Hiit«m  spirihM  didtur  quoddnrn  corpus 
»ubtiliu-s  aiire,  miiiim  subtile  igoo  vegctmi«  corpus.     Vgl.  V.  H.  I.  2H,  3*29  D. 

*)  C.  H.  I.  28,  329  I>:  Tali«  üpiritiis  iiHturalis  est  in  corpore  bniti 
itniniAnttA  et  illud  vegetat  et  porit  perfuntc  corpore.     Vgl.  Reg.  102,  676  C. 

")  C.  H.  I,  2!^,  330  B:  »piritu»  bruti  animulia  corporeu»  e.'it  et  p«D04 
curporAlitdtoni  cdrrupÜo. 

'')  Ebd.  330  B.  Der  physiologiwbL-  Tt-miinu«  .dtgustiu'  ,  iwwio  die 
Dreiteilung  domelbcn  gojit  auf  Miicrubius  und  (.'onHtantiuus  Africanua 
zurück.  Siehe  Werner,  Die  tCoHmulogie  u.  n.  w..  Wiener  8it2ung<<b6nchte, 
1873,  B.  75,  S.  384. 


i 


> 


in.  AliHchnitt.     KoemologiV.  87 

odoi'  wenn  man  die  Disjunktion  anerkenne,  dann  müsse  sie  als 
ein    MnlK'l(.'l>if*r  Körper  Kt'falit  werden,    der  jedoch  einen  andern 

zu  In-lrlM'n  vrririöjs'L'  ').  —  Dir  Srliwirrigki'it.  wt-lclic  die  nrjfnrr 
'n  der  Wibindung  eint-r  köipcTÜrlifn  Seele  mit  dem  Uerist:hen 
Körper  fanden*),  will  Alaitus  diidureh  hespitij,'en ,  dalä  er  die 
Nolwi'iidiKkrit  i-iiirs  vt'rhind4Midi'ii  Hjiiidi's  Icutriu't  (unl  die  Tier- 
sfcfi*  nicht,  dui-cli  kontiiuiirrljclic  Aricinanili-rri-iliuri^'  von  Teilen, 
sondi'm  dmvli  Eirifiii'üiui^'  mil  dem  Körper  vereinigt  deJikt  "').  — 
Endlitli  dem  letzten  Argumente  der  llflreliker,  daÜ  die  Seele 
des  Tieres  gleich  jener  des  Mensclien  Kanz  in  jetiem  rin/clnm 
T(*ilr  rlrs  Knipers  sri  '),  s*?l/.t  er  d\p  Ansiciii  iMili/rp-n,  diili  ver- 
sehiedeni'  Teile  der  ersleren  an  verschiedenun  Tifileu  de.s  Kör- 
pers lokalisiert  seien  •"'). 

Der  mittelaltciiiehe  Scholastiker,  wie  seine  Oi^^mer,  waren 
in  dem  Streit  fiher  die  Tietseele  auf  ein  Prohlem  ^'islolw'n,  das 
aucli  heute  jioe!i  nii-ht  endgillij,'  /.um  Austrug,'  y*^'brai-ht  ist.  Die 
Beweistrdmmg  beider  Teile  zeifrl  aber,  mit  welch  staunenswerter 
Naivität  sie  im  dasselbe  tierantralen,  ob(ileich  es  sclion  frOher 
von  Adelard  von  Halli  in  seinem  inniTslen  Kernjnmkte  anpe- 
tatit  wordiMi  w;ir,  wnni  dieseraurdieEiK'enlümlielikeilder  tierischen 
Lebensfunklionen  zurückgreift.  Die  Folgezeit  gab  dem  Platonifcer 
Het'hl,  indem  sie  unter  dem  Einliuü  der  aristotelischen  Natiir- 
phito^opliie  in  rler  Ticrseele  lias  Formprinrip  des  Körpers  sah, 
das  als  solches  nicht  selbst   wieder  Materie  sein   kann. 

Wir  scIilieLien  den  kosmolojiischen  Teil  mit  dem  Hinweis  auf 
ilie  Stufenfolge  der  geschaffenen  Wesen,  die  freilich  erst 
In  dem  kommenden  Jahrhundert  durch  <tie  arislotelisclie  For- 
menlehre eine  liefere  philosophische  Uedeulun^  und  Hegrnndunj,' 
erfuln*.  Auf  der  nieth'rsten  Sprosse  stehen  die  unoivanisi;hen 
Nalurkörper,  die  inanimata.  Eine  Stufe  liöher  gerQckl  ist  die 
mit  vegetativem  Leben  begable  Pilanxenwelt,  die  insensata 
oder  animuta  insi-nsibilia.  Die  nüchste  höhere  Klasse  wii*d 
repräsentiert  durch  die  emptindungsfalii^e  Tierwelt,  die  hrula 
aninialia   oder    sensibilia   irrationalia  *).     Den  SehlutJstein 


»)  Ebd.  T.  28,  SSI  BC.  -  *)  Ebd.  I,  27,  329  B.  -   ^)  EM.  I,  28,  331  C. 

*)  Ebd.  1,  27.  329  C.  -  ')  Ebd.  I,  28,  331  C. 

'^  Seniivnee  221  0;    Ueplet  inanimiita  in  suo  esae  cooservKnd«,  replet 


88 


Aliiniis  üv  Inemli.H. 


abiT  lunl  ilii'  Kroru'  der  h-disrlion  Grsrliöpfc  hildrt  der  Mensch  '), 
So  ITdirl  der  Forlp;i]it'  urist'r<*r  Abhuiidluiig  zur  Aiitlimpologif 
und  PsycIioIosH'. 


IV.  Absctnilt. 
Antliropologie  iiiid  Psycliologi^. 

I.  Anthropologisches. 

Die  a  11  Uirupolopi seilen  Ansdiauun^ii-ii  dt's  Insulvnsers 
konzciih'iorcn  sich  in  dem  alten,  im  MillelaUer  allgf'uu'iii  verbrei- 
teten ')  platonisflRMi  (Jedaiiken.  dafi  der  Merisdi  Miorücosinus, 
inundus  minor  soi.  dala  r^r,  nlf^Hcich  ein  Zwerg-,  doch  als  der 
Bruder  eines  Gi^^anten  dessen  Büd  an  sieli  Iraj^e  ^),  Mit  einer 
gewissen  Vorliebe  vorweilt  Alanus  bei  der  ÄluilirhkeiLsbe/.iehung 
zwischen  Mensch  inid  Welt  und  er  wiid  nicht  müde,  VergleU 
ehunffspimkte  ausfindig  /m  machen,  von  denen  niu'  die  merk- 
wOrdljfslen  eine  Stelle  linden  sollen. 

Nach  Körper  und  (Jelst    ist    der  xMensch    das  Spiegelbild 

animata  inseDsibitiH.  iit  lierbii»,  »rlnorcrs  ett-.,  vogctiitlunttni  Diinihtnmdn,  roplet 
p*tif<ibili«  irr«tii>im1ia  virtutcni  sPüMibik-m  ]l^r^ic^d4l ,  roplet  rutionalia  dutcn 
vnritts  i*<>nffrt']iirlo.  \'g],  Ki*ii,.  U.  62-'>  D:  Irriitionali.H  ciiim  rreiitnra  .  .  .  ,  ut 
bnita  animiilii),  iitii>  iiiitciisata,  ut  hurbae  et  Arbore44 ,  ot  ctiam  inunimatA, 
ut  lapidtw. 

')  Antu-I.  48U  A: 

.Söllers  Natiirac  Ntudiiim,  «im«'  Hmguln  Mpar.sim 

Munero  oontiilerat  alüs,  concludit  in  uuuiti, 

IJiidit  opUH,  per  quod  operj  cüneludittir  utiiui. 

')  Bcda  {de  t«nip.  rat.  e.  85;  Migni.'  ÖÜ.  4hS  B) ;  Pnpiiis  (in  seincin 

Votabutar  ad  v.  Mi(Ti>cüHniiiH;  InktmabcidniL-lt  der  Münrhoncr  8tant«bibliothc'k. 

Venodig  Uil6,  fol.  lüiJ);    Wilhelm    von    St.    Thierry  (de  natura  oorp,  ot 

an.  I;  Migne  180,  ß98  (*);    Bonoritia    von    Auiun  (de  imag.  mundi  T,  o. 

82;  Migne  172,  140  Dm  Oottfrit-d  von  St.  Victor  (Haun'HU,  Hist.  de  In 

philos.  I.  S.  Ö15);    Bernhard  von  Chartres,  welrher  sein  Werk  de  niim«li 

Universität^'    auch    Megacosmns    et    Microcosmas    benennt,      über    die  Vorgo- 

achit'fate    des  Begriffes  „Microcosnios'    in    der    Griechiscbcn  rhilosopbie 

vgl.  Mat  Doktor,   Die  PhiloaophH*  dea  .Toaef  (ifen)  Zaddik,  in:    Beitrage  zur 

(losflh.  d.  Phiba.  d.  M-A.,    hrss.  von  Baeumker  und  v.  Uertling.  Bd.  II, 

H.  2,  S.  19.  wost'lbat  auch  Einiges  für  die  Geschieht«  desselben  in  der  orieu- 

taliflrhen  Wolt(.Ii>sef  ib»  Xaddik  z.  B.  betitelt  sein  Werk  |J^pfl  ühV^  *13Ci 

tber  microt'osmi)  ztiaamniengestellt  iat. 

')  AnticI.  517  B: 

Ut  sie  pygmaoiis  fratereidiis  r-sHu  gigantjs. 

Mjuoriaque  minor  mereatur  iimigine  pingi. 


IV.  Abschnitt.     Antliropulogie  und  Psychologie.  ^9 

des  Weltalls»).  Wie  das  Gefögo  des  Wellkörpers  durch  die 
(•inlnlolili^e  Verhiiidunj?  di-r  vier  Elernunte  zu  stände  konmil,  so 
verdankt  der  Mensel lonkör per  dnii  riclili^cn  VerlifiUnis  der  vier 
liuniore-s  Knl^teliun;:  uiid  lesteii  Bestand  -). 

Wie  fenier  im  Macrocosnms  da.s  Firniamenl  skli  von  Osten 
iiatli  Wej*len  wendet  und  wiederum  nach  Osten  zurückkehrt,  so 
pellt  im  Mwisclien  dir  Vcninrjn  aus  von  Osten,  von  der  Ht-irach- 
tuny  Gottes  und  des  Göttliclion,  wendet  sich  sodami  iiaeh  We- 
-stcn,  zu  der  Belraehtunp  der  irdischen  Dinge,  um,  dui*ch  das 
Sichtbare  zum  Uiisiehthareii  emporsteigend ,  wiederum  zum 
llimniliselien  zunu-kzukefiren  'f. 

Lassen  sicli  so  zwischen  dem  KorpiT  und  dem  intelleklucl- 
Icn  Lohen  des  Mcnscfien  einerseits  und  dem  Macroeoisnius  an- 
dererseits BeziehuiiKcn  entdecken,  so  Hmiet  auch  der  im  Men- 
schen toliendi^  sitllicln-  K;impf  sein  Getrenslnek  in  der  Welt. 
Wie  nämlich  die  Flanelen  dein  Firuiamente  gegeiulher  die  enl- 
gegenpesetzte  Bewehrung"  nehmen  und  dessen  Lauf  verzögern,  so 
kilmpft  im  Menschen  in  ununterbrochenem  Streite  die  Sinnlich- 
keil hemmend   an  ppjri'u  die  Vernunft   und    ilu-e  Fordenm^fm  '). 

Eine  weitere  Parallele  zwisdien  Mensch  und  Well  konstruitrL 
der  Scholastiker  mit  Zuliiirenahme  der  tluistlich  umf;ebildelcn 
Dämonenlehre  der  späteren  Plaloniker,  der  drei  Stände 
lies  platonischen  Staates  und  der  platonischen  Kinteiluirj: 
und  Lükalisiejun;^  der  Seelenvermöf^^eii.  In  der  l{ur„'  des 
Himmels  re^'iert  der  ewige  Hen-scher.  Die  Enge!  in  der  Luftrt'- 
gion,  in  der  Mitte  des  W"eltgen»einwesens,  wohnend,  vollziehen  als 
Krieger  dessen  Befehle,  und  die  Menschen  als  Fremdlinj-'e  auf  der 
Erde,  in  der  Vorstadt  der  Well,  angesiedelt  geliorehen  ihrer 
Leitung').  Dieses  hielnandergreiCen  der  g*'istigen  Wesen  im 
Maerocosmus  liat  sein  Abbild  im  Mensclii'U,  in  seinen  seelischen 
Krälten  und  deren  kfn-perlicher  Lokalisation.  In  der  Burg  des 
Hauptes  residiert  die  beherrschende  f^apicntia  mit  den  ihr  unter- 

*)  De  pl.  n.  443  13:  Kgo  äum  ilhi,  qiiBLi  ad  üxeiii)ihircin  iiiiiiidnnite 
nttictiinac  similitiidinem  hominis  cxemplavi  naturam,  ut  in  eo  velut  in  speculo 
ipHiiiH  mundi  ^cripU  natura  appitrcaL 

')  De  pl.  n.  443  ß.     Vgl.  Dist.  866  B.  —  ")  Dist.  866  C. 

*}  De  pl.  n.  44»  HC.    Vgl.  Dist.  8ß6  D. 

^)  De  pl.  n.  444  AJJ :  In  hac  ergo  republica  deus  est  impcriin»,  ange- 
Iu8  operaztB,  homo  obteroperaita.     Vgl.  Dist.  866  D. 


M  r 


90  ^^^^^HBP         AlniiiB  de  Inmilia. 

stellten  Kj-äflen.  In  der  Mitte  des  mensclilichfn  Gempinwesens. 
iiti  IIer/.t.Mi,  fiat  dir  tiiajirrianintilas  oder  voluntas  ihren  Sit/, 
nin  die  Weisin%'t'n  der  saiiicritiji  (wler  prudentia  ausjnifiilircn, 
und  in  den  Nieren,  gteitlisani  der  Vorstadt  de-s  Körpers,  sind  In 
Unterüniiiunjr  unter  die  Hefehle  der  luagnaniniilas  die  vo- 
luplales  lokalisiert  '). 

Ans  i'iner  palristischcn  (Juellc  endlich,  ans  (Ircfror's  Homi- 
iien,  nimmt  der  Srholastiker  einen  Gedankengang,  welcher  sich 
amli  hui  Seotus  Eriu]™'eua  lindeL.  Seolus  sieht  in  der  Natur  —ma 
des  Menschen  die  Zusaiunionfassung:,  das  Gentnnn.  die  olficinu  .«lä 
der  sämlliehen    Kreaturen  '^].      In    ^fleicher   Wei»*    erhliekt   nudi  mr^ 

Alanus    im   Menselieii    die    Kreatur   selilechlhin,    den   Sannnel M 

pujikl  der  ^run/.en  Sch6pJun(j.     In  ihm  erscheinen  die  L-harakteri— ^^ 
stisclien  Kigentüinlielikeiten  aller  jreschaffenen  Wesen  zur  BinhcitzS-  m  - 
verhunden.     Mit   den  Steinen   hat   er  das  Sein  fremeinsam,    niit^  » 
den  IMlanzeri   das  Lel>en.    mit  den  Tieren    die  Eniplinduni:,    mit*  • 
den  Engt'lu  die  Oeiikkralt  '•}. 

Nach    diesen,    modernes    Denken    pi;:enartitr    unnnUendL'n,^ 
ulx'r  wiodermn  auf  historischem  Boden  erwacliscnen  Spi.'kula^ — 


■1 
_i 


')  De    \*\.    II.   444  CD:     In    Iiac    ergo    republica    sapientiu    inipt^rAiilis «^^'^ 
!«ii»cipit  ncoiii,  inngiuiniinitaM  »pcriintiK  »lylliiMtadirtL-m,  volupUa  obtoniponinti&  -^s 
iiHurpiit  iniiiKinom;    lh»t.  Bt^li  D:  sie  i^Hpientia  in  tlironu  capitis  locutn  b»U>l.  .v 
vulunUw    in  rord«  ,    voluptaa  in  ronum  euburbio.     Die  gunsv  F*HrHlIelc  in  fasf^^* 
jilleii    ihren  Einzelnheiten    ist    aus  Chdlcidin«  entnommen  (wd.  Wrobpl,  b_ 
22ii~SV'\,    S.    2fi6  tr.).      Vgl.    dazu     ApuUjii»    (de    dügni.    l'Ut.    I,  IH,   IH;^ 
II,  24;  i'd.  (Joldhacher,    S.  74  ff..  79,  1001   und  Augustinus  (de  civ.  Aei^ 
Vin,   14,  n.   I;  Migne  41,  238).     t^bcr  die  Djlinunenlutire  »icbe  Cbaleidiu» 
(ed.  Wrobel,  n.  129  ff.,  R.  192  ff.). 

^  De  divw.  mit.,  U,  4  (Migm-  122,  .>S0  D):  Null»  eutm  creatura  est-, 
jt  sumnio  iiAque  deunmm.  ijuHe  in  liomine  mm  reperiutur.  Idei>i)u«  uffieina 
uinninm  iure  noLninutnr;  ebd.  III,  37  ^Migne  12J,  7:^3  H):  Inttlligit  quidiMu 
ut  angeluM,  raticKrinutnr  ut  homo,  »eDtit  ul  aniniAl  irrationalf,  vivjt  ut  gct- 
mt!n  .  .  .  nullius  creaturst-  cxpera. 

'')  Dist.  755  A:  Crentur«  proprit»  homo,  ipii»  balM-t  HJmilitudinHni  ruin 
unuii  creiitur«,  esse  cum  li*piUibii»,  rivon,'  cum  horbis  et  arboribu.-*,  M-ntinK 
inni  brntis,  nttiorinari  cum  «ngelia.  Vgl.  Di«t.  86(i  D  ff.;  Sennones  2'J*J  J), 
A.  r.  II,  IS,  607  D  ff.  Siehe  dazu  (iregor  (homilia  29  in  Evang.;  Migne 
76,  1214  AH):  omnis  aut«m  creaturne  nliqnid  hiibet  humo.  Habet  ziamqa« 
conimune  eHse  cum  iapidibtiN,  rtvere  cum  nrbonl>u*4,  tM'uliiv  cum  anintnlibuH, 
intelligcri'  uum  angoÜK.     Vgl.  dialog.  IV,  o    Migiie  77,  -i'^l  Lt). 


3s 


IV.  Abschnitt.     Anthropologie  und  Psychologie.  fll 

lionen  über  das  VerltäUnis  des  iMcnschcn  zur  Welt  und  zu  den 
übrigen  Gescliöpfon  weink'n  wir  uns  zur  Seeleiilehrc  di-s  Ma- 
gisters. 

a.  Psychologie. 

Der  Fülu'er  der  itiillelallerliclien  Psychologie  vor  <lein 
!.1..I:i!irtmiMlert  w;ir  neben  Cassian's  und  Cassiodors  minder 
becieutHideni  KiulIuU  Aupuslin  durch  seine  im  platonischen 
(leiste  jfelialteneii  Ahluuullunjffn.  hu  VonJcrj^Tund  des  Interesses 
standen  vor  allem  die  metaphysischen  Fragen  nach  dem  Wesen, 
dem  Ursprung  und  der  Zukunft  der  Seele.  Doch  wandten  ins- 
Ix'sondüre  die  Iluu|)l Vertreter  des  psyrJiolo^iürhen  Studiums  jener 
Periode,  Isaak  von  Stella')  und  die  Viktoriner,  auch  der 
empirisehen  Beobaehlunfr  des  Seelenlebens  (größere  Aufnierlc- 
samkeit  zu,  freillrli  zinueist  von  eUiem  religiös-mystischen  Ge- 
sichtspunkt aus. 

Alanus  de  Insulis  war  Icein  Psychologe  vom  Sehlage 
der  genannten  Männer,  sowenig  wie  Bernhard  von  Chartres, 
Gilbert  oder  Abaelard.  Mit  grölieren  psycholo^^ischen  Unter- 
suchungen hat  er  sich  nicht  aJjgegeben.  Kr  begnügt  sich  ilamil, 
nberlielerle  Klassifikationen  und  l,e!n'en  hei  Geiejretdieit  zu  regi- 
strieren und  sie  im  Falle  eines  Angriffes,  ^vie  die  Unsterblich- 
keilslehre,  nu  verlheidigen. 

n,  KhiHHllIrnlloii  drr  SerleiireniiSifen* 

OlifitMlas  Verhältnis  der  Seelensubstanz  zu  den  Seeleu- 
k  ruften,  welclu'  im  \-l.  .lahrluiritlert  fast  noch  alli^'i-int-in  int 
augustiuisclien  Sinne  als  ThaLigkeit-säulJerungen  des  Seelen- 
wesens ^),  aber  nicht  als  real    davon  vei*schiedene   Potenzen  ge- 


'}  Siahe  Werner,  Der  Eotwickulungsgang  der  mittelalterlichen  Psy- 
chfilogie,  Wien  1S76,  S.  25  ff.  äietieck,  Geschichte  der  Psychologie,  I. 
Teil,  2.  Abt.,  Gotha  1884,  S.  413  ff 

^  Papia»  (Inkunabeldmck  der  MrmclieD«'r  StaaUhibliothek,  fol.  101 
t.  Worte  mens):  fk'rnbard  voo  l'hartres  {ed.  Barach,  S.  tv5,  v.  136: 
verum  Htmplox  »iitipliciH  uuiKiuei  itiiinia<>  virlua  vn\ .  ncd  non  unifonni»  cgri;- 
ditur);  Wilhelm  vo»  Sl.  Thicrry  (Werner,  Entwickelungseang,  S.  25); 
Isaak  von  Htolla  (WvniDr,  nbd.,  8.  25).  Joliaiin«»  Sares^horionsi» 
berichtet  al>cr  bereits  UIkt  Meiriung^verschit.'donl>eiten  in  diesem  Punkt 
(Metal.  IV,  It;  Mi(j;ne  litü,  922  AI. 


^ 


1)2 


AImüiis  de  Inaulis. 


fnlit  wiiHfMi,  ZU  herfiliron  '),  liirti't  uns  Aliinus  ein  dreifaches,  aus 
Vi-rsiliii'ckMien  QiK'lk'ii   slaiiumiKlfS  Stiieina  der  SeelciivimiiÖp(?n. 

Im  ,\iiS4'liiiß  an  das  Buch  de  spiritu  ol  ariinia,  als  des- 
«eii  VcrfaKser  er  Aiinusliiius  nennt,  und  welclirs  t-r  iinler  dem 
Titel  ..Prrisirlien  i.  <«.  de  uninuV'  cilierl,  spricht  w  von  Itinf 
noelisrhen  Potenzen:  sensus,  iniaj^inatio,  ratio,  intellectus, 
inli'llijffiitia  0'  '"''  "ekli-n-  Grlfgeniu'K  i-r  dann  zugleich  die 
Imelliiaiiim-fit'  UntersLlieulun^.'  des  rationahiliter,  discipli- 
nalilrr  iiud  intcllerluariler  erwähnt'*).  Die  Bi-whn'ibunij  der 
ivin  gei^liKeii  Krillte  wird  ebenfalls  nach  de  spiritu  et  aninia 
Ui*tivt>*'"*  allerditiKs  mit  Krinnerun^en  an  Scotus  Griupena  uii- 
Irnuisrid. 

hl   der   ratio    liegt   die   spe/Üisfh    niHiseliHdie   Thäli».'keit. 

DiutIi  >ir  ^vird  drr  Menseh  Mensch^).     Er  befindet  ?ich  in  der 

Ulli)  von  Nidur  aus  zukommenden  yeHiscIien  Verfassung  ftliesis;.» 

wt-nii    die  Vernunft   benutzt    wird    zur  Unlerscheiihni^'   von    (tut 

lind   Ui'js"').    Dil'  ratio  isl  aiiüerdeni  das  Wrinö^fen,  die  IVopiieta- 

*)  Nur    gclpgentÜDli    Iflßt    er  seine  Stellungnahme  ittr  die  augugfcini 
«t  li)i   ,\iit«i<'lil   iliirrlihlickcu,    wenn  vr  memnri«.    intell  igpiit  ia  und  anior 
iili«  tinn  vitH,  iina  riKMi«,  una  essentia  beKcicbiiPt  (C  H.  IM,  \  406  C). 

")  C.  H.  I,  2H  :Wu  C;  Di.st.  l)2:i  H,  KIJ»  1) :  unde  Augustinus  in  lihro, 
(|tii  iiiMcriliitur  Periäicheii  i.  c.  do  »nima :  t^uiiique  sunt  digretitiioueH  animae  : 
«iMtNiiH,  iinaginalio.  rado.  intellectus  et  intelligent  in.  Vgl.  de  npiritu  et  aninm 
)'.  1  (Mi« MO  40,  782):  nie  «nini«e  in  mundo  aui  corporis  pcregrinnnti  qob- 
i|Ui<  |irogre»isu.-*  sunt  ad  wipientmiii;  m-n.sua  i'lc.  -  über  den  (.Ihaniktcr  nnd 
ViTfuiwr  div*  HutdiCH  di*  spiritu  et  luiiina  «ielie  Werner,  Kntwickelungfl- 
Hitng,  •^>  41.  r>ie  uua  doniRelbuii  von  Alanus  entlolinu-  Kinteiluiig  i?4t  jene 
dm  iMimk  von  StiOla  {de  dnimu;  Mtgne  194,  1880  A  ff.) t  die  auch 
IhtiMlisHiilinuB  (De  processionc  inundi ,  beiMcnendes  Pelayo,  Hiaturia 
de  lus  IlelLTodoxuH  Kspafi^dt^s ,  Madrid  l'^HU,  B.  [,  8.  1^02)  und  Garneriu« 
v.in  Hoclioforc  (jaag.  thooph.  aymb.  II,  c.  22,  c(mI.  Taiye«  455,  fol.  27rj 
könnt.  Vjtl.  dazu  Boöthiu«  [(.'onsol.  V,  4;  ed.  IViper,  S.  VU,  v.  79  ff.). 

')  Dittt.  922  B:  Boethiua  etiuni  nit  in  libro  de  trinitate  {c.  2,  ed. 
rt'ijitT,  S.  I.j2):  in  naturalibus  igitur  rntionnbiliter,  ia  roathemaliiia  diaci- 
plitialtter,  in  divinia  intellecttialiter  versari  operier«.  Vgl.  Wilhelm  von 
Coriidiea  (Cousin,  Fragments  de  philos.,  H.  806;  Migne  172  249  250): 
Gilbert  (HoJ'tbii  upp..  S.  11^7  ff.,  1140);  OuiidiHNaliniis  dp  processiono 
imnidi.  n.  a.  O..  .S.  601.     Siehe  oben  8.  .')8.  .\nin.  2. 

*)  Reg.  99,  ♦>74  A:  sicut  per  Hpoculationcm  rationis  homo  fit  homo. 

'')  Ebd.,  (>7H  (':  Nutn  quod  aliud  est  the»is  bumamio  naturae ,  aliud 
otbeoBi»,  aliud  bypothesis.  Thesis  diritnr  proprium  r^tutus  hominis,  quem 
■ervare  dicitnr,  quando  rationc  utitur  ad  fonsideraDdiiiii  quid  bonum,  quid 
nalum,  quid  agendum,  quid  cavendum. 


IV.  AbRrliiiitt.     Antlti'opülügie  und  Päycltologie.  98 

len  tMitT  Formen  iler  Diiitje  '^u  erfassen  ').  Kreilich  sclirtilit  der 
Sfholustiker  dieselbe  Funktion  anfli  der  folgenden  Seelcnkrult  y.u. 

Dureli  den  Intcllrkt  erkennt  die  Seele  ilie  Formuii  der 
Dinge-)  und  dus  Unsichtbare ').  Der  ilenscli  wii-d  in  der  lielliü- 
ü^ung  dieser  Erkenntniskrafl  zum  Geist*). 

Dureh  die  inlelli^'entin  (intelleetnulilas)  endlich  erhebt 
sich  dpr  Menseh  in  der  eksla(isclieii  Srfiauuug  dps  (Jottliciien 
über  (Umi  gewölmiiclien  Stand  des  lieisleslfbi'ns  hinaus  zur  Hohe 
der  apotheosis  oder  deificatio.     Der  Menscli  wird  Gott  '). 

Berücksiehligt  dii^  ans  de  ?;piritu  i-t  aninta  mliflinh- 
Klassifikalion  nur  die  iTkrtinenih'  StMle  der  Seeh',  so  ver- 
zeiehmt  unsei' Majiister  wt'iterhin  die  bekanntu  (hiroh  Apuh'jnn, 
Ciialcidius '■)  und  ihi-  Kirclienvütei-  ins  Midctalb-f  j,'ckonnnene 
platonische  Dreiteihin^  in  sapientia.  uiaiiTiKin  iniitus  (volnn- 


'1  ümt.  f)22  A:  Ratio  est  poteittia  ajiiinne,  qua  unimd  riDnprrlLPhdit 
iiiljAfrrciitiam  propriclatis  in  Hut>itM-to,  .-«ei-uiiihiiii  (juiiin  run.-tiilerut.  ijiiii)  rva. 
t|aatitn  nn^  i|uii]iH  re».  V^K  Seilt,  n.  14  2M\  K:  Oft  apirit.  ei  an.  r.  11 
(Migne  40,  787). 

')  A.  f.  Pro).  598  B:  Int4>lleotu8  «st  potfiitia  animao  ad  hinti-ulo  for- 
ma« rem  comproliendt-iis.  Vgl.  e\u].  I,  Ifi,  ßOl  IJ;  Senf.  ii.  U.  '23ß  Ü:  inM- 
lertim,  quiu  i-ina  furniaa  eiUN  veraatur  iiituitiLt. 

')  Dist.  SlO  C:  liilellectu!«  pul«iitid  ntiiiiiat* ,  qua  compruhoiidit  iiivisi- 
bilia.     Vgl.  Ri^g.  ili»,  «74  A:  «Je  spirit.  et  an.  c.  H  (Migne  40.  787). 

*)  R«g-  ü%  l>74  A  :  per  tjuam  cumprelienaioiiem  liuniu  tit  ihoini))  epirituN. 

")  Sent.  236  C:  Hanc  uffi^rt  Huperiör  aiiimuu  pot«ritia.  i.  v.  iiicedigfiitia, 
qnoe  sola  oontemplatar  divina.  Kog.  Mä,  ÜTS  D  fl. :  Hed  aliquiiiido  excedit 
homo  iatum  statuin  ...  et  talis  excef»ua  dicitur  exstosis  HJve  inetjunuqihuttis, 
quill  ]H>r  huiusnioiti  exrrasam  excedit  atatum  propriae  niiMitiü  vel  forntaiii. 
KxressugL  aiiteiii  »u\)vnor  dicJtur  nputheusit^  quaai  doitii-ano  ,  qiiao  fit,  ipiandi» 
liomo  ad  divitiurnni  ruriteiaplatiütitjm  rapjtur;  et  lioi-  tit  mediante  illa  pototitia 
nniniAtf,  quuc  diciLur  iiittjllectualilas,  qua  t-omprehendimua  divina;  se<-niiduiii 
quiim  potentiam  honio  ttt  deus.  Vgl.  .\nticl.  iÜ'.i  H  ;  de  pl.  n.  443  l'.  Wir 
haben  hier  eine  st-ltsitmc  Nachwirkung  des  Paeado-DionyMius  und  auine» 
Interpreten  8t'otu8  Er^ugena  vor  uns,  bei  dceien  der  Auatlrui'k  Ofüumc^ 
deifieatio,  oftmuU  wiederkehrt.  Vgl.  tieispielaweiae  Joh.  Scot-  super  .le- 
rsrehiani  eoeleal.;  Migne  122.  H2  H.  Der  ac-huii  einigemal  erwähnt«  SiJiD- 
1er  Alau's,  Radulf  de  Longo  Cainpo,  wulcher  die  in  Reg.  90  vorgetra- 
genen Gedanken  aoinea  Meisters  in  seinem  Kommentar  xam  Anticl.  adoptiert, 
ftllirt  auch  die  Unterscheidung  von  thesis  und  exstaais  auf  .Sc o tu 8  zu- 
rtlck  K.'üd.  Paria.  8083,  fol.  8*). 

')  De  dogni.  Hat.  t.  13,  \>^  (ed.  Guldbacher.  S.  74  ff.,  791;  i'l'»l- 
eidiua,  ed.  Wrob«l,  n.  22H— 233,  S.  2ti«  ff. 


94  AluniiM  il«  liiifulia, 

tas)  und  voluplas')  oder,  wie  an  anderer  Stelle  jresagt  wird, 
in  rationabilitas,  irascibililas  und  concupisribililas'). 
Mit  der  Irichotomon  Kassunjr  der  Stvli'nfiinklioin'n  wWd  fiodaun, 
Avir  wir  bereits  ;:(^/'lien  iiabcn,  aiicb  diTiMi  lu'zicliunpswcisi.*  Lo 
kalisation  im  riaiiptr.  irn  Hitkcmi  un*!  in  den  Nieren  nbonioni- 
mon-'*).  Nach  dem  Vor^aii^'e  tU^a  Wilhelm  von  Conches 
scheidet  AUinus  die  im  Haupte  residierende  sapientia  wieder 
in  drei  weitere  Krilflt',  die  poteritia  injrenialls,  die  poleslas 
li);;isti('a  utid  die  vtrtiis  recordativa,  welche  auf  drei  vei*- 
sehieileiU'  Kaninierti  des  Cehirns.  auf  Vorder-,  Millel-  und 
HiiiteHiaupt  vei-leÜI   f?irnl '). 

Kine  dritte  Kiiiteihitt^r  der  Seelerikrftfte  entsprinjfl  idbischen 
HetniehliuijreiL  D^M'  ijn  Metisehi-ii  nie  rnfn-tale  sitlMclie  Knnipf, 
wi'IctiiT  ührijiens  nichts  Nalurwidripes  ist,  sondern  d;is  Verdienst 
erst  ins  rechte  Licht  setzt,  clränj?t  zur  (ietfenntiefHleUunp  von 
sensualilas  und  ratio,  zur  Annatime  etm^  niederen  und  liö be- 
reu Seeh'nteils,  von  denen  der  eine.  auf>i  Inhsohe  i^ericblet,  den 
MenSM?hen   zum  Lastor  und    xnrn  Tier    liinabzieht,    während   der 


')  De  pl.  n.  444  CD;  Diät.  SC>f>  D.   -  *)  ftt^nt  n.  33,  24«  CD. 

»)  Siehe  oben  .S.  8!.l  ft". 

*)  Dp  }»I.  II.  444  C:  Iti  uni*  cnini  t-:ipit.is  iinperntrix  sapientin  con- 
quieei'it ,  ctii  taniquaiu  (le»t>  <.aHt«ru«  pot^ntiao  velut  sentiitene  ulisequuntur. 
higeiiinÜB  nanique  poUiitiu,  pot«sUsque  tugisticn  .  virtus  eÜHiu  praeteritunun 
TLH-iirdativa  iliversis  capitis  thalamis  haliitant^'s  eius  fervescuot  ol>>teqiiio :  vg}. 
tlMl.  4-13  A.  .Siehe  Willielni  von  t'oiirheH  (Kommentar  z.  Timacas,  Cod. 
I'iirls.  HÖUr»,  ful.  Ö4''b):  Sjqtietitiu  ilivina  vu]ens  in  liomine  cnse  sapientiam . . . 
Tria  sunt,  qm*  faciuiit  pt>rferti>  siipientem  :  vik  n'to  intf>nigen4li,  vis  diarer- 
iiendi  iiitvilecta ,  vis  retinemü  in  momorin.  Herum  in  raptte  huminis  aniit 
tres  vetitriculi :  in  prora  unna,  in  puppe  aHua,  in  nicdio  ti^rrtua,  in  *]<>uen  der 
Reihe  nach  <lie  eben  genannten  Krftfte  lokalisiert  sind.  Wilhelm  sohöpft 
diese  Theorie  aus  Constantinus  Africiinus  (Werner.  Knnniolojcie ,  W. 
8it£<ingNh.,  \i.  7*1,  S.  SH'  fl'.).  Die  allseitige  Verhreitunji  derselhen  bezougen 
Johannes  Saresh.  (Metalog.  IV,  17;  Migne  19Ö,  92fi  H} ,  Wilhelm  von 
8l.  Thicrry  (de  nat.  »orp.  et  an.  I  ;  Migue  IHO.  70'J  A)  und  früher  aclwB 
Adelard  von  Bath,  welcher  t^ezQglich  ihrer  Herkunft  aclireibt  ((juaestione« 
naturales  c.  18):  Nam  et  Aristoteles  in  phiaicia  {sollte  ArJst.  de  f^ensu, 
c.  2,  p.  438  b  12  —  17  gemeint  sein?  Die  Htulle  paüt  Treilich  «ehr  wenig.) 
et  ulii  in  trnrtatihus  suis  sie  dlseenmnt ,  und  den  Iteweis  hierftir  durch  ein 
.sensuale  experimcntum*  für  erbrueltt  hält.  Es  sei  n&rolich  jemand  dunib 
fine  VerA'undun^  de»  vorderen  Teile-H  des  Ciehinis  der  virtus  fuutoätti'a  ver* 
lustig  gegangen,  dagegen  Im  Ufsitze  der  ratio  und  der  memoria  verblieb 


IV.  AliM'bnitt.     AntliropiiloHie  und  Psychologie.  95 

aiulcre  ihn   zur  'l'ii^'eml  emporhobt,    mit    tlcn  Eugi-lii   wt-UeifiTii 
lüüt  iintl  trleichsani  vert^öllHcht  •). 

b.  Wesen  der  Seele. 

Tiek'i*  jils  bei  ilifswi,  wie  am  Woge  nufgeleseneii ,  t^iulii- 
lungon  \iohi  Alanus  auf  Hio  Saclie  ein  bei  der  Frage  nach  dem 
Woson  der  Seele,  welche  er  definiert  als  einen  verrrfnvnijren 
Gois-t,  der  zusammen  mit  «h-m  Körper  ihis  Wesen  des  Mensclien 
konstituiert-).  Die  St-ele  ist  Substanz,  aber  nicht  Proprietät 
oder  Form,  sodaü  sie  an  einem  materiellen  Substxiitt^  hallen 
würde*).  Sie  ist  irenaner  eine  untetlhare,  einfaelie,  urtkörperliehe 
Sultsliinz  *).  In  iler  Vei-nnnfti|rkeil  nud  l'ijk('ir|K'tlicltkeit  lii^l  dir 
wesetitliclicr  ITiilei^chieii  jfejfiMinber  der  Tiei-seele,  dem  spiriliis 
physieus  '"). 

Die  L'nkrirperliohkei!  der  Mciischcnsecle  eivi»'l)t  sich  in  er- 
ster Linie  aus  lU'iiHiiitlniijjrsheyrifT  Spiritus,  dein  sie  ^'leicli  liem 
Enjfe!  als  Art  untei-^eorilnel  ist.  Nur  zwei  Möjfhchkeiten  lilei- 
ben  offen.  Entweder  ist  auch  der  Engel  nicht  unkrtrperHclN  o<ler 
im  Falte  seiner  Unkörperliclikeif  mnli  ehrnso  *lie  Seele  itnk<^rpei- 
licli  sein'^).  --  Wir  vermr)j<e[i  lenur  das  Leb«  iisprineip  des  K(>r- 
pers  ohne  tUis  Merkmal  der  Körperlichkeit  zu  «Tkennen,  was 
nicht  (feschen  könnte,  wenn  die-  Seele  Itirer  Sulistanz  nach  ein 
Körper  wfu-e ').  —  Von  diesen  hei^riftlicln-n  DtHluclionen  abjfeselifii 
winl  rter  nnkörperüche  (^hanikler  «ler  Seelensubstan/  W4'iterliiri 
liertieJeitet  ans  ih-m  Fehlen  der  nlumlichen  Diniensioneii  "K  aus 
iler  dem  Menschen   eignenden    Ffdiiijkeit.    das  (ieisti;|!e   und  Un- 

■)  De  pJ.  n.  443  C  ff.;  Dist.  700  H,  751  D.  922  B. 

^  Diät.  fiüQ  D :  Anima  proprie  dicitur  Spiritus  rationiilis.  qni  cnm  ror- 
pore  venit  in  (oriHtitutiotium  liuniiriis. 

^)  ('.  H.  I,  ^1.  .SS:)  H:  pnipriptas  iiutem  aive  (iitiitt  nitie)  forma  non 
est,  qiii«  stiUsUattA  est,  et  ex  fluxu  mnterici  eomimpi  non  potuHt ,  ([ain  in 
materia  non  est. 

*)  Kbd. :  animu  autem  noti  est  iiiihstantia  curporeii.  Er^o  ex  siilmtautia 
partium  corrunipi  it>un  pot4>at .  quin  situ plex  t«at.  Dmt.  U-ib  A:  nnima  dicjtur 
simplex,  qoia  partcH  non  IialH't. 

'')  C  K.  I,  '<^M,  ;^->V  D:  EmI  namquc  in  hüininc  dnplex  äpiritua,  apiritua 
rutionalie  i^t  ineorporeus,  qai  non  porit  i:iim  (nrpore,  et  aliuä  .  qui  ijn-ttur 
physicus  sive  naturalis  ...  et  hie  i^piritua  est  suhtilior  iit'rr ,  miniia  .sahttltn 
(mit  Cod    Bernensis  335)  igne.     Vgl.  Uist.  9^*2  D. 

•)  f.  H.  I.  31.  333  U.  —  ■)  Ebd.  334.  A.  -  ")  Kbd.  333  U. 


Wfl 


Alunits  de  Insuli'a. 


kArp'Tlicl»'  ZU  i'i'krnncii '),  :iu.s  der  willkürliclii'n  Bewegung,  der 
HciiHiliven  ßt'thrtlii^iiJig  iijid  j^^ler  andern  TliätigkeitsAiiUorung  des 
Ki^ipt-rs,  wrlclu'  allf  dem  lotzteren  an  sich  nicht  zukommen 
kAuneii  '),  etullicli  iius  der  im  korpeiiiclien  Organismus  zu  Tage 
Iretenden  Kiiilieil  st'iner  Ti'ilr''|,  lauter  Momente,  welche  auf  ein 
vuMi  KArper  vei-scliieilenes,  willkürlicli  bewegendes,  jene  organische 
Knihi-il  hnlinKendrs  l^incip  schlieLten  lassen. 

0.  Crapriiii^  der  Sp«Ip. 

He/nglieh  (h-s  Ursprungs  di^r  nieiisuh liehen  Seelen 
halle  hekannllicli  Auguslinus  zwischen  Tradtieianisniu.s  und 
C.ii'uliu  iiisnuis  lün  und  her  geschwankt,  eine  undi<'hen»  Haltung, 
die  anidi  bei  Alcuin  und  Hhnbanus  Muurus  noch  nicht  überwun- 
den iiit ').  NiM'h  Odo  von  Canihrai  (II  l:i  t)  i)ericlitet  mit  Bezug- 
nahme auf  seiiH' Zeil.  daU  der  Vertreter  der  Iradui-iunislisehen 
Thiiirie  nield  wi-iiigr  und  ihre  beigehracUten  (iründe  nicht  ge- 
ihitf  »MUUsehlagen  seien  •).  Ooeh  erhoben  sich  zahlreiche  und 
lrl»harte  l'mli^te  dagegen,  wrlehr  mit  aller  F-nei-gie  für  i\en 
tU'eatianIsnms  als  die  Lehre  der  Kirche  in  die  Sehranken  tra- 
ten "h  las  .•ielilielilieli  Thomas  von  Aquin  die  gegenteilige  Auf- 
stellung  gt^rade:»!  alü  liAi*etiseh  t>ezeichnete  ^. 

')  Ebd.  38,S  C.    '  ')  Kbd.  ».13  CD.  —    )  KU    3S3  D. 

*)  Siehe  WcriiiT.  Kiitwiokrluiigsgaiig.  S.   Ul. 

'•)  De  iH'ccat,  oriKio.  M  (Mijfne  160,  1077  t') ;  annt  tarnen  tnulti .  qui 
Vülunt  «nimum  px  tnnliic»'  (ieri,  sicut  curpiis ,  H  cum  corparint  aemine  viro 
otiain  fniimae  prwedere.  IJuoruni  rationra .  quiA  nati  «unt  omiiinci  !{}M?m(>n- 
due  ....  Kin*"  intereaMnte  ,  liiatonitc))  freilirli  ungenaue  Zusammi-nstclliing 
il^r  Lnlireii  «Jit  ftlt^-ii  IMnlo«oplien  Ijtier  den  l'r>.|iniiip  der  Seele  findet  sich 
in  ik'in  Ullier dt'ii  VVcilcen  lledu'»  steliviiJen  liluT  du  i-iinstitatione  niQndi 
(Miftne  HO,  9Ül  B.).  Erwflhnt  werden  Epicnr,  Anaxagoras,  tierarlit, 
TlialeM,  iUv  .Stoiker,  FInto  und  ArrMtoteles,  —  Hugo  de  Fouillui 
(HUper  (Jem'HJm;  i'od.  I'aris.  I492ß.  h.  XIII,  fol.  59ra;  ilher  den  Verfasser^ 
siehe  Htturi'iiii,  Noticoa  et  extrait«,  Paris  1890.  I.  S.  86  ff..  20:i)  zllilt  drei 
vi'rwliif'li'ne  An»ieliten  auf.  nitiidich  die  ehi-^dem  von  Origeneti  vertretene 
PrJloxiBteiiÄl«lire  (oiiiues  animae  »imiil  creatno  ftiissent  et  in  coelo  poAit««), 
dmi  'J'ri»duciiiiii»inns  und  den  Creatianisnius,  welcher  Lelire  der  Kirche 
■ei  (HiiitrU  vnro  occIiNfin  tenet  tertiniii). 

••)  Wilhelm  von  Conche»  fCousin,  Fragments  d*- philos.  du  moyen- 
•,  iHMt.  K.  845  ff,  Vgl.  Werner.  Kosmologie,  W.  Sitznngab. ,  Ü.  Tö'.  S. 
0):  Hugo  V,  St.  Victor  (De  aacram.  I.  p.  7.  c.  30 ;  Migne  176,  299  ff.)  ; 
»trua  Lombard.  (ÖtMit.  II.  17.  n.  .S;  18,  ».  8;  Migne  !!)■?.  G8ö.  689) 

'J  8.  tlieol.  I,  q.  IIH,  «.  a.  0, 


I\'.  Abscliuitt.     AnUiropologia  uud  Psycltalo^ie.  97 

Auch  Alatius  dp  Insutis  bekennt  sich  als  einen  Qherzeu^- 
ten  Verfecliter  tier  croiitianistiscFien  Lehre.  Die  Erschaffung 
rier  Swlf  durch  Oott  bildet  das  Gniiidllu^inn  seines  Anlititiudian. 
Beifällig  vcrzeirhnet  er  den  Tadel  Glaudians  ge^en  Hüarius 
von  Poitiers,  weil  der  letislere  ifesu^fl  habe,  die  Sn^Ie  entstehe 
aus  elwns  *).  Die  Krafl  der  Nalur  wirkt  idlerdiiii^s  Zur  Eiil- 
slchuni-'  (U's  Menschen  mit,  allein  Üire  Wirksamkeit  besrhrätikt 
sii  li  l(Hli{^lich  anf  dir  Hildiin^  (|es  aus  den  IClemrnicit  ^cfonDteri 
Körpers-);  der  Ursprung  ilor  pt'istiK<'n  Seele  dago>fon  entzieht  sieh 
ihren  fh'selzeii  und  ihrer  Macht  ■').  Der  menschliche  Körper 
wird  zwar  ans  einem  andern  Körper  lradu<ierl,  wie  in  rler  Hi- 
.sl(jria  scliolastiea  m  lesen  sei  \),  nber  die  SovU*  kann  nicht 
wieder  von  einer  Seele  er/eugt  wenten,  sowenig  wie  der  (leist 
von  eitlem  Geiste.  Kino  einfache  Substanz  vermag»  wenigstens 
auf  dem  gt'schöpnielien  tiebiete,  kein  amlei^'s  Wesen  aus  sich 
Iiervorzubriiigen  *').  Dem  tröttlicben  Adel  ihrer  Nidur  entsprechend 
tritt  die  Seeh*  durcli  einen  nniiiittelbiiren  Sehöpferakt  (Jettes  aus 
dem  Ni4'hls  ins  Dasein,  ulme  rr^'riid  welche  natürliche  Kaktoren 
vorauszusetzen  **). 


'}  C.  H.  [,  20,  '122  C:    Tanten  Clnudiaiiiia   in    libro    ilo  nnima  ilc  Hi- 

lunci    alt:    l'irtavtensis    Hitariaa in    iluobuH    nrn»««  dieitur:     in  uiio, 

(juofl    dixit    oniniam  fsse  ex  aliqno.     Vgl.  ClauitJanUH  (de  MÜitu  nnimao  II. 
!),    p.   l'iU,     1   f,  ;    ed.    Kiigell>rL'rht} :    duo    Imcf    veris    udverMi    diasfruit  : 
uauni,  quu  nihil  inrnrpitrouin  crfntiirn  dixit. 
*)  Anticl.  4W9  Vi  : 

Cum  nosiniin  fat^atnr  opus  noetramque  requirat 
lncuil«m  Huitans  liumano«  nini-liina  mnlis, 
Cor|iUB  ud  e^äv  suiim  vocat  at-ti«  ri'gula  noatrae. 
Vgl.  oImI.  495  D,  Mfi  D.  550  UC :  de  pl,  n.  442  CD. 
")  Elid.  499  D : 

Kxcipit  liaeo  hununJH  iinimam,  i[iiau  s«inper  ali  istia 
txtgibaR  pxcipitur  meliori  polliro  durta. 
V|^l.    elid.    iiib    D,    496  H.    499  D,  tm  BC.     In    dr  |d.  n.  44X  A    werdttn  je- 
floch  ditt  p4)lt>ntia  iiigenialia,    di«  ratio  und  die  p<it«ntia  memurialia  ala  Oalieu 
der  Natur  bezeichnet 

*)  Diät  97tt  D  :  unde  in  Hihloria  Hcltolaatica  legitur .  quod  corpus  liu- 
inanum  est  ex  traduce.  i.  c>.  ex  aliu  tradtifitur.  Der  Verfasser  der  Hiatoria 
KcliolauLiea  itit  Pelrua  Comeator  (siehu  Migne  lOS,   lO^iS  ff.). 

^)  C.  H.  III.  2.  403  A:  Dirimns  ctiiini ,  qut>d  in  natnralibnH  nullum 
aimpJFx  ox  fH)  aliquid  gignere  putptft.  unde  ner  uniina  aniinnni  nee  «tpirituni 
Hpirittts.     Vgl.  Keg.  3,  »24  D. 

*)  Diät.  7öl  C:    qui  aingulis  rreat  ammas ,   et  eat  contra  eoH ,  qui  d*- 

Bvitraifi*  I[.  4.     Bii  (1  mg  Kr!  iiMf .  Alnnua  d«  IiihiiUh.  / 


IV.  Abaehnitt.     Antliropologie  iintl   Psyrliologie.  99 

aiiß*^r  etnor  Stelle  aus  licni  Timneus')  lU-n  !'hai*flon.  Er  weitt 
jodocli  ül)or  (Ion  Dialog  nk-lit  mehr  zu  iH'richlon,  als  dali  er 
iiiiinniiifracla'  Beweise  lür  ilk-  lljisU'rbliciikeit  eiilhiiUe-),  ein  deul- 
lirliis  Zi'iflii-M.  daü  iliMi  nur  der  N:mii'  um!  il-r  ;ilI;:iMii('iiisti'  In- 
liiilt  Itekaiirit  war.  Al.s  weitere  Auluritälen  liriii;;!  er  Cita(e  aus 
Viri^iPs  Aeneis-'),  aus  Cieero's  Htietorik  ^),  aus  dem  Aselepius 
fies  Mereurius  ^)  uinl  aus  dem  lilicr  dr  musis.  Das  zulclzt 
tmiaiinte  Buch,  v'iu  Ausi».!)^  aus  diT  ius  ArabJsrhe  rdjertra^-'eneu 
oToixtUooti  itfokuytxt)  des  Proclus"),  wurde  vou  Ahuius  unter 
deui  Titel  „Aphorismi  de  essen  IIa  summae  bonitatis'* 
zum  ersteruual  iu  die  pliilnsoplusche  Lillrratur  der  Scliolastik 
einffefiHiii ').  Kr  iiilerprclierl  (Jeu  die  niiltt^laHcrlictieu  Di'nkiT 
SU   aiisprecbeudeu    liedarikcu,    ilaü    die   Seele    iia  Jlori/.üut   der 


')  f.  H.  I,  riO,  11^3  A:  Plato  etluni  in  Timaeo  all  aiiimft>4  po^t  disso- 
luiioneni  varim  ullligi  poeiii».  Kin«  enlüiprBcheniU'  Stelle  (ini]i-t  sii  li  im  Timaeii» 
nicht.  Da»  C'itnt  dürft«  vielmelir  in  <*lia  leid  ins  twinnn  I'rftpning  hatK^ii 
(cd.  Wrobel,  n.  \'M\  S.  Iü8):  cum  in  Polititi  tyranni  aiiimani  factt  ex- 
cniriari  post  morieni  ab  ultorlbuä. 

•)  Kbd. :  IminortaliUtcm  eliuni  aniiiiai«  in  IMiaedonn-  iiiiill'ipliL')t*"r  pro- 
bat. Wolter  AlauiiH  dicso  Kennini-s  ar.Iiüpftp ,  wiHHrii  ivir  iiiclit  beälinitiit 
«n/ugi"Wn.  Cou.siii  iKnigtiu-nU  Jt-  pliilo-s  ,  M.  821  tf.)  irwilint  ullcriling» 
4-inL'  liiioinittclie  Obcra^ftKun^  f\v»  l'haedu,  nltcin  erst  qua  ciueni  l'oJ.  An-h  l.'f. 
.lubrhundiTta.  Vielleicht  ist  an  CtaudianuB  Mamertua  tu  denken  ,  wel- 
iluT  gtilegentlifh  der  Krage  nach  der  LinkOrperlichkoit  der  Seele  in  de  tUatii 
animnt^  (II,  7,  p.  l'J5,  i:l  ff.:  ed,  Eugt'H*rech  t)  »'iuen  lungeren  Fübsu»  ans 
dem  t'baedoii  eiiitlH'ht.  —  Das  Argument  aiif«  der  Hewegung  der  Set-le  im 
IMiaedrua  steht  bei  L'haJcidtus  (od.  Wrobel,  n.  '»7  ff.  S.   124  VI.). 

")  Ebd.  .132  0;  HJche  Virg.  Aen.  XII,  ^'2.  -   'I  Ebd.  332  D. 

*')  Ebd.  332  <-' :  Ait  MereurJua  in  .\si.'k>pia :  umni»  eiiini  itnmortalih  vnt 
aiiima ;  vgl.  Apiilei  Aädeptus  (r.  2,  ed.  üoIdbacbBr,  S.  29,  v.  12  ff.). 
Kbd.  332  D :  Item  Mercnrias  in  .\aclepia  alt.  quod  animae  pcwt  dUaolatiuneii: 
cugiintur  crederi'  poenis,  qnae  in  vitu  nuluerunl  credere  verbi«;  siehe  A  pul  ei 
A«cl.  (c.  28,  ed.  Lioldbacber,  S.  Öl,  v.  4  ff.).  Über  die  Verwertung  des 
»Asclepiua*  bri  Wilhelm  vou  Auvergiie  vgl.  unsere  Abb.  .Die  Er- 
ki-nntntäleUru  des  Wilbeliii  von  Auvergrie'  iu  den  .Beiträgen  z.  Öesch.  d.  Pbilua. 
d.  .Mittelalt.'  horauageg.  von  l'l.  Baeumker  und  TJ.  v.  Hertüng.  B.  [l,  f{.  I, 
S.5,  Anm.6;  S.2t,  .\nm. 'i.  —  Zur  V'erfa**erfrage  des  ,A»cIepi  ue"  vgl.  Ber- 
nays  (ober  den  unter  den  Werken  de«  Apuleju«  stehenden  hermeti»-ben 
Dialog  Aselepius  in:  .Munat«li.  d.  k.  Aka^I.  ü.  W.  .  Berlin  1H71  ,  S.  i>i}f)  FT.), 
welcher  den  Apnlejua  weder  fflr  den  Verlas-ser  noch  für  den  Cbersetzer  hält. 

')  Barden  bewer,  Die  pBeudo-aristotelische  f^chrift  ttber  das  reine 
Gute,  Freiburg  i.  B.  1882,  S.  47. 

')  Bardenliewer,  n.  u.  ü.,  H.  2Ö&. 

7* 


lÖÖ  ^^^^^r  Aliinus  tle  lusulis 

Kwigkeil  und  UhvT  (Ut  Zeit  siehe')»  'm  Simu-  ihnr  luivenlnder- 
len  Fortdauer.  Eniporfrehobcn  öImt  die  körperlirhwi  Dinge, 
welche  mit  dem  Anraritr  das  Ende  verbinden,  bildet  sie  das 
S(lilnUKlie<I  ji'iifi*  Reibe  von  Wesen,  die  /war  einen  Anfang' 
hal"*ii,  lieiien  aber  eine  e\vi},'c  Daner  beschieden  ist  •). 

We^fH  der  Mftiflichkeit  einer  vei-sebiinienen  Deutung  und 
AnsIejnniK  kommt  den  AnlürilAlen  keine  unbedingte  Heweiskran 
zu.  Diese  wird  i^rst  auf  ileni  AVejre  des  Vernunftbfweises 
erreiclil  =*). 

Da-s  demonstrative  Beweis  verfahren  lur  die  Unsterblich- 
keit basiert  der  Scliolastiker  anf  der  Kinlachbeit  und  Unkftrperliclt- 
keil  <les  SiH*len\vi>*ens.  Kine  doppelte  Möglicbkoil  ist  denkbar, 
durch  welche  ein  Ding  zu  Gnnide  geben  kann,  entwi^ler  dnrch  Atif- 
l&sung  in  seine  Teile,  wie  beim  Körper,  oder  durch  die  Wainlel- 
harkeit  dcy  inaterit'llfn  Subjektes,  wie  solches  bei  der  Proprietät 
o*h'r  Konii  ziiirilU  *).  Di«-  menschliclir  Seele  ist  nun  über,  wie 
wir  hörten '■),   wederein  Körper,  riiicli  eine  Propriehlt  oder  Fonn, 


')  Ctwr  die  Verwendung  diesos  Satw»  \m  Willi  ein  i  von  Aavergne 
siebe  aDie  Krkenntnialebre  des  W.  v.  A.,"  a-  a.  0„  H.  18. 

^  C.  H.  I.  :^0.  H:t2  (/.  Wir  geben  die  gftiiMich  verderbte  8tel)e.  deren 
Korrektur  Bardenhewer  (a.  o.  O.,  S.  208  ff.)  mit  Hilfe  zweier  Mtlnobener 
HandBcliril'leii  vergcblicb  vcntuclitc,  und  die  er  infolge  dessen  aucb  unrichtig 
deutete,  mit  HaeuinkiT  iPhib»!*.  Jabrbucli  d,  liftrresgei*..  K.  VI,  S.  418  ff.) 
nacb  Cud.  Itomemiitt  'Mio:  bi  Apborisinls  (der  ('od.  anfforismi«)  etiam  de  es- 
aentia  aummae  iKinitatia  legitur,  quod  aniina  eaC  in  orizonte  aeteruitatid 
•t  ante  tempua.  (Im  lit>er  de  cauMa  §  2,  Bardeuhewer,  8.  165, 
lautet  der  .^atz:  (uninm)  ent  in  orizonte  aet^rnitatts  inferins  et  mpra 
lempus.)  Noritiim  tu^tcriMÜntiff  liir  tlfüigriMtur  perpptriiliia.  Krgii  t^st  Honuis  r 
aninia  t«L  in  uri/i»iite  acii-ruiUtiH  i.  e.  in  teniiino  porpetaitatia;  quod  est: 
perpetuitn«  t>Mt  in  nniina  itu,  qnuil  finitiir  in  anima,  I.  t^.  nnn  protenditur  ultra 
animam.  et  ecit  aupra  U>mpUM.  TenipuH  vocatur  bic  mora  baben.^  principiuin 
et  tinem;  ergo  anima,  etai  habeat  prim'ipium  ,  neu  babehit  tiaem.  Alanua 
irifll  mit  sein«tr  Krklftning  den  .Sinn  der  Sentenz  des  über  de  cauaia  votlstlUl- 
dig  ricbtig  und  verkehrt  ibu  nirbt  inx  (iegenteil,  wie  Kardenbuwer  (S.  209) 
meinte.  HezUgliib  dea  Tnifangefl  d4^r  perp4*tuitas  vgl.  Di«!.  düTt  H:  l'erpetno 
da  priucipium,  sed  fine  rarehit,  ut  angcli  et  anima. 

")  C.  H.  [,  30,  .138  A:  8ed  quin  auctorita<i  cerenm  habet  nosum,  i.  e. 
in  diverauiu  poteät  flccti    senaum,  rationibua  roboranduni  est. 

*)  Kbd.  I,  Itl  88.1  A  :  Quidqnid  rorrumpitur,  mit  romiinpilur  ex  dtaao' 
oautia  partium,  ut  ciirpua,  aut  tluiiu  uiuterici,  nl.  pntpriftim. 

■)  SiHie  oben  S.  »Ö. 


IV.  Abschnitt.     Anthropologie  und  pHyr-hologic.  IUI 

Bondem  oinu  einrachc,  iinkörpiTlif-hu  Subsliin/.  Mitliiii  untrrlifgl 
sie  weder  der  Aullösuiig  in  TLMl^^  noch  wird  ihre  Exislenz  t}\ivv\i 
dw  Wränderlichki-it  dt's  iiiakTiellLii  Subjfkts  in  Frage  gestellt  '), 
So  Ibljft  aus  tier  rnkörpeitirlikeil  dfo  Ineomiptibilitflt  für  die 
Seele  sogul,  wie  für  den  Ent'el  ). 

Diesem  Bcwei^gan;;  fü^l  AInnus  ciu  freilich  rechl  absoii* 
derlii-lies  Arpjincnl  an,  rliis  ein  Heli^'iase  Kt*gt?n  einen  Philoso- 
phoii  p'Itranrhl  luiljo.  Mvv  (ijaiibi-  itii  die  l/n:jterl>tir]ikci(  .sei 
nriijiJieli  in  keinem  Kiille  von  irgend  \velt:li4rni  Naehteil  hej,'leilel, 
während  die  Leugaiing  dei*selbon  eventuell  sehlinune  Kolgen 
iiurh  sieh  j^iehen  (könne.  Man  müsse  at)e[-  nneli  einem  Aus- 
spruche des  Aristoteles  in  seinem  Buche  ,de  eligendis  (hiobu.s 
propositis"  von  zwei  M(jglicltkeitcn,  von  denen  die  eine  ein  Cbel, 
die  anden*  ein  («ut  im  Gefolge  habe,  die  letxtere  wühlen  **). 


')  (.',  H.  I  31  333  H:  Ergo  ex  sulisUntia  pnrtiiim  rorninipi  non  po- 
tesl ,  qnin  qimplex  (>t»i.  Pi'uprift«!«  autt?!»  »ive  djtatt  sine)  furnta  non  est^ 
quia  MtiMniiÜH  ext.  <it  ex  fluxii  matmei  cornimpi  non  pot«8t ,  quJH  in  ihh- 
teria  nmi  e^t. 

"}  Kbd.  334  A  :  Kx  praeraiHHis  patet  animam  esse  ineor]»or«uin  et  ita 
incomiptibilem,  quin  »i  anirna  v»\  incurpurea,  («st  sicut  ang^hu:  qua  ratimii'  an- 
gfliia  eut  tiiniiui-taliM  et  Hiihua  luac'li  Cotl.  BerneiuniH  33<'>) ;  el>d.  o34  U :  lU-ni  in 
[Aphorisini»  de  eHsentU  sunimac  honitatia  legitur,  qiiod  rtw  de^trucliltiU'j^  sunt 
ex  porporpitat<.' ,  non  ox  ill(>ot-I)or(!itat«^  Vgl.  lilier  de  caiiaiH  §  lU  (Bar- 
iliMihewer.  8.  174):  r«M  d^-stnirtibilfts  Hunt  i*x  corporcitat«,  wilicet  ex  rausa 
corporea .  temporali.  non  vx  causa  intettei^tuali ,  neterna.  Wenn  Barden* 
hewor  (S.  2IU)  niit  Ri-tht  licmerkt.  Alanus  halte  sich  wod*»r  an  den  Wort- 
laut noch  an  den  Sinn  des  lilicr  de  cnuHiH.  wo  haben  wir  hier  nur  uin 
Beispiel  mehr  fllr  die  UnbenU  iingenane  und  willkflrlirhe.  d»>n  (lodanken  ihrem 
ursprllnglirhen  /.ni>anitaenhang  vj^llig  entfremdende  ('iiationKweiHO  duä  Inan- 
lensem,  die  uns  im  Verlauf  iin.'X'rer  Abhandlung  schon  oft  liegegnete  und  t^na 
Auffinden  der  Origiinil^^elle  no  sehr  erschwpT-t. 

")  Kbd.  334  H :  nt  ait  .\H.Htoleles  in  liUro  de  cligendis  duolins  propt»- 
aitts:  si  istiua  est  consecutivum  maluni  et  illius  etft  cnn->!eüntivuni  honuni, 
magis  est  illud  eligendum  .  ruius  est  cuiuwcutivum  hitnum,  quam  aliud,  t'uitifl 
est  oouMicutivuni  niiilum.  Die  Meinung  l^ard  enhcwer'a  (S.  21ü,  Anui.  !)• 
dos  gvnanDte  psendonniiitdteiiäche  Hneh  ftir  ein  Exoerpt  aUH  den  aristote- 
lischen Klhiken  halten  will,  »cheini  uns  iiu^e^tiehta  des  Titeln,  der  auf  keine 
KxcetpteasajnUtng  äclilielien  liißt,  zum  mindesten  gewagt.  Die  nach  dem  Re- 
richte  Jourdain's  (rech,  crit.,  S.3I7IT.,  362  it.),  Alhert  und  Vinccnr.  von 
Ueauvajs  vorliegenden  Auszüge  «us  aristotelischen  Schriften,  auf  die  sich 
Bardonhower  bezieht,  waren  deutlicli  al»  solche  gekennzeichnet  und  gehören 
einer   merklich    »piteren  7>eit   an.     Wir  glauben  ,   daß  wir  es  hier  mit  einem 


1U2  Alanna  de  Insults. 

An  driltpr  SU'lle  endlicli  wird  dor  später  sogenannlo  rao- 
ratistlio  Beweis  ij^oslreilt  HuitIi  den  Hinweis  aul  die  siülicii  j^u* 
len  Hiindlungen   der  Ikiligen,    die    eine  VerjroUiing    und   damil 

UnsltTbiicIikeil  fordern  '). 

«.  TerblUtni»  von  Leih  und  Se«le. 

Ein  telztcr  Punkt,  auf  \vi'l4:ln'ii  flic  Psyrliologie  dvr  Schi>- 
IjisUk  ihr  Aujrciniirrk  ridileU',  hrtrilTl  «las  Verliältnis  von 
Leih  und  Seele.  Die  früheren  Jiilirliniulerle  iKreplierl«?n  iliu 
plaloniseti-auguslinische  Auffassung  von  einer  AuUeren.  acci- 
dentellen  Verehiigung  beider.  olijjleiL-h  ihnen,  wie  wir  schon  fro- 
her erwrihnleu  ■-').  durrli  rhaiciflius  die  aristotelische  Lelire 
und  Deliniliun  von  der  Seele  als  der  Kortn  des  Körpers  bekannt 
war").  Der  Verfasser  des  unter  den  Werken  Beda's  siehenden 
Buelu's  de  niundi  eonstiluliono  ')  und  Gilbert  de  la 
[»orrre  ■')  bekrniipfen  direkt  die  Ansirlil  des  Stagirileu.  Au|,'pn- 
selieirilirli  hatte  diese  merk  würdige  atiletineiidr  Haltung  iliren 
(>ruiid  in  d<M-  unrirlttigeii  Fassung  der  F(»rni.  Solange  man  in 
ihr  nur  eine  Kigenscliaft,  aber  ki'in  subslanziales  l'rincip  er- 
kantile.  konnte  sie  selbst vei'slündlicli  auf  <tie  Seele  keine  Aiiwen- 

t^inv  npevÄvW^  tVago  iMiliiiriilcItiJLiii  murHlim-heu  TraktHl  atu  tliun  liHlfeti  ,  i)t<r 
uiitvr  dem  Nauion  d«»  AriHtotuIcs  in  riiilmit'  kHin. 

•)  C.  IL   I.  31.  334  B. 

*)  Hiehe  üben  S.  12. 

*)  Ui>1e}{ciiflich  einer  geschii-htlithLm  Orienticning  Ober  die  das  Wmmi 
dvr  So^lt«  iM'tn-ffßDiJpfi  Meiniiiifteii  der  griecliiwlien  PIiilosoph«Mi  führt  Chat- 
lidluR  (o<i.  Wr.ilnl,  ii.  'J*22,  S.  Ü'."!?  ff.)  imch  die  ii  rihlDtelisclio  Deünitinn 
All,  dift  er  in  «>inein  tAngereii  KominenUir  zu  eHfiulom  Hiirht.  At  vero  Ariato- 
li'lfs  aiiimani  definit  hactcnus;  Antiim  <'st  prima  pcrfccti"  cnrpitris  naluruliH, 
(irgHiiiri,  pnui^iliilitalo  vitain  habenlis  ....  Ifaiu-  ergo  specivm,  qua  fxniiaii- 
hir  aiit^iila  .  fr^'i^eatilcr  AriHtotvIe«  cmteleiihLBin  i.  e.  ab>t<»lutani  perfectiont^m 
vorat.  -  Weiterhin  werden  erwähnt  die  arit^tuiel  lache  Interacheidung  in  vc« 
getative,  Bonsitiv«'  und  iiiUdlektive  Seele  (n.  223.  8.  260  ff)  imd  die  ariatn- 
teliacliQ  tjokalisalidnathoorie  der  Seelenkrftfte  (n.  2*24,  8.  2'>1). 

')  Bedae  opp.  [,  über  de  const.  niundi  (Migne  !HI,  902A):  Ariatot«!«» 
veni  vocalml  t'»ni  cndelechiani  i.  e.  furmani  nrnmuti  cor|n»ri8 ,  et  per  hoc  vo- 
Ifhnnt  illani  etwe  »i-ridena  ....  Ariatot-cli  quidem ,  i|ui  direhai  illain  vatsa 
accidena. 

')  Do^thii  opp.,  S.  1235;  Non  enini  aiont  quidam  dixerunt  rat  rrtr- 
Uxetn  hoc  est  forni« ,  acd  potiua  anHstantia  i,  e.  subaiatens  habcna  iji  ae  for« 
naa  et.  diversnrtini  Keneniiii  acctdenÜa. 


IV.  Abschnitt,     Anthropologie  und  Psychologie.  108 

rhin^'    tiiidcri.    rin    (laHurrh    die  Suhstuiizialilät    der   leUlereii  tu 

(it'l'ahr  kam  '). 

Aus  Ufii  f^loiclirrs  Gröiidoii  wuist  auch  Alanus  de  Irisulis 
die  Cborlrajfiinu  des  Formbpprins  auf  dii*  Seolo  znrfick. 
Wie  wir  salieri,  orkhTrl  it  iuisdrücklidi,  data  die  Seele  keine  Pru- 
jirielät,  keine  Form  sei  *). .  Leib  und  Seele  verhallen  sich  nicht,  wie 
Substrat  und  inforniieivndi."  Kipciischaft;  sie  repnlsentieren  viel- 
mehr zwei  völlij;  :iolt»stiindigL'  Suhstan'/,4*n,  ein  doppeltes  Sein  mit 
durchaus  uuviTeinbaren  Hrsllnunuiipi'n  ').  DtT  Srholji.stiker  (in- 
del  nicht  Worte  genug,  um  den  («egenriutz  zwischen  Fleisdi  und 
tieist  ^),  U'discher  und  hiniiülischur  Substanz  '),  ZusaminunKosetz- 
tem  und  F.infacliein  '').  \'ergruiKlii'h<^in  luid  riish^rhlirheui  ').  Na- 
lurwerk  und  götllirher  Selinpiujiy  *■>  so  S4liarr  als  nmyhdi  er- 
äc'heinen  zu  lassen. 


')  Einen  siihinKenilen  Hnweit  biefttr  lierern  die  heiden  phen  ungffilhr- 
t4>n  '/^u^nisar .  wnm  sie  iluixlililirki.'ti  ln**scn  .  ilui\-li  Aiiwi'nrliitig  iIch  Kurinbe- 
grifTH  sinke  die  So^^l^  ku  einem  bIo(ji>n  Accidpn.'«  herab.  Dnzu  knminpn  sber 
noch  die  Auüfflhruitgea  des  C'haicidius.  nus  welchem  jene  Quelko  unver* 
kennbnr  !M:höpfcn.  Der  Komnientatur  des  Timaeiis  erktilrt,  Aristotdos  haho 
bei  «Her  aoin^ti^eii  CbfreijLstiminung  niil  Phttn  bezü^Uch  ib-r  Seele  gcir)-t, 
wpiin  er  si«  als  Kunii  oder  Knt^lerfiic  bi-r.oirbiie ,  denn  dadiirt-h  werde  »in 
zum  Afcidens  des  Kflrp<Ts  (nd.  Wrobel,  ii.  22Ji.  S.  '2t>2  tT. :  non  enim  spc 
cialeni  easentian)  fore  aniumin  .  quam  appellat  Anatof4*left  entelauhiam :  haec 
<juippc  forma  est  corporibii^  iie-oidens.  ut  oonsot  IMuto).  Er  wendet  unter  an. 
derem  weiter  ein  .  die  -Si-ele  könne  iinmöglii-h  KnMecbie  oder  Komi  sein  ,  da 
das  Konnprincip  nur  i[i  um)  mit  di-m  Ki^rpnr  Kxistenx  hnbc«  .  mit  dem  Krirper 
enl^teh^'  nnd  wieder  mit  ihm  vergehe  .  und  «ich  nnch  in  jenen  Dingen  find«. 
wi'Ii-h<'  keine  Seele  he^^itzon  In  der  abweisenden  HaltunK  Hew  i.'halcidiun 
nnd  in  seiner  Argumentation  liegt  ofTenbar  der  Schlllssel  Tür  dit;  KrklKning 
der  aaHallenden  Thatsache ,  daß  di«  aristuteliacfae  Ans^-hauung  von  der 
Huele  im  früheren  Mittelalter  keinen  Buden  gewinnen  könnt«. 

■)  Siehe  olien  H.  ;•■'>. 

=)  Aoticl.  4\Ky  h : 

Dispar  natura,  dinpar  subsLantia,  furni» 
Diwurs,  esae  duplex  hominis  ctmcurnt  ad  esse. 
Dali  hier  der  Ansdrtick   .forma*  nicht  im  Sinne  von  Forroprincip  genommen 
wini,  iMt  aelbstverstÄrtdtiifh. 

*)  Anticl.  54«  W.  —    )  Ebd.  493  H.  495  0,  54«  V,  hhl  A. 

*)  Ebd.  .>50  V.  —   ')  Ebd.  4l»5  D. 

")  Ebd.  4\fh  D  ff.,  54*)  D.  Die  in  Anm.  4—8  niedergelegten  Gedanken 
klingen  hlknüg  an  die  Scliilderungen  Bernhard'»  von  Chartres  [ed.  Ba- 
räch,  $.  51,  v.  29  ff.,  S.  55)  und  an  Apulejua'  Asclepius  (c.  6,  8,  ed.  Gold- 
bacher,  y.  31  ff.,  S.  M)  an. 


fV-  A)>«rhiiitt.     Aiitliropologio  und  rNjoholoKi«^*  106 

Amli  BnnharH  von  (Ihartirs '^  und  Hugo  von  Sl.  Viclor^) 
liutten  fiii'  Verhimlunt;  in  ^leüher  Weist*  erklärt. 

Dil'  platonisch-pytlirtgoreisrhi'  Ansihaiiiinjr  nuM-liff-  wohl 
die Plianlasie  /.ufriefkMLsioIltMi.  iJcr  Vf-rstaiul  koniiU*  sit:h  jotloch  liit-r- 
l»ci  niflit  beruhiifi'n.  So  jrriJfrii  ilic  Physiker  nach  einen*  andrni 
Ausweg  und  vorsiirhlcn,  die  Lösuni?  des  Problems  auf  physikali- 
M-tiiMii  Hi>dt'U  zn  peben.  Alanus  marbt  suh  aueb  diesrn  Er- 
klärttnt'svi-isuch  zu  ei;fen.  Er  bi'lnu-blet  als  HirHU^'Iied  zwiscbeti 
l<i'ib  tmd  Seele  das  auch  die  Simie^nnpluidutiK  um]  die  hnagi- 
naliort  vennit.tehi(Jf  Aj^ens  %  den  Spiritus  physicus,  eine  feine 
knrperliebt'  Substanz.  fciniT  als  Lufl  und  weni^rer  fi'in  als  Fcin-r, 
welclie  die  Feinheil  und  Hew<*glieliki'it  iiiil  der  Sit'lt*,  die  JCör- 
pH'iitfikeit  aber  mit  dem  Körper  gemeinsam  hiü>en  soll  und  da- 
durch in  dm  Stand  s«'^t'tzt  sei.  Leib  und  Seele  an  einander  zu 
kellen  *);  ^''"  fiedankenpang,  dca-  sieh  ähnlich  schon  bei  Isaak 
von  Sti'lla  liudel-'). 

NcIh'U  den  jfenarinlen  Verbindunffsweison  kennt  *\vi'  Ma- 
jrisler  endlirli  noch  eine  drill  i'  Arl  der  Kinheilt  welche  von  Odo 
von    (himbrai  *>)    und   Uiehard   von   St.   Victor^    vertreten 


')  Kd.  Haracli,  8.  M,  v.  27,  S.  Ö6,  v.  51.  Audi  lÜe  Ktidelwhie  wird 
iiii<  <W  Welt  durch  die  ZablMi  verbunden  (v6.  ItHrarli,  S.  14,  v.  IHi)  IT.). 

')  ErUil  didascal  II.  13  (Migiio  176,  7^H  D :  MtiaJcA  intor  rorpus  ei 
Niiinia'ti  est  illti  rmturJilirf  funii-itia,  ijur  Aiiitini  rorpori  nun  corporois  vinruli.H, 
8cd  uffectibus  quibusdani  otillinatiir  ml  niyveniliiiii  vi  »ensiticundum  ipHinn 
i-urpu)^.  Hugu  zieht  abu ,  iiiii  dit>  ItariiiuiiJ^clip  Verliindunt;  einiKerma0«ri 
vcretj&iidl ich  zu  miuhoii,  päyuliologischc  Mumeutc  herbei. 

")  .St<>Jie  iiben  S.  1». 

*)  C  H.  I,  'i8,  320  D  :  vi  »lioa.  qui  dicitur  phyaicu»  aivi*  uiiturnli», 
quo  iiiediuntL*  auiiiva  ratioiialis  uniUir  corpori,  et  liic  spirituti  est  »iibttlior  nPrti, 
ininu8  »iiIjüliB  (mit  Cud.  Koniciidjs  3:{*>}  igne :  ebd.  ^30  H :  OporU-t  orgo,  qund 
Hplritu»  ilfc  ciiin  utrtiqiic  habet  liffinitateni ,  cum  unima  rationali  »ublilitatem 
4>t  agtlitntom  .  ctnn  corpore  c<»rpumtat«ni  (mit  C'od.  Bern.  335).  Vgl.  Kog. 
102.  G7ß  U. 

')  Nach  laaak  achlielU  ttich  dos  Fhantaäticum,  das  Ntederaie  an 
der  Seolf,  mi(  dnn  Spirilu»  rorporpua,  mit  di.'m  Keinsl^ii  iiri  Icfii-pprlinhcii 
Or;i;»nismu."4  ztisatiimen.     Siehe  (lnrüh<?r  Witikt.  Bintwicknliingsiuiang,  S-  2**. 

")  Ol'  peccat»  uri^tii.  III  (Migiie  IfiU,  IÜH7  D) :  Dicitur  ergo  indivi- 
üüus  hoino  peräonu  nun  curporc,  scd  aniina:  anima  natnque  corpus  assumit 
iii  tMu  persona,  ut  in  uaa  por^uiia  duplex  Mit  aubatantia. 

')  Do  tri«.  III,  lu  (MtKne  l'Mi,  !»2l  D|:  Nlhilomiiiua  Umea  peraunali 
proprietate  ita  iu  uoum  coiiiuneta  mint,  ut  iu  patieinlo  vel  cundetectando  ue 
^icani  aeparari,  sed  neu  aecerai  puSHint. 


UHl  Alauns  de  tmolis. 

wiM.  Mil  ti»*n  lHv.piohnolen  Theologen  ist  er  der  Meinung,  daß 
l.oil»  Mud  Stvie  im  Menschen  durch  die  Einheit  der  Persönhch- 
keil  veriMinden  st^iiM»,  wobei  die  beiden  Bestandteile  die  Eigen- 
tOndirhkeiten  ihns  Wist^is  luiveriindert  beibehalten  *), 

VeiVleichoii  wir  nunnielir  die  psychologischen  Leliren  on- 
seitv^i  Scholastikers  mit  der  Psychologie  des  folgenden  Jahr- 
hunderts, so  springt  sowohl  das  Gemeinsame,  als  auch  der  Ab- 
ritand  beider  unscliwer  in  die  Augen.  Dieselben  Fragen,  die 
Kitdeilung  der  Seelenkrilfle  und  die  Beschreibung  ihrer  einzelnen 
Kunktionen,  die  Fragen  nach  dem  Wesen,  dem  Ursprung,  der 
/nkuun  iler  Seele  und  ihrer  Verbüidung  mit  dem  Körper,  bilden 
auch  sjHlter  den  Rahmen  der  psychologischen  Erörterungen;  aber 
Jel/t  wenlen  sie  sämtlich  gelöst  mit  Zuhilfenahme  des  reichen 
nriHlolelisfhen  Materials.  Während  Alanus,  wie  wir  gesehen 
haben,  noch  nichts  weiß  von  den  Seelenleilen  des  Aristoteles, 
von  Hi'inen  Argumenten  für  die  Unkörperlichkeit,  Geistigkeit  und 
t'itHlt>rlilichkeit  des  Nous,  während  er  die  Auffassung  der  Seele 
alH  F(U'm  des  Körpers  abweist,  werden  im  13.  Jahrhundert  die 
nrlHltilelischen  Lehren  über  die  betreffenden  Punkte  im  vollen 
Ihtiraiige  lierungexogen.  Kür  die  Lösung  der  alten,  von  der 
rliriHllicIu'H  Psychologie  der  Vor/eit  überkommenen  Aufgaben 
und  Probleme  fanden  sich  bei  Aristoteles  neue  und  trefiliche 
Mllte'l  und  Wege,  welche  umso  freudiger  begrüßt  und  acceptiert 
wurileii,  weil  sie  gerade  die  überlieferten  psychologischen  Funda- 
nh'nlalh'liren  fester  und  tiefer,  als  man  es  bisher  vermochte,  zu 
begrOiidtMi  schienen. 


')  C.  H.  III,  14,  414  b:    Et   uimt    aniina    rationalia    et    caro    propter 
iitiilatom    penwnae    unua    oat    hoinu ,    quamvis    alterius    naturae    sit    anima, 

HJtflriua  caro manento   utraque   natura   personac   conserratur  unJtaa. 

HflK>  1<^2*  ^76  S  •  Personalis  unio  est,  quae  rem  facit  esse  personam ;  quae 
in  pura  creatura  attenditur ,  ut  in  puro  homine ;  ex  eo  enim,  quod  faomo  fit 
iinuin  ex  untone  corporis  et  animae,  incipit  esse  persona  i.  e.  res  per  so  una. 
Vgl.  Reg.  100,  075  A. 


V.  Alwclinilt.     Throlojcio  mter  Lehre  v(id  der  UolÜwit.  107 

V.  AbschniU. 
Tlieolugie  udor  Lehre  loii  der  Uoltlieil. 

I.  Be^veise  für  die  Existenz  Gottes. 

Wir  btiginiii'ii  die  Durslclliing  ilrr  Lt'hre  des  Alauns  ril>er 
Golt  und  sein  Verhältnis  zur  \Velt  mit  der  KröHoning  der 
Beweise  für  CJolIcs  Existenz. 

Si'il  drn  Tapt'H  Ansolni's  btüiinliW'n  sieb  die  r^'hrer  des 
1:l*.  JahrliundiTls,  dlt?  Kxislenz  einoü  liödistoti  Wrsens  dur/utlmn. 
freilicli  weniger  auf  dem  We^e  einer  aprioriäelien,  bejfriniiclu'n 
Deduktion,  wie  diesAnselm  in  seineni  berfihtnten  ontoloKisc-hen 
Art'Liniente ')  wollte,  uh  vielmehr  a  posteriori,  auf  (Irnrid  des 
Kausiiliirilsge.sotzcs  und  drs  toleologischt-n  liedaiikeiiis  von 
dt-r  WuUordnnng  und  Weltscliönheil.  Auf  diesen  bt-ideii  Momenten 
ruhen  die  meisten  der  sehr  verschietlen artig  tbnnulierlen  Ik'weis- 
gänge  jenes  Srikidtims -). 

Wii"  Abarlard'^)  und  iV-lrus  liUinbardus  ^  von  dem  be- 
kannten Diktuin  des  Apostels  IVnhis  ausgrlioiid,  hrtracidet  Ala- 
nus  de  Insulis  die  sichtbare  Sch/ii»f(mg  als  den  Ausgangspunkt 
des  Ucweises  ITir  die  Kxisten/.  (Jotlps*).  tilt'irb  dem  ii-i-stereu 
lehrt  er,  daü  die  licidniscliefi  fliilosoplien  ans  der  (irölir  der 
Wi'ltilinge  dif  Macht  (Julies,  aus  ibn-r  Seli6tdii?it  seine  VVeisheil 
imd   aus   ihrer  Anordnmig  dii;   gottlirhe  (Jrtte  erkaiuit   hätten  ''). 

')  Im  Prualo^ium,  nachdem  er  im  Mutinlogiiim,  sich  vornelimiHli 
Hn  Aiiguatin  kalknd .  den  aposteriorischen  Wug  gegangen  war.  Sielv 
StöckI,  Gwwh.  d.  Philos.  d.  MitteUHors.  I,  S.  I51>  ff.  Vgl.  aurh  ß.  AdU 
liuch,  Der  GoUrslicwois  des  hl.  Atmelin.  im  Philo8.  .Talirbiit-h  il.  (_? örrcsgps. . 
II.  Vlll.  8.  .V2  IT..  ;:572  ff. 

^  Sieht'  z.  H.  Wihu'hn  von  (.'wnuhcb  (t'tem.  philoa.  1;  Mignt'  UU, 
1129  A  H.).  Vgl.  dazu  l'rtintl.  (GeKch.  d.  Log.,  It.  S.  PJH).  AhnoUrd 
(expo8.  in  epist.  I^nuli  ad  lioni.  I:  Mi($no  178,  HII4  A).  KiihcrtuH  Pullu-s 
(8enl.  1.  1:  Mignc  ISIJ,  ti73  D  ff.).  Petrus  Lumbardua  (Sent.  J,  3.  n.  1  f.; 
Migne  lfJ2.  h29f[.l  Petrus  Pictavientiiä  (Senl  1,1:  Migne2n,  7U1  A  IT.). 
Garneriua  von  Roche  fort  (laap.  ihe«ph-  symh.  1,1;  cod.  Troycs4.V%  fol.  lir  ). 

"O  E.\p«s.  Im  cpitit.  Pauli  nd  Hom.  I   (Migno  178,  Sv^i  C  ff.). 

')  Sent.  I,  3,  n.  1  (Mignc  11)2,  520).  Ebenso  Potrua  Pietaviensiit 
iKid  (iarneriiia  von  Kuchefurt  an  den  u.  0. 

'')  C.  U.  I,  7,  3H  U;  lüxit  enim  Aptjstolus,  quod  p«r  e«  quae  facta 
sunt,  inviaibilis  dei  cunspiciuntur  a  pbibaophia  (KAm.  ],  2U).  Vgl  Tho- 
mas, H.  theo].  I,  q.  2,  a.  2. 

')  Ehd. :    ptir    rerum    niagiiitudinein    intellcxeninl  pbilotfophi  dei  poten- 


{ 


108  AUnas  de  Insnlis. 

Zur  Bestätigung  ciliert  er  eine  Stelle  aus  dem  platonischen 
Tiuiaeus ')  und  eine  andere  aus  der  Goiisotatio  des  Boethius'). 

Alanus  wälilt  den  kausalen  Gedankengange  um  Gottes 
Dasein  zu  beweisen,  wobei  es  ihm  den  dualistischen  Katharern 
gegenüber  vor  allem  darauf  ankommt,  auch  die  Einzigkeit  des 
höchsten  Wesens,  den  Monotheismus,  zu  begründen. 

Eine  einfache  Überlegung  an  der  Hand  des  Kausalsalzes 
führt  ihn  zunächst  zur  Annatime  einer  causa  suprema.  Kein 
Ding  in  der  Welt  hat  sich  selbst  zusammengesetzt  oder  das  Sein 
gegeben  ^) ;  nichts  ist  c-ausa  seiner  selbst  *).  Wir  müssen  also 
eine  aufier  ihm  liegende  Ursache  fordern.  Die  Reihe  der  Ur- 
sachen kann  aber  keine  unendliche  sein.  Es  muß  vielmehr  eine 
erste  und  oberste  Ui*sache  geben  ^),  welche  wir  Gott  nennen  *"). 

Die  causa  suprema  ist  aber  eine  einzige*).  Der  man  i- 
chüische  Dualismus  der  Kalharer  involviert  einen  begrifT- 
lichen  Widerspruch.  Denn  nimmt  man  als  oberste  Ursache  ein 
doppeltes  Princip  an,  wie  jene  Häretiker  thun,  ein  Princip  des 
Lichtes  oder  Gott,  aus  welchem  die  geistigen  Wesen,  die  E^gel 
und  die  Seelen,  stammen  sollen,  und  ein  Princip  der  Finsternis 
oder   Lucifer,   in   welchem   die   materiellen   Dinge   ilu^n   Grund 


tiain ,  per  rurum  pulchritudinem  eiusdem  sapientiain ,  per  earundem  ordinein 
divinam  bonitAtem;  vgl.  Abaelard  (expotj.  in  epist.  Pauli  ad  Uom.  I; 
Migoe  178,  804  A) ,  Wilhelm  von  Concbea  (elom.  philos.  I;  MigDe  !K), 
1129  A  ff.),  der  nur  statt  bonitas  voluntas  setzt,  Hugo  von  St.  Victor  (de 
sacram.  1,  p.  H,  c.  28;  Migne  17fj,  23U  D) ,  Petrus  Lombardas  (Sent.  1, 
3,  n.  5;  Migne  l\i2,  ÖäU). 

')  Ebd  :  Undo  Plato  (28  C)  do  doo  loquena  ait :  (lenitorem  universi- 
iatis  tarn  inveniro  difticile  est  quam  invontum  digne  prufari. 

^  Ebd.:  Ho^tbius  utiam  in  libro  Consolationts  (Ml,  metr.  tf,  ed.  Pei- 
per,  S.  70)  ait: 

0  qui  perpctuH  mundum  ratione  guttemas 
Terrarum  caelique  sator. 

^  A.  f.  I,  3,  599  A:  Nihil  seipsum  composuit  vel  ad  esae  perduxit^ 

*)  Ebd.  I,  8,  (iOO  A :  Nihil  eRt  causa  sui. 

^)  Ebd.  I,  9,  fiUU  A:  Cuiuslibet  inferioriM  causac  (statt  esse;  siehe 
Baeumkcr,  Philos.  Jahrb.  d.  GArresges,  H.  VI,  S.  168)  est  suprema  causa. 
Nullius  enim  rei  causae  in  infinitum  ascendunt. 

'')  Ebd.  1,  12,  600  B :  Unde  manifestum  est  unam  tantom  esse  omniam 
causam  supremam,  quam  ratiocinandi  gratia  dietmua  deum. 

')  Siehe  die  vorige  Anm. 


V.  Ahwhnitt.     The«>logif*  uder  Lebr«  von  d«r  (jottlioit.  t09 

hätU'ii '),  (Uinn  fallen  \mde  unter  den  Binar  und  die  Zalii.  In- 
folge dessen  müssen  sie  enlwecier  eine  Verscliiedonheil  begründen 
oder  selbst  verschieden  sein.  Der  ersture  Fall  karni  nicht  zu- 
treÖ'en,  denn  keines  von  beiden  ist  als  obH'slt*  Ursatlie  Proprietät 
ü<ler  Konn,  in  letzliTcm  fallt*  <lagegon  infiüten  sie  mit  Proprie- 
lälHi  oder  Formen  behaftet,  <1.  h.  zusammengesetzt  sein.  Aber 
dann  lifitten  sie  noch  eine  Ursache  über  sich,  wären  also  nicht 
oberste  Ursachen,  was  ihrem  Bogriffe  widerspricht  *). 

Noch  auf  anderem  Wege,  der  mit  ileni  arislolelisclu-ii 
Argntnenl  au?;  Her  Bewegung  *)  eijn'  aulTalleridf  VerwandtschalT 
besilzt.  sm-htc  Alanus  denselben  (Jegnern  gi»genüt)er  die  Kinzig- 
kt'ii  fh-r  obersten  rrsaohi'  darzutlinn.  Die  Wnlndernng  uml  Hc- 
Wf'gujig  in  der  W'dt  fäfirt  nändioli  noUviMidig  auf  ein  unvcrän- 
ilcrlifh»*«  und  unbewi-gtes  Prineip  hin,  auf  einen  unbewegten 
Bmvi-ger,  der  allem  die  Bewegung  giebt*),  und  da  Veränderung 
bei  allen  Kreaturen  sich  zrtgl,  so  nniü  <'inf  r-inzige  luiveränder- 
liche  Ursache  arigrnoinmen  witiUmi.  aus  weicher  die  sjuiiLlichen 
Dinge  ihren  Ursprung  nelunen^). 


*)  t:.  H.  I,  2,  308  C:  Prinripiiim  lucis  ilicunt  e9ne  deuin  ,  a  qiin  Bunt 
spiritualia  ,  viJeliiet  äiiimae  eX  aiigeli ,  princtptum  Unebranitii  Lucirerurn,  a 
quo  sunt  t^miHjriilia.  Vgl.  UariieriUH  von  Roi^hefort  (Isag.  thi^uph.  sym- 
bol.  I.  1;  cod. Troycs  ihU,  fol.  2v):  Sed  MflJiiclieuA  .  .  .  duo  meutitur  n>niin 
prinripia  t  unuin  lucitt,  a  «jm»  omah  spirituH,  alternm  Unckrarum ,  a  quu 
iiiniie  corpus. 

*)  A.  f.  !.  12.  fiOO  BC. 

=0  Phys.  VIII,  5,  2ha  B  4  ff.     Metapliya.  XII,  ß,  1071  h  H  fT. 

*)  C.  H.  1.  5,  311  A:  Omne  enim  mnUilnlf  inHJnuiit  illiquid  esse  im- 
mtiUtbile  .  nmiif  mobite  insinuat  aliquid  cm*«  quiptiim ;  elid.  III,  4.  40^  C: 
sicüt  nb  iinitiite  inilivisibtil  omni»  iinicedit  pturiilita»,  qtiac  divisibilis  est,  itA 
a  Creatore  invariabili  oiiiiii>  pro4-v(lit  variabili'. 

^)  Kbd.  I,  8,  S15  H:  fum  omnrs  rroaturu«'  Mint  tnutjibiles ,  op<»rt«t 
utiHiii  caiisAMi  esae  immiitabilcm .  a  qua  omnia  iiititiibilin  prucudaiit.  Vgl. 
X'etrns  I.onib.  (Sent.  I,  :J,  lt.  8:  MifiiK»  19'2,  .VJ9).  —  Den  43t'dftiikeu  eines 
unbewegten  Bewegers  uimiÄt  AlunuH  atia  Bueihiua  (Oona.  IV,  6,  ed. 
Teiper,  S.  108,  v.  21  ff.»:  Umniimi  generatio  renim  cuiit-tiisque  mut«biliuin 
ualurnritin  progrejisua  et  quidquid  aliijiKi  movi^tur  modo,  «aiiaun.  ordineni.  for- 
tiia«  fx  divinai'  inenti»  Btahilitate  aortitur.  Vgl.  Dist.  86'»  A  :  Moviri  jtroprie 
diritur  variari ,  tinde  Floi'tliius  (Coiisul.  HI.  metr.  9.  «d.  I'ciper.  S.  70): 
Stabiliaque  niaiiens  das  cuncta  moveri ;  ebenso  Reg.  7,  627  C;  C.  H.  HI,  4, 
405  C:  AnticI.  -i'M  D:  sine  motu  cunrt«  giibemaiis  ....  sine  pac«  quietua. 
—  In  UborraHchonder  Weiae  hatte  dynsflbeii  Begriff  sclion  am  Anfang  d**s 
12.  .Ifthrbundert»  Adelard    von  llaHi    in  BF*im»n    quaestione«)    nattiraltta 


V.  Abschnitt.     Tlioologie  uder  Lehre  von  der  Itottheit.  111 

auf  (It'ii  (^rtiutiL'Uäteii  und  wiehtigäten  Inhalt  drs  (ilaubcns,  auf 
(las  Truülälsdngma.  auszudehnen.  Dazu  kam  uljcr  noch  der 
niäclilJK»'  Impuls,  welchen  Augusliii  durch  soino  hekannlen,  an 
li'w  Drt-dnil  von  itunioria,  irilrllrctiis  niid  anior')  sich  an- 
leltnondiMi  triiiitunsi-hcti  Spi'kulalioiif-n  auC  die  iiiitU'Jallrrlif'hrn  Loii- 
ror  ausril>t<'.  So  sehen  wir  denn  die  hervorrngon<lslen  Geister  des 
I:*,  .lahrhunderls,  einen  Ansetm*),  die  beiden  Vielnriner 
Hugo*)  iHid  Iticimril  *),  Ahaclard  ^),  viel  Milhe  und  Scharfsinn 
nufwendi'd.  um  durch  die  Vernunfl  aus  g<'\viss*'n  KrifcnLürnlieh- 
keiten  der  Kescliöpfe  di*-  UreipersAnlii-hkcil  ihres  Urlu'beps  zu 
ersohlieüeu. 

Wir  werften  es  daher  krinesweK^  aulTallind  üiideu,  wenn 
nach  Alauns  ile  Insulis  die  Tfudenx  si-iiu-r  Wir^iuiger  vi'rfolKl, 
dir  eh'duktivr  Mi'tliode  aul"  das  Mysterium  der  Trinifät  überträgt 
und  die  Urript-rsnuhHiki-il  Cultrs  zu  iksUaeieren  unternimmt. 
AiitT  wie  die  vtirliin  jfenantdrn  Kthrf-r  —  mit  eirizii^cr  Ausnahme 
Almelanrs*')  —  ihre  Beweisluhruntt  niehl  als  vüllgiitrjf  und  strin- 
jfcnt  ansahen  in  dem  Sinne,  daß  das  Dogrna  der  Tj'inität  zur 
streng  bewoidbaren  Veriunill\vahrln'i1  i,'<.'worden  wÄre,  so  hült 
auch  Alauns  seine  ArgmutMib*  uieht  für  voltkonmien  ausreichend, 
nni  i'\u  Wissen  im  ei^ndhelirn  Sinne  zu  vcrmilteln  '}.  Zwar 
sdie])h-t  i-r  die  rationes  deutlieh  von  dm  simililudiiics ");  alh-in 
IT  ncnnl    doch    wiedeinim    die   durrh   jine   Beweise   gewoiuiene 


')  De  trin.  X,  12,  n.  1»  (t.  8,  Migne  4*2,  084).  Auf  die  Trias  von 
esHtt,  noHsv,  fliligere  (ve)le)  reciirriert  or  de  civ.  (tei  XI,  äG  (t.  7,  Migne  41, 
^'^ü):  cunfi^&g.  Xtll,  11.  n  12  (t  1.  Mtgue  32,  849).  Den  l'jatonikern 
^eHteht  LT  eine  allcrJiiigA  nur  aolintteuhAftc  Erkenntnis  der  TrinitAt  zu  (de 
civ.  (lei  X,  'c9.  t.  l.  Mipne  41.  '^^)l  ff.)  und  In  ihn*«  Blichera  IjeIm;  nr ,  we- 
nigslena  dem  Sinne  nach,  («ine  Keihe  von  Sätzen  sus  dem  .lohannesuvaii^elium 
(Juh.  I,  1  tr.)  fiber  datt  v«frbiim  dei  gelesen  {(.'oiifesa.  VII,  ff,  n.  l:t;  t.  1, 
Migne  32,  740  fr.).  Vgl.  zur  letzten  Stelle  Abaelard  (tracT.  de  iiiii(ate  et  tri* 
nilate  divin«,  ed.  StOUIe,  Preibiirg  I.  B.  1891,  S.  II  IT.),  Thomaa  (S.  tbeol. 
1,    q.  32,  a.  1,  ad  1),  ferner  Albertus  Magnus  (in  I.Benl.,  d.  3,  a.  18,  ad  3). 

*)  Stöckl,  Gesch.  d.  l^htioa.  d.  Mittelalt.,  I.  S.  17:1  ft  —  *)  Ebd.,  8. 
314  ff.  —  ■•)  Ebd..  S.  ä57  ff.  —  ■■)  Ebd.,  .s.  22t>  ft'..  235  ff.,  245  ff 

")  Siehe  üh^r  tUe  ratlonalüitiMi'heii  (Jedanküiigänge  dieses  Tbeologeu 
bei  Stnckl,  «.  a.  0.,  S.  22*1  ff. 

')  Siehe  oben  ä.  3ä. 

*)  C.  H.  lU*  3,  403  B:  Qiiod  uut^'in  trea  aint  persoime  divinne  .  .  .  ., 
auctoritatibus  et  ralioaibiis  et  Biuillitudinibus  variis  yoteai  oatendi. 


112  Alanus  de  Insulis. 

KrktMuitiiis  (Mue  inadilquate,  eine  bloQ  bildliclio,  spurenhafle,  ein 
Krkoiuu'ii  im  Spiogel  um!  im  Rätsel  »). 

Wie  formuliert  nun  im  einzelnen  unser  Magister  seine  Beweise? 

Wir  lH'geg»on  liier  zunächst  einer  merkwürdigen  und  selt- 
snnien  Zahlenspekulalion,  einem  chrislUchen  Pytliagoreis- 
iniis,  der  in  Thierry  von  Chartres  einen  Hauptvertrelor  ^O' 
(itiidrn  haltt».  Nat-h  dem  Vorgange  dieses  noch  wenig  bekann- 
ten Srlioliistikers -)  und  anknüpfend  an  die  Arithmetik  des  Boe- 
lliius.  OlMTtn'tjit  Alanus  die  Eigentümlichkeiten  der  Ein- 
wahl nnC  die  gAttliche  unitas.  Wie  die  Eins  mit  sich  selbst 
innlÜpli/.ierl  wiederum  eins  ergieht.  also  sich  selbst  erzeugt,  und 
wir  /wischen  der  erzeugenden  und  erzeugten  Eins  Gleichheil  be- 
slrlil  •'),  so  erzeugt  Gott  wicilerum  GoU.  die  göttliche  Monas 
wirdrr  riiie  Monas,  der  Vater  den  Sohn,  und  zwischen  beiden 
brHlrht  vollendete  Gh'iclih<'it,  rbereinslimmung,  ein  Band  wech- 
selsi'itigrr  hiebe,  welches  der  heilige  Geist  genannt  winl  *). 

')  A.  f.  1,  26,  605  b:  Intuente»  enim  illoniin  naturam  ipaain  in 
uxitiiiplar  8ui  auctoris  proponimiu  A  per  creaturam  creatoris  conteinplantes 
naturam  velut  per  speculum  in  aenigmate  aubBtantiam  diiudicantes  per  figu- 
ram  praedictam  figuraliter  intuemur.  C\  H.  11  [,  4.  405  C:  in  proprietate 
«•niiii  unitatis  quodammodo  resultat  vestigium  trinitatis. 

")  Haur^au  (Hist.  de  la  philos.  scol  1,  S.  ^92  fi.)  ist  unseres  Wissens 
di*r  (einzige  (ieschichtsclireiber,  welcher  dem  Carnotenser  Thierry  einige 
Aufmerksamkeit  geschenkt  bat.  (Doch  vgl.  jetzt  auch  Erdmann,  Orundriß 
der  (Jesch.  d.  Philos.,  4.  Aufl.,  Ikrlin  1896.  Bd.  I,  S.  28d).  Eine  genauere 
l'ntursuchung  dieses  Lehrers  erscheint  dringend  geboten.  Eine  solche  ist 
i'rluichti^rt,  seitdem  Haureau  von  Tbierry'a  Schrift  de  sex  dierum  ope- 
ribus  dati  erste  Buch  verSff entlicht  und  Olerval  in  längerer  AusfUhning  auf 
ddsaen  «Heptateuchon*  aufmerksam  gemacht  hat.  Sie  dürfte  flbrigens  zu 
under«*n  Resultaten  führen,  als  Haureau  fS.  400)  sie  gewonnen  hat,  der  in 
Tbierry's  System  einen  unverbauten  Spinozismus  entdecken  will.  BezOg- 
licb  der  Littera(ur  siehe  oben  S.  8,  Aum.  3. 

")  C.  H.  TU,  4,  405  C :  ut  apud  arithmeticum  legitur,  unitas  gignit  ae 
ipsam.  Inter  unttatem  autem  genitam  et  gignentem  quaedam  invenitar 
aequalitas.  Vgl.  Reg.  I,  628  D;  3.  624  C;  Anticl.  515  A.  Siehe  BoSthius 
de  arithmetica  II,  4  (ed.  Friedlein,  8.  88,  v.  2  AT.):  Ita  etiam  ttnitas  in  se 
ipaa  mnitiplicata  nihil  procrent.  Semel  enim  unum  nihil  aliud  ex  se  gignit 
quam  ipsa  est.  Vgl.  dazu  Thierry  von  Chartres  (Haureau,  a.  a.  0., 
S.  397,  Anm.  1  ff.) :  Generatio  igitur  numerorum  ab  aliis  numeris  secundum 
arithroeticara  multiplex  et  varia  est  ...  .  Unitas  enim  semol  nihil  aliud  est 
quam  unitas  ....  Unitas  enim  per  se  nihil  aliud  gignere  potest  nisi  eiosdem 
unitatia  aequalitateni. 

*)  C.  H.  ni,    4,  405  D:    Deus    enim    gignit    deuni  ....  iino    genuit 


V.  Abschnitt.     Theologie  oder  Lehre  von  der  itottheit.  IIa 

Ein  weiterer  Gedankengang  erinnert  an  Anselm,  wenn 
aus  der  ewijfen  Weisheit  Gottes  das  Verhältnis  von  Vater  und 
Sohn    und    aus    der    götllictien  Lifhi*    der  lil.  (teisf    abgeleiteL 

Wit.'diT  i-iin.Ti  anderen  Charakter  verrät  i*in  drittes,  tiefsin- 
niges ArKtimeiü,  welches  auf  metapliysischer  Basis  ndiend  von 
«Ifii  \Vest'iisti('stundl<4lt'ii  (irr  luutcrii'Meii  Snhstun/.  ausseid.  T)ii> 
gfrsehaffrm*  Suhslaiiz  rriordi-tl  nfiiidich  ut  ihinii  Bcstiirulr  ilrci 
unter  sich  vci-scliiedi-iiL*  Priiicijiii-n,  Materie,  Form  und  ilire 
werhselseiliKc  V e r  h  i  ii  d u  n g.  Sie  stellt  also  einen  dreifachen 
Effekl  dar,  repnlsentiert  eine  Dreiheit  in  der  Einheil.  Was  aber 
in  der  W'irku]!^  i-^l,  inulj  aneh  iti  der  Ursaehe  sein;  niitl  so  wer- 
den wir  zum  Schlüsse  gedrängt,  daÜ  in  der  Ursaciie  der  Sub- 
stanz, in  einem  und  demselben  Schöpfer,  ein  trinilarisclKs  Ver- 
lifdtnis  obwalten,  dati  in  der  «^tUicben  Einheil  eine  Dn^iheil  sich 
Hilden  infiüs)',  ilie  Dreiheil  von  Valer,  Sohn  und  tleist-):  und 
zwar  deuti4  die  Materie  auf  den  Valer^  *lie  jener  eiiiKeboreue 
form  auf4len  Sohn  und  die  Verbindun;^  benler  auf  den  lil.  (leisf). 

Es  h'ilJt  sieh    wolil   mil   (irnml     vennuleit*),  aber    iiielil   mit 


iilum,  qui  est  idem  dcns  cum  gigneu6t>,  t>t  est  Um  perrectn  B(>qualitiU!  gignentis 
et  gcniti  aive  couvonieiiU«  twa  coiinexu»  .  (|iii  dicitur  äpiritos  sanctua.  Vgl. 
lieg.  1,  fl2a  I);  8,  fi24  CD.  —  «iehe  Thterrj  von  Thartres  (Haur^au, 
a.  a.  O.,  8.  ^98):  ad  deeixiiiiiitlnrti  haH  proprietateä,  qua»  nimt  uiiitatia  «t 
Hc(|ua1itRtia.  uetürna  in  deitate  divini  philusupki  vocahuluni  peniünaa  appu- 
ttu«nmt. 

')  C.  H.  m,  4,  405  D  ff.     VkI.  Stflckl,  a.  a.  O..  ö.  173  ff. 

*)  A".  f.  I.  24,  ftO^i  li  H". :  Materia  i»t  forma  carumque  rompago  Ina 
prorana  diversa  sunt,  quae  in  ruiuslibet  subalantiaf  croatinne  priiicipalitor  ex- 
iguntur.  Unde  utaiiirt-ettom  eat,  quud  in  una  eadenique  cri*atioue  substantiae 
trinUH  ßffeciiift  (nach  Coii.  [•uriä.  *l5ti9,  s.  XIII,  fol.  ITjO,  welcher  nt-bst  t-iiier 
Reihe  nndi^rer  CoUici«  die  von  Bat- um  kor.  Phdos.  Jalirb.  d.  Ciürrosgfs , 
B.  VI,  .S.  169  gej5fU'nt!  Korrektur  und  dcsMon  hcaliglich  d*-»  una  eadenique 
Auageaprochene  Vermutung  bestätigt)  in  uno  eodeinque  rreutore  trinilateni 
esae  conviucit.  Kt  haec  trinitAS  trea  peraonae  dunintur,  prtma  patf-r,  »ocunda 
filiua,  teriia  Hpiritua  aanctua.     Vgl.  ebd.  I,  fi.  599  D. 

")  A.  f.  I,  2ö,  ti03  CD:  Licet  in  cuiuslibet  Istatt  qualibet)  sabstantiae 
creatione  materiam  patri,  foriDain  tiliu  ,  compoättionem  upiritui  aancto  iKis&it 
congnius  ordo  dostinare.     Vgl.  ebd.  l.  2(»,  (iü4  A.     Siebe  üben  S.  71. 

')  Alauua  kenut  und  benutzt  wenig»tena,  wie  ea  scheint,  dca  Du- 
minicna  (jundiaalvi  Schrift  de  unitat«.  Siebe  darüber  unten  Ü.  124, 
Anm.  &,  S,  IS4.  .\nm.  2. 

Beitrag«  II.  1.    BnauignrtDer,  Alnnaii  d«  lovialia.  8 


114 


AlniiUH  ilo  [ti.sulia. 


voller  bcülimmlhüit  bi.-liaup(oTi,  dalä  Alanus  die  Annirung  zu 
diesem  letzten  Bewpisverr;ilireii  von  Doiniuicus  (tunilisaivi 
empfanden  lialH.'.  Wenigstens  Icill  iler  letxtere,  wie  unser  Lehrer, 
die  KrsclialTrinj^'  il<'r  MuliTJc  i\vu\  Vator,  jene  iler  Form  dem 
Sohne  ntiil  die  ViTliinduiix  lieider  dr-ni  lil.  (leiste  zu  *).  Aui-Ii 
nach  Tiüerry  von  Chartres  eignet  tUe  ErschafTunjr  diT  Malerie 
dein  Vater,  die  Komiierunjr  dem  Solin,  die  Liebe  und  L4Mtunfr 
der  fdnnii'Hen  Dinjje  deiti  lil.  (Jeisl  •). 

Der  Insiilenser  hat  aber  nicht  bloü  silbst  ratiorn-Ue  Bt-weise 
für  das  Tiinitrilsdo^mu  wnlKc^^lelll,  er  ist  niU  Abaelurd  aurli  der 
Meinnn^s  dalj  newisso  Philosopln-n.  j.'eslülzt  auf  die  Krall  ihrer 
Vennnill.  zur  Erkenntnis  der  Triniläl  grlan^il  seien-').  Er  nenni 
den  sehon  von  Aut?ustin^),  allerdin^fs  in  einem  andern  Zusani- 
menhiuige,  oft  hernnge/oiienen  Philosophen  Mrrrurius  oder 
Hermes  TrismeK'*^' ">=  m"!  beruft  sidi  auf  ehn' Sielb'  aus  dem 
Asciepins,  als  dessen  Verlasser  dei-  eben  genannle  Merrurius 
gilt'')-     Alanus  eitiert    aber  noeh  eine  weiten:'  Sobrifl  dos  fjlei- 

')  De  pmcea^iaui*  niunili  (cd.  Mcncndoü-l'elAyo,  Hi^itorin  do  lus 
llttturodüXMfl  R«(pai1(ileH,  H.  1,  Madrid  1H80,  ii.  TOH):  Qiinmvia  jmt«m  indivi* 
sibilia  sint  opcrn  ineiitis,  tarnen  cri^atio  maleriHe,  ex  qiiB  omnig ,  putciitiac, 
creatio  vero  forniJiu,  piT  (jiiarn  imiiiiA  ,  saitientlao,  cnniitnctio  vt>r<>  utriusqiie 
coiinexioni  congrue  attribuitiir.  Siehe  Baeiiniker,  f'hilos.  Jahrb.  d.  Gürre«- 
geH.,  K.  VI,  S.  427,  Ami).  1.  —  (iitndJHuIvi  weicht  nur  intfofem  vüii  A)h- 
nuH  üb,  atä  er  Htatt  der  Naiiieii  iler  drei  Personen  dt«  üinen  appropriiertj^n 
Attribute  setzt  (vgl.  nbrigensKeg.  ^7,  Hö4  ß).  Im  13.  Jahrhundert  witHJerhult  den 
gleichen  Gedanken  Wilhelm  von  Auvergne  (de  trin.  o.  25;  opp.omn.,  ed. 
Orleans  ](i74,  (.  II,  S.  31,  col.2):  Inmateria  vero  et  fonna.  et  (statt  ex)  eodent 
Miuluu  (^'oniplexu  el  aiuore  lucidissimum  est  (rinilulis  exeinplum  .  poliasimurn 
auteni  cum  mattifeftlutn  fuerir,  Iria  ha»c  iinuin  «•agt*  secuiidum  easenfiain. 

^  Haureau,  Noliri-a  et  rxlruils,  T.  I,  Paris  IKflU,  S.  53:  In  maleriA 
igitur  .  .  .  operalur  summa  trinitoa.  ipsaiu  mntcnam  croando  in  hoc  quod  est 
efliciens  causa,  creulum  infonnjtiidu  et  disponendo  in  eo  quud  est  fonnalis 
fftusa ,  infurmHlam  et  diäpoairam  diligondo  et  guberiiandn  jn  eo  quvd  t'^\ 
fliialis  rauaa;  nam  Täter  est  elticiens  causa,  Ftlius  formalifl,  Spirittu  äaiirtu« 
fiiialin.  .\hnlieli  hlBL  aich  Honorius  von  Aulun  (iu  HexaSm.  I;  Migue 
172,  204  C)  vurlaiiti-n  :  Dvo  pairi  iiacriliitur  mnndi  creatio  ,  61i<i  rerum  diji- 
positiu,  Hpiritui  Han''t<f  omiiium  viviticjitio  vel  ornatio. 

*}  Senlentiao  244  A  :  Quidam  nanique  philosuphi  nainrulit«r  ductii  rm- 
tionis  comprohenderunt  patris  sapiontiam  vt  ita  verbum,  et  multa  de  eo  prae- 
djxerunt.  Vgl,  Abaclard  (introil.  nd  thfol.  I,  15;  Mignc  178,  1009  t'). 
Siehe  iStAekl,  a.  a.  0.,  1,  S.  243  ff. 

*)  De  civ.  dei  VIll,  c.  23-27. 

'-J  L'.    U.    III.  3,  404  D:    Kt    Mereiirius    philoHupliiis    in     AaeU'pi    ^ 
(Cod.  (leru,  3S6  hat  A&cJepia)    ait :    Ueua    aeteruua    facit  deus  aut^rnoa  (C« 


I 


-t 


V.  Abschnitt.    Tfaeologi«  oder  Lehre  von  der  Oottheit.  115 

chen  Autors,  welcho  or  in  Cbereinslimmung  mit  Abnelard  untor 
dem  Titel  Logoslileos  i.  e.  vcrbiim  perfectum  einPöhrt  ^). 
Beide  Scholastiker  nehmen  das  Citat  aus  Pseudo-Augustinus 
contra  quinqui-  haereses^.  In  letzter  Instanz  Irnifl  es  frei- 
lich* wovon  über  wi-der  Alanus  noch  Abailard  eine  Ahnung 
hatte,  auf  den  Asclepius*)  zurfick,  der  von  Psendo-Augu- 
slinus  unter  dem  Titel  Utyos  riXetoi  durdi  Vermittlung  des 
Lactantius  benut/.t  wurde*). 

liorn.  hat  focit).  Vgl.  .'Vpulei  A^clepiiis  (c.  23,  cJ.  ^uldl>ai-her.  S.  46, 
r.  lU  ff.) :  ut  sictiti  pater  ac  ilumintis ,  ut  &ui  siniilt-s  uüsent.  deos  fecit  aeter- 
DOH ,  ita  LuniHiiitfts  d^oa  suos  ex  sui  miUus  similituditiu  flgunirci.  Siehe 
AugUBliiius  (de  civ.  dct  Vll!,  23 ;  M  i  gn  n  41.  247). 

')  C.  H.  111.  3,  404  !>  :  Idtmi  MoreuriuH  in  Ijhro,  qui  itiscrihitiir  I.o- 
gustilcoa  id  est  Vt'rliuvK  p&rfi'ctuni ,  iiJt :  Dcun  suiiinuis  Mi-rtinduin  Tecit 
dcura  et  eum  dilexlt  tAniquikiii  filiiim  siium  iiiiig«tiituni  vucavitquo  euiu  Hliain 
hettt>dtc(ionifi  (Cod.  Treoensts  959,  8.  XHI  hat  genenitionis)  aeternne.  Vgl. 
Sentt-iiUae  244  A. 

')  Abaelurd  beriirt  sich  ausürUrklicii  uiil  die  paeudü-auguatinisch« 
Quf>11(>  (ititrod.  iid  theul.  I,  l'i ;  Migrie  178,  1009  CD):  PrimiiH  autem  nunc 
ille  iLnti(|uiaeiii)UB  idiiloßnphornm  et  magni  nnniinis  ut-cunat  Mercurtus  .  .  . 
i'uitiH  ([iiidcm  t^&tiiDonmin  de  generatione  verlti  Auguntiims  coutm  quinqiie 
hni-rcacH  diaptitanct  inducit  dicens:  nun  folgt  wörtlich  die  Stelle.  —  8iclie 
Pseudo-AiiguHt  iiMia  (c.  quiiiquo  haereaea;  Maur.  8,  App.  p.  8  C  fT. ; 
Migne  42.  1102  It):  Hermps,  qui  latine  Merruriua  dicitur,  scripait  li- 
hnim  ,  qui  Aflj^c  tiXntK  apiivllntiir  i.  c.  vt>rbuni  perfoctiiin  ....  Audianuia 
quid  loquatur  Merctirius  de  vprbo  perfecto :  Dominus,  Inquit ,  et  oirmium 
foctor  di'oruni ,  secuudmn  fecit  doniinam  ....  (^uaniani  ergo  liuiiu  fth-it 
primuiii  et  t^oluin  ei  uauni :  buaus  aut^iin  <*t  viaua  est  et  pleiiiasiniuü  i>miiium 
bonorum  .  .  .  .,  laetatus  est  et  valde  dilexib  tamquam  iinigenituin  suum  .... 
Item  all»  loco  sie  dixit :  FUiua  henedicti  dei  atquo  boiiae  voluntali» .  cuius 
nomeii  non  poteat  humauo  ore  iiarrari, 

')  Apulei  Aselcpius  c.  8,  ed.  Goldbacher,  S.  33.  v.  Ut  IT.  Tgl. 
dazu  fi.  r*artbey.  Hernietis  Trisiiiegiati  I'oeinandi>r ,  Berlin  \>^hA,  c.  1, 
8.  6.  Siehe  auch  J.  Berniij«.  Ober  den  unter  d^-n  Werken  des  Apulejus 
fitehenden  liennetiHcben  Diutog  AMeli'iiiu»  in  :  M<»nab(bi>rirlite  il.  k.  .Akad.  der 
WiöMenscIi.,  Herlin  1871,  .S.  5Ü0  ff. 

hactantiuB  hatte  mit  den  einftlhrenden  Worten:  .Hermes  in  co 
libru,  qui  loyiK  ttim^  inacribttur.  bis  uaus  ent  verbis"  die  Stelle  dra  griechi- 
fw!hen  Originnla  in  seine  divinau  inittitutiones  {]V,  B.  7,  ed.  S.  Brandt, 
Wien  IfiflO,  ('nrptH  scriptfiruni  ecele«ia»tii'itnini  latiwirmn  vol.  XIX,  S.  2Hfi  ff., 
S92  ffl)  aufgenommen,  wonaeli  pHeudo-.\ugti«^tinua  aetue  lateiniHche  Wr- 
aiou  anfertigte,  —  Auch  spfiter  noch,  im  9.  Jahrhundert,  hat  Seduliaa 
Scutua  die  gleidie  Stelle  aus  Lactanz  beransgohobea  und  eine  lateinische 
Übersetzung  beigefügt  (siebe  Moutfaucon,  Palaeogrnphia  graera ,  Paris 
1708,  S.  285,  243  C  und  bactanlius,  ed,  Brandt.  S.  287  ff.). 

8  • 


116 


AIajius  <le  Insulis. 


Die  Thatsaehe,  daü  keinor  der  beiden  mitlclalterlichen 
Lehrer  aus  der  herinettsclieii  Quelle  selbst  schöpfte,  macht  es 
erkirirlkli,  dati  ein  Bucli,  ilesseii  Inhalt,  im  (ieisle  des  späteren 
Plalonisnius  Kf'li^'lteti,  mit  der  christlichen  Trinitätslehre  gera- 
dezu im  WidiTsprurlie  sieht,  in  dio  trinitarischen  Spekulationen 
der  Ktulistliolaslik  hineingezogen  vvrrdvn  konnte.  Ofleribar  trug 
ilinn  Teil  da/.n  bei  die  venneinlliehe  Anloritrjt  August in's, 
unter  dessen  Namen  die  Pseudonyme  Schrifl  gin^,  naelidt-iu  der 
ursprüngliche  Sinn  des  IiiTruelischen  Originals  von  dem  elirist- 
lichen  Verfasser  im  chrisUichen  Geiste  ntngeileutet  war.  Wflhreml 
nfnnlieh  im  Aselei>ins  unter  dem  ^secundus  dous",  welchen  der 
oborstu  (iotl  gemacht  und  als  seinen  eigenon  Sohn  gelifbl  hat,  die 
sinnen fA lüge  Welt  verstanden  wird,  versteht  darnnler  I'seudo-Au- 
(justinus  die  zweite  Person  der  Trinitfd.  Wenn  »fecif  stall 
des  „genuit"  stehen  blieb,  so  half  darüber  eine  wohlwollende 
Inti^rpretation  hinweg.  Alanus  sieht  durin  lediglieh  i'ini'  l/n- 
korrektheit  des  Ausdrucks;,  einen   ^lapsus  sernloni^*'  '). 

Auücr  dem  Philosophen  Merenrius  weilä  unser  Magister 
noch  ein  weiteres  philosophisches  Zeugnis  für  die  Trinilät  anzu- 
fßhren,  iliis  er  dem  iTsten  von  seiiu'n  oben  crwähtilen  Argu- 
menten anfingt  mit  den  Worten:  Unde  et  philosophus  ait: 
Monas  gignit  monadem  et  in  se  suum  relleetit  ardorent  -),  wäh- 
rend er  dies(>Ibe  Formel  t)ereits  früher  ohtn'  irgend  welclje  Be- 
merkung unter  seine  Iheülogisehen  R<'geln  oder  Axiome  auf- 
genommen und  im  Anschluß  daran  die  Dreipersönliclikeil  (lolte» 
entwickelt  halte*').  Das  einem  Philosophen  in  den  Mund  gelegte 
Diktum  winl  nicht  bloß  von  seinen  nächsten  Nachfolgern,  wie 
von  Garnerius  von  Hocheforl  in  seinein  Traktat  gegen  die 
Amalricianer  *)   und   von  dem  Verfasser  lier    iiTtümlich  Alanus 


')  C.  H.  lil,  3,  404 D:  ,Fecit*  auteni  po&uit  pro  »genuit*.  dum  Inpsiui 
Bennone  ait:  fecJt  deos  avtemos.  Vgl.  ALaelard  lintrod.  &d  tlie<*l:  1,  IQ; 
Mignv  17H.  1012  A). 

*)  C.  H.  III,  4,  40.J  T»  i-'od.  Bern.  330  hut  reflwtit  statt  reflexit  bei 
M  i  g  D  e.  Der  im  Migtie'Bclion  Tt-xt  eiogeklammertti  Autoniume  •Mei-L-uriua 
TrismegistuB'  findet  sich  id  keiner  mir  bekannt  gewordooen  Haiid»»chrifl, 

■')  Keg.  8,  624  f  ff. 

*)  Ed.  Uaeumker  (Jahrb.  f.  fhilos.  u.  spekut. Tbeologie.  ü.  VH,  189S, 
d.  399):  tliuc  alanus  in  maxiiiits  Ibeologie:  Monas  etc. 


V.  Abschoitt.     TheolojRic  oder  Lehre  von  der  Gottheit. 


117 


xriget-eiHeii  Srlirifl  ^{U?  iiilolligciitiis*'  '),  aufpcgritfon,  auch  die 
großen  SolioUistiktT  des  IM.  Jahrhunderts,  ein  Alexander  von 
Haies,  Albertus  Ma(?nus,  Thomas  von  Aquin,  setzten  sieh 
mit  ihm  auseinander.  Freilich  ist  die  Stethiiijfiiahini'  di^'ser  letz- 
teren i'iiic  giliizlii'!!  verändiTle.  Sit*  sehen  iti  ihm  iiieht  uiehr 
das  Resultat  philosophischen  Nachdenkens,  ein  Zeugnis  der  hloföen 
Vermmd,  sondern  sind,  wie  Ali'xarider  von  Hale«^),  der  Mel- 
ntuit',  der  Satz  sei  aus  der  OfTeiibarunfr  geschöpft.  AJhert  und 
Tlirjiiias  leugnt'ii  überhaupt,  dali  sich  sein  Inhalt  auf  die  Tri- 
nitäl  beziehe,  und  deuten  ihn  auf  die  Erst  hafTung  einer  einzigen 
Welt  und  auf  das  Motiv  <ler  WeltschüpCuiig,  auf  die  Liebe  Gottes 
zu  sieh  seihst  ■'). 

Woher  mag  nun  jene  Sentenz  stammen,  welche  di(!  ^üJclio- 
lastiker  so  vieiraeh  beschättigte  und  eine  so  vei-schiedenartige 
Beurteilung  erfuhr? 

Eine  völlig  unangrein)are  Antwort  \iiüi  sich  hitrauf  ntchl 
geben.  In  ihrem  ersten  Teile,  welcher  von  der  Kr/euguiig  des 
Sohnes  aus  dem  Vater  liandell,  reicht  die  Tliese  zurück  bis  auf 
(Vw.  thet^logiselien  Kämpfe  mit  (hm  Ariancm.  Wenigstens  ge- 
braucht Vigilius  Tapscnsis  bereits  die  Wendung:  nionas  mo- 
mtdeni  genuil').    Älanus  Ireiüch  hat  sie  nicht  aus    dieser  ent- 


*)  über  Fsendo-AIftnuB  ile  int^Uigentiia  siebe  Baeumker,  [*hilos. 
Jahrb.  d.  OSrresgus. ,  B.  VII  ,  8.  169  ff.  Dm  Citat  aua  den  .Rotfulae'  iles 
AlanuH  S.  171:  Umle  rcgiilH  initgistri  nlanl:  Moniut  etc. 

'■')  Sam.  p.  I,  q.  2,  a.  *i,  a<l  U :  DicciiHiim ,  qiiod  et«i  Trismegistiis  in- 
tell{?.Tit  propriu  pcrAtmantm  ,  cum  dizit:  Monas  etc.,  boc  tarnen  non  babuit 
per  naturnlom  rationem,  scd  por  doctrinaiu  vel  inspiratiunem. 

")  Albertus  Magn.  {in  1.  Senf.,  d.  3,  a.  \X,  ad  4):  si  Umn.-u  philv 
Bopliuit  fuit  ante  irirarnatiunt'in  i^l  itoii  didicit  in  librin  vutens  testametiti  nee 
por  rfVftlatiiiimni  ,  tunr  diro  ^  quod  lofjuitiir  ile  Unit  deo  generante  i.  e.  pri»- 
ducent«  suuin  iiitolln'tuin  in  mundo  et  omuia  qiiH>B  fecit  diügente  proptt>r  m 
ipsum.  Vgl.  in  I.  p.  äum.  tbcoJ. .  traut.  3,  q.  13,  Dwmbr.  3,  ad  7.  —  Tho- 
maa  de  Aqoino  (S.  theol.  I,  q.  32,  a.  1,  ad  1):  Quod  vem  Trismegistoa 
dixit,  monas  etc. ,  non  est  reforeDdum  ad  geDerationem  filii  \'el  priK^easioneni 
HpiritiiH  snnr.ti,  sed  ad  productionem  mnndi.  Nam  uniis  deus  produxit  unum 
mundum  propter  sni  ip«iu»  nniurem. 

')  Contra  Kelicianum  .Arianum  de  anitate  trinitatis  fOpp.  Aagustioi 
tom.  f*,  app.  c.  II  ;  Migtio  42,  11H5);  nw  tunc  coepisse  caniem  ,  cum  inaf. 
fiihili  quodani  partu  nionai}  illa  sine  int«rcapediiie  inedü  [empona  in  nullo 
diffenMjtrn>  inonadem,  niai  quod  monaa  ducctur  esac,  genuit.  Der  andore  Teil 
entslammt  offenbar  den  spüteron  Spokatationen  Dber  die  Person  des  hl.  Geistes, 


( 


\\f* 


Alanofl  de  Insulis. 


Jejjcnen  Out?'l<'  ciiUfhnt,  in  welcher  sie  zudem  noch  nicht  voll- 
stünilip  formuliert  war.  Schi*  wahrscheinlich  enlnimml  er  sie 
riehen  einem  zweiten  seinen  Rejreln  einverleibten  Satz  ')  dem  so- 
pi'naiinl**n  liber  llernielii;,  lihrr  Termegisli -),  einem  uhson- 
derlichen  Miuhwerk,  in  welchem  54  Philosophen  eben  sovielo 
Definitionen  über  Gott  aufstellen.  Denifle^  weldier  diese  zuerst 
veröfTenlliclite^,  will  allerdings  diu  Abfassung  dic^sos  Sunnnel- 
suriums  ins  I  i.  Jalirhnndeit  verleben.  Allein  schon  im  13.  kann 
mit  Sicherheit  seine  hundsihrillliclie  Existenz  nachgewiesen  wer- 
den *).  Dazu  kommt,  dalä  die  vorhin  angeltihrten  Scliolastiker*), 
denen  sich  noch  Üonavenlura '•)  heipesellt.  einstimmip  den  frag- 
lichen Salz  «lern  Trismegistus  zusehreiben.  Wenn  Albert 
einen  liher  Hermeiis  für  eine  Fiktion  hfdt.  so  zeigt  uns  dessen 
Kritik  nur,  dais  man  zu  seiner  Zeit  wirklich  tou  einem  solchen 


')  Reg.  7,  627  A :  Deaa  eet  spbaerA  inteUigibilis,  caios  ccntrum  ubique, 
circuinrorentia  niiaqiiatn. 

')  Cod.  Pari»..  biW.  nat.,  H819,  s.  XIV.  Aufsclirifl  Utl  200*a:  lAher 
Uermetts.  .Subsfiiptio  fol.  2U8''a:  expUcit  libor  t«rmogiati  de  rogiilis  iheo- 
logie  cum  commento  catcidii  amon  iit  pnto.  —  Clod.  Vatican.  3000.  «.  XIV 
(1315),  fol.  32rb:  Incipit  Iiher  dt-  propositionihiis  sivo  de  regalis  tlicolngje, 
qui  «lioitur  termegiäti  philosophiG-c.  (vielleicht  eine  Abkürzung  fflr  (Jilbvrti 
cmnmentuiii)  dicilur  iJem  termegisti  et  hemies  ot  Mercurius.  Der  .Salz:  Min- 
nas gignit  etc.  und  der  andere:  Deiia  est  sphaera  elc  Itildcn  die  beiden  ersten 
D(tfluitioncn  Aca  liber  Hermetia.  Aucb  Cod.  Paris.,  bibl.  tiat.,  H^Sti,  &  XIV. 
fol.  21»'— 21v  enlhÄlt  die  Sülze,  doch  ohne  den  l'onimentar. 

'*)  Nach  dem  Erfurter  Cod.  Amploiiianus  4",  n.  Ihl,  s.  XIV,  fol.  22  "  Im  Ar- 
chiv f.  Litteraltir  und  Kircbpiigesch.  J.  Millelallers,  B.  II,  ä.427ir  Deaiflu 
kannte  weder  die  von  nns  in  Paris  und  Roni  uufgcfiin denen  Codices,  nocli 
die  gleich  xti  orwälinendi'  IlaiidHchrift  von  Luun  n.  411),  auf  welche  hereilti 
Itaeiimker  (Philo».  Jahrb.  d.  (JOrresge».,  H.  VI,  8.  lf>4,  428)  aufmerksam 
gemacht  bat. 

*)  Cod.  Laadunonsia  n,  412,  s.  XIII  (Uitto  dus  13.  Jahrb.,  fraaziVaischu 
Schrift),  foL  Ü2^b'D3vb.  Die  Handscbrifl  uaterlAüt  es,  einen  Verfasser 
zu  benennen. 

»)  Siehe  S.  117.  Awa.  2  u.  .'i. 

")  In  1.  Seilt.,  d.  d7.  p.  I,  8.1,  q.  1,  ad  3  (ed.  IJuaracdii,  1.  3.639):  Ulti- 
que  enim  est  centrum  ilHujit  potentiae ,  sicnt  dicit  Trinniegistua.  Bona- 
Tenttira  beruft  atob  also  unter  Nennung  düs  TriBmcgistus  auf  einen  Teil  der 
zweiteu  Dütiiiiiiau  doä  liber  ncrmeti.s:  Deuä  est  splmera  inßnita,  cuius  centnini 
e«t  nbique ,  cirtiimferentia  nuaqunin ,  wylclie  mit  einer  kleinen  .\iiderung 
(Htatt  inliniUi  »etzi  A  lanii»  inUdligibtÜHl  ala  Kc^i;;.  7  bei  dem  Inaulenaer 
üU'hi,  Die  ganze  Dotinition ,  aber  ohne  Angabo  ihre»  Aut^irs ,  giebt  Bonn- 
Ventura  in:  Itin.  uicnt.  in  doum  c.  ■>,  n.  U,  t.  V,  8.  311),  cul.  a. 


V.  Abschnitt.     Theologie  oder  Lehre  vun  der  Uotthett.  119 

Über  Spruch')'  ^<~'i'  In  halt  des  Buclies,  sowohl  tlt-r  ninzchif^n 
Dt'firntioricii  uls  dt-s  bfipflnplcn  Koninu-iitars,  und  die  schlimme 
tt'xtliclir  Hi*scli:irrriih('iL  sr]|)sl  der  Irülii-slen  uns  bckantilcn 
Haiiilsi-hfitl  Wfist  (la:>rfi-lije  aber  noch  writcr,  in  \\ns  l:f.  Jalirliunilfrt, 
üiinirk.  Dafe  es  speriell  unsenn  Alanus  vorlag,  das  dOrfrn  wir, 
^Haiihr  ii-h,  aus  der  Arl  i-rschlieUen,  wie  der  Scholastiker  die  tu 
Fraise  slelietule  Seriterty.  cilicrl,  wenn  er  sie  ansdrneklirli  eitdOhrt: 
un<U'  et  j>hilosophus  ait.  Er  hält  den  rein  Lhenlopiselien  .Satz, 
wylrhor  mit  der  Philosophie  nicht  mehr  fietnein  liat  als  das  ur- 


')  Tn  f.  Sent.,  d.  8.  n.  IH  ,  ad  4:  Ad  a\\\u\  tlJreiKltim  .  qund  iiparjo, 
quis  fqit  late  Trisiiiegiätus,  vi  crcdo,  qiiuJ  Über  cunfictuH  est; 
oinniH  enim,  qunt*  dicitiir  dixisse  Tri.si)it*gisiu.s,  iiivtini  in  iiuu- 
dant  libro  magistri  Alani,  qtii  nonfßctuä  ent  At^  quibusdam  pru- 
pubitionibus  genemlibns  et  sapponitur  commentum  carnndcm; 
V|l;1.  in  I.  p.  Summ  theol..  iract.  XU.  q.  13,  menibr.  3,  nd  7.  —  Albert  hat 
demnach  UDaeiD  libL^r  Hcrmetis  .sicher  nirht  zu  Gesicht  bekommen  .  ebenao 
wcnijU  aber  nuch  dir  HaloriMer  und  Thomüs  vi>ii  Aqiiin,  denn  sie  hAtten 
B<)fi>rt  den  ('hartikt«r  dieaus  Kjabnrittf!«  t^rki-niii'n  niris.<i(>n.  Diili  sie  aber  das 
IMktum  Muiiati  etc.  nicht  lediglich  an»  Alnnn.s  kannten,  geht  schon  daraus 
hervor,  daß  Rte  hartnückig  an  der  Autorschaft  dos  i*hilosophen  Trismegi* 
8t  US  festhielten.  Der  Satx  riebst  seinem  pstMidtinymon  Urhobtr  war  offenbar, 
wie  auch  Albertus  (in  l.  p.  biim.  thüol,  tract.  Ml,  q.  IH,  niembr.  8,  ad  7: 
Dicunt  dixisMt  Trismegtatum  Mercurinm)  aiiileutet,  4chon  länger  Mchulmtifiig 
ÖberNefert  wonltMi,  und  s»  konnte  er  sehr  wolil  ni-sprünglieh  aus  dem  falschen 
hermetischen  Über  gefloäsäii  sein,  ohne  daJj  diü&er  selbst  seiner  sonstigen 
fiedeutungalusigkeit  wegen  den  späteren  großen  Scholastikern  unter  die  IlAnde 
kam.  —  Ein  GlcicheB  gilt  heztlgUch  des  Satzes  deuä  est  sphaera  etc..  wel- 
cher au&er  von  Bonaventura  auch  von  Alexander  Halon^is  (Sum.  p.  I, 
q.  7.  m.  1  :  propter  qnad  dicit  trimegistn«:  deiiu  est  sphaera  InMtigibilis 
etc.)  dem  Trismegistiis  zugeteilt  wird,  obgleich  beide  Kelirer,  »i>  gnt  wie  Al- 
bertus Magnus,  di«  Regeln  de»  Alanus  kannten,  wie  mannigfache  An- 
klinge HU  die  von  dem  lusulenscr  jonom  Satxe  heigeguboncn  ErlUuteniDgen 
insbesondere  bei  Bonaventura  {l^itacat.  disput.,  q.  5,  a.  1,  ad  7  u.  S,  ed. 
ijnoracchi,  t  V,  S  M\,  eol.  b ;  Itin.  n.entis  in  deum,  c.  6,  n.  2,  t.  V,  S.  :ilO. 
col.  b;  in  Hexaßmeron  ,  eollat.  6,  n.  H,  t.  V,  S.  382,  col.  a)  erkennen  lassen. 
Allerdings  bezeichnet  Cod.  Turonensi«  247,  m.  X[II.  fol.  485  die  Regula«  dea 
Magister  Alanus  ttellist  ate  .Ltber  Mercurii  de  cbdomadibus  i.  e.  de 
dignitatibu«  theologie  cnra  comment«  Porretani".  Allein  es  ist  völlig  au»> 
geachlopscn .  daß  Mßnner  ,  wie  Alexander  und  BouavRntura,  ein  rein 
theoUiginches  Werk  .  deaeten  Abfassungszeit  sie  selbst  überdiex  niolit  allzu 
ferne  standen  und  des.sen  Vorfu-^ser  ihr  Zeitgenosse  Albert  ganz  richtig  an- 
giebt  ,  mit  item  Namen  de«  nnch  mittelaHjTlrcher  Kctmtnis  bis  ina  mytholo- 
giMche  Altertum  zurückreichenden  Fhiloisophen  ftlercurius  bfttten  in  VerbiiK 
düng  bringen  können. 


»0 


AInniis  dfl  Itmulis. 


spriiiiglicli  dem  Neupythagoreisinus  cnUehnlp  Wort  «monas*, 
ITirclas  Diktum  ciiifs  riidil  writtTbrzok'hm'leii  Philosophen,  genau 
so,  wie  es  der  liber  Hermelis  Uiul.  SoluiiKf  nuii  der  Narh- 
weis  fe(tIL,  ilali  iiusere  These  auch  iukKtswo^  iihgeseiicn  von  dem 
genuimtrii  über'),  einem  Philosojthen  in  ileri  Mund  jicelegi  wird, 
IJllit  sicli  kein  Grund  angeben,  da&  Alanus  sie  nicht  dieser  Quelle 
selbst  entnommen  fuibe. 

Di)^  autorilalive  Beweisfühmnik'  unseres  Magisters  für  die 
Trinilät  leiih'l,  wie  wir  sehen,  an  einem  sonderlmren  MiUgoschick. 
Die  sämllieheri  Aussprüche,  welche  er  als  solche  von  Philoso- 
phen aussiebt,  sind  theolopische  Gedank^'n,  welche,  wie  die  bei- 
den ersten,  uiiler  deni  Namen  Mercurius  angeh"ihrlen  Sätze,  durch 
ein  scilsaines  Mißvei-ständnis  in  eine  ursprünglich  spätplaioni- 
sche  Quelle Jn  den  A  sei epius,  hineingelesen  worden,  wälircnd  die 
zuletzt  behandelte  Proposilion  wohl  iM'Züglich  des  Ausdnieks  nio- 
nas  Anklünjje  an  den  Neupylhagoreisn)us  aufweist,  im  iü)rigen 
aber  völlig  willkürlich  eiiH-ni  Philosophen  untergeschoben  ist 

3,  Erkennbarkeit  des  göttlichen  Wesens. 

IlandeUe  es  sich  im  Bisherigen  um  die  Beweise  für  die 
Existenz  Gottes  und  um  jene  h"ir  si-inc  nreipersönlicbkeil,  so  ent- 
steht nunineUr  die  Frstge,  inwieweit  und  wie  die  Vernunft  die 
Wesenheit  Gottes  zu  erkennen  vennöge. 

Alanus  hält  sich  hier  an  die  AutoriUl  desBoPthius  und  des 
Pseudo-Üionysius.  Er  erklärt  eine  adäquate  Erkenntnis  des 
göttliclien  Wesens  für  urniioglich.  Gottes  Wesen  gegonfd^er  ver- 
sagen die  beiden  Erkennt  nisqnetlen  der  Sinne  und  des  Intellekts. 
Gott  kann  durch  den  Sinn  nicht  erkannt  werden,    weil   er  un- 


')  Die  Herausgeber  der  neuesten  rtimischen  Hiomw^AaeigaW  (S.  theol. 

I,  q.  Ü2,  a.  1,  «d  1)  wollen  dsui  Citat  im  ]'o»iit»nc)f>r  c.  4  geg.  Schlaß 
(ft,  F'arthey,  Uennetifl  'JViamegiHli  roeniftinlpr  ,  Horlin  1H54,  S  SO  ff.)  ent- 
deckt liAbeii.  Älleiu  der  frAji;liGhe  Satz  findet  sich  weder  wörtlich,  noch  dem 
Sinne  nach  au  der  betreffenden  Stelle.  Von  einem  trinitari  sehen  Verhältnis 
innerhalb  der  Gottheit  ist  dort  überhaupt  nicht  die  Rede.  Ea  wird  lediglich 
das  VerhAttniB  Gottes  zu  den  Dingen  verglichen  mit  jenem  der  ouitas  xnr 
Zahlenreihe,  »wilgungen,  die  auch  Pseudn-Dionyaiua  nbennittelt  (de  dir. 
Dem.  c.  5,  ed.  KIosh,  Migne  122,  1449  A  ff.),  und  welche  Alanus  an  Bo€- 
tbius  Aritbmelik  anknüpft.     Siehe  spttter  S.  \2b,  Anm.  ä. 


V.  Ahschnitt.    Theologie  oder  Lehre  von  der  Gottheit.  121 

körjjprKcli  i^^t,  und  er  Idrilit  (Tir  lien  Inlrllckl  imfatiliar,  weil 
er  eine  absolut  t'jiifuclif,  fontilosi'  Subslanz  isl '}, 

Docfi  pclinfTt.  ('S  rli-m  iiK^risi-hlk-hen  VtTslatifl,  in  fr^wisser 
Weise  uinI  im  uiu-ij^eiillifln.-ii  yhin  sich  eiiu*  lCrk(.imtnis  des 
gölUiihen  Wesens  zu  vei-si'hanV'ri  ^,  welche  IreiMcli  ihre  sicherste 
Ciewähr  wiedermn  im  Glauben  hat.  Uvr  hierbei  einzuschlaj^ende 
Weg  ist  ein  niehrlacher ''). 

Was  wir  uii  Vollkoriiineiiheilon  in  den  gGSohaffenen  Dingen 
wahrnehmen,  das  imiJä  sieh  aneh  in  (lott  als  ihrer  Ursache  fin- 
den '),  und  zwar  im  höehsleti  Maße,  in  hwlisler  Potenz,  da  es 
in   ihm  keine  Unvollkoinmeiilieit  und  keinen  Defekt  pehen  kann  % 

Auf  dem  bezeidmeteii  Wefre  (per  tausam.  eausalivc) 
erkennen  wir  die  göttliche  Allniaeht,  Güte,  Liehe  u.  s.  w. "). 

WVilerhin  slehert  uns  Analogien,  fileielinisse  zu  Gehole, 
Wir  vermögen  Gott  zu  ileiiken  oder  vor/nsteJIcn  per  siniililii- 
dineni,  siniililudinarie^  unterr  dem  Bilde  des  Lietites,  der 
Quelle  u.  s.  w.  '). 


')  Reg.  3ti,  638  B :  Onmis  cnim  demonstratio  aut  est  ud  BenHum  «ut 
«d  intelk>ctuiii.  Deus  atitem  nee  sci»i],  quin  incorpareuB ,  nev  intvUectu,  quia 
fariiiH  carot,  CDiiiprehtüidi  potest  .  .  .  cum  in  deo  nulla  runna  ait.  proprio  in- 
t^-Ileotu  rapi  imo  pctesf.  Vgl.  A.  f.  I.  Ifi,  H,  «Ol  IJ  IT.;  Cod.  Lilienf.  144, 
fo).  118  cb,  Keg.  11:  Diriun  eiiiui  ewentia  difliiiiri  non  pot«st. 

']  A.  f.  I,  20.  602  D :  Ctmt  ergo  ratiuctnandi  causa  de  deo  nomina 
noininihiifl  copulamus,  nihil,  (jikuI  nun  alt  eiu»  e»»L>ntiiL ,  praedicHtiiiiH  ,  ut  »ic 
transaumptis  nominibus  de  deo,  qiiod  rrcdimns,  licet  iinproprie  balbniimus 
(die  Korrektur  siehe  bei  Kaeuinker,  l'liiloB.  Jahrb.  d.  (iörresges,  ,  B,  VI, 
.S.  16(1).  Vgl.  ebd.  I,  17.  ßOl  C;  AnticI.  631  C;  Reg.  20,  630  D:  omrve  no- 
mi>n,  qufld  de  deo  dicittir,  inipropric-  dteitur. 

")  Heg.  21,  f>.tl  .\  :  Omne  nonicn  deo  convenieiiH  conventt  ei  vel  cau- 
aative.  vel  similitudinario,  vel  adiuuctive  («tjitt  adieclive) ,  vcl 
negative. 

*)  A.  f.  1,  lU.  tl02  B:  t^iiao  in  rerum  croalione  e*.  dtspositiono  com. 
niendabilia  contenipUniur,  per  effecluni  et  caiiHam  attribuuittiir  rrontitri.  Vgl. 
Keg.  21,  681  A  :  3!),  t)37  B. 

'')  A,  f.  It,  l.  fiOn  U:  Ergo  nulla  est  impotentia  in  eo  (Ober  im- 
{Mitentin,  daa  auch  in  anderen  Handschriften  steht,  siehe  HaL'umker,  Philos. 
.li|hrb.  d.  (TÖrresgcs..  B.  VI.  S.  170),  ergo  nullus  defeetu» :  ebd.  I,  3,  605  C: 
Krgo  c'haritas  et  quaelibet  virtas  summa  est  in  eo.  Vgl.  Reg.  33,  637  B. 
Siehe  Thomas,  S.  theol.  I,  q.  13,  a.  1,  ad  c. 

•^  A.  1.  I.  19.  602  B  ff. 

^  A.  f.  I,  19,  602  B:  Pftn-n  etiam  notta  eimilituiHnibus  dicitur  !ux^ 
fons,  oriens,  lunien,  vit«,  videns,  currens  tbezüglich  des  letztem  siehe  Haeum. 


122 


AUnus  de  Insulis. 


Ais  eine  drille  Erkt'imtiiisuii  verzeiclim'L  Hit  St-holaslikir 
die  ratio  adiuncli,  vemiögo  weleher  wir  wir  die  gÖUliehen 
Afft^klr  c'!*sHilifücn.  Wir  (Tkcniuni  d(Mi  Zorn  Gollts  aus  dfii 
göttliclieii  Slralen,  itiswU-ni  riiil  lior  Strafe  sU-U  riii  Zfinieii  ver- 
bunden ist '). 

Eine  vierte  Erkeiiritnisweise  ist  endljoh  der  Wep  der  Ne- 
gation. Intimi  wir  nidil  l)](iri  jeden  Orfi-kt  und  jcdr  Privalion, 
soiuieni  amli  jede  Koiin  und  jede  Mulerie  von  (Jolt  aussrlilie- 
üen,  wird  das  göltlitlif  Westen  von  allen  übrigen  Dingen  los- 
gelöst und  in  eben  dieser  Losl6sung  von  dem  Intellekt  erfaßt  % 
Viel  eher  vemiöpen  wir  zu  sajren,  was  Golt  nicht  ist,  als  was 
er  iyt-').  Nur  die  negativen  Urleile  gelten  von  CJoU  Im  wahren 
und  eigentliehen Sinne,  insofern  siej*»des  Inhärenzverhflltnis  ne- 
gieren, wahrend  die  AfUrn^alioni-n,  auf  die  (Jottheil  angewendet, 
ihren  eigiMitlichen  und  walirm  Sinn  vei-licren  ').  Sie  iR-zeiehnen 
nicht  mehr,  wie  bei  den  natüriiLhen  L)in;fen,  eine  Zusauimeu- 
Setzung  von  Subjekt  und  Kgensehafl  o<ier  das  Inhärieren  der 
letzteren  an  ersleren  %  niehts  GonUngenles,  sondern  die  ubsolui 

ker,  a.  a.  O.,  S.  1(59;  auch  wciUfro  Codices  fdgen  currons  hinzu.  Zum 
Gedanki-n  vgl.  ScotuH  Eriug«nA  de  div.  nal.  I,  n.  Vi;  Migiiu  \22,  4.V2  C). 
Vgl.  Reg.  21.  ti:^l  A.  de  p].  n.  451  Ü  ff..  Aiitiul.  hU  C  ff. 

')  Heg.  21,  OHl  B:  (luaed.im  rfttione  ndiiiNcti ,  iit  inuci ,  [Hirniten*. 
Irasci  attribuitur  deo  ratioiiu  adiuncti ,  ratiuue  vidcliret  piinttiuniä;  piinilio 
eniin  Holet  adiuDgi  irae. 

^  Reg.  3t),  63^  K  ff:  sed  per  solam  formae  alteriiis  remotiunc-m  quasi 
inUlli^v^ndii  ali  aIüb  i^eparatiir  et  («eparüiidu  tntelligitiir.  Unde  lioi-tltiua  tn 
libro  de  dapltti  natura  et  tum  per&unu  lesu  l'hn«ti  ait  (c.  2,  ed.  Tel  per, 
S.  189):  Deus  et  mat^ria  (uacfa  Cud.  Lilienf.  144)  iiitegro  porfeet^que  intel- 
lectti  capi  non  puüstmt ,  sod  aliqao  ttuiieu  modo  CAfter&ruin  reruiii  (nach  der- 
Hclben  Handrtrhrifti  privutiono  capiuntur.  Dist.  s"l  R:  Siinilit^T  dJvin« 
fonna  ,  ipiiimvit»  tantam  inteEligaiiir  per  materiae  rcmutioneiu .  tumcii  quoquo 
modo  iiiach  Cod.  Moiiac.  'W-f,  hl.  " " )  intellcctu  enpilur.  Vgl.  Gilbert 
(Bof'thii  opp.,  S.  122(i). 

')  Reg.  36,  6.38  H ;  putiu«  enJm  quid  noii  sit  quam  qoid  alt  intelligi- 
raos.  Thomas,  der  den  gleichen  'ieduukeii  (S.  tla-ol.  I,  q.  3)  wiedi'rliolt. 
scbopn  ihn  ans  Johannes  Oama.sceniia  de  Hde  orthoduxa  1,  4  (S.  tbool.  I, 
q.  2.  a.  2,  ad  9). 

')  Reg.  \H,  *>30  A  ff.  r  OmncM  affiminliinie-*  de  deo  dictA<>  inriimpactae. 
negationea  veru  VL*ra*\  [>ei-  Satz  ist  uns  Päemlo-Dionyaius  do  eaelesti 
lerarchia  c.  2  genommi-n  (ed.  Klus«  bei  Migne  122,  1041  C:  Si  igilur  d». 
pulaiones  (ed.  Colon.  15d6:  negationea)  verae,  intentiones  (od.  Colon.:  affirma- 
tionea)  vero  incompacUe).    Vgl.  Thomas.  S.  theo).  I,  q.  13,  a.  12,  ad  1. 

'}  Ebd.  630  B;    locoinpacia    vero    sive    incompoait«    dicittir  affirmatio. 


V.  AbRclinitt.     Theologie  oder  die  Lehre  Ton  der  Gottheit.  128 

einfache,  eigensoliafls-  und  fomilosc  pMlIirtip  Wt'spiihril,  das  esse 
purum  vel  necessariuni  ').  Dir  z<'lin  Kategorien  der  Logik 
n-duziercti  sich  {jeinäß  iAuer  niigustiuidi-heii  Rrgrl  aul  zwei, 
iiänilic'li  auf  I las  praediranimtuni  quiil,  d'w  Kalc^rorien  der 
Sulwlan/t  der  Qualität  und  (Juautitfil  uinlassund,  wrlrlic  sämU 
lirh  dif  göltlitlie  Wesenheit  prfuiizieren,  und  auf  das  praedica- 
iniMilnni  ad  quid,  welchem  die  übrigen  lediglich  dn  Vcrhfdtnis 
tlotles  zu  den  Dingen  bezeichnentlen  Katejjorien  sich  unterordnen 
lassen  ^. 

Damit  haben  wir  di«  Grufid{ftHlanken  daryelegl,  die  A!anus 
hezft^'lich  diT  Erk4'nnl>urkeil  des  gnUliehen  Wesens  auf 
neuplatonisch-boL'tliianisfher  Basis  entwiekelt  hat.  Sii* bilden 
den  Malista!),  an  welchem  bis  ins  kleinste  Detail  in  einer  Reihe 
von  Regeln  die  wirbtigsten  grammatischen  Gel>ilde,  die  No- 
mina**^),  Pronomina*),  die  Verba  und  ihre  lempora  ■■),  die 
Adverbien"),  rräpositionen  und  Corijunetionen  ^,  rfuk- 
siehtliuh  ihrer  Anwendbarkeit  auf  (lotl  und  die  IViniliU  ^)  unler- 
suchL  und   geprnll    werden,    ein   aurh    von   den   andtTn  Sdiola- 


fum  non  eignifii-at  conipiwititiiiem ,  qiifirii  Ftij^nifiniro  vidt-tiir ,  ut  cum  dicitiir: 
dfiis  iubiiia  ;  nun  unitii  i)>i  .sigiiiticatiir  ctniiptisitio  ui!:ititmo  tiil  di-uiii,  nun  ciiiin 
compuriitur  vel  liihaerot.     Vgl.  Heg.  17,  62tt  D  tf, 

')  Ittig.  U,  ti28  A  :  quicunqtic  t«riiiinuä  in  naturulibua  pracdicat  iiibau- 
retitiant,  de  deo  prat^licat  essentiurn  ;  Heg.  12.  *'}2*J  B :  t_'i)(k>  mtll»  propo»itiu 
theologica  de  iuessc  est  vel  il.e  contingenii ,  sed  de  piiro  e.4se  vcl  de  niKi^^- 
»ario.  Vgl.  A.  f.  I.  *>'J,  ß02  J)  ff.  nnd  Ilt^s.  8-12,  welche  wimtlich  BoC- 
thiuH  de  trinitate  und  »eiitcm  llhor  de  liebdumadibujt  entlf-hnt  sind.  Die  ge- 
naupren  Beiego  siohe  oben  S.  30,  Anm.  2. 

*)  Hog.  22,  fi3I  (.' :  omnea  enim  termini  trium  praodicamentorum  natu- 
ralium,  mtbtitjmiiac ,  vel  qunlitatiä,  vcl  quantiitati^,  de  düu  dic-fi  du  ipi^o  prae* 
dicAnt  divinain  ustam  et  pih  octtondttiir  dtnis  ense  iiuid ;  terminal  vom  caetc* 
rorum  praedicainenionn»  ostenditiir  esse  ad  aliquid.  Haev  regula  coiisonat 
illi ,  qnae  ponttur  ah  Augustino  in  Imne  modum:  Omnis  tenninoä  de  deo 
dictuü  »ut  du  eo  dicitur  .seeuudum  substontiam  uut  relative.  Et  sie  deceni 
praedicHmr^nta  mituraha  ail  duo  theologica  ,  ad  praedicamentiim  quid  et  ad 
praedicamcntum  ad  quid,  rcdiiciiiitijr.  Die  auf;u-*«tiiii.scht'  Su-]\v  lautet  (do 
trin.  V,  c.  8,  n.  9,  t.  H,  Migne  42,  yi'i  IT.):  «jiridqiiid  ml  ai'  dicifiir  prae- 
ettanliasiina  itla  et  divinn  aubliniifaa,  sulist-untinltter  dici  ,  quttd  autem  ad  ali. 
quid,  non  HubHtantialiter,  aed  relative. 

')  Keg.  23-35.  -  ')  Heg.  36.  -  •■)  Heg.  37-40.  —  ")  Reg.  41—44. 

')  Reg.  45-47.  —  '^  Keg.  48-53. 


124  Alanus  de  rnmlis. 

stikern  des  12.  JahrhunderU  ijertblos  Verfahren'),   das  in  Boi*- 
llitus  de  Uinilate*)  seinen  Urspnin;;  haU 

4.  Wesen  und  Eigenschaften  Gottes. 

Lehnt  sit-li  Alanus  in  der  Ldnv  von  dir  Krk<>iiiiharkeit  des 
gölHichen  Wesens  an  Pseudo-Dionysius  und  Hoelhius  an. 
so  ist  es  vor  allem  der  letztere  Autor,  auf  welchen  der  Schola- 
stiker die  Construktion  des  (ifotlesbegrifres  stützt  unter 
starker  Retonunp  (Mnt's  iK^npy  thapor  ei  seh- neu  p  In  tonischen 
Elementes,  das  er  mit  Thii-rry  von  Oharlres^'l  und  Donii- 
nicus  Gundisalvl')  gemeinsam  lial. 

Itn  Mittelpirnkt  seiner  IJetiaclilungen  über  das  Wesen 
Gottes  stellt,  wie  hei  den  hi.itten  zuletzt  jrenannlen  Männern, 
der  Begriff  der  Monas,  der  Unllas,  des  absolut  einfachen  We- 
sens''). Von  vier  verschiedenen  Seiten  Aveilä  unser  Magister  diese 
ubersle  Einheit  zu  beleucliteii ').     tJott  ist  unilas  ralione   sini- 


')  Auch  TfaomDS  von  Arjuiu  nimmt  spülcr  ither  <l<>nsi>lb4>n  GcgeoatAiMl 
uin«  Quaestia  mit  12  art.  in  müw  SunmiH  auf  |S.  llicol.  I,  q.  1^)). 

-)  In  f.  4  n.  '>  wiH  dit»  Ctrarlmgung  dvr  Kategorien  auf  die  CiutÜieil 
untersucht. 

'1  .Siehe    über    ihn  oben  S.  8,  Anm.  A,  f>.  112,  .Anin.  2. 

*)  P.  L'ürreus,  Dw  lieni  UoöÜiius  fUlst-hlifh  zugeschriebene  AbkanH- 
luQg  de»  Dominicua  (tuiiilisalvi  de  nnitate,  in  ,  beitrage  s.  (letich.  d.  f'hilu&. 
d.  MitiHlfllterx''  herauH^e^.  v.  liueuniker,  I).  I,  U.  l.  Der  Trjikt«t  de  ani- 
iate  beruhtim  Weaciitticbeiiauf  Enltohnungcnaiia  boCtbius  und  bub  A  vcnec- 
brura  Föns  vitao. 

'*)  Reg.  1,  623  A:  Monas  oat ,  qua  quaelibet  res  est  una.  Dieaen 
S^Lk,  den  Alanni«  an  diu  Spitze  »einer  Kegeln  stellt,  kennt  er  wohl  aus  dem 
eben  besprucheiien  liberUundiaRl  vi'a,  den  er  an  anderen,  Hpftter(8iuhe  unten 
8. 134,  Aiitn.2)zii  erwähnenden  Stellen  unter  dem  Namen  de«  itnj>thiu&r.u  citicren 
Mcheint.  Im  Über  de  nnitate  (ed.  Corrcna,  a.a.O.,  S.  oj  lautet  das  Diktum: 
l^nitas  eat  ,  qua  unaquaeque  res  dicitur  esne  una.  Vgl.  dazu  Uoffthias. 
Consül.  Uli,  II,  ed.  Peiper,  S.  78,  v.  26  ff.  —  .Aach  Paeudo-Diunysiua 
bot  für  die  iSubiiiimieruDg  der  Gottheit  unter  den  Begriff  der  l'nita»  oder 
Monas  mannigfache  Anhaltspunkte,  so  de  div.  nom.  c.  1  (ed.  Flosa  bei 
Migne  122,  1113  C) :  unitaa  uniHca  ornnta  unitatis  ....  ]115  A:  ut  nion»- 
dcm  quidem  et  iinum  propter  aimplieitarmi  et  unilaiem  supematuraÜH  impar- 
iiliilitati«  .  ex  qua  ut  uoiGca  virtntv  unimur.  BozQglich  des  Thicrry  von 
Chartre»  vgl.  Hauri^au,  Noiices  et  cxtraita.  T.  I,  Paria  IHyu,  S.  63  ff. 

*)  Keg.  2,  624  A :  <ljuare  vere  deus  eat  unuä  sive  nnita«  ratione  Hini- 
plicitatia,  ratione  immutabilitalis,  ratione  excluttionis.  ralione  aimilitudinis. 


V.  Abschnitt.    Theologie  oder  Lehre  von  der  GotÜieit.  125 

plicitatis.  Sein  Wesen  schließt  nicht  bloß  physische,  körper- 
liche Teile  aus,  sondern  auch  jede  metaphysische  Teilbarkeit, 
wie  die  Zusammensetzung  mit  Proprietäten,  die  den  Geistern 
eignet '),  oder  die  Vielheit  von  Wirkungsweisen,  welche  den  Pro- 
prietäten zukommt  -).  Die  göttliche  Monas  besitzt  weder  die 
aptitudo  componendi,  noch  compositi,  d.  h.  sie  geht  weder  als 
Form  (Proprietät),  noch  als  Materie  in  irgend  welche  Verbin- 
dung ein  ^).  Gott  ist  ferner  unitas  ratione  immutabilitatis 
und  ratione  exclusionis,  ein  völlig  unveränderliches  und  der 
Zahl  nach  einziges  Wesen  ^).  Er  ist  endlich  unitas  ratione 
similitudinis  wegen  seiner  mannigfachen  Beziehungen  zur  Ein- 
zahl. Wie  die  letztere  unteilbar,  einfach,  von  keiner  andern 
Zahl  abhängig,  vielmehr  der  Ursprung  aller  Mehrheit  ist,  aus  sich 
die  Einlieil  erzeugt  und  die  Gleichheit  ■),  so  ist  auch  Gott  un- 
teilbar, einfach,  von  keinem  andern  Wesen  abhängig,  vielmehr 
der  Grund  aller  übrigen  und  aller  Vielheit.  Er  erzeugt  ein 
zweites  Ich,  den  Sohn,  und  ein  völlig  gleiches  Wesen,  den 
hl.  Geist'). 


')  Reg.  1,  iViii  H;  Rrg.  5,  i'yH'y  B:  Oinnis  aulein  lalls  compositio  relo- 
^iitur  n  (loo.  Nor  enini  cnnipactus  est  ex  pnrtihiis,  ut  corpuft,  nee  rom|H>situ» 
ralione  proprielaliiin,  ut  Spiritus. 

*}  Heg.  1,  (i23  B:  quaelibel  enim  propnelas  ....  habet  tainen  plura- 
lilaleiii  efTectuuin  ;  ebü.  («2.'»  ('. :  (iJeu.t)  non  est  tliversus  efTectibus  variis,  quia 
non  est  ruusu  forniali^. 

')  Ueg.  f),  G2(i  K:  nee  aptilmlinc  componendi,  ut  propiieLas  aliqua,  nee 
aptiludine  comptslti,  ut  piimorJialid  materia.  A.  f.  I,  10,  fiOO  A  ff.:  Causa 
siiprema  neque  componilur  alitui,  neque  ipsam  aliqua  componunt. 

*)  Heg.  1,  ii.in  C. 

*)  Heg.  ],  1)23  C  fr.:  Üicitur  etiam  unus  r.itione  similitudinis,  quia 
niultiplicein  hübet  cum  unilate  similitudinem.  Unitas  a  nullo  descendit, 
omnis  pluralilas  ab  unilate  defluil;  unilas  de  se  gignit  unitatem ,  de  fc  pro- 
fert  aequalitatem.  G.  H.  III,  4,  M^t  B  fT. :  Unde  cum  in  arithmetica  dicatur, 
quod  sola  unitas  indivisibilis  simpIex  est  origo  omnis  pluralitalis  (das  Cilat 
aus  Ho^lbius  ist  aus  mehreren  Stellen  zusammengezogen:  de  arithmetica 
1,  7,  9,  10,  ed.  Friedlein/S.  lö.  v.23  ff.,  17,  v.  11  ff.,  23,  v.  8),  ad  res  sub- 
sistentes  istud  videtur  rertj^nduin.  Sed  in  creaturis  nullum  subslstens  (nach 
Cod.  Bernensis  33lj)  invedltur  actu  et  natura  simplex  et  indirisibile ,  quod 
non  sit  aliqua  specie  conipo^itionis  comp  »situm.  Ei^o  in  alio  existente 
oportet  nos  invenire  illani  ineffubilem  simplicitatem;  restat  ergo  et  ha nc  esse 
in  Creatore. 

®)  C.  H.  III,  4,  40r*  C:  Quia  sicut  ab  unilate  indivisibili  omnis  proce- 
dit   pluralilas,    quae  divi»ibilis  est,    ita  a  crealore  invariabili  omne  proeedit 


126  Alaniis  d«  Iiisulii. 

Ans  dem  Betriff  der  Monas  oder  Uni  las  fließen  nun  die 
wt'iterpn  Bestinnnungtn  des  göttlichen  Wesens,  wobei  der  Ein- 
lluU  lies  Boetliius  wir-li  stark  betuerklich  miieht. 

Als  dem  iibsolul  eJnraelipn  Wesen  kommt  (lott  allein  walir- 
lial't  Existenz  zu.  Kv  ist  (Ins  scliloclithiii  und  unveränderlich 
Seiende'),  das  esse  purum  vol  necessariuni'),  das  Sein  5eU>st, 
das  voraussetzungslose  Sein ,  das  an  keinem  andern  mehr 
participiert  "*) ,  das  Princip  seines  eigenen  Wesens  *).  Alles. 
was  in  ihm  ist  odrr  von  ihm  ausgesagt  werden  kann,  Ui  und 
bezeirlnii  t  ein  luid  dasselbe  identische  Sein.  Wesenheit  und 
Eigenscluiilen  ■'))  Esst-nz  und  Existenz  fallen  in  eines  zn- 
sammen'). 

In  wriliTi'!-  riih^f  Iifin^ii-ii  niil  licm  Begriff  dt«  atisohil  ein- 
laclien  Wesens  die  Moddikatioricn /.usuriiinen,  welche  die  Tenniid 
lornia  nn4i  substantJa  in  ihrer  Anwendung  aul  (Jott  erfatiren. 
Nacfi  dem  Beispiel  <filbert's'),  Abaelard's").  Thierry's  von 
Chartrcs'')  neiuil  aiioii  Alauns   in  Anknüpfung   an   Boethius 


vuiiabilc.  \\e\S'  ^'  ''^^  ^'-  ^'^  ^^us  u  tiullo,  i|uiilliticl  sili  ipsu  ;  siv  ilc  s« 
Ki^nit  ;illeruiii  i.  i*.  lUiuin,  de  '<c  |>ruriTl  :ipijuuleiii  sibi  i.  e.  spiriluiii  saiirtuiii; 
Vfi.  olien  S.  IfJ. 

')  Heg.  '2,  i>S^  A:  ergo  sola  iiion.is  est,  i.  o.  Mtlus  üeii!«  vcro  »Istil. 
i.  e.  »;implfcilor  rt  iit'iiiuhiliiliter  eus.  V^l.  Ahuplaril  (iiiliüJ.  nü  theo!  II, 
10:  Mignc  17h,  lUGU  ('.);    Petrus  Lombaraus  (Seal.  1,  il   S.  n.  3;  Migiie 

')  Heg.  \'2.  0-2!»  B.    Siehe  S.  \2:\  Anm.  1. 

')  Hetr.  Vi.  fiÄi  f':  Eins,  »(uod  est  esse,  niillum  est  f^ao.  Dti  .  .  „  i|ui 
eA  nmnium  esse  .  .  .,  nulluni  est  esse,  quiu  nullo  pirlieifi-it  ul  sil. 

*)  C  H.  111,  2,  4(>i  R :  si  hotr  nsscl,  deus  simplex  nun  ewtet,  el  s|i>  noii 
<>Hsel  suae  essenllae  prim-ipium. 

")  Heg  b.  !•,  1*1.  welche  alle  aus  UoAthias  de  LrituInLe  nieG^ii.  Si«-h« 
ülion  S.  Vi?:l.  Anm    I  und  S,  :!*!,  Ahm.  'J. 

")  Ite^.  II,  (iJ8  D:  Oniiie  ^iiiiplcx  e^üe  suuin  el  id  i|U(mI  e»l  iinum  lin- 
l»el.   (Aus  B(>Plhius  liber  de  helidomiKlibus.  e«l.  Peiiier,  S.  ICSI). 

*)  Hof'tliii  (ijip,.  S.  IL'iH:  Nani  esseiitüi  de!  .  .  .  pitm»  f»inini  dirilor 
....  .Siiiiililer  formaium  aliu  nullius  luuteriiie  vt  idcn  stuipleü,  ul  opilkU 
essenUa,  i|u*  ipse  vere  est 

')  Siehe  Üeulsch,  l'elei-  Abaelard,  S.  lj»a 

*)  Haur^AU,  HIst.  de  In  ptiilos.  scol  I.  S.  402:  UniUs  igitur  »iDgolis 
rebus  forma  essendi  est.    V^el.  Nuttces  et  cxlrnilp,  n.  a.  (».,  9.  C3. 


V.  AbHchnttt    Theologie  oder  L«hre  von  der  Gottheit.  127 

de  trtnitnte  *)  die  Gottheit  forma*).  Sie  ist  jectoch  niclil  Form 
im  Kpwflliiiliclicn  Sinne  4ler  Proprictrit,  die  llireni  Wesen  nach 
an  eiiiom  Stibjoktc  liaftol,  sie  ist  vielmehr  eine  von  jedem  Sub- 
jrkt  los^relöslf,  vfilli^r  ininiairrirllf  Form  ■'),  die  ahsohUe  Form 
(ionna  inrorniis.  forma  rurinalirtriiiiia,  fontia  forinaruni)» 
dfe  keine  and<'re  mehr  über  sicli  liat,  die  durch  nichts  infor- 
mlrrl  wird,  selbst  aber  alles  informiert,  allem  das  Sein   K»*'bl*). 

(lotl  ist  Substanz,  erste  Substanz.  Subslaiiz  der  Substan- 
zen '%  aber  tiieht  in  der  liurkümndichen  Weise  das  Wort  ver- 
stanth^n  als  Tnltfer  von  EJKenscIiaften  oder  ProprietAten.  sondern 
wcffen  der  Einfachheit  seines  Wesens  eine  accidenz-  ufHl  prAdi- 
katslosc  Substanz,  durrti  die  alles  snbsistiert "), 

Aus  der  Voraussi  t^unp  (Ut  absohilen  Einfachheil  (»oltes 
erjfiebl  sich  ferner  eine  Reihe  seiner  Kigenschaflen.  Jsl  iJottes 
Wesen  einfaili  und  arf.i(U'nzlos,  dann  kann  es  in  ihm  keinerlei 
V(>rfind<Tnfi-;  •.'chm,  ki^in  Werden  und  Anfliörcn.  krineii  An- 
lanj^'  tnnl  kriti  Endi-;  i-r  luuU  urivt*rändi*rlu:h  und  cwijr  st'in  *u  oder, 
wie  der  SeholastikH'  unb-r  Anspipluti},^  auf  die  Apokalyps<^  sich 
ausdruekt:  dir  Monaä  ist  ohne  Alpha  und  Omega''),  und,  walir- 
si-liriiilirb  ans  dc(n  libt-r  Hermi'tis  si-hApfi-iid:  fJolt  ist  sphaera 
inteJli}iibili5,  autanys-  mid  endlos,  j,'leiclisan)  eine  trejslifre,  in- 


>)  C.  2,  ed.  Peip«r.  S.  i:»3  fT.  i  Cuiisal.  V,  -1.  S.  I;Ji  Peiper. 

')  Heg.  13,  l<2!>  fl :  Suluni  slinplex  esl  funiiu  al>si]ue  iiiu,lpii:ili  suhiecUi; 
Dist.  K7I  A  :  divjna  ruiitm. 

')  Khd.:  Sed  non  est  lalis  forma,  ut  suhieoto  inhacreat.  ?od  potius  est 
ahicque  omni  5ut>iccto  i   &.  iit>slr.i<;t:L. 

*)  Hejf.  14,  Ki,  Ü2li  ('  (T. ;  <W.  <ir>l  t'.  Bczüj^Ül-Ii  iIgs  Ausilturkü  infor- 
iiiis  \sl  ScoLus  Eriu^enu  (de  div  ttal.  11,  n.  1:  Mi^nc  12*^,  it'£i  A)  ku 
vergleichen:  qiiac  supeiat  omneni  rurmutn  et  speciem,  dum  sit  ronnarum  et 
xppricrtiiii  omiiiurii  itilmnie  jirincipium. 

*)  Reg.  tui,  ilf'l  ('.:  Prirna  suhstynlia  diuitur  usia.  ifuiie  esl  suhslauliu 
»ubülnnlinrum.  Der  Sitte  der  Zeil  i.'<^KiiIii  un<l  unlcr  Xachwii'kunt;  vuii 
Aiit'ust liius.  lUti^thiu^,  Pseudo- L)tonyt<ius,  Seiitiis  Kriu^^nn  nennt 
Alanus  hüuiig  ilie  ^'CUnelie  Suhslnnz  oder  Wesenheil  usia,  superessen- 
lialis  usia  tdc  |il    n.  470  C.    4«!  C;  Heg.  H,  23,  »5,  m-,  Dist.  *MH)  U,  HH8  U), 

")  Ret;.  \ü,  <i2^l  H:    Soluni   slinplex    est  .  .  .  suhslantia   ali^que  Cuniudi 

|ir:ie<[ii-nl() non  quia    sultslel  proprieUiti .    se4  quia  ümnia  suhsistunt 

per  ipsnm.  l'nde  seqnilur  itbsque  forniali  praeilicala ,  quia  nulluin  formale 
pHcdicalum  de  ipso  pracdiealur.  Vgl.  Heg.  T»,  li'Üi  B;  A.  f.  I,  13,  000  D; 
1,  1(>,  V*i\  C. 

')  A.  r.  I.  14.  15,  i;ni  A. 

*j  Heg.  ii,  WJii  V.  IT.:  Sida  nioniis  es-t  .  .  .  .  sine  aljdia  et  uukega. 


128  Alanus  de  Insalis. 

telligible  Kugel ').  Seiner  Einfachheit  wegen  Ist  er  jedem  Ma^e 
unzugänglich,  unmcÜbaTf  durch  keine  Zeit,  keinen  Ort,  keinen 
Verstand  erfaßbar,  und  weil  er  vom  Intellekt  wegen  seiner 
gänzlichen  Formlosigkeit  nicht  erkannt  werden  kann,  unaus- 
sprechlich, unnennbar-). 

Wurden  die  bisherigen  Merkmale  des  Gottesbegriffes  aus  der 
Einfachheit  des  göttlichen  Wesens  deduziert,  so  schlägt  Alaniis 
einen  andern  Weg  ein  beim  Erweis  der  göttlichen  Allmacht. 
Hier  reeurriert  er  auf  die  göttliche  Ursächlichkeit.  Alles  wir|E- 
lich  Geschaffene  und  alles,  was  geschaffen  werden  kann,  ist  ent- 
weder Subjekt  oder  Proprietät  oder  das  Kompositum  beider, 
Substanz.  In  jetlem  Falle  wird  eine  Ursache  gefordert,  welche 
das  Sein  jener  bedingt.  Diese  Ursache  selbst  aber  setzt  eine 
höchste  un<l  oberste  Ursache,  welche  Gott  ist,  voraus.  So  hängt 
alles  Geschöpfliche  von  der  göttlichen  Kausalität  ab;  Gott  muU 
alles  machen  können-  Seine  Macht  ist  in  Ansehung  des  Ge- 
genstandes, wie  nicht  minder  —  das  ergiebt  sich  aus  einer  ähn- 
liciien  Argumentation  —  nach  Zeit  und  Ort  unbeschränkt  =*). 

Eine  Grenze  für  das  göttliche  Wirken  bilden  nur  jene 
Akte,  welche,  wie  Sündigen,  eine  Unvollkommenheit  involvieren*) 
oder  einen  Widerspruch  mit  seinem  Wesen  und  seinen  Eigen- 
schaften in  sich  s<;hlieüen  ^).  In  letzterer  Hinsicht  ist  es  z.  B. 
Gott  unmöglich,  zu  machen,  daß  er  nicht  gut  sei");  es  liegt  ferner 
nicht  in  seiner  Macht,  das  Gesetz    des  Widerspruchs  aufzu- 


')  Reg.  7,  (>27A:  T)eus  est  sphnera  intelligihilif!  ....  ex  eo  eniiii,  quotl 
principin  caret  et  fine.  <leus  sphaera  dicitur  ....  seil  imn  esl  sphaera  corpo- 
ralis,  iiiio  inlellit^ihilis.  Siehe  über  die  Quelle  dieses  Satzes  üben  S.  118  IT. 
Schon  Hemigius  von  Auxerre  bezeichnete  in  seinem  Kommentar  zu  Har- 
lianus  Capella  und  im  AnschluB  an  lelztern  die  GotUieit,  insofern  sie  das 
Bild  der  sinnlichen  Weit  in  ihrem  Geiste  trägt,  mit  dem  Terminus  sphaera. 
Vgl.  Haur^au  (Hist.  de  la  philus.  scol.  I,  S.  205):  Per  sphacram  vult  intet- 
ligi  mundum  invisibilem,  qui  in  menle  de!  laiebat 

')  A.  f.  T,  Uif  til>l  A:  Deus  est  inimensus,  incomprehensihilifi ,  inefla- 
bilis,  innominabilis. 

=»)  A.  f.  I,  18.  (JOl  D  ff. 

*)  Reg.  Ö4,  047  ß:  Ule  solus  vere  omnipulens  est,  qui  potesL  uinnia, 
quae  posse  est  aliquid  posse. 

')  Reg.  .'ki,  VA7  D. 

')  Reg.  r>8,  (U8  C:  hoc  enim  non  putest  facere  deus,  ul  neu  sit  bonns; 
hoc  enim  e^^set  divinae  maiestati  derogare.    Vgl.  Reg.  titi,  tjr>2  D. 


V.  Abschnitt.    Tlieologie  oder  Lehre  von  der  Oottheit.  129 

hebon,  daß  z.  B.  etwas  sei  und  nicht  sei ');  er  kann  das 
tliatsächlich  Gesciielieno  nicht  ungeschehen  maclien  -),  weil  er 
sonst  mit  sich  selbst  uneins  würde,  sich  selbst  widersprechen 
müßte. 

Durcli  Folgerunpren  aus  der  Allmacht  gelangt  Alanus  zur 
Allgogenwart  und  V^oUkommenheit  Gottes.  Wirkt  nrimlicli 
seine  Maclit  an  jedem  Oite,  so  muß  er  auch  überall  gegenwärtig 
sein,  freilich  nicht  localiter,  weil  durch  keinen  Ort  faßbar,  wohl 
al)er  seiner  Wes(»nheit  na<h,  mit  welcher  ja  sein  Wirken  zusam- 
n»enfällt  ')•  —  I«t  Gott  allmächtig,  so  kann  es  in  ihm  keine  Imr 
potenz.  keinen  Defekt  un<l  weiterhin  keinen  defectus  boni,  kehl 
Hhcl  und  nichts  Böses  geben  ^). 

Mit  dem  göttlichen  Macbtwirken  hängen  auch  die  knappen 
Bemerkungen  bezüglich  des  Wunders  zusammen.  Zum  Wunder- 
begrifV gehört  ein  doppeltes,  die  göttliche  Ursächlichkeit  und  <las 
Moment  des  Ungewohnten  von  Seite  des  Geschehnisses.  Das 
Wunder  ist  dcnnnach  kein  ursacheloses  Geschehen,  sondern  nur  die 
ausschließliche  Wirkung  der  göttlichen  Kausalität.  Kann  Gott, 
wie  wir  sahen,  die  in  den  Forderungen  seines  Wesens  und  des 
darin  gegründeten  Widerspi-uchsgesetzes  liegenden  Schranken 
nicht  überschreiten,  so  vermag  er  dagegen  sehr  wohl,  als  causa 
snperior  über  die  in  der  Natur  wirksamen  Ursachen  hinaus- 
reicliend  •),  die  Naturgesetze  und  deren  Notwendigkeit  zu  sistie- 
ren '),  in<tem  er  durch  sein  positives  Eingreifen  Wirkungen  lier- 
vorbringt  oin(;rseits  ohne  jegliche  Beihilfe,  andererseits  aber  auch 


')  Heg.  r»8,  ('48  D:  lamcn  id  non  polest,  ut  .  .  .  .  cum  sil  nllmm  ,  sil 
nigrum ,  cum  sit,  non  sit  .  .  .  .  deus  sua  auctorilate  faceret,  ul  non  esset, 
ijuod  sua  auctorilate  feceral,  ul  (stall  quod)  esset.  Igitur  sibi  ipsi  discois 
psset.  qiiod  est  impossibüe. 

')  Kbd.  G48D:  non  polest  de  corrupta  faeere  virginem.  Keg.  <J0,  (»50  6; 
«leus  autem  non  possei  faeere,  quod  mun'lus  non  fuisset;  hoc  enim  esset 
conlru  suam  poteiitiam  ....  sibi  dissidens  esset. 

')  Af.  I,  '^2,  <H3A  :  Deus  essentialiter  est  ubique  et  nusquim  localiter' 

*)  A.  f.  II,  1,  (;ori  B. 

■■)  Reg.  5l>,  (»47  D:  Polest  enim  multa ,  quae  sunt  imposäibilia  secun- 
duin  inferiurfm  causam  vel  seeundum  naturam ;  sunt  tamen  posäibilia  secun- 
dum  supcriorem  causam. 

")  Reg.  (17,  (jr>4  A  :    Necessitali   superloris    causae    cedit    necessitas  in- 
ferioris  rausac.    Potest  enim  superior  causa  regulae  naturae  derogare. 
Beiträge  II.  4.    Bautngnrtner,  Alauns  de  Inanlis,  9 


IM 


Atanus  de  Imulis. 


ohne  jwies  hiiulernilf  DazwischeHtretcn  einer  causa  inferior  *). 
Das  Ereignis  selbst  aber  muß  den  Eindruck  des  Ungewölinllclien, 
dos  Ober  den  Kowolinheitsmrifii(ren  Gan^t  des  (Jesciieliens  Minaiis- 
fnllfiiileti  inaclitni.  So  winl,  wril  <]as  lel/Jore  Meikriial  fehlt,  die 
KrsrhalTung  der  Seelen,  obgleich  sie  nur  durch  (Jotl  geschehen 
kann^  nicht  als  ein  Wiuider,  sondern  als  etwa;;  Naturgeuu»li<?s 
angesehen '),  wie  auch  eine  Totmenveckung  kein  Wunder  mehr 
wflre.  wenn  sieh  der  VoornuK  nllL1[rlich  alispielen  würde  |. 

hl  aller  Kfnzi'  und  ohne  auf  die  tiefer  liegenden  Schwie- 
rigkeiten einzugehen,  äuüeii  sich  Alanus  über  das  gftllliche 
Wissen  und  lins  damit  V4M*hund4^ne  Problem  seiner  Vereinlmr- 
keil  mit  dem  Treieii  Willen  di-s  Minisehen,  Wio  es  bei  der 
giiltUc-heji  SiibslauK  kein  Mehr  und  kein  Minder,  keine  Venlnde- 
nuig  gieht  *),  so  auch  nirhl  beim  gnttlichen  Wissen  sowohl  hin- 
sicliUich  des  Willensaktes,  als  auch  in  Ansehung  der  gewußten 
CJegenstAnde  •'),  da  alli-s,  das  Mögliche  und  llntnftglielie,  das  Ver- 
gangene, (legenwrirlige  und  Zukünlligts  flem  unendlichen  gött- 
lichen Wissen  unterliegt'*).  Es  ist  ferner  irrtnmslos ').  Das  Wort 
des  Aristoteles,  daü  dem  Wissen  kein  Irrtum  heigeniischl  sein 
könne,  gilt  vor  allem  von  der  gfittlich^-n  Weisheit  "). 


'J  Heg.  ßli,  t»ri2  D  tt.:  (JUckI  ila  stt  aucloritate  <superioris  cnusae  et  noti 
ministeriu  tnrerioris  causae,  quoiJ  inftrior  chuhm  tm[>eilire  ni>u  pfwsit,  ul  »ir- 
giheiu  ]mrore  ....  itn  fäctuni  esi  <let  aufluritate  ,  quod  inferiur  causa  ad 
hur  «lHiat-iter  üperaii  Don  poLuil  nee  iinpedire. 

')  Heg.  (i7,  GjH  A:  Dkitur  etiarn  {»jssibile  iijei-uiiilum  natunim  ,  tjuud 
quanivis  non  liat  secundum  inferiores  causas.  tarnen  in  consuetinllne  est  ul 
llnl,  ul  utiimam  rrt^arl.  Aniinain  ergo  creari  seouiKlurti  miluiHin  «licitur,  quiA 
fieri  Si}\e\ ,  roiisueludu  »ulem  altera  natura  dk'ilur.  Die  Stelle  ist  fast  w<1rl- 
licti  von  Garncriiis  von  linrheCurl,  Isag.  theiiplian.  symbul  I,  7,  rud. 
Troye»  4^t^\  fol.  Tr  in  eine  im  Übrigen  aus  Petrus  Piclav.  Sent.  I,  8  uiitl 
Petrus  Lomb.  Sent.  I,  d.  4.'l  entlehnte  AustQhruu^  hetültergenuinmen. 

■)  Ebd. 

*)  Reg.  Ik).  <k)1  C:  PrJina  substanlia  non  recipit  maius  v«l  minus. 

^)  Kl>d.  liTil  D:  Similiter  dei  sajiientiu  vel  ücientia  non  recipit  inagin 
vel  minus,  äed  nolandum,  quod  scientiii  allquaiido  dii-itur  divina  usia  .  .  . 
Scienlia  etiam  dicitur  scita. 

'}  Kbd,  6rt2  A  IT.:  quia  infinita  est  etu.-«  scientia  et  infinila  sublacenl 
eius  scientiae.  Item  nmnia  possihilia  et  )m|)ossibi1ia  in  notitia  dei  sunt,  et 
ita  oninia  «-ienliae  eius  subiecta  sunt  ....  Cum  ergo  diritur:  .(Ju^k)  semel 
fti-it  deus  ,  »emper  seit*,  intelligeuduni  est,  fuissc,  vel  esse,  vel  futurum  etsee 
et  sie  de  quocunquc  habet  scientiam  seme)  et  semper. 

')  Keg.  tv4,  tj52  B:  Üivina  Providentia  falli  non  polest. 

*)  Kbd.:   Si   enim  ,    ul   dixit  AristoteJes,    omnis   sctentia   impermixta. 


V.  Ahsclmitt.     Tlifologü-  mler  Lehre  von  Jor  fiottlieir. 


lai 


I 


Alis  <li<'S€T  IrrhunslosigkoU  {h\^[  das  in»l  u  i  iidifft?  Eiri- 
lreff<.*n  dessen,  was  (»oU  vorausgowiiüt  luit ')•  T)jik  yriKliflie 
Vorlionvissen  übl  aber  keinen  nAIigenden,  kaust\Ien  KinflnU  auf  das 
Einirolen  rief  Ilnridlun^'  aus.  sodaü  es  die  Kreihcit  des  rneiiscli- 
lidn-ji  Willen.s  I>eeintr;u*litit(en  würde-).  Dieser  letztere  is(  und 
bleibt  die  wahre  ürsacbe  för  die  Handlung,  während  die  gött- 
liehe  Provldenz  als  causa  sine  qua  ti(M).  als  bloüe  Bcjirleitin'- 
sache  ersriieiid.  ■%  K^  liestrlit  als«)  kriiK*  iieressilas  eonsc- 
ipientiti,  keine  kansale  NulweiidigkeiL  <ier  Han*ilunj;  selbst,  die 
Sache  des  freien  Willens  ist,  sondern  nur  eine  necossilas  con- 
soqiiendi^),  eine  Nolwondigkoit  der  logischen  Folge,  welche 
in  der  Unfehlbarkeit  des  Wissens  wnr/ell ,  insofern  eine  I!;md- 
lung,  den-n  an  sich  freies,  IhatsüeJdielies  Kinlreteii  niilehlbnr 
vorhergewnßl  wird,  Iogit:ch  notwendig  auch  einireleri  niuti ''j. 

5.  Verhältnis  Gottes  zur  Welt. 

Nach  den  Err»rterungen  über  das  Wesen  (lottes  und  seine 
wielillgslen  Br'stinnnnngen  ernhrigl  nodi  die  Uiirslellung  eines 
letzten  Piniktes  der  pliilosophisrheii  floUesIehre,  nämlich  des 
V' i'rliiUlnisses  Gotles  zur  Welt. 

Wie  Tbierry  von  Charlres")  und  Willielni  von  (lon- 
ciies'),  so  faul  auch  Älaiius  de  Insnlis  die  (iollheil  in  ihrem 

est  falsiUiU ,  inullo  maiKis  sapienlin  d«i.  Vgl.  Analytica  ixwl.  U,  nt  t/ie^. 
S;cliluQ. 

*)  ELhI,  :  H  ita  impussiliile  e»l  nnn  evenire,  qiinil  üeus  pracvulit. 

*)  Ebd.:  iinn  ijikiiI  dei  {»'ovidcntla  eventui  itifcntt  iiecessilHlünt  et  ita 
auferut  tiheii  arbitrü  libertatem. 

')  Ehil.  tk^)2  C:  non  ([iioil  itivina  prnvidetitm  ttil  cau<4a  cventuni  attin- 
gen»,  se*l  cau«i  t'uniituii:«  causam  .■sine  qun  wm.  Vgl.  IVirus  [.oiuh.  -Scnl. 
],  d.  38,  n.  4. 

*)  Heg.  GTi,  *ib-2  C :  Neoessarium  esl  «venirr  ,  i|uoM  *U-u»  praovidit,  ne- 
eessilnle  corisequendi,  non  conse(]uenti}i. 

^)  Kbd.  1  Nou  eniiii  necessiirium  est  illud,  (juod  praevjsuni  est,  evenire, 
sed  hör  tuliiiii  iiccesHnriuiii  esX,  ut  eveniut,  iguotl  pracvisuin  fiicrit,  iil  sit  nt*- 
ce-ssilas  coiiscquentiao ,  nnn  partU  hypotIvcticHe  (mich  Cud.  I.ilienf.  1-1-1,  der 
aber  ypothenoe  si'hreibt),  siciit  lioc  tolum  est  necessariutn ,  Socratciu  iiioveii, 
si  rurril;  non  t^inien  necc^surlum  i^t,  .Socratcm  moven  vol  currerc. 

•)  Hixureau,  Notice»  elexlrail.*:,  I,  S..V2:  Mundanae  i^itnr!(ul)sistentine 
ciiusiio  sunt  (|uaUunr:  erQcten't,  ut  deus;  formalis.  ul  dci  sapienlia;  Dnalis, 
ul  eiuHtiem  beuignitus. 

')  Kommentar  mm  Timaeus^nousln,  FrnK'nculf  de  [diiliKfüpliie,  Paris 
IKWi,  S.iJnft;  Uigiiv  172,  2.'i ] /2r)2) :  Hoc  convenit  divinae  essenliiie  .  ,  llaec 
est    elTIclens   causa  muni)!,    ipsa  enim  est  omtilum  rreatrix.    Hoc  hlum  con* 

9  ♦ 


132  Al&uua  de  fnsulia. 

Verhältnis  zur  Well  unter  tlem  Gesiclitspunkt  einer  dreifachen 
Kausaiitäi  auf.  Er  beslinimt  sie  als  causa  efficiens,  causa 
f.ornialis  und  causa  finalis  der  Weltdinge'). 

a.  Gott  als  eaosa  efBeleas. 

Die  Beweise  ffir  das  Dasein  Gottes  ffdirten  zu  einer  causa 
suprenia»  zur  causa  causaruni-).  Diese  einzige  und  höchste 
Kausalität  aller  Dinge  ist  causa  efficiens,  eine  auüerwelt- 
liclie,  transscendenle  Ursache-').  Mit  Nachdruck  weist  der 
Scholastiker  joden  Immunenzgwianken  zumck  und  er  lehnt  ^^ 
ab,  in  pantheisti.scher  Weise  Gott  als  causa  fonnalis,  nach  Art 
der  in  den  Dingen  wirksamen  Forriiahirsachen,  in  die  Geschöpfe 
zu  verlegen  *). 

Das  göttliche  Wirken  wird  gcuauerhin  als  ein  Schaffen -), 
Gott  als  absolute  Kausalität  bestimmt,  dif  außer  sich  keine 
Ursache  hat,  wenn  sie  die  Weltdinge  wirkt.  Ohne  eines  Instru- 
mentes, eines  äuUeren  Anstoßes,  einer  Belehrung,  eines  mate- 
riellen Substrates,  einer  Form,  eines  Ursamens  zu  bedürfen'), 
hat  er  frei  von  jedem  Bedürfnis  durch  einen  freien  Willensakl  '•) 

venit  divinae  sapientiae  .  .  .  Haec  formalis  causa  mundi  est,  quia  iuxta  eain 
crealione  mundum  formavit  .  .  .  Idem  convenit  divinae  bonitati  .  .  .  lila  est 
finalis  rausa  mundi,  quia  sota  bonitale  .  .  .  omoia  creavit. 
')  Anticl.  bü'j  A : 

Efficiens  causa,  dum  rem  producis  ad  esse; 
Formalis,  dum  pingis  eani ;  flnalis,  in  esse 
Dum  rem  conservans  certo  sub  fine  coarclas. 
')  lieg.  63,  (öl  C. 

')  0.  H.  1,  5,  Oll  B:  cum  deus  sit  summus  artifex  omuiuni  rerum  et 
efliciens  causa.    Vgl.  Reg.  41,  i'AO  B. 

*)  Ebd.  311  C:  Cum  ergo  deus  nun  sit  causa  formalis,  sed  ef&cieDS, 
quamvis  ipse  sit  immutabills,  non  ideo  res  immutabiles.  Keg.  1,023  0: 
nun  est  diversus  efTectibus  variis,  quia  non  est  causa  formalis.  Siehe 
oben  S.  GS. 

')  A.  f.  II,  4,  (jOfj  A:    Sed   aliud   ab  eo  non  polest  esse,    nisi  per  eins 
rreationem;    vgl.  Dist.  754  D:   Creare  pruprie  ex  niliilo  aliquid  facere  .  .  .  ., 
unde  polest  dici  deus  creatur,  opus  eius  creaLio. 
••)  Anticl.  4%  A : 

Qualiter  ex  nibilo,  sine  forma,  semine,  causa, 
Materia,  motu,  sensu,  ductore,  niagtstro. 
Die  ed.  Wright  (c.  i»,  S.  2%)  liest  satt  .magistro"  .ministro". 

0  De  pl.  n.  iiiQ  B:  non  exterioris  instrumenti  laborante  suftragio,  non 
materiae  praeiacontis  auxiliu,  non  indtgenliae  stimulantis  ilagitio,  sed  solius 
arbitrariae  volunlatis  imperio  muudialis  regiae  admirabilem  speciem  fabri- 
cavit  deus. 


V.  Abschnitt,    llieologie  oder  Lehre  von  der  fioltheit.  133 

alles,  MntiTi*'  und  Form,  die  Subjekte  der  Prof)it-'tAten  und  die 
Pi-üpHfläleii  i\vr  Subjekte'),  fleii  (ranzen  VVnnilerliaii  der  Well 
aus  nichts  hopvorjfchraelit.  Mim  alli-iii  als  dem  iin<'i*sdiafl'onen 
We.sen ')  ei^^nel  die  aussL-IilieLilicIn'  Pn"iroj?utivt  des  ereare'*),  alles 
j;esrliripflirlie,  alles  Natur-Wirken,  ist  nur  ein  procreure,  ein 
Mürben   uns  etwas,  slrts  an  eine  Materie  utobunden  *). 

Je  nachdem  mit  dem  bibbschen  Sc^ItöpCunKf^j^edanken  philo-   —i 
sopliisclie  Theorien  versclunelzen.  wird  die  sehöpfcriscbe  Ur- 
i<aehe  und  ihre  Thatiykeit  mit  verschiedenen  Termini  bezeiebnel.    -^ 

Mit  dem  platonjjichen  Deniiurgeri  identificiert  winl  der 
Schöpfer  zum  WVItbaumeisler,  zum  Wellanbitekten,  zum 
genialsten  aller  Künstler'),  seni  Thun  ein  eminent  knnst- 
Ieris4*lies,  ehi  (lopicren,  ehi  Naclii)ilden  der  mit  dem  t'ött- 
tidien  Wt«en  identischen  Ideenwelt,  ein  Einprägen  nach  Art 
eines  Siegels,  ein  Bekleiden  mit  dem  Gewände  der  Form "),  sein 
Schöprunt^swerk  der  Höhepunkt  alles  KuiistschalTens  *). 

In  AnlehnnnfT  an  Hoethius  erselieinl  die  sehöpfurisclii- 
Ursache  als  die  absolute  Form,  welche  alles  inlurmiert, 
allem  das  Sein  giebt,  aus  welcher  alles  Sein  stanunt,  alles  das 
Sein  enipCänyl").  Sie  ist  (emer  auf  die  Autorität  dei-selben 
(Juellf  hin  di'r  iinbewegle  Bi'woger,  welcher  alle  Hewef,'nnfc 
spHidet.  von  welchem  alle  Veränderung  und  alles  Veränderliche 
ausgeht''). 

Endlich  in  Verwertung  cini-s  neupylhagoreischen  Gcdan- 


■)  Siehe  oben  S.  71. 

')  C  H.  I,  8,  3iri  C:  ni'ceAsuriuiu  elenliii  est,  t|ui»l  illml,  quod  creal, 
increiitutn  sit  .  .  .  . :  si  <Tcalmii  esset,  crcalurarum  »ecuiTeret  inUnitas, 

■)  A.  f.  1,  "lA,  iin;i  H:  Cum  t-iüin  nullnm  tTPiiiiiriint  aliam  posse  crcju-e 
nuHruiitiis  el  cuiusÜbttl  fiiclurae  causam  superiorem  esse  riuliis  ratio  dirtel. 

*)  Siehe  oben  ti.  77. 

*)  De  pl.  n.  4T<i  B:  titimiuam  mtiiiilt  ele(f-ins  aixliilwtus  (der  Ausdruck 
slaniml  wohl  aus  Apulejus,  de  tlugm.  Plal.  I,  II,  ed.  Guidbacher.  S.  73, 
V.  ]l:  archileelum  huius  divini  orbis)  ....  artifex  arlifujosus,  C.  H.  I.  .'), 
311  B:  sunimus  arlifex. 

")  Siehe  üben  S.  73. 

'}  De  pl.  n.  4.')3  R:  stupendi  arlificÜ  .  .  .  admirandi  operis  opjfex.  ^ 

')  Heg.  II.  (Ȁt  C:  Omiic  esse  ex  forma  esl  (Boifhius  Je  Uin.  2,  cd. 
fei  per.  S.  I'i2,  v.  20|.  Cum  deu^t  lurma  dicaltir ,  quia  utnnia  ioformat  et 
Omnibus  esse  donat ,  recte  umne  esse  a  tbrnia  esse  djcitur.  Siehe  oben 
S.  126  f. 

•)  Vgl.  oben  S.  100. 


134 


AlniiiiR  tk'  InsoltR. 


kons  wird  sio  als  Monas,  als  rriilas  bezuirliiicl,  von  welcJior 
je<lc  {;csciiarr«'iie  Einheit  koiiiiiit '),  welche  (iruiiil   der  Dingt 
ist.  iiiH^t'em  sif  «liusi-Ibfn  vermittelst  der  iinitas  o*ler  Einxidil  als 
Eiiihoileii  sdiafn.     Denn  alles,  was  ist,  existiert  nur  insoreni,  als 
„eines    ist   durch   die  Zahl    oder   unitas').   welche  stets    die 


>)  Keg.  2.  ü24  A  IT.:  Nihil  enhn  aliqua  specie  unilalis  e>l  unuin*quud 
nnn  sit  unum  n  summn  inonadc.  Es  fnigt  die  AufzAhlang  von  sechs  ver- 
ti^-lii Climen  Arten  dtT  «nitiis.  wie  sie  in  ähnlicher  Woise  Gundisalri  in 
seinem  lihcr  de  unitale  (ed.  llurrens,  :i.  a.  O.,  S.  *>)  bielet.  .Allein  we'Jer 
hier,  uach  iu  Jen  Disl.  (UK?  Bfl*.  iid  v.  unum)  hal  AUnu»  das  genannte  Uucli 
benutzt,  wie  ein«  Ver^fleicbun^  der  helreflenden  Pnriien  beweist,  und  iJor- 
rens  (».  a.  0.,  S.  2fi)  bczüghch  der  Stelle  n\is  den  Oiüt.  urezeiKt  hat.  Wir 
wertlen  liier  Oberhaupt  nirhl  an  eine  einzelne,  bestimmte  Vorlage  zu  denken 
haben,  wie  Cnrrons  will,  der  als  Grund  für  die  Annahme  einer  »olchen 
Ülinlii'li  klinticr.do  Au!<rührung;en  hei  Bernhard  von  (llairvaux  anrohrt, 
ynnilern  Alntiiii)  stellt  von  den  i1;Lmuls  ilblicben  und  ihm  bekannt  gewur- 
denen  llnter»rheidun;;en  die  ihm  am  wiclitigsten  diinkcnden  zusammen. 

')  Hc^.  2,  (V24  B:  l'nde  Hn^tbiu«;:  (Juiilquid  est,  Ideu  ct;l,  (|nia  unum 
nunteru  est;  vgl.  Dial.  877  D:  Dirilur  unilale ,  unde  sie  putesl  ex[>oni  prae- 
dii-ta  nurlnrilas:  Heus  ereavit  »mnia  in  numcro  i.  e.  in  unilate,  qoia  qooi)* 
tibcl  unilale  nnum  est,  unde  Uo^thius:  Quid(|uid  est  (statt  quid  e*<l),  ideo 
est  etr.  Oussclhe  biktum  kehrt  wieder  DIst.  !>87  B :  unde  Boethiu»  in 
lihrti  de  sancl»  trinilate:  (>uidquid  est,  etr.  Vgl.  Johannes  Sareeb.  (Me- 
talug.  11,  IT  :  Mitinc  IW,  K74  D:  ideu,  quod  omne  qund  unum  est,  numero 
C9(),  —  Oht^leirh  zwei  .^ehr  alte  (k>d[i-eR  der  Diütinctionen  (dtit.  Monac.  7!i!i8, 
s.  .Mit  in.,  lol.  HOv  und  l^d.  Palat.  (Valicana)  14(1,  s.  Xlll  in.,  f.d.  110  v) 
hei  dem  Cil:it  sd  v.  numerus  f Bist.  H77  I)}  stall  Bcr-lbius  Augustinus 
si'brciben,  und  bei  dem  letzteren  (De  mnribus  Klanichaeurum  II.  (i.  n.  H)  die 
in  Frage  stehende  Sentenz  wenigstens  ihrem  Inhalte  nach  sich  auch  Ihal- 
sflchlich  vurhndet ,  so  iul  doch  die  Urheben>chull  des  Buethius  unbestreit- 
bar. Freilicb  ist  nicht  dessen  lilrer  de  sancta  trinitate  die  (Juelle,  wie  ein 
üfTenbur  spälercr  Zusatz  der  ÜifitiuL-tioncn  (IK47B)  will,  sonderndes  BueLhius 
Kumnienl^r  zur  Isagu^*^  T^rphyr'»  (BoethÜ  upp.,  S.  lA,  in  Porphyr,  a  s« 
iransIaL :  Omne  enim  quod  e^t,  idcirco  est,  ijuia  unum  e^l).  Eine  andere 
Frage  ist  allerdings  die,  üb  .\lanus  direkt  aus  dem  bu<'t blanischen  Kom- 
mentar geschöpft  hat,  oder  ob  er  das  Ciliit  aus  dem  auch  unter  dem  Namen 
des  Boftbius  gebenden  Über  de  unitale  Gundisalvi's  \S.  ii,  Z.  8— 1<  ed. 
(lorrena)  nimmt,  wie  flnrrens  (a  a.  O.,  S.  17  ff.)  meint.  Es  bleibt  wenig- 
stens die  letztere  MflgUcbkcil  offen,  um  so  mehr,  als  die  w5rtliche  Formulie- 
rung bei  tjem  tnsulenser  bis  ins  Einzelnste  genau  mit  der  Gundisalvi'schcn 
Fassung  Obereinslimml  —  denn  das  bei  Correns  S.  .'1,  Z.  Ii  fehlende  nu- 
mer«  ist  nach  S.  öl  aus  den  Handstbrinen  DEF  eiuzusetzen  — ,  und  über- 
dies Alanus  dem  gleichen  Buche  noch  einen  andern,  nur  einige  Zeilen  vor- 
her stehenden  Salz:  Monas  est,  qua  quaelibel  res  est  una  (siehe  oben  S.  121) 
entnommen  zu  haben  scheint.  l>a£  der  Über  Gundisalvi's  Bortliius  zu- 
gescbrichen  wurde,  erkliul  sieb  aurs  leichteste  durch  die  Entlehnungen  aus 
der  r.unsolatio  und  aus  de  IriniUle,  Freilich  ist  von  dem  ,  was  Clorrens 
als  boet hianisches  (Jut  anführt,  einiges  zu  streichen,  da.  wie  Obrigenii 
Correns  t?.  22  zum  Teil  selbsl  hcrvortiebl,    p.  4,  Z,  14—17  {v^l  Currens, 


V.  AHttThniit.    Thoologie  oder  T/ehre  von  d«r  Uottheit.  13o 

Prüpriuläluji  der  Dinge  begleiU'L  '). 

Wir  haben  bt-mts  betont,  dalj  Alauns  du-  (IuHIumI  niclil 
ul.s  Fornialursache  in  üit*  Dingi^  cingoboii  IAI2I.  sondent  als 
trans.sffMidentfs  WrUpriiifip  lUtäi,  Dicsi^n  Stiind|jniikl  bekun- 
det er  uiirli,  W(>nii  vv  die  uii  sicli  iiaiiÜU'isiisrb  cbnifbaifn.  in 
Pseudo-Üionysius')  und  Scolus  Eriugcna"')  wur/.Hndt'ti 
WVndungL'n:  oninia  in  deo  el  deus  in  omnibus  et  omnia 
esst'  silinllirh  ini  Sinnt*  nines  kausalon  ViTlifiltnisses  zwischen 
di*ni  Scliftpl4T  nnd  ih'U  Crcalurfn  verstanden  wissen  will,  Uie 
Dingi'  sind  in  Golt.  wie  dit*  Wirkung  in  der  Ursaetie;  CtoU  in 
den  Dingen,  wie  die  Uisaehe  in  der  Wirkung,  und  Gott  ist  alles 
jH-r  eansani.  insoFern  alles  diircli  ihn  geniaelil  existiert  ').  Wei- 
turliin  wird  rinr  die  Unei-nietMicIikoil  Gottes  und  .sein  uHmnfa-ssen- 
dt's,  allgegenwürtiges  Maelitwiiken  tH'zeichnet,  wenn  gesagt  \v'm\. 
da&  Golt  das  einzelne  initer  sich  beschlioii«*,  alle  Orte  i-rfnlfe, 
der  Ort  der  Orte  sei  ^),  jenesphaera  inlelligibilis.  deren  (!en- 
trutn  überall,  deren  ( jn-uniiVrenK  nirgends  sei.  Wälireiid  bei 
der  materiellen  Kugel  '•)  das  Centrnni  kaum  ii-gend\vo.  die  Pori- 
pheiie  aber  an  vielen  Orten  nnd  vei-änderUch  Ist,  Ul  bei  der  in- 

S.  17)  vielmehr  uus  dem  Föns  vitae  Avencebrol'ä  tr.  V ,  c.  32  (ed. 
ßueumber,  S.  3l(i,  21;  317.  10-11)  enlnummen  i»t,  (wie  p.  4.  19—20  uus 
Kuitö  vitae  V,  :t5,  ä.  321.  IG— 17  eü.  Baeumkerl. 

')  Heg.  12*>,  fWl  B :  Omnein  enim  prnprietalem  unilas  cumilatur.  Vgl. 
oben  S.  21,  Anm.  2.  Die  Funktion  der  unltHs  ist  hiernach  bei  Alanus 
eine  ganz  andere  als  bei  Gündisftivi,  der  sie  mit  der  Fonii  selbst  identi- 
fiziert, und  der  Ktnfluü  des  letzlern  hü(  utisern  Ma^^jster  bleibt  somit  nur  ein 
h^hst  t>eschrdnlcter.  Atanus  Tolgt,  wie  wir  schon  oben  gezeigt  haben, 
doch  wieder  den  Spuren  Gilberl's. 

*)  De  tael.  lerarfliia  c.  4  (ed.  Fluss,  Migne  12^2,  HH*»  C):  i!sse  om- 
niuni  est  nuper  esse  divinilas;  vgl.  Thomas,  S.  iheol.  I,  q.  3,  a.  8,  ad  1.  — 
De  divin.  nom.  e.  5  (ed.  Floss,  JUigne  122,  lln()  B:  sAd  omnia  est,  ul  cau- 
salis  uninium,  et  in  ipso  omoia  principia  ....  orania  existenlia  coambietu 
el  praehabens).    Vgl.  S.  tbeol.  I,  q.  4,  a.  2,  ad  c 

')  De  div.  naL  I,  72  (ed.  Flosa,  Migne  122,  517  A):  cum  in  ii>80 
omnia  sint ,  imo  mm  sit  ipse  omnia;  ebd.  5IH  A:  nil  aliud  debemus  intel- 
ligere  quam  deum  in  umnibus  esse. 

')  A.  f.  I,  21.  mi  A;  Keg.  41.  <>10  B;  Reg.  15.  t!2I»  C. 

*)  Anlicl.  rj32  A : 

Nee  solum  loca  runcta  reptot,  sed  >ingu]a  »oluit 
Inrra  se  claudil  c|uasi  mota  lucu!M|ue  locorum. 
Bezüglich    eines  ähnlichen    Gedankens    vgl.    Arnnbtua,    adv.   geat.   I,   31 
(Nigne  5.  75.^  B)  und  Abaelard  (bei  Dcutach,  a.  a.  O.,  S.  201). 

*}  Stockt,  Gesell,  d.  Philos.  d.  MtUelalt.  1,  S.  In;  spricht  irrtümlich 
Tun  einem  Kreis. 


136  Alanus  do  Insulis. 

Iclligiblon  sphaera,  bei  Gott,  die  Peripherio  nirgends  und 
unvfranderlicli.  ihr  (Iciilruni  dagegen,  die  Kreaturen,  welche  im 
Vei-gU'ich  zur  Uneruietilichkeit  (lolles  nur  Punkte  oder  C'entra 
sind,  Ul  nbi'ral],  ih.soiern  (iottes  UnerrnoÜliehkeil  und  seine  ord- 
nende Macht  alle  (Jeschöpfe  unter  yieh  bel'aUt  ')• 

Der  Magister  statuiert  lofner,  allen  pantheistischen  Nei- 
gungen entgegen  -),  eine  unüberbrückbare  Kluft  zwischen  dem 
Schöpfer  und  den  Kreaturen,  die  grötierseialsderllntei-schied 
zwischen  schwarz  und  weili,  weiche  wenigstens  in  genere  subal- 
terno  zusannnentreffen,  wiihrend  jene  unter  keinerlei  genus  .sich 
bringen  lassen  •).  hinerhalb  der  Gesammtheit  dvs  Seins,  das 
sich  in  die  drei  Stufen  des  supercaelesle,  der  Gottheit,  des 
caeleste,  der  Engehvelt.  und  des  subcaeleste,  der  Körper, 
gliedert  ')*  treten  die  beiden  letztern  Grade  in  scharfen  Gegen- 
satz zum  ersten.  Die  Gottheit,  die  Monas,  die  Unitas,  besitzt 
ein  Sein  im  wahren  Sinn,  die  beiden  übrigen  Stufen  dagegen 
sind  in  Wahrheit  nicht  •)  wegen  ihrer  Veränderlichkeit,  die 
zuerst  und  in  gerhigereni  Malie  als  alteritas  bei  den  Engeln 
auilritt,  zur  vollendeten  pluralitus  aber  in  der  Körperwell  sich 
steigert").  Gott  aHein  eignet  die  aelernitas,  er  ist  ohne  Anfang 
und  Ende;  den  Engeln  und  der  Seele  dagegen  konmit  perpe- 
tuitas  zu,  ein  Anfang  ohne  Ende,  während  die  Körper  der 
perennitas  unterworfen  sind^  sowohl  ehieu  Anfang  als  ein  Ende 


■)  Heg.  7,  G27  B  IT.;  Reg.  41,  fj4o  H.  Über  eine  Hlinliche  Spekulation 
hei  Alexander  Halensis  und  ßonavcnluru  vgl.  oben  S.  Uli,  Anm.  I. 

')  Die  Bebauplung  Tenneniann's  (Gesch.  d.  Fhilos.,  VIII,  1,  S.  322) 
uml  Hilter's  (Gesell,  d.  Philos.,  VII,  S.  äOö,  ÖX)),  Alanus  sei  nur  mit  ge- 
nauer Notani  Panlbeismus  vürbeigekümmen,  und  insbesondere  die  Meinung 
des  Ersleren,  der  Insulenser  balie  den  Irrtum  des  Amalrich  von  Bennes 
vurbereitet,  entbebrt  angesichts  der  klaren  und  unzweideutigen  Ausspräche 
unseres  Lehrers  jeder  Begrfindung.  Wenn  endlich  Haureau  (Hist.  de  la 
phihjs.  scol.  I,  S.  528)  in  einer  Stelle  des  Anticl  (4Ü8  A  ff.)  die  Lehre  linden 
will,  daß  im  Schooße  des  Absoluten  die  Hegensätze,  tlherhaupt  alles,  identisch 
sei,  so  ist  dagegen  zu  bemerken,  daß  die  betreffenden  Vei*se  gar  nicht  von 
dem  ,.Ab.suluten"  ,  sondern  in  poetischen  Bildern  von  der  mathematischen 
oder  :ibstracliven  Krkenntnis  der  Dinge  handeln.    Vgl.  oben  S.  58,  Anni.  2. 

")  Heg.  ')8,  fUii  A, 

')  Reg.  2,  ii-Jli  D.  Die  Termini  unitas,  alteritas  und  pluralitas 
entnimmt  Alanus  aus  Bor*thius  de  trin.  c.  1,  .'t,  <>  (ed.  l'eiper,  S.  151, 
V.  in  ff.;  154,  V.  4;  KrJ.  v.  22). 

^)  Ebd.  \m  A.  -  «)  Ebd.  (;2:i  D  IT. 


V.  Ahsrlinilt.    Th^nlngip  oder  Lehre  van  der  Ooltheit.  137 

hahch ').  Es  liL'K*  leniLT  im  Bogriff  des  gi^schaflonen  Wi>seiis, 
Anfang  und  Ende  zu  haben.  Alles,  was  ^fewoi-den,  strebt  nn- 
liirgemfiß  dem  Einle  xu.  Gott  koniilL-  niclil  etwas  dem  Wesen 
nacli  Ewi^'es  und  nnvi'i-äiidcj'lirlu's  seliafTen  -').  Selbst  du-  Natur 
drr  V.w'^t']  hr.-^W/A  nacli  dem  ZeUKni-sst-  Plato's  rrivrnitidt.'rlieh- 
koit  tiiclil  jiilolife  ihres  Wesens,  sondiTn  nur  durdi  ^ölllielien 
Willensenlschluü '').  Jedes  gL^'hafTi-nL' Diii^'  lii'j:t  somit  inriciliall» 
zweier  Grenzpuiikle  eingt-sehlosst-n,  zwischi.'ii  Anlant:  und  Ende. 
zwischen  Alpiia  und  Omeifra ').  nach  einem  au^'UsliiiisLlicn 
Wort  /.vvisclipu  marie  und  vespere'),  wüliiend  Gott,  die  Munos, 
allein  nlitte  Alplta  und  Orni'tra  ist*'). 

Erscheint  die  Weltseliüpfuujf  als  die  Tliat  des  Ireien 
Willens  Gottes,  so  liat  sie  doeli  iiir  Motiv  jn  der  neidlosen 
(föllliciieu  Lii'he^).  in  deren  Natur  es  greletren.  andern  Wesen 
die  eigene  Güte  tmd  Herrlichkeit  mitzuteilen").  Den  ln'ifdnnten 
von  Plato  im  Timaeus  ")  ausgespi-ochenen.  von  den  cluislIielH  n 

')  Dist.  (IftTi  K  Vgl.  Isiitor  (Seilt.  1.  12.  n.  3;  Migne  8:J,  :m  B)  und 
Ha^o  von  Sl.  Viclür  (Erud.  üi<la.<tc  I,  7;  Migne  17(1,  IM*  Ü  ff.). 

*)  C  M.  I,  y>,  3t  1  A  :  non  poLuit  fuoero  aliquid,  quod  esset  inirnutubile 
natum,  quia  oninis  res  t-reata  ex  eo,  quud  creala  est,  habet  principluni  suae 
existentiae ;  rädern  rntione  finetii  habet  aotu  vel  natura,  omni»'  eoim  res 
duoluiii  clauililur  It^niitiiis;  ebd.  :^tl  U  :  i|(ii<lquul  hahet  princijiium,  naturuljter 
liabel  linein.   Oniiie  »juud  est  genituin.  lendil  aiHnlerilum.    Vgl.  Reg.  *i.  njiJC 

")  Heg.  ü,  ti2f)  (I:  l'nde  et  angelica  nnLura  nalMralit{;r  ilissoliihilis  est, 
de  qua  ait  J'lalu;  ÜÜ  de^irum,  quoruni  paler  upifexque  e^^o .  natura  quidein 
disBnluliilM,  nie  sie  volenle  indissolubiles.  Vgl.  Disl. 871(1.  Jlieiic  Timaeu^ 
41  A  ,  wo  Plalo  von  den  tJefctirngrittern  spricht:  Dil  dcoruin  ,  tju^runi  upitex 
ideni  palertpie  ego.  opern  i^iquidem  vms  rnea,  diitsolubilia  natura,  me  tameii 
ita  vütentc  indissolubilia.  Alanu^  lieät  ohne  jeden  Skru]>el  diristlidie  An- 
.■ichnuungen  in  den  Timaeus  hinein.  Kichtig  iiileij^retierl  die  Stelle  Abae- 
lurd  (inlrod.  ad  Iheut.  I.  IG-  Migne  178,  UUn  A)  um)  spater  Thonius  (S. 
Iheul.  I,  q.  '*K  0.  5.  ad  2). 

*)  Keg.  f>,  ti^ii  t: :  Onuie  liniilatuin  alplia  el  oinegu  jntelligi  onine  rreu- 
tum,  quod  claudilur  duubus  lermJnit^  i.  e.  prinelpio  el  tine  aulu  vet  natura. 
Vgl.  Awn.  2. 

")  Ebd.:  l'nde  Augusttnuü  super  flenesim  (De  gen.  ad  litt,  tili  iin)jerf. 
c.  12,  n.  äti,  t.  III,  1,  Migne  31,  2.15)  ait ;  Omnein  creaturani  habere  mane 
et  ve^tperc  i.  e.  prini'ipium  et  lincin  saltera  natura.  Die  Stelle  ist  wiederum 
nur  dem  Sinne  nach  cittcrt. 

*)  Reg.  *»,  *J25  C,  626  A  :  Sola  nionas  est  .  .  .  sine  alpha  el  umega. 

*)  C.  H.  I,  5,  3U)  D:  iiividus  non  fuit.  bonitalis  cnim  summae  Tuil, 
qu(»l  mundum  fecit. 

•)  A.  f.  II,  4,  fiOr>  D. 

*)  Timaeus  2!f  E  (ed.  Wrobel,  S.  2C):    ab  optitno  porro  invldia  longe 

Bttitrage  II.  I.    Bau  mg  artnc  r.  Alnuu»  d«  lutmÜM.  9** 


IAH  Alanus  de  InSulis. 

Denkoni  aller  Jahrhuiidorle  synipathisch  begrüßten  Gedanken 
nimmt  Alanus  zum  Ausgangspmikt  einer  kühnen  Deduktion 
des  (leschaffenen.  Wie  er  die  Bestimmnnjren  des  trftttlichen 
Wesens  aus  B(»jrriffen  abhMtet,  so  vei-suclit  er  in  fdinlicher  VVeise 
die  Welt  in  ihren  hervorragfendsten  Bestandteilen  begrifflich  zu 
konstruieren. 

Zunächst  wii-d  aus  dem  Bejrriff  der  j^öttlichen  charitas 
die  Eivchaff'unjf  des  spiritus  rationalis  de(Uiziert,  freilich  nieht 
mit  absoluter  Nolwemlijrk<»it.  sondern,  wie  schon  die  Ausdrücke 
oiKirtuil.  debuit  besiijren.  mittelst  sogenannter  Congruenzbeweise. 
Dir  Mitl('ils;nuk(Mt  der  jröttHchen  Lirlie  erfordert  die  ErsebafTunjf 
von  auÜri-jr^ltHrbeu  Wesen,  welche  an  der  (iflle  Gottes,  an  sei- 
ner WeishtMl  nud  Herrlichkeit  Teil  zu  nelmien  vermögen.  Dies 
shiil  aber  in  ei-ster  Linie  die  vernünftigen  reinen  Geislwesen, 
die  Kugel  M. 

In  weiterer  Folge  wird  rlas  Dasein  <ler  materiellen  Welt 
abgeli'ilel.  insofern  ihre  Existenz  sich  als  notwendig  enveist,  um 
der  Ki-stliugssehOpfuug,  den  vernünftigen  Geisleru  die  Möglichkeit 
und  tlie  Veranlassung  rlarzubielen,  die  Macht  und  Weisheit  Gottes 
zu  fürchten  und  zu  preisen,  ihm  hei  der  Wellregienmg  zu  die- 
nen uritl  aus  der  Erkenntnis  so  gewaltiger  Dinge  eine  Erhöhung 
der  eigenen  Herrlichkeit  zu  schöpfen  -). 

Gottes  Güte  erstreckt  sich  ferner  auf  alles.  Allem,  auch  der 
unvernünftigen  Greatur,  will  er  seine  Glorie  mitteilen.  So 
nuilJte  endlich  ein  Wesen  in  die  Existenz  treten,  das  einerseits 
fflhig  ist,  seine  Herrlichkeit  zu  erfassen,  also  Vernunft  besitzt, 
andererseits  aber  die  Eigentümlichkeit  des  pflanzlichen  imd  tie- 
rischen Lebens  in  sicli  vereinigt,  der  Mensch.  Da  es  weiterhin 
der  göttlichen  Herablassung  eignet,  das  Geringste  dem  Höchsten 
gleichzusetzen,  so  sollte  die  Bildung  des  Menschen  aus  dem  gi»- 
ringwertigsten  Stoffe,  aus  der  Erde,  erfolgen,  und  damit  die  Ge- 
sammtheit  der  Schöpfung  zur  Teihiahme  an  der  göttlichen  Herr- 
lichkeit gelangen^). 


relegata    est.    Itaque  consequenler  cuncla  sui  similia,  prout  cuiusiunque  na- 
tura capax  beatituilinis  esse  polerat,  efflci  vdIuU. 

')  A.  f.  JI,  4,  mt  ]).  —  ")  A.  f.  ir.  fi,  («T.  H. 

•)  A.  f,  II.  12,  13,  COT  C  ff. 


V.  Aliaclinitt.    Tlieologie  o<ler  Lelire  von  der  Gottheit.  139 

b.  Gott  als  cuiisa  exemplurls. 

Bezogen  sich  die  vorangehenden  Erörterungen  auf  Gott  als 
causa  efficieus  der  Welt,  so  haben  wir  nunmehr  die  göllliche 
Kausalität  ins  Auge  zufassen,  insofern  sie  als  causa  formalis') 
oder,  wie  die  späteren  Scliolastiker,  um  jeder  Verwechslung  mit 
der  in  die  Dinge  eingehenden  Formalursache  vorzubeugen,  deut- 
liclier  sagten,  als  causa  exemplaris  der  Weltdinge  erseheint-).    / 

Plato  bot  auch  hier  den  Anknüpfungspunkt  für  die  christ-  J 
liclic  Spekulation,  welche  schon  in  der  Väterzeit  die  Umwand- 
lung der  platonischen  Ideen  in  die  götlichcn  Gedanken  sicli 
zu  eigen  machte,  um  so  mehr,  als  diese  Lehre  des  späteren  Pla- 
lonismus  sich  aufs  beste  mit  dem  christlichen  Dogma  von  dem 
göttlichen  Logos  vereinbaren  licü.  Schon  bei  einer  anderen 
Gelegenheit  haben  wir  die  wichtigsten  Autoren  namliafl  ge- 
macht'),  welche  den  umgedeuteten  platonischen  Gedanken  aufs 
Mittelalter  überleiteten,  wo  er  mit  begreiflicher  Einmütigkeit  von 
der  Scholastik  aller  Jahrhunderte  als  ein  unveräußerliches  Be- 
standstück in  ihr  philosophisches  System  eingerückt  wurde. 

Was  der  Magister  von  Lille  über   die  Gottheit  als   causa 
exemplaris  lehrt,  ist  dem  Inhalte  nach  nur  eine  bleue  Repro- 
duktion   der    allgemein    herrschenden    Ansicht.      Die    göttliche     ' 
Weisheit,  der  Nous,   trägt  von   Ewigkeit   her   den  Wcllplan      ! 
das  Urbild  der  Schöpfung,  den  Typus  und  die  Urform  der  Welt    ' 
in  seinem  Geiste  als  verbum  mentale,  als  geistige  Welt,  nach 
dereji  Vorbild  die  sinnenfällige,  irdische  geschaffen  wurde  *).    Die 
(Jolllieit   ist  die  Form   der  Formen  •'•),   der  Quell,    aus   welchem 
der  Strom  der  den  Dingen  inhärierenden  Formen  sich  ergielit "), 


')  Anticl.  ii3it  A:  Formalis,  dum  pingis  eam. 
*)  Vgl.  üben  S.  68.  —  ")  Siehe  oben  S.  54. 

*)  i)isl.  Htiii  ß:  Mundus  dicitur  sapientia  dei.  iuxta  quam  mundus 
factus  osL ,  <iuac  a  pruphelis  dicitur  archetypu!«  inuitdus  t|Uasi  prinri[)alis 
inuiidi  tigura,  unde  Boßthius: 

Pulchrum  pulclierrimus  ipse 
Hundum  mente  gerens. 
Vgl.  Hoelhius   (conool.  III,    melr.  II,    ed.  Peiper,   S.  71,  v.  7).    Siehe  Dist. 
7!«;  ('.;  de  pl  n.  447  C,  4r.3  B;  Anticl.  KU  D. 

")  Reg.  03,  G5I  V.:  Prima  substanlia  .  .  .,  quac  est  lorma  fnrmarum. 
")  Anticl.  4JIH  C: 

Quuliter  a  fönte  formarum  rivus  aberrans 
higenitum  perdit  subiecti  labe  nitorem. 


140 


Alanus  Ae  Influlia. 


ilii>  hinimli^clie  IiIpo.  welche  <Üe  irtliscbcn  Formen  <Tzeiigl  imt\ 
sie  uach  dem  Exil  des  Knikreises  scliickt  ').  In  Anbetracht  die- 
ser unzweideulijren  Aussprüche  erweist  äkh  die  Behauptung 
!liiiiri'uu'>  ■),  AUnus  habe  die  Idi*en  als  selbstständi^'e  Wesen 
aufterhulb  iles  grittlichen  Geistes  ajigesehen,  als  Villlg  unhalllmr. 
Weder  in  irgend  einer  andern  Sclunfl,  nocli  im  Anli(>lau<lian.  auf 
welchen  Haureau  allein  sich  stützt,  hat  der  Schobstiker  diese 
Anscliauung  als  seine  philosophische  Lehre  vorgetragen.  Keine 
vinxit^  Stolle  des  groben  Gediclites  laut  sich  hicfHr  mit  Grund 
anführten.  Wenn  die  Prudentia  venniltelsl  eines  Spiegels  im 
|*alasle  dt*s  ewigen  K(*>ni^s  dir  nngi'wordenen  Ideen  schaut  ■*), 
wenn  ferner  gelfgenlli<:h  dir  Krscharrung  drr  Seele  der  Nous 
unter  den  Ideen  der  iibpi(?en  Dinge  jene  der  Seele  mit  Mfdie 
licrwussueltl  *)  —  Schilderungen,  die  Haureau-)  zur  Bestätigung 
jimner  Ansichl  aufgrcifl  — ,  so  dienl  hier  die  VerselJ)slständigung 
der  Ideen  den»  rein  diclitiTisihcn  Interesse  der  aiiscbauliciien 


')  Anticl.  4!W  C: 

Quoroodu  [«rrestrein  fonnaiti  cuelesliit  iJcii 

Gi^nit  et  in  DctsLruni  5obulem  Iraosscribil  abyssum, 

HUtit  in  pxüilium  formal,  (|u»»t  deslinat  arbi. 

»)  Hisl.  Je  la  pliili«.  »cul.,  I,  S.  'vll,  527. 

V  Autirl.  :4i  A. 

<)  Ebd. :  M«  B  If.    Siehe  oben  S.  m. 

^)  Huuri'au,  ».  »■  O.,  S.  :V;o,  In  <ler  erslen  Ausgabe  seiner  GescUictile 
0er  scbolafitistlien  IMiilosophie  (De  la  pliilosnijhie  »x-ulastiriue ,  Paris  IHTiO,  I. 
S.  3r»I0  suchle  Haureau  <tip  in  den  AiiUcI.  bineinijelesene  Ideeiilehre  Plii- 
lo's  durch  die  Einwirkung  des  Irber  de  causis  zu  crtlären.  Alleiu  al»- 
gMelien  von  den  TrOher  (S.  !>5>  Ct.)  erwähnten  fliuten .  lAfit  sich  bei 
Alanus  nicht  die  mindeste  Spur  eines  tierer  gehenden  Eindusseä  von 
Seite  jenes  Uuches  nachweisen,  wie  schon  Hnrdenhewer  (Die  p<;eudo- 
uri«loteliscbe  Schrifl  über  das  reine  Gute,  S.  21t)  gegen  Haureiiu  mit 
Refill  geltend  machte.  Übrigens  hatte  der  letztere  in  der  Neubeaibeitung 
seines  Werkes  (vorn  Jahre  1.^72)  seine  IVQhero  den  über  de  causis  1>g- 
treffende  Behauptung  nicht  mehr  wiederholt.  —  Anders  dagegen  die 
neueste  Monographie  fll>er  Oilherlus  Forretanus  (A.  Herth^ud,  Gil- 
bert de  la  Porree  et  su  phllosuphie  .  Poiticrs  181*2) ,  eine  wenig  gründ* 
liclie  Arbeil ,  die  nicht  einmal  Hard^nhewer's  genaue  rntersuchungen 
Ober  den  über  de  causis  kennt  und  inffilge  dieser  Unkenntnis  sieb  vergeb- 
liche Unhe  mucbt ,  die  Redaktion  dvsseltien  dem  Bischuf  von  PoiUera  zozu- 
weisen.  Berthuud  (a.  a.  Ü.,  S.  Ul)  ünJi^t  in  gewissen  Stelleu  des  Anli. 
claudian  den  Heflex  der  I^bre  des  liber  de  causi^,  uliein  er  unterl&fit 
ejt  wohlwei><lJch ,  diese  genauer  anzugeben.  W'ua  er  als  den  Inhalt  des  Anli- 
rlaudian  beiieichnct^  ist  vAlhg  unr-utrefTend- 


V.  Abschnitt.     Theologie  oder  Lehre  von  der  Gottheit.  141 

Darstellung  '),  ein  poOtiselios  Verfahren,   welches  mit   der  Lehre 
des  Philosophen  nicht  verwechselt  werden  darf. 

c.  Gott  hIs  cuush  HmiÜH. 

Die  dritte  Art  der  Ursächlichkeit,  welclie  Gott  den  Dingen 
gegenüber  zukommt,  ist  die  der  causa  finalis.  Gott  ist  die  Final- 
ursaclie  der  Welldinge,  indem  er  das  Sein  derselben  crhrüt, 
ihnen  eine  bestimmte  Gren/c  des  Seins  setzt-).  Er  ist  femer 
causu  iiiuilis  als  das  Ziel  des  Strebens  aller  Kreaturen,  der 
vernünftigen  wie  der  unvernünftigen.  Alles  strebt  nach  der  Ein- 
heit als  seinem  obersten  und  letzten  Ziel  und  dadurch  nach  der 
göttlichen  Monas,  von  welcher  die  geschafifene  Einheit  stammt ^). 
Bei  den  unvernünftigen  Geschöpfen,  bei  den  Tieren,  Pflan- 
zen, bei  den  unbelebten  Gebilden,  wie  den  Steinen,  äußert  sich 
dieses  Bestreben  darin,  daß  sie  die  Einheil  ihres  Wesens  zu  er- 
halten suchen  und  von  Natur  aus  jeder  Teilung  und  Trennung 
sich  widersetzen^).  Den  vernünftigen  Kreaturen  dagegen,  den 
Engeln  und  den  Mensclien,  wohnt  nicht  bloß  dieses  natürliche, 
unbewußte  Streben  nach  der  Gottheit  inne;  vermöge  ihrer  Ver- 
nunft erstreben  sie  Gott,  ihren  Vater,  in  bewußter  Weise,  durch 
Erkeimlnis  und  Liebe,  durch  die  Richtung  aller  Thätigkeiten  aut 
ihn,  als  das  Ziel  ihrer  eigenen  Glückseligkeit  und  als  den  Ge- 
genstund  ihres   höchsten    Lohnes  ').     Noch    in    etwas    anderem 

')  Vgl.  auch  ob?n  S.  HH,  Anni.  2. 

-')  Anlicl.  'iSb  A :    Finalis,  in  esse 

Dum  rem  conservans  certo  sub  fine  coarcbis. 

'')  Ke^;.  5,  (>2ö  C  :  omnem  rem  ah  illa  esse  monade  in  eu  ,  quud  una 
nunicru  est;  et  sie  sola  monas  est  alpha  et  ome^a  ,  omniuiu  rerum  princi- 
piuin  et  linis  .  .  .  Oninia  etiam  teudunt  ad  unum  i.  e.  ad  supremum  finem. 
Der  letztere  Sil tz  ohne  die  erklärende  Beifügung  findet  sii-h  wörtlich  in  Gun- 
disulvTs  über  de  unilate  (ed.  Correns,  S.4,lti — 11):  ideoomniaud  unum  ten- 
dunt)  und  hat  seine  Quelle  in  Boethius  (consul.  111,  prosa  II,  eü.  Peiper, 
S.  8U,  V.  102):  Omnia  igilur,  inquit,  unum  desiderant.  Er  ist  hei  Gundi- 
saivi  zwischen  die  S.  liU,  Anm.  2  angeführten  Stellen  aus  Avencebrol's 
Föns  vitae  eingeschoben. 

*)  Ebd.  62;')  D:  Irrationalis  enim  crealura,  de  qua  minus  videretur,  ut 
hruta  animalia,  imo  insensata,  ut  herhae  et  arbores,  et  etiam  inaniinata,  ut 
lapides,  naturaliter  ad  unum  tendunt  et  in  quantum  possunt,  sectioni  et  di- 
visioiii  resistunt  Der  Passus^giebt  kurz  die  von  Boethius  (in  Gonsol.  111, 
prosa  11,  ed.  Peiper,  S.  78  ff.,  v.  30—78)  vorgetragenen  Gedanken  wieder. 

^)  Reg.  ti,  627  A :  Ex  fine  igilur  sola  ratiunalis  crealura  bona  est,  quae 
nun  Eoluni  naturaliter  ad  deum  lendit,  verum  etiam  ipsum  tamquam  patreir 


112  Alanus  de  Insulis. 

Sinne  bezeiduinl  Alanus  die  Goltiieil  als  die  causa  flnalk  dpr 
Dinge.  Insolrni  riäriilidi  alle  Dinge  die  Teilnahme  an  dvr  gölt- 
litlu-n  CJütc  zürn  Ziel  und  Zwecke  Jiabrn,  ist  dii*  bonitus  dei 
iiiri*  Finalnrsaclie ').  Inloli^c  dessen  sind  auHi  alle  Dinge  gwl, 
soweit  sie  sind-).  Sie  haben  alle  ilireti  L'rspruntr, jla.s  Sein,  aus 
der  höclislen  Gütc^.  Wfihrorid  aber  die  unvemünlligen  Geseliöpre 
nur  ^ul  sind  ab  alpha,  nur  durcli  ihren  llr-spruni?  an  der  ^'öU- 
lielien  Ciüiii  paHicipieren.  iM  dit^  vernfuiUrtre  Kreatur  gut  ex 
alpha  ul  ameij'a  oder  ex  line.  Sie  nimmt  nicht  blot  au 
der  gfitl liehen  (tülf*  Teil  dun-h  flir  natürliches  Sein,  sondern  sie 
erelruht  diescihr  aurli  in  li^i-kenulni^  mnl  Liebe  als  ihr  lelzleü 
Ziel'L 

Die  philosophisclie  tiotleslehre  des  Alanus  do  Insu- 
lis  umtaiat  alle  wesentlichen  y*nnkte  nnd  Krajrcn.  welche  von 
iler  Scholastik  des  12,  Jahrliunderlsi  behandelt  zu  weixlen 
pnegten.  In  knapji  fonnuliertcn  SitlziMi,  in  ebenso  kum  gehaltL*- 
nen  Syllogismen  werden  di<'  Haupllehren  Ober  Gottes  Da><'iii, 
sein  Wesen  und  sein  V'erhfdtnis  zur  Welt  vorgeführt.  Der  Ma- 
gister zieht  auch  hier  die  Summe  aus  den  Bestrebungen 
seines  Jahrhunderts.  Neben  Pseudo-Dionysius  ist  vor 
allem  Koelliius  tonant'ebeiid.  Pytiiagoreisierende  Ideen 
spielen  bei  der  Spekulation  über  Gott  und  seine  Dreipersönlich- 
keit eine  hervornigende  Holle.  In  den  Beweisen  für  die  Trini- 
tät,  in  der  Ableitung   der  I3es!iimnijn^en  des   göttlichen  Wesens 


viLae  nioribus  colit ,   et  mentis  inlclligcntia  recolU  et  Loto  charitalia  nisu  ,  ut 
sibi  (Ictur  in  ]iiacm{uin.  |>etit.    Vgl.  A.  t,  II,  b,  4«i6  B:  II,  15.  tU)8  A. 

')  Reg.  tilf.  (K>li  B :  ]|r»a  autent  vuluntal«  tiuctus  oninia  fecit,  et  ita 
i'umi'libet  rei  finalis  causa  Itonitas  dei  est,  et  ita  ({uodtibet  Uonum. 

')  He^i;.  I>8,  H54  l^:  Oniniii,  imiuantuni  Hiifit ,  Itun»  üunL  Diese  Hegel, 
liie  van  vielen  geletirt  al>er  von  wenjf^en  verstanden  werde,  wie  Alnnu»  he- 
merkt,  bildet  das  Thema  rles  Itoi'lhiunisi-hen  über  iIp  liebdomadibas  oder 
nquoTnudo  substantiae  in  eo  qunil  sint  bonae  ^^tnl,  cum  nua  sint  subsLantiali« 
bona-  (ed.  Peiper,  S.  ItiS  ff.).    Vgl.  A.  f.  11,  2,  i»5  C. 

')  Heg.  rS,  6ÖÖ  C:  Omnia ,  inquantum  sunt,  habenl  esse  a  re,  cuius  est 
üiummu  ttonita!f.  Et  ul  expressius  dicatn ,  bitbitus  essendi  a  bonu  principio 
[yniedicalur  in  hnc  propositione. 

*)  Heg.  6,  (>'Jti  D  :  Kl  sie  omne  creatuin  aul  est  bonum  ab  alpha,  i.  e. 
iiaturaliter  particeps  est  bonitatis  et  hoc  Imhcl  a  stio  utKlore ,  aul  ex  alpha 
et  omega  ,  ut  rnlionalis  rreatiirii ,  quae  ad  heatiludinem .  <(aae  finis  esl  oni- 
niurp  rcrum.  (endlL    Siehe  S.  141,  Anm.  b. 


V.  Abscbnitt.    Theologie  oder  Lehre  von  der  Gottheit.  143 

aus  Begriffen,  in  der  Construktion  der  wichtigsten  Glieder  der 
geschaffenen  Welt  auf  gleichfalls  deduktivem  Wege  koinuit  der 
für  das  12.  Jahrhundert  charakteristische  Zug,  alles  zu  dedu- 
zieren, zum  deutlichsten  Ausdruck.  Von  direkten  aristoteli- 
schen Einflüssen  sind  die  Ausführungen  des  Scholastikers  noch  frei. 
Zwar  wird  der  Begriff  des  unbewegten  Bewegers,  die  Fassung 
der  Gottheit  als  immaterieller,  absoluter  Form  verw^ertet,  allein 
diese  aristotelischen  Reminiscenzen  entstammen  der  alten  boö- 
Ihianischen  Tradition.  Ihre  volle  Bedeutung  erhalten  sie  erst 
im  folgenden  Jahrhundert,  wo  auch  die  Gotteslehre  durch 
Einh"ilirung  der  Begriffe  der  aristotelischen  Metaphysik  ein 
äußeres  aristotelisches  Gepräge  erhält.  Ihre  Grundlage  bilden 
freilich  -  und  hier  noch  mehr  als  auf  irgend  einem  andern 
Gebiet  —  die  an  Pseudo-Dionysius,  Boethius,  Augüstiu 
sich  anlehnenden  Spekulationen  der  Vorzeil.  Mit  Ausnahme 
d<T  Trinität,  welche  aus  dem  Kreise  der  philosophischen  Gottes- 
lehre gänzlich  ausgeschieden  und  der  Vemunflerkenntnis  ent- 
zogen Avird,  werden  innerhalb  des  Rahmens  der  rationalen  - 
Theologie  im  ['^.  Jahrhundert  im  Wesentlichen  die  gleichen  Fra- 
gen und  Gegenstände  behandelt,  allerdings  mit  ungleich  größerer  ; 
Breite,  Gründlichkeit  und  Tiefe  und  in  der  Sprache  der  aristo- 
telischen Terminologie. 


Autorenregister. 


145 


Hugo    von    Rl.    Victor   G.  8.  14.  34,'. 

42,8.  44,3.  4G.  50,1.  i)&  f.  70,4.5.  75,3. 

8?,I.  84,'>.  96.Ö.  105.  H)7,ß.  111.137,1- 
Johannes  Uamascenus  122,3. 
Johannes  Saresberiensis    11,4.  14.  19. 

23.     25,1.    34,1.'  40.    42.    44,1.    52,6. 

r)5,4.5.   r)8,3.    01,2.  C4.   Gß,  70,5.  82. 

!U,2.  94,4.  134,2. 
Johannes  Scotus  Eriugena  9,1.  13.  27. 

.%.  fto.  92  f.  121,7.  127,4.5.  13:'). 
Isaak  IsraPli  50. 
Isaak  von  Stella  13,9.  91  f.  lOT». 
isidoiuB  4(j,l.  .*>0.  72,3.  74.3.  137,1. 
Lactantius  lt.'>. 
Hacrobius  54.  85,G. 
Marlianus  CapeÜa  7.  1(>,2. 
Mercurius  siehe  Hernies  Trisinegistus. 
Biloses  Maimoniüeis  11. 
Nicuntachus  75. 

Oilo  von  Camhrai  45,2.  W.  lO;".. 
OriKenes  96,5. 
Otto  vor.  St.  Blasien  2,1. 
rapia»  42.    45,2  f.   TA  7(»,.5.  72.3.  88,2. 

tu  ,2. 
Petrus  Comeslor  11,5.  50,1.  70,5.  97,4. 
Petrus  üamiani  34,.5. 
Petrus  Lombardus  ll/i.  27,1.  45.  50,1. 

G75.    72,3.   96.11.    107.    10!t,5.    120,1. 

130,2    131,3. 
Petrus    Piclaviensis  34,1.  40.  45,2  f. 

ri*),l.  57,2.  107,2.4. 
Philo  34,r..  M. 
Plalo    9.    43,2.    48.   iü.  70.  80  f.  96,5. 

93.  103,1.  lOH.  137.  139. 
Porphyr  10. 
Priscian  54. 


Proflus  99. 

Pythagoras  75. 

Radulf   de   I^ngo  Canipn  10,2.3.  75.2. 

93,5. 
Remigius  von  Auxerre  IIA  40,1. 5<\1. 

128,1. 
Rhabanus  Maurus  11,5.  50.  96. 
Richard  von  St.  Victor  8.  27,1.  31,1  f. 

45.2.  Kft.  111. 
Roberlus  PuHus  50,1.  107,2. 
Holand  ."U. 

Schedel  Hartmann  2,3. 

Sedulius  Scotus  115,4. 

Spinoza  27. 

Stoiker  56.  70.  81.  96,5. 

Thierry  von   Chartres  8.  14   47,1.  6(J. 

70.  80,2.  112.  114.  124.  120.  131. 
Thomas    von   Aquin  22.   :U,1.  38  42. 

44  f.    63,3  f.    (»,9  f.    72.3.  90.  109,5. 

111.1.  117.  119,1.  12-».3.4.  124,1.  l.S.\2. 
Trithemius  2A 
Vigilius  Tapsensis  117. 
Vincenz  von  Beauvais  101,3. 
Virgil  99. 

Walther  von  Sl.  Victor  50,3. 
Wilhelm  von  Auvergne  22. 100,1.  114,1. 
Wilhelm  von  Champeaux  25. 
Wilhelm   von  Conches    0.    9,1  T.    14. 

I8-20A  39.   44.1.  49  f.    04.  06.  70. 

75.3.  78.  80,2.    82,1.   83  f.  l^2,3.  M. 
J>6,0.  104,1.  107,2.G.  131. 

Wilhelm  von  Occam  38. 

Wilhelm  von  Saint-Thierrv  Iit,3.  50.3. 

84,5.  88,2.  91,2.  94,4. 
Wolff  27. 
Zeno  10,3. 


Die    im    Verlage    der   lMkea4«rfschen    Buchhandlung    in 
MiHter  L  W.  tascfaeinende  SamniluDg  von 

DaistellTingeiL  ans  dem  GeMete  der  niclit- 
tiltristiliclLen  Eeligioiisgescliiclite 

•aeilt  sich  :ur  Aul'ipibe.  die  Ergebnisse  der  religionsgeschichüichen 

Korscüüiij^  untrer  Tjge  den  «rKseo^chaillich  Gebildeten  zugäng- 
leii  'tL  -.iiacheii  und  d«;u  ^tu«Üreu«ien  zum  Weitersludium  auf  dem 

l>tfirvileiideti  iiebitfie  das  nOtige  Material  an  die  Hand  zu  geben. 
I>t'in    .Cusaniuiefibaiig    fwischen    R^igton.   Geschichte    und 

<.:uatn  «;t^i  ^««e  iK^ntiere  Beachtung  schenken  und  auch  diejc- 
ii^«ii  '*^-.*x^  ^tvr•ll  iie  nivhtcfaristitchen  Glautiens-  und  Cultus- 
o>u.<.ii  v -^^  v'v^-K*  u  ludeiitum  und  Chnstentura  darbieten,  ge- 
>v,ii.w^^.  vk^^'-i'vuM  jte^^u.  ;edtM:h  wüIkürUche  Deutungen  und 
...j,.u..v9v     '.>»<HV4««kt\Hw«t  ^uiiisut^iich  Temieiden. 

.     v.>*x     :v«-    M    Aussteht  genommenen  [>ar5tennngen 

«    ;«.       ■         .-.    Ax: -:^^.^^v■^     *\i(t.\-      Ut   :£%cä    bÜdeO. 

>is      V  .:s.-,s<^«     <'h«>.   Kr^'tie*neus   richtet  sich  nicht  nach 
.\\)\«     "^.ix;    t\«   NtKuiutut)^   %-m  ^m^n  abgegeben. 

IMMI*  iMi4   »riTWilU    4»r   alfrNi    «MmnaumL    \\r   Dr.  IL  Mogk, 

ü>WSr*NI*»S**«^**Ä#r.  Vvm  Lh-.  W.  Schneider.  Padeffoom. 

»••I^rtal  *»  Wtawr.    Von  Dr.  Erail  Aust  in  rrankfurta.M. 

»I»^»  *»  ^ir«w^llWL    Von  Dr.  Paul  Wetzel,  Gvmnasial- 
ObMMrer  in  Breslau. 

i  MIltM»»:  l  Teil  C«iAieiu  »d  seiie  Lehre.  - 
U,  Tfü.  IiM-tse  ud  der  Tmisbu.  Von  Dr.  Rudolf 
lltorak.  Professor  a   d.  k.  k.  böhm.  Univere.  Prag. 

^      iu  Av«t*  von   Dr.  W.  bang.    Professor  an  der 
DlliilL  Löwen. 

r  BabyUu'er   and    Assyrer.      Von  S.    Arthur 
M.  A.  in  Cambridge. 


Darstellimgeii  nii8  dein  Gebiete  der  nichtchrist- 
llclien  Religions^eschlclite^ 


Erschienen  sind  bislier : 

Band  I:  Der  Butldhismas  Dach  Ulteren  PAIi -Werken.  Darge- 
stellt von  Dr.  Kdmund  Hardy,  ao.  Professor  an  der 
Universität  Freiburg  i.  B.  Nebst  einer  Karte  „Das  heilige 
Land  des  Buddhismus".  V'III  und  IfiS  Seiten.  Preis  ge- 
heftet Mk.  2,75,  gebd.   in  I.einwancJband  Mk.  3,50. 

Band  11 :  Volksglaube  uud  religil>8er  Urauch  der  SQdfllaven. 
Vorwiegend  nach  eigenen  Kmiilllungen  von  Dr.  Friedrich 
S.  Krauss.  XVI  u.  110  H,  Preis  geheftet  Mk.  3,  gebd. 
in  Leinwandband  Mk.  3,75. 

Band  III:  Die  Keli^inn  der  alten  Ägypter.  Durgestellt  von  Dr. 
A.  Wiedemunn.  IV  ii.  170  S.  Prois  geheftet  Mk.  2,75. 
gebd.  in  Leinwandband   Mk.  3,50. 

Hand    IV :    Volksglaube    aud    religiöser    Brandt    der  Zigeuner. 

Dargestellt  vun  Dr.  M e i  n r i c  li  v.  W 1  i  s  1  ac k  i.  XV I  ii. 
184  S.  Preis  geheftet  Mk.  3,  gebd.  in  Leinwandband 
Mk.  »,75. 

Band  V/VI :  Die  Religion  der  afrikanischen  Natarv51k«r.  Darge- 
stellt von  Dr.  W.  Schneider.  XII  u.  284  S.  Preis  geh. 
Mk.  4,50,  geb.  in  Leinwandband  Mk.  5,50, 

Band  VII:  Mobanmed.  LTeil:  Das  Leben.  Von  Dr.  H.  Griunne, 
Professor  an  der  Universität  Freiburg  i.  Schw.  Mit 
Plänen  von  Mekka  und  Medina.  XII  u.  168  S.  Preis  geh. 
Mk.  2,75,  gebd.  in  Leinwand  Mk.  :i,50. 

Band  VIII:     Volksglaube   und  religiöser  Brauch  der  Magyaren. 

Von  Dr.  II.  von  Wlislocki.  XVI  und  172  Seiten. 
Preis  geh.  Mk.  a,  gbd.  in  Lwbd.  Mk.  3,75. 
Band  IX/X:  Die  veilisüh-brahmanische  Periode  der  Religion  des 
alten  Indiens  von  Dr.  E d m und  1  lu r d y,  ao.  Professor 
an  der  Universität  Freiburg  i.  B.  VIII  u.  250  S.  Preis 
geh.  Mk.  4,  geb.  in  Lwbd.  Mk.  5. 

Band  XI:  Mohammed.  II.  Teil:  Einleitung  in  den  Koran,  System 
der  koraniscben  Ttieologie.  Von  Dr.  II.  Grimme,  Professor 
an  der  UniversitAI  Freiburg  i.  d.  Schw.  XÜ  u.  188  Seiten. 
Mit  2  Ansichten  der  Städte  Mekka  und  Medina  in  Licht- 
druck.   Preis  geh.  Mk.  3,50,  in  Lwbd.  Mk.  4,25. 

Band  XII:   Chinas  Religionen.    I.  Teil:  Confnclus  nnd  seine  Lehre. 

Von  Dr.  Uudolf  Dvo'räk.  Professor  der  orientalischen 
Philologie.  Vin  und  244  Seiten.  Preis  geh.  Mk.  4,  in 
Lwbd.  Mk.  5. 


Verlag  der  Aschendorffsctien  Buchhandlung.    Monster  i. 


Baeuraker,  Cl.,  Prof.  Dr,,  Das  Problem  der  Materie  in 
der  griechischen  Philosophie.  Eine  Iiislorisch-kriti- 
st-lic  rntcrsiicliiint:.     XVI  n.  i:U\  Srilen  pr.  H.      t:2  M, 

Liter.  Cenlmlhl.  Lelpzlir.    Da<^  Wei-k   ist  eine  golelirto,   durclutu« 

selbslfl  ndige  A  rbej  t,  «Jie  nirgt-uiU  iiuT  der  <)  licrflAclie,  weder  iu 
iler  (lesrhii-hllichet)  Fursdiuiig ,  noch  in  der  ßeurteiliini;  bleibt,  uuf  «los 
Wcsenllirhp  stet»  duä  Auijeimierk  richtet  und  sich  in  EinzeliiuterBucliuiigfn 
.  .  .  nicht  verlierl. 

Liter.  Oiili-albl.  Wloii.  W.is  das  vortiegetide  Werk  wII-kI  bftrilTl,  w» 
(TsciHMiil  es  als  piiii>  wissensehöfllirhp  Lftistun^'  ersten  Unn^^eit. 

ZeltHchrin  fUr  lMilIoso|d)l<'.  Ilallp.  Iriler  den  neupslen  Kiir>rliung*n, 
wt'lrtie  die  antike  IMiilnsopliiL-  hetrelTen,  ist  das  vorlieg'*nde  Werk  «irbun  wr- 

f;en  der  W:tbl  seinen  ÜlülTt-s  hL'mifrkenswerl ,  dessen  zusammenbringende 
>»irslellun},'  st-hun  lnii(i;e  niri  Ueilurrnis  war.  Die  l'nttTsueliung  beruht  Jiuf 
yrrindlicher  Hrherrsrhurit'  de«  MJllori:^l^i  und  einplieblt  •a'wU  besonder«  dundi 
die  eini;eliende  .inulytiiJi-he  Liehundhing  ,  der  es  die  verschiedenen  Kasüunupn 
ile-s  Prcdileiiiü  uuleizieht  ,  .siiwie  tJundi  tljis  Be.-ttrebtMi  nacli  geneiischcni  Vter- 
sbin'inis  ileryelhen  vertnillelsl  d-r  Auf'vveisung  der  für  sie  in  den  vurange- 
|j;.int,'ent'n  Lelsluii/cn  luitivirk'^iinien  Momente. 

Nene  phlluloitr.  Iliiniisrhfiii.  <<otlm.  Das  vorliegende  Werk  dc<:  Brcs- 
laiUN-  (t*'l<'t!iti'i]  luil  diu  Hfilall,  tliMi  i's  ullseitijr  gefunden,  uti>eres  Kmrblen- 
viilliuif  verdicnl;  suwuhl  A'u^  '.'I^cnHifhc  piiüosophiiH'bc,  toxlkritiscbi».  wie  dir 
darnuf  aufbimende,  gest-liit-htliche  und  pbil(>äopbi»(.-be  llnler<>uchuiit'  und 
Wflribi^iMit,'  des  ^tewunnenen  Materials  ist  tdicnso  zu  rühmen  .  wie  die  :in- 
Sfhaidl'-be ,  viin  nllen  filiertlfissigen  Krenidworlen  und  jirunkpiiden  l'hra*-cn 
freie  Dan'teUung  .  .  .  Das  Werk,  (bis  in  w^eiteni  rmfin^e  die  neuei^t«  Litt«r;i* 
tur.  Helbst  bis  auf  kleinere  Arbeiten  hcrub,  henieki>itdilit{t,  wird  in  den  Fach- 
kreisen sich  jcdenfulls  bald  einhOrKern. 

Stimmen  »us  Marlu  Laavli.  Mit  Fleiss  und  Scharfsinn  forseht  der 
Verfasser  nsth  den  AutTasjsun^en  dfir  versehiedenen  Schulen  in  ilen  Werten 
und  ItesliMi  von  Werken  ilircr  Hiiu|ilverlreter.  Ohne  dass  diidunit  der  Khiss 
cter  Darstellung  ins  Stnuen  t^eriete ,  bietet  das  Werk  doch  die  reichste  Fülle 
krili-'4(-heri  Material!«  und  ernu^x^'^hl  es  so  liein  l^ever,  durch  eigene  Prüluug 
sich  ein  ?elb>trindiges  l'rLeil  zu  hilden.  (iclegentüche  Blicke  auf  die  neueren 
S<-hnlen  und  kurze  Vei^deiehe  aller  Auffasisiungen  mit  modernen  Ideen  ei^ 
hohen  das  Anziehende  der  Dan^lellunt'. 

Plillos.  Muiintshelte.  Ilehlelhcrs:.  ...  Mil- dipsen  Bemerkungen  müsse« 
genug  sfin.  Ki"<nnen  sir  den  reichen  Inhiill  des  Buches  hei  weitem  nirhi 
er.*<rhiVpfpn,  so  milgen  >ie  doch  den  Zweck  erfdllen,  zu  eingehenderer  Prüfung 
hier  und  da  anzureycii.  Die  sorgfältige  !^usiinuiiuntragung  dea  JHuteiiul»  ver- 
dient aid"  hUp  Källe  den  Dank  aller  für  den  Gciten><tHn'r  Interessierten  und 
verleiht  dem  Werke  einen  Wert,  der  von  der  detinitiven  Ealscheidung  ril»er 
eine  Beihe  streitiger  Einzcllragen  unabhätiyig  isl. 

Zeltsehrllt  für  kulh.  Theolojzlo.  Innsbnit-k.  (Clemens  ßaeumker 
bietet  in  der  vorliegenden  liislnriscli-kritischea  L'ntcrsuehuni:  zum  enslen  Male 
eine  die  Ge8amtenlwit:kelung  im  Zugatutuenhange  verfolgende  DarsteUuiig 
des  Problems  der  iMalerie  in  der  grieehi.schen  rhilojiopbie.  Da  iler  Beg^rilT 
der  Materie  von  fundaitieiitaler  Hetienlung  is*t  für  die  Nalnrpbil<tsophie  und 
von  hier  aus  tief  in  andere  Diseiplinea  und  nicht  am  wenigsten  in  die 
Theologie  eingreift,  so  dürfte  dieses  Werk  auch  in  Iheologischen  Kreisen  ein 
besonderes  Interesse  erwecken,  das  es  nuch  reichlich  belohnen  wird.  Denn 
allseitige  Beherrschung  des  immensen  SlofTe^.  verbunden  mit  gt^nauer  Kennl- 
uis und  umsichtiger  Benutzung  aller  bezüglichen  Arbeiten  neuerer  (jelehrtea, 
grosser  speculaliver  Scharfldicic  und  ver.'^trtndni^rnlle.«  Ein'^eben  auf  die  Ideen 
der  alten  Denker,  dnzu  reiche  Kenntnisse  in  allen  ein?>cblilgigen  Wissens- 
zweigen haben  eti  dem  Veifas^er  eruiüglif^rht,  t<«ine  po  schwierige  Aufgolie  im 
'lanxen  gbinzend  zu  If^scn  und  die  Wiäsenscbalt  mit  einem  Werke  von  bü- 
hem,  dauernden)  Werte  zu  bereiibern. 


BEITRÄGE  ZUR  GESCHICHTE  DER  PHILOSOPl 


TEXTE  UND   INTERSIICHIINGEN. 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


DR.  CLEMENS  BAEUMKER. 

O.   ö.   FBOFESSOB   AN   DER    UNIVERSITÄT   BRESLAU. 


UND 


DR.  GEORG  PRETH.  VON  HERTLING, 

O.  ö.  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


BAND  IL    HEFT  V. 

DR.  AI.BINO  TVAGY,   DIE   PHILOSOPH tSCHE»f   ABHANDLÜNGEI»*- 
DE8   Jä'QÜB   BEN   ISHÄQ    AL-KINDI.     ZUM  EBBTEN   wat.e^ 

HERAÜSOEGEBEN. 


-^»^OPÄftVC^«'^- 


MÜBfSTEB  1897. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFFSCHEN  BUCHHANDLUNG. 


DIE 

PHILOSOPHISCHEN  ABHANDLUNGEN 


DES 


JA'QFB  BEI  ISHÄQ 

AL  EINDI. 


ZUM  ERSTEH  MILE  HERIUSGEGEBEN 


VON 


Dr.  ALBINO  NAGY. 


*:'-NKD'>*^**fe^XI>r^=« 


Abr 


VJ.. 


MturSTSB  1897. 

DRUCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFFSCHRN  BUCHHANI)LUN(^ 


Einleitung. 

1.  Arabische  Originaltexte,  —  H.  Die  lateinischen  Übersetzungen.  — 
III.  Der  Traktat  de  intellectu*.  —  IV.  Der  Traktat  ,de  somno  et  uisione". 
—  V.  Der  Traktat  „de  quinque  «sentiis**.  —  VI.  Der  ,liber  introductorius  in* 
artem  logicae  demonstrutionis".  —  VII.  Die  handscbrifthcbe  Überlieferung 
un<]  die  vorliegende  Ausgabe. 

I. 

Die  vier  nachfolgenden  Abhandlungen,  welche  bis  jetzt 
uncdiert  geblieben  waren,  werden  dem  arabischen  Philosophen 
Ja*qub  ben  Ishäq  al-Kindl,  *)  der  im  neunten  Jahrhunderte 
n.  Chr.  lebte,  zugeschrieben;  und  zwar  werden  die  drei  ersten 
als  von  ihm  verfaßt ,  die  letzte  als  ein  von  seinem  Schüler 
Muhammad  zusammengesetztes  Buch  angegeben. 

Wir  haben  genügende  Gründe,  um  die  beiden  Schriften 
^tle  intellectu"  und  „de  somno  et  uisione*^  als  authentisch  an- 
zusehen. 

Dafür  spricht  zunächst,  daß  die  Titel  derselben  in  den 
Listen  der  Werke  al-Kindl's,  welche  uns  Muhammad  ben 
Ishäq  al-Nadlm,  ihn  al-Qifti  und  ihn  abi  U§aibi'a  über- 
liefert haben,  sich  vorfinden.  Der  Titel  der  Schrift  „de  inteUectu" 
lautet:  ^) 


')  Quellenangaben  in  meiner  Note:  S^le  opere  di  Ja^gäb  ben  Ishäq 
al-Kindi  in  den  Rendiconti  della  R.  Accademia  dei  Lincei.  Vol.  IV,  fascicolo 
3,  1805.    Eine  zweite  (Schlufi)  Note  wird  bald  erscheinen. 

>)  Ebendas.  S.8,  n"  20  (al-Nadim  n»  22,  Qifti  n*  15,  I.  a.  U?aibi'a 
n"  20)  Casiri,  B.  I,  S.  SrS:  de  intellectus  essentia.  Flflgel,  Alkindi,  S. 
21:   Abhandlung  über  das  Wesen  der  Vernunft  und  die  klare  Enlwickelung 


VI  Al-Kindfs  pfailowphtscbe  Abliuid langen. 

Ki£.    Kii^^L     Übt.'    <LhJwC      ^    v^Lw... 
„Üendnehrtiben  über  da»    Weisen  den  IrUeUeJä-is  und  neine  Auineimim' 
dersetzung'* ;  der  des  Traktates  „de  somno  et  umone" :  *) 

„Abhandlung  über  die  L'nsache  des  Schlafes  und  des  Traumes  umd 
[über  das]  was  die  Seele  in  ihm  anzeigt  (eig.  einen  Wink  mit 
den  Äugen  gibt/. 

Zweitens  wird  in  der  Liste  der  Bücher,  welche  Gerhard 
von  Cremona  aus  dem  Arabischen  übersetzte,  ein  Über  iacob 
alkindi  de  soptio  (für:  st'.pno)  et  uisione  —  nä)st  dem  Liber 
Mindi  de  quin^ue  essentiis  —  ausdrücklich  erwähnt.  *) 

Drittens  stimmen  die  Überschriften  der  ältesten  noch  er- 
haltenen lateinischen  Handschriften  mit  den  arabischen  Titeln 
vollkommen  überein.    (VergL  S.  XV,  XXU.) 

Was  viertens  die  inneren  Gründe  anlangt,  so  ist  unleugbar, 
daß  die  fraglichen  Aufsätze  alle  die  charakteristischen  Merkmale 
an  sich  tragen,  welche  Zeit  und  Ort  ihrer  angeblichen  Entste- 
hung uns  erwarten  lassen. 

Schwieriger  verhält  sich  die  Sache  mit  den  zwei  übrigen 
Abhandlungen. 

In  den  Registern  von  al-Kindl's  Werken  findet  sich  der 
Titel:  ») 

„Das  Buch  seines  Sendschreibens  über  die  fünf  Worte" ,   welcher 


dessen  was  sie  ist.  Hammer,  Literaturgeschühlf,  B.  III,  S.  243:  Das  Buch 
von  der  Wesenheit  der  Vernunft  und  ihrer  Auseinandersetzung.  —  Ein  Dop- 
pelgänger   ißt  der  abgekürzte  Titel  n"  2ll>:  JJuJi    j*i.    ^    tü^Sl^j    ^JjJ" 

(al-Nadlm  n*  181,  Qifti  n"  156,  I.  a.  U?aibi'a  n»  207),  Flügel,  S.  31: 
Abhandlung  über  das  Wesen  des  Vorstandes  (ües:  Verstandes).  Hammer, 
S.  S48:  Abhandlung  von  der  Vernunft.  Casiri,  S.  356,  col.  1:  de  intellectu. 
>)  Sülle  opere  di  Ja'qüb  ben  hhäq  alKindi  S.  14,  n"  202  {Fihrist  n*  169. 
Qirti  n'  143,  I.  a.  U^aibi'a  n"  194).  Flügel.  S.  31  n"  188:  Abhandlung 
über  die  Ursacbe  des  Schlafes  und  des  Traumes  und  über  das,  was  die  Seele 
gelieimnisvoU  anzeigt.  Hummer,  S.  248  n°  172:  Abhandlung  über  die  Ur- 
sache des  Schlafes  und  der  Trftume.  Gastri  S.  355  col  2:  De  somni  et 
aomniorum  cau!*a. 

')  Boncompagni,  Del/a  vita  e  delie  opere  di  Gherardo  Cnmonese, 
Rom,  1861,  8.  6. 

i)  SuUe  optre  etc.  8.  9,  n»  83.    Fthriat  n<>  29,  QifU  n<>  21. 


Kinleilung.  ^^^^V  VII 

bei  U^aibi'a  ')  erweitert  lautet: 

„Abhanfflung  über  die  fünf  jedem  Prüdikuwenk  zustehenden  Xamrn*', 
Casiri  ■)  und  Hammer')  bringen  ihn  mit  dem  aristoteli- 
schen Organon  in  ZLisamnienbang.  Der  erste  übersetzt  näm- 
lich: f,de  ffuinque  profdiatmeiitin  seu  de  Äristoteli^  Orffano**.  Der 
zweite  fügt  dem  Titel  die  Worte:  „d^js  ist  das  Onjanmi  d^s  Ari- 
^ffoteles"  hinzu.  Sie  geben  jedocli  keinen  (irund  dafür  an.  Wahr- 
scheinlich machen  sie  den  Zusatz  lediglich  svegen  der  ^>yy.u 
=  y.aTijyonini ,  die  an  das  gleithnaniige  aristotelische  Bucli 
erinnern.  Flügel  *)  setzt  ihn  mit  den  „tiuhtffw  iwces''  des 
Porphyrins  in  Beziehung.  Jedoch  augenscheinlich  mit  Unrecht, 
denn  die  Cbcrschrilten :  ■) 

^Abhandiung  über  die  zehn  Katef/orieti'^  und  ") 

„Aiiftzug  des  Buches  der  Einriyroyt]  des  Forphf/rtus'^  deuten  auf 
zwei  besondere  Abhandlungen  über  jene  Themen  hin.  An  Dop- 
pelgänger ist  kaum  zu  ilenkcn ;  denn  dieselben  befinden  sich  ge- 
wöhnlich entweder  pfanz  nahe  bei  oder  in  einer  gewissen  Entfernung 
von  einander.  In  uriserem  Falle  aber  sind  sie  als  Numero  S5, 
äO  resp.  32  eingetragen. 

Das    Wort     'U—I    (Plural    von    ^) ,     welches     Usai- 

bi'a,  vielleicht  um  die  Abhandlung  von  den  ubigen  schär- 
fer   zu    unterscheiden ,    statt    jjj\^    anwendet    ~    wenn   nicht 


*)  Usaibi*a  n*  31. 

')  Casiri.  S.  353  col.  2. 

••)  Hammer,  S.  213. 

')  FlOgfil.  S.  22  n"  3>:  ,Älihandluag  über  die  fflnf  Worlc  oder  Kalc- 
goreme  (rrädtcabiUen)'  —  und  in  der  Note  -18:  --  «].  i.  1.  -Tirpi  yhovs;  2. 
.iiqI  rXhovi  3,  -Tfpt  !itQq-ogns  4.  TtfQi  Idloi'  5.  .Tfpi  ovfißeßt}x6io^ .  Vgl.  des 
Porphyrius  Klnnyutyij  [tic  täc  'jQiattniß.ovi  xatfjyOQiacJ  .ttul  zmv  .tevtt  (foivösv 
(de  ijuinque  vocibus  s.  in  catcgorias  Ärislolclis  inlroiluclio)  d.  i.  Die  Porj^iiy- 
rioniscben  Prädikahilien  oder  die  rctnf  Namen,  die  jetler  der  zehn  Kategorien 
beigelegt  werden. 

»)  SuUe  opert  etc.  S.  9.  n"  2*  {Fthnst  n»  25,  QifM  n''  IH  .  U^aibi'a 
n"  27,  Flügel  n*-  28.  Hammer  n*  SiJ). 

■)  Suiie  optrt  etc.  S.  t)  n*>  3&  (U^aibi'a  nV23.  FUgel  ii*  25,  Ham- 
mer n"  23). 


VIII  Al-Kindrs  philoaophMrhe  Abliandlungen. 

einfach ,  wie  mir  höchst  wahrscheinlich  ist ,  «U-Äf  , Sachen* 
zu  lesen  ist  ^)  —  dürfte  sich  wohl  auf  das  benannte  Ding  be- 
beziehen.     Vgl.    K*^    =    .Natur*.      Dann   erklfirt  sich  gleich 

die  lateinische  fiberschrift  „de  quinqtte  ensentiit" ,  wenn  man  sie 
mit  der  Stelle  des  Textes  „Res  auteni  quae  sunt  in  omnibus 
substantiis,  sunt  quinque"  vergleicht.     Soviel  über  den  Titel.  -) 

Beachtung  vertlient  auch  ein  anderer  Umstand,  die  Stellung 
des  obigen  Titels  in  den  arabischen  Katalogen.  Er  findet  sich 
n&mlicb  unmittelbar  vor  dem: ") 

„Affhunälutiff  aber  (he  jtht/siurhe  Anhörung  {f/votnij  dxndfwtsjt'* 
Nun  werden  wir  später  sehen,  dali  die  Abhandlung  „de  quinque 
esBentiis"  in  der  That  hauptsächlich  Excerpte  aus  diesem  Werke 
enthält.  Demnach  kombiniere  ich  beide  Titel  32.  und  :J:3.  zu 
einem  einzigen,  in  dem  fJberschrill  und  Inhalt  der  Abhandlung 
angegeben  wird. 

Unmittelbar  vor  den  soeben  besprochenen  Titeln  steht  in 
der  Liste  der  Werke  al-Kindl's  der  andere:  *) 

„Kurze  und  zummmenge,ie(zie  Abhandlung  über  den  logischen  Be- 
weis*^ —  die  Bücher  vom  Beweis  sind  bekanntlich  die  äralvxtxa 


*)    Vergleiche    die     "l*-^!     :<..-»-^-     d*rr  Ihwän    aljaß   S.   27,   -und 
des  al-Ja'qübi  (Houtsma,   Chronik  dt*  Ibn   Wädih  al-Ja'qäbl,  Luiden,  1883. 

S.  14äj. 

«)  Der  Tilel   n"  8»    A>.lj    }S    Ujül'I    ,,,*-.»*j    U*3    ?aiL-*^    v^^ 

yffLjü'l  J\  rn* -^.i)  u:'l<  v-i"t  ^1  ^^  ^Abhandiung  über  da«,  was  die  Alttn 
ton  eitiftn  jeden  einzelnen  der  fünf  Kvrper  den  uraprünglidten  SHbatansen 
beilrgteu'^    —    darf    niclil    irreleiten.      Oau    Woit     ^\.»^^r^-A ,    Plural    von 

&    -   _   * 

***oc^  ist  ein  technischer  Ausdruck  fnr  die  geometrisclien  Körper.  Frey- 
lag, T,  1,  S.  278  col.  2:  .sülidus',  .terna  constantedimensione".  Dozy«  Sup* 
f^^ment^  T.  I,  S.  11)5:  ,en  relief  ...  T.  de  Mnthöm. :  solide,  corps  d  trois  di* 
meniiions''.  In  der  Vorrede  des  Hypsikles  zum  XV.  Buche  des  Kuklides  wer- 
den als  die  „quinque  curpora  (^s»%*..«Jir,|l  v:i;L.»^.y ♦.'!)"  Tetraeder.  Kubas 
u.  s.  w.  genannt  lin  Cod.  Budl.  279^  in  4".  Nico  11  S.  259  col.  2). 

")  Sülle  opereatc.  S.  9  n»  34(fVAW«(n'»30,  Qirti  n"  2A.  U^aibi'a  n»  32, 
Flügel  n"  33,  Hainmer  n«  31). 

•)  Ebenda,  n«  32  {Fihriat  n"  28,    Qifji  n"  22,   U^aibi'a  n»  80.  Flü- 
gel n"  31,  Hammer  n"  29), 


Einicilunfr* 

Ttgöie^a.  Das  entspricht  gewissermaßen  wohl  dem  Titel :  „libf-r 
introductorius  in  artem  loffictte  (iemonfttratimüs" ,  jedoch  soll  dieser 
von  seinem  angeblichen  Schüler  Mul.iammad ,  „Machomet" ,  zu- 
saiiimen^esttjHle  Lehren  cnlhaltcii. 

Wer  ist  dieser  Muhammad:' 

Der  Name  und  die  Angabe  ^Schrdef  al-KimUs"  ^)  dürllon 
wohl  auf  den  bemhmten  abü  Nasr  Muhammad  ben  Mu- 
hammad al-Fär;lbl  passen,  der  wirklich  längere  Zeit  in  BapdAd 
zubrachte  und  studierte ,  wo  al-Kindl  kurze  Zeil  vortifr  gelebt 
hatte.  Jedoch  stehen  dem  Bedenken  entgegen.  Al-Färfibi's  Bio- 
graphen berichten:')  ,Er  (ul-Farfibll  verließ  seine  Vaterstadt, 
in  welcher  er  aufgezogen  wanl,  und  kam  auf  seinen  Reisen  nach 
Bagdad;  nicht  nur  der  türkischon ,  sondern  auch  anderer  Spra- 
chen kundig,  verlegte  er  sich  zu  Bagdad  aufs  Arabische  und 
dann  auf  philosuphiöchc  Studien.  Uatnais  las  zu  Bagdad  der 
greise  Philosoph  abü-Bi^r  MalU  beti  Ji'mus  einer  großen  Anzaiil 
von  Zuhörern  über  Logik  ^)  und  diktierte  seinen  Schülern  den 
Kommentar  i^ber  siebzig  verschiedene  Bfinde;  in  seinen  Worten 
klar  und  einfach ,  so  daß  er  den  tiefsten  Sinn  mit  den  leichte- 
sten Worten  vortrug.  Einige  Gelehrte  sagen ,  daß  vorzüglich 
ihm  al-Farnbl  gleiches  Vt^rdienst  verdanke.  Von  Hagrlnd  bfgal) 
.sich  dieser  nach  llarrln,  wo  Juljanna  ben  ^Julian,  *)  der  christ- 
liche Philosoph ,  Logik  lehrte ;  von  HaiTän  zurückgekehrt  las 
al-Färfibl  über  philosophische  Wissenschaften ,  besonders  alle 
Bücher  des  Aristoteles  ergründende."  „Abü'l-Qflsim  Sa'Id  ben 
Ahmad   ben   *abd-al-rahman   ben   $a*ld    von   Cordova    sagt    in 


*)  Von  MubammHrl  bpn  Jazld  Dubais,  hd  welchen  BcrÜielol  {!.a 
Chimie  au  mayen  Age.  T.  IM,  Paris  18H3  S.  4)  denkt,  oder  van  dem  Muham- 
mad lien  Müsä  hen  Öäkir  (He  Sacy  Abdalla/if,  S.  487),  welcher  einer  seiner 
biUetsten  Feinde  nar,  kann,  wie  ich  meine,  kaum  die  Rede  sein. 

'/  kh  rohre  diese  Stelle  in  der  CberseLzuiig  H»mmer*s  an,  B.  IV. 
S.  288-289. 

')  Wir  besitzen  noch  abü  Bi£r  Malta's  tlborsctzung  der  Analylica  po- 
sleriura  und  die  KommenLare,  welche  al-Filräbi  ilarilber  ge^jchrieben  hat. 
Vgl.  Wenrich,  <U  ttuctorum  ffrarcorvm  vereionibus  u.  s  w. ,  Leipzig  lS-i'2, 
S.  132,  172. 

*)  Die  Transscriplion  ist  ansicher,  denn  der  Name  wird  in  den  Codices 
uhwankend   ,^i'^*i-     ^^y)jj^     O*^*^    geschrieben. 


i 


^'i:»'»    v'asät'".    ler  rhiiosopiiefl :   al-Färäbl   (der  Philosoph   der 

Hiiä4ii!-..:i       .>i-:'a^'.rwjse'     äTäcierte    die    Logik    unter   Juhanna 

xi      L.:-.-.      Ltr    ■'!  Soip'uld   unter  der  Regierung  des  Chalifen 

-.HU'.;-.:L'::r  ^'■^Jür.vu.     £r  leitete  alle  Bekenner  des  Islams  zum 

\;-.'  •  :       "^iumiiisH;   :er  L'?gik.  indem  er  die  Geheimnisse  der- 

7*.St  :      :•.»  .L.tt>    lad  :fnduterte.   und  alle  jene  Punkte  berührte, 

w'v-      .-.\:i!iÄ    ■eraaL-hiässigt   hatte,    und  die  Anwendung  der 

k::...  ^^     >n'.   ailf  vurionmienden  Fälle  lehrte.     Er  umfaüte  das 

^Äi:-.'.      \  5«<!>*.!iail:iohe    System    in   seiner   Aufzählung   und  Be- 

..'i;    uT  \\"s«:*?asi:harten.    Abu  Nasr  al-Füräbl  machte  sich 

■.:    Nue-'-'-^i   .'aiä  jveen  Namen  und  veriaüte  dort  seine  meisten 

\    -N        :aiiii    -eistt?  er  nach  Damaskus,   ohne  sich  dort  aufzu- 

'.  .:i.i.    iiKt    uii-h  .V^ypten.     Er  selbst  erzählt  in  seinen  Werken 

,;    :t .    Av»;iirtiinRskiuisl,  datj  er  zu  Bagdad  Werke  zu  verfassen 

\e.,i>uiKu  iitvi  dies*»iben  zu  Kairo  vollendet  habe." 

.ihtitiUtt  t^Ut  der  Studienaufenthalt  al-Färäbl's  in  Bagdad 
ii  Avu  Vriuit^  lies  zehnten  Jahrhunderts.  ■)  Dann  aber  ist 
-«.it^v4<Ka  vtrusuiietuneu,  daß  er  in  diesem  Zeitraum  in  Bagdad 
!.KSi<«MtiK-lt  den  aUKuuil  gekannt  habe.  Denn  derselbe  starb 
^citUMhcuilioU  K^v^'"  ^****  ^*^  *^^^'  Nichts  desto  weniger  dürfte 
;ii*\ui\)i .  ,\kT  lr%»fflichste  seiner  Zeit  und  der  einzige  seines 
iuhihutKkut*-»  «uch  zur  Zeit  von  al-Färäbl's  Aufenthalt  in  Bagdad 
uvK^  v^aivu  v:r\4iou  blintluti  ausgeübt  haben.  Wir  dürfen  als 
Mwht^  e^tittvhtu^Hu  vUi9  er  mit  den  christlichen,  des  Griechischen 
kjMhlvvit  t'tt^rM^txoni,  an  deren  Thätigkeit  er  selbst  bedeutenden 
Wllkvil  iMhiM  I  lebhaften  Verkehr  unterhielt.  -)  Und  wie  seine 
^i^t^lKv  Alumd  Um  Mu*ta?im  bi'Urih  —  einer  der  Söhne  des 
KlMfr^^  ^^^^  ^^^  ^^^^  besonders  zugethan  gewesen  zu  sein 
«iMmIi  wiv  w  dt(>  nielirfach  an  ihn  gerichteten  Schriften  bewei- 
MMk  mihI  *IU»i  il»  Fil^rist  citierten,  Hamawaih,  Nuftamawaih, 
»jkkUMWAt^  und  A|,unad  al-Tabari,  so  waren  auch  die  christ- 
'ukaik  UwhTvr  KArAbl'H  Fortsetzer  seiner  Spekulationen.  Sein 
IHM  Vt\f  tit  ^1^1*  venchied^en  Übersetzungs-  und  Konimen- 

»  IMW  «((tcl*  ^l"^****  *'*"*  UA^fHl  des  al-Rä^i  (934—940),  ^allän  unter 
^^n  VUll^i  H.  ^    Vyl.  Titel  d*  289,  an  Jübannä  ben  Mäsawlab. 


Einleitung.  XI 

tieningsarbeiten  fort.  ')  Darauf  beziehen  sich  die  Zeilen  des 
schon  genannten  Abü'l  qäsini  von  Gordova,  welcher  den  durch 
al-Farabl's  Verdienst  den  al-Kindl'schen  Arbeiten  gegenüber  ei> 
zielten  Fortschritt  auseinandersetzt.  Al-Kindl  kann  in  mehreren 
Hinsichten  als  der  wahre  Vorläufer  des  al-Färabi  gellen,  was 
nicht  nur  aus  der  Ähnlichkeit  mehrerer  Titel  von  Schriften  bei- 
der ,  ^)  sondern  auch  aus  dem  Vergleiche  [paralleler  Stellen  in 
al-Kindi's  und  al-Färflbl's  Traktaten  de  intellectu  hervorgeht; 
woraus  zugleich  erhellt ,  daß  mehrere  bisher  dem  al-Färabi  zu- 
geschriebene Gedanken  in  der  Thal  dem  al-Kindl  zu  vindicie- 
ren  sind. 

In  diesem  Sinne  kann  al-Färäbl  bdu-ekter  Weise  als 
Schüler  al-Kindl's  betrachtet  werden ,  und  zwar  als  ein  solcher, 
der  später  seinen  Lehrer  übertraf  und  die  Schriften  desselben 
verdrängte.  ^) 

Wenn  also  der  „Über  introductorius"  ein  von  al-Färftbl  in 
seinen  Jugendjahren,  unter  dem  Einfluß  der  al-Kindl'schen  Werke, 
in  Bagdad  entstandenes  und  —  vielleicht  später  in  Kairo  — 
zusammengesetztes  Buch  ist,  so  dürfte  dasselbe  wahrscheinlich 
ein  (Anfangs-)  Stück  aus  dem  Kommentar  al-Färäbl's  rfe  de- 
tnonstratione  sein,  der  von  ibn-Ru.sd  *)  für  unvollendet  gehalten 
und  von  Albertus  Magnus  *)  ciliert  wird  —  ein  Zeugnis,  das,  wie 
hier  nebenbei  bemerkt  sein  möge,  zugleich  ein  Beleg  sein  dürfte 


')  Haur^aa.  Histoire  de  la  philosopfne  acolaaiique  11  Partie.  T.  I, 
S.  li* :  c'est  principe  lernen  t  ä  ces  conimentaires  qu*il  ilut  sa  grande  renom- 
m^e.  Cependant  ils  6taient  heaucoup  moins  lus  dans  les  äcoles  tPEspagne, 
ä  1a  fln  du  XII«  siecle,  qu'ils  ne  Tavaient  6t6,  dans  le  IX«  ,  &  l'euole  de 
Bagdad. 

•)  Steinschneider,  Alfarabi,  SS.  61,  70,  74,  ?(!,  80—82,  112,  123, 
124,  133,  243. 

')  Munic,  Müangea  S.*34l.  Vergleiche  aber  Steinschneider,  Alfa- 
rabi,  S.  8. 

*)  Averroes,  Quaes,  in  Post.  Resolut,  (in  Arist.  Opp.  latine,  Venetiis 
1552)  f.  212  V.  A;  f.  376  v.  U:  ,Tutum  autem  hoc  significat,  quod  über 
Abunazar  De  demonstratione  nondum  fuerit  completus  .  .  .*;  f.  374  v.  B. 

'')  Albertus  Magnus,  Analyt.  po$t.  B.  II,  Kap.  2  (in  Opp.  ed.  Lug* 
dun.  1651)  S.  517  A:  „Et  haec,  quae  dicta  sunt,  de  scientiis  Arabum  sunt 
excerpta ,  quorum  commentum  super  bunc  posteriorum  ex  sententia  Alfarabi 
Arabis  ad  nos  deuenit-' 


XII  AI  Kindt's  philosophische  Abhandlungen. 

für  die  von  Steinschneider  ')  als  fraglich  be/eiclinelc  Existenz 

der  lateinischen  Übcrsolzung  jenes  Kommentars. 

Die  Citale,  welche  sich  in  demselben  finden,  lassen  einen 
Autor  vermuten ,  welcher  eine  gewisse  Vertrautheit  mit  Ari- 
stoteles' Werken  besaü.  Detiigcmäß  könnte  niiui  versucht  sein, 
das  Werk  etwa  auf  ul-Gaz/.ali  oder  sogar  auf  ibn-Rosd  zu- 
rückzuführen, da  beide  den  Nanit-n  Mul.iammad  tragen.  Dann 
möUte  man  aber  natüiiich  auf  eiue  Erklärung  des  Beinamens 
^Schiiier  des  al-Khwh"  venlichten.  Ich  habe  zu  diesem  Hebufe 
die  edierten  lateinischen  Ausgaben  dieser  Autoren  durchgesehen, 
jedoch  vergehlieh,  da  in  denselben  kein  AnhalLt^iiujikl  zu  linden 
ist.  Auch  zeigt  der  Inhalt  dc'S  „LiU'.r  intro'hcfwius*'  einen 
starken  EiniluLi  und  eine  ötlere  Ausnutzung  der  neuplatonischen 
Komnientatorenlitteratur  an  ,  welche  mit  dem  durch  einen  rei- 
neren Arislntelismus  und  zugleich  durch  originellere  SelbstAndig- 
keil  gekennzeioluieten  Charakter  dieser  Philosophen  unverein- 
bar ist. 

n. 

Man  hatte  bis  zu  unseren  1'agen  alle  philosophischen 
Werke  al-Kindl's  als  verloren  betrachtet.  Dieser  Meinung  waren 
nochMunk*).  Hammer^),  im  ganzen  auch  Steinschneider*) 
und,   wie  es  scheint,  auch  Wöstenfeld  ").     Kreilich  war  schon 


*)  Sloiasrhneider,  Alfafnbi,  S.  ry  Note  8.  —  Es  wflre  wQaiwIicns- 
wcrt ,  wenn  Jas  Verhältnis  dieses  ,liber  iotrotluctorlu»"  zu  der  arabischen 
Hiinaschrifl,  KJorenz  CGXLV  {Asseniani,  S.  3G7.  Wenrich,  S.  132,  die 
aber  in  deni  Mnhaninind  h.  Miih^mTnad  h.  Tarhan.  den  die  Handschrift  als 
Verfassei   nennl,  nicht  den  al-Färähi  erkennen)  festgestellt  würde. 

*}  Hunk,  Milanges  S.  'M^^•.   I)  ne  nous  reste  maintenant  d*AI-Kendi  que 
quelques  Imiles  de  m^icine  et  d'aslrologie. 

■)  Hammer,  LUeraturgnchüM«,  UI,  S.  250—251:  Von  el-Kiodi's  zahl- 
reichen Werken  ,  welche  die  Zahl  von  zweihundert  ilhcrstdgcn ,  sind  in  Eu- 
ropa nur  zwei  und  von  die5en  beiden  nur  eines  im  Druck  bekennt  gewor- 
den f  Alchindi  df  medicinaram  eompositarum  t/rndtbus),  das  andere  aber  in 
Handschrift  geblieben  (Alchindi  dt  «r  quantitaHbm). 

*)  Steinschneider,  Alfarabi,  8.7:  Da  gerade  von  den  philosophischen 
[Schriften  el-Kindi's]  im  enteren  Sinne  des  Wortes  sich  fast  nichts  erhalten 
hat.  —  Doch  vgl.  weiter  unten  S.  13  mit  Anm.  8. 

")  Wöstenfeld,  Gachiehtf.  der  arabische»  Arzte,  S,  22,  wo  philoso- 
phische Schriften  in  der  Li&te  der  erhaltenen  Werke  nicht  angegeben  sind- 


Einleiluriff.  XI[l 

durch  Jourdain  ')  die  Äufmerksiiinkeit  auf  dip  in  Paris  erhal- 
tenen lateinisclien  Übersetzungen  der  Schriften  „d^  itUelleetu*^ 
und   ,jde  som/to  et  uhiotut"  gezogen. 

Nach  ihm  werden  dieselben  von  FIftgel  ^)  ~  in  seiner  mehr- 
fach cilierten  Monographie  —  und  von  Ilaurüau^)  erwähnt.  Über- 
dies nutzt  Haun^au  *)  in  demselben  Werke  das  zehnte  Kapitel 
des  auch  von  Munk  ■■)  hervorgehobenen  Traktates  „de  erroribus 
pfiihtirfpimntm"  aus,  in  welchem  von  einem  Anonymus  verschie- 
dene philosopliisch-theologische  Behauptungen  al-Kindl's  bekämpft 
werden,  und  giebt  später*'),  den  Cod.  Nat.  16613  besprechend, 
eine  nähere  Notiz  über  „de  somno  et  uisione".  Menendez  Pe- 
layo  ')  stützt  sich  auf  diese  Ergebnisse.  Steinschneider  ") 
hat  sich  femer  speciell  mit  dem  Traktat  ^de  intrliectu"  beschäf- 
tigt, seine  Wichtigkeit  hervorgehoben,  sieben  Handschriften  des- 
selben nachgewiesen  und  dessen  Veröffentlichung  anempfohlen. 

Von  dem  Werkchen  ^de  (^uiutjue  etufentün"  hatten  wir  bis 
jetzt  nur  vage  und  spärliche  Notizen.  Obwohl  es  in  älteren 
Ciitalogen  notiert  und  von  Bayle  *)  genannt  ist,  war  Lake- 
macher ^°)  in  Zweifel,  ob  er  es  den  medizinischen  oder  den  phy- 


*)  Jourdain,  Reeherchea^  S.  123  nn.  *,  5,  8. 

')  Flügel,  Alkindi,  S.  53:  liußerdem  wurJen  durcti  Gerardus  Cremo- 
neasis  lateinisch  übersetzt  sein  Liber  üe  somno  et  uJsione  und  De  ratione. 
nicht  zu  verwechseln  mit  der  Schrift  De  iutellectu  (Wenigstens  nach  Jour- 
dain a.  a.  0.  S.  123.).  —  Vergl.  S.  XX. 

*)  üaur^au,  Histoirf  de  la  phitosophte  nct/Iastique.  II  Partie  T.  I. 
S.  19:  11s  (tes  rommentaires  sur  Arialote)  ne  furent  donc  pas  traduitü  en 
latln  ä  l'unage  de  nos  üocteurs.  Nos  docteurs  ne  cannurent,  sous  le  nom 
d'AE-Kendi,  que  de»  Lraites  ori^iiiaux  sur  les  facjlles  de  ]'enlendement ,  In 
raison ,  lo  »ummell  et  le  rive  et  aur  diverses  questiona  d'arithm Clique  et 
d'aätronomie. 

*)  a.  a.  0.  SS.  I&— 22. 

6)  Munt,  M/langrs,  SS.  aiO— 341. 

•)  Haurcau,  Aofic«,  T.  V,  S.  1Ö5,  200-201. 

''}  Menendez  Pelayo,  lUstoria  de  ioa'Jtet^oäox oaeapattoleg,  I.,Bfadrid 
lÖbO.  y.  377. 

")  Steinschneider.  Alfarabi,  S.  1ÖÖ— 180. 

*)  Bayle,  Dictionnairt  histortque  et  et'itt'que.  T.  I  S.  174. 

")  LaitemaL-her,  De  Alktndi  Arahum  phituaopho  u.  ».  w.  Helmstadt 
1719.  S.  14  %  Xni:  „de  quinque  esäeutüs"  forte  et  ialer  scripta  Alkendi  lo- 
cuiu  sibi  uindicat,  nisi  ud  phys.ca  istud  referie  malis. 


XIV  Al-Kindi's  philosophische  Abhandlungen. 

sischen  Werken  beizfihlen  sollte.  Wüstonfeld  ')  ciliert  es  unter 
den  Übersetzungen  Gerhards  von  Cremona:  liher  Alhhidi  de 
quinque  ernffniHa",  und  es  ist  ihm  in  drei  Codices  (Oxford  1818, 
Paris  9335,  14700)  bekannt.  Der  „über  infriHiurtoHua  iti  orteni 
loyicuf  detnoüAii-ationis*^  ist  meines  Wissens  bis  jetzt  unerwäluit 
geblieben. 

Dieses  sind  die  einzigen  erhaltenen  Abhandlungen  philoso- 
phischen Inhalts,  welche  ausdriicklich  dem  aJ-Kindl  zugeschrie- 
ben werden.  Vielleicht  könnte  man  in  einigen  .spflteren,  meistens 
Pseudonymen  oder  anonymen  Schritten  Spuren  von  al-Kindrschen 
Werken  herausfinden.  Das  ist  aber  eine  Frage,  die  hier  nicht 
näher  erörtert  werden  kann.  —  Während  wir  von  anderen  Wer- 
ken die  arabischen  Ori^iiiate  und  von  einigen  auch  hebräische 
Übersetzungen  besitzen,  sind  die  philosophischen  uns  nur  in  la- 
teinischen Redaktionen  überliefert.  Wenden  wir  uns  zur  Be- 
trachtung derselben. 

Wie  schon  gesagt,  wurden  die  beiden  Werke  „de  somno 
et  uixione^  und  „du  quinque  etisentm"  von  Gerhard  von  Cre- 
mona zwischen  1167—1187  ■)  in  Cordova  aus  dem  Arabischen 
ins  Lateinische  übersetzt.  Dafi  der  lateinische  Text  von  „(/« 
mmmi  et  uishite"  ,  wel<-hen  wir  besilxen,  wirklich  dieselbe  iTlier- 
setzung  ist,  bestätigt  uns  die  Überschrift  eines  der  ältesten  Co- 
dices (Paris  Nal.  I661S,  aus  dem  XIII.  Jahrhunderte):  „Itwipit 
liher  dfi  mmipnn  ff  uhion**  quem  i'didit  Jticohus  idrhhmu.-i.  Mo- 
ghier  vet'o  Oeran/Uit  t'mtionrtiids  tntnnttdit  ex  arahint  in  InfinutH." 
Die  Handschriften  von  „de  quinque  essentiim*'  tragen  hingegen 
nicht  den  Namen  des  Übersetzers.  Doch  kann  dies  zu  keinerlei 
Bedenkon  Änlaü  geben,  da  Gerhard  tn'kanntlieh  keiner  <ler  von 
ihm  angefertigten  Über.'ietzungen  seinen  Namen  beigesetzt  haL  "•) 
Übrigens  ist  der  sprachliche  Ghai-akter  von  „de  quinque  essentiis" 
ganz  und  gar  derselbe,  wie  er  uns  in  „de  mmnn  et  ui^ione"  und 


')  WfiGtenfeld,  Die  ÜbersfUun^tn  arahischtr  Wtrkf  in  dna  Lntei- 
nitefie,  S.  67  d"  41. 

*)  BarJenhewer.  OU  pieudo-arislotHiacht  Schrift  Über  dua  reine 
Gute,  bfkannt  unter  dem  Xiimen  Liber  de  comi».    Freidurg  i.  Br.  1K82.  S.  Ur>. 

')  Boncoiiipagni,  Deila  vita  e  deile  opert  dt  Gheraräo  CtemonMt: 
S.  3  .  .  .  cum  nuUi  eorum  (sc.  litiroruTD]  nomen  $uu$h  iHScripaiatet. 


Einleitung.  XV 

in  anderen  nachweislich  von  Gerhard  herrührenden  Übersetzun- 
gen entgegentritt.  ^) 

Der  Traktat  „de  intellectu"  ist,  wie  wir  später  sehen  wer- 
den, in  zwei  verschiedenen  lateinischen  Redaktionen  vorluanden. 
Die  eine  trägt  den  Titel  „de  inteHedu",  die  andere  „de  ratione". 
Beide  werden  von  Jourdain -)  und  nach  ihm  von  Anderen 
dem  Gerhard  zugeschrieben.  Die  Thatsache,  daß  sich  diesel- 
ben im  Register  der  Übersetzungen  nicht  finden,  wäre  kein  Hin- 
dernis für  diese  Annahme ,  denn  wir  wissen ,  daß  dasselbe  un- 
vollständig ist.  •^)  Ich  glaube,  daß  die  Übersetzung  mit  dem 
Titel  „de  ratimie"  wirklich  von  Gerhard  herrührt,  und  zwar  aus 
folgenden  Gründen:  Erstens,  weil  manche  Stellen  derselben  fast 
wörtlich  in  der  Gerhard'schen  Übersetzung  von  „de  somno  et 
uisione"  wiedergegeben  sind.  Zweitens,  weil  der  Cod.  Par.  Nat. 
6443  folgende  Überschrift  trägt:  „Verhujn  Jacob  alkin  de  inten- 
ti&ne  antiquorum  in  ratione,  transhtum  a  magistro  Gerardo  cre- 
monensi." 

Die  andere  Version  mit  dem  Titel  „dt  intellectu"  dürfte 
die  Arbeit  eines  anderen  Übersetzers  sein,  vielleicht  des  Jo- 
hannes Hispalensis. 

Dem  letztgenannten,  wahrscheinlich  unter  Dominicus  Gun- 
dissalvi's  Mitarbeit,  ist  auch  die  Übersetzung  des  „liber  in- 
frodudonuH  in  artetn  logiaie  demonstrationis"  beizulegen ,  weil  sie 
sich  in  den  Handschriften  unter  anderen  Werken  desselben  Ver- 
fassers befindet,  und  weil  die  freieren,  korrekteren  Züge  des 
Stils  und  des  Gebrauches  der  lateinischen  Sprache  *)  auf  die 
obengenannten  spanischen  Gelehrten  schließen  lassen. 

Die  sowohl  in  diesem  Buche,  als  in  „rf«  somno  et  uisione^ 
unübepsetzt  gebliebenen  Wörter  weisen  unstreitbar  auf  ein  ara- 
bisches Original  hin.  ■')     Es  finden  sich  auch  Qurän-Citate. 


')  Bardeabewer,  Liber  de  causia,  S.  148—149. 

>)  Jourdain,  Eecherches,  S.  123. 

')  B.OQcompagni,  a.  a.  0.  S.  12. 

*)  Menendez  Pelayo,  a.  a.  0.  S.  401  Anraerk. :  como  se  ve,  Gun- 
disalvo  tiene  cierta  perspicuidad  y  basta  plegancia  en  su  latin.  Bajo  todos 
conceptos  es  el  escritor  espafiol  mas  notable  del  siglo  XIL 

')  „asarab",  «ahlagat*,  Harnet  ftlio  Nazir  .  .  .    Siehe  Wortregister. 


XVI  Al-Kindrs  philosophische  Abhandlungen. 

Es  wäre  hier  der  Ort,  die  Einwirkung  der  Werke  al-Kindl's 
auf  das  Gebiet  der  arabischeu  und  jüdischen  Philosophie  zu  be- 
sprechen und  dann  die  Verwendung  der  lateinischen  Über- 
setzungen in  der  christlichen  Litteratur  des  Mittelalters  zur  Dar- 
steUung  zu  bringen.  Das  wird  aber  erst  dann  möglich  sein, 
wenn  genügende  Vorstudien  und  gute  kritische  Ausgaben  der 
mittelalterlichen  Autoren  angefertigt  sein  werden,  und  soll  dem- 
gemäß weiteren  Forschungen  überlassen  bleiben.  Es  wurden 
freilich  einige  Citate  bei  Mäsawlah,  al-Razi,  ^)  ibn-Sina  und  ibn- 
Rosd  *)  schon  von  Tiraquelli  ^)  hervorgehoben  und  von  Fa- 
bricius  ^)  wiedergegeben,  andere  von  Steinschneider  *)  hin- 
zugefügt; aber  alles  das  bezieht  sich  nur  auf  medizinische  Werke. 

Bei  al-Birüni  und  Taifasi  befinden  sich  Citate  über 
Edelsteine.  ^ 

Dagegen  ist  außer  in  den  schon  am  Anfange  erwähnten 
bio-bibliographischen  Schriften  von  al-Nadlm,  al-Qifti,  ihn 
abi  U^aibi'a,  9a^^i  IJallfah,  ihn  l^allikän,  al-Kindl  in  Be- 
treflf  philosophischer  Fragen  auch  von  ibn-Bo^d  ^  manchmal 
genannt  und  citiert. 

Hebräisch  finden  sich  nur  die  Obersetzungen  dreier  klei- 
ner astronomischer  und  astrologischer  Traktate.  Citiert  wird 
al-Kindl  von  Abraham  ben  Esra.  ^) 

Im  c|iristlichen  Abendlande  war  al-Kindl  auch  vorzugs- 


■)  El-hawi,  I  cap.  3,  9.  11  cap.  3,  IV  cap.  1. 

*)  CoUiget  Vol.  V  cap.  57-58. 

')  Andreae  Tiraquelli,  de  nobtlitate  et  de  Jure  primigeniorum^ 
Basileae  1561.  SS.  334,  364,  374  »  Lugduni  1566.  SS.  254-^5,  278,  286. 

*)  Jo.  Alberli  Fabricü  JJiUiot/teeae  Graecae  Vol.  XIII.  Haoiburgi 
1726  SS.  48.  &4.  175,  306,  368.  —  Vergl.  Albeift  Haller  JUbiiothecae  chirur- 
gicae.  Basileae  1774.  T.  1.  S.  123.  Bibiiothecae  medieinae  praeticae.  Basileae 
1776.  T.  1.  S.  351. 

°)  Steinscheider,  lieUdi,  Vite  di  matemattei  arabi,  S.  11  Anni.'3: 
Basis ,  al-hawi ,  tract.  XVI ,  cap.  I  (fol.  327  col.  2  ed.  VenetM506).  Vervl- 
Zeitchrift  der  deutschen  morgenlfindischen  Gesellschaft,  T.  XXIV,  S.  588. 

')  Steinschneider,  Arabische  Lapidarien  (Zeilschrift  der  deutschen 
raorgenländ Ischen  Gesellschaft,  1895)  S.  248. 

')  Z.  B.  de  caelOf  cap.  III,  super  them.  35. 

^)  Steinschneider,  Die  hebräiechen  Übersetzungen  des  Mittelalter». 
Berlin  1893.  SS.  562— 565. 


Einleitung.  XVII 

weise  als  Mathematiker,  Arzt  und  Astrolüt^  bekannt,  lukI  als 
solcher  wird  er  u.  a.  von  Bruno,  Roger  Baco,  Cardanus  *) 
gerühmt. 

Schon  fröhzeitig  aber  werden  seine  theolofrischen  Ansichten 
in  Betracht  gezogen  und  Iheilweise  ht^käinpft.  Wir  erwähnen 
hirr:  die  „Dfimoniffiutth  trrorwtn  qut  in  tUssetifttintie  Abi  Imephi 
Iticotfi  filii  haue  al-Khtdi  »flu^rsus  ChriiftianoH  occurrunf  von 
Jahja  ben  'Adi  ben  Hamid  beii  Zakarija  dem  Jakobiten  (+  974) 
Ml  rod.  Vat.  127,-')  den  schon  ciliertf;ri  anonymen  „Tntrtatus 
f/p  errorihm  philmt/piiorum"  und  dann  «dio Nachwirkung,  welche 
seine  Ansichten  (über  spekulative  Theologie)  in  den  Schriften 
des  Alexander  Alesius  {von  Halfs).  dos  Heinrich  von  Gent 
und  des  Johann  Fidanza  (Bonaventura)  zeigen".  ") 

Im  Folgenden  aoll  von  den  hier  publicierten  Schriften  al- 
Kindrs  eine  kurze  Charakteristik  gegeben  wertlen ,  wobei  ich 
niii'  vorbehalte,  in  den  Anmerkungen  einige  speziellere  Bezie- 
hungen und  ParalieUtellen  aus  anderen  Autoren  zu  notieren. 

III. 

hti  Traktate  „tie  intelhctw'  haben  wir  eine  der  frOheslen 
und  iniierlialb  der  arabischen  Philosophie  wohl  die  erste  Dar- 
stellung jener  berfdimten  Lehre  vom  Intellekt,  welche  sich  später 
bei  al-Färfibl  vviederHndet,  um  dann  erst  von  ibn  Ro^d  ihre  be- 
kannte endgiltige  Komi  zu  erhalten  Also  nicht  weniger  als  drei 
Jahrhunilerte  vor  diesem  erscheint  sie  in  ibren  Grundzügen,  vor 
allem  die  Vierleilung  des  Intellekts  in  den  voe;  h>  dvvüfifi,  den 
¥ovg  iv  ivegyetq.,  den  yovg  htixitjroc  und  den  yuvg  7imtiux6s  (ara- 
bisch:  jU>-*^/*  JJit    JUi  Jjt.     gyü'j  JJi    Jutifu  JJit). 

Ks  ist  bemerkenswert,  daCi  auch  al-Kindl.  wie  al-Fünlbl  '), 
als  Urheber  dieser  Teilung  den  Aristoteles  neiinh     Dieselbe  wird 


>]  FiageJ  a.  (I.  O.  S.  ]. 

')  Steinschneider,  Polemisch*  und  ajfiologf tische  LiUratuf'fn  aratf- 
«TÄ«**  Sjjrachf.  Leii>zi^  I87V,  S.  l^tU. 

■}  Pr.tnll.  GffSchMle  der  Lojfik  im  Abendhtide,  Bd. II,  2.  Aufl.  Leipzig 
1885.  8.  31)6. 

•)  Dietorici,  Atfäräb't's  philosoph'iicht  Abhandtungtn  ,  Leiden  1890. 
S.  42  Z.  8-9. 

Bditrfts»  II.  6.    N^gy  ,  Al-KiutlL  )> 


XVIlt  Al-Kindl's  philosophische  Abhandtungen. 

sogar  den  nprimi  sapietites"  und  speciell  dem  Plato  und  Ari- 
sloleles  zugeschrioben:  ,sernioneni  ...  de  inlclleclu  socundum 
sententiam  Piatonis  et  Aristotelis.  sed  sententia  eonim  est 
quod  inlellectu-ä  est  secuddum  qualuor  spedos.*  ')  Nun  ist  es 
bekannt,  dafi  Aristoteles  ^)  in  seiner  Sclirifl  über  die  Seele  den 
Begriff  des  voü^  nottiTtxog  und  Alexander  von  Aphrotüsias  -) 
den  des  »m-c  imxTtjTCK  einführten;  aber  keiner  von  beiden  kennt 
vier  Arten  des  Intellekts.  Sonach  haben  entweder  die  Aratier 
diese  Namen  nur  cilierl «  um  der  von  Urnen  dargestellten  Lehre 
durch  die  Autorität  der  beiden  mehr  Gewicht  zu  verleihen,  oder 
dieselben  sind  auf  eine  uns  unbekannte,  wahrscheinlich  unterge- 
schobene Quelle  zurückzuführen.  Welche  von  diesen  beiden  An- 
nahmen die  zutreffende  ist ,  auf  diese  Frage  wird  sich  zur  Zeit 
eine  entscheidende  Antwort  nicht  g'eben  lassen.  Eine  solche 
wird  ernt  mit  einer  gründüohpn  und  genauen»n  Ketmlnis  der 
ulexandrinischen  und  syrischen  Litteraturen  möglich  werden. 
Meinerseits  neige  ich  zu  der  zweiten  Hj'polhese ,  weil  der  Ein- 
AuEb  neuplatonischer  Lehren  schon,  und  möchte  ich  sagen,  be- 
sonders, in  diesen  ersten  Er/eugnisstn  der  arabischen  Speku- 
lation sich  geltend  gemacht  hat.  Deutliche  Spuren  derselben 
werden  sich  auch  in  den  anderen  drei  Traktaten,  insbesondere 
in  „ii^  quinque.  rssentris"  und  fast  im  ganzen  Jiher  intrv 
ättcforiu.s''  voHinden.  Überdies  erinnere  ich  djiran,  diiß  eine  der 
verbreitetslen  und  einflußreichsten  pseudo-aristotelischen  Schrif- 
ten, nämlich  die  sogenannte  ^Throfoijia  ArititotriW  eben  von 
al-Kindl  revidiert  und  veröffentlicht  wurde.  *). 

Der  Traktat  ist  sehr  kurz,  wirklich  ein  „sfnuo  brrris",  und 
in  Form  eines  Auszugs  verfaCit. 

Nachdem  al-Kindl  die  vier  Intellekte  genannt  und  definiert 
hat  (S.  1  Z.  10— S.  2  Z.  3),  beschreibt  er  in  einer  Reihe  von 
Sätzen ,  welche  beständig  als  von  Arislololes  herrührend  ange- 
führt   werden ,    das   Verfahren ,    durch    welches   die  Seele   die 


')  S.  1  Z.  7-12. 
-.,  -   *)  Aristoleles,  De  aniitut,  HI  Ciip.  5. 

^  Vergl.  Zeller.  Die  Philosophie  der  Griechfn,  Bd.  Ul,  1.  Th.  S.  79Ü. 
•)  Vergl.    Dieterici,    iHt  nogmannte    Theoiogit  rf«  Aristotelen ,    Leip^ 
tig  1382. 


Einleitung.  XIX 

intellektuellen  Formen  erkennt.  In  einer  Stelle  wird  das  intel- 
lektuelle Vermögen  mit  dem  sinnlichen  verglichen  und  die  These 
aufgestellt,  daß  das  Gedachte  (infeüecUim)  in  der  Seele  nichts 
anders  als  das  Denkvermögen ,  das  Denkende  (intellectus) ,  die 
Seele  selbst  ist,  wie  das  Empfundene  (setisatum)  in  der  Seele 
das  Empfindungsvermögen ,  der  Empfindende  (sensus) ,  die  Seele 
selbst  ist  (S.  5-7). 

Derselbe  Gedanke  kehrt  wieder  in  den  folgenden  Traktaten 
^(fe  somno  et  uisione**  und  dem   „über  introdudoriuH" . 

Auf  diese  Auseinandersetzung  folgt  eine  Art  Schluß,  in 
welchem  das  gegenseitige  Verhältnis  aller  vier  Arten  des  Intel- 
lektes besprochen  wird  (S.  9  —  11). 

Der  Eindnick,  welchen  man  aus  der  Lektüre  sowohl  dieses 
als  der  folgenden  Traktate  bekommt,  kann  einigermaßen  den 
Tadel  des  abü'l-qäsim  §a*id  ben  Ahmad  al-qurtubl  rechtfertigen. 
Dieser  sagt:')  „Ich  kann  nicht  läugnen,  daß  seine  logischen 
Schriften  von  aller  Welt  gern  gekauft  werden ,  allein  der  aus 
ihnen  für  die  Wissenschaften  zu  gewinnende  Nutzen  ist  gering, 
da  sie  von  der  analytischen  Methode,  welche  allein  den  Weg 
zeigt,  um  bei  allen  Untersuchungsgegenständen  das  Wahre  vom 
Falschen  zu  unterscheiden ,  ganz  absehen.  Kind!  hält  einzig  an 
der  Synthese  fest,  von  der  nur  ein  beschränkter  Teil  wegen  der 
Sätze,  die  jeder  zu  gewinnenden  und  unserm  Wissen  zuzufüh- 
renden Überzeugung  vorauszuschicken  wären,  Nutzen  zieht. 
Allein  die  vorauszuschickenden  Sätze  jedes  Unlersuchungsgegen- 
standes  werden  nur  durch  die  Analyse  gefunden ,  und  ich  weiß 
nicht,  was  Kindl  von  der  Anwendung  dieser  Methode  abgehalten 
hat ,  ob  Unterschätzung  ihres  Wertes,  oder  irgend  eine  Absicht, 
sie  den  Menschen  vorzuenthalten.  In  jedem  Falle  ist  sie  eine 
Beeinträchtigung;  außerdem  zeigen  sich  in  den  vielen  Schriften 
Kindl's  über  eine  große  Anzahl  Wissenschaften  seine  verderb- 
lichen individuellen  Ansichten  und  seine  von  der  Wahrheit  ent- 
fernten Doktrinen,  wozu  Andere  den  Mangel  an  schlagenden 
Beweisen  fügen,  an  deren  statt  er  Redner  und  Dichter  spre- 
chen   läßt.*      Und   in   dei*  That,   die   Schrift   ist  ausschließlich 


')  Flügel,  rt.  rt.  0.  s.  16. 

b* 


XX  Äl-Kindi*s  philosophische  Abhandlungen. 

behauptender  und  beschreibender  Natur  und  ermangelt  jeder 
Beweisführung.  Sie  stützt  sich  lediglich  auf  Autoritäten  und 
allgemeine  Aussagen.  Auch  läßt  sich  in  derselben  die  ihm 
von  ihn  Roäd  *)  vorgeworfene  Methode  wiedererkennen,  d.  h. 
seine  Obermäßige  Vorliebe  für  mathemalische  Einteilungen  und 
für  Symmetrie.  Jedoch  sind  diese  beiden  Fehler ,  welche  man 
auch  in  „de  somno  et  umotie"  und  „de  quinque  esuentiis"  bemer- 
ken kann,  nicht  als  ausschließlich  ihm  eigentümliche  zu  be- 
trachten ,  sondern  sind  m  jener  Zeit  allgemein  verbreitet  und 
entsprechen  den  damaligen  Verhältnissen  und  Tendenzen. 

Wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  sind  von  dem  al-Kinds'- 
schen  Werkchen  über  die  Vernunft  zwei  lateinische  Redaktionen 
vorhanden.  Sie  weichen  aber  lediglich  in  der  Wiedergabe  eini- 
ger   Worte    von    einander   ab.      Z.    B.    während   die   eine    die 

arabischen  Wörter  jil  (vovg) ,  .^^'iSJüLi  (voovjusva) ,  Ji^ 
(voeia^at)  u.  s.  w.  mit  „intdkctus" ,  „intelUgibile" ,  „hifeUigere" 
u.   s.    w.    wiedergiebt,   übersetzt   sie   die  andere    mit    „ratio", 

„rationale" ,  „rationari" ,  und  so  fort.  Für  oLiiuli  hat  die  eine 
„adeptua" ,  die  andere  „aiiqui^itus"  oder   „repositus" ;  für  ^-.-j.-.-^; 

oder  jjjs  ^  die  eine  „secumlum" ,  die  andere  „ex  parte".  Dem 

Inhalte  nach  sind  sie  vollkommen  identisch.  Sie  sind  demge- 
mäß zwei  Übersetzungen  eines  und  desselben  arabischen  Ur- 
textes. Jourdain  ^)  und  nach  ihm  Flügel  ^)  haben  sie  irrig 
als  zwei  verschiedene  Werke  angesehen.  Beide  sind  in  meiner 
Ausgabe  in  zwei  parallelen  Reihen  nebeneinander  gedruckt, 
damit  die  Übereinstimmungen  und  die  Abweichungen  besser 
hervortreten. 

Es  ist  von  Wichtigkeit,  das  Verhältnis  dieses  Traktates 
„de  intellectu"  zu  den  gleichnamigen  von  Alexander  Aphrodisiensis 
und  von  al-Färäbl  ins  Auge  zu  fassen :  mit  dem  ersteren ,  um 
die  Benutzung  desselben  als  Quelle  und  um  die  Fortentwickelung 


»)  Averroes,  CöUiget,  Bd.  V,  cap.  57. 

*)  Jourdain.  a.  a.  0.  S.  123. 

■)  Flügel,  a.  o.  0.  S.  34.  —  Vgl.  S.  13  Anmerkung  2. 


Einleitung.  XX( 

desselben,  mit  dem  zweiten,  um  den  Einfluß  des  al-Kindl'schen 
Werkes  auf  al-Fürübl  zu  eruieren. 

Die  betreffenden  Parallelstellen  werden  in  den  Anmerkun- 
gen angegeben. 

Die  lateinischen  Übersetzungen  aller  drei  Traktate,  d.  h. 
Alexanders,  al-Fartlbl's  und  al-Kindl's  in  der  Redaktion  „de  in- 
fpUectu"  j  weisen  auf  einen  geraeinsamen  Übersetzer  hin.  Er  ist 
aber  wahrscheinlich  mit  Gerhard  von  Cremona  nicht  zu 
identificieren ,  welcher,  wie  S.  XV  gezeigt  ist,  der  Übersetzer 
von  ,fde  raiione"  zu  sein  scheint.  Jourdain  *)  vermuthet,  daß 
Albert  der  Große  in  seiner  Schrift  „de  iniellectu"  dieses  Werk- 
chen ausgenutzt  hat. 

IV. 

Der  Traktat  „de  somno  et  uisimie"  kann  in  drei  Kapitel 
geteilt  werden. 

Nach  einem  kurzen  Prolog  (S.  12  Z.  4—14)  giebt  der  Ver- 
fasser im  ersten  Teil  (S.  13—18)  die  Definition  des  Schlafes: 
„somnus  est  demissio  usus  ab  anima  omnium  sensuum"  (S.  13 
Z.  15)  und  die  Erklärung  des  Traumes,  indem  er  die  Aufmerk- 
samkeit auf  zwei  verschiedene  Seelenvermögen  richtet,  d.  h.  auf 
die  sinnliche  und  die  einbildende  Kraft  („uirtus  sensitiua"  und 
„uirtus  formatiua  uel  imaginatiua").  Die  letzte  ist  sowohl  wäh- 
rend des  Wachens,  als  während  des  Schlafes  thätig;  jedoch  in 
höherem  Grade  im  Schlafe  (S.  14  Z.  9-12).  Er  hebt  die  Un- 
terschiede zwischen  beiden  Vermögen  und  die  Vorzüglichkeit  der 
„imaginatiua"  hervor.  Am  Ende  des  ersten  Kapitels  giebt  er 
folgende  Definition  des  Traumgesichtes  (S.  18  Z.  1  —  2):  „uisio 
est  cum  anima  utitur  cogitatione  et  dimittit  usum  sensuum  ex 
parte  sua." 

Im  zweiten  Kapitel  (S.  18  Z.  7— S.  23  Z.  8)  erörtert  al- 
Kindl  folgende  Fragen: 


»)  Jourdain,  a.  a.  0,  S.  320—321.  Zu  Albert's  „de  tnttUectu  et  in- 
teiligibili"  (Opp.  t.  V,  p.  339) :  «cuius  (sc  Aristotelis)  libnim  de  hac  scientia 
licet  non  uidimus,  tarnen  discipulorum  eius  plurimorum  de  hac  materia  quam 
plurimos  et  bene  tractalos  perapeximus  libros  et  epistolas"  sogt  er:  Quant 
aux  lettres  et  aux  trait^s  dont  il  parle,  ce  sont  ceux  d* Alexandre ,  d'Alkindi 
et  d'Alfarabius. 


XXU  Al-Kindl's  philosuphisclie  Abhandlungen. 

1.  Quare  uideamus  quasdem  res  antequam  sint?  —  Vor- 
hersehen der  Sache. 

2.  Quare  uideamus  quasdam  res,  cum  interprelatione  sjgni- 
ficantcs  res  antequam  sint  ?  —  Vorhersehen  von  Zeichen 
der  Sache. 

3.  Quare  uideamus  quasdam  res,  facientes  nos  uidere  con- 
trarium  earum?  —  Vorhersehen  des  G^enteils  der  Sache. 

Und  seine  Gegensätze: 

4.  Quare  uideamus  res  et  non  uideamus  eas? 

5.  neque  uideamus  earum  interpretationes  ? 

6.  neque  uideamus  contrarium  earum? 

Mit  der  Betrachtung  aller  derartigen  Fälle  sind  gewiß  alle  Mög- 
lichkeiten des  Vorhersehens  erschöpft;  natürlich  aber  keinerlei 
Grund  oder  Erklärung  der  Vorhersagungen  gegeben. 

In  diesem  Kapitel  befindet  sich  ein  Stück  (S.  18  Z.  19 — 
S.  20  Z.  2),  in  dem  der  Verfasser  eine  Lehre  Piatos  darlegt, 
und  wdches  fast  wörtlich  sich  in  ,//e  ratione"  wiederfindet. 

Im  dritten  Kapitel  (S.  23  Z.  10— S.  27  Z.  12)  stellt  sich 
al-Kindl  zur  Aufgabe,  die  Ursachen  des  Schlafes  darzuthun,  und 
führt  dieselben  auf  physiologische  Prozesse  zurück.  Am  Ende 
findet  sich  in  einer  Handschrift  (Par,  nat.  16613)  Folgendes: 
„Exßiciunt  cause  sompni".  Soll  sich  das  auf  den  Titel  des 
letzten  Kapitels,  oder  auf  den  ganzen  Traktat  beziehen?  In 
demselben  Codex  liest  man  in  dem  von  alter  Hand  nie- 
dergeschriebenen voranstehenden  Index :  „It^nt ,  über  lacobi 
Alckuini  de  causis  sotnpni  et  iiigilie  a  moffistro  G.  Cretnoneusi  ex 
arahico    in   latinum    trantslatus".     Die    „causae   somni*    würden 

auffallenderAveise  mit  dem  arabischen  Titel :  -j-JI  sJL  ^  C-.^, 
u.  s.  w.  übereinstimmen. 

Wenn  man  diesen  Traktat  mit  dem  des  Aristoteles  „tk 
somno  et  ulgilia''  vergleicht,  sieht  man,  daß  er  sowohl  der  An- 
ordnung, als  dem  Inhalt  nach  von  ihm  gänzlich  verschieden 
ist,  *)  Dem  al-Kindl'schen  „de  sonmo  et  uisione*'  lag  vielmehr 
eine  Bearbeitung   zugrunde ,   in   welcher   die  drei  aristotelischen 


')  Vgl.  Haoröau,  Notices,  T.  V  S.  2ul. 


Einleitung. 


xxm 


Traktale  „t/r  sowno  et  uit/ilia"'  j  ,,de  inmunniis"  und  ^/ic  (iiuina- 
tiont;  per  somnum*^  irieinaiider  verschmolzen  waren.  Einige  De- 
iinilioncn  liier  und  da  erirmem  an  die  entsprechenden  des  Ari- 
stoteles. So  vergleiche  man  -soninus  igitur  est  diniissio  usus 
ah  anima  omniuni  sensuum  (S.  13  Z.  15)  .  .  .  est  cum  diniiltit 
uiuus  .  .  .  usuni  omnium  sensuum"  (S.  13  Z.  19 — 21)  mit: 
Tf)s  d'  nlaihjaettn:  XQOJtop  nvd  rrfy  ^v  äxivtjaiav  xal  ohv  deo/tiöv 
Tov  V7XV0V  elrai  tfafuv.  ')  —  ,höc  etiiin  niembrum  (cerebrum) 
posilum  est  omnibus  istis  uirtutibus  naturalibus  .  .  .  nam  sicut 
cum  cereliro  supenienit  corruptio  inslrumenlo  uiriutum  naturalium 
adminislratarum  ilH  niembro  a  cerebro,  similiter  accidil  id  sen- 
sui  .  .  .*  (S.  lö— Ui,  äO-äi)  mit:  tov  ydo  y.v^iov  liöv  äXian' 
jtdyTotv  afodiii  i}^iov  xm  nQoq  owjeivu  rAXXa ,  nenoy&oTo^  u, 
f}Vft:Täoxeiv  Avayxntov  xal  rr)  Xoum  Ttdvta  -)  u.  s.  w.  Diesen 
tj'bereiiislimmimgen  stehen  jedoch  viele  Verschiedenlieiten  gegen- 
über. Ks  handelt  es  sich  dabei  um  Gedanken  galenisehen  oder 
neuplatonischen  Urspi*ungs.  Einige  Anklänge  mit  Synesius' 
Schrill  „de  somniit^*  deuten  vielleicht  auf  eine  solche  gemeinsame 
<Juelle  hin. 

Im  Großen  und  Ganzen  kann  also  das  Urteil  Haureau's  *•) 
beibehalten  werden:  „Quant  iiu  livre  {,//<;  tttmitn»  ei  lu'shue")  ce 
n'esl  ims  une  Version  du  traite  d'Aristote  intitule  ,du  Sommeil 
et  de  la  Veille* ;  t'est  un  ecrit  original  du  philosophe  arabe."' 

Es  wäre  wünschenswert,  das  Verhältnis  dieses  Traktales 
zu  anderen  spateren  FJearbeilungen  desselben  Themas  klarzu- 
stellen ,  z.  B.  zu  ibn-Sma's  „de  anima" ,  IV  Kap.  2 :  zu  dem 
zweiten  Buche  der  Paraphrase  des  ibn-Hu-d  „de  sensu  et  seti- 
s(it(/' ,  und  i^peciell  zu  dem  von  Salomo  ben  Moses  aus  Melgueil 
aus  dem  Lateinischen  ins  Hebrjii.sche  ilbersetzten  Traktate  „de 
sfftttno  rt  uitfilin*' ,  welcher  nach  Steinschneider  ^)  mit  den 
Worten  anföugt:  ^Aristoteles  sagt:  es  ist  meine  Absicht,  die 
Ursache  des  Schlafes  und  des  Wachens  zu  erläutern". 


')  Aristoteles,  de  somno  et  uigilia,  1,  p.  454  b.  2ö — 2fi, 

•)  A.  a.  0.  c.  2,  p.  455  a  33— b  1. 

'J  Hauröau.  Notica  T.  V  S.  201. 

*i  Steinschneider,  l'ie  hebrfliacben  Uhersetsungen  dta  MitMaltera, 
S.  281  (§  Ibü).  —  Andere  Werte  ober  den  gleichen  OeifensUnd  bei  Slein- 
scbiieider,  Die  pnrra  uaturalia  dra  Ariaf.t  ZDMG,  Bd.  37  S.  487  und  Bd. 
4&  S.  4^19. 


XXIV  Al-Kifltirx  [ilülüiK>ph)8che  Abhandlungen. 

Einen  tiefgreifenden  EinfluD  unserem  Traktates  finden  wlr 
bei  AlbeK  »iem  Großen,  in  des.sen  ,,th  smnnu  rt  nitjHia"  al-Kiridt 
sogar  aiisilriif'klich  genannt  winl.  in  den  jfodruckten  Werken  ^) 
freilirh  mit  ileii  veislüninielteii  Namen:  AHtiinüii ,  Alchammti. 
Ailtimitliu  odop  At/iiiiiitii»i  ...  So  bezieht  sich  die  erste  Ueli- 
nition :  «.Sie  if^itiir  intelhgitur  quod  soninum  diximus  esse  iinpo- 
ientiain  üI  li^atiieiituni  i^eiisuutn.  Hoc  auteni  i*A  supra  •*.  phy- 
siconini  concordanter  Ijoc  dicentiuni.  scilicet  Algazel.  Auicennae, 
Aipharabil ,  Auerrois  et  Alchinidi  piiilusoptii*  *)  auf  die  schon 
(rOher  (S.  XXUI)  als  Anklang  an  Aristoteles  cilierte  Stelle.  — j 
Ebenso  entsprirhl  die  ErklärtuiK:  ^Dixit  auteni  Alchaniadi  Phi- 
losophus  et  uidetur  Anen-oes  praebere  aiiscnsmn ,  quod  somnus 
est  uigor  et  conforlatio  sensus  spiritualis  et  debilitas  et  (im 
Drucke:  est)  uincuhiin  ^cnsus  ccir|)oralis ;  uigilia  autem  e  eon- 
ucrso  uigor  <?1  conforlalitj  sensus  corporalis  et  debilitas  sensus 
spiritualis.  (Juod  dicluin  ueris.simum  est  .  .  .*  ■')  dem  Anfange 
des  ersten  Kapitels  (SS.  13—14),  speciell  den  Worten :  ^et  haec 
quideni  uirlus  (sc,  fonnatiua,  der  »sensus  spiritualis"  des  Alber- 
tus) pt-rUHt  suas  operationes  in  disposilione  sonini  et  vigiliae. 
utTumtainen  Iti  soriinis  est  niagis  apparentis  operalionis  et  for- 
mationis,  quam  in  uigilia"  (S.  14  Z.  9— IH).  —  Aus  der  lan- 
gen Erörlcruiijr  (S.  15 — S.  17  Z.  24),  die  den  folgenden  Teil 
desselben  Kapitels  ausmacht,  und  zu  welcher  der  Glossator  des 
cod.  Pap.  Nat.  fi14;^  bemerkt:  „Nota  quod  per  totani  istam  cn- 
lunuiani  ostendil  i\iiot\  uirlus  fonnatiua  sit  perfectitip  quam  scn- 
sitiun,  et  hoc  multis  rationibus  et  exemplis"  ergiebt  sich  als 
Schlub  der  Salz  Albert's:  ,dutit  etiam  idem  Philosopiius  quod 
sensus  spiritualis  dignior  ^^st  quam  corporalis  ,.,*')  Das  vierte 
Kapitel    des    zweiten    Traktates  ■•)    derselben    Abhandlung    des 


»)  Opjt.  ed.  Jftmmy.  Lugdunj  IG51,  T.  V,  S.  70  col.  I.  S.  71  col.  2 
u.  B.  w.  Auch  tipeciell:  Parva  naturalia,  Venetiis.  her.  0.  Scott  1&17.  fol.  27 
ool.  2.  fol.  27  V.  cul.  1,  fol.  29  coL  1. 

*)  Df  mmtiü  ft  viffilin.  \A\t.  I,  trant,  I  cap.  Vit.  —  Opp.  S.  70  col.  2. — 
Parva  naturaliu,  ft)l.  27  col.  2. 

■)  A.  a.  O.  Lib.  I.  Iraet.  I,  cap.  IX.  —  Opp.  S.  71  col.a.  —  Parra  «o- 
turalitt,  fol.  27  t.  col.  1. 

*)  Ibidem, 

»)  Opp.  T.  V.  S.  76  col.  1.  —  Farta  naturalia,  fol.  29  col.  l. 


Einleitung.  XXV 

Albertus  Magnus  ist  eine  „digressio  declarans  quatuor  causas 
somni  secunduni  Auerroem  et  Adamidim*'.  Der  Verfasser  sagt 
ausdrucklich  ^nos  autem  ad  intelligendum  praedicta  et  sequentia 
interponenms  sententiam  Auerrois  et  Adaminin  ..."  und  be- 
nutzt thatsächlich ,  wie  es  sich  aus  mehreren  Parallelstellen  er- 
weist, das  letzte  Kapitel  unseres  „cfe  somno  et  uisiom*. 

V. 

Das  Werkchen  „de  quinque  essetUÜs'*  enthält  eine  naive 
Erklärung  einiger  Grundbegriffe  der  aristotelischen  Phy- 
sik: ovata ,  eldoi; ,  ronog ,  xiytjatg  und  ;cgö>'Off.  Es  bezieht  sich 
vorzugsweise  auf  das  IV.  Buch  der  rpvaixi)  dxgoaatg ,  so  daß  es 
als  ein  äuüerst  verkürzter  Auszug  desselben  betrachtet  werden 
kann,  in  dem  aber  hinsichtlich  gewisser  Punkte  mehrere  Stellen 
wörtlich  reproduziert  sind.  Es  finden  sich  Beziehungen  auf  die 
Kateyurien ,  Analytiken ,  Toiilk  und  auf  De  cado.  Die  beiden 
ersten  werden  ausdrücklich  citiert:  ,,sapiens  Aristoteles  ubi  dia- 
lecticam  incipit"  (S.  28  Z.  2) ,  ,,quemadmodum  ostendimus  in 
libro  categoriarum"  (S.  28  Z.  10).  Vgl.  Anmerkungen.  Das 
Citat  aus  De  cado  bestätigt  die  Notiz  bei  ibn-Ru^d.  (Siehe  S.  00, 
Anmerkung  zu  81,3.)  Es  ist  außerdem  Plato  (Timaeus),  nebst 
anderen  Philosophen,  erwähnt  (S.  37  Z.  11). 

Mehrere  Stellen  dieses  Traktates  begegnen  uns  auch  in  der 
Encyclopädie  der  Ihwän  al-^afä  wieder.  So  gleich  in  der  Vor- 
rede: -Res  autem  quae  sunt  in  omnibus  substantiis  sunt  quin- 
que;  quarum  una  est  hyle,  et  secunda  est  forma,  et  tertia  est 
locus,  et  quarta  est  motus,  quinta  autem  est  tempus".  (S.  30 
Z.  15-17)  und: 

^.^ujij  ^.,l.jj1j  w^i^  8;_^;|j 

(Die  Abhandlungen  der  Jckicthi  es-safd  in  Auswahl.  Zum  ersten 
Mal  aus  arabischen  Handschriften  herausgegeben  von  Dr.  Fr. 
Dieterici.  Leipzig,  Hinrichs,  1883—1886.  S.  24,  Z.  3—4). 
„In  primis  itaque  oportet  nos  scire  quod  principia  ex  quibusest 
omnis   res,   sunt   duo  istorum  quinque.     et  sunt  hyle  et  forma. 


XXVI  Al-Kiodis  philosophische  Abhaodlnxigen. 

quarf^  neccssarium  est  nobis  nt  incipiamus  exponere  haec  duo 
ante  alia  Iria*  (S.  31  Z.  18-S.  32  Z.  1)  und: 

Jk^A*.f    v-i    e.^AS.)*      -.V^*-'    ,^-*^    ■'•''    iJ-^  v,'_«,J*  r-VJ     -i  -»^Vs 

jlt;}-'^  Js.  jt4— Ij  (Ebendaselbst  S.  24  Z.  5—6).  Die  ganze 
Einteilung  des  XIV.  Artikels  (Ebenda.  S.  24—43),  welcher 
als    Einleitung   zur   Abhandlung   „aber   tias    Wesen   der   Satur' 

JuiaaIslI  "C^^  ^  vorangestellt  ist,  ist  identisch  mit  der  des 
Traktats  „de  fjuiru/ue  ementÜH*'. 

Auf  einige  einleitende  Bemerkungen  folgen  nämlich  fünf  Ka- 
pitfl,  in  denen  jede  der  fünf  ^essentiae"  besprochen  ist :  -sermo 
de  hyle-  (S.  33  Z.  16-21),  , sermo  de  forma^  (S.  34  Z.  3— 
H.  35  Z.  10),  „sermo  de  motu**  (S.  35  Z.  13-S.  37  Z.  5),  ,ser- 
nio  de  loco"  (S.  37  Z.  8— S.  38  Z.  23)  und  „sermo  de  tem- 
pore* (S.  39  Z.  3— S.  40  Z.  7);  ebenso  wie  bei  den  ihwün 
a!-?afa  die  Abteilungen: 

^-j'-xil  iJjL.  ^  (S.  30—32), 

^ys\-'|  Cfil*  ^  (S.  32—35)  und 

^i^ß   WU   J>   (S.  35-37). 
Es  wiederholen  sich  femer  dieselben  (aristotelischen)  Definitionen, 
wie  man  in  den  Anmerkungen  sehen  wird. 

Da  wir  indes  auch  bei  Ja'qübl  augenscheinliche  Hindeu- 
tungeii  auf  Sätze  dieses  Traktates  finden ,  diese  Sätze  aber  bei 
ihm  unter  den  Grundgedanken  der  aristotelischen  qvaixi)  dxo6am<; 
angeführt  werden,  ^)  so  haben  wahrscheinlich  die  Ihwan  al-^afä 

■)  aSeine  (des  Aristoteles)  physikalischen  Schriften.  Die  Vorlesung 
über  die  Natur,  d.  h.  die  physikalische  Abhandlung.  Darin  behandelt  er  die 
fünf  physischen  Dinge,  die  alle  Naturwesen  umfassen,  und  ohne  weiche  kei- 
ncui  Naturwesen  Existenz  zukommt,  nämlich  Stoff,  Form,  Ort,  Bewegung  und 


Einleitung.  XXVIl 

nicht  direkt  das  vorliegende  Werk  al-Kindrs  benutzt,  sondern 
CS  gehen  al-Kindl  und  die  Ihwan  al-^afä  auf  eine  gemeinsame 
Quelle  zurück.  Vielleicht  läßt  sicli  auch  näher  bestimmen,  wel- 
cher Art  diese  gememsame  Quelle  war.  Wenn  nämlich  auch 
die  nicht-aristotelischen  Gedanken,  welche  in  „de  quinque  es- 
sentiis"  sich  finden,  derselben  Quelle  entstammen,  so  dürften 
wir  dieselbe  in  einem  Auszuge  aus  der  aristotelischen  Physik 
zu  suchen  haben,  der  von  einem  späteren  Kommentator  verfatal 
wurde,  und  zur  Zeit  al-Kindl's  als  Verbindungsglied  zwischen 
Logik  und  den  speciellen  physischen  Werken  die  noch  nicht 
vollständig  gekannten  acht  Bücher  der  <pvaixrj  dHQoaatg  ersetzte. 
Durch  diese  Annahme  dürfte  meines  Erachtens  das  oben  behan- 
delte Verhältnis  sowohl  in  dem  Aristoteles-Kanon  des  Ja'qübl,  ') 
als  in  den  Katalogen  der  Werke  al-Kindl's  und  in  der  Reihe  der 
Abhandlungen  der  Ihwän  al-?afä  seine  einfachste  Erklärung  finden. 
Unser  „de  <iuinque  esHentÜH*^  steht  übrigens  mit  ähnlich  betitelten 
Werken ,  z.  B.  mit  der  von  ibn-Palqera  in  dem  Prologe 
D^'n  "lipo  "irD  JD  D'*D1pb  des  ibn-Gabirol,  citirten  [pseudo-] 
cmpedokleischen  Schrift  tteqX  Ti'jg  mfiiuriQ  ovoia; -)  und  mit 
den  fünf  Stofifen  (Materien),  welche  al-Färäbl  erklärte  '"*),  durch- 
aus nicht  im  Zusammenhang.  ^) 


Zeit  ....  Von  diesen  fünf  sind  zwei  Substanzen ,  nämlich  Stoff  und  Form, 
und  drei  sind  substantielle  Accidentien."  M.  Klamroth,  Über  die  Aus- 
züge aus  griechischen  SchriftsteHern  bei  al-Ja^gübi,  ZDMG.  Bd.  41  (1887) 
S.  428. 

^)  Klamroth  a.  a.  0.  und  S.  432. 

')  Munk,  Mehliges,  S.  X.  Z.  4-5.  Vgl.  Steinsehneider,  Die  he- 
hrüiüchen  CbersHzungen  des  Mittelalters,  S.  380  {§  219). 

=j  Vgl.  U?aibi'a,  Bd.  II,  S.  34  und  ibn-öallikän,  Bd.  II  S. 
112—113. 

*)  Über    die    fünf  .:i''L*-u-jci^  siehe  S.  VIII ,  Note  2.   —   Wie  es  sich 

mit  diesen  verschiedenen  „fönf  Dingen"  (quinque  res,  essentiae,  sulistantiae, 
i-orpora  u.  dgl.}  verhält,  wirde  ich  iu  einer  Hittheilung  in  den  Rendiconti  der 
H.  Accademia   scientißca    letteraria   di  Napoli  darzuthun    versuchen. 


XXVIH  Al-KindTs  philosophische  Abhandlungen. 

VI. 
Der    Jiber   inlroductorius    in  artem    logicae  detnon.it rat ionis** 
zerfölU  in  folgende  Abteilungen : 

I.  S.  4i— 46.  Eine  Einleitung,  in  welcher  der  Verfasser, 
nach  einem  kurzen  Prolog  (S.  41  Z.  5 — 12)  über  Zweck  und 
Veranlassung  seiner  Schrift,  die  vier  ^species"  der  dialektischen 
Methode,  d.  h.  die  „diuisio  et  resolutio,  definitio  et  demonstra- 
tio* nach  der  porphyrianischen  Schule ')  definiert  und  erörtert. 
Kr  geht  dann  zu  einer  näheren  Besprechung  der  „demonstratio" 
ftber  und  betrachtet: 

II.  S.  46 — S.  49  die  vom  Subjekte  herrührenden  Fehl- 
sohlrtsst\  Er  führt  dieselben  —  in  der  durch  Beispiele  erläuterten 
Kntwickelungsgeschichte  der  menschlichen  Seele  von  der  Kind- 
heit ab ,  lediglich  auf  unerlaubte  Analogien  und  unvollständige 
Induktionen  zurück,  die  teilweise  in  vorgeschrittenem  Alter  durch 
das  Nachdenken  revidiert  und  nötigenfalls  korrigiert  werden. 

III.  S.  50 — S.  59.  Um  vor  den  falschen  Folgerungen  ^ex 
parte  argumentationis*  zu  bewahren,  zählt  er  die  Bedingungen 
des  richtigen  Schließens  auf.  Auch  hier  finden  sich,  außer  ari- 
stotelischen Regeln ,  Anklänge  an  galenische  und  neuplaloni- 
sche  Lehren.  Die  Xoyixal  dQx<^i  (prima  intelligibilia)  z.  B., 
ebenso  der  Satz :  die  Logik  müsse  nach  Art  der  mathematischen 
Lehrsätze  demonstriert  werden,  d.  h.  es  sei  das  synthetische 
Verfahren,  wie  es  z.  B.  in  den  Euklidischen  Elementen  erscheint, 
einzuhalten,  sind  seit  Galen  geläufig.  ^)  Geradeso  wie  bei  den 
Kommentatoren  (schon  seit  Alexander)  '^),  wird  das  principium 
conlradictionis  hervorgehoben  und  auf  die  Bedeutung  der  Mathe- 
matik hingewiesen. 

Die  Notwendigkeit  der  Mathematik  als  propädeutischer 
Disciplin  (S.  58  Z.  11—13:  „ille  autem  qui  uult  scire  demon- 
strationes   logicas  oportet  ut   sit   demoratus   in  exercitationibus 


')  David  Prolfgg.  ad  Forpfiyr,  (bei  Brandis  Schölten  p.  18  a.  34—35: 
tlai  de  xeaaaQES  at  dio^Exrixat  fte&oöof  eari  yoQ  dtatQEitXT)  ogtarixt}  d.To- 
StiKUxif  xal  ävaXi'ztic^. 

»)Prantl,  a.  a.  0.  Bd.  I  S.  562. 

»)  A.  a.  0.  S.  622. 


Einleitung.  XXIX 

geometricis  et  ut  iam  acceperit  ex  eis  regulas"),  wird  ausdrück- 
lich schon  in  dem  Werke  al-Kindl's  ^) : 

„Ahhandluny  darüber,  daß  die  Philosophie  nur  vermittelst  d-er  ma- 
thematischen    Wissenschaften  erworben  werden  kann",  betont. 

IV.  S.  ü9— S,  61.  Hier  werden  als  Übungsbeispiele  einige 
damals  beliebte  Kontroversen  behandelt :  daß  in  der  Welt  kein 
Leeres  sei;  daü  es  außer  der  Well  weder  Leeres  noch  Volles 
gebe;  über  die  Meinung  der  Weisen  von  der  Entstehung  oder 
der  Ewigkeit  der  Welt;  u.  s.  w.  —  Alles  das  ist  als  ein  Ex- 
kurs oder^als  nebensächliche  Anhängsel  zu  betrachten. 

Die  V.  und  letzte  Abteilung,  S.  61— S.  64,  enthält  eine 
kurze  Wiederholung  des  schon  Gesagten  und  eine  mystische 
Schlußrede,  in  welcher  der  letzte  Zweck  der  Logik  mit  dem  der 
Ethik  identisch  gefaßt  wird.  Alles  das  stimmt  aucli  mit  den 
Grundgedanken  al-Färäbl's ,  welcher  ,der  Logik  eine  Beziehung 
zur  Ethik  giebt ,  indem  die  menschliche  Vernunft,  mag  sie  ent- 
weder bloß  innerlich  in  der  Seele  haften,  oder  auch  äußerlich 
im  Wortausdrucke  zu  Tage  treten,  jedenfalls  ihre  höhere  und 
umfassende  Funktion  in  der  Unterscheidung  des  Guten  und  Bö- 
sen habe,  und  hiermit  die  Wahrheit,  welche  entweder  in  letzten 
unbeweisbaren  Grundsätzen  vorliegt,  oder  durch  logische  Erfor- 
schung erreicht  wird,  diesem  Ziele  dienstbar  sei."  ^)  Jedoch 
sind  seine  übrigen  Werke  über  Logik  im  Einzelnen  weniger 
neuplatonisch  und  mehr  aristotelisch  gefärbt  und  weisen  einige 
Züge  auf,  welche  die  spätere  Lehre  al-Faräbrs  kennzeichnen  und 
in  dieser  Schrift  durchaus  fehlen.  Doch  erinnere  man  sich,  daß 
das  vorliegende  Werk  nur  eine  Jugendarbeit,  eine  ,collectio'* 
al-Kiudl'scher  Gedanken,  und  nicht  ein  selbständiges,  reiferes  Er- 
zeugnis des  al-Färabi  sein  dürfte. 

Es  ist  auf  eine  Menge  . Sendschreiben"  ,  d.  h.  Traktate 
[fpi-stdlae  =  ^'^y^^ß    aufmerksam    zu    machen ,     welche    hier 


')  Sülle  opere  u.  s.  w.  S.  8  n*»  3  (Fihrist  n"  3,  Qifll  n"  2,  U;aibi'a 
n"  3.';Flagel  n»  3  und  133,  Hammer  n»  3  und  126).    Vgl.  n"  16. 

■j  Prantl,  a.  a.  0.  Bd.  li  S.  309.  Dafi  dies  neuplatonisch  ist,  erhellt 
aus  der  cilierten  Anmerkung  121  im  Bd.  1  S.  644. 


XXX  AI-Kindrs  philosophische  Abhandlungen. 

citiert  werden  und  sich  meist  auf  Bearbeitungen  aristotelischer 
Werke  beziehen:  „epistola  de  semu  et  sensaio"  (S.  41,  15.  48,  18. 
50,  24.  53,  19)  %  „cafegon'ci"  (S.  42,  3.  17),  Jibri  logicae"  (S. 
50,  4.  52,  2.  (»2,  22),  „et  fopicae"  (S.  52,  2.  62,  22)  und  dann 
„epifitola  de  intellectu^'  (S.  41  Z.  16),  „epktoia  de  generihus  seien- 
fiarmn"  (S.  41  Z.  17),  „epistolae  diuimte^'  (S.  42  sicherlich  die 
pseudo-aristotelische  SeoXoyia)^  j,epistola  de  causa  et  causatis'% 
„epistola  isaffogat'um," ,  „epistola  de  hjle  et  forma*'  u.  s.  w. 

Das  Latein  ist  freier  und  glatter,  als  in  den  Abhandlungen 
„de  somno  et  uisitme" ,  „de  quiuque  essentÜs'*  und  „de  ratione*'. 
Der  Übersetzer  —  wie  schon  gesagt ,  vielleicht  Johannes 
Hispalensis  —  ist  wahrscheinlich  derselbe,  welcher  auch  al- 
Kindl's  und  al-Füräbl's  „de  intellectu''  bearbeitet  hat.  Dazu  ist 
zu  bemerken ,  data  der  Traktat ,  auch  der  Stelle  nach ,  in  den 
Handschriften  unmittelbar  vor  al-Füräbl's  „de  inieltecfu'*  nieder- 
geschrieben ist. 

VII. 

Nach  den  Angaben  der  mir  bekannten  Handschriftenver- 
zeichnisse sind  die  philosophischen  Traktate  Al-Kindl's  in  fol- 
genden Bibliotheken  aufb,ewahrt: 

I.  De  intellecta. 

1.  Cesena.  Plut.  XXII,  Cod.  3  (Titel:  „episfola  Aven-oiy, 
Muccioli,  1  S.  78). 

2.  Erfurt.  Cod.  Ampi.  29*  fol.  (Schum  S.  24). 

3.  Cod.  Ampi.  40  fol.  (Steinschneider,  Älfarahi  S.  188). 

4.  Oxford.  Cod.  Bodl.  1818'"  (Mss.  Angliae,  I,  S.  87; 
Digby  S.  217.  Dreimal  in  demselben  Codex  nach  Macray 
S.  230—231). 

5.  Cod.  Morton  Coli.  228  (Goxe  S.  110). 

6.  Paris.  Cod.  Nat.  6443'"  („de  ratione".  Cat.  Bibl. 
Begiac  F.  III  T.  IV  S.  244). 

7.  Cod.  Nat.  6443^»  (,,de  hitelhctu"). 


*)  Dieses  Citat  dürfte  nach  Steinschneider  (Die  patTO  naiuralia 
dea  Aristoteles  ZDMG.  Bd.  37  S.  490)  manche  Schwierigkeiten  bieten,  da  nach 
ihm  der  betreffende  Traktat  zur  Zeit  al-Färäbfs  noch  nicht  ins  Arabische 
übersetzt  war.    Siehe  jedoch  Bd.  45  S.  447. 


Einleitung.  XXXI 

8.  Cod.  Nat.  16613»  (=  Sorbonne  1786,    Haureau,   No- 
tices,  V,  S.   195). 

9.  Rom.  Cod.  Angel.  242*  („de  rations".  Narducci,  1,  S. 
l:t8  col.  2). 

10.  Cod.  Angel.  242=*  {„de  hifellectu".   Ih'uL  S.  139  col.  1). 

11.  Cod.  Vat.  2186^^ 

12.  Cod.  Vat.  4426''. 

13.  Venedig.  Cod.  Marc.  39'  (Valentinelli,  II,  S.  27). 

II.  De  somuo  et  nisione. 

1.  Brüssel.    Cod.   21856«   (vgl.   Bülow,   in:    BeitrAge   z. 
Gesch.  d.  Phil.  d.  M.-A.,  II,  3,  S.  72-73). 

2.  Oxford.  Cod.  Coli.  Oriel,  7»'*  (dem  Man  /^'V'''^'  beige- 
legt. Coxe,  I,  S.  2-3). 

3.  Cod.  Coli,  M.  Magdal.  175*  (dem  lahaq  lanidi  beigelegt. 
Coxe,  II,  S.  8). 

4.  Paris.  Cod.  nat.  64432*. 

5.  Cod.  nat.  16613-». 

6.  Venedig.  Cod.  Marc,  ili^  (Titel:    Thrmiafil  de  ammw 
ei  ühfdia.  Valentinelli,  IV,  S.  117). 

III.  De  qninqae  esseutiis. 

1.  Erfurt.  Cod.  Ampi.  286^  fol.  (Schum  S.  193). 

2.  Oxford.  Cod.  Bodl.  1818«. 

3.  Paris.  Cod.  Nat.  9335. 

4.  Cod.  Nat.  14700. 

5.  Rom.  Cod.  Angel.  242^ 

6.  Cod.  Vat.  210  (als  „logirae  frufjmentum"). 

7.  Cod.  Vat.  2186. 

8.  Cod.  Vat.  Ottob.  1870. 

IV.  Liber  iutrodactorins  in  artem  logicae  demonstrationis. 

1.  Paris.  Cod.  Nat.  6443. 

2.  Rom.  Cod.  Vat.  2186. 

Die  von  mir  benutzten  Handschriften  sind:  für  „de  inte/lectu". 
8.      =  S 

■::i  =  ^ 


XXXU  Al-KindTs  philosophische  Abhandlangen. 

11.  =  F» 

12.  =  V- 

13.  =  3f'. 

EUne  Beschreibung  der  Codices  findet  sich  in  den  in  Klam- 
mem ang^ebenen  Werken  und  Katalogen.  Die  vatikanischen 
Handschriften  (V»  =  cod.  2186,  0.22m  x  O.lini.  Ende  des 
XUI.  Jahrh.  foll.  II  j-  119  +  I  und  V^  =  cod.  442(i, 
0.245ni  X  O.I8m.  Anfang  des  XIV.  Jahrh "loll.  140)  werde  ich 
in  einer  in  kurzem  erscheinenden  Mitteilung  an  die  „R,  Accadcniia 
dei  Lincei*  näher  besprechen.  Die  Filiation  dürfte  folgende  sein : 
IX.  Jahrh.  O  Arabisches  Original 


XU.       ,     ^de  inUtUäW  Q 


\ 
O  ff<^«  ratione*' 


XIII. 


XIV. 


ro 


AÜO^ 


Für  „de  sotnno  et  uisione"  benutzte  ich  die  drei  Handschriften: 

4  =  A' 

b  =  S 
6  =  MK 

Während  S  wegen  der  außerordentlich  häufigen  Verderbnisse 
und  X-  wegen  des  unklaren  und  lückenhaften  Charakters  min- 
derwertige Handschritten  sind,  hat  M-  gute  Dienste  geleistet. 
Jedoch  bietet  die  Ausgabe  auch  so  noch  manche  Dunkelheiten, 
deren  Klarlegung  und  Verbesserung  möglicher  Weise  durch  den 
Vergleich  mit  den  mir  nicht  zugänglichen  Oxforder  Codices  ge- 
wonnen werden  könnte. 

Für  den  Traktat  „de  quinque  essettfüs"  waren  mir  folgende 
Codices  zu  Verfügung: 


Einleitung.  XXXUI 

5  ==  ^ 
0  =  V^ 

7  =  F' 

8  ==   0. 

Von  gröüerer  Wichtigkeit  sind  A  und  T';  T'-'  (=  Cod.  210» 
0.32m  >;  0.23in,  XVI  Jahrh, ,  foU.  IV  +  70)  und  0  (=  Cod. 
Otlob.  1870,  0.28m  X  0.20m,  XV.  Jahrb.,  foll.  I  -f  175)  sind 
spätere  Abschriften ,  die  einer  der  Handschrift  A  gemeinsamen 
Familie  angeliören ,  welche  hier  und  da  doppelte  Übersetzungen 
eines  ai'abischeii  Ausdrucke  und  Interpolationen  enthalten,  wäh- 
rend T'  solgbe  nicht  darbietet.  Auch  von  derselben  wird  in 
der  S.  XXXII  citierten  Mitteilung  die  Rede  sein. 

IX.  Jahrh.  O     •     •    ■  Arabisches  Original 


XII. 


O 


\ 


.  Übersetzung   des  Gerhard 


XIII. 


\ 


O  Dieselbe  mit  finterpolier- 
T'iQ  I         ten]  Glossen 


XIV. 


O'^ 


/ 


XV. 
XVI. 


^O 


QV^ 


Von  den  beiden  Handschriften  1  =  K  und  2  =  T''  oder 
auch  einfach  (',  welche  der  Ausgabe  des  „Ufter  hifnxfuctariuH  in 
arteni  lofjhap  detHonMrationitt''  zu  gründe  liegen ,  ist  jedenfalls  ?' 
die  beste. 

Es  sei  nun  hier  mir  gestaltet,  den  Herrn  Leopold  De- 
lisle,  Präfekt  tlor  Pariser  National-Bibliolhek,  Domenico  Gnoli, 
Prälekt  der  „Bibliotcca  Nazionale  Vittorio  Emanuele  11"  in  Rom, 

Ueiträge  II.  &.    Xagy  ,  Al-Kindi.  C 


XXXiV  Al-Kindfa  philosophische  Abhandlungen. 

und  P.  Franz  Ehrle,  Präfekl  der  Vatikanischwj  Bibliothek, 
deren  Höfliclikeit  ich  die  Ausnutzung  der  Pariser  und  Vatikani- 
schen Handsflii-iflen  verdanke;  den  Herrn  Professoren  Ignazio 
Guidi  und  (ielestino  Schiaparelli  der  hiesigen  K.  Universität, 
die  mir  mehrere  schwer  zu  findende  arabische  Werke  gütigst 
zur  Verfügung  gestellt  haben ;  und  dann  meinem  theuersten 
Freund  Dr.  Joachim  Frateili,  Lehrer  am  K.  Umbertinischen 
Ober-Gymnasium ,  welcher  mir  bei  der  mühsamen  Arbeit  der 
Kritik  und  Correktur  der  lateinischen  Texte  beigestanden  hat  — 
meinen  herzlichsten  und  aufrichtigsten  Dank  auszusprechen. 

Rom,  den  25.  Juni  1890. 

A.  Nftgy. 


Während  des  Druckes  wurde  ich  durch  Herrn  Professor 
Clemens  Baeumker  —  welcher  die  Gefälligkeit  hatte,  alle 
Bogen  nochmals  sorgfältig  durchzusehen,  und  welcher  mit  seinem 
bewährten  Rate  manche  zweifelhafte  Stellen  verbessert  hat  —  auf 
eine  bis  jetzt  unbekannte  Handschritt  des  Traktates  ,de  intellectu" 
aufmerksam  gemacht ,  von  welcher  mir  dei-si'Ibe  eine  Abschritt 
sendete.     Es  ist: 

14.  L i  1  i  e n  f e  I  d  (Niederösterreich)  Clod.  1 44  Monast.  CA- 
sterc.  fol.  102r--I0äv,  ohne  Titel  und  als  Prolog  zu  den  Pa- 
radoxe Al-ntn  (fe  marimis  getwi-aVibiia  (d.  h.  Regulae  theologicae) . 
Die  betreffenden  Varianten  werden  in  den  Anmerkungen  ange- 
führt. Aus  denselben  erhellt,  daß  der  Codex  einer  mit  HV- 
gemeinsamen  Familie  angehört. 


Verbum  Jacob  Alkindi  de 

intentione  autiquorum  in 

ratione, 

trauHlatum  a  ma^istro  tierardo 
CreiDoii«nsi. 

Inlellexi  quod  quacsiinsii 
de  scribcndo  sürnionern  m  i*a- 
tioiie  a!ii>tvui:iliiiii.  PtiiiiiliarrU-itL 
st^nlenliani  Aristotelis  et  Pla- 
loTiis.  fron  tprolien  sin  qiiideni 
surniütiis  Plalonis  t't  seniiouis 
discipuli  eius  Aristotelis  est, 
(|uod  ratio  est  secunduiii  qxm- 
tiior  species.  prima  qiianiin  est 
instrumentuni  omiuimi  rationa- 
toriini  et  rationatum.  seoiuida 
est  ratio  (|uae  polentia  est  in 
aiiiiiia.  lerlia  est  ratio  cuiii  exit 
iiianiinade  potentia  ad  efTectum. 

1— 5Incipit  tierbum  Jacob  alcfaimli 
de  ratione  .1.  /tot  und  am  Räude:  Nota 
uerbuni  Jacob  alkin.  A'  1  alkin<Ji  I 
»Ikin  .V  ^5  abbrcuiatum  ,  ahreviatuin 
A\  H— »  eDuntiantemaentenliam  i 
enuneialione  sicuL  A  U-  lU  ArisUi- 
lelis  et  Plalonis  i  Aristutili-s  et  FIhIu- 
Dis    rut  A'  1 1  sermunts  ,  fehlt    A* 

12  Arislolelis  I  Lacke  y     Ui  serumla  | 
hU  y   (tot    und  schwarz)  17  in  | 

ftidt  A        18  l^rtia  |  et  terlia  Ä  bis  S 
(rot  und  ifchwarz). 


Liber  Alkindi  de  intellechi 
let  intellectol. 


Inleltexi  quod  quaeris  [sci- 
lioet|  scribi  tibi  scrmoncm  bre- 
u*Mu  de  ijilHlI(M'lii  |cl  ifitt'IIccio]. 
sccundum  senleiitiani  Piatonis 
et  Aristotelis.  st'd  sentenlia  i'i 
troruin  est ,  quod  itilelleelus  est 
secundiim  qualuorspecies.  prima 
est  inlelleclus  qiii  seinper  est 
in  actii.  äocinida  est  intelleetns 
qui  in  potentia  est  in  anima.  \h 
tertia  est  intellecttis  cum  exit 
in  aiiirna  de  polenlia  a<i  et- 
fectum.  quarla  est  intellectus, 
quem  tiocanius  detnonstrat/uMui. 


BvttrKKfl  n.  S.    NAxy.  Al-Kimti. 


1—2  De  JnileUectu  serundum  Art- 
slolelem  et  Plattinem  S  Incipil  litier 
iilkindi  (t«  iuLellertu  V*  Liber  •i^uindi 
philosophi  de  intellectu  et  ioLellecto 
fot  y  Incipit  libellus  alchiiidi  de  in- 
teUectu  >eL  inlelligenlia  am  Ifandr  Jf' 
Ineipit  »lehiodu»  de  inlelleclu  el  in- 
telleclo  A  Liber  aliquindi  philosoplii 
de  mlellwrlu  et  intellecto  P  G  In- 
Lellexi  I  intellexisti  SV*  ii-7  [scili- 
iivi\  I  (thU  SV^NA  7  scribi  tibi  |  tibi 
scnpsi  r*  srrihitur  A'  ffhit  S  8  |et 
ialellectü!  |  fehlt  SV  V'Nil'  M  seii- 
tenliain  I  seien liacnS.'l  ti — lOPlaloui» 
et  Aristütelis  i  Arialotelis  ei  t'iRtoiiiä 
AM'  H-13     Pblünis  .  .  .  prluia 

est  i  fehlt  N  Zu  10— IH  HandgioHM: 
IntellerLus  allu»  in  actu  seiiiper»  ülius 
in  potontia  ,  alius  in  eQorlu,  alius  de- 
mun^tratiuus  !'■  iuLellectus  aüus  in 
aetu  semper.cum  in  potentia,  In  etfectu. 
denii»nHtral'     A'  lU- 11    .s*nteutia 

eornm  est  I  scicntia  est  eornm  S  eorum 
sententia    eat    V*  senlenlja  est  eorum 
A        11  est  I  fehlt  S      13  semper  est  | 
est  semper  S         15   qui  in  f>olenlia 
est  1  qnuest  in  potentia  SV*    Vo  intel- 
lectuä  I  in  anima  AT'         i7— IH  nd  er- 
fectum  I  de   efTectu    N    ad    actum    A 
19  quem  |  fehlt  N     denionslrritiuum  | 
demonstrantem  .ST'iW  deraonstratiu« 
N  demonstrationeni  A  unklar  V*. 
1 


3  Al-Kindl 

quarta  ratio  est  illa,  quam  denominamus  demoDstratiuam.  et 
est  assimilatio  rationis  cum  sensu .  propter  propinquitatem  sen- 
sus  ad  ueritatem  et  communitateiii  ad  eam. 

Dixii  enim  quod  fonna  est  duae  fomiae.     quarum  una  est 
5  habens   materiam    et   est    illa   quae  cadit  sab  sensu ;   sed  altera 
est  illa  quae  non  habet  materiam  et  est  illa  quae  cadit  sub  ra- 
tione.     et  est  specialitas  rerum  et  quod  est  supra  eam. 

Et  forma  quidem ,  quae  est  in  materia .  est  aetu  sensata : 
10  quoniam  si  non  esset  actu  sensata.  non  caderet  sub  sensu,  cum- 
que  adquirit  eam  anima,  tunc  ipsa  est  in  anima.  et  non  adqui- 
rit  eam  nisi  quoniam  est  ipsa  in  ea  in  potentia.  cum  ergo  ad- 
quirit eam  anima,  fit  in  anima  actu.  et  non  est  in  anima  sicut 
res  in  uase ,  neque  sicut  similitudo  in  corpore ,  quoniam  anima 
15  non  est  corpus,  est  igitur  in  anima,  et  anima  est  res  ima.  nun 
aliud. 

et  similiter  iterum  uirtus  sentiens  non  est  nisi  animae;    et 

non  est  in  anima  sicut  membrum  in  corpore,  immo  est  in  anima 

an  et  est  sentiens.     et  similiter  iterum  uirtus  forma  sensati  non  est 


1  quarta  |  bis  N  {rot  und  »chwarz)        illa  I  fehlt  y        denoininamus  \ 
nominauimus  JV       demonstratiuam  |  demoDstrationein  A'       4  enim  |  ftMt  .V 
5  illa  I  fehlt   2i        <>  et    est  illa  |  fehtt  im  Text  und  am  Hantle:  et  illa  est  N 
7    specialitas  |  spälitas   X  12   quoniam  |  quundoque    N  ipsa  |  fehlt  X 

13  anima,  |  aü  (unklar)  A  14  neque  |  et  neque  A  sicut  j  fehlt  N  1.5  est 
eüam  A  18  iterum  |  I  trä  (in  terra  V)  A  sentiens  I  sentencüs  N  ani- 
mae I  anima  A       20  non  |  is  A. 


Liber  de  inlellerlu. 

el  Inmo  uitellcctum  assimilauit  Aristoteles  sensui,  propterpro- 
pinquiUiteni  seusas  ad  ueriUlem  et  quia  comniuriicat  cum  ea 
oinnino. 

Dixit  enim  Aristott»les  qnod  fomia  est  duae  foniiao.    qua- 
rum    una  est  haljuns  materiam  et  iUa  est  quae  subiacel  sensui;  s 
i?t  altera  est  illa  quae  non  tiabet  materiam  el  illa  est  quae  sub- 
iarot    intulltt-tui.      et    illa   esl    spccialitas    rorum    v\    iil  quod  est 
supra  eam  [scilicel   ^'cnn-alitas  nruni]. 

Et  fomia  quidütii ,  quae  est  in  itiateria.  actu  est  sei^sala; 
quuniam  s\  non  esset  actu  sensata,  non  caderet  sub  sensu,  cum-  lo 
que  appreliendit  eam  anima ,  tunc  ipai  est  in  anima.  sed  non 
appfvlientlit  eam  uisi  quia  ipsa  prius  erat  in  anima  in  |)otentiu. 
eum  igitur  appretiendit  eam  anima,  fit  in  unirna  in  eftectu.  non 
est  autcm  in  anima  sioul  aliquid  in  uuse,  nee  sicut  caelatura  in 
cDrjKjre;  quoniam  anirna  non  est  corpus  nee  circumscripta,  est  ia 
ij^ilnr  in  anima.  et  anima  osl  res  una,  quae  est  ipsa,  non  aliud 
ab  ipsa ;  nee  eliam  alta  alietale  praediramontoium. 

simiiiter  etiam  uirtus  sentiens  non  est  nisi  in  anima;  sed 
non  est  in  anima  ut  membrum  in  corpore,  sed  esl  ipsa  anima, 
et   ipsa   est   sentiens.     simiiiter  forma  sensati  non  est  in  anima  so 

Xu  1  Bahdglo»B€:  Dota  inlellectum  ai^AimÜHlutn  sensui  S  assimila* 
nil  I  assiiDilüt  ('■iVJJW'  assiiniilauit  -S  2  et  |  fehlt  A  coiiimunicat  |  con- 
iuiictali»  (!)  .s  cum  ea  I  cum  e«  SV*  in  ea    K'.I.W  in  eo  X        .V-7  sen- 

sui ..  .  intellectui  |  fthii  im  Texte  und  tat  at»  J-'uße  der  Seite  Machgttfa^u  1'' 
<i   est    illa  I  esl    ASV*  illa   est  |  est  illa  .V  esl  alJa    V  7  specialilas  | 

apcitas  1'*  spualilas  .V  S}>älilas  A'^  spealitas  if'  id  fehlt  A  8  scilicet  gc- 
neraliUis  |  generaülas  (grauitas   V*)  scilicel  -ST^  H  Tonua  \  forme  -S      )|ui- 

deni  I  ijuod     1''  fehit    S  materia  |  natura    M*  setisaUt  |  scnsuata    S 

10   sensu  I  actu  sensu  N  10 — 11  cumque  ,  cum  A  II  tum-  .  .  .  anima 

fehlt  A        shI  I  fehlt  A         Vi  nisi  .  -  .  erat  |  fehlt  A        prius  erat  i  prius   !'■ 
erat  priUB  SM' 
aniniu  |  fehlt  A 
nni  AT  frhlt  A 


in  aiiimii  \  inanimsiUi  in  A  lii— liJ  tn  potentia  .  .  eam 
13  fit  I  ait  ^  in  unimu  |  auima  K'  14  in  anima  |  ani* 
nee    el  .V         sicut  |  non  sie  A'         caelatura  |  colatura  S 


15     nei:  I  Hiik-Uir 
circunsrriplu  JV' 
res  una  est  .S  rest  una  Jf ' 
est    VA        alia  i  in  alia  N 


oh    n    oder   u   «V  circumsicripta  |  circumscripta  esl    A 

15—  Iti  esl  igitur  t  i|rilur  til  fjuutl  est  A      iO  est  res  una  | 
quae  i  el  quae  .V      ner  |  neque  M*       17  etiam  i 
alietate  [  alicetOl  ^*      pruedlcamenturum  |  pre- 


ceploruni  S  predicalurum  -1/'  zweifelhaft  AT'  18  eliani  |  auleni  el  S  au- 

lem  etiam  A  et  T'  non  |  fehlt  A  nisi  |  fehit  A  in  |  fehlt  M'  18-li(  »ed 
.  .  .  anima  1  fehlt  \"*S  \\h  membrum  |  mumliru  S  ipsa  auiuia  ,  in  ijisa 
anima  A  'J(1  el  ipsa  et  ipsa  anirna  A  luich  .sentiens'  |  simiiiter  uutem 
forma  nun  esl  in  uuima  ut  ineuibruni  est  in  cor|)orc,  sed  e^t  in  ipsa  anima 
et  ipsa  nniina  esl  sentiens  A  ( Oittugnifihie^  simiiiter  |  simiiiter  autem  A 
sensuli  I  sensata  ^  fehlt  A 


4  AVGadl 

in  anima  cum  alio.  aliud  alteritate.  sensatum  igitur  in  anima 
est  sentieiis.  al  u^ro  sensatuiu  materiei  est  praeter  animam 
sentiHntem.     ex  paile  ergo  materiei  sensatum  non  est  sentiens. 


&  et   similiter  cxemplum  rationis  in  anima .   quando  apparet 

ratio  siue  forma ,  cui  non  est  materia  et  unitur  cum  anima, 
ilicet  fit  inuenta  in  anima  actu,  cum  iam  fuerit  in  ajiima  non 
Inuenta  actu,  immo  potentia.  haec  igitur  t'oniia.  quae  materiam 
non   habet   neque   ptiauta^iiani ,    est   ratio   adquisita   unimae    ex 

1"  ratione  prima,  quae  est  specialitaf  reruni.  quae  est  actu  semper. 
et  ipsa  quidem  non  tit  adquisita  et  anima  adquirens  nisi  quo- 
nlani  anima  potentiil  est  rationalis ,  et  ratio  prima  actu  est. 
omnis  res  adqjiireus  rei  t^ssentiam  suani ,  adqnirt-nti  ei  est  res 
ilia  potentia  et  non  est  ei  actu.     et  onme  quod  est  rei  potentiA 

1-^  non  egreditur  ad  actum  p<>r  essentiani  eins;  quoiiiam  si  esset 
per  fss*'ntiam  eius  esset  actu  Sfinpi-r.  quoiiiam  essentia  est  ei 
semper   et   est    itiveuta.     ergu  omnu  quod  est  putentiü  non  exit 


1—2   in  anirot  est  senlien*  I  est  in  anima  sentiens  y 


2  aera  i  Mn- 


kiftr  .V       est  |  el  iV      ,1  maleHei  l  im  A  i)uatuur  S  trflchrrWU  tan       h  <|aan- 

ilo  I  ()n  N  f\r  Ä        7  anima  |  .iiüniali  A         8  immo  1  fehlt  hu  Trxtt  »her  um 
liauiU  nachgeirogen  A     1)  ex  |  et  ex  .-)       Iit  ijuae  |  quarum  .1       s(ierialitas 
spalita»  AS       »eiupcr  |  frhit  S        11  adquircns  |  aquirens  A'        12  aaimn  I 
animal  K         ralionalls  |  raliunaliilis  A         est  |  fMt  A*         13  oronift  i  ciim 
oiiinis  N         ei  i  enim  iV  14  omne  |  esse  (ee  fSr  ue)  Ü        15  quoniani  , 

quud  A        Iti  ei  I  et  A 


Liber  6t»  intelleclu.  5 

ul  aliud  uel  aJtemni.  sensaturn  igilw  in  aiiima  est  sentiens 
sccundiiiii  quod  est  in  anima,  sicul  dixil  ÄrislotGlus.  sed  sen* 
satuni  utrlutis  niatprialis  est  praeter  anitnain  sentieiitem.  se- 
nnidntn  ijrilnr  quod  est  in  rinjtoria,  scn.salurri  noii  est  st-ntiens. 

et  siniilitor  exeniplilicuw/'l  Ai-istoltiltis  inlellcctum .  scilicet  fi 
quod  anima  cum  appreliendK  intellectum  ,   scilicel  Ibniiani  quae 
iion  liabet  mutf^riairi  ne<:  phmitiiHiam,  ei  uiiilur  ciiiii  anima,  iunc 
«•sL  in  anima  in  pffoclu  qnuc  non  i^rat  antea  in  anima  in  elTeclu 
seri    in   polentia.     haoc    itrilur   forma,   qnae    iam  malcriam  non 
habet    nee  phanlasiam ,   est  intellectus  adeptus  animae  ab  intel-  lu 
ligentia   prima ,   quae   est   specialitas    rerum .   quae   est    in    actu 
sempiT.     tuici;   uiitem  non  tit   attribuens  nisi  animae  adeptae  ad 
rei'ipiendum ,     quoniam    miinia    in    potenlia   est  intelligens.   SiH) 
intelligenlia   prima  est  seinper  in  actu.     nulla  enim  res  attribuit 
aliquid  suis  reeoptibilibus ,  nisi  quod  erat  eis  in  potenlia  et  non  n 
in  effertn.     nöliil  anteni  quod  est  rei  in  potentia  exit  iu\  eft'eelmn 
per  ae  ipsum ;  quoniam  si  essel  per  se  ipsum ,  exirel  semper  in 


I  uel  I  fehlt  SA     2  seeandum  |  eo  K'      est  in  |  fehtt  A  est  M '      anima  | 

iinitne  A  eo  C'  sicul  |  ut  A  dixit  (  dt  M'N  dicil.V  seJ  |  fehlt  S  3uir- 
tutis  nmterialis  |  uirtutis  lalionalis  A  mftterlale  S  lualerialis  T'      est  |  felitt  S 

4  igitur  I  fehit  A      maleria  |  ala  m   V-      nnn  est  |  fehlt  A      5  exemplificauit  | 

exempliflcal  syV'V'AM'  intelleclum  1  in  intellecUi  A  ft— i!  «<'ilicel  .  .  . 
intellectum  |  fehlt  N  V ' i  IfvmoiotfUuton)  Gcuni  apprehendil  |  cumprehendil  S 
7  nee  I  et  N  phanUsiam  |  fanlaaiam  SNV'V'AM*  und  so  imtnfr  cum  ani- 
ma I  in  fanUslu  illa  S  cum  ea  Jf'  B  in  elTectu  I  afTerla  .1  quae  .  .  . 
effectu  I  fehlt  AT'if'  (ilomtnottleutoH),  in  K'  jedocJi  am  Handf  Havhgelntgen 
anlea  |  fehlt  SV-  !>  sed  in  potenlia  ;  ffhlt  A  iam  |  a  iam  .S  10  nee  | 
neque  NA  uel  ^'         adeptuä  |  aplu»  A         10—11  intelligetitia  prima  |  inlel- 

lectiua  potenlia  P*  11  est  i  fehlt  A  specialitas  |  spiitas  K'  spälitas  ASM^ 
spülitas  5  rerum  i  non  tnö  für  rr)  X  est  in  actus  S  in  actu  est  AX 
V2  baec  \  hie  S       non   fit  |  st  lil  A'   liliu  (iulelÜKentia  V)   V*        allribuciis  I 

m 

triliuens    V*  aotibuens  (!)  ^V  adeptae  ]  aple    V^  13  quoniam  |  q    A 

intelligens  \  intellectus   S  sed  |  et    A  13  —  1.^   sed  .  .  .  potenlia  i  fthli 

•Sr»  M  est  seiiiiier  in  actu  |  semper  est  in  actu  AM/'  seniper  in  actu  est 
.-I  res  I  fehlt  Ar'  I4~l5  attribuit  .  .  .  receplibilihus  |  aÜquid    »uiti   re- 

ceptibilibuB  attribuit  A        suis  I  rr  .V    eis  |  fehlt  M^     10  et  non  1  sed    1'"  sed 
non  S         lö  nihil  |  nichil   y*SNM'  und  so  immer  fituch   V^A)         est  rei  i 
erat    A  enil  |  erit  .S'  elTectum  |  actum  und  am  Rande:    efTectum  A 

n  quuniam  .  .  .  i^ieutt»  [  fehlt  M  (HumoioUleHton)        exirel  |  essel  AJSV*  V* 


Al-Kindi 


ad   actum   nüri   per  id  quod  est  illa  res  actu.    anima  igitur  est 
rationalLs  potentiä.    et  est  exiens  ad  actiun  per  actum  primuni. 


5  et  cum  unitur  forma  rationalis  ei ,  non  est  ipsa  per  fonnam 
rationalem  alterata,  quoniam  non  est  diuisa  quare  alteretur. 
et  cum  unitur  cum  ea  forma  rationalis,  tunc  ipsa  et  ratio  sunt 
res  una,  rationalis  et  rationata.  ratio  igitur  et  rationatum  sunt 
res   una   ex  parte   animae.     ratio  uero  quae   est   actu  semper 

14  faciens  extrahere  animam  ad  hoc  nt  fiat  rationalis  actu ,  post- 
quam  fuerat  rationalis  potentiä,  non  est  ipsa  et  rationatum  res  una. 

rationatujii  igitur  in  anima  et  ratio  prima,  ex  parte  rationis  pri- 
mae, non  est  res  uua ;  ex  parte  uero  animae  ratio  et  rationatum 
»est  res  una. 

ratio  igitur,  quae  simplex  est,  est  magis  similis  animae  et 
fortior  ea  in  sensato  plurimum. 

ratio   igitur  prima  est  instrumentum  omnium  rationatorum 
f*  et  rationatum.     ratio  vero  secunda  est  animae  potentiä. 


1  nisi  I  neque  AN        'Z  ad  |  per  N        per  ]  ad  JV       6  mtionalem  ]  in 
oiiine    .1         <[uare  i  quia   N         H  una  |  et   materia  A*       9  ratio  j  ratio  A' 
uero  quae  est  actu  |  intentio  non  est  que  ,actu' est  N      10  extrahere  i  extrahens 
AN       animam  |  anima  N         U— 15  ex  parte  .  .  .  una  \  bis  N         lä  est  | 
et  N        17  est  est  I  est  (llaplographie)  Jf  19  igitur  prima  |  prima  igitnr 

20  ratio  uero  secunda  i  secunda  ratio  uero  secunda  NA 


Liber  de  intellectn.  7 

actu,  quoniam  essentra  sim  es[se]t  sibi  semper  et  es[so]l 
inuenta.  nihil  i^itiir  ijaud  est  in  potetiliu  exit  ad  effpctuni, 
nisi  per  aliud  quod  est  in  efft^ctu.  ariiina  igitur  est  intelligens 
in  potentia.  sed  exit  aii  effcotuni  p(^r  intolllKentiam  primam,  ad 
qnani  oiim'ip.sa  re?^pexil .  tit  int.ellit<<-nH  in  offectu.  et  cum  «ni-  & 
lur  t-i  rorma  intcHiKibilis.  non  wst  ipsa  t.'t  fopina  iiiti-iligibüis  alia 
et  alia.  quontani  non  est  diuisihili.s  ul  alteretur.  sed  cum  unitur 
cum  ea  fonua  inlellipibifis,  lum.-  ipsa  et  intcllectns  sunt  res  una, 
sciiicet  inti'Iligeiiä  H  intfllcria.  i^ltur  iniellecins  et  intellectum 
sunt  unuin  serundinn  quod  sunt  in  miitna.  intelludus  uero  qui  i« 
est  in  artu  seniper  et  qui  extraliit  aniinain  ad  hoo  ut  fial  in 
effectu  inteüigens ,  postquam  l'uerat  intellitrcns  in  potentia .  ipse 
et  inteMecluni  ipsimi  tion  sunt  ivs  uua.  intellet-tuiK  iptur  in 
aninia  et  intellectus  prinius  ex  parle  intelligentiae  primae  non 
sunt  res  una;  ex  parte  uero  animae  intellectus  et  intellectuni  t» 
sunt  res  una. 

intellectus  autem ,  qui  in  simplicitate  est  siniilior  animae, 
est  nniltu  tbrÜor  quantum  ad  intellectum ,  quam  sensus  ad  sen- 
satuni.  inU-llei'tus  igilnr  pritnus  causa  est  oinniutn  intelleclortuu. 
sed  intellectus  secundus  est  aniniae  in  potentia.  so 


1  «((sejl  (bi3)  I  esset  NiV  C  l'MAf'  silii  semper  l  semper  sibi  .V  2  in- 
uenU  I  intenta  T'  tnuenda  iV  igilur  |  ergo  T'  auLein  A  potenliu  |  actu 
putencia  >S'  efTectum  |  hcIuui  vel  efreclum  M'  •)  nisi  |  ut  8  allui)  |  hH- 
quod  S  3— ä>  anima,  .  .  .  effectu  | /*W(  .1  (Homoioteleutonf  3—4  est 
inlelliifenn  in  potentia  |  inlelbgens  in  potenlia   est   intelligens    SV*  |  in- 

tcliigenliiun  priiiiain  |  iulellecLluam  potentiam    t'^      5  quam  cum  ipüu    quatn- 
cumque  A        respexit  |  respicil  VNM'       iiitelligenti  |  inlelleclu-s  N       4i  ei  | 
cum  ea    V        iotelligibilit*  |  intellectus  M^      (i— 8  nun  est  .  .  .  inlelligibilis  | 
fehlt  8  (üomoioteltHiott)        H  lunc  ipsa  I  fehlt   V^       [i  intelligens  )  intellectus 
\'*A         inteUccta  i  intelligentia  X  intellei:tu»  XA    iutelleclum  Af '         intel- 
lectum t  intellecta    t'*   intellectus   Ä  11  acLu  |  unima  N         qui  |  quod  N 
exlrahil  i  abstrahit  Af*       animaui  |  aniinam  ail  iiniiitaiii  T'  aiani    .S'        12  in- 
telligens (Wjij  1  intellectus  .ST',  M  nur  das  erste        ITuerat  i  fueril  N        ipse  i 
et  ipsa   1'*  tpsa  .s'ATMi/'     Vi  intellectum  ipsuni  |  suum  intellectum  V^NAM* 
intellectum    I''       intellectuni  l  intellectus  .s'  14  intellectus  priitiui«  |  inlel. 

lectiue  p    V*      lö — Iftex  parle  .  .  .  una  |  fehlt  N  ( Homoiutelfuton,i      15  uero  ( 
eiuB  >'        17  vor  intelleclus  der  litd.  simplex  intellectus  bimilior  est  aaime 
•S,  rot        qui  in  riimplicitate  est  |  qui  est  in  simplicitate  >^         lü  multo  |  in- 

■ 
teÜeclo  (,inUo*  für  .rnfto*)  .S     quanlum  |  quam  JS  \"*      (|uum  |  q  JV       19  cau.'^a 
est  I  est  causa  >S        20  sed  .  .  ■  |ioLenlia  |  fehlt  A        uuimae  j  cauüa  Jlf' 


Al-Kindi 

igitur  ratio  aut  est  prima  et  instrumentum  omnium  ratio- 
natoniiii.  aut  est  secunda  et  est  animac  in  potontia,  (liiin  non 
flt  aiiima  rationalis  actu.  et  terlia  quidem  e»i  ilta  quae  aotii  est 
aniniac ,  quam  iani  reposuil .  quare  sit  ei  inuenta  cum  uult  uti 
.\  ipsa  et  facit  eom  apparoru  cum  inuentione  absquc  nlio  ab  ea. 
sicut  scriptum  a  s<Tiba;  est  eniiii  ei  propera  pnssibrlis,  quoniam 
iarn  recondidit  pt  fixit  in  iinima  sua.  ipse  ergo  pxtraliit  eam 
quanrto  uiill.  qiuirla  iiero  esl  ratio  appai'ons  ex  anima .  quac?. 
quando  extratiit  eatn,  est  tnuenla  absquc  alio  acLu. 

10 

ratio   igilur   secunda  est  ex  tertia  et  quaiia,   cum  tcrliam 
reposuerit   anima   et   fit   ei   ut  extrahal   eam   quando   uult.     et 
quurta   aut   tioru    reposttionis   äuac  prima   aut   hora  suae  com- 
positionis  secunda. 
li  igitur   est   tertia   cuius   repositio  animae  iam  praecessit  et 

quando  unll  est  inuenta  in  ea. 

qiiarta  uero  est  apparens  in  anima,  quae  apparet  actu. 

istae    igitur    sunt    sententiae  antiquorum   de   ratione.     et 


t  igitur  |  ergo  N       aut  |  aliml  A        3  Ht  |  sH  .V       et  i  se  (unldar)  N 
actu  est  I  est  uctu  est  A         5  a  |  üd         propera  |  yp  A  ^i^ea  N        7  ergo  | 
enim  ergo  JV        8  quando  I  cuin  H        apparens  |  uperans  A        II  lertiam  t 
tertia  JV        12  nt  |  sit  N       extrahat  |  trahat  A       LI  aut  |  nuleiii  A  tinHar  N 
15  praecessit  |  precellll  A        17  uero  est  [  uero  A 


Liber  He  tnlellectu.  9 

iiiteli**rlus  iffitur  iiel  est  prinius  oninibus  intelWiihus ,  uel 
est  securulus,  el  tiiiic  ;iinniai'  i'sl  in  pült'ntia,  iiilerim  dum  aniiiia 
non  est  irilpiligens  in  effeclu.  et  iiMHJcHiis  lortJus  t|iiii1(*rii  est 
illp  qui  in  i'ffeclii  est  nninme,  r|uont  iani  adquisiuil.  el  habetur 
in  OH  ilü  iit ,  ciini  uoluorit,  oxerceat  euin  et  faeiat  cum  esse  in  ■• 
alio  a  se.  sicut  scriptiim  in  scriba  est  properala  el  facilis,  quam 
iani  adeptus  est,  el  est  defi^ta  in  aniina  sua.  ipse  ergo  pro- 
palal  el  cxorcet  oam,  quando  uult.  quarhis  uoro  est  intellectus 
a|jpar4'n.s  ex  iuiiniu,  qui ,  luiii  ]jrüi»alaueris  euiii  ^  eriL  in  elTrclii 
in  aiio  a  tc.  lo 

inlellectus  igilur  secundus  est  ex  lerlio  et  quarto,  eo  quod 
terlius  est  adeptio  aniniao  et  fit  ei  ut  faciat  eum  apfmrere, 
quando  uolueril.  vel  prima  liora  suae  adt'ptioiiis  [in|  nuhis, 
vel  secunda  bora  suae  apparitionis  ex  nohrs.  et  tunc  exercel 
eum  anima.  eiyo  terlius  est  ille  qui  est  aiiintae  adeptio  quae  ifi 
praecedil  et  eum  uoiuerit  erit  inuenlus  in  ea.  quartus  uero  est 
qui  est  apparens  ex  aniniu  in  eflfectu. 

bae    igitur    sunt  partes    in    quas    pritni    sapienten    diuise- 


1  igilor  I  ergo  P'  ael  esl  primufi  ;  pHmus  uc)  csl  Ä  nihil  eal  primus.S' 
intelleclibus,  uel  I  fehlf  r>  *^  esl  |  et  V*  frhlt  S  et  |  feMt  S  luoc  1  In 
r'JJtf'  L-um  A*.  uiiktar  SV*  animue  est  I  est  aaime  «S'  interiin  |  iterum*S* 
ilem  A  dum  l  de  SV*  3  noo  \  fiMt  SV*  iatelligen?  j  tnteHeclu8  NSM* 
3—4  [{uidem  est  ille  qui  |  qui  est  ille  qni  A  quid  esl  ille  .N  quod  est  i|]e  N 
q  est  ille  qui    T'  qadi>   Af'  -t   in  elTeclu  esl    esl  in  elTecLu  M*         quem 

iam  [  qnoDiain  .S'  quem  1''  H  exerceat  i  exercet  SN  ema  \  eam  A 
I»    B    ae  I  esse  A  est  |  el    V*  profierata  \  prepHrata    SA  T'  p'j/alH     .V 

ppamta  .W  *        7  adeptus  est  |  est  adeptus  ä'  el  est  detixa  j  et  cum  delixa 

est  S  non  defixa  V*  ipse  |  ipsum  SV*  ipea  A  7—8  propalat  j  apndiet 
S  h  exercet  1  exerceal  VA  est  inl*'llectus  |  intellectus  *'*J/''  intcilectus 
esl  .V  1*    appttrens   ex  anima  I  anime   aparens  -V   ex   anima  apparens   V* 

apparens  ex  alta  \        qui  I  quae  A  propataueri»  |  approbaueris  X   appel- 

laueris   JV       erit  in  etfeclu  j  exit  in  ellectuoi  A        10  alio  |  alia  A       a  le  | 
aue  Ol  A  n  igitur  t  ergo  V«         est  |  fefät  Jf<        eo  |  et  sy         12  ter- 

lius I  suus  Cunldar)  N  adeptio  |  ad  cpljo  N  ouro  t  fehlt  SA  13  (juan- 
do  I  uel  quando  S  suiic  adeplionis  j  adpplionis  suc  V  sue  apiMnlinni^  X 
[in]  \  fehlt    r'A'.lAf'    ex    .S  It  vel  .  .  .  nuhis  j  ;Wi^   <  llomaiotelrulon)   S, 

bis   (Ditloffraphiej  N  secunda  {  illa  A/'  ex  t  feMt  (das  erste  Mal)  A' 

15  eum  I  illum  K'.V         eigu  |  igitur   V^XAM^        leiiius  |  inlerins  (!)  M  Tor- 
cius  M*       est  I  fehl!  SV*       anitiiae  ad^pdii  |  ad  epliü  anime  SV*      quae  i 
qui   SV         Mi  uoiuerit  |  uoluit   S   uulueHl   et  cum  volui  ^V         uero  esl  | 
uero  l'M        17  ex  I  in  .ST«        in  1  aut  in  S       18  bae  !  fehlt  S. 


10  AI  Kindi 

quantitas   huius  sermonis,   cum  sit  intentio  nostxa  senno  enun- 
ciatiuus,  sufFiciat. 

Explicit  uei'bum  Jacob  Alkindi  de  intentione  aiitiquoruin 
in  ratione. 


1  huius  I  huiusmodi   N         3—4  Explicit  .  .  .  ratioue  |  fehlt  X.    Expli- 
cit uerbum  Jacob  alkindi  de  intentione  anliquorum  fiigi  A  rot  bei. 


Liber  de  intellectu.  11 

runt  intellectum.     quantum  uero  ad  intentionem  iuam  de  hoc, 
tantum  sennonis  sufßciat. 

Explicit  liber  Alkindi  philosophi  de  intellectu  [et  intellecto]. 


1  quantum  |  qaartura  [\)  S  q  N         de  hoc  |  fehlt  SV*       2  sufßciat  | 

suffic  If  ad  hoc  sufßciat  V*  3  Alkindi  philosophi  |  fehlt  S  alkindi  V* 
alehyndi  philosophi  A  [et  intellecto]  |  et  intellecto  secundnm  Alpharabium 
.V  et  inteUecto  A  fehlt  T*       3  fehlt  VN       Explicit  amen  MK 


Liber  de  somno  et  uisione 

«luern  nlidit  jHrobns  A1ch/»rfiis,  maj^ister  oero  tierardas 
Cremorie]isi.s  traiistiilii  ex  arabicu  in  latiniini. 

Tu.  cu'i  Deus  üccuHoiinit  uerilali.'s  jKiLofaciat  et  quem  in 
^  domo  uitat!  r-t  in  domo  mortis  bealificet .  quaesiuisti  ul  descri- 
bam  libi  quid  sit  somnus  et  quid  uisio.  hoc  uero  ost  de  sub- 
tilibus  scifMiliis  natiiratilHis,  f.\  profiric  in  qua  trans^*fssio  «?sl 
ad  loquendntn  de  nirtntiljiis  ;niini!u'.  ei  indijiet  ^peculator  iii 
hac  specie  scir^ntiae  plenaria  Cognition*^  i-ius ,  quod  narraui. 
"-' nam  si  abbreuialur  ab  hoc.  abbrouiaLur  ab  intellectu  eius.  et 
ikmonstratio  qiiideni  eius.  quod  in  eadoni  scripsi,  *»st  si^cundum 
st!initaiii  dernonstralionuui  inituralium.  et  sxripsi  de  tioc  quidem 
s<K:undum  quanlitatem  quam  tibi  similiter  sufflcere  acstimaui. 
adeo  tamen  prouenil  directio. 

[I] 

Dico  ergo  quod  cogniüo  eius,  quod  accidit  rci,  non  est  nisi 
post  comprehensionem   scientiae   quiddilalis  rei.      sonmus  uero 


1    Inscipit  IJtrer  de   »ompDü   el    uisiune  (rot)  s   Inciijil  liber  Alquindi 
philosophi    frof).     Libtr  de  Äoniptic  cl  uisione  'oben).     Islß  liber  tractat  de 
sorapuü  el  uisione  fttvt  Jianä.  Js'    Tlieniialius   de  »umpno  el  vinilia  (rot)  M* 
2  Alchindus  [  alcliuinu«  N        2—3  rot  S  fehlt  A'.V        4  cui  |    qui  5       oc- 
cultorum  |  oculorum  y  nccubrum  .■?        ucritates  |  uurietatcs  S      palefaciat  | 
patefac  N        ;i  el  in  |    et  N        beatificel  |  t>eiieäee  .V        nuaesiuisli  i  quem 
siaisti  (!)  uel  rogasti  M^         ut  |  fehlt  S         H  eniiinus  |  surnpuus  .V.s'  und  m 
immer  sonnus  A/»  und  au  immer      7  est  1  esl  uel  Hl  .s'  fit  SM*         8  loquen- 
duta  I  loquenüarn  A'        et  |  qua  S        speculalor  I  (|uod  speculalor -s'      9  eius, 
quod  I  eiusque  N        narraui  |  naraui  J*"  natura  S  narranti  .S        W  si  [  feklt 
M*        aldireuiatur  l  abreuiatur  SS  und  so  immrr      ab  tioc  (    Mit  S       et  | 
quia  N      11  quidem  |  q«  X       quod  |  quam  N  fehit  Af'        eadeui  at-ripsi  |  m 
descripsi  SX         11  -12  esl   secundum  .  .  .  scripsi  |  fe/ifr  A'        12  quidem  | 
quidam  .V       l.'t  quam  libi  |  quanluru  ^V        airaililer  |  fehlt  N         Mstimauj  | 
extituaui  A'  estiinaui  S      14  direclio  I  directus  .V  direcco  (unklar)  N     Ib  [1]  | 
fcftU  SSM*        17  quiddilalis  I  quiditatis  SSif  und  so  immtr        rei  i  eius  N 


AI-Kindi  Liber  de  somno  et  uisione 


13 


et  uisio  sunt  quae  accidunl  animae.  quare  oportet  ul  ^pecu- 
lalio  in  hoc  sil  ei,  qui  bene  disponit  sermonem  [scientiae]  de 
substantia  animae  cl  inteltigit  dioLiom^s  cius  vi  tnuUiludineDi 
comiersioniä  sermoiiis  ipsius  et  i\\nii]  srqiiitur  m  lioc  de  am- 
biguitate ,  et  quod  de  uirtutibus  aiiinttiL'  sunt  duao  uiilutes  & 
iiiagnae,  elongatae:  sensibilis  et  ralioiialis,  ut  quod  uirtules  eius 
nu'diae  inier  sensum  et  rationeiii  inueiitue  sunt  omiies  in  lio- 
mine,  qui  est  corpus  uiuuni  erescens. 

(luiu  eri^o  fueriiU  istae  signilk*ationes  iiotae  —  el  sunt 
actu  —  erit  quiddilas  sorniit ,  notaniin  nirtutum  sciÜcel  a  qui- w 
bus  proiienitat  riolum.  et  quidditiis  uisioiiis  iiota  est  sermune 
breiii ,  paiico  etiaiii  immeru.  et  lio<'  est  quin  nos  dicinius  dor- 
mienlein  lllum  qui  [doruiit  etj  licet  sil  uiuus  actu,  tarnen  uon 
sentit  aliquo  quinquc  seuäuum. 

Somnus  igitur  est  diniissio  usus  ab  aninia  ouinium  sensuuin.  i& 

Nos  eiiiiu  runi  iioti  iiitleinus  neque  au<!inius  iieque  wbira- 
Miuä  neque  ^ustaiinis  ru^qne  tangimus .  absque  aegritudine  aeci- 
dcnte,  et  suinus  secundum  naturas  nostras,  dorjninius. 

Somnus  igttur  eum  Iiilegrilate  descrlptiunis  est  cuni  diiiiittit 
niuus,    i'iwxs  secmiduni  iiuiuras  .suaä  in  sanitale,  usuni  omniuiu  iK' 
sensuum,  per  naturam. 

Si  ergo  fuerit  lioc ,  sicut  dictum  est ,  tunc  iam  apparet 
quid  sit  uisiu ,  cum  scituiii  est  quae  sunt  iiirtutes  animai*  et 
quac  de  eis  est  uirtuä,  quae  nonünatur  forniatiua,  scilicet  uirtus 


1  animae    ex    auiina    -V  anirna    Jf'  2  scniiuneut  I  .seriUD    d    e  3/' 

scientiae  |  fehlt  .vif*       3  intelUi;it  I  intelligat  N       4  sermouis  ipsias  {  eius  ^V 
ipsiu-«   Bcilicel   sernionis    M"*  quud    setjuilur  ;  fehlt   S  <i   etuntfata^  | 

cleganüae  y.    Am    Hantlt :   Nota  iluas  uirtules  animae  magnae  exoellentiae. 
7  8unt  omnea  |  oiiines  S  sunt  comunes  A'       U  uiuum    unum  S      ;>  fuerinl  i 
sunt  'S         Kunl  I  fueril  .V  tuerinl  •!/'         10  aclu  |  acta  'S  aclu  ue)  (»peru  M* 
11  [iroueniul  |  proueniunt  A         est    cum   S  fehlt    M*  12  etinm  ■  fehlt  N 

in  M'      et  I  ex  .S  (|uia  N      12—13  dormienlem  |  hurregentem  (!J  S       l.'t  et  \ 
quia  A        uiuus  |  uniuä  .V        tarnen  non  |  non  tauten  N        14  quinque  |   l'A' 
2u   15   Dininitio   somni    N   Itaudgiosae         dimissio  I  diuisiü    .S.V         Mi   ui- 
deniuH  I  uideremu!'  •>'       audimus    audiremus  S       l(i— 17  neque  odüramuä  | 
fehlt  S   neque  adoremus  N         17  gustamus  l  gustarenius  S        neque  Lang!- 
mus  1  fehlt  .S        17    18  accidente  |  accidentem  6'      19  cum  I  est  cum  ä'      de- 
scriptioDis  est  t  fehlt  sy       19—'^)  cum  dmiiUit  .  .  .  suas  |  fefät  .V      'Ji)  in  | 
de  A''      usum  1  usus  A'      nt  32—24  liatid^osae:  Nota  Tantasiae  descriptiunem 
entnque  sit  uis  tormatiua  S       '£2  hoc,  sicut  |  iam  >n'        22 — 2:t  tarn  apparet 
quid  I  appurt>t  quud  iam  N       23  est  l  sit  S       sunt  |  »iiit  }n      24  quae  de  | 
que  y  de  .S  quod  de  X       est  |  fehlt  M- 


14 


Al-Kindi 


quae   facil  no&  inuenire  formafi  rerum  indiuiduales  sine  materia« 
scilicet   cum   alisentia   suorum   snbiectonini   a    scnsibuf   nostris. 
et    esl    iUa    quam    nominaueninl    antiqui  sapicntutii  graecorum 
phantaäiant. 
5  Differenlia  nainque  int^r  sensum  et  hanc  uirluteni  funiiati- 

uam  est  ^  quod  sensus  facil  iios  Uuienire  fornias  suonini  sensa- 
toruni  delalas  in  materia  sua.  haec  autein  uirius  Tacit  nos  in- 
uenire formas  indiiiiduales  exspoUatas.  sine  subiri'tis  cuin  liiiea- 
tione   sua   el    omhiUjus  suis  quaÜlatibus.     el  haec  quidem  uirtus 

w  pedicit  suaiä  opcrationes  In  di^^po^iitlone  >M3mni  et  uigiliae.  ueruiii- 
tamen  in  .somnis  est.  ma^iK  apparentis  n{ii'nitionis  et  formalionis. 
quam  in  uiKiüa. 

Inuenimus   enim    quandoque  uigilantcm ,   cuius  anima  qui- 
t>usdam  suis  uÜtur  .^ensibus,  ima^inari  forniaiii  rerum  indiuidua- 

IS  lern ,  in  qua  eogitat.  et  secunduni  quantitatem  pmfundationis 
eogitatiotiiü  in  eo  et  dimissionis  usu^  sensuuni ,  est  illa  fonimtio 
magis  upparens  ei,  ita  ut  quasi  testillcetur  eam  suo  sensu,  et 
illud  est  ({uonium ,  quaudo  a<iuenit  ei  occupatio  in  cogitatioiie 
sua,  qua   uacet  a  sensibus ,   priuatur  usu  uisus  et  auditus.     nos 

3(1  enim  niultotiens  inuenimus  <-0|^tantem  interrogari  et  non  respon- 
det,  et,  re  existente  coram  uisu  ipsius,  cum  e^editur  a  cogita- 
tione ,   si    inlerrogalur  an  uifleril  eam  an  non ,   etmntiat  se  non 


2  sensibus  nostris  |  nostris  sensibus  SM*  3  quam  l  per  quam^fioero 
S  nntiqui  ,  antiqnis  Ä'  sapientuni  |  9U|iieut«r  S  safiientiuin  .V  Rraeco- 
rum  I  gramatirorum     i^  4  ph&nlasiain  |  fantdsioiu  M*y  frantasiatn  (!)  ^V 

fi — f>  sensnni  ■  ■  .  fonnaliuRin  |  hanc  uirlulein  r(>rmatiuum  et  sensum  N 
(j  sensuE  I  baec  uirlui,  scilicet  seosuä  .V  :u  3-(>  Ramtyloift:  Nota  ttifTerea- 
tiam  inter  fanta«iam  et  scnaum.  ^  8  tunnas;  in<iiuMualeä  ]  rormam  indiui* 
ilualemJtf'A'    exspoüatas  |  expolialas.sexpoliatam  J/^exspüailam  ^    8— Ölinea- 

a 
tione  I  iMcke  S  9  et  baec  quidem  uirtus  |  et  hoi-  quidem  .Squia  haec  q  uir- 
tus N  lü  j>erfieit  suas  opei-aliones  ;  suaa  [»erticiloperaliunes  NM'  10— U  ue- 
ruiii  tatnen  |  uerumptamen  -A'  zu  It^ — 14  Hanägionat:  Nota  quod  fantasia  in 
flOinnis  esl  magia  apparentis  operatroDis  .V  11  suinnis  |  sunno  Jf'  furnoa- 
Uouia  I  fortioris  M*  13  uigilaatein  |  uipilanli  AM/'  14  imagiuari  |  ymagi- 
nari  SX  und  so  immer  i  iiiutrinari  M*  fonnam  |  formas  S  LI— 1ü  iodiiii- 
iJudlem  I  indiniduales  d'  Hi  dimissionis  |  obmlssiouisiVdiuisionis  «s'  lü — 17  esl 
illa  Tormatio  magis  |  ilt»  furniaLio  magis  est  .S  17  quasi  ]  .  q  .  A'  ipse  quasi  M* 
IS  illud  est  quoniam  |  feltlt  S  111  Mua  |  fehlt  X        uacet  |  iaeel  .S*  uoialur 

(für    .vacatur'?)    N  priuatur   usu  |  priuatur   usus    .V    priual    eum   usu  S 

prJuat  eum  pasu  (!)  M'  uisus  |  uisu  i/'  :IU  mullotJens  iauen)mui>  |  uide- 
mus  multotiens  SM'*  21  cum  |  non  At*  22  uiderit  |  uidaol  S  euuntimt 
sc  I  cuuutia^ufe  <S'  annunUat  sc  A' 


Kiber  de  somiio  et  uisiüne. 


lÄ 


uirtisst»  f-nrn.  fl  similittr  accidil  ei  in  reliqiiis  sensihus ,  sccun- 
(hini  inotliini  (hii-iiiii.  et  hoc  quidern  est  in  coinnumitale  homi- 
num  repertum  prionim  in  exi-eilt^ntia,  quae  est  in  menlf  i't 
rationo  t-l  uirtute  discretionis ,  uirlus  aniinnrnm  oxcellciis  facit 
MOS  inuiMiiiT*  runiiaä  reniiii  dciaxhUas,  v\  uon  iiucaiit  a  pluriMio  u 
sonsu. 

Gutnque  profunda(ur  cogitatio  atleo  iit  iion  utatur  aliqiio 
sonsiiimi  niiiniiio,  lunc  jicrncnil  ei  ro^itatin  ad  soniniiiii ,  »'t  tit 
iiirliis  i'i  lannaiiua  lortior  quam  unqiiani  sii ,  ail  fioc  iit  fai-kil 
appnrero  operationes  suas,  cum  non  oerupotur  ad  dandnni  animao  to 
suae  formain  inHentlonum  co^itationum  sensibitiuiii.  uidot  aiitcin  oas 
rum  sonsu  exspoliatas  et  non  est  difforviitia  inter  eas  onmino. 
iiiinio  cum  i-o^iUilioiio  sua ,  in  omni  in  quo  co}ifilat .  apparrt  ('<i 
forma  e(i{;ilationis  dt-nudata  seinper  firmius  et  inanifeätiuä  i>t 
melius  (juani  sui  tiensati.  quoniain  seiilieiis  i*e<ripit  sousata  sua  ir, 
insLi-mitento  secundo,  cui  accidit  fortitndo  et  dobilita*;  oxlrinswus 
et  intniisecus  sinml.  haec  auteiri  uirtus  fonnatiua  recipit  id» 
quod  recipit.  sine  instnnnento  secundo,  quaro  non  accidit  ei  uir- 
lus  aul  dehililas.  jinmu  non  recipit  ipsum  nisi  per  animam  ex- 
spoliatam.  non  er^'O  uccidit  in  ea  conturbalio  in'qu<-  coirufilio.  w 
quaumis  öil  in  uiuo  recepla  cum  instnimonto  primo,  tomnuini 
sensui  ei  rationi,  et  sit  liaec  nirtus  fonnatiua  et  aliae  de  uirtu- 

1  ei  I  fftiU  N  i  inodum  |  pluritDuni  MM*  zu  1  4  Hondyittggf :  Ni>iu 
quod  per  Lotam  Islam  r:o]uiiipaain  o»leiitlil  qui>il  uirlus  rormatiiia  sit  per- 
ftictior    (|uani  sensiliua  et  lioc  multis  raliunibus  et  exemplis.  iV        -^  quiileiii 

i 

est  I  y  ^  conimunitate  |  rominutalione  S  ^  prionini  |  propriorum  uulN'if* 
cxcellentia  |  feXcellentiKin  N       4  uirtute  f  ueritate  et      uirtus  |  uniuscuiusifue 

S    {tcahrtchrinlirJi    uni"  »tatt   aV*)  excellens  |  frlilt  X        it  eos  [  enim  M' 

inueoire  |  io  menle  «S  ii  sensu  \  sesus  S  sensus  M*  7  cogitatio  cognltio 
M*  iirtrf  HO  immer,  fehlt  S  adeo  .  .  .  ulatur  |  fr/iU  S  H  ei  l  cum  eo  SW 
i*  uirtus  I  fehlt  N  intus  N  10  api^rei-c  |  apiircre  M'  unil  go  immer  iipera- 
üunes  I  co^nlatiuncs  S  non  !  nuoquuiii  «V  11  inucDliuiium  |  intentioouiu 
SS'M^  coifilftlinnuin  |  frhit  jV  (lulcni  |  .  a .  S  enim  A'Jtf'  VJ  exsfio- 
Itatos  I  expülialaü  NM''  unti  no  immer  Ki  immu  |  iino  iV  />A/r  N  14 -lä 
uianifesttus  et  melius  |  melius  et  manifestius  N  15  sua  |  suo  M*  K*  in* 
strumento  secundo  |  in  inslrunientu  buo  y  occidit  |  accidunl  S  Turliludn 
et  delJÜilHs  |  debilitas  et  rortitudo  A'  l'urtitudo  debilitKS  N  17  id  |  illiul  SM* 
IM  quod  recipit  1  fehlf  A'        non  |  fehlt  S         Ä)  crg"  |  fehtf  N  iinnic  |  «l- 

i)ue  N  i-iirruptiii  |  cüruplio  Jtf'  '2\  ujuu  |  uao  M  recepta  cum  |  re- 
ceptalo  S       coumtuni  |    cumntunia  Af*       2'2  sit  |  aic  iV 


\fi 


Al-Kimli 


lilius  animae  scilicel  in  rerebro.  hoc  ('ttiiii  membruni  positiuii 
est  Omnibus  istis  uirtutibus  naturalibus.  sensui  aulem  [sünilitcrj 
sunt  posila  instrutrifiita  sfcunda .  sicul  oculi  (cl  corebrumj  et 
aures   c4   cai'iinculae   uarium    et    uasus    et  lini^m  et  palatum  et 

.'i  viuulat?  et  oninos  nerui  t<H'tus.  luini  sicul  cum  cerebro  superuenit 
corruptio  iitstmmonlo  iitrlulnin  ;niimaliiuii  administralaruiii  Uli 
ineii)bm  a  ccrebro ,  siiiiilittM*  accidit  id  sensni,  et,  proptcr  id 
quod  accidit  ex  islis  inslruiiicnlis  siK-uiidis  in  tbrtiludine  et  de- 
bilitati'  sua,    est  ooinprehensio  oius  del>i]ior  quam  rnmpreheiisio 

I"  illius,  Olli  non  äunt  instnimonta.  acciilcntia  i-niiii  aeeidunt  ei  ex 
duabiis  partibus  pluriniuiiv.  sciHclH  inslninieiitn  piitno  d  secundo. 
et  salualur  piurinium  ilüus  in  prinio.  et  acciduiil  ei  accidentia 
in  secumlo.  uiiliis  entm  formatiuu  saluatnr  niiiltoliens  in  in- 
slrumentü  fjrimu,   sieut  saluantur  aliac  el  prinanlur  in  socundo. 

ii  quure  non  accidit  ei  ex  parte  eius  accidens.  (inatL-  sunt  opera- 
tiones  eius  semper  el  ipsius  inuentioni's  nudae  rl  nianifeslae.  sensui 
uero  in  oninibus  operalioiiil)us  aceidit  diuersitas  propter  dispositio- 
neni  «iluersitatis  horum  Instnunentomm  secmidorum,  sinlicel  per- 
mixtio,  sernper.     quapropter  Mt  quod  uirtiis  formaliiia  inuenit  sua 

s"  inut'iita.  quae  iniicni!  smisiis  cum  malcria,  firmins  ef  nianjfeslius. 

Kl  iteruiii  Ion  na  ,  (jnae  est  in   niateria,  Si'quilur  niateriam. 

non    eniin    omnis    muleria   i^t  susceptibilis  otnnis  fomiae.     nam 

si   -si^illo   nno   siKillaueriinus   ceram   et    lutum    darum   et  lutum 

turbiduni  el  lutum  ^ypseun».  egreciietur  improssio  in  eis  dinersa, 

2^  secunduni   quantitateni   luti.     quod  de  eo  enim  subliliores  habet 


1  srtliret  j  suot  X        in    />A//  Af*       2  esl  |  est  in  .1/*       rsimil>t«r|  I 
fehft  A'W  3  oculi  i  tmuli  S  (tciilus  jY.V*  [et  rerebrum'  [  et  ctrebruni 

SM^  in  cereJmiii*  N  4  .lures  |  ;\uris  iV         cArunculae  |  c»rniiHei[i    (!»  .s' 

et   linnua  |  «1    posita    instrumtmta    .s'     litigun    Af*  palatuin  i  )>:i]alus    ü' 

f»  uaulae  |  uuoellee  S  lai-tus  ;  IriiftuR  .V  i»  rurruptiu  i  bin  hl*  instru- 
menlo  |  inuentio  -SM/*  adminUlrutiirimi  |  ndministrantiuit)  ^'  illi  j  ille  N 
7  id  I  illud  A'  el  ]  ijuia  JV  iij  |  iltud  N  H  ex  isli':  ex  illi!:  jV  J<:lU  N 
H  compreliensio  i  coniprehentfl  ^s'  romprehensa  A'  eius  |  cuius  5'  II  par- 
libu»  plurlmiifii  ;  plerumqiie  S  partibus  plenimque  .1/'  instniitienlo  I  in 
infltrunieDto  SM*  12  et  I  quia  S  13  enim  !  aulem  SU"*  in  !  fthU  S 
W  priiiuntiir  I  priualur  M*  nliae  !  aliae  res  .V  in  |  fthlt  S  15  sunt  i  St- 
ent III  iHidaf  et  l  unde  A'Af  t7  operationilms  !  disposilionibus  i^M'' 
17  secundorum  I  fehlt  M'  IM  inuenit  1  minuit  A'^  Ji)  et  manifestius  I  ffhll 
S  21  El  I  quia  A*  niateriam  |  in  bor  y  22  est  |  fckU  S  omnis  t 
omnes  .S  24  lutum  {rypseuni  |  ^ispuni  <!)  S  bitum  gipseum  X  gipsuin  M* 
egredietur  |  egreditur  Af»  in  eis  |  ffhft  S  -21)  eo  |  ea  .■?  enim  I  uw 
k'lar  y       subliliores  habet    habet  subliliores  A' 


Liber  de  somno  et  uisione. 


M 


partes  et  lotjpinquius  est  a  rarilale,  est  nmtris  suÄi^rptibile  lormae 
et  ui'heiiieiiUu.s  redilerus  descriptionem  fonmirmn. 

Siniiliter  est  sensatuni  sequens  subiecta  snoinjin  si'iisatorum. 
imioninnis  enim  in  eis  conlurbationpin  et  toitiio.silatern  et  rdi- 
quas  species  diueiNilatis,  accidoiites  eis  l-x  parti*  materiae.  et  :. 
oiuiiis  quideni  diiiemtus  accidit  ei  ex  paHe  materiae.  uirtntis 
autom  fnnnatiuae  sensitiilis.  euni  rnateria  sna,  non  nccidit  ronnis 
rorniplin  accidens  ex  ihalcria.  cl  propter  ilhul  inuenrnnis  for- 
niani  somnialein  firmioretii  et  meliorwn. 

Et    itoruni    ipsa    inuHiit    quod   non  inuenit  scn.sus  oinnino.  lo 
nam    ips»    potest   coitiponore  fonnas.    sensus  uero  fonnns  coiii- 
ponnr*»   nun    [lotesl  ,    qiioniiiiti    rinn   potopl  coiiirnUcoro  niateriani 
nwque   opi^iationos   rins.     ni.sns  aiitfni  non  potfst  faceiv  nos  in- 
uenire  liomineni  habeniein  roniua.  uut  peimas  aut  aliud  ab  lioc 
de    Ulis,    quae   non    siitit    honuni  in   ii;ditra,    noqm'  tuilmal  irra- i^ 
tional*'  ralionaie,     non  hüim  poti-st  iltiid,  tum  non  sil  innciduni 
in   niatena  sui  sensati  oninino,  cuius  est,  ut  inuoniat  fonnas  in 
ca.     cnpilatio  uero  nostra  nou  prohibet  nos  (piin  itna^inwiiur  honii- 
■ncm  uolanteni,  cnni  non  sit  pennatus^  cl  Inpnin   rationalem,     et 
liaH'    qnidrm    nirbjs  rnrniatiitu  non  est   fornuitinii  iiisi  ro;?riitioniä  ^> 
sensibilis.  qnaeciin(|iii'  cot^ilalio  arcidil  i-i.  ei  jipud  nacationeni  snaiu 
ab  oinnibns  sensibus  L-xeniptilicalur  [uel  inia}finahir|  forma  iJlius  co^i- 
(ationts  nobis  nuda  absque  matoria.     quaj*e  iuuenimus  in  somnn 
de  foniiis  sen!*ibilil)us  quod  non  inueniinus  cum  sensu  oninino. 

biMi    er>fo    inanitosltnn    est    iiottis    tpiiii   sil   nisio,    jht  illud  ^s 
quotl  Uixiiiuis. 


I  longinquiusi  longius  .S'  longinqus  N       est  tiuit'«  1  cl  mnigis  iV      ^u• 
Kceptiliile  I  subliliu»    S  •*    et    ut    >^*  iJe«MTi|iliunrin     »usL-e|>tionem    JV 

3  est  senealum  |  sensalum  est  M'S       4—5  reliquas  |  reliqua  S       h  jicciden- 
le»  1  accidens  N  6  ei  l  eis  A'         8  illud  |  id  .s'  8-0  formaiii     fehlt  S 

10  Bt  .  .  .  inuenit  |  quia  ipsa  iiiueiiisiterumsenaus  omaino  X  tlonrohlrlrulon 

11  fonnas  [bis)  |  formara  X  ii  potest  |  ualeC  .VJf^  la  neque  |  neo  y 
aiileni  1  enim  NM^  focere  uos  |  fehlt  N  14  aliud  1  aliquod  A'  aliut  M* 
li>  de  iltifi  .  .  .  homini  |  quud  non  hal)«t  homo  N  Ib—IG  irrationale  rutiu- 
n;dc  I  raliunale  irrationale  NiV  sui  i  fuil  M*  18  nostra  |  fthll  X  pro- 
liilx't  I  proibet  S  nos  [  feMt  SN  19  pcnnalus  |  frhit  N  et  I  ut  S 
'JO  fonimliua  ]  fehlt  iV  (-o^nitionis  I  cojplatiünis  X  2t  ei  )  pa  X  et  ( 
quia  X  'ü  senüibus  1  .senstikilibuit  At'  imntjiitutuj-  [  frhit  S  23  nobjs 
nuda  I  nb'  auida  (!)  .V        3ö  quid  |  quod  >' 

Heilrlg«  II.  5.    Nngy    Al-Kiiidi.  ^ 


18  AlfClnd! 

Vi»io  igitur  est  <.tnn  aninia  utitur  eogitatiboe  et  dimittit 
UHUiii  HC'iiäuuin  4*x  fiarte  tma.     ex  hnpressiono  ufffo  siia,  ipsa  esl 

sitfiUatio  fffriiuiriiiu  iiiin^inalioniä,  äU|M*r  quam  cadit  oogitalio  )ui- 

beiitiujii  furiiiaui  in  aninia  cum  uirtute  fonnatiua.  proptereu  quotl 

fi  aniina  dimittit  usiim  sonsuuiii  et  adhaeret  usui  cotfitatioiiis. 

Qunre  utileni  nidf'ainii*  qiiasdani  res  antftquam  sin!  ?  el 
quarc  uideanitis  res  cum  iiitcrpretation«'  ^i^iificanles  n*^  ati- 
tequarii  Hint  ?  i*t  quare  uideaniuä  | quasdam]  res  lacientes 
I"  iios  uidero  oontrarimn  oarmii  ?  et  quare  uideamiis  res  et  non 
uidemitö  cns,  noqiit'  uidermis  oanim  iiiterpretalionem,  [ei]  iieque 
nid^'inns  coiitrariiim  earinn  omninu? 

Ciiiisa    in    hoc   est    quod    inest    animae  earum  seientia  ptT 
naluratn   cl    quod   ipsa  est  locus  s|>ecieruui  omniiim  rertini  sen- 
i^'  K)l»iliuiii  fl  nitioimliuiii. 

Kt  iinte  nos  qtiidrni  dixit  cliiiiii  illud  I'hiti»  j>hiKisoplius 
(■niirurum  el  aperuit  illud  et  narmuil  ab  eo  pliilosoplius  eorum 
rnrnnäissimiis  Aristoteles  in  semionibuä  naturalibus. 

Kt  Pinto  qnidt^tn  non  dixit  illud  nisi  quin  sunt  res  notae 
2"  nmnPH  iinl  scnsiitm»  ant  niliomitae,  ei  est  iininiiie  innenlio  ratio- 
nutorniii  nun  inuenlione  seusiitonini.  el  f'uit  illud  propter  quod 
dtxil  (]uod  aniina  ««st  sentietis^  seiHi'el  ijund  ipsa  intienit  sonsata 
in  essenlift  suu.  et  dixit  quod  |ips)i|  e.sl  rationalis,  quomam 
ipHa   inuenit  rulionala  in  essontiu  sua.     oi  non  est  sensatum  in 


I  cogilutione  el  !  roifnutione  (!)  X  2  inipressincie  [  parle  -V  est  t 
frhtt  S  3  iiiinHiMiliMiiJü  i  ymuniinis  S'  quam  |  quod  ^^  4  propterea  i  pro- 
picr  M*  f)  UBui  j  uikui  iV  (l  [11|  |  /VA/r  SN  7  uiHeamus  |  uideinu««  .s' 
7—1)  el  quiit4'  .  .  .  »int  |  fehtt  X  M  uideainus  1  uidemus  N  cum  inlerprc' 
taUutii'  !)itiriTtl)cai)U>s  |  iiignillcantes  cum  interprelntionc  M*  8—9  res  iDte- 
ijniiin  i>in(  j  anUM|uuiu  'siiit*  res  .s'  P  uideuiuus  1  uidemus  S  [quasdamj  | 
ffhlt  SM*  üos  '  uel  uideiuu?  no«  S  li)  euruni  j  eorum  S*  11  uiile- 

iniis  I  indcumus  SN  iicMpie  uiiliMnus  1 /V^//  .V  caruiu  I  eorum  S  JDter- 
prolaliunum  |  Inlerprolaliones  .V  (el)  nequc  |  et  nos  N  Vi  earuin  |  eorum 
.V  i:i  onrum  Hcimilm  |  frhlt  JV  14  cl  |  fehlt  X  est  j  feftll  S  14-15 
üptwlerum  .  .  .  rallunnliuin  |  omnibus  senäihillhus  rebus  el  mlionaliDus 
SAi*  SH  II  — ir>  linmlmift:  Nota  quoil  inest  animae  (ler  naturani  quud 
•til  locus  specicrum  .V         IG   Kt  |  quia  N        qutdem  |  quitlam  JV         etiitni 

s 
illud  I  id  ^*  illu'l  eliutu  .V        IT  Graeroniiu  .  .  .  eorum  |  ^coium  3/'      ape* 

ruit  I  «)>iermU  >'       phil(t«ophu9  eorum  |  ptinriveuä  i!)  N       18  fumoaissiinus  | 
fitiuusus  jV^*     Aristoteles  !  Aristotües  Jf  *     naturalibus  |  f>hU  S      19  non  | 
frhU  S        ni»i  I  ftkU  S       !ao  omnes  |  comunes   S  f*hlt  S        äl  et  |  quta  tf 
^»   ipsa]  I  ftMt  SM'         quoniam  |  quift  A        ti  ipsa  |  ips«  N       lationaU  \ 
ralionem  S      et  |  quU  N 


Liber  de  somno  et  uision^.  ll^ 

animn  res  ulia  iiisl  senMons.  nam  non  est  ibi  aliiTil  et  alithl, 
soilicet  non  est  nisi  essentia  unfi,  siniplox.  senticiis  i^itur  |eiiis| 
in  disposilione  sui  sensus  non  i'st  praeter  si'nsatiiiii ,  »jiioniajn 
absrisuiii  est  in  ea  ipsiuii  sensatuni,  scilicet  forma  si^nsati.  non 
ei*p)  foniine  in  ea  sunt  res  aliae  quam  ipsa.  inmio  ipsa  in  illa  s 
(iispcfsitinne  essentiae  suae  imienit  illnm  fonnam.  et  siniililer 
rationatum  eins  non  est  nisi  uirtus  eins  nominata  ratio^  rnni  senno 
nostep  sensatuni  non  sitnisi  imliuidua  et  senno  no^^terralionatuni  nun 
sit  nisi  species  el  quae  sunt  supra  species  usquc  m\  Kfuns  genera- 
lissimuni ;  uirtus  eniin  inueniens  sensatnni ,  quae  est  eomniunis  m 
aniinalÜMis  onniibus,  est  inueniens  fortnas  imiinidnaruni  reruni, 
Äeiiiiel  fonnam  indiuiduaU'm  ,  quae  est  coloratio  el  ligmatio  et 
de^istatio  et  noealio  i^L  odoratio  et  laetatio  et  ornne  quod  erfl 
sie  ex  Ibrnmtione  hubentium  niateriam  [et  rorniamj ;  et  uirtus 
inueniens  ralionatum,  quod  est  inuenturti  liominis,  est  inueniens  i'- 
speeies  rerum  et  discretiones  speiitTuin  earuni  et  quae  conse- 
eunlur  eay.  cum  ergo  sensatum  est  inuenlum  in  aninia,  tune 
non  est  sentiens  in  aninia  niiii  sensatum.  et  similitei'  ratio  ani- 
mue  non  est  nisi  rationattnn,  in  dispositione  euni  aninia  inuenJt 
rationatuni.  ratio  igitur  in  aninia  est  raÜonalnni  el  sensns  est  t' 
sensalum,  cum  sint  inumla  anitiiae.  ante  uero  quam  inueniatur, 
sensatum  est  (onna  indiuiduorum  et  ralionalum  esl  ('(»rnia  eonun 
quae  sunt  supra  indiuidua ,  scilicet  specierum  et  ^renermn.  et 
species  quidein  t;t  indiuidua  sunt  oriinia  nola.  ipsa  igitur  sunt 
sentientt  et  rationaiiti,  scilicet  iTiu^ntu  anirnae.    siml  ergo  omnia  ^^ 


1    aiia  I  aliqua    •>'  ilii  j  ibi    nidi  A  2    simplex  l  sinipliciler    .V 

3— .1  eius  in  I  in  A  in  cius  S  4  est  in  ea  |  in  ea  esl  N  est  in  ea  est  M* 

lensati  \  sensata  S  sensatoruin  A'  (t  fünnae  ,  forma  S  inimu  |  imo  S 
G  essentiae  suae  inucnit  illam  [  in  ueniL  essenttae  »uue  illtiin  (uliam  N}M^N 
et  similiter  j  quia  igiliir  ,V  7  nun  |  nichil  N  nisi  uirtus  eins  |  uirtu«  uis 
ipsiuit  'S  nisi   uirttiK  ipstuü  M*  nominatji  |  rationaia  N  ratio  |  ideo  .S* 

H  i^pecies  |  »iie'nem  S      11  indiuidnarum  i  indiuiduorum  M*        >2  tiguralio  ) 
significatio    N   fuguratiit  JU'  13  tu  uocalio  Interlintargiog^e :  a  uuec  M'^ 

udoratio  ;  hodoratio  M*      tactalio  |  taclus  uel  tactulilos  .W      14  [et  furmarnj  | 
fthlt  A'i/'      *'t  I  quiu.  A'      1H~17  eonscciiutur  |  eunsequunlur  SM^      17  cuai 
ergu  sejisHtuni  est  inuentum  |  cui  est  ergu  inuenlum  sensatum  S      aninm  |  ea, 
scilicet  anima  ü        (8  nisi  1  uel  praeter  iiisi  M'        et  |  quia  N        T.t  non  \ 
Del  praeter  non  Jf'        nisi  |  frhU  S       21  cum  |  raius  S       ante  |  \inkiar  >V 
uero  quam  I  quam  uero  if'       22  est  forma  |  forma  est  N         2^)  et  ]  quia  A' 

2i  et  I  fehlt  y       25  et  1  feMt  .SM  *        raLionanli  |  raUocinaLio  S. 

t ' 


AlKindi 

in  anima.    propler  hoc  er^o  dixtt  Pinto,  quod  anima    est  lortis 
Omnibus  rebus  sensatis  H  raitionalis. 

Anima  igitiir  est  sapiens  per  naturam ,  quoniain  ^iontia 
oninis  non  es!  uisi  swisiii  et  ralioni  **l  #77«  quae  sunt  de  «ener* 

"ceonun  ft  specie  i|isoruni. 

El  quia  iani  appropinqtiator  ut  ostendanms  qnae  causa  sit 
in  diuersitate  diäpositinnuui  uisionii>  in  untecessione  ünjae  cogni- 
tionl« .  tunc  dicamus  quod  anima  pmpterea  quoil  est  .^pienft 
per  naturam  suam  uigilantern  .sensibilem ,    quandoque  innuit  re«: 

lu  antequam  sini  aut  indicat  eas  ipsas.  cum  ergo  est  res  prae- 
parata  intetnitati  receptioniä  cum  niuudificatjone  accidentium 
quibus  corrumpitur  rercplio  uirtiitmii  animae,  et  anima  est  forlis 
ad  demonstrandum  ut  lacial  apparere  impressiones  suas ,  in  in- 
strumento   esi^futiae   uiui ,   [et]   reddit   res   ipsas  antequam  sinl 

IS  et  seeundum  quantitalem  disposilionis  suae  in  bonitate.  siniilitor 
fit  multolit'ns  quod  ipsu  (iat  [eis]  res  ipsas.  dispositiones  enim 
iiriius  instniinetili  de  instniiueiitis  animae,  scibcet  in  indiuiduis 
habi-ntibus  animns  rompletas  ä<-ilieel  humanas.  quando<|ue  diuer- 
siticantur  in  temponbtis.     tpiare  fluni  quandoqm*  Husreptibiliores 

9)  el  qiiandoqiu'  dchilioris  reri^ptionis.  har-r  ert,'o  est  causa  in  ui- 
sione.  a  qua  iUitLci.'dit  prufuisio  rt'i.  and-quaui  ip:?«  -»it. 

Innuitio  aulem  est  quando  inätninicnttitn  minus  est 
pnii'pai'atnin  ml  rwipiendum  praeuisionem  aiitniae.  (|ua  enuntiet 


'2  vebüB  \  fehlt  S  ;h  1-2  Handnott:  nota  quod  djxll  Plalo  quod 
iiiiiiun  i'nt  locus  oinnil)U9  scn»atis.  3  esl  supiens  J  sapiens  est  S  3-4  quo- 
niani  .  .  .  illis  |  frhlf  -V  4  illiit  |  frtiU  NM^  b  el  specie  ipsonim  |  fehlt  S 
ipsorum  I  ipsaruin  Jf        0  et  quia  |  ut  quid  .V  nppropinqualur  |  appropin- 

quul  f>'^'  causfl  sit  1  «it  caus-a  .S'  anlecrssinne  1  anlecessiunis  Af*  7—8 
suae  t-ügnitluni»  |  coi^nilloDiu  suae  .V  8  quod  anima  |  fehlt  N  9  per  | 
propier  S  suom  i  fehlt  N  quandoque  |  qm  (quonifltn)  ^V  innuit  I  minuit 
S  10  iiulicttl  I  iudicnt  SN  res  1  fehlt  X  12—13  anima  etd  forlis  ad 
t](m)oii»lrandum  |  ad  demunslrimlum  esl  forti^^  nnimit  S  |3  ui  Taciul  ap- 
parere  |  fehlt  SM*  14  essenliae  |  fehlt  .V  [et|  |  fehlt  NM*  Ipsas  (  fehlt 
S        W>  lU  I  Hl  cl  ipä«  (it  S        dat  [eis]  res  ipsas  |  Ipsiis  ij  res  dut  X  dal  res 

-Ipeas  JU'        ilifiKfKiLioncä  1  disr:osilin  S        17  udiuf:  iustiumenli  |  instruttieiiti 
nnia   S.V*        in  |  fehll  SM*       18  quandoque  |  qn  N  qaoniam  S       lA-19 

"äiueisilic.ihtur   A'    diueiKuntur  N   diuersillialur   S  |>)   sui^ctiptibilioreji  | 

sUMCplittdeB   iV        'J*  Innuitio   »uU'iii  {  Iniiiul.iliu  auloni    S   inucnlio  »ut  S 
est  ;  fehU  tV*        qunndu  |  quanduque  A  quoniiiin  S        minuä  e»t  |  esl  minus 
/r.W        ^  rocipiüUdiiiii  praeuisiuneiii  |  rcceplioneni  praeuisiuniü  S       quia  ) 
vnunliel  )  enunciit  iV 


Liher  de  soiuno  et  uisione. 


21 


de  iioinüiibus  ab  eis.  ipsa  eniiii  tuiic  rvubtilinUir  ut  euenial  uiuo 
(|UU(I  iiuU  i'UHiirc  H  per  iniiuilinncin.  uorhi  ^'»tin ,  siciit  ipsa 
uiill  nt  |ipsH|  faciat  eum  iiidert*  uiatorern .  (piare  facil  iiicien» 
ipsuiii  quod  uolaf  de  loco  ad  iüciiin  ,  iiinuitnr  i-rgo  ei  triini^inu- 
talio.  et  similiter  quando  non  potent  iiisirumciitiini  rocipere  s 
causas  cogilalionis  nuiiKhii'.  ii;iiii  sictit  iriiirnihir  de  liotninihiis 
uiuis  qui  cogilal  de  re  anlequam  sit  el  utitur  nogitalione  sua 
sana  cum  propositionibiis  ueris  ad  sinülitudinoni  illius  rei,  gene- 
roitlibiis  tin-ilideiii  conchtsioiiuiti  uil  uintu-  ilfixl  di'  quo  coffitaiiit 
el  indioal  rrs,  ol  dcbiliUnlur  dis(H>silianes  alionini  hamiiiuni  ab  m 
hot*  ul  PKr*-*liatur  buiusmodi  cogilatio  ab  i'i.s.  quare  liuril  eorum 
i-nHhililab^s  ai^slimationi's.  et  at'SÜtmitio  liabol  diias  rxlremitates 
(■(»utrarias,  srilkcl  ost  ita  et  non  vA  ila.  t'l  tunc  si  arridit 
casus  at'stitnalionis  super  rei  iifritatoin ,  est  iiera ;  el  si 
uccidil  casus  super  conlnirinm  ui^rilatis,  est  acsUmatio  falsa,  i^ 
simililer  aoridil  iti  iiisioiie,  cum  alibrtiuialiir  ab  online  co- 
triiilioiiis  in  uiilecessioiiihu:^.  (|uoniiini  lil  iogilalio  eius  aesli- 
iiialid,  cpiae  i|jrilur  cadil  super  ueritateni  i*ei,  est  interj^etatio, 
scilicet  quod  innuilur.  el  quao  cadit  super  eonirarium  uerilalis, 
est  illud  quod  si^nilioal,  sciliocl  contrarium  eius  quod  uidil  ni- s" 
uuni  de  uisioiie. 

Istae  ergo  sunl  intenliones  cogenles  aniniam  ad  uisionem 
uel  ad  innuilionein ,  et  est  de  assimilatione  in  uigilatione,  si* 
cul  diximus. 


1  tunc  I  non  .V  ut  1  et  .S'  3  [ipaa|  (  ftihlt  .Y  euin  |  feMt  NM' 
ipsuiii  M*  3 — i  quare  facil  uidere  ipsum  |  biM  i  Dittoffraphie)  N  4  inniil- 
tur  t  inuenilur  *V  ergo  ei  I  ei  ergo  Jtf '  5  et  |  quia  .V  non  |  i  M* 
reci|>ere  |  capere   ^'  cogitationis  i  cognlrionis   Jlf^  7    uiuis  |  unus    N 

cogitat  I  cogttant  S      sua  |  ffhlt  SM^      fl  aJ  omne  |  dunlium  SM*      10  ah  1 
ad  .V      II  e^rftdiiilur  I  ingreclialur  S;  da:u  InUrfineart^ossri  scilicet  aliis  .V 
rogitalio  I  cogllantem    S.     So   von   »püterer  Hand  corrigirt.  ab  eis  |  fehlt 

A'Jtf'  flunt  I  ftierit  N  12  crediilitates  |  crudelitulos  3f*  sh  12—13  Hand- 
nolr:  Nota  quod  aeslimatio  habet  duas  extromitatea,  quae  sunt  est  ita  et  n<>n 
esl  i(:i  y  13  accidit  |  accidal  SX  14  rt:i  ueritalem  |  ueritatent  N  uori- 
liilem    rei    M'  15    accidil  |  accidat    N         16    ahhreuiatur  1  abreuintur  .V 

Ifi— 17  cognitionis  |  cogilnlionis  j,V  18  igilur  I  ergo  SM^  rei  |  ffhlt  s  l^ 
(juae  I  quod  .V  IJO— :2l  uiuum  |  unum  -S'  uiuü  N         22  cogentes  |  />/(/(  .S' 

23—23  ad  uisionem  uel  |  ffhlt  S  23  innuilionein  |  inmutalionem  N  inuen- 
tlonem  N       assimilalione  t  assüalione  N  assimulatione  S 


•J2  ^VPV^  ^l-Kintli 

Piitutiu  i^tiir ,  sine  aesliniatio  hubfiis  diias  rxtri'UiUaloJS 
ucrillcatur  i|uuiKt<)(iiif  ol  mentitur  alia  uice.  instiiiineiituiii  eiiim 
81  lortc  sit  urt  rocipieiiduni  iiiiiuilion**m  ueraiii .  egredietur 
res  uenu  sicut  lacit  uesliiiiator  aeslimalionis  forlis .  ca- 
iiims  cuiri  nerilato  ivi,  qiiamuis  ruiii  sciat  illud  scientia  completa, 
dtinonslraliim,  scilicel  artniinentatione,  qiioniam  cadit  cum  ueri- 

latt!  rei. 

Olli    aiilnii    est   dehüis   (•(iKiUitionis  »»st  .striclae  cogitiilUmis 

in  uiKili'^-     ""'"  <iiius<|uiH{iU'  amborurii  coimentt  uerilati  quarido- 

u*  tnii*  et  cüiiuenit  tatsitati  quaiuloquc.     cum  autem  debititatiir  iu- 

stniiiit'iiluni  u  receplione  imiiiitioins,    quae  est  siiuilis  fortttudiiii 

iirslimiiMoiiis ,    uenit    i'cs  e  cuntrariM.     ats^tiinator  enirii  aesliina- 

liiiiiiH  ik'biltH  fst  frraiis.     coiiLi-uniiiii  igitur  senipfr  t.*sl  ueruiii. 

et  lioc  quidem  est  iiisio,  quam  qui  uület  uid<H  contraiiuiii 

^^  clUH,  quotl  iiidel  in  s<^>miJt<>  stio.    sicut  (|iti  uidet  honuneni  morUium 

,•(  innlitn^aUir  eins  teiapus;  et  nidrl  honiiiieni  factum  pauporem 

el  cifscit  ci'Usus  cius,  et  quae  sunt  ita,      cuni  antcni  df-hililalnr 

inwtrumenlum  debilitate  cum  qua  non  rwipit  aliquem  eornm  or- 

liiiinm,  non  est  eiordo,  quo  narretm-,  ne<pie  coudilioiies  conueuieu- 

ii '  tes,  vi  diucrsiticatnr  sicut  est  Ulnd.  qtind  atcidit  pcrmäsr-onti  copitatio- 

IK'K  in  iilK'lia-  (orlassc  vn'im  ipse  unll  ntntponere  diclionem  nc<luni  ali- 

ciuo  öuhtilielui*  vx  locutiuue  communi  et  |r>quitur  plurimo  sermonc  et 


1  siue|ricut  S  X  -V.  l'frt/lrichr  die  ftamtgtosgt.  zu  1—2  ifanW- 
gtvt$t:  Xota  quotl  pulalio  siue  Bcstimatio  ueriticatur  quandixjüe  et  mentitur 
aliii  uice  N       et  |  fehlt  y      H  innuitionem  1  initnitationem  N      egredietur  | 

eifreiiitur  AT'A'       4  ftestimator  |  extniia  extiniator  N        4—5  cadens  cum  | 
cadeDtis  fl  ^'       A  sciat  |  faciat  N       illuil  |  id  .s'        6  üenionstrattua  |  deinon- 
strata  .V      scilicet  |  fehlt  y      argumentationt!  I  arguuientalionein   S     cum  | 
A   S         H    qui  I  q  A'        est  {cor  »liebilis'j  |  fehlt  S      10  quaniloque  |  fehlt  X 
11  ianuitioaifi  I  in  mulalioiiis  ys       similis  rortitudini  |  simul  rortitudineni  'S 

13  igitur  I  est  .V        14  et  |  quia  S        ijuidero  |  q  iV         1^  qood  |  et  S  nel  X 

uidet  1  uidil  J/*       somnio  i  ^onnls  M'  sumpaio  .V  sumpno  >'      suo  |  eius  .S 

17  crescit  l  prolongatur  S      census  eius  |  elus  census  -s*       18  eoruni  t  horua^ 

SJtf'     19quo  ;  qui  >'^'quoJ  M'     tiarretur  '  narntur  .V  nieretur  ucl  qui  uorictur 

V        19— SO  conuenieates  1  feMt  S      -Jii  ntit-h  ,diuersitlL-atuj-*  dictiune  nedum 

quo  sublilietur  >'  Ditto^raphir.     ly.  Z.  21—«.      est  illud  |  id  S     SO— Sl 

tgitAtiunes  j  rogitationern   S         21 — 22  alii|uii  |  a   quo    A'  allqao  .  .  • 

■quitor  ,  excumuiücationi  locutioae  subtiüelur  a    quu    i*t   loquor    .V         2*2 

t  I  fthii  y 


Liber  de  somoo  el  uisione. 


23 


penniscet  ipsura.  et  est  de  Ulis  quos  couimunilas  nominal  plurimi 
casus  in  dictione^  sicul  narralur  de  Harnet  filio  Nazir,  el 
aliis,  et  huiusrnodi  iiisto,  quae  o^t  secimfluin  haut;  siniilitufüneni, 
L'5t  quat'  nomiiialur  alilagaL|e],  et  hoc  nomwi  non  est  dt'riua- 
tuin  nisi  ex  ipsis  ahlagat.  ahlagat  enini  est  nimus  arboris  .*• 
nioiluae.  ipse  cBini  est  communicans  arbori  cum  nomine,  per 
siniiütndinern  longinquam.  siniiliter  haec  tiisio  ei*go  est  commu- 
nicans uisioni  morluac  nomine,  non  uerilute  intontionis. 

Cflusae   autein   propin((uae   tacientes   dormire  uiuuni   sunt  lo 
infrigidaliü  <*erehri  et  infusio  eius.     nani  cum  ipsum  hvuiwT.talur 
rl    infunditur,    iii(»lliiicaliir   a    disposilione   suao    aequalitalis    et 
]»raep{tratioMis   ad    niDlnrii    scnsibilem ,    cuiii    int^truntenta  scnsus 
sint   procedentia  et  cres^ientia  ex  eeivbro ,   sicut  iam  diximus  in 
similibiis  sermonibus  ad  illud .    scilicet  in  scrmonibus  de  natuiii  is 
animaliwm.     dijiiittit  onim  anima  usuni  nensunm  propter  ditlicul- 
talciri    illins    rt   dcilinal    ad    fo^ritalionmi    et    arcidit  soninus  et 
qund   iiidetui-  in  sonuio.     al  causa  hunuHitans  cerebrum  et  infri- 
gidans  ipsum    est  protuntlalio   r-aliditatii^  in  cor]>onhu^  uinis  in- 
Irinsccus   el  frifms  extremitalum  eius  et  oleuatio  uaporis  humidi  w 
sublilis   propter   submei"sionem  laluUtatis  in  inlerioribu.s  corporis 
ad  cerebrum. 

Et  de  signüicationibns  ad  illud  est  quod,  quando  nos  mul- 
tutu   replemur  de  cibo   liumido   et   frigido  et  quiescere  facimus 


t  permiscct  )  iiermiäset  -V    et  esl  |  quia  ^V      2  sicul  |  quos  coinmunilas, 
sicul  -V.     iyahr»r.heinlich  DiUographie        Harnet  |  anij  ü  hämo  S'        Nazlr  1 
nassjr  >'  nasir  M*        3  huiustmwli  |  liaec  SM*        4  ahlagat[ej  [  agthaffathe  N 
atliagatlie  .S'  athgathe  M"*         et  |  quia  S        U  nisi  {  ci  nisi  M*       ohlat^at  | 
agtagal  .V  alha^alh  .^  alhijalh  M^      ahlagat  |  fehlt  M  alhagath  .S' athgalh  M* 
0  ipse  I  ipsum  'S'        e^t  |  fthlt  SM*         communicaniü  '  cuiiiunitasÄ'        7  haec 
uisiu  ergo  est  I  ergo  haet-  est  uisio  ^Jtf'      S  nomine  (  fehlt  N      C»  [III)  |  ftthU 
SSM'        10  autem  '  coim  J/'        xu  10—11  Ranrinote:  Nota  causas  quac  fa- 
ciunt  tlorinire  Ä"      II  infusio  |  intentio  S  infasio  (uttiiar)  \      12  et  |  ftMt  JT 
aequalitas  |  quaÜtas  N       13  cum  instrumenta  [  in  instrumenta  N      14  sint  | 
sicut  iV      iam    frhlt  M"^      15  »iniilibus  sermoniliud  |  sermonibus siinilibus  M* 
sermonibus  N       sermonibus  ]  sermone  SM^      IG  animaliuni  |  animalis  SM* 
fehlt  N       et  |  fehlt  M*        VJ  prr>rundalio  |  redun'latio  N  dtnu  uel  suhmersio 
(JnterlincaryloitaeJ  *!/*  19 — 21   in  corporibu^t  .  .  .  subracrsionem  |  fihtt    S 

fHomoioteltrutotO  corporis  .  .  -  inlrinsecus  |  interioribub  corporis  uiüi  Jtf' 

{Vffl.  Z.   21)         elcuatio  i  uteuatio    jV»  2l    corpfjris  I  ö»*»    {.cordis')    N 

23  El  1  fehlt  S       significationibus  l  signiKcationis  N      est  I  fthtt  S       quod  | 
feiilt  if'      23-24  multum  replemur  |  replemur  muUuni  .S      21  de  t  fehlt  SM* 
et  quiescere  )  quiescere  y 


H  AlKindi 

culiditatcni  nosirutii,  tunc  infrigidtitur  iiuod  apparet  de  corpuribus 
nostris  vi  humecUilur  raliditas  et  molliiicantur  sensus  et  gruii*.- 
tu  nobU  Uli  eis,  vi  illi.  quonim  usus  est  cum  aportiono,  clau- 
(tttultn'.     et   si  uinuni  sit  secundum  disposilionem  ne  ualcat  eos 

^  olaudori'.  natura  [iraeparal  eis  quod  ipsos  claudat  a  sensu,  sicuL 
e«l  id  quotl  accidil  ooulis.  ipsüa  enim  rcttiUiTtil  uiKrcdineni 
(•onun  ot  oirultnt  sub  ]>a1pebris  .suptTiorihus ;  licet  sit  iiaturn 
iUiinmliuni .  (|uibu^  poi^sibilt'  est  iiigredineni  sui  uisus  dilatim*  i't 
runstnii|j[(Tr.  sioul  iuueiiitur  in  catis  et  leporibus  et  in  rapacibus 

,u  auibus  i*t  quar  sunt  ita.  ipsa  enim  sunt  praeparuta  ail 
roiiHtriuKt'ndum  nigrodineni  sui  uisus  et  dilatandun^  eaui.  el 
paliM'liia  ronstnn^ta  conujfata  est  constrinpens  nignsiinem,  ila 
id  |i-uiii|  lial  iti  disposilione  neque  sentiat  ali^Mid  proplrr  jji'a- 
uefltnmu    usus  eius  in  animali  cum  frigore  cerebri  el  huiriiditate 

,A  eins,  ita  ut  (-ntii  iius  iiolunms  proviocare  soriiiunn ,  quiescere 
faeinnis  coriiniii  iiostra  a  iiiutti  et  Haudimus  pal|>ebras  et  in- 
^rHiUMHis  leiu'bris  loea  uostra  et  elou^Mmus  u  nobis  uoces  ut 
ilcslruatur  usus  sensuum,  quare  lit  somnus,  quem  detiniuinuis  in 
pi'ineipio. 

y,,  K)    de   ^^i^^iilioatioiiduis    itenmi    ad    illiu)    r>st  quod  quando 

nos  iii^Ttnli  luriiiins  rovitalioiioti  iiosiruin  introilii  iiebementi  et 
incui'uamur  ail  inspicien<luiti  in  libris.  t-uj^italione  in  eis  existente, 
et  *iuiest'ore  Iheinius  nienibra  noslra  ad  illud  ^  tunc  iningidalur 
quod  apparet  de   corporibtis  nostris  proptor  priuationem  caJidi- 

I  ruiliditaletü  I  ijiiulitalein  S  uL  igui  caUililHlorn  iV  liinr  |  et  cum  .s* 
iiifrigulalur  I  Jnfrigi*iHl  X  ti  motliticiintur  J  tiiollilicalur  A'  inoliMeüatur  ^f* 
tmch  sensus  1  Lückt  s  noairi  M'  'i  nobii  |  ei  .V  Hti  \  ul  (!)  S  illi 
qtiorum  \  illoruin  S  afrertiune  t  u|itr>ne  .S*  4  et  \  fiuia  -V  uiuum  |  uinum  (!) 
S  öa  sensu  |  ascensu  >'  6  i<t  j  illud  M'  oculis  |  occulis  S  iiigreJi- 
iiern  I  \\\  nigredinein  JV  8  nigre«lincm  sui  uisus  '  ingredinem  sui  uisns  .V 
Bui  uisus  ingredin^iii  ti  \}  j-icuL  tnuenilur  i  in  ililiitura  S  ciilij  |  gliütia  .V 
cutis  (!)  S  lepuribus  |  Rupotibuä  (!)  S  in  >  fehlt  AP  10  ita  |  itaque  X 
II  sui  uisus  I  uisus  sui  S  12  ronstruda  curnigalA  |  ennslricta  corngata  A' 
CfinHlricla  t-orrugiilu    .V*  /V/i//  .S"  est  tüijatringens  |  ad  conslringcndum  .s' 

1.*)  fcumj  I  ffftlt  SM*  ne(|uc  ]  ne  M^fchlt  S  13—14  grauedinem  |  ingre- 
(linem  •**'      16  itn  |  fehlt  S      nos  i  frftit  y       sümnuni  |  sornpnium  N      16  Ul- 

n 

ciniu5  I  frtfiflnms  N        paliiebras  I  p<tlpebns  nostras  .s'       Irt — 17  ingeniamus  | 
ingeniainus  SM*  ingeninianub  .V        17  uoce?;  ,  MJiÄVflr  ^V        18  deliniuimus  I  - 
«lifHniuiniUf  S  Lfir-kr  S     2tl  El  1  i|iiia  .V     iid  illud  j  WWus  X      21  nnsLrani  ! 
fthli   SM*         22   ini-uruaniur  |  incurualur  S         itispjciendum  1  ospiciendum 
SM*       infi'igidutur  |  rorrigiilntur  ^V       21  prupter  |  per  N 


Liher  de  soinno  et  uisionc  25 

lalLs  acridenlis  H  iiiolliJicaiilur  sensui^  }ntAv\  ol  griuiis  lit  nobis 
sensus  et  aciidiL  iiobis  somiiii$  per  illud  qutxl  eleuut  illu»!  quod 
de  calMilale  fsl  intus  quod  de  uaporc  frigido  el  luunido  csl 
accedtjns  ad  oerehni  iioslru. 

El    de   lioü    ilerurn    fst  tlliid  quod  uoctdjt  iiobis  in  succes-  s 
sione    laboris    ueheuienlU,     duiH    rioii    est    in  corporibus  nostris 
calidilas  extreina  »'Kredions  innata.    iiidijfemus  imim  ul  quiescort» 
farianuis  t-oi-pora  nostra  a  niolu  laborioso.    eunique  ea  quiMsreri.* 
faciiiuis,    iiitral    L*alidila.s   et  oleuatilur  ad  nostra  corebra  ilii  ua- 
pores   t^n^Mdi    et    huinidt   «•(    adiiiuat   uvs   natura  ad  illud  nt>he-  ii> 
menten     illud  enini  boiiuni  lit  rx  aclii  eoruni  corporibus .    q^lo- 
niani    sonuuis    lacil  quit-loni  nieuibroruui  a  motu  cl  euucual  bi- 
slrumi'nliim    dii^i'stiouis   difri'^lioni   vi   fat-it    adquiri*re   corpus  ox 
ribo   restaurationrni    ciuif ,    (|uod  cnrrit   t*i    et   rrsobiluiii   est  ex 
CO  pur  laborem  tun*  ho(%  ipiod  matuat  |uel  roaduuiii|  «*li;mi  ca- l^ 
liditatem    ad  coqufnduni  illud,  ipiod  est  in  iutetioribus  L-oiporis 
foneauitalibus,  *'i  in  suis  inlei'i'uribus.    et  baec  quiduiu  est  causa 
bnalis  ipsius  sonnii. 

Crealor  enini  lotius,  cuius  subliinis  e.sL  fania ,  iiosnil  ani- 
inali  tenipusad  quietoniel  opprnlioneni  instruineiitoruin  v\.  uirhituin,  «^ 
qnae  KUtit  ad  TiulrLniculntii ,  laciens  quiMsi-ert-  corpus  uiui  cum 
est  resotulutii  i-t  riin'<>i]s.  uon  enini  perlicUnr  id  <|U(id  replet  et 
nutrit  corpus  uiui  cum  illo.  quod  curril  ex  illo  seniper,  nisi  per 
illud,   quod   assimilatm-   quieti    ot   tranquillitati,   /'/  est  somno. 


1    accidcntir^    accitlenlalis    S         2 — 3  somnus  ...  et   iiuod  |  fehlt   S 
et  «]m>d  I  frhU  M*      .'I  fngido  et  humnlo  !  humido  el  frigido  N.V'       3—4  est 
accedens  i  fehlt  .sj/*  et  acrwiens  A*     fi  Et    quod  A'      de  |  frhll  S    ti  dum  nun  | 
fehlt  .Y      7  extrem»  1  exlrunea  .s'      imlijrfums  i  iiiKreiliemur  S      II  lacinius  I 
faeiamus  A'       ad  nostra  cerebra  I  terebra  nostra  Sf*  cerebra  A'         I")  adiu- 
uat  [  iuuat  A'  11  aclu    taclo  S  taclu  M'        12  euacimt  I  ua<-uai  A'        i;( 

digestionts  S  Uigestioni  et  |  rt  digredj  S  di  (irä  (Pei  gralia!)  el  N  adqui- 
rere  |  ad  tjuiesfere  S  ex  '  ex  a  iV'  U  restauralionem  restauralione  .n' 
cunil  ei  '  i'ucurrit  ei  A*  «'Uth'  curilur  >"  curil  M*  unti  so  immer  et  f^hU 
y         l.'i   lue]    coadunat]  |  frhlt    S         etiani  I  per    S  l*i  coquenduni  i  de- 

ccMiucndum    iV  illud  i  etiam    illud    A"  qm<d  ;  hoc   A'  est  1  fehlt  S 

corporis  I  cor**  A'  17  cunciiuitaljbuii  \  ineuiil  cuncauilalibus  S  in  suis  con- 
cauiUtibns  Jtf  *  .  et  1  fehlt  X  in  1  fehlt  >iV*  et  haei:  '  el  hoc  >'  quia 
liuius  A'  ij>5iu»  1  essenliae  SM"*  1«  zu  somni:  uel  »d  hör  ul  sit  sunnu» 
(itoMe  ,V'  H»  eiiim  1  fehlt    A'  subllnn's  est  i  est  sublimis  A'         2()  ad 

quietein  cl  upenilioneni  quietis  ud  uperallonein  A'  ad  «luiescerä  et  operalio- 
nem  .N'  21  quitsoere  I  eresoere  .s*  Äf  ourrens  |  i-iosoit  JV  pcrficilur  |  pa- 
titur  N        id  '  illud  AT'        et  1  fehlt  M'  23  corpus  ;  corpura  SX        illo  1 

eo  Jf'  24  illud  '  iü  M'  assimilalur  '  asätmulalur  S  id  |  fehlt  syM*- 
est  I  et  syf* 


2f. 


AlKinai 


cum  füriiludine  in  disestione.  imm  si  non  fucrit  ei  quies  som- 
uifeni.  euacuatur  nalui-a  a  digcslione  cum  integritate,  et  pro- 
hibi'tur  dipfstio  in  uirliilibus  suis  propter  sensuin,  dipestio  eiiini 
non    fil   equaiis  digesti«»    tum   adminislralione   seiisuum,    quao 

^  ualtNit  ropifre  illud  quod  eua(;nahir  de  iiienibris  corporis  uiui  el 
quadain  parie  uirtulis.  i*t  de  sitmilicalionibus  ad  hoc  est  qin>d 
illi  quorum  uiiintes  irifi%'idaiititr  propter  uoheracntiani  laboris 
uul  ui*l»€iiifiiliani  eiiacualionis  per  oxpul.sionem  sperniatis  aut 
per   niwiifinas ,   percipiunl iii'  tlojtnire  ut  conforlenlur  eorum  na- 

10  turae  ad  uddeJidum  in  diKestioue.  el  inuenimus  cos,  cum  eui- 
;rilanl  post  soniiium  fartuin,  in  lioc,  qnod,  cum  nxcilanlur.  iani 
rcct^-^sif  ab  eis  debilila.s,  i|u.iin  leril  euaeuatio  el  expulsio  per 
laboreni   et  per  medicinas,  totn  aut  plurirnuni  eins,  el  redienuil 

iiirlutes  eoruni. 

,ft  et  sinidiler  a<'(idit  ri  ciiins  peryeuei-a|ueni]nl  nijrillue:    ue- 

bernenlia  sictilalis  el  piuliindalin  U'tnporuin  el  oculoruni  el  sicci- 
las  iiili'^  fii^'i«'  ^"P*"^  "'''  ''^  substraliunliir  adipe*  |uel  pulpae]  dua- 
rum  nariuin  et  ncuitur  nasus  el  contridiunlur  palpebrae  el  coa- 
jfulatur   Sputum;    siciit    aliud    ipiod   aeridit  ei  qui  euacualur  i>er 

m  inedicinam  aul  (>er  coilutii.  el  eonsumilm-  humiditas  innuU. 
cuius  con-'juniptio  est  causa  mortis  propter  paruitalciii  qua 
polest  natura  de  diReslione  cum  uigiliis,  eum  uiiius  eius  sit 
diuisa  sensui  el  onioLbu.«  oporalionihns  aniiime.  ila  ut  ille, 
cuius  perseueranl  uigiiiae,   licet  raultiplicetur  cibus  eius,    tamen 

1—2  somnlfera  I  sompnifera    6'N  sonnifera  M'         2  natur»  '  <|uiw  S 
ft    *■  y         4  «nsuum  ,  seiums  X         5  replere  |  f'eJitt  S         membris  cnt- 

^^  .  f<»rbu5  (corporci/ZbusY)  membris  .V      t\  el  |  quia  .V    significationibus  j 
^  '  v.<  S        ad  hoc  I  ab  eo  AT  7  illi  (  est  .V  uirtutes  infrigiaan- 

,„r  ...'•'"'"''  "i*"^"****  ^  ^~^  Uboris  aut  [  feMt  M'  (//omoiotctrutonj 
%mtättw*<^  1  nioteriat*  N  percipiunlur  i  |wrcipjmur  Kl  ad  addendutn  \ 
vm  >'  H'iifiourti/thit  II  cxcilantur  1  excitalnr  *V  1*2  fecil  |  facil  JV 
I  latorüm  (I)  y  el  per  j  per  .Y  l.')  el  |  quia  .V  ei  t  fehlt  S 
i»«I»eru]nl  I  perwuerant  A/'.S  perseueiaueruiil  .V  Hi  icmporum  |  ipöi^ 
<MoA  -^  "I""'  ^'*  oculorum  I  Otfculorutn  SM'  17  os  |  hos  .V  sab- 
^'■^~  «ubBlrubontur  >'  conlrahuntur  N  [ael  pulpae]  I  ffMt  \  uel 
.   J^utarfflimr  M*  \ty  nariuin  |  auium  (!)  N        ncuitur  i  accuitur 

.  nam  I  fcpiritutii  i!j  >'        illud  t  id  >'        20  aut  per  |  aut  5?        coi- 
rii  M*      ai  — 22ijua  potest  |  quaprupter  S      22  digestiooe  j  digeslio 
ju  vp«rati<>nibu5  i  operibus  .V 


Liber  de  somno  el  uisione.  27 

festinat  consuniptioni  humiditatis  et  morti.  et  illius,  cuius 
somiius  multiplicatur  cum  cibis  coimenientibus  in  adiutorium 
somni  super  digestionem ,  magniücatur  corpus  et  huinectatur 
propter  multitudinem  nutrhnenti. 

Postquam  igitur  iam  manifestum  est  quae  sint  causae  6 
sonmi  proximae  et  longinquae,  tune  iam  apparet  iuuamentum 
somni  in  quo  sit.  Ipse  enini,  sieut  praemisimus,  confert  in  com- 
plemenlo  nutrimenti ,  et  adiutorio  naturae  ad  ftnnanda  corpora 
et  confortanda  ea,  scilicet  ad  i*estaurationeni  eius  quod  elonga- 
tum  est  ex  eis.  lu 

Hoc  igitur  est  sußiciens  ad  iltud  de  quo  quaesisti  secun- 
dum  k>cum  tuum  in  speculatione.  et  eius  est  haec  epistola. 
Explicit^ 


1  coosumpliopi  |  consumptlo   S  morti  |  mortis  N  et  1  quia  N 

2  adiutorium  1  adiutoris  .V  adiutorio  Jtf'  3  et  |  fehlt  M*  3—4  humecta- 
tur  propter  multitudinem  |  post  humectalur  per  similitudinem  S  5  igitur 
iam  I  iam  igitur  N  quae  sint  |  quaesitum  N  ti  et  |  fehlt  Jf'  7  enim  | 
cum  enim  N  6  ftrmanda  |  tirraandum  S  9  confortanda  l  contirmanda  jV 
confortando  S  12  et  .  .  .  epistola  |  fehlt  NM^  13  Explicit  |  Explicit  liber 
Hlchindi  N  Expliciunt  cause  sompni  S  fehlt  M'. 


Liber  de  quinque  essentiis. 


Sapiens  Aristoteles  ul)i  dialecticani  inri'|Hl  dixit  quod scicii- 
lin  ririiisqm'  roi,  ijuar'  irn[niriti]r,  cadit  [uol  conlinolur|  sub  phi- 
losopliia .   qiiac    est    niimis   toi   scienlia.     oportet  fr\!o  in  priniis 

5  ul  philosophiuni  apiid  illarn  soicntiani  diuidumus,  et  considernuus 
sub  qua  ipsius  partiiun  conlineatur  rvs. 

lUiilosophia  i^ntur  iliiii(]ilut'  in  scipntiaiii  et  oppratiorieiii  |id 
esl  1ii(.'(>ri(-aiti  v\  \tViHl\cniu\.  v[  illiid  itfi-inn  idoo  ipionittni  aninia 
(liiiiditur  in  duas  purti^s,  ipiae  Mint  co^itatio  uel  ratio  et  si^dsus. 

10  (|iifinad]noclujii  üstt-ndiinus  in  übro  catej^oriaruni.  quia  i^itiir 
jthilosopliiji  noii  rst  iiisi  onio  aniniaü ,  conuenicns  i^st  ci  iit  di- 
tihilaUir  in  itiias  pai1r*s.  sic-ut  aiiima  in  duas  partes  tliuiJitur. 
sicul  enini  uninia  Hiuidiliir  in  co||fitationern  [iiol  rationem]  et 
sensum,  et  similiter  diiiiditnr  pliilot^opliia  in  seientiam  et  opera- 

in  lioiimi .  ul  seienlia  uideat*jr  pars;  eo(<itatina  et  openitio  pars 
snisibiliä. 


1  hWter  de  i|uint]ue  essentiis  i^ueni  Jaroh  Alkindi  liliu»  y^nac  compu- 
suil  r'  Incipit  alehindus  de  V  essentijs  bis,  rot  und  achicars  A  Incipit 
Liber  de  tiuinque  essentijs  a  Jacobo  Alchinrlo  Hlio  Uaac  '«ecundum  sentfn- 
tiam  Ariütotclis  <i  Alchindij  riiiloäuplii  De  ({uinque  esseuliit^.  Xih.  unus.  T' 
2  Sapiens  .  .  .  incepjL  |  Philosophus  qui  dialecttcam  fecil  T*  diulecUcam  | 
iltaleUcaiit    0  fthU  A  incepit  |  incipit    1'^  A  cuiusque    uniuscuiusque 

r*        [uel  rontinetur]  I  t'thlt   T'  uel  continelur  rar  .cadil"  A         A  omn  s  | 
coniiiiunis  .[  h  philusophiam  |  pbilnsophyniri    I''  und  sa  immer        (>  con~ 

tjneatur  1  coiitinuatur  .1        7  igitur  i  auteni    T'         1—8  [id  esl  Iheorictim  el 

praclicain]  [  />A//  T'  id  est  in  pracUcam  «t  ttieoriam  I*'  8  illud  ite— 
runi  I  illud  rT-*  islud  O  quoniam  I  quia  T'  10  categonoi-am  I  catlie— 
gorinrum   V-AU  calcgoriearum    T'  igilur  |  ergo  A         :u  II  philosoptijr^i— 

ordo  est   anime    Randglotst    O  12  sicut  .  .  .  diuidilur  I  frhU    T'   (Wahr — 

seheiitlicJi  IlomoioteUuton)  J3  diuiditur  I  fehlt  O,    rar   ,in  duas  partes*  ./C 

sicul  .  .  .  diuiditur  |  scilicet   V*  (Hnhiiiefieintieft  Jlomoiott/eHtonJ      [nel  ratio 
neiDj  I  ffhlt  r'       14  el  |  ffhU  r'OV*      14-15  operationem  |  opiniooem  V 

ir>cogitatiuu  |  co^nitain   r<  (cogitä  filr  uogitatüj      l(t  feensibilis  t  ^enifitiua  r 


i     -l 

■  r 

—  j- 


f  I 

1 


Ai-Kindi  Liber  de  quinque  ^ssentiin.  ^ 

el  pars  quideni  niiimac  coifitatiim  diuidilur  in  toKitalion^'m 
quao  est  diuitiorum  et  in  co(fitaLiont'm  quao  ^l  ailiticmliiini. 

Herum    fiiini    qimedam   sunt    quai;   noti    (liiTemiit    ah  liyle 
fsf:ilicet    non   sunt    nisi    hyle] ,   ot  uViiw  ^unt  quannii  constiintio 
ciiL   per   hylf    [üdlicet    qiine   sunt    pfT  ea  i]uae  sunt  ex  liyle]  et  * 
sunt   separata(^   *?t   non    loniunclae  fsci]i(***t  cum  Iiyle],    »'l  aliae 
sunt  quibus  non  i*si  conlinuttas  (ini)  hyle  pHiitus. 

res  uero  quao  ab  liyle  non  diOernnt  penitus  ^Jiuil  suhstan- 
lialia  sku»  corporoa.  ot  res  qnibus  non  est  conlinuilas  cum 
hyle  penitus  sunt  diuina,  skut  llu^ologica.  c1  oa  quao  non  ^tunt  m 
coniuncta  cum  hyle  sunt  sicnt  aninm  [uel  ea  quibus  cum  hyle 
non  ost  (.'ontinuitns].  oI  ipsa  quidoni  non  prdportionantiu*  nisi 
ex  arlilicialibus  quao  fiunl  ox  suhslantialilms  :iil  dunim. 

Deus  enim  summus  destinauil  |uel  ordinauit|  oa  ol  posuit 
HTcdia  inter  spissum  [uel  crossum],  in  quo  non  est  sublile  peni-  »^ 
tus,  f'l  inier  sn!>tiio,  in  quo  spissiim  omnino  non  oxistit.  ot  hoc 
idoo  ul  sil  sctnila  ol  nia  ex  scipntia  subslanliarum  nd  sriontiarn 
diiiinoruni.  i(uod  si  iJlu*!  non  ossot ,  non  ap|U'cln'n<lorolnr  rx 
spisso  [uel  crossoj  subtile. 

Operatio   [id  est  praHica]  diuidilnr  otiain.     nos  tarnen  re-'<» 
memorabinius   hie   qund    molins    t-st    in    h;n-    noslra  inqnisilinne 


1  quidem  I  quedam  (f  cogltatiun  |  nach  .diuidiUii-'  l'"  "ü  in  | 
fehlt  r'  zii  3—7  Hei  um  iiiateriales  -  medie  -  immateral«  liandgloMe  o 
3  Herum  1  Eurum  A  enim  |  igitur  O  quaednin  '  aliae  OV  hyle  |  yle 
r*  rVItV  itmi  ««  i,.mrr  4  [sciHcet  .  .  .  byle]  1  frhlt  T'  liyle  |  ex  yle  A 
et  [  frkli  r>r"0  5  esl  I  est  non  Ä  non  est  Ol'**  hyle  |  ylem  V^VH)S 
[scilicet  .  .  ,    hyle]  |  fehlt    T'  quae  |  que    non  AV^O  per    fehlt    O 

nach   ,h.vle'  I  sicut   anima  AOV*         6  IstiUcet  cum  hyle]  I  feJilt  T'  cum  yle 
OV*         7  qnlbus  ]  ex  quibus  A  cum  quibus   K"         est  |  frklt  T*  nach 

penilus  )  fitgt   sicut   Itieolugia  bfi  V*         0  siue  corporea  I  corporu  .4  10 

penitus  I  rür  ,<"um    hyle'    O        sicut  |  scjlicel   ul  A    siue  O  seu   I''    ut  V* 
theolOKic»  I  theologia    JT*  anima    T'  nctn  \  fehlt    V*         11  cum  |  scilicel 

cum    AOV  anima  [aei  \  fehlt    T' '  cum    liyle  ]  imrA    .continuitafl*    A 

13  arliflciftlibus  |  artificialibus  u«l  inter  artiticialia  A       siibstantialibuü  |  sen* 
Bibilibus    r'         14    eummu»  I  aubümis    i''   sumufi   I*'         (uel  ordinauitj  { 
frhit    T'         ea  |  eam    0   vqi-  ,uel  ordinauil'  OV*         ITi  media  |  mediani  O 
[uel  croüsum]  t  fehlt  P'  et  grossuia  OV     !*>  omnino   ffhil   V       17  ideu  | 
modo    y  scicnliam  I  mrc-A  isutistanliarum*   V*  17-18   scientiam  di- 

uinorum  |  diuinorutn  »^icnlium  C  diulnarum  scienlium  f*  IS  illud  I  id  .1 
islud  O  V.i  fuel  cnwHüj  ]  fehll  V  uel  grosso  on  20  [id  est  pracliia|  | 
fehlt'V^O   practica  uero  vor  .operatio'    I''  20—21  rememoraÜniua    de- 

mbnstrabtmns  V*       21  (|uod  |  qualsm  («{6*  fOr  qb*)  A 


*>  Ai-KiDai 

wctindtifn  sri^Uam  reruin  et  non  secundutn  operationefn  tpsa- 
rurii.  ivth'tM  ifotur  nrct'ssarium  est  ut  illas  partes  in  quas  diui* 
tlilor  ftltilf>^phiH  ci»nteiiipl(*niii.s  et  iiulo  inuenirmtis  haoc  nostnuii 
iriquisitioncrn.  vi  hoc  est  tit  Uicaiiiu.s  quod  reruin  aliae  sunt 
N  quai?  miul  in  oirinibuä  sutwtantiis,  altae  qiiae  non  sanl  in  omni- 
bud  Kiib«tanliiM.  v\  itftui*  qnid4>m  qiiav  non  sunt  in  omnibus  suh- 
stantiifi  miuiI  iiinniii  cucloslin,  qiiae  sunt  ex  stellis  et  ortie.  et 
tii*  Miuiliu.  et  Honim  qiiac  stinl  in  oninihus  substanUi»  sunt 
quac    Htint  in  tf*^n4*ntti()u*'  et  rrorniptione  et  oomm  quae  sunt  in 

10  torro  Ol  ourum  quac  ftunt  super  lerrani  et  eorum  quae  sunt 
«iipra  terrani.  quae  uuteni  sunt  in  terra  sunt  sioul  mincrae,  et 
quill*  HUiil  Kupra  Icrram  sunt  sicut  iiriinialia  et  his  similia,  et 
quae  »uril  HUper  terruni  sunt  sii-ut  ptuuiae  et  nebulae  et  cor- 
nifti'utioni'S'  et  tonitnia  et  reliqua  accideiitia .  quae.  sunt  in  a^re. 

U  res  auteln  (piar  sunt  in  oninibu>;  subsfantiis  sunt  qniiiqiie. 

qunnnn  una  est  h,vle,  *:l  stTunda  est  tbnna.  et  tcriia  est  lui-us, 
et  qiiurta  est  niottis.  quinta  auleiii  teinpus.  in  omni  enim  re, 
in  qua  est  substanlia,  est  hyle,  ex  qua  ipsa  t^t,  et  forma,  qua 
uldetur   et  qua  distini/uitin-  nb  aJÜ^  rebus  iiisione,    el   locus.    In 

toquo  ipsa  exiätet  in  omni  tenniuo.     et  illii<)  ideiMiiioniaui  uiiIImmi 


3  contemplemas  >  ronlein|il(>mur  AV  eoniplectemus,  am  Hantle i  coa- 

tem|ilentus   V         inde  i  tunc    y*V'    i    ^-4  inueniemus  |  inueniamu»    AO 

4  rsl  I  est  quidciii  A       rerutn  |  res  C'        Zu  4 — (i:  Reruni  alle  sunt  in  om> 

nibuB  fiulisUiitiis  ut...  •  que  non   sunl   in   omnibiu  subnUnliis   ut  celesUa 

Handf/toue  *>      •'>  aliae  I  et  alie  A        b — (i  aliae.  . .  substantü«  i  f«hlt   l'*(Uo' 

naiotrltHto't)       7  caeleelia  1  ceüesli-i  T'       orbe  1  orbes    1"'      el  1  f^U  V*  et 

in  r>       8  his  {  in  hia   >'*       similia  |  »imilium  AO  üimiti   V*       eorum  |  ea- 

nun  »unl  1'*^^         oranibus  |  fehlt   T'         8— !l  sunt  quae  1  quae  »'"Or'        I» 

«I  «Drum  f  •  *  1^"^   '"°^  '  ^'  ^^^">  ^"'^t    quae  A  10  nach  .tt^rra'  I  sunt 

nnii  mitidr«  A        t*' — 1'  el  eorum  .  .  .  termm  [  ftMt  fi      11  auleni  |  /«A/r  O 

aj-gl  I  ff^il  A         minerae  |  mure    f'-*  11—12  et  quae  .  .  .  similia  |  fthU  0 

\t  mtuI  !  Z*^''   '  *       '"*  I  *'*  1'  1'  ly  sif"l  I  Z''^''"   ^        pluutne  el  ae- 

\r-<t"    "il-iilao   el   pluuine  O        15  res  |  es.  Drr  Hat:  für  die  Majiukei  „U* 

..n  r*  i'Uleni  I  uero    1'         quinque  |  V    A  «*    ir — 17: 

j^     motua  •  locus  •  tempus  Randgltufs«  O      16  et  »ecunda  (  serund« 

^  WrliA    teitU  AOV      est  fl»8)  !  fekU  A       17  et  quarta  |  quarU 

'  fjuinta  -I  ot  f>»    1**  aulem  ]  fehlt    AUV        18  qua  ;  ex 

•    qua    dbitinguilur  |  •listintfuilur    A    qiie    disliuguit    eum    O 

Hl  ^  a  ^«M  Ipu  1  in  qua  est  ipsa  et  locus  in  qua  ipsa  A        äU  in  oiunt 
dir  'iud  id«o  I  ideu  Ulud  tf        quoniam  |  quoque  A  quia   1'' 


Lih«r  de  quinqud  cssentiis.  äl 

corpus  dirif^itur  ut  sil  nisi  in  loco  et  in  termino.  et  in  ipsa 
etiani  est  motus,  quo  ipsius  constitutio  existit,  et  hoc  est  ei 
esseriliu  in  ioru  el  lernporc  toriipiis  eniiri  i'st  iiiiirierus  tiiotiis. 
pioplrrwi  ('i>ro  (pHMl  4fsi*'[nJifrnis  qiiotl  OMinc  iorpiis  in  quo  est 
iTiolus  est  cui[us|  niotus  est  de  loco  ad  loctun ,  lunc  iatii  maiii-  r- 
fesUnii  est  quod  in  ipso  est  tetnpus. 

Nobis  uero  necessariuiii  est  ut  prupalentiis  si^iia  lintitni 
qulricpic  siibstiitiliuriirn  rx  arlilicialibus.  artiürialia  eiiini  sunt 
i^\)£jMi  in  siibsüiiiliiä  [uet  sk\\[  subslantiae]  ut,  pula,  diranuis 
quud  in  naui  sunt  iatae  quinque  substanliae.  hyle  nanique.  lo 
quQG  ex  eis  est ,  sunt  llgna  ex  quibus  fabrie^ita  est  ipsji ,  et 
foriita  t|uldeni  est  sicnt  anffuli  qiii  suni  in  ea ,  rpiibus  ipsa  di- 
slingnilnr  a  jfi'aihj  el  portu  et  reliqnis  ivImis.  rl  ipsa  eliani  est 
in  liK'o  et  habet  inotuni  in  loco  et  niouetur  etimii  in  tempore,  et 
queinadniodum  islae  subslantiae  propriae  sunt  [uel  conueniunt  1 1» 
naui,  siniälilor  sunI  propriae  reliquis  subslnntiis,  quae  sontiuntnr. 
et  proplej-  ms  oportet  nl  Imni.-  libriini  seribarnus. 

In  prinns  itaquc  oportet  nos  st-ire  quod  pi-int-ipia  ,  ex  qui- 
bus est  omnis  res,  sunt  duo  istonnu  quinque.  et  sunt  byle  et 
tbmm.      quiire   neoessiiriuni   est   iioImh    uI    iricipiatnus    exponi're  «o 


1    nt  sit  nUi  |  nisi  sil  O  ut  s\  nisi    V*         el  In  |  et  0         in  |  frfitt  A 
wiederhoit  nach    .ipsiud'    1*'  2    eliain  ,  fthU  AV*  2—3  et  hoc  est  ei 

nssentin  I  et  eius  c^$sentia  est  V*  ex  ({uo  nius  essenlia  est  O  cL  in  quo 
eins  piuentla  est  V*  3  In  loco  et  tempore  |  cum  tempore  et  loco  COT' 
enim  |  i^ilur  O         numerus  |  unklar  A        4  proplerea  |  unldar  A  ergo  | 

[gitur    AO  zu    Ü^    iiieiliante    niolu     (|uaeque    res   mola   est   loco   seu 

conlinuü  in  tempore  Jfamfghvse  O  5  est  cuius  |  et  uiiinis  I*'  esl  eui  A 
Je  loco  I  fehlt  l'M  4— .*>  in  quo  ...  ml  locum  |  in  locus  est  in  quo  est 
eius  motuä  motus  non  est  ad  locum  V*  7  uero  |  uerv  nunc  A  uero  iam 
V*  ergo  K*  propaleinus  1  prebemus  1*  8  enim  I  non  r*  9  fucl 
sicut  substanliae]  I /V/i//  1'  D  — K)  ut  puln  .  .  .  substanliae  |  ul  puta  in 
naui  üicimus  que  sunt  islc  quinque  Huh^ilantie  1' '  ut  putdnduin  inqaain 
(putäd*    iq)    nauis    isle    quinque  milislanlie  A  10    sunt  1  sinl    <*  11 

ipsa  I  fehlt    A    rur  ,fabrirata'    Ml'-"  V2  quiüeni  est  j  c|uiilL>m  eius  A  quod 

esl    o  esl    r*  13    (M)rlii  1  ^mrlu    o  ^radu    el    porlu     |>ürlfl  vi  gradu 

A  et  i  fehll  r*  est  nach  loco   1'^  14  et  i  et  qui.i  A         habet  mo 

tum     nnilum   hat>et  A  et  ninuetur    etiaiii    in   leinpnre  |  el    mouel   ipaam 

etiani  tenipus  OV^  et  inouel  etiatn  lenipus  jpsam  uel  in  tempore  A  zu 
10  -14   In    naui:  yle  •  foi-nia  ■  loeu«  -  inolus  •  tempus    itu/utflostie  O  If) 

proptiae  sunt  |  sunt  proprie   1*'  proprie  conueniunt  A  [uel  ronueniunti  | 

frittt  VA  nach  .naui'  OV  Ui  quae  sentluntur  |  quas  intutuiUü  A  17  scrj- 
liaqius  I  describauius  O       19  el  |  hec   r>       20  ut  incipiamua  j  felM   K' 


.^  Al-Kindi 

liaec  duo  ante  alia  tria.     et  Ulud  ideo  quoniaui  oportet  at 
res   expo$itione   indigens   sciatur  per  expositionem  prindpioraD, 
ex   quibus  h«4  res .   non  quntuor  specics  tantum ,    quae  sunt 
prinripüs  roiiipositonini ,   sed  onmi^  res,  quae  est  ex  mnleria  el^ 

r>  forma,  ex  quibus  sunt  ista  quatuor:   calidiim,    frigidurn .    bumi* 
diiiii   et   siccum ,   quae   sunt  prinripia  aninialiuni  el  arttonmi  ei 
onuiis   rtM    in   generatione  el  r-orniplione.     hyle  autem  el  fo 
sunt  principia  Itoruai  quatuor  prineipioraiii  rt  -ninl  principioram"^ 
priiicipia.    ip^t*  tainen  sunt  singulares  [uel  siinplices],  ante  quas 

10  non  est  aliquid,  quatuor  enim  sunt  corpora .  baec  uero  duo 
non  sunt  corpora .  »ed  corpora  componunt.  et  quod  non  esl 
corpus  non  est  coniposilima ,  sed  composita  sunt  ex  conipositis, 
et  quod  non  est  compositum  non  est  ex  coiuposilo.  quatuor 
uero   sunt  ex  aliquo ,    duo  uero  non  sunt  ex  aliquo.    hinc 

16  conuenit  nobis  ul  de  eis  loqui  incipiamus.  el  quoniam  materia 
rftipit  I'ormam,  necesse  est  nobis  ante  loqui  de  eo,  quod  susci- 
j>it  aliqnid,  quam  toquamur  de  eo  quod  suscipitur. 

et  nos  quideiri  seire  oportet  quod  declaratio  omnis  rer  non 
«•t  nisi   ex   ipsius   definiÜone.     definitio   autem  senno  est  cod)- 

npogitutt  ex  (reniTf,  ex  quo  res  dofinila  exislit ,  el  ex  differentia, 
ex  qua  III  |>ni4>ter  r»iiineiii  n-m. 


1  %\'M\f«htt  V^AV*  liMec  (Juü  I  Hffc/i  ,tria'  T'  illud  | />A/f  K» 
quonmin  [  qm  T*  2  rn  .  .  .  wrialiir  |  iodigens  res  exponi  seist  O  Indiifeas 
re»  i'Xpmitioneni  **i\*\  iil  M-ianl  (nnkiar)  V  per  |  propter  r'OI'"  ex- 
ptfsilioneiii  |  exccptluneiu  V*  3  est  re«  |  re«  est  TT'  4  sed  |  sciUcel  A 
t.  d'   K'      es  ;  'mO     5— ti  friifiduni  ...  slccum  i  humidum  frigidurn  et siccam 

1*'  rrigidum,  «IcflUm  et  liuiuidum  >'■     C — 7et  omnis  |  oniniü  V^feMtO    7  rei  { 
res  A  hhH  O         mt  7—8  yle   ot  forma  principiorum  priocipia  et  per  coose- 
quenB    printiiiiii    4  elemenlorum  Uandglo9t»  O  8  boruin  |  itlarum  A  isto- 

lum   V*       ei  \  quo   y*\''*AtJ       9  ipwie  |  istae  OV*        [uel  simpliceei  |  fehii 

y*        10  aliqujd  |  aliud   IM*'        uero  duo  j  duo  uero   f        tu  10 — 13  nni- 
ma   ergo  et  imgelui»  non  Hunl  coraiiosita  Itandglo8»e   C  It  corpora  com- 

pununt  I  forpom    c(»niiM»i.itu    .-1     ex    tiÜ»    cujpoiii   componuntur  0  12  sed 

c<»ttqio8ila  I  el  eortiponita  quldcin  AOV  |3  campositum  I  coinpositorum  V* 
ex  i-timposito  1  expositio  o  14  uero  1  ergo  V  aliquo  **>  |  ulio  OV*  duo 
uero...uliquu  \  fehlt  A  1&  lw[ui  incipiamus  |  loquamur  A  quoni»m  |  q*. 
(qiioque)  A  iiiutoriu  |  )le  A  \\\  niibis  aiitt^  1  ante  nobis  OV.  lü— 17  de 
i'u  ,. .  ItMiuuiimr  I  frUt  r*  zu  Hi— 17  priu»  dv  iiiiiteria  Ruudj/fosttf  O  |9  ex 
ijtttiuü  iletUiitiuite  |  ex  diniiiitiune  cius  .1  periliUiaitioDem  Ol''  delinitione  [ 
dillUntiuiie  T'  \'*A0  uml  «o  immef  nutein  \frifU  \"^  scrmo  est  1  est  serniu 
A<JV*     exlatil  !  tiunsUtit  T'      'i\  ex  quu  |  qun  ^  que  O  !'■    rem  |  rationem  1'* 


Lil>er  de  quiuque  ei^sentiiä.  SM 

liyK-  nem .  queinacJinodum  oslendirmis ,  est  ex  gonere  ge- 
neruni ,  quoniaiu  ante  ipsam  noii  vsi  peniis.  ergo  iam  mani- 
festum est  quoil  oius  declaratio  non  existil  definilionc.  dofi- 
iiitio  riiitii  non  est  ntsi  tniis .  anpra  qnod  f^t  >;enn«.  oportet 
ortro  iil  consiiicrcmus  illud,  quo  derlnratur  illiid  ,  qumi  siiprn  se  a 
non  habet  goniis.  et  es!  ut  diralur  quod  est  IIIikI  ,  quo  de- 
t'Iaralur  ex  rcliqtiis  rebus»  scilicel  differontiis,  quibus  diülin^'uiliir 
ab  ilMs,  qiiiie  sunt  praeter  ipstim .  et  propriefatibus ,  quac  sunt 
ei  propriae.  ddiuitione  aiitetti  indigeiiii]s  apud  roiri  conipasit;iui. 
ut  sHamus  per  definitioneiri  ex  quo  eoiuponitnr.  apitd  rein  i» 
ucro  quae  non  est  «Komposita,  content]  sunuis  differenliis  soluiu- 
modo.  abf^que  penere.     et  ipsae  qnidem  noniinnntur  j>roprielales. 

oportet  ilaqne  ut  liyle  suis  proprietatibus  decluremus. 


I. 


Sei'ino  de  hvle. 


la 


Et  est  ut  dieanuis  quod  hyle  est  quod  suacipit  et  non 
suscipitur.  et  liylo  est  quod  relinet  et  non  rctinelur.  et  byle 
quidem  cum  tnllitur,  tollitur  quod  est  praeter  ipsani ,  scd  cum 
Inltilnr  ipiod  est  praeter  ipsani ,  non  lolütur  ipsa.  et  ex  byle 
est  omnis  res.  et  Ipsa  est  tpiai?  reeipil  contrarin  »l>sque  cor-  sn 
ruptione.     et  byle  non  habet  detinitionem  omnino. 


l  est  t  /VA/'  A        ex  genere  i  genere   T'  genus  T'"       3  detlfttalin  |  af- 
firinatio    1'    »ffectio    uel    denlaratio    I''  .  .  .  (IStcke)    el    dedaratio  O  f> 

ei^n  I  igilur  T'  ut  |  quoil  V*  illu«!  Cor  .quo')  |  fW^/f  TTM  illud  f 
\iX  r"  8  illis  I  aliis  0  ipsum  |  Jlluni  I''  ipsam  V^  H  (iropriac  |  ditTe- 
rentiue  projiriae  I''  definilione  aulem  |  nam  ('*  11  auuius  contetiti  A 
12  quidem  ]  frhtt  '<)  13  ilaque  I  eigo  A  15  Sermo  de  hyle  I  toth  O  fehlt 
V*Ay*  16  El  esl  ul  dicamu^i  |  fvhU  V*  hyle  est  quod  |  fehlt  A  ile  quod 
K"         17  relinet  \  tenctur    T'         retinetnr  |  tenel   V  KS  quideiti  |  fehlt 

V*V*A  lollilur  I /V/i//    !'■  praeter  1 /"Wf//    V*  18-lÜ  cum    tollitur 

quod  (  quod    cum  tollitur  V*  cuui  quud  O         19  non  1  et  non   V*       hyle  I 
Ula   r'        Ä«  16--'21  1.  Su-^cipil  et  non  suscipitur.   2.  Kelinet  et  non  relino* 
tur.  3.  Abseute  ipsa  detkiunl  reliqua  et  nnn  e  contrario.  4.  Kx  oiiiiunl  omni»* 
&.  Keoipit  contraria  al'sijue  eiu8  coriniptinne.   f».  ('jirel  difllnitione  JfamltfloMe 
O        ai  omnino  t  fehlt   V^ 

BailrKgo  II.  h.    üa^y.  At>Kindi.  3 


S4 


AlKindi 


II. 
Hermo  de  forma, 

Foniia  ucro  ost  iiomoit  cot ujirehf-m Jons  diiiorsa.  oninis 
autem  ,  qui  altquid  iiiilt  expoiicTt-,  ncccssaninn  est  ut,  si  noiiicn 

h  niius  sii  roinrnune,  diuulat  ('OiiummitatcMii  illam  et  dislin^iial 
partem  oius  rnius  uiili  expositionom.  ol  est  ul  dicat  quod  roniia 
iliiiiditnr  in  diias  ]iai"tes,  quanim  una  est  «.piae  cadit  sut*  sensu, 
et  altera  forma  quae  catÜt  sub  genere,  propler  ijuani  aliquid  lit 
genus  et  dichur  de  rebus  diuersis  nuniern.     allora  uero  est  qua 

10  dislingiiiUir  aliquid  ui.sione  a  reliquis  robus,  substanliis  el  qua- 
litale  et  quanlitate  el  reliquis  decem  generibus;  et  constituil 
omneni  rem. 

forma  autem,  quae  est  sub  genere,  non  est  de  Ulis  princi- 
piis  singularibus ;  quapropter  non  oportet  nos  ipsius  reuieinorari 

lA  in  lioc  tiosli'ft  libro.  lib^r  enirn  nnslcr  hir  est  de  substantüs 
sint<ulai'ibus,  quae  repenuntur  in  omni  corpore. 

forma  uero  qua  aliquid  dlstinguitur  uisione  a  reliquis 
rebus  et  prineipiu  sinjfularia  oportet  nos  exponere  vi  eniuiüare 
quid  sint.     et  quJa  eins  expttsitio  et  enunriatio  [scilicet  formao] 

20  notatur   in   hyle,    oportet   in    primis   ul  remeinoreniur  illius  lo- 


2  Sermo    de   forma  j  rot  o  fehlt  V*V'A         '.\  Forma  uem  j  Formatio, 

am  Hotnh  forma  uero  O  est  nomen  !  non  est  (n  für  n)   V"         diuersa  | 

uniuersa  O  uniuersa  diuersa  V  omni»  i  omni  "  onine  C  4  qut  1  quod 
1«  qui  corriyiri  'J  quod  V '  ali<]uid  |  nach  .exponere'  A  aliquis  K'  su 
4 — ti  hoc  a[iiii1  ...  In  sophista  Imbotur  eLiaiti  priticipiuin  liatidytosse  O  5 
diuidal  |  quoil    diuulul    O  illam  |  fehlt   V'Ä  li  eius  |  illam    V*  fehlt  O 

dical  I  Hitkinr  V^  Zu  G— ^  ItandglotBe  fortnamm  >^uedam  cadit  -  sub  sen- 
su ■  genere  uel  forma  speciei  "  8  forma  |  ffhlt  V  8— U  altquid  fit  ge- 
nus ]  ^eiius  sit  aliquiü  O  H  dicilur  |  dicilur  genus  .'1  diuersis  |  unluer^is  A 
in  uisione  ]  i\c.  uisione  1''  diuisionc  T'  rnbus  rnlif(uis  01'^  11  dccera  | 
10  y  X  A  generibus  |  geneniin  V"  ooitstiluit  |  conalilulionem  V  Xh 
13  Rpndglotw:  funna  que  est  sub  genere  14  nos  ipsius  ]  ilüua  nach  ,renie- 
morari'  A  \pMus  V*  15  libro  |  fehlt  V  hie  [  frhli  A  IG  repcriuntur  ; 
sunt  A  omni  corpore  i  onmibus  subslHntiis  in  coiTU|)tiune  A  17  disliu- 
giiitur  uisione  |  in  nisioae  distinguitur  0  distingiiitur  V  reliquis  I  cetcrta 
y  aliis  A  18   enunliaro  |  pronuntiare    I'»  IM   oius  |  fehlt    V         el 

enuncialio  |  fehlt  AOV  [Hcilicet  formae]  |  fdtlt  V*  Af  in  prtmis  ut  |  ul  in 
primis   T'  imprimis  ul  fJ       rememoremur  |  rememüremus  1'*  renonemn»  T' 


Liber  de  quinque  essenliis.  Sft 

(|iiendo.  et  esl.  ut  dicamus  quod  in  hyle  singulari  est  polentin, 
qua  fiunl  res  ex  hjie,  et  ipsa  esl  forma,  in  hov  est  significntio 
quod  forma  est  poteiitia.  ueibi  ^ratia  fx  ealiditale  el  sicoitate, 
quae  siml  sinpulares.  cum  cononrrunl,  fit  iguis,  hyle  iRilur  est 
in  caliditate  et  sicoitate  singularibus.  forma  aulem  esl  ignis,  sai  & 
potentia  est  quae,  cum  coniniiKuntur,  Ol  tiyle  ignis. 

nos  igitur  oportet  nunc  definire  formaiii.  dico  ergo  qnod 
ipsa  esl  dilTerentia,  (pia  dilTert  aliqnrd  ai>  alüs  uisione ,  et  uisio 
est  cogiiiliü  i-ius.  haue  ergo  est  defiiiJUt) ,  i|uü  ditViTt  Ibrma  ah 
aliis  rebus.  to 

III. 

Sermo  de  motu. 

Motus  auleiii  dinidihir  in  sex  species.  (|nar(un  una  fsl 
generatio,  el  senmd;»  corruplio^  tcrlia  altcratio,  qiiarla  iiugirieii- 
tmn,  quinta  diniinutio  et  sexta  permutatio  de  loco  ad  locum.      \s 

geiieratio  auteni  non  est  nisi  in  suUütantia,  sicut  ex  cali- 
ditate el    frigiditali'  gciieratiir  homo. 

et  fiiinililer  corruplir)  non  reperitur  nisi  in  substaiitia,  sicut 
est  quanth  homo  fit  terra. 

augtnentutn   uero  et  diminutio  non  sunt  nisi  in  qnanlilale,  so 
Stent    augnH.-nliun    quod    esl    in    parte    cnrpnRitn.     et    illiid   ideo 
quoniani   cum   uides  corpus  aliquod,   cuius  loiigitudo  est  decem 


1   sinRuIari  est  |  est  sin^laris  A  1—2  in  hyle  ...  est  forma  l  itle 

singuliü  potentia  ist  (jue  Hunt  res  yle.  el  ex  Ipsii  esl  lormn  V  3  in  hoc  | 
Iiuhc  igitiir  1'"  est  {fehlt  OA  signiücaLio  i  sig">  (si^iiutn)  A  'd  calidi- 
tate I  ciillidltate  K*  u»ä  ko  immer  siccUäle  |  »ic.  et  A  4  quue  .  .  .  ig^nis  | 
sensibilibus  forma  autero  est  ignis  V  cum  cüncurruul  |  concurrenles  K* 
cum  occurunl  Ä  4— iJ  igitur  .  .  .  igni:«  I  ftfiU  A  (Uvmohlt(ttitON)  4-ä 
hyle  .  .  .  sin^'uluribus  I  ff^hlt  V^  ."»  6  sed  potcnlia  .  .  .  igmn  |  fehlt  I''  (I/o- 
moiotfifutonj  G  coniunguiitur  |  coniunKilur  f*  iunguutur  V  ignis  yle  A 
7  igitur  oportet  (  oportet  igitur  -I  nunc  \J'eMl  A  ergo  |  igitur  !'■'  fehit  O 
S—Ü  et  uisio  est  |  fehtl  >'-*  i)  c^gnitio  eius  |  eius  cognilio  O  eius  cogitalio 
K*  ergo  bec  est  diffinitio  A  Iit-c  igitur  diffinillo  est   T'  12  Sermo  de 

motu  1  rot  O  fehlt  KM'-'^I  14  et  secunda  |  »eeumla  A  et  »ccundn  est  Ü 
!>  !■'•  lertia  1  el  terlia  est  (t  (]u:uta  |  el  «{uarta  0  el  4*  est  {''        Ift 

quinta  t  et  quinta  A  \''  et  quinta  est  O  et  sfixta  \  VI  A  et  sexta  eäl  0 
sexta  V  IC  in  |  ex  V  ex  |  in,  was  am  Itandf  in  ,ex'  eorrigitrt  i»t  I'-" 
18   re|ierilur  |  recipitur    A  19    quantlo  |  quod    */jV    /lt/s''.hr.         fit  |  sjt    (t 

21  quod  est  in  I  fehlt  V  ideo  |  uero  T'  "22  aliquod  corpus  T'  lon- 
gitndo  I  longituln   T'       decem  I  12  I'  X  A 

3  •  j 


S6  At-kindi 

cubitoi-uni,  deinrie  fit  nouom  cnbilormu.  noniiems  Minlmn  illuiii 
diniinulioncm.  vi  si  uiderLs  corpas  illiii)  racliini  undi'cim  cubi- 
tonim,  nominajs  niotuin  illuni  ;iugnit-iiliini.  siut»  eniin  in  nnmero, 
üiui'    in    ternpori'.   siuc    in    rcllfpjts   rchuj-.    (\n:\o  rontinenlur  siib 

A  quaiititaU',  \h\\  niotii^,  si  fiu-rit  iitaius,  nouiliuihis  niotuiTi  illurn 
augnienium,  v[  si  miiins,  noininabis  inolum  iliiiin  (liii)inutionom. 
nt  ilhid  ((uiili  ni  iion  osl  iiisj  c|iiiinlil;is,  quae  osl  in  sub^lantia,  quae 
Tninuiüir  fl  aiii-Mnciilaliir.  lUuie  lüinique  partes,  qiianini  iinius  lon- 
^'-iiudii    fsl  iiniiis  ciibiti  et  alU-riiis  ipialtior  (.'iibiluruin,    suiil   iiiia 

in  siibstanlia. 

iiller'atio  aulein  non  est  nisi  in  (|ualitate,  quae  est  in  siib- 

stanlia.     sicul    res   alba    ]>c'rmiitatur  in  nigrarn  ol  simt  frigridum 

pernmtaLioni.'   fil    ralidiini   et  sicut  rlulfe  pernuitaLur  in  ainanun. 

motiis   uero   permutationis   tiiniditnr   in   duas   partes,     aut 

15  enirn  est  reuülu>))lis  aut  rin-tus.  4't  icuolubilis  etiam  diiiiditur  in 
duas  j>arles.  aul  eniin  non  jierinutat  locun»  ^ui  sitn^^,  sed  eins 
partes  permutanl  iocum  ad  iiiuicLiii  t*X  ^^utii  riiolac  supra  punc- 
tum medium,  quod  est  centruni,  non  recedens  a  loco  sui  silus, 
sicut    uwHxü   orbis  in   naturalibu^  et   sicul   niotus   niolendini  et 

211  i|ui  i-üuuluitu]-  in  accidenlalibus,  ut  iacutaloros  el  soientes  in  ar- 
tibus,  aul  ptTinulal  Iocum  sui  silus,  sicut  inolus  plausiri.  tt  bic 
quidem  est  coinpositus  ex  ri'cto  et  reiiolnhili,     roctu.s  ilem  diui- 


1  fili  fehlt  A  nouem  |  B  T'  VI  A  nominas  ]  uocaj  V  2  ui- 
dcris  I  nidea  dA  L:orpus  |  feJtlt  V  tacluni  |  frfilt  o  undecim  |  I9.  !'• 
(=  11)  XJ  Aoy*  'A  nominaa  I  uocäs  ('■'  motiim  illiain  |  illuni  motuni 
A  enitn  )  feMt  (f  4  rebus  \  fehlt  V*  substanlijs  V  sine  In  reliquis 
rebus,  qune  continenlur  |  fehlt  0  4—5  quae  cDnlinentur  sab  quantttate  t 
feitU   V         ti  noniinabis  \  uocabis   T'  \\  el  »i  minus  |  et  siinililer   \'*  si 

minus  O  el  si  fueril  miaus  I''  iitiminaljis. . .  dJniinulioneni  ;  (liminutionem 
ipsum  tinfiitwiis  y*  diminuLionem  O  7  quidem  I  quod  V*  nisi  |  nisi  si- 
cut A(J  ni.ii  nach  quantrtAg'  V^  8  numtpie  (  <|uidein  ^  [turtes  |  re« 
V^tiV  y    quatum-  j  9.   A  (—  A)  It    nutem  non  est  \  fehlt  A  non  est 

T'  enim  non  est  r>  12  roa  \  feUlt   T*  ]>ermulalur  !  mutalur  A  13 

|«nnulatione  fit  1  per  mutationeni  fil  A   pennutatur  in   I'  14    uero  |  an- 

tem    oy»         \h   emva\  fehlt    K*         oliam  l/e«l  !'■  Ifi  duas  |  2«    V» 

Iß— 17  sui  silus  .  .  .  inuieem  I  fehlt  T*  !7  iwrtes  ]  frhU  A  permulJihl 
.  .  .  inuicem  ]  ad    inukuim  mutant  locuin  T'    permutanl  nd  inuicem  locuui  A 

18  sui  Situs  I  sinislro  I''  '  ao  iaculatores  |  unklm-  in  AV^O  iucu  latore» 
y         scieules  in  |  fehlt  AOV       22  item  j  nuteni   V'O 


Liber  de  quinque  essenlüs.  37 

(Htur  in  duas  partes,  aut  enini  est  ad  medium,  sicut  motus 
aquae  et  terrae,  aiit  a  niedio,  sicut  motus  aeris  et  ignis.  par- 
tes uero  motus  recti  sunt  sex ,  scilicet  dextra  et  sinistra,  ante- 
rior et  posterior,  superior  et  inferior,  et  isti  quidem  motus 
omnes  alteratiui  et  permutabiles  sunt  in  qualitate.  s 

IV. 
Sermo  de  loco. 

De  loco  autem  dissenserunl  quidem  philosophi  propter 
ipsius  obscuritatem  et  subtilitatem.  eorum  enim  alii  dixerunt 
locum  non  esse  onmino.  alii  dixerunt  quod  est  corpus,  sicut  10 
dixit  Plato.  et  alii  dixerunt  ipsum  esse,  sed  non  esse  corpus. 
Aristoteles  uero  dixit  locuni  fore  inuentum  et  nianifeslum.  et 
illius  quidem  declaratio  est  cum  dicinms  quod  est  locus  et  qua- 
lis  est  locus,  et  incipimus  hie  ipsius  declarationem  ab  in- 
uentione  loci.  15 

dicimus  ergo  quod  si  coipus  augmentatur  uel  niinuitm'  et 
mouetur,  necessarium  est  ut  id  sit  in  aliquo,  quod  sit  malus 
corpore  et  comprehendat  corpus,  illud  itaque  in  quo  corpus 
continetur  nominamus  locum.  et  illud  ideo  quoniam  tu  uides  ubi 
quandoque  est  uacuum  aerem  et  ubi  fuit  aer  aquam.  et  illud  ^^ 
ideo   quoniam  cum  aqua  aduenit  recedit  aer.     locus  autem  cum 


1  est  ad  medium  |  ad  medium  est  K'  est  ad  emperm  (empetum?  era- 
perium?)  --1  est  ad  motus  medium  V^  moius  \  fehlt  V^  2  terre  et 
aque  A  a  medio  |  medius  A  3  motus  recti  |  recti  motus  K-^  motus  A 
sex  I  ß  K'  VI  A  dexlro  et  sinistra  i  dexter  stnixter  O  dexter  et  sinisler 
V*  3-4  anterior  l  et  anterior  A  4  superior  i  et  superior  ^1  isti  | 
illi  A  5  umnes  alteratiui  |  alteratiui  omnes  V*  omnes  alterantur  V^ 
7  Sermo  de  loco  |  rot  O  fehlt  V^AV*  8  dissenserunt  quidem  philoso- 
phi ]  diJTerunt  philosophi  K'  quidani  distinxerunt  phi  V*  9  -  10  et  sub- 
tilitatem .  .  .  omnino  \  fehlt  V  10  non  esse  omnino  i  omnino  non  esse 
VA  alii  dixerunt  |  eorum   K'  11  dixit !  fehlt  ÄOV*  et  |  sed  ^ 

corpus  I  Hier  hört  V  auf        12  uero  \  fehlt  A        et  |  fehlt  AV        13  illius 
ijuidem  declaratio  |  eins  declaratio  quidem  A      quod  [  quid  AOV       13 — 11 
et  .  .  .  locus  fehlt  V*      14  hie  ipsius  |  eius  A  ipsius  f"      16  dicimus  ergo  | 
dicamus  O       17  id  sit  [  sit  illud  V       aliquo  !  alio  A      18  comprehendat  | 

m 

comprehendit  A         in  |  fehlt  A         19  quoniam  |  q  A         ubi  |  in   K"       20 
est  I  est  fuit  A      a^rem  |  aere  A       fuit  aer  1  aer  fuit  V       aquam  |  aqua  A 

21  quoniam  |  q  A        aqua  |  aqua  :  aqua  A        recedit  a$r  I  aer  recedit  0 


■>.r:r-    -rj.    i«.-    ."    -■...::;.-*    n::»:    -■?: .   >:tÄ"j:iajii  srimu«  t-ius 
.:.--:' ».o-i.  .    -■:     »rr^ — 'j*.!.  _-   jrctsi.    :-:Ci*rüiirr^:i?  Dobis  et  aesli- 

•".  r^'-T.  -.:  rj>"  --L":'--f  ^-z*'.  r'.  -"-:■.:•: _r.  >3t^«LjTit-  s^^mper  sit 
>i:.t  rj.:  -•:  Im:  --?•■:  :■_  L'^:.»r:aj:-  ^.:  z.'-ersrriT">o.  el  e?t  falsuin. 
„;  -r-  :  ,^:l.>-':^^  t-<  r.»  •:  >.:^i::z-  ii-iCLli?  kx*um  esso  oor- 
:  >.  ;  .«■  ^t-T-T  '•L-j-:.ij-c:"_  :.»:':*i?v  e?:  :ij?zim.  i-nniqut- Ülod 
'..  > '..  :  :  .:  -t:-..^  :.■  ■_  t^  •:•r:o^  ?*:-:  jcr*rr3«e?  quae  est  extra 
*-.::.>.  :_■•:  -.. _-  .■•■r :t>tLrv.ii-^  e:  -r:'^  qnkiem  iledaratio 
.i!^..":  .:.:_?  t<-".  r:-:»"  :_  ?*.-.>-  C-"'-  '■'^"'  ^  ^?^^^  singulari  est 
!  :.^-:^:  -:  ..-.—■::  -  Z'r:<:zfi:ii.<^  r*:'  ipsa  uocatur  corpus. 
: .,  :..-'i.-^:  :_•  -j.e  ":;i.:*r-:-^  l-:c^ü:.;'ir;r«i  t4  latitudineni  sine 
;-:>*;-•:.---.'-.  r.-' r: s^"^  --it-.rr-'.-.T^.  r-:  euiü  meditatur  hy!e  habens 
■r.;-  -■:  .^  -  r.r  l-.'.'r  :i_-T  -•:  :c^:-f--3d:tate.  nominatur  linea. 
>'j':^-  :•'".  .-/-,-.  -^-  -I  :,T.^  :-.:.iv  h,.ir«et  loiuituiiinem  et  lalitti- 
'!!.•,<  .-•  ;^,"/,.-:. '.-.•-;...  v:  -->:  -. \  hy-r  quae  habet  longitudinem 
't  iü':  ■..-:-,--•    .  .v-  p:  r:::::u:v- 

i-^iw     ■•;■■,    .'.i-     ;,:::::.:.^.   ,:j;;.i  distiaguitur  locus  a  reliquis 


iiiyii.I'-ütuji.    '/('^  ,,^:i,     -v/,?/     y^  n...i:ifes:u*     manifestius  ,4    mani- 

ftttluitt    i'*  i  •,'/*     Je,;.;-   ';         ti  lo.us    /VJff'r  .!'.>        7  dicamus  (  diciiuus 

Of  'f    >\<i  ,s     i^hU    ,1  «.i    recipi'.ur    iieojue    el    recipimus    quoii    O 

«em(K*r  cit     fcgin|/'/      1'  J^-Jt  ideoque  .  .  .  fine    /rhlt  A        9  cui  j  aut  A 

»it  !  id  t'ht  .  .  UHlJnr.  «-sl  J  inteisecatio  iDterseoulio  !'■  et  |  sein- 
per  et  A  10  <fr(fo  ]  u'-ro  ('*  II  quud  uidetur  contraJicenti  nobis  \  fddt 
OV'-'         w'd     Mi'i  !•>■"   A  ]2-Vl  extra  corpus    externa  corporis   T*  14 

cum  in  |  in  A  ('^  <un.  'y  >in;.'ulari  ^ingulis  1'^  15  longitudo  |  lalitudo 
r^         [etj  ,  fi/ilt  A  V  '  UKalur  1  nominatur  O        17  nominatur  |  feJtlt   V 

18  »in«  I  Hiuc  O         r;t  .  .  .  nominatur    fehlt   I''  19  et  |  /eWl  A        dO  ex 

yle  est  A        'U  est  (jrjfo  A  «(uiddilas  !  quiditas  U        reliquis  1  ceteris    T^ 

iilÜM  A        '£.\  tion  HUiit  loi'ijs  !  loi  US  nun  sunt  <> 


Lib«r  de  quinque  esäeaUis. 


3» 


V. 
Sermo  de  tempore. 

Ue  Icmporo  eiiaiii  dissonsei*unl  pitilosoplii.  iilii  euim  tiixt*- 
runt  quod  est  motus  ipse,  et  alii  dixcrunt  quod  uon  est  inotus. 
oportet  itaqne  nos  ilisceruere  ueritalein  honim  duorurn  sermo-  s 
nuru  ;i  falsilale  ipsonim.  et  esl  iii  dininins  cpiod  nuiliis  exi- 
stens  in  nüquo  intu'iiilur  in  proprietatibus  [illins]  rei  molae  et 
non  repm-itur  niotus  illi!  in  alio  speciei  illius  nisi  in  illo. 
teinpus  autejn  inueiiitur  in  omni  re  secundum  unam  speeiorii 
uol  nioduni  unuin ,  et  non  existil  eins  «liuersitas  per  diuorsi-  lu 
laU'ni  reruiit. 

iani  igitur  iiianifestum  est  quod  tenipus  non  est  motus,  et 
quod  nientiti  sunt  Uli  qiii  dixerunt  quod  tempus  est  ipse  motus. 
i't  nliaiii  qund  uelocitas  et  lanJitas  (|uae  sunt  iti  nidtn  non  <'og- 
iKjsrunliii-  niäi  jjer  tonipus.  t>t  illud  ucro  quoniain  notninamu;;  i& 
[larditatem  uel|  tarduni  quod  in  tempore  prolixo  inouelur  et 
uelox  [uel  uelocilatem  |  quod  in  tempore  breui  mouetur. 

Icmporis  autem  cjnldditas  non  cogiioscitur  nisi  oo  modo 
quem  naiTo:  et  est  iit  dicatnr  quod  instans  comprehendit  tem- 
pus quod  praeteriit  et  quod  est  futurum,  instans  ueru  inier  ea  -m 
exislciis  non  habet  constitutionem  ■  qiioniam  ipsiim  non  numet 
ante  nieditalionem  noslrani.  hoc  oryo  instans  non  est  tompus. 
sed  cum  meilitatur  in  nientc  ad  instans  poninins  quod  inier  ea 
existit  tempus.  in  hoc  ei-jro  est  sigiiilicatio  quod  Imipus  non 
est  in  tdiquo,  nisi  prius  et  posterius:  et  non  est  nisi  numerus,     as 

tempus   ei-go   est   mmierus  numerans  motuin.    eius  aulem 


2  Sermo  de  tempore  l  rot  O  fehlt  A  K"     3  philosojjiii  |  fehlt  O     enini  [ 
fehlt  A         4  el  I  fehlt   1"*        non  est  tnotUH  |  non  niolus  est   VA        5  ita- 
i|ue  HO»  I  nos  itaque  V       ueritat^m  |  de  ueriUte  O       (i— 7   a  lalsiUU  .  .  , 
exislcns  \  fehlt    K'       aliquo  |  allu  A        lillius)  i/*A/?  f>r"        9  inuenilor  I 
reperitur    V*       10  per  |  propter  f'iV*        12  igitur  |  ergo  OV^         14  quod  | 
quia  AO      non  |  el  noti    V      If)  et  [  fehlt  A     illud  |  priipler  lUud  OV      ue- 
ro  I  ideo  (iV        Iß  lUrdilHtem  ue(j  I  fehlt    A        quod  |  quia  .1       mouetur  | 
fehlt    ('"  17    uclox  lud  \  fehlt  A        quod  \  quia  A         inouelur  |/fA/<   K* 

IS  aulem  1  uero  o  qui^Iditas  |  quiditas  O  19  quem  j  quo  OV  21  non 
manet  1  renianet  vi  ^2  non  [fehlt  A  23  meiite  |  insLaiite  O  instantils  1'^ 
24  est  I  non  esl  O  fehlt  A  V  slgnißi'atio  |  Signum  A  ^  eat  |  fehlt  V 
aliquo  I  aio  A       26  ergo  |  ueru  O 


40  AI-Kinüi 

quod  nimieratur  secunduni  grammaticos  sunt  duae  species:  aliud 
numeratum  discretum,  aliud  [est]  numeratuni  continuum.  tempus 
uero  non  est  ex  numero  discreto  sed  ex  numero  continuo.  et 
hacc  quidem  est  definitio  temporis,  qua  nominatur  continuum. 
5  et  ipsa  est: 

instans  meditatum  quod  [coniungit  uelj  continuat  inter 
praeleritum  ex  eo  et  inter  futurum. 

explicit. 


1    quud  I  qui   A  1—2  secunduni  .  .  .  discretum  [  apud   i^recus  aliud 

nurueiatum  discrelum  O  illud  est  numerationi  discretum  secunduni  gramma- 
ticos V^       2  est  I  fehlt  AV*       numeralum  |  numeratur  K'       ex  numero  ! 
iiuniorus  ex   K"         -i  haec  \  fehlt  V^        est  |  fehlt  V*        deflnitio  temporis  j 
distinctio  nuininis  O       6  instans  |  instantem    0       meditatum  |  meditatur  V^ 
[cumun^it  uelj  |  fehlt  A      S  explicit  \  explicit  alchindus  de  V  essentijs  A    ex- 
plicit Über  Alchindi  plii  de  quiaque  essentijs  (rot)  V*  explicit  .  finis  (rot)  O 


Liber  introductorius  in  artem  logicae  demon- 

strationis,  coUectus  a  Mahometh  discipulo 

Alquindi  philosophi. 

I. 

In  noinino  piissiini  ot  inisericordissimi  Doi.  s 

Postquani  iam  locuti  sumus  de  praedicabilibus  quot  sint 
spocies  eorum  et  qualiter  conituigantur  sibi  ad  facienduni  con- 
clusiones,  uolumus  nun«  ostendere  quae  sil  arguuientatio  de- 
nionstratiua  et  quot  species  eius  et  qualiter  sit  ordiiianda  et 
quoniodo  sit  utenduni  ea  ad  eliciendum  conclusiones.  sed  prius  lo 
oportet  ostendere  quae  sit  intentio  philosophorum  in  utendo  ar- 
gunientatione  demonstratiua. 

Scias  ergo  quod  quamuis  uiae  scientiarum  et  cognitiones 
ot  perceptiones  et  sensibilitates  sunt  multae  —  sicut  iam  osten- 
diiuus  de  quibusdam  earum  in  epistola  de  sensu  et  sensato  et  is 
de  quibusdam  eariun  in  epistola  de  intellectu  et  intellecto  et  de 
((uibusdam  earum  in  epistola  de  generibus  scientiarum  —  tarnen 
uiae  per  quas  ambulauerunt  philosophi  in  illis  disciplinis,  in 
quibus  sua  inquisitio  fuit  de  cognitione  certitudinis  rerum,  coni- 
prehenduntur  in  qualuor  speciebus,  scilicel  diuisione  et  resolu-  20  1 
tione.  definitione  et  demonstratione. 

Opus   est   autem   ut   loquamur  de   imoquoque  istorum  et 
ost(^ndamus   qualiter   est   uia  in   illis  et  quod  ea  quae  sciuntur, 


1 — 3  rot  N  '2  Mahometh  |  machomat  N  3  Alqnindi  {  aliquindi  V 
philosuphi  1  philosofi  N  8-'J  demonstratiua  ;  demonstratio  (i  demöatracö) 
^Y         10  utendum  |  ut  uö  du    Am  Rande,    ton  späterer  Hand:    utendum  N 

or 

11  Oportet  \feliU  N         15  sensu  |  sensum  (snsü)  V        20  quatuor  >  IUI  VN 
taid  so  immer         21  definitione  |  diffinitione  NV  und  ao  immer         23  ea  | 

illa  ^V 


42 


Al-KimH 


sciuntui*   per   illa  et  quare  sint  (luntuor  lanluni,   nee  plures  nee 
pauciores.     causa  uero  Imius  est  liaec: 

larn    cnim   osU'nsuni    est  in  calegoricis  de  uia  (iiuisiouis. 
quod  oinnia  ea  qua*.'  sunt  iiocessario  ut'l  sunt  genu»  ui-l  specics 
i  uel    indiuidiia.     necesso  est  autem  ul  uia  co{,MÜtioiiis  uniuscuius- 
quo  Sit  iiliu  ab  uliu.     quod  sie  oslcnditur: 

(Juonium  ivrliludo  j-'i-nrnim  cognoscitur  per  dluisiorif^m 
eoruin  in  species  et  specieruni  in  indluidua.  sed  per  resolutio- 
neni  cognoscitur  certitudo  indiuiduorunu  scilicet  unde  <'ompo- 
10  nilur  uiuunqnodque  eorum  et  ex  quibus  est  coiiiuncluni.  per 
definiliorteiM  fliiiui  cognoscilur  iH'Hiludo  sj»rcii'rum,  scilicet  cuius 
goneri^  sit  utiiU]iiaL'que  fariiiii  ut  qua  ditTcrvulia  discernalur  ab  alia 
a  se,  per  denionslmlionem  uero  co^nioscitur  certitudo  generum 
quae  sunt  signiücata  uniuersaüa  intclUgibilia,  sicut  postea  Osten- 
15  dennis. 

Prius  auteui  uoluiiius  ostcndere  hie  uiam  resolulionis, 
pustcpianj  iani  ostciutinuis  uiam  diuisiouis  iti  categoriciSf  et  prop- 
[vr  aliani  causam  c'liam :  quoiiiani  uia  resolutionis  est  propin- 
quior  intelli^fiUiae  irilrodiirendonuii.  est  enim  uia  qua  cugnos- 
20  ciiur  cerliludo  intbuiduoruiu.  ittdiutduii  uero  sunt  n'S  singniares 
seiisibil(„*s,  sicut  iani  ostt-iiditnus.  uia  autem  definitionum  et  uia 
demonstrationuni  sunt  tenuiores  et  suhtiliores,  per  quas  non  sci- 
untur  Jiisi  res  tnsensibil^s,  scilict^l  species  üt  peneni. 

Scias  autem  quod  intentin  de  ime,  quod  fsl  indiui<Iuuin, 
25  est  assignatio  quod  est  eollectio  ouinium  coniuncta  ex  rebus  di- 
ucrsis  uel  composila  ex  iiirdlis  partibus,  -solitaria  et  discrcta  ab 
oninibus  alüs  a  se.  indiuiibia  auteui  sunt  diiobus  mwlis.  nani 
quaedam  sunt  coniuncta  i^x  parlibus  coMsimilibiis,  nt  Uarc  spica 
et  liic  lapis  et  lioe  lignuni  et  alia  bis  .siniilia  iiidiuidua,  quoruin 
30  omnes  partes  sunt  unius  naturae.  et  quaedani  sunt  indiuiduu 
coniuncta  ex  parlibus  diutTsarum  subs;lanttaruin  et  alteralarum 
accidentibus,   sicut   hoc   corjnis  et  luicc  avhav  et  haec  ciuitas  et 


3  enim  |  uero  N        calogoiicis    Cülhegnricis  ä'.V  und  ao  immer        9  in- 
diuiduorum  |  diutdunrum  N       14  quae  |  8ecun>lum  A        significala  |  9i|$naia 

}  n  n 

(ctttirala  si^a)  ^V  (sigU)  V  U  -  !.'>  03lenJeinu<f  |  ostendaitius  ^V  17  lam 
oslcnüimus  1  oälendiinus  iam  ü  21  dcfinitionum  |  diftlnilionifi  N  27  quae- 
dam I  quidam  .\       haec  äpicH  |  h'  ^ispica  N  h'  ^pica  V 


Liher  introductnrius  in  urtero  logicae  demonstratioms.  '13 

alia  his  sitnilla,  quae  sunt  coiiiuncUi  ex  pariibus  diuert^is.  Cum 
igitiir  nolueris  scii-e  consuetuilinem  altcuius  tstorurn  ituHiiiduunim, 
considerabis  prius  ea,  ex  quibus.est  compositnin.  (|iiid  siiriL;  et 
itiquiivs  parlt'S,  ex  quibus  esl  coniimotuiu,  quot  sunt. 

Seins  eniMi  <(uod  res  conqmsitaL'  imiftaL'  sunt  species,  quas  a 
non  uuiiierat  nisi  solns  Dous  gloriosus.  sed  tanien  omiifs  cuni- 
prehemUmtur  in  (ribus  genoribiis,  quoniain  uel  sunJ  corporalia 
luüiiralia,  uel  corporülia  artKieialia  iiet  spirilaliu  spiraiiliu.  po- 
naiiius  iiuteni  de  utioquoque  islüruiti  unuui  exeinpluiu»  in  quo 
considerfiilur  cetera.  »o 

biiJiuiihia  igitnr  coi-iiorulia  natnralia  snnl  ul  coi*pus  lionii- 
nis,  qu<»d  est  colleclio  coninntta  ex  mernbris  diuersis  lit;urfs. 
sieiit  est  capiit,  nianus,  peetus  et  pcdes  et  alia  his  sirnilia.  sed 
uuuniqiiodquc  istorum  est  etiani  compositum  ex  paj'tibus  diuor- 
sis  in  substantiis  ei  aecideiitilws ,  sicut  sunt  ossa,  nerui,  uenae,  is 
tiiro  et  eulis  et  alia  liis  similia.  sed  uimiuqiuidque  istnrum  est 
ctiam  genernluin  ex  quatiior  bunioribn^.  unusquisque  uero  hu- 
inomin  est  complexionalus  ex  queily.  quoilum  est  autem  ex 
eoUalioue  tiboruiu.  cibus  uero  est  ex  paruitate  planluruiu. 
plantae  uort>  sunt  ex  :;ul)tililate  elemenhuirni.  elemeiita  nrro  a» 
sunt  ex  corpore  absoluto  cum  proprirtalibus  quae  sunt  eis. 
corpus  uero  cotnpositum  est  ex  maleria  et  l'onna.  et  baec  sunt 
duo  prima  snnplicia;  sed  corpus  bumanum  est  compositum  ul- 
timum ;  omnia  uero  alia  sunt  simplicia  et  composita  secunduui 
respectus.  25 

Cor(w»ralia  antein  artificialia  sunt  ut  eiuitas,  de  qua  assig- 
nainus  quod  es!  collerlio  ex  tbns  et  uieis,  quoruni  unumquodque 
est  colleelum  ex  mansionibus  et  dnniibus  et  tendis,  et  urunn- 
quodque    istoruni   est   compositum    ex    parietibus    et  teetis.     sed 


I  sunt  I  «9t  J^       5  cnini  |  aliquando  A^       6  gbriosus  |  fehlt  y       oni- 

n    r 

nes  I  fehlt  N        H  ii;itur  i  uo  g  V         13  caput  j  capud  iVF  li^  queilo  | 

qaeilui  (unklar)  N   queilu}  V         queilam  |  queültn   (niikiar)  N  queila5  V 

10   paniitate  |  (luitate    xV   puitalc    V  2()  planlue  |  phincle   V         'iA  aim- 

( 
plicii  I  süpplicin   V  25  respettuH  t  cot'  resplus   V     2(>  eluiUis  ;  cultus  ct- 

utLus  y 


44 


Al-Kintli 


unuinquotU(ue  istoruui  est  coitiposituin  ex  lerra  et  laptde  et 
lalere  el  lignis  et  alüs  consimilibus.  haei;  autoiii  omniu  sunt 
ex  t'leiiictitHtis.  i'Uüiirntiila  iiero  rx  elfUicntis.  et  elementa  ex 
corpore,     et  corpus  ix  hy!r  et  lormu. 

5  Spiritalia   ucru  spirantia  »unt  ut  cantus  qui  est  in  iiuinero 

sonorum  orflinatomin.  suiius  uero  coinpoiiiltu*  fx  lonis  propor- 
{iniinlihus  et  uersibus  luclriris.  nersus  uero  coiiipominlur  ex 
pcüiljiis.  sctl  pedfs  coiupcjnmitur  ex  syllabis.  imu(|UiU'qii(.!  au- 
tein  syllabaruni  roiiiponitiir  ex  Hltrris  iiocalibus  et  consonuiitibus. 

itt  nemo  aulem  cojfnoscit  hoc  nisi  qui  nouit  propottiones  rnitsicas. 
SiHnirnlnni  autcMi»  haee  exeinpla  considenitiis  iiiam  rt-soliilio- 
iiis,  quuuäi|Uu  luaiiirfstatur  tibi  i*x  quibus  ^ittt  coiiiuiicta  vi  coni- 
posila    ea,    quae   coiiiposila   sunt,      el    tuiic   sries   cerlitiKtineiii 
oaruru. 

15  De  ui'a  auteni   liffinitionunj  intentio  Iiaoc  est,    scilicel  ut 

oogiioscamus  certitudincm  spucionuii.  sed  qimliter  aguncium  sit 
in  ea  ad  hoc  ut  assigiieums  aliquam  sperienim,  hot  est  M-üicel 
iil  inquiramus  genug  eius  et  numeruni  diflertmliaruni  i^iuü  et 
coriiimjriMitnr  oninia  proprii-s  iKiiniiiibiis.     ut-rbi  ^ratia,  sicut  cum 

£0  in  ili'Üninulo  lioiiiinciri  ilicitnr  quotl  est  aiiinial  rationale,  aed 
si  quaeriliir  quac  osl  d^-finitio  uninialis,  iliretur  (pioil  t'sl  corpus 
mobile  .seiisibili'.  si  ucio  quanitur  quae  t:ät  defuiitio  cor|)ori!?, 
dicetur  quod  est  suhstantta  lata,  longa  tH  jirolunda.  si  autein 
quaerilur  (|aae  est  dffinitio  substantiae,  dicetur  quod  non  liabot 

i\  definilionern  sed  dc-^criplionem.  quae  est  ut  dicatur  quod  i?ns 
est,  slans  per  se ,  rweplibilis  conlrarianun  preprietatmu.  si 
auleia  (juaerilui'  (|»ae  sunt  jimprietates  contrariae,  dicetur  quod 
sunt  accideiitia  quiescentia  in  substantiis,  iiori  nicut  pars  earum. 
et  sc'CUJiduiu  iioc  considerabis  uiam  di^tinitionum.     sed  iam  feci- 

30  mus  de  hoc  epistolatii. 

Do  uia  autem   demonslrationutn  inlenlio  quae  quaeritur 


3   elemeutalu    uero  )  non    ^V  -1    hyle  |  hile    VK  5  qai  j  g   y 

6  soDorum  |  suonim  N  tonis  |  lhoni5iYr(K  »nklar  .thonus'  oder  ,Ü\ün\W) 
b  syllabis  [  sitlabis  ^^iiris')  yv  und  »o  immtf  9  \\\Xer\%  |  Iris  N  liU'ia  V 
10  qui  ;  «1  .V  12  ginl  I  sit  *V  IH  ea  |  eo  .V  tl»  coniuutjentur  j  coniun- 
gelur  JV  2H  lala,  longa  |  lata  longa  lata  {IHttographie)  VN  25—26  ena 
est  I  e»t  ens   V       28  quiescentia  |  fehlt  N 


Liber  inlroductariu»  in  artefp  logirae  ilemonstrationiEt.  ^» 

pst  haw,  scilieel  cognilio  lornianun  conBUluentinm  sin^ulnrin  in- 
uonta.  (liffcrfiitin  uero  inter  ea  el  intcr  formas  peHKienteJi  ea 
est  liai'o:  quod  onirifs  sunt  pmprielules  eoruni.  et  ilispositionos 
quae  sMpemi'iiiiint  eis,  et  illii  sunt  üppiopriala  pH*  illas.  seil 
seiisiis  iion  (iisceniil  oa  qiioiiiani  sunt  suhuiersa  siiJi  liis  pro-  i 
prietatihus  el  cooperla  eis.  quapropter  opus  est  specnlKÜmie 
subliÜ  et  inquisitione  suflii-irnle  ad  r(»||fnosceinluni  ea  et  ad  dis- 
cernenduni  Inlor  (ni  et  illa  eL  vi\  quae  rnrnitiuilnr  ea  el  supei'- 
ueniunt  eia  per  arifiiiiienlalioneni  et  demouslratioiieni. 

Sfias  autem  quod  plura  ei  de  Ins,  quae  noiiil  homo,  sinit  u* 
adquisita  per  ;iiviinientatinneni.  sed  iiidiciutn  nrgntnentafinnis 
aliquanilo  est  recluni,  ;iIi({u;nidM  erroiieuiii.  Ideiv  u|mrtel  nsten- 
dere  quae  sit  causa  tiuius,  ad  hoc  ut  eaut-as  illud  in  uleiido  ar- 
gumenta tionem.  Frius  auleni  dicam  quod  argunienlalio  esl  or- 
dinatio  propositinnuni,  ex  qua  pr(»nenil  conclusio-  r- 

Seins  anten»  qnnd  pnipfisltiones  ;iri;iinienl;if!nnfs  siinirndiir 
ex  eognilis  in  principio  inlflli^'onili.  sed  priuf.ipia  illnruni  eoyai- 
lorum  sumuntur  ex  sensibus,  sicut  ostendlmus  in  epistola  do 
sensu  el  sensu  to. 

F)e   hör  uuleiti  qnod   neeessariiun  füll   lioinii»!  uli  aryuiiieii- so 
talinne   ratio   haer  est:   scilicel,    quod  scusiis  rion  appretictidunt 
nisi   singularia,    eomposila   ex  subslantiis  simplicibus,    quae  sunt 
in  lof.is  discretis,  et  accidentibus  pailicularilius  in  substantiJs  dis- 
cpelis,    i]iTae    sunt    ilesignata    alia   ab   aliis.     sed    quantilales   et 
qualilales    nou    possunl   sein    rede  nisi  arynnienlatiMriiljus  laetis^s 
de   eompositis.     uerbi   gratia,   quaiintis   eniin  seiret  Jionio  aliquo 
sensu    quod    aliqna    ex    rorporibus   sunt   grauia    uel    uiuHa    uel 
magna ,   tarnen    non    polest   seire   quautilateni    granitatis  eoruni 
nLsi  ponderando ,   nee  lunltituditieni  nisi  nunierando.  mn:  uiagni- 
ludtnem   nisi    niensnrando;    et    alia   bis   sitailia.     et  haec  oninia  ^ 
sunt  pondei'a  el  considerationes ,  por  quas  eogiioseit  lioino  qnod 
non  polest  scire  per  aestimationeni. 


1—2  inoenU  |  in  uista  (unklarj  jV        7  ca  1  ca<|  M       8  romilnntur  I 
coninilantur  ?CV         10  ei  de  |  ex   I'  '21  designatu  altn  t  de  sigtuhi  uliniii 

N  )|ualitntes  t  qualitates   et   quaulitates    {OUtogriiphh)    VN.     i'  miUitri 

n  n 


44  ^^^^^P  At-Kindi 

Scias  ftute»!  quod  error  conliiigit  in  arguincntatione  Iribus 
tnodis.  iinus  esl  nun  iil  jn-r  quotl  irtonriuralur  i-st  iniusUini, 
soilicol  malus  vel  niirnis.  sociiikUis  i»si  cum  uIpiis  ai-Kunu-nla- 
tionc  est  irniKTiliis  in  iiU-iH]ir  rii.  Li-rtiuiii  auteiii  itsi  cum  id 
Ä  per  qucxi  iiieiisiiralur  t'sL  iuslinn  tf  ntuns  co  est  pcritiis ,  W 
eins  intentio  esl  ad  det-ipiontlum. 

ir. 

Per  iiiipcriliain  aulem  ulenlis  continp!  error  in  argiunon- 
latinnc  hör  modo: 

10  Scias  qu(ii]  naturale  est  iiti  ar^unientulione  a  pueritia  situ, 

sind  naturale  e^^l  ei  uti  sensibiis.  infans  eniJii  cuni  incipit  dis- 
cernere  et  constden^re  sensibilia  et  considei*are  parentes  et  cog- 
noscit  eofi  sensibiliter  et  disccrnit  inter  se  et  ipsos  et  ineipii  uti 
opinionihus   ot   aestimalionibiis,    ln?ic  si  uidorit  aliquem  puenim 

u.  sibi  coiisiinilem  et  considerauil  oiun,  seiet  eum  habere  parenles, 
quainuis  non  uideril  eos  sensibiliter,  consideratione  sumpta  ex 
se.  et  lioc  esl  argumentalio  uera,  in  qua  non  est  error,  quo- 
niani  est  attestatio  quotl  uisio  cansati  est  slabüi  inen  tum  causae. 
si   uert)    habueril    fnitres,    qnos   iani    uideril  sensibiliter ,    int-ipil 

tu  tunc  putart*  et  aesliniare  quod  illc  alias  puer  similitrr  habet 
fralres,  secuiidum  consuetudineiii  sui.  sed  in  hac  argumenlalione 
est  error,  et  certitudo  eiun  est  quoniani  nisio  cansati,  quod  sinl 
aliqni  filii  sui  ^eneris ,  non  esl  testinionhirn  stabilicndi  rausam 
suain.     similiter  etiam  ^  eum  hie  puer  uidit  niulipreiii  nel  uirum, 

85  putahil  et  aestiinabil  <'os  liahrre  Rliniu,  quiimuis  non  uideril  eos 
sensibiliter,  secnndurn  considerationeni  indidi  suorum  parenliini. 
sed  iudicium  suae  considerationis  aliquando  est  uerum,  aliquando 
esl  falsum ,  quoniain  uisio  lilioniin  j.'on(.'ris  ^ausae  lestificalio  («t 


2—3  iniuslum  ,  scüitcl.  |  iniii^luni  est  lushim  sftd  utens  em^  e^l  perilua 
et  eiuB  inlentiü  est  ail  decipiemluta  scilicet  i\*  4 — 5  id  jier  quod  |  per  itt 
quoil  A'V  abrr  in  V  corrigtKvt  M  per  quod'  ton  tffrselben  tfnmi  H  et  ]  *ed 
yy  Eo  1  eo^  .V  sed  I  et  AT  10  srgurncntatiune  I  h'  nr^tmicntaliones 
jV  1  I  opliiionibus  |  oppinionihus  1'  et  »estiinalinnibus  I  ftUt  \  pue- 
ruiii  I  uiruni  N  pueruin  (rorrii/irrt)  \'  l5  considerauerit  |  consid'auit  X 
sifuT    eum  j  hitisuffefügt     V ,    fehlt    N  hJ   constidenLlione  |  considerare    N 

11»  qiiofl  I  qa  quü8    T  22    eins    e^ilfthUNV         fs^noria  \  hin:uffffilgt  V, 

fthU  A       lti9(i]nonium  |  leslini  *V       i"  suiic  |  huius  V 


tiiber  introductorius  ia  arteiii  togicue  demunstralionts.  47 

de  stabiliniento  siii  causati.  et  sofiiindum  hoc  exetnphnn  ronsi- 
dernbis  quod  liorno  a  pueritia  sna  ruiuscuniquo  rei  dispositionell! 
inuonerit  in  se  uel  in  suis  pnreiitibus  uol  in  suis  fmtribus,  pu- 
labit  consimileni  esse  in  aliis  pueris  et  eorum  imronlibiis  vi  eo- 
nini  iratribus,  c-onsidtTationo  sunipta  a  se  et  a  suis  parontibns  a 
et  a  suis  fratribus.  ita  quod  si  accident  sibi  fanies  uel  sitis  uel 
denudalio  uel  acciderit  sibi  calor  uel  friirus  ue!  comedorit  aliqniii 
quod  t>ene  sapiat  uel  biberit  aliquid  quod  bene  sapial  uel  imhii'- 
rit  idiquiil  quod  sibi  rion  plncoal  ,  ui-l  ti-isioüir  |>ropU.T  iill(|iit(i 
quod  amiseril ,  uel  j?audeat  pntftlcr  atiqiiid  ([uod  iraieneril,  pro- »0 
feclo,  cum  aliquid  boruni  sibi  conti^^eril,  jmtabit  quod  iam  tale 
conlingit  celeris  puens .  qui  sunt  Mlii  sui  goneris.  et  secuniluin 
hoi-  exenipluni  cmrent  ceterae  eins  putationes  et  aestunationes 
in  iutlicando  de  sensibilibus,  ifa  quod,  si  fuerit  in  domo  suorunt 
parentura  pe<ms  uel  pannus  uel  aliquid  luiiusmodi  ue!  puteus  '"' 
aquae  salsae ,  putabit  et  aestinuibit  fpind  in  alüs  donubus  alio- 
ruiii  pueroruni  sit  siniile  huic;  .simI  poslqiiaiu  crLMierit  et  iult-lk'- 
xerit  et  eonsideraueril  res  sensibüiter  el  respexerit  dispositiones 
aliomm  sinfful'jniru,  co^oscol  certitudines  oorurn  qui  pulabat  cl 
aeslimiibid  in  difbiis  pucritiae.  el  manifestabilur  ei,  unniu  post  ^ 
aliud,  an  certa  fuerit  eius  ai-stimatio  an  errouca. 

Scias  igitur  quod  secundum  hoc  cxempluni  cumint  etiam 
omnia  iudicia  iulelligentium  et  eoruin  putationes  et  aestiniationes 
in  rebus  aut4'  iiu|uisitiün(*m  v\  i-en(.'l;ili<ini'rn  iirrilalis.  ptnrcs 
enim  ex  bominibus  cum  uidcnt  in  lena  sua  uentum  uel  plimiam,  -^ 
uel  calorem  uel  frigus ,  uel  dieni  ue!  noetem ,  uel  hiemeni  uel 
aestatem ,  putant  et  aestimant  quod  sinulitor  sit  in  celerts  ter- 
ris,  secimdum  considerationem  eius  quoil  tnuenitur  in  lerra  sua. 
sieul  sülebant  putare ,    turn  rrant  pucri »   quod  in  doinibus  aiio- 


2  puerilia  |  paruitate  N  6  i(ä  quod  \  ita.  ri  NV  S  bilicril  .  .  » 
uel  I  fehlt  iV  10  amiseril  |  amtnisit  V  inueiieril  |  iniiMiil  V  12  filÜ 
sui  I  sui  lilii  N  14  sensiliitilius  |  sensibilibus  quod  in  aliis  doinibus  (üj 
in  domo  |  in  aliis  in  domo  N  V.*  singuloruni  i  sin^ularum  AT  «irum  [ 
islorum  eoruin  *V  pulobal  |  pulabit  covrigin-t  in  .putabal'  V  fif)  aesli' 
malmt  |  oxlimabaL  iVT  und  bo  immer  3-1  et  |  frhU  N  '2Cy  hiemeni  j  ieinem 
y  yem^ni  N       27  sU  in  |  sint  V       29  enint ;  el  {,enim')  N 


48 


Al*Kindi 


rinn  hominum  erat  suiiile  ei,  quod  eiat  in  domibus  suorum  pa- 
rentum,  quousque,  per  experientiam,  poslea  inanifesletur  eis  cer- 
titufio  fius  i\Xint]  pulahant  tunc  lU'l  fulsitas.  sicnt  praerliximiis 
antr.  sie  currit  etiaiii  iiuliriiiin  inli'lli^'eiitinin  Itouiiiiiiiti  in  sui;; 
s  piitiüioiiibiiH  c>l  suis  aesliiii:itio)!iil>iis  dt'  liiiiiHiruHli  i-Hmi^.  qii:iH 
(lixiiiinsi ,  ila  qntid  citin  conslderaucrit  in  Rcii-iilii«)  dis(*ipliniitibiii; 
et  prac'fipiit'  in  spit-ntia  .istrologiac ,  palain  fit  eis  cortitudo  eo- 
rum  quac  pntabnnl  lunc,  an  sit  iiorn  uol  falsa. 

Sciits  anlcai  quoil  pacn«'  nnlliis  honiD  liberabitur  ab  huuis- 

tu  niodi  opinioriibus  et  aestiimationibus,  ncr  intelli^ettlos  nee  seien- 
tcs  di.sdpliiiari  iiw  sapienles  phili>snphaiib's  etiani.  quod  ruin 
ita  sit ,  turtc  non  orit  sociirilus.  quin  cwlL-rap  a[xinnt'nlation(*s 
eoniin  pnMoitanl  cum  simili  nirsiu  et  hoc  *^t  quod  sign//*Val 
d*'t)ilititatt'ni  suae  argunicnl^itionis  et  destruction<»m  suae  signifi- 

I-''  catioiiis.  iniienimus  enitn  quod  pinres  ox  bis  qui  pulaiiL  sc 
s<in'  phildsopliiani  et  intelliKÜtilia  d  d4'in()nstratHim*s ,  pntani  ot 
iifsliniant  quod  Icira  tota  in  suo  proprio  loro  äit  grauis,  ctiain 
considi^rationr  grauilatjs,  quat*  est  in  qualibet  istarum  suanim 
])aHiu[[i.     siiniliter   putant  pluros  ex  Ulis  quod  stalus  eorutn  qui 

-■"sunt  in  nlio  npptosito  nobis  torrai:-  (icnuspbiu'rin  transiicrsuni  est, 
(|ii(>rriad]nniluni  si  quis  sUirel  snb  siipcrru-ie  supi-r  tpiarn  aliiis 
staret  pedibus  suis  oppositis  contra  podes  eins,  et  siniilitcr  plures 
putant  extra  munduni  .^it  spatiuni  tnlinitum  plenuia  uel  uacuum, 
scrnndum    quod    inuroinnt    rxtra   i^uay  <io!nos  alia  loca  ot  exlra 

25  suas  tcn-as  alias  lerras  et  ^-xtra  siiuin  niuijdtiuj  luunduiii  caclo- 
nna.  siniililer  otiam  putant  quod  Deus,  qui  est  bencdictus, 
creaiiit  mundum  in  loco  ot  tempore,  secundum  quod  inueniunt 
sna  Opera  et  sna  artificia  lU:v\  in  locu  ft  tompnro.  et  ol)  lianc 
oau^ani  laitauiTunl   plun-s  t'x   Ulis  quod  J)rus  gli>riosus  tat  4:orpus, 

w  00    qnod    inueniunt   quofl   non  est  agens  nisi  corpus,   sed  Deus 


3   |>ulal)ant  |  putant   N         tnnc  I  ffJilt    V         fi   ita   quod  |  iU   q  AT 
8  uel  I  unUar  N        !)  nulhis  t  ull'»  N       11  phllosnphnnli^H  |  philoiwrantes  X 

13  signiHcat    sign.it  {.Ki^tL';  AT        U'>  pliitii^uplnain  |  ph'iii  N  ph'yiim    1'  und 
m  immet'  l'J  partium  ]  ftUti  N,  trint  ul/rr  (im  Uamif  mi/irrt         iS)  lieiiii« 

»phacria  |  einisjun  NV        Iran.sucräutii  |  liiufuerun]   V         21  quiä  |  iiÜquis    1' 
'£i  eil  I  a'u'.üi  N       2fi  iiulauoriitkl  |  piiUui^ntl   1'       i^rpu.««  |  frUt  X 


Libcr  Jnlradactoriua  in  allem  logicac  deiuoustrationis.  iU 

est  ii|i,^ens.  cum  uutem  se  excrcueririt  in  scicntits  diuinis,  tunc 
nolum  fit  eis  quod  res  e  eonli'aria  est,  sicul  ostencümas  in  epi- 
stolis  dminis. 

Soias  autein  quod  hnmo  non  nsoendit  gradatini  nd  alif|uem 
üi-dinem    sciojitiuriim    ol    coi^ifatiomini   nisi   quia  aiiparenl  ci  oa,  .*. 
(iuorum  cogiiiUünciii  liabol  iinii-  niaitifeslationem  el  delcctioncm, 
sicut   fuomnl   opiniones  eius  in  rebus  sensibilibus  ante  cognilio- 
ncm  certitudinis  earum ,  cum  orat  puer,  sicut  supra  ostondiinus, 

Scias  eliam  quod  coiiiparalioiii.*  .si-itunini,  qua».'  aiipn-fu.'udH 
homo  quinque  st-nsibus,  illud  qimd  i-oiicludittir  ox  illis  in  (»rirniis  lu 
irdrilt'clibus  uiultum  est,  sicut  conipamtione  JiLttTaruni  siuiplitMum 
suiil  ruulta  alia  noniina  quae  compminnlur  ex  illis.     sfd  compa- 
ratio  scitorum  ,   quae  sunt  in  priinis  inlolleclibus,  axl  illiiil,  qund 
concluditnr  ex  illis  per  demonslrationes  et  syllogisnios  niultamni/ 
scientiarum,   est   sicut  comparaÜo  noininuin  ad  oratioiies ,   quaehs 
coiuponuntur   ex  illis,   et    locutionos  et  linguas.     probatio  aulein  l 
de  t'i'ititudine  linJu-s  quod  dicinuis,  s(.ilioeL  <|uod  ca.  quao  sciun- 
tur  ai-gumentatione,  sunt  plura  iiuniero  quam  f-a,  ipiae  sunt  pHnu/ 
intellecta,  est  Iioc:  quod  Euclides  in  unoqufKjuo  tractatu  pi*ae- 
luittit   doccm  nola  uol  plura  iiol  pauciora ,    quao  sunt  prima  in- 5.» 
ti'llij,'ibiliji ,    ex    qu//jM.s    conflusionibus    tA'nW    indniias,  quaestioin's 
oognitas   denionslralione.     ot    siuiililop   est    in    libro  alniagesli* 
el  in  piuribus  libris  ptiilosopbiae  est  hoc  iudicium. 

l'oHtquaTu    antoni    iam   oslcndimus   tpialilor  subintrat  error 
in    ai-yntiH-rdulione  ex  parte  an?nnienlanli.s,   oporlel  unnr-  oslen- 1:5 
dere  quaÜter  subintrat  error  ex  parle  oreTumentationis. 


1  excrtuerint  |  exercueral    N         2  aicuL  |  fehU  N         4  hoino  non  ]  n 
hnmo  non   V       5  ei  |  ei  q  A'       fi  cognilionem  |  cogrüne  S     tlclcctionem  | 
delpnlitincni  iV  II  dernonslraliones  |  (jcnionslnilioiicm  A'         mullarum  I 

am  Hundt,  j'ehU  im  Textr  \         17  t|uae  |  ijusie  nota  uel  plurn  A'        18  ea  J 
fehU  N         prima  |  [H-iino    AT         U)  uii(i(|uo<|Uc  !  ulroquc  (etHgtsrhoben)  S 
20  lierein  1  fehlt  N  nuilnw  |  q''  A'  quo   1'  j>riitia  !  plura  S  ä'i  lor 

,PnfiLqiiain' :  eapiluluin  de  ostcndeudo    quaUter    error    incidit    in  h! Haitis iiiuni 
froi)  N        25  imrle  |  pätö  N 

lleitrBg«»  II.  &.     Nngy,  AUKintlL  4 


60  ^^^r  Al-Kinüi 

ni. 

Scias  quod  error  qui  incidit  in  arpiiiiienlalionem  —  ex 
hoc  ipsa  in  se  iiiliosa  est  —  iiuiUis  niodis  est.  et  prolixiim  est 
oslcndoro.     diflimi    onii»  est  in  libris  logicac.     unde  nunc  uolu- 

i  mus  nominare  hie  oondiliones  argurneiitiitlonis  rectae  lantum, 
ui  eas  otiserues  et  eas  solas  assumas  in  argumentatiotiibus  et 
prufttTtiiittas  celoras  arguiaentaliont'S  in  quibus  potest  esse  error 
i't  falliioia.  quoniani  ex  arpuniontationibuÄ  cjuao  aliquo  modo  fal- 
lunt   et   ali(|iii7  modo  nerae  Hiint  vi^i  ar^iinierilalio   qiiai' ,  seciin- 

hi  dnm  cursuni  usur  rrgularis,  est  ar^nJnientatio  de  parte  ad  lotuni. 

Scias  auteiii   qtiod   ai'guinontatio   in   qua   non   cadit  error 

nee    fallacia    est    illa   in    ciiius   compositione    et   usu   seruantur 

ronditiones  quas  praecepit  Aristoteles  diseipulis  suis,  quae  sunt 

haec:   scilicet,   ut   in   omni   seientia   et  diseiplina  argumentabili 

lA  aecipias  duas  intentiones  notas,  quae  sunt  prima  intelligihilia, 
soilicet  an  est  et  quid  est.  baee  autem  non  praecepit  Aristo- 
teles nisi  cum  non  est  piissibile  sciri  ig^noluin  per  i^iotimi  [cij 
nee  ex  ii^nuto  potest  haberi  nutiim.  necesse  est  igitur  accipi 
aliqua  ex  bis  quae  sunt  nola  et  prinui  intelligibilia,  et  argumen- 

*t  lari,  et  ex  bis  reliquum  quod  quaeritur  demonstrari. 

prima  autem  inlclIiKibilia  duo  siinl ,  s-oilicot  esyo  rerum  et 
earimi  qnidditas.  esse  nulem  rerum  adquiritur  in  animabus 
ministerio  sensuum.  sed  qnidditas  earuni  adquirilur  mcditatione 
et  consideratione  et  ro^'7'//ione ,    sicul  ostendimus  in  rpislola  de 

2*  jjcnsu  et  sensato.  cum  aulem  iidquiritur  esse  rerum  in  anima 
minislerio  sensuum  et  carum  qu)<]dita>i  meditatione  et  cnnsidera- 
üone,  tunc  dicitur  anima  iiitflligens.    sed  cum  consideraueris  et 


2  ruf  .äcias':  caiiitulum  de  ostenden<Io  qualUer  errnr  inriüil  in  sillo- 
gisnium  et  quo  modo  debct  uilari  V  qui  I  q  *V  7  praeter  in  ilUis  |  prae- 
mlttlt  .V  praeiniUit  r.orrigierl  in  .praeteriniltaK^  V  12  usu  |  usus  VN  (im 
N  hat  riiie  sjxltere  Hand  das  s  Hvrchstneken)  13  condiliones  |  cü  d*  ös,  ran 
»püterer  Ilanä  über  der  Zeile  corn'girrt  in  ,cuuditione!»'  N  Aristoteles  |  srses, 
aber  der  Zeih  rou  derselben  itptiteren  Hand  .Aristnleles'  gesetzt  17  [ei]  |  fehlt 
V  18— TJ  nccipi  aliqua  |  aliqua  hri  accipi  N  20  quaeritur  |  quare  iV 
21  sunt  I  fehlt  S  22  quiddiluä  |  quiditas  NV  immer  2-1  rogilalinne  t 

ropnitione  NV         in  |  fehlt  N        25  rerum  1  qUü  N         27  inlelligens  l  y»- 
ktar   r 


Libfi  intrmJucturius  in  nrtcm  logicae  demonstralioniR.  51 

uolucris  sciro  quid  est  inlL'lleclus  huniiinus:  non  est  aliud  jii.si 
aninia  liumana ,  quae  fit  sciens  in  elVrctii,  pnsli|uani  fuit  aiitoa 
sciens  in  potcntia.  non  üt  aulem  sciens  in  effectu  nisi  post- 
qnam  adr[ii!silar  siinl  in  ra  Ibrrnae  esse  reruiri  niinislmn  si^n- 
suuni  et  ronna  quiddilatis  earurn  per  inedilalionem  et  i-unside-  i 
rationom.  scias  ijfitur  cfuod  seiiiper  scientiä  horuni  duorum, 
scilicpt  an  psl  et  quid  est,  initilur  tola  fabrica  scientiaruiii  de- 
Jiionslralinariun.  uerbi  gratia :  in  princ-ipio  prinii  lihri  Eiirlidis 
ponuntur  noueiti  nota  —  quae  sunt  prinia  itileÜigibiliji ,  quii)iis 
medianlibus  probantur  coterae  quaesliones  —  quae  sunt  liaco :    u» 

(!)  quaecunique  ac<|ualia  eidem,  el  inier  se. 

(9)    si    aequalibus    aequalia    addanlur,     (ota    quoque   ae- 
qualia  fiunt. 

(3)   si   de  aequalibus  aequalia  dirinianlur,    quae  remancnl 
aeqiialin  sunt.  ib 

(i)    si   inaequaJibns   aequalia   addantur,    tota  quoque   in- 
aequatia  (lunl. 

(5)    si   de    inaequalibus  aequalia  loUantur,   quoo  rcnianenl 
quoque  inaequalia  erunt. 

(0)  dup!a  eiusdeni  rei  aer|naliit  sunt.  ao 

(7)  diniidia  ornsdeni  n^i  jirtpialia  sunl. 

(8)  quaeruinriu*^  qiianlitates  sibi  superpositae  non  se  exce- 
dunt,  aequales  sunt,     rtiani: 

(0)  totum  maius  est  sua  parte. 

haec   autetn    onmia   imHcia    sumitla  sunl  ex  bis  ipiae  sutd  i-. 
nota   ppimis    inlelleftibus   aequuliler;    el    intelligentes   non  dilTe- 
runl    in    aliquo   illoi-uin ,    sed    U\    in    qiu)   differunt   est   id  quod 
consideratur  secuncinm  ea. 

Seias  aulem  quod  liaec  et  bis  siniilia  uooantnr  prinia  iu- 
tcllecta,  eo  quod  onnios  intoliiffoules  noscunt  ea;  \w.c.  didennil  iw 
in  eis,  cum  considerauerint  ea,  rnullntn  speculantos  ea.  non  est 
autem  differentia  inter  intelligentes  nisi  in  his  quae  seiuntnr 
probationibus  et  arg^unientaliouil>us.  causa  uero  dilTerenliae  il- 
loruni    in   illis  non  est  nisi  mulliludo  maneriarum  arginncnlatio- 


7  inilUnr  I  imWffr  N  (.innitur'?)  22  superposilae  1  supjKwile  («/a// 
Buifiiosjlo)  S  8U]»r|)osUione  1*  25  autem  I  fehlt  V  37  in  ii]i«|UO  .  .  . 
UifTeruDl  |  fehlt  iV  {H»moioteieuton)       31  üpeculnntes  |  <t(r»:uläLes  N 

4  * 


bS  Ai-Kindi 

nuiii  el  tiuiilitates  iitendi  eis.  cuJus  rei  c-xposiüo  prolixa  est, 
quac  iaiii  tlkta  est  in  libris  logicac  et  topieae.  uolo  Uuaon 
ostendcre  quo  modo  adquirilur  ccrtitudo  islarum  ptT  sc  nolaruin 
i)i  aniniuhus  inl[.']liK''ntii.iTn  oa. 

Ä  Scias  eniiii  qut»!  lunx-  noia,  quae  uocantur  prima  intellecta, 

non  ad<[iiiriintur  in  animabus  intolligentiuni  nisi  per  inductionem 
rurum  st-nsihilium  iiniiis  posl  aliam  el  posl  considerationera 
nniits  parlis  post  aiiiiin  A  per  mcditulionein  uniiis  indiiiidui  |>o.sl 
aliud,     cum    cnim    ex    his   i'uerint   pliira    indiuidua  cuiilenla  sul) 

11»  una  proprielale,  adquirelur  in  animabus  houiirium ,  secumhim 
liunc  respcrtntii ,  (juml  qiiidquid  turrit  goncris  illiua  indiuidui, 
tiel  pcricris  illius  paHis.  est  lior  iinli<ium  üliiis,  quamuis  non  iii- 
ddiiil  pailt's  oiniies  iltius  gcnens  nee  omnia  indiuidua  illius 
specici. 

i"!  utTbi  gratia,  puer  adultus  cum  iuceperil  aspicere  et  consi- 

dtM'iirc  sinj^nla  aiiirnaüa  nnum  posl  aliud  et  iniKMHTil  qiind  om- 
tiia  r^entiunt  et  niouenlur,  cognosfit  qiirHl  quidqiiid  <?sl  sui  gi-- 
ncris,  est  quoquc  hoc  iudicium  eius.  similitcr  cum  eonsidorauoril 
unainquamque  partium  aquae  et  inueneril  eamiunnidam,  liquidainf 

:^'  üt  uuaiiiquamquc  iiartiuni  \^na  inuenrrit  riiltdam,  adurtmlem,  et 
uuumqut^inqm'  lapidrui  iimoiieril  dunmi  et  siccmn ,  scitur  tiuic 
qu(»<l  umne  quod  luorlt.  illius  goneris ,  est  hoc  iudicium  eiuöl 
spcundum  ig-itur  hunc  rospcctum  adquiruriiur  nola  in  principio 
intelligendi  ministerio  sonsuum. 

-*  Scias   autcm  quod  ordo  intelligentium  in  huiusmodi  rebu.s, 

quao  adquiruntur  in  anima  mtnisterio  sensuum,  est  exredens  in 
gradilnus.  scilic**t  quia  omnis  qüi  fuerit  in  itlis  uehomenlior  in 
spceulaiido  el  fucrit  mi'lioris  nuMlilnlionis  et  siil>tilioris  ingenii 
et    perspicacioris ,     ea   quao    Äriiiiitiir   i-x    priricij)iis    iiiti;l(cclunu) 

■«  plura  erunl  in  anima  illius  quam  in  anima  eius,  qui  in  toia  uita 
sua  est  negligens,  Oircupatus  circa  cibos  et  potus  ol  (.antilenas 
el  delectaliones  corporales. 


1  qualitates  |  fjualilas  V  7  nliam  '  nltpra  ;V  9  his  |  eis  V  10 
adquirelur  I  acquiritur  X  11  quiilquiil  ]  iiuicciuid  AT  uud  »n  immer  I5 
Incepfrit  I  incfpcrint  .Y  1!»  aquae  |  fehU  N  2t  scilur  |  seit  X  23  j^- 
lur  hunc  |  hunc  ittitur   V        2«  in  |  ^  in  i  ahgeündtrt  N 


Liber  intr-duclorius  in  »i-teni  lu^icae  dcnionstraLionis  53 

Scias  etiapi  quod  plerumque  error  accidit  coiisidtnitionihus 
certitudinum  rerum  sen.siInJiutn .  cum  iudicauerint  de  cerliludinL- 
earüm  iiin>  si-iisu.  iieHii  gnitia ,  sicuL  q"'  nidct  a«ariib,  et  si 
bene  conriidural,  puUil  esse  sluKna  ut  lluiniim.  sed  \iu:  errur 
non  subiatrat  üi  eum,  nisi  qui  iudicauil  de  rrTlituditic  eius  iiuu  u 
sensu,  non  enini  i'0(:nosoilur  certitudo  oinnis  rei  uno  sonsu ; 
scilicet,  ipioniain  sensus  uUus  non  apiiR-linnlit  nisi  colores  t-l 
figviras.  i-erlilntJo  ueto  aquae  non  toi<ii(i.sritiir  coIür-  el  lat-Ui, 
sed  guslu.  pluriuni  etiam  corpornni  liqiiitloiiini  rotor  nidetur 
esse  i'olor  iiquae,  sicut  acetum  subHnmluni  vi  neplue  albnjn  lo 
sublinialuni  et  ulia  fuiinsniodi. 

Scias  eliatii  quud  ununujuüdijin-  j;enus  üensiUliinii  liabet 
proprium ,  quo  cognoscilur  cerlitudo  illius  generis.  sicul  dific- 
renlia  t|Uorundani  üquidorum  rorporuiu  dignoseitur  lat-lu  el  quo- 
nittdarn  dilTorentia  digno.scitur  gustu,  si-d  eolores  eoi-urn  dijfiios-  m> 
cunlui'  uisu.  unde  non  oportet  eonsideralurcm  iudit*arc  <le  cer- 
ttLudine  atiquuruni  riuisibiliuin  nisi  per  sensuni  illuni  <(wi  pro- 
prius  est  ad  cognoseendum  certitudineni  generis  ilioruni  sea^ibi- 
liuin,  sicut  oslendiinus  in  epislola  de  sensu  et  sensato, 

Hedeanius  igÜur  ad  id  in  qua  eramus.  s» 

(jinul    enini    dixiL  Aristoteles  deben*  poni  in  argumenta- 
tione  dcniunstratiua  priiinim  rem,  cuius  anitus  et  quiddilas  sinl 
nota ,    ul    \)er   eam    sciatur  aliud ,   est  sicut  hoc  quod  facit  geo- 
tiieter   cum    ponil  iinram  ab  et  posti'a  lacit  snpcr  eam  trinnpu- 
lum    aequilateratn ,    iiel    diuidK  eam   in  duu  aequalia,    aiit  jtotiil  iA 
super  eam  aüam  perpendicularem,  uel  facit  super  eam  alium  angu- 
lum,  et  cetera,  quae  dieuntur  in  libro  Euclidis  et  In  aliis  libris 
geomelriae.    igitur  notum  an  est  et  quid  esl  linoain  ab,  el  qnae- 
situm  iguotum,  ut  sciat  uel  facial,  id  est  Iriangiduin  uel  aliqnod 
aliorum.     sie   oportet   etiati]    (leri  in  arguim^nüdione  demonstra-r) 
tiua,  ul  prhnum  aecipiantur  aliqua,  quao  sint  nota  prbniis  inlel-f 
lectibus   et  componanlui-  sie   ul   adquüantur   per   ea   res  igno- 


'J  iudicauerint  |  iuüicaoerit  T  3  a;$arub  |  acarah  1'  a  canibus  [\)  N 
14  liquiJiirum  curpüruiii  |  trorpurum  Uquidurura  i''  digooscilur  |  cugnosci- 
tur  X  l'i  sed  |  scilicel  N  consiiJerrtlionejn  N  22  siiW  |  sil  N  all  per- 
pendicukreui  |  ylt  diculare  A'       *JÜ  ijuid  |  ri  M      2i>  id  |  i-^N   illd'  V 


51 


AI-KinOi 


tae,  qiiae  non  appreliendunliu-  sensibus  iioc  sciuntur  primis 
iiitolk'dibus. 

Quotl  autoin  dixil  iion  opurU-n?  in  ilfiuotistralioiio  uliquid 
esse  caiisain  sibi  ipsi ,  Iiuc  e.sL  iiiiiniruriUrin  priinia  iiilelleclibuä, 
.%  sc'ilicel  quiu  id  quoil  uäl  causatum  non  est  causa  sibi  ipsi.  sod 
plures ,  qui  praciuniunt  lio  demoiistrationo ,  aliquo  modo  causa- 
luni  pomiiil  can-satn  sibi  Ipsi,  iior  perdpinnl  Imr-  iiropLvrprolixi- 
LaU'iji  stTtnonis.  uerbi  ^j'ratia,  qid  j»-:n'siiiiiiL  de  ycit'tilia  riutura- 
lium,  cutn  interro|,'atur  quae  est  causa  pluuiaruni  in  uliquo  anno, 

10  dicet  quod  nmititudo  nubiuni.  si  uoro  inUTioyahir  quae  est 
ca(i:^a  rnuKitiidiuiH  milHUiri,  rcf^pundt-bil  (jucul  muUitiKlo  iiaponini, 
ijiii  riL'iianUii-  L'\  tnari  uL  tsta^iiis  in  ai-mut.  .si  irto  inl.ciTofraiiir 
qua».'  est  causa  eleuationis  uaponun ,  dircl  iicl  pulabit  quod 
mullitudo  accessioEiuin  niaris  et  decursus  aquainuii  ex  Huminibus 

i'.  et  currentibus  ad  niaria.  si  auteni  interro^^atur  quae  est  causa 
huiu:^,  re.siK>iKlpl>il  quoil  iiiullitudo  pluuiiiruiii.  srcuriduiii  baue 
i^ntur  consklerationtMU  sequitur:  (-ausa  inultiUidinis  pluuianuii 
est  iiiultiludo  pluuiaruin. 

(^t  ideo   opus  est    doeeri    ut  dieal  quod  una  ex  causis  est 

ii)  taJis  uel  talts^  el  sitniliter  de  secunda  tt  de  tertia  et  de  quarla, 
et  sie  dedint^t  uppusilioncm ,  eo  quod  potest  esse  ut  uubes  sint 
inultae  et  pluuiae  paucae.  unaquae(]ue  enim  res  causata  liabct 
quatuor  causas,  sicut  iam  ostendiinus  in  epistola  de  causis  et 
causatis. 

u  Et   quod   dixit  i]uod   cauäutuni  non  est  prius  quam  causa, 

et  hoc  manifestiuu  est  primis  inteilcctibus.  causalum  enini  non 
polest  prius  esse  quam  causa  ob  hoc :  scilic<;t ,  quod  siuit  i\v 
gonere  relaUuoriini.  quae  autem  sunt  de  geuere  relaliuoruiu,  non 
sunt   uisi    siniul   quaiilujii    ad    scnsuni ,     si    liabuerint    esse .    et 

30  quamuis  causa  sit  prior  causato  uitellectu,  adeo  quod  alitpiando 
dubiuui    eiit   discerni    causam    a  causato.     uerbi  gralia,   si  quis 


i>  de  I  fcliit  N  chuftschoben  V  H  prnesuinit  |  praesuirmnl  X  zu  9 
am  Jtnuile:  i^uac  sit  chusu  pluuiae  JV  20  quartn  I  qainta  1'  27  <|U<kI  |  ut 
X      29  el| /»■;<//  r 


Liber  introduclr;riu8  \a  arltw  logicae  demonsl talionis.  56 

praesuiiiens  de  gcienlia  aätmlogiau  ititcrm^^^atur  ([uae  est  ouusa 
longituitinis  diel  in  uiia  teiTu  polius  tjiiatii  in  alia,  dieel  demo- 
ntlio  soli.s  in  loinpore  loii^iürc,  si  aulum  coniierlcrit  hanc  pro- 
posilioneru  et  Hix*.'ril:  igitur  in  quacurnque  tcmi  so!  diutius  ino- 
relur,  dies  ibi  longior  ost,  et  erit  hoc  cortuni.  sal  pluribus,  qoi  s 
non  sunt  inslructi.  discipulis  incertuiii  est,  quid  illorum  sit  causa 
niEerius,  an  detnoralio  solis  super  terrarn  sit  causa  lon^n^iidinis 
dici,  uel  longiLudu  diui  sil  causa  donioraliunis  solis  super  len-uiii. 

Simlliler  est  in  i^ie  et  funio.  alit^uando  enin»  erunt  siniu! 
ot  ali{[uanilo  unuin  inuenilur  prius  alLero.  alitiuandü  cnitn  lii-  lo 
ums  pi'aestat  ignein  et  aliqiunido  ignis  poriitur  causa  essendi 
ruinuni.  et  tunc  nesciLur  quid  illoruin  sit  causa  alterius.  scias 
autem  quod  funius  el  i^niis  ununi  non  est  causii  alterius.  causa 
eni]it  uirtniis  utriusque  niaterialis  sunt  oorpora  i'omhuHi'ihiMn  t>t 
eot-uni  causa  apens  est  calor.  scd  dilTmuil  in  forma,  calnr  li 
enim  cum  a^it  in  corporibus  cutiibus\.'i\nhhi\s  aliqua  actione, 
fit  i^nis.  si  uero  debilis  fucrit  in  actione  proptcr  huruiditatem, 
tiel  fumus  uel  uapor. 

Quod  auteni  dixil  ut  non  ponantur  in  arpnmentatione  ac- 
cidentia  inseparahtlia ,  non  dixil  lioc  nisi  quia  accidontia  insepa- £i* 
i-abtlia  non  sepnrantur  a  rebus  quibus  sunt  arcidmtia ,  sicut 
causa  non  scparatur  a  suo  causato.  scilic-et,  f[Uoniatn  si  iudlui- 
ueris  de  aliquo,  i|uod  est  causalum,  nci-essario  tunc  causam  Iia- 
bebit;  accidentia  uero  comitantia,  quatrmis  non  separatitur,  non 
sunt  lanien  causa  agens.  uerbi  j^Tatta,  i|uaniam  mors  quamuis  •-• 
non  separatur  ab  occisione,  tarnen  non  est  causa  eins,  nee 
Dccisio  ("tiani  est  essenlialis  causa  nua-tis;  t:K»  quod  multotitMis 
est  mors  siiie  occisione.     non  est  autem  causa  sine  causato. 


1  praesamens  |  ps    vivens  (!)  N         zu  1-3  RandtfloHse :  quare  in  una 

n  u 

terra   est  lunt;ior  dies  i|u.ini  in  alia  iV  2  terra  potiu«  quam  |  qrn  pu''  <pu 

N       2—3  demoralio  |  d'mÖaUalio  K      3  conuerlerit  |  conmiUit  N  ausradiert 

und  dafRr  ^eonuerteril*  gcaetst  V  ö  qui  |  i^  ^V  7  deniomlio  |  demon- 
stratio .V  ZH  11  — lä  Ufiudglusse'.  utrum  fumus  et  ignis  s-unl  simul  H 
12  ullerius  |  unk-lar  N  11  uirtulis  \  fehlt  i'  cuiiibustilHlia  |  L-onuwrliWIia 
NV       15  forma  I  causa  forma   V        16  combuslibilibus  1  conuertibilibus  NV 

BclioDO  I  fehlt  N  \H  flet  |  erit  (unklar)  N  SO  ioseparubilia  i  inseparn- 
bil'  ia  y       2G  nee  |  sie  ^       27  esscntialis  |  bü  N 


5r> 


Al-Kindi 


Quod  atiteiii  dixit  rjitod  causa  sit  (>ssenlialiä  rei,  noii  est 
nisi  quia  ni  ullquu  modo  sunt  causae  iiuilUie  accidetilales.  st^d 
noii  cuiTunl  per  onun-s  spocu^s  ülius  pfneris,  noo  per  omnia  iti- 
diuiiluu  specici ,  sicut  oocisio  quac  est  causa  accidenUilis  inoKi 
t,  non  cun'L>ns  per  onines  speciüs  cius.  sed  neeesso  est  esse  cau- 
sam E>s:>t.'ulialcni ,  ad  hoc  ut  propositio  iudicans  sit  ucra  ante 
coimersionem  et  posl .  sieut  si  dixeris:  omnc  habens  coloreni 
est  curpu-s,  vo  quod  ititiil  iimoiiilur  habeiis  culorem  quod  noii 
siL  corpus,  i^filur  corpus  osl  causa  esseiitialis  tiabenti  coloreiii. 
tn  Quod    auteiu    dixiL    quod    propositio    sit    uiuuersalis,     est 

[iiojilet  hoc  quo(J  cojiclusiones  ux  propositionibus  particularibus 
uoii  sunt  necessariac  scd  possibiles.  sicut  si  dixeris :  lohaiines 
est  scriba  ^  et  quidaiu  scriba  est  iurlcx  ,  igiiur  possihile  est  ut 
lotiaiines  sil  iudex,  sed  cum  dixeria  quod  oinnis  scriba  legit, 
t!,  sed  lohaiuie^i  «'St  scpüku  tunc  iiecessai'io  lohaiiiu'S  crit  Icgens. 

^Juod  autcin  dixit  quod  praodicalus  sit  prinio  in  subiecto, 
est  proptcr  hoc  quod  pracdicata  sunt  in  subiceLo  duobus  modis: 
qiiaetiarn  priiiio ,  quaedam  sccundario.  uerbi  Kialia ,  esse  ti'es 
angulos  in  omni  Iriant'ulo  est  cssl*  primo,  eu  quud  bat'c  e.st 
ii>  forma  conslituens  eum.  sed  quod  sint  anguli  acut!  uel  rccti  ucl 
amplius,  hoc  est  esse  securidatJu.  iain  igitur  manifestum  esL, 
(piod  non  uccipit  in  ar^'unicnlatione  demonslratiua  nisi  proprie- 
lales  assentiules  ^^ll^Jslalllial^'s,  tpiue  sunt  formae  ronslitufrdt'S 
rem.  el  per  eas  iilud  iudicimu  quaesitum ,  quoil  exihit  conclu- 
Ä  sione,  eril  rertum. 

Scias  auteni  quod  proprietiUes  eswentiales  diuiduntm*  in  tres, 
scilicet  ^fencnitcs,  speciales,  iridiniduales,  sicut  iani  ostuiulimus  in 
epistola  isagOK'urum.  dico  autem  vi  sine  dubio  iudico  ipiod  ornnis 
proprietas  generalis  ucra  est  necessario,  cum  dicitur  de  loto  illn  gö- 
nn nere.  similitcr  omnis  proprietas  specialis  uera  est  necessario,  cum  di- 
citur de  onuiibus  indiuiduis  ilUus  specici.  et  hac  sunt  proprielates 
quae  exeunl  in  conclusione  uerac  et  certae.  exerce  igitur  eas 
in  demonstratione  el  iudica  per  eus.    proprielates  autem  iadiut- 


7  sir.ot  I  sie  iV 
13  iudex  I  i  dex  A' 


flt 
10  sit  I  est  ^^         11  prnposttiünibus  |  opiiiionibos  N 

14  dixeris  |  dixerit  AT         16  sil  priuto  |  primo  sit    V 


17  est  I  fehlt  N         »uhjeclo  |  suliiccliu  V         22  ajsi )  nee  N  nee  in  n  ffeßn' 
Uvrt  V       28  liugogaruni  |  ysagogärum  A*  f*       el  |  quod  N 


I'iber  intruduclurius  in  urtem  logicae  demoDstratioaU.  57 

duales  non  est  ncccssc  ueras  esse  de  Iota  spl'ci(^  ihh:  oniriis 
proprielas  specialis  uera  csl  de  toto  goncre.  undc  non  exeivens 
eas  in  deiuoiislraiiono.  jiec  iiuiices  per  eas  absolute,  quoniuni 
non  eris  per  eas  tertus  in  iiuiicanrlo. 

lam  igitui*  manifestum  est  tibi  quod  sapieutes  et  philoso-  ^ 
pikantes  non  posuerunt  argumentutiüneni  detnoitstj-atimiin  nisi  ut 
per  eani  scin^nlnr  im  qnae  iumi  Sfiunliir  nisi  per  svltof-nsnuirn. 
fl  Unvi:  sunt  va  i[uae  non  possunl  sciri  per  sensuin,  in't:  sunt 
de  priniis  intelleetilnis ,  nisi  sei'undum  uiuni  desijfnatJonis.  et 
hoc  est  quod  uocatur  demonstratio.  w 

Si'ias  aiiti^'jn  ijuoil  uniuinao(|ii(_'  ara  habet  ojHfin'Mi  *i;uuin. 
vi  unusquisqtiL-  opiiVx  cuiusque  ariis  in  niinisterio  suo  habet  ra- 
dices,  in  quibus  conueninnt,  et  habet  prima  in  siia  scienlia  ^  in 
quibus  nun  diffeinint.  prima  (*nini  uniusrtiiusqne  artis  snni])t;i 
sunt  aij  alia  arte,  i\mhv  jH-aeecdit  t?ani.  el  scias  quud  jirirrui '•'■ 
artis  demonstratiuae  suinunLur  ex  bis  quae  sunt  primi  iulel- 
lectus.  priinorum  autein  intelloctuuiu  principia  suniuntur  a 
sensibus,  sicul  praedixitnus. 

Scias  etrani  (|iiod  artis  deinonstraliuae  sunt  duae  spctiies, 
scilicet  peometi'ia  et  logica.  ppinia  autcn»  quat;  sunt  hi  gcome-  «* 
tria  suniunlur  ex  alla  arte  qiuie  est  prior  illa,  sicut  ea  quae 
dixil  Euclides:  puuclus  rst  nii  pars  non  est.  et  linea  est  lon- 
pitiido  sine  lalitudine.  superliuifs  est  quar  hallet  loii^'ituiliiifin 
et  latiludineni ,  et  alia  bis  siiiiilia  de  axiüuiatihns,  quae  {>raL>- 
niittuiitur  in  principiis  suotniii  trai:taluuMi.  siiuilittT  etiani  est  -» 
iudiciuni  de  demoustrationibus  to^Mcis.  quoniam  eius  principia 
sumpta  sunt  ex  alia  arte,  quae  est  prior  ea ,  quae  nceessariutn 
est  prauponere  distipuHs  ante  demonstrationi.'ni.  qua!e  est  illud, 
quod  tlicitur:  quod  onine  quod  est,  cxeepto  Deo  glorioso,  est 
subsliuitia    um]    aceidens.      et    qiiuil   substaidia    est   id   quod  est  so 


1    nee    oranis  \  nev.   Cm   pitciUles    ümnis   N         5  supionles  et  |  fehlt  y 
7  eam  t  ea  N  syJIuyisinurn  \  .silkigisinus  NV         11  autom  j  feW  N        cit 

U-12  Itandjflwse:  quod  unai|u;ieque  ars  habet  suum  ojtificem  it^      KI  sunl  \ 
suinül'  st   y        18  s«D5ibus  t  5eiisibril)3   V        20  Kwnietria  I  arte  geomelriea 

y       :u  22—24  Ramf^hsiHf:  diftiniliü  punclus  el  tinene  el  sup*rHi.Mei  X      23 
sin«  laliluiliiic  1  siuc  lalitudo  iV        21  axioniatibus  j  anxiuiiialibus  A'l' 


58 


Al-Kindi 


cxisletts  per  sc,   reccplibile  < uiitrariornm.     ei  (|uod  arcidens  est 
quoii   esl    in   aIi(iuo ,   non  sicut  pars  eins ,  el  desLmilur  absque 

dcslructioiM'  illius.  et  quotl  suhslunlia  alia  esl  siniplex ,  sicul 
bytü  et  forum,  uliii  est  coniposita,  ut  corpus,  el  quod  oiirnis 
» HubsUiiilia  uel  est  causa  agens  uel  causatum  patiens.  d  quod 
caiisu  agens  digiiior  esl  suo  causalo  paliente.  et  quod  inier  af- 
lirmalioiieiii  «4  urgatiimtiii  non  ist  medium,  nee  inter  priiialio- 
n«!ni  i'l  rsse  esl  luediuni.  el  (]iiotl  accideüs  non  habet  acliunein. 
et  alia   his  sinulia»  quac  praeniiUuiilur  discipulis  ante  denion- 

Ui  stralioties. 

Iflr  aiileiM  qui  uult  seire  denionslrationes  logicaä  oporlut 
ul  sil  deiuoralus  in  ^xerciUitioriibus  geoinetricis  et  ul  iani  acee- 
peril  L'x  eis  rejjulas,  eo  qiioil  sinl  proxiniiores  discipulis  ad  in- 
telligiüitliiui  el  fuciliures  ad  speculaiiduni ,    cpioniani  exeinpla  eo- 

is  riini  sunt  sf-risihitia  et  uisibilJa  uisu ,  quainuis  intenliunes  oorum 
HUt  audibilts,  iriLeÜigJbiLes.  senstbilia  euiin  sunt  propinqtiiora 
intellcclui  discipuloruin. 

Scias  etiaiQ  quod  demonstraliones ,  siue  siiit  geonietriae 
siue  lugicae,  non  finnl  aisi  ex  conclu.sionihus  cerlis.     uni  auleni 

o.)  contUisioni  necessiiriae  sunt  duac  propositioiius  cerlae  uel  pbires 
quoUibet.  uerbi  j.'ratiii,  iti  quod  in  libro  Kuclidis  deinoiistraiur, 
quod  Ires  anguli  cuiusque  IrJanguli  roctilinei  sunt  aequales  duo- 
bus  recÜs ,  non  potuit  probari  nisi  jAi>-t  triginla  duas  figruras. 
quod   quadralus  eordae  anguli  recli  aequalis  est  quadnilis  duo- 

wruin  laleniti),  uon  poluil  ileinüfistrari  nisi  post  quadrajrinla  sex 
tiguras,  et  seiuu'iain  hoc  cxenipUun  esl  ixi  alÜs  quae  probanlur. 
Hiiniliter  etiani  ist  luHit-iuni  de  deiTionstralionibus  logieis,  quin 
aiiqnanilo  Buflii^tunt  ilnai-  projiüsiliüiies,  ailquando  plures.  uorbi 
gratia  in  dr-nionstraliunc.  rjuu  probalui*  animain  esse  in  corpore, 
iBulfieiunt  lr*'s  prupositiones ,  quae  sunt  hae :  (U  omne  corpus 
babet  partes  [scilieel  plagasj.    et  haee  propositio  est  uniuersalis 


1-2   esl  quod  j  quud  est  N         U  Ule  1  cum  ^K         18  üinl  |  fnit  N 


21  id  I  ita  A         '2^i  puül  |  p  (</.  h.  prius)    N         28  nliquando  |  aln    N 
habet  I  quod  habet  ^^    Das   quod  ist  in   y  dttrchntHchen 


31 


Liber  introduclorius  in  artein  logicae  demonstratiuni».  09 

'•jlfrniatiua  certa  in  priiicipio  inU'llei'luuui.  \U;u\  nlia  est  Imec: 
(!ä)  iiulliini  rnrpus  polest  nioueri  ad  ohhios  partes  suas  siiiiul. 
et  hau**  eril  prupusitio  uiiiuer^alis  iietrutiiia  rerLu  in  prineipitj  in- 
lelk'ctus,  iertia  (.'sl  liat-'O :  (3)  omne  corpus  quoU  moufliu'  ad 
quanilibct  parlmn  est  ex  aJiqua  causa  tnoucnlc  illiul.  et  haec  5 
est  pi-opor^iliü  uniuorsaiis  alliniiatiiia  certa  in  i)rincipiu  intellectus. 
L'ourlutUtiir  itritur  ex  his  pmposilionibiis  aniniam  t'S^e  in  cor- 
poi'ü.  i-eslabat  quidem  dt^inonstrari,  scilicet,  qituti  ist  subslantiu, 
Qon  accidens.  adiunt^itur  autem  ad  lias  propnsitioncs  praece- 
denlcs  liaec  alia,  sciiiceL:  (4)  inotus  oinnis  cuusae  quae  niouet  i*> 
corpus  necessario  uol  vs[  uim  modo ,  iid  ununi  parteni .  sicui 
inoluä  t'rauium  diforsntn  et  inultis  leuiuni  sursuin,  et  iiaec  causa 
uocatui'  iiaturatis;  uel  est  eius  iitotus  ad  paHes  diuersas  et 
tnodis  diuei'sis,  per  uuluntatejii  et  elecliüiieni ,  sicut  molus  aui- 
nialis.  et  nocatur  Uüfuiilarius  uel  aiiimalis.  ot  liaee  diuisio  est  i^ 
inlelligibjits,  approhen.su  seiibii.  unino  iKÜur  quod  iiiuuvt  c.urpns 
uoiuiilate  et  electione  est  substantia,  (ptuniani  aceidens  tum  lia- 
bel  aetioiiem.  et  Iiae  pruposiÜones  sunt  ret'eplibilt'.s  in  priru-ipio 
intellüctuuin.    et  concludiliir  quod  anitna  est  substantia. 

IV.  90 

[Capituluni]  qualiter  deinonstraliu'  quod  in  nunidu  uon  est 
iuauitas. 

Sensus  auteni  de  inanitate  est  hie,  quod  est  lot-us  uaeuus. 
nullus  autcni  locus  est  in  niutido  qiii  sit  nee  lucidus  nee  tene- 
bi'üsus.  et  haec  est  propüsilio  uniuersalis  ne^atiua  cerla  in  25 
priiicipio  intellettus.  item  alia:  necesse  est  autem  ul  Jux  t-l  Ic- 
nebrao  uel  uh7uaque  sit  subslatdia ,  uel  utniiu(|ue  aeridfus ,  uel 
alleruni  substantia  et  alteruin  accidetis,  et  liae  diuisionus  sunt 
intelii^nbiles  uerae.  item  aha  prupositio:  si  auteni  utrumquc 
fuerit  substantia,  tunc  inanita«  non  erit.    si  uero  utrumquc  fue-  ™ 


1  cerla  in  principio  inlellecluum  l  rc  j)!i  inUIcüs  (circa  principiorum 
itiMIcutus)  A^  3—4  cerin  in  principio  intellectus  )  circa  principium  inteUi 
gendae  N  7— ö  corpüri  |  coi  iV  H  (inoU  re^taui  ft*  (Jemonslrari  | 
dednrari  ücmonslrnri  A'  lü  diuisio  |  diuersio  N  IfJ  seosu  1  sensui  K 
18  pro])OsiliüncH  I  oppositiunes  A'  21 — ää  j  rot  A*  uitd  am  liatidf,  von  «/mS- 
terti'  Hand:  Demonäti'atio  i|uo<i  In  mundo  non  »it  inane  "22  inanitas  |  in* 
hanitas   1*  und  so  immfr        24  qui  1  quod  A' 


w 


Al-Kiodi 


rit  accidens,  accidens  aiitHiii  non  est  nisi  in  substanlia,  tunc 
irmnitus  noii  eril.  si  auteiti  unutn  l'uerit  subslantia  et  altca-uoi 
acciduns,  siiuiÜler  eril  iialiciiini. 

[UomonsLralio   quod    oxlra   muuduiu    ncc   est   inanitas  nee 

.%  plwlUDl.] 

Item  demonsliatio  quod  extra  niuiidum  nee  est  aUi|uiil  iri- 
ane  nee  plemiin.  scias  aulein  (i»u)d  inanitas  et  plniiliulu  sunt 
pmprielales  loci,  tucus  ucro  est  uiia  Ue  proprielutiims  |lolius| 
eorpons.     si  aiiteni  fuerit  extra  caehan  alitpiod  corpus  ^  nos  au- 

L'-i  iv\n  in  hoc  qtiüd  didnius  inunduiii.  noii  Jnieltiginius  nisi  illiid 
corpus  L-titn  fiac  tota  unluorsilate,  tuuc  quotnodo  t^xlra  tnunduin 
eril  aliquod  aliud  ? 

[Capiluliitn]  dv  hoc  quod  supientes  dicunt  [aliudj  quod 
inundus  uel  est  antiquus  uol  est  n^uicius. 

15  Seil     si    per    aiitiqiiiim    inttOli(.njiil    Nuii-Htiulini'ni    loiiiporis, 

tunc  ueruui  est  quud  dicnul.  si  uero  inlelligutil  quuii  non  ees- 
sault  esse  stabilis  in  sua  ideiititate ,  qua  ipsc  est  modo ,  tuiic 
non  est  ucruni.  nuitidus  enini  non  est  stabilis  in  sua  idenlitate 
in    Ulla   dispositjouo    uno  iclu  ucuU.     tunc  ninlto  minus  cessauit 

■■J"  secunduni  (|uod  ipse  est  modo,  item  in  co  quod  sapientes  no- 
minant  munduni  non  intelligunt  nisi  nmnduni  corporeum ,  qui 
est  riuaruin  specieruni ,  scilicet  eaelestis  et  naturalis,  eorporuui 
auloiii,  ipiae  sunt  sul)  circulo  lunae,  sunt  tUiae  species.  una  est 
elenicnta   generalia    uL   alia   generata   sitigularia.     generata  nero 

1»  semper  sunt  in  goneratione  et  eorruplione ;  sed  elenienta  gene- 
ralia  sunt  setnper  in  uarictatc  et  alteratione.  hoc  autem  mani- 
festurii  est  .speeuhit(.irii)ris  naturaliiuu.  corpora  uero  caelestla 
sunt  seniper  in  motu  et  pennutaiiüne  seciin<Unn  dislantias.  ubi 
igitur  erit  stabilitas  eius  secundum  unani  disposilionem  ? 

»  Si  autem   per  stubilitatem    intelliyimt   fortnam   et  Mgurain 

sphaericam ,   quae  est  ei  in  oniuibus  horis ,  sciaiit  tum  quod  ti- 


1  in  1  fehlt  N  eingeschoben   V         2  inauitas  |  inbanilas  VN  1—5  | 

Randijlosse    ton   gpHterej-   Hand    N  fehlt    V  8  ItuUua]  |  locius  A'  fehlt   V 

VI  aliquod  |  fehlt  X  ton  gp&tern-  Ifantl  eingeschoben    V      14  nouiclus  |  nouns 
S         \'.\  HÜml  i  durrhstrichen   V        17  idenlitale  |  idvmplilule    V        18  ideQ> 
titale  I  ydemplitati;  .V  idemplitate   V        22  est  i  est  species  N        31  aphaeri' 
,  cani  I  sjiicä  A'  V  unti  so  immer 


Über  intrüductorius  in  artein  logicae  demooBlrationis.  Gt 

l^um  sphaerica  et  riiotus  circularis  iion  sunt  in  corpore  ex  hoc 
L]uod  est  corpus ,  nee  sunt  coiistttuf^nüu  suani  essenliain.  sed 
sunt  duae  formae  perfectiuae,  ex  intentiono  intendentis,  sicul 
ostcndiinus  in  epistola  de  hylo  et  forma,  oninis  autom  forma 
quae  est  in  formato  ex  intentione  intendentis  non  csl  stalülis  .-. 
idontilalis  nee  sempiterni  esse,  non  enim  est  stabilis  idt'nlitatis 
et  sempiterni  esse,  nisi  per  formam  constituentem. 

Scias  etium  quod  conseniatoi*  rnundi  in  hac  forma  est  ue- 
loeilas   rnotns    cueii    cirmnidantis.     iiiidor   iiero  cacli  iilius  osi  a 
caelo.  »quies  quoqne  niolus  raeli  rn)ti  pril  nisi  in  ictii  oculi ,   si- lo 
cut   scriptum    est:   quod   dies   iudicii   erit   in    ictu  ocnli ,   url  si 
minus  potcst  diel.     Scias  autem  quod  si  caelum  cessarct  reuolui, 
cessarenl  planetae  a  suo  eursu,  et  signa  cessarcnt  ab  orieiido  cl 
occiderido,  vX  dcslnieretnr  forma  niundi  et  eins  existentia  et  fie- 
rot  dios  indidi  magna,    hoc  autem  sine  dubio  c^se  debcl.    qnidquid  i'> 
enim  est  possibilc,  si  positnm  fiu-rit  tenipus  finitum,  necosse  csl 
ut  exeal  ad  effoctum.     caelum  autem  ccssare  a  reuolulione  pos- 
sihile   est.     res   enim   quae   mouet   illud  potcst  faccre  ul  cessot, 
quod   est   ei   facilius.     nam   ei   est   potcstas   inclinandi   itlud  ad 
(juaiii  paHcni  uoliicril.    sed  iaiii  ostendiirnis  in  ('pi?;L4iIa  iln  |>nnfipiis  su 
qnai'    sunt    rausac    initii    mundi    corporun» ,    et   in     epistola   \\g 
reuolutione   ostendinuis  quae  est  causa  pernianentiae  corporun». 

V. 

Srias  etiani  quo*!  lionin  cum  ambnlaufril  sccundnm  fntiMi- 
tioneni  suae  aniniae  ralionalis  et  disposiliones  eins  ad  mmluin,  2^ 
quo  processit  in  crcalione  sui  corporis  et  suae  formae,  perlin^et 
ad  ultimum  humanitatis  et  nioinabitiir  ordini  angeloruni  i*l  ap- 
propinquabit  a4l  drum  snum  t^lnrinsinn  vi  excelsum  et  rctribue- 
tur  ei  talis  retribuLiü,  quae  dit-i  non  potest.  id  aulem  secunduni 
quod  processit  in  creationc  sui  corporis  hoc  est:  ipse  enim*» 
incepit  ex  spermate,   aqua  scilicet  uili,  et  deinde  coagulalus  est 


6  sempilcmi  |  scplü  (scriptum)  SV  nee  .  .  .  idenlitntia  [  (htrchstri- 
ehtn  V  lij  (|uii](|ui(]  |  quod  quidam  .V  quicquid  V  10  enim  esi  |  "est  "enim 
tf  17  reuolutione  |  resolnlione  y  lÜ  potestas  |  pniäs  SV  ä()  parlem  [ 
pncem  (!)  A'  20—21  i!e  principiis  ...  in  ppiatob  \frhlt  N,  am  Hantle 
nachgetragen  V  24  ambuluueril  |  ablauerit  H  31  incepit  |  inctpit  iS*  cepit 
mit  rorgeutztem  ,in*  übet-  der  Zeile   V 


flft  Al-KinUi 

in  matrice,  et  poslea  fuit  quoddam  iitscosuai.  deinde  fiiit  for- 
matus.  (leinde  fuit  animal  mobile  el  sen^ibile.  postea  puer  in- 
Iclliffcns.  poätea  adolesoens  excrritabilts.  forits.  postea  seocx 
exf)ertu.s,  (roffiiilor,  sapiens,  deintle  decrepitus,  annosus.  sapitmä. 
philrisophus.  i.-(  post  mortem  fit  aniina  aiigeli  caelestis  spiritiialis, 
sempitenii  esse,  delectabÜis  pmdore  semper. 

Scias  autem  quod  sicut  tu  non  comitaris  ad  aliquem  isto- 
runi  ordinum .  nisi  quia  prius  exspoliaris  ab  aliquibus  accidenti- 
bas   el  propriolatibus  iniperfectis  et  deinde  uestiris  aliis  meüori- 

1»  biis  et  nobilioribus  i)li.s :  similiter  oportet  ut ,  ad  qu^nibuiiique 
Kradum  rognittonum  et  soientiaruin  te  erexeris^  exspolies  aniiuani 
tdiim  n  inoribus  et  consuettidinJbuif  et  sententiis  et  operibus .  in 
quibus  te  exercueras  a  pueritia  inscienter.  quousque  sopartTis  a 
forma  hmiiana  ot  induaris  forma  angolica,  ut  sie  possis  conscendere 

i&  ad  rogtium  caelorum  et  ad  latitudinem  nmndi  caelorum,  ubi  re- 
fribiietiir  rclriluitio  itiHTabilis  et  iiiue^  uita  felici  ema  fdiis  tili 
p^eneris  ^  qui  praccesserunt  te  ad  illa ,  scilicet  sapieiites  et  sancti 
et  propbotae. 

Scias   cliam    quod    ita    naturale  est  homini  uti  argnmciita- 

ptione  et  considcratione ,  sicut  natunde  est  ei  uti  scnsibus,  sicul 
supra  diximus.  regulae  autem  argumenlationum  sunt  diuersae. 
sicut  ostensuni  est  in  libris  logicac  ei  cnnditionibus  topicae  pro- 
lixa  ostensione.  aliquas  tameii  ex  illis  dicemus  bic  ul  sint 
exemplnm  ceterorum. 

S5  Pueri   enim   pro   reffuüs   suanmi  ar^umenlationum  ponunt 

dis[X)sitiones  suarum  ariimarum  et  suorum  parentum  et  snorum 


1    qoo(I<lani  |  tjdtlä    V  4   nonosus  sapiens  |  sapiens  aonosos  K  sa- 

pieni"   aonosu»**    T'  h  posl  |  per  V  spirilualis  I  spiiali»  (Mullav)  A' 

spiäl'  V      l>  scmpiterni  |  sempilerna  ^        gaudere    ^uderes  1'       7  simt  | 
sie  jV         ad  aliiiuem  \  fehlt  S         6  exspoliaris  |  expoUatis  NV  H  ul  ] 

fehlt  N        conscendere  |  conscedere   V        15  uhi  i  nisi  N  (n  für  b)       16—17 
cum  . . .  gcneris  |  am  Rande  Hnchyetraffen  JV     17  ({ai  1  qaod  N     1H  nnlumle  | 
naLaleJ^        uti  {  das  i  fehlt  iitN  und  in   V   tat  ron   »pätcrer  Hanä   btiijefRgt 

s 

20  tili  I  nl  Uli  .V        21  supra  |  siisibj  sup   1'        m  2J  l{amlglos$t:  a  pueritia 

■ecundum  ymi  datio.-  {ffir  irnilaliünem)  V        1»  lanien  \  tnc  [ßv  tm  =  Un- 
tum?)  AT        ut  I  wegradirt  K        sint  |  sil  2( 


Liber  iDtrwIuetorius  in  arlem  lo^irae  ileiiiuDstiuLiuniü.  tt3 

fratruriu  et  id  (juod  soient  facerc  in  rebus  et  quod  inueniunt 
in  suis  domibus  de  rebus^  ponunt  indici«  ci^terarum  dispositio- 
mun  aliorum  puerorum ,  quainuis  non  uiderint  ea,  el  lioc  so- 
cuniiun»  considerationeni  dispasilifiiiuin ,    quas  sciiiiit  dp  so  ipsis. 

AduUi    uero   ro(£ulaÄ   suarum  urj^meritutionuni  pommt  ea,  .•■ 
qunc    noiicnint    suis    cxcrciliis    de    rebus   el   de   dispositionibus 
earum ,  quas  exjierti  sunt,     et  sunl  eis  radices  ad  id  quod  con- 
sideranl  lic  alüs  rebus,  quas  non  uitlorunl  ncc  t^xperti  sunt. 

Sapientes  uero,  qui  prae.sumunt  de  scientia  lopirae  et  suIh 
lititate  speculaÜonis,  regulas  suarum  ar^umentaiionuni  potinnt  lu 
id ,  m  quo  conueniunt  illi  et  sui  aduersarü,  et  tiacc  sunt  radi- 
oes  et  jiropositiones,  per  qnas  eonsiderant  id  in  quo  dissident 
siue  [illmlj  in  quo  conueniutU ,  sit  ueruin  siue  falsum ,  sine  cer- 
lam  siue  eironeum. 

St'd  exercilati  in  (ieinonstralionibus  peornelricis  rt^ulas  i& 
suanim  argumentatinnuin  ponunt  e;i  qiiae  sunt  in  priinis  inlel- 
leetibus.  el  Iiaec  sunt  radices  et  proposiliones,  ox  quarutn  con- 
etusionibus  eliciunt  alia  nota ,  quae  nee  sunt  scnsibilia  nee  noia 
priniis  intelleelibas,  sed  sunt  adquisita  demonstrationibus  neces- 
siiriis.  deinde  ipsa  tota  adquisita  ponunt  pnvposiliones^  ex  (pia-  an 
runi  conclusionibus  eliciunt  alia  nota,  quae  sunt  subiiliora  quam 
ea,  quae  Tuerunt  prius.     et  sie  faciunt  scmper  in  tota  uita  sua. 

Sfias  etiain  quod  de  aninmlibus  quaedam  Imbent  unum 
sensuni ,  qnai'<larn  dni^s,  (piai^dani  tres,  ipiaedam  quatnor,  (juae- 
dam  cjuinque  integros.  scias  etiam  quod  esse  aniniulis  in  quo  2-'' 
fuerit  plurinium  sensuum,  liabebit  plura  sensata.  liomo  uero 
Itahot  hos  quinquc  sensus  plcnaric.  sed  qui  ex  honiinibus  fuoril 
pcispicaeior  circa  sua  sensata  et  iiiaf^is  considerans  disposiliones 
eorutn,  ea  quae  sunt  nota  priinis  intellectibus  erunl  in  co  plura; 
et  qui  fuerit  huiusmodl  ut  hie  prius  nota  pönal  proposiliones,  ^> 
el    ex   eis   eüciat   canclusiones   et  nota  demonstraliua ,    erunt  in 


3—3    de     rebiLs  .  .   .   pueroram  \  hfs    N  5    reeulas  |  r^it)]ares 

NV  ß    nouerunt  |  nout&lt  «»«    liahdr.-   nouerint  (unkhtr)  N  13  lil- 

t 
ludj  I  fffitt   V         plurimuni  |  jimü  [iliiriü    I'  [iPiuMi  S        iitii  j  <iuo  iV        ex  | 

est  ex  iV        29  primls  [  Iribus  N 


?-:■!.     lir^Os-    rCrCT.   ZI'IOL- 


f  Ufil  htt 


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I.—     ..•^•.---  OKI.  X  5  ei 

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Anmerkungen. 

(BloBe  Zahlen  bedeuten  Seite  und  Zeile  des  TorU^enden  Buches.) 

1,  10:  den.onntrathtum.  Die  Varianten  fließen  wahrscheinlich  aus  einer 
unrichtigen  Erklärung  des  Kompendiums  demmitratüm;  in  der  anderen  Re- 
daktion  (2,  1)  demonstratittain.  Vgl.  Baeumker,  Auencebmlis  fon»  nil<u. 
Beiträge  zur  Geschichte  der  Philosophie  d.  Hittelalters.  B.  I  Heft  2.  HQn- 
ster,  I89i  S.  VIII,  20-22. 

3,  1—3  (3,  1  —  3):  „et  hunc  intellectum  assimilauit  Aristoteles  sensui, 
propter  propinquilatem  sensus  ad  ueritatem  et  quia  communicat  cum  ea 
ontnino."  Vgl.  Loewenthal,  Pseudo- Aristoteles  über  die  Seele.  Berlin  1891 
S.  121,  9—10:  ^Cognitio'  enim  rei  non  habetur  nisi  per.anitioaem  duarum 
formarum  cognoscentis  et  cogniti  sine  medio,  quae  unitio  non  fit  nisi  per 
similitudinem  et  propinquilatem. ' 

3,  14—15:  ,nec  sicut  caelatura  in  corpore" ;..  des  näheren  besprochen 
Ton  al-Färäbl  in  seinem  seinem  Buche  „tte  intellecla*  (Camerarius*  AI- 
pharähii  opera  onmta.  Paris,  1G38.  S.  48—49.  Dieterici,  AlfärähVs  phiU}' 
sophische  Ahhandliiugcn.    Leiden  1890.    S.  42 — 43. 

3,  20-4,  3.     Vgl.  ,rfc  snmM  et  ttisione'*  18,  2(»-19,  2, 

4,  9  und  5,  \^:  j>hantasiam.  Das  Wort  „phantasia*  ist  —  entgegen  Jour* 
dai  n,  der  es  Mr  ein  Kennzeichen  des  griechischen  Ursprungs  einer  Übersetzung 
hält :  „des  mots  phantasnia ,  phantasia  .  .  .  annoncent  assez  Temploi  d'une 
Version  grecque"  [Ilechtrchea  S.  320)  —  schon  ftflh  in  die  syrisch-arabi- 
sche wissenschaftliche  Litteratur  eingedrungen  (vgl.  G.  Brockelmann, 
Lccicon  st/r/acum,  Berlin,  1894.  S.  277^)  und  kommt  auch  vor  in  der  be- 
kanntlich direkt  aus  dem  Arabischen  angefertigten  Obersetzung  von  Qusti 
b.  Liu]ä*s  Traktate  „de  dffferentia  spirüus  et  am'mo«''  (Barach,  Bibltotheca 
Philosophorum  mediae  aetatis,  11.  Innsbruck «  1878.  S.  130,  137,  139)  —  auch 
im  Arabischen  Ji^U^l^  (Gotha^  cod.or.ll&8  fpL^a  Z.5)— .  in  al-Kindrs 
Schrift  ,de  »omno  et  nisiont*  (U,  4)  und  anderswo,  z.  B.  auch  im  Buche 
„'/e  anima** :  »nulla  phantasia  intehieniente**  (Löwenthal,  a  a.  0.  ^. 
128,  12). 

Beitrage  II.  ft.    Nagy •  A1-Kinili.  5 


4,  K"«.  1  SBi  T.  2— 3L  Der  GeAuAe:  .aih.3  ifitiir  q«od  cft  in  pi>- 
tcnta  cxit  ad  «Ifci  fiMi  mk  per  afiai  ■{aaj  «at  in  «flecto*  kdnrt  spitn-  oft 
wieder-  Siefac  al-F-irÄbi'»  ^  MT^ffligetM-  ,ipai  taentia  cnim  ofm  fit  int^ 
lectas  ia  dEerts  sn  propter  ca  qoac  ssat  intdleeta  in  efierta*  fCamera- 
rivs.  a-  a.  O  S.  30.  Dictcrici  a.  a.  O.  S.  43..  VfL  Loewenthal  a.  au 
O.  S.  HÄ 

5v  5—9-  VfL  a^J^aräbL  «rilr  imitueetM:  Com  enim  acquirnntforj  ab  ea 
iateUecta  (qsae  ipaa  afaaCrahit  a  Bitcrüs ,  tmic  fimit  illa  inteUecta  in  effectn, 
qoae  iprmsqnaB  abstnhcrcatar  a  ssis  Batcriis  ennt  inleUecta  in  potenlia. 
Camerarias  a.  a.  O.  S.  ¥>;  Dieteriei  a.  a.  O.  S.  4a 

6,  7 — 8  and  7.  7— d:  ,«ed  cnm  mütar  com  ea  fonoa  int^fibilis,  tnnc 
ipsa  et  intelleetiifl  toot  m  ona  tcibcct  ialdlifeiu  et  intelleda.*  Vfi. 
J^jftJj  xSjJÜLtJ  --^*^*^  JJU-'J  .  ,  .  .  uut  Jy^*^^  J^«*  '^l  *i^J*^ 
Bardenbewer.  /£?  t4'««/>,  S,  83.  d  nnd  S.  84,  3 — I.  [com  fit  fonna  iUae 
eaBeotiae,  id  qaod  inteiliinlar  non  est  aliud  ab  eo  qood  est  inteUectns  ael 
inteflifei»  in  efflndu.    Camerarias  a.  a.  O.  S.  51;  Dieteriei  a.a.O.  S.44. 

6,  H—U:  ».ratio  ifitar  «t  rationatam  sunt  res  ona  ex  parte  animae"  = 
de  iitmiut  *.i  utMiimf  10,  JVi:  „ratio  ifitor  in  aninia  est  rationatum".  Tfl 
Aristot«!««  'Mfiaifk.  XII,  7,  1072  b  20—21):  Amow  6i  rott  6  voOe  xaxä 
furdXrjt/nr  iffH  vttituti'  vorjr^^  yh^  yiyvetm  ^lyyävmv  xai  romr'  wate  ravTÖr 
roiff  ffoi  rorjtiiv. 

7,  0-  />;  «Htiliita  Ifltur  eMt  intelligens  in  potenüa,  sed  exit  ad  effectnm 
per  Jntellffmittaiii  primuni  od  quam  cum  ipsa  respexerit,  fit  intelligens  in 
effeclu'.  Vgl.  »1  KiirÄlii,  de  irUeUecf.u:  .Sic  et  intelligentia  agens  est  qnae 
trahit  ad  etferluni  inlallectum  qui  est  in  potentia  et  facit  esse  intellectum  in 
effectu  cum  n» ,  quo  trii»uilur  ei  ab  illo  principio  et  per  illam  inleUecta  in 
potentia  Hunt  inlollecta  in  effectu.*  Camerarius,  a.  a.  0.  S.  57— W. 
Dieteriei,  n.  a,  O.  S.  47.  am  Ende. 

9,  3  -17.  Vgl.  al-Färäbl,  de  inteUectn,  in  Camerarius,  a.  a.  0.  S.  53 
und  Dieteriei,  a.  a.  0.  S.  4.V-46. 

1— U.  Varianten  des  Codex  C  (=  LiHenfeld  cod.  144  foL  I02r_ 
102t)  >):  1,  1-  10  l/ehU  10-11  sed  sentenlia  eorum  1  SentenUa  Piatonis 
et   Arislotelia  13—14   in  acta  est  15  qui  |  qui  semper         17  ad  |  in 

8,  2  ea  I  eo  (m/(  .ST*)        4  enim  |  fehlt       5  illa  est  |  illa      6  est  iUa  quae  [ 
qoae  {est  quae  ASV*)       8  scilicet  generaülos  |  est  generalitas  scilicel  (gene- 
ralitas  scilicel  .s'l'")  10  senwto  actu        11  ipse  \/ekU        14  nee  |  et  (un- 

klar S)  17  «Uam  I  essentia  lest  ^  r«)  18eÜaml/eAtt  19  est  in  ani- 
na  \/rkU  {mit  ifV*)  sed  |  et  5,  1  alterum  |  aliter  uirtuüs  materia- 
lis  I  materiale  {mft  S,  materialis  V*)         a  dixit  |  dicit  (wut  S)       4  in  |  fehlt 


')  Ober  d«n»«lben  rgl.  a  Sc himek  in:    AVmiu  Bernanüma.    Fan  «e- 

mdm,  HamtttAnjUn-Vtrsfit^Hittr  drr  ri*tfr<'ttm*tr'St*/i«  der  ötterrHekiae'i- 

mgaritirm   Or,/f»M/«^,Mw.    Bd.  I.    Wie«  I8«l.   S.  5»  ff.     GL    Baenrnker 

«■:  yfciUytwAe*  J<i4rAi*,<A.   brvg.  von  C,  tiutl>erlet.  Bl.  VI.  Fulda  18öa    S 

T  nri  w  d*«  IVOefitnienen«  «u  wioer  Au!V»be  d«  Fom»  mftae,  p.  XIV 


Anmerknngeü.  M 

5  exempHflcat  (  eiempUcat  7  tone  I  et  tunc  10  adeptae  |  apte  {mit  T*) 
13  in  potentia  est  j  est  potentia  non  est  14—15  inteUigentia  ....  et 
non  \  fehlt  {mit  i^V*)  16  ad  effectum  |  in  actum  7,  1  hia  efssjet  |  esset 
{wH  AM^ysv^V*)  2  ad  effectum  |  in  actum  3  anima  alia  est  in- 
telligens  J  inteUigentia  4  ad  effectum  j  in  effectum  h  cum  ipse  respexe- 
rit  {  respexLTÜ  cum  ipsa  ( Wortumatettung)  intelligens  |  intellectus  {mit  S) 
8  cum  i  est  (e  für  ö)  9  intelligens  et  intellecta  |  intellectu»  et  intelleclutP 
12  effectu  intelligens  |  intellectu  intellectum  (ähnlich  S)  ipse  j  ipsa  {mit 
AM^XSV^)         14  non  |  enim  Iß  una  res  17  in  \  fehlt         18  seeun- 

dum  {  quam  10  sensatum  |  sensum  igitur  |  enim  20  secundum  \  fehlt 
9,  2  tunc  I  tarn  Interim  dum  |  est  ...  de  {IMcke)  3  intelligens  in  ef- 
fectu  I  inteUectus  [mit  M*yS)  in  effectum  quidem  tertins  4  iam  \fehU 
{mit  SV*)  habetur  |  habet  6  properata  1  praeparata  {ASV*)  9  ex 
anima   apparens    {mit    M'')  propalaueris  |  probaueris   (approbaueris    S) 

11  igitur  I  ergo  {mit  S)         13  [in]  |  ex  {mit  S)         15  cum  |  illum  {mit  NV^) 
adeptio  animae  (mit  ST')        quae  |  qui  {mit  SV*)        16  praecedit  |  procedit 
17  ex  anima  )  in  ea         effeclu  |  affectu         18  partes  sunt        11,  l  de  hoc  | 
fehH'{mit  .*?!'')         2  sufficiat  |  de  hoc  sufHciat  (ad  hoc  sufficiat  V)         3  | 
fehU  {mit  JVT'). 

12,  6—9:  „hoc  uero  est  de  suhtilibus  scientiis  naturalibus  et  proprie 
in  qua  transgressio  ßt  ad  loquendnm  de  uirtutibus  animae'.  In  dem  Ca- 
non des  Aristoteles  bei  Ja'qübi  (Houtsma,  a.  a.  0.  S.  149-150),  al-Nadim 
(Fiagel,  Fibrist,  S.  251)  und  ihn  abi  U?aibi'a  (A.  UQiler.  t  S.  58)  schließen 
sich  die  psychologischen  Schriften  (negi  yfvx^s  und  negi  ah^^ems  xal 
alo&ijTov)  an  die  sogenannten  naturwissenschaftlichen  dicht  an. 

13,  15  und  13,19—21.  Vgl  Aristoteles,  de  xomtio  et  uigilia  1,  454  b, 
25-26;  Albertus  Magnus  (Jammy)  V.  S.  70a.  Siehe  Einleitung  XXIII, 
XXIV. 

13^  16—18.  Dieselbe  Anordnung  in  der  Zählung  der  Sinne  bei  Ja'qubl 
(Houtsma,  S.  169  gegen  Ende)  und  Öalirastäni  {Book  of  religioua  and 
philomphical  aeettt  ed.  Cureion.  London  1842—46  S.  128): 

-   nur  kommt  der  „Geschmack''  vor  dem  .Gemch*. 

1 1,  6—9.  Über  die  Frage,  ob  Wahrnehmung  und  Wahrnehmendes  ein 
und  dasselbe  sei,  und  obldie  Dinge^durch  ihr  Wesen  und  ihren  Körper  oder 
durch  ihr  Wesen  abgesehen  von  ihrem  Körper  existieren,  handelt  nach 
Ja'qübi  (Houtsma.  S.tl50)  die  Schrift:  :teQi':ai0&^aefos  ttai  a/o^i/roC-. 

14,  9--19.    Vgl.  Albertus  Magnus  a.  a.  0.  S.  TlbJSiehe  XXIV). 

14,  5-17,  24.    Vgl.  Albertus  Magnus  a.  a.  0.  S.  71b   (Siehe  XXIV) 

5  • 


mC  §^»s>«^*-.b»     3MM-  mn-tmusm    "»  f^  *     ?  amMipi«  fmaiB.   T. 

r— 4.-:  ^rtf^wtef  VW   «<ai*iioiwui   o^    tc  k.  d»  popt^iHi    .  .  .  .  v   ^mmimm  Ik. 

iMnqjdacUiuiHCtr^f>«l«'*nf«r  >ifamiaF  ImBBDm^t  vn 

ac7r  w  jj^Kfv^if^tm  Imx  lutr  m^umieuoBL  iza£  2iis  Eaör  äes  ^«t****«  äcfc 
«rcti«rk«n4es  ciauho.  fliaifcJRa  &GelenmF   ^  Tn.liu.«il>git  aüafikhi   Wi 

'£]];«  7«^  <&Ac  3Et{M  «t-««f '  Soe  iffnii  f^n.,  jiphiw   jrmv . 
fixe*    xm    u/f-w*    t^fv^i^    tJMjfSMM;.  eäftfbÄe   emcMHe.    an  t^ 
ixvxailguu  .  .  .  .  i>ic  1^13  cL 

23.  10— SD,  1>^.  V|^  AJi«rtiif  Safssf  a.  a.  a  S.  ?Ga.  Sehe 
XXIV,  XXV., 

28,  $  cuntifHüttiir.  l>Je  Variaulie  ia  C  laslel  voonÜBmatar*.  Kan  rnnfi 
die  tedtiuÜKtw  Bedeutusf  dieaet  Wort»  in  des  ClmatUiuifeii  aas  don  Afa- 

biaeb*n,  d.  h.  «Mcfa  anmli«»  ao^,  Jn  Vcrliftttnis  sieben  nit*  (v  J«'*^^) 
in»  Kti^H  immfefi.    Vgl.  Bard«ohewer,  '->  ««««ü.  S.  194   za  $  äd). 

2f,  7— H,  i'\i\\fMft^ui  ifitnr  dlaidJtar  in  scietitiam  et  t^ieratiooeni  Jid 
aii  Ihn'trlf.Mnt  «i  pnurtioiui,,  —  PIntarch.  De  pimr,  pki,  (Diels,  Doxityra- 
pM  ffrtjueei,  lUirUu  lffI9,  S.  273,  2r>— if74,  5j:  M^MFroroüT;  Ar  xoi  6lrofroiWTOf 
Ktti  ox'^^  n/srtt:  m  ntQtnatrixixni  AutLorro  r^  f-uoaog-ciar  ortoK'  öfu/xofor 
ctfr  xIXmvw  ävhQa  xai  0fOjftr/riHÖr  flrcu  twv  örrorr  xai  .Tooxrtxöp  tmr  6emrwa>r, 
—  Oimtim  HucU  'imt  l'lutiu-ch  wurde  von  Qostä  b.  Lüqä  unter  dem  Titel : 

ObemetKi  (Wenrich.  a.  h.  0.  S.  22f>,  FlQgel,  FihrUt.  S.  254),  woraus  lln- 
l^amined  h,  Miu(|  al-Nadim  (im  Fihritt)  und  Scbarastäni  exctfpjert  ha- 
ben.   Htehfl  DinlN,  a.  u.  O.  S.  28.  —  Auch  ibn-GabiroI: 

iv'^yn  dVivd  C'£3:n  p^nr.  nsrvDm  njj^TDi 

(bei  Ptthiöra,  Miitik,  MHaitgtH.  ö.  ^n,  Z.  11.  Vgl.  S.  5  Z.3— 4  von  unten.  - 
Baeumker.  u.  a.  (>.  H.  4,  27-28). 

2H,  M  10;  .aiiltiia  in  duas  partes  diuiditur,  qnae  sunt  cogitatio  «uel 
ratio)  et  Neiuuii,  qunirtttdiiiuduni  ostendimus  in  libro  categoriarura".  Wenn 
die  Katogorlpii  dM  Arintotcte«  gemeint  sind ,  so  könnte  nur  auf  die  Uoler- 
aeheidung  vtm  imM*)ftti  und  nXo&tiaa  angespielt  werden,  welche  beispiels- 
weise angt«mhrL  wIrt).  Allein  das  «ontenüimus*  legt  den  Gedanke  nahe,  dafi 
alKiadl  sich  viithitelir  entweder  aur  die  Paraphrase  der  Aristotelischen  Kate- 
•»"*••  '^•ht,  weicht  unter  dem  Titel : 


Anmerkungen.  ^^ 

von    ul-Nadim,   al-Qifli   un<l   ihn  Hbi  U^aibi'a  Obereinslimmend  citiert  wird, 
oder  uucli  auf  seine  Abtianülunt;  Ober  die  zebn  Kategorien: 

iFibrist,    n"  25,  Qifji  n"  VJ ,   U^aibi'a  n»  27,   ^a^^gi  yallfah  VI,  07. 
n»  12819). 

29,  ii—7.  Nach  Ja'qübi  (Houtema,  145  oben)  bei  Klamroth,  ZDHG 
Bd. -US.  422:  ^über  die  Naturwesen,  Ober  das,  was  an  den  Körpern  sich  findet 
und  mit  ihnen  vet4)unden  ist,  über  das  was  nicht  an  den  K-irpern  sich  findet 
und  auch  nicht  mit  ihnen  verbunden  ist'  und  U^aibi'a,  (Mfliler,  I,  S.  57) 
bei  demselben  (a.  a.  0.  note  4),  wo  der  angeblich  sokratische  Ausspruch 
citiert  wird:  ^Forsche  nach  drei  Wegen,  d.  h.  nach  der  Wissenschaft  von 
den  Körpern,  nach  der  Wissenschaft  von  dem  Un körperlichen,  und  der  Wis- 
senschaft von  dem  was  zwar  Unkörperlich  ist ,  doch  in  Verbindung  mit  den 
Körpern  ist"  —  wäre  29,  6  statt  „separatae  et  non  coniunctae*  ,non  sepa- 
ratae  et  {besser  „sed")  coniunctae";  29,  10  statt  ,non  sunt'  .sunt";  29,  12 
statt  ,non  est"  „est"  —  zu  lesen. 

Vgl.  ihn  Gabirol,  Baeumker  a.  a.  0.  S.  70,  3-5:  ^^t  sicut  anima 
discreta  est  per  se  a  corpore  et  est  ei  iuncta,  non  tarnen  cohaerens". 
Falqera  {Munk  S.  Cb  Z.  4-r).  Vgl.  36,  4-5). 

\"^bDrj  n  rpy^  xmt  ^^ynrc  Ti'^r;^  npiia^:  trasn^*  iddi 

30,  11—14.  Ja'qubi  (HouUma  S.  149)  bei  Klamroth,  a.  a.  0.  8. 
429:  sei  es  in  der  Luft  oder  auf  (der  Oberfläche)  der  Erde  oder  in  ihrem 
Innern,  und  die  darin  vorkommenden  Phänomene:  wie  Wolken,  Nebel,  Don- 
ner, Blitz,  Wind,  Schnee,  Ke^en  u.  a. 

30.  15—17.  Ja'qübi  (Houtsma  (S.  148)  bei  Klamroth,  a.  a.  0.  S. 
428:  Darin  —  in  der  (fvmxfj  dxßoaan  —  behandelt  er  die  fünf  Dinge,  die 
alle  Nitturwesen  umfassen ,  und  ohne  welche  keinem  Naturwesen  Existenz 
zukommt,  nämlich  Stoff,  Form,  Ort,  Bewegung  und  Zeit.  I^iwän  al'^afä 
(Dieterici  S.  24  Z.  3-4).    Siehe  Einleitung  XXV. 

31,  3:  „Tempus  enim  est  numerus  motus'  ==  I^wän  al-^afä: 
(Dieterici,  S.  35  Z.  6)  und  al-Färäbi 

,^\  :o^  jjwt  yj  ujI  ^.^uyi 

(Dieterici  Alfärähls  philosophische  Abhandlungen.  Leiden  1890  S.  23 
Z.  (>).  Vgl.  Aristoteles,  Ph/sik,  IV  219b  1 — 2  roßro  yäg  eaitv  6  XQ^°S, 
noi&fw^  xtvrjaefo^  xatä  tö  jigöreQov  xat  varegov.  —  Der  Vorrede  nach  zn 
schließen ,  hat  al-Kindi  dieses  Stück  dem  oben  citierten  Werk  entnommen. 
Doch  ist  nicht  ausgeschlossen .  daß  er  auch  de  ets^  I,  279  a  14 — 15 : 
XQÖvog  Ak  agtOftoi  xiv^aetos,  gekannt  habe,  denn  ihn  Rudd  spricht  von  einer 
Übeisetzung  aus  der  Feder  al-Kindrs:  De  caelo  III,  expos.  35:  .Haec  in- 
tentio  est  difficilis  ad  intelligendum  ex  ista  translatione  qaam  modo  habemus, 
et  forte  deminutio  cecidit  in  hac  translatione  a  translatore.    Nos  enim  non 


70  Al-Kindi. 

habenius  nisi  translationem  Atkindi.  Translaliones  auteni  ueriores  sunt  IsaaciB^^-* 

Über   den    Zusatz:     ^iViAjI   (^des    Himmelskreises ")  bei    al-Färäbi    und   Jc!=»<d 
i^wan  al-^ufä siehe  Haureau,  IIistoiredelaphäo80phit»culastique\l,h  S.  13^'TEl). 

31.  lH-32,  1.  Vgl.  Ifewän  al-?afä  (Dielerici,  S  24  Z.  5—7).  Siehs^^e 
S.XXVI.  J'aqübi  (Houtsma  S.  148)  bei  Klamroth  S.  42»:  Von  diesen  füc^Ksf 
sind  zwei  Substanzen ,  nämlich  Stoff  und  Form  ,  und  drei  sind  substantiell  Je 
Accidentien. 

32,  5 — 7:  „isla  quatuor:  calidum,  frigidum,  humidum  et  siecum.  qu^^^^ 
sunt  principia  animalium  et  arborara  et  oninis  rei  in  generatione  et  cc^  t~. 
ruptione".    Vgl.  It)wän  al-^afä  (Dieterici,  S.  2,  Z.  17-19): 


> 


ide 


l^   Jj^J^  ^p>\    ,.\l/^)\ 

32,  li)  — 21 ;    „definitio  autem  sermo  est  compositus  ex  genere .    ex  i\_ 
Tti*  definita  existit,   et  ex  differentia,   ex  qua  fit  praeter  omnem  rem".    V~ 
Aristoteles,  Top.  I,  103b  15:    d   Sßtaftoe   ix  yfvovs  xcu  &uupoß&v  rottr. 
und  140a  27:    AeX  j'öp  tö  ^fv  yivog  ajto  tihv  &XÄmv  xotgiCtt^,    ny**  Ä«  Uta 
furo  uvo^  Tutv  h  Tfp  avxfji  yhei.    Siehe  Ja'qübi  (Houtsma,  S.  147  g^en  Ei 
Klamroth,  S.  427). 

Vernmtlich  hat  auch  al-Kind:  etwas  Aber  die  Topiken  geschrieben.  de=  —   ^^^^ 
wir  finden  den  Titel: 

(Fihrist  n»  31,   Qiflin"»25,  U^aibi'a  n"  33)  Casiri  (S.  353):    ,De  a 
topica,   siue  de  locis  logicis  unde  argumenta  quaeque  sunt  petenda*.    Ha 
mer  (III,  S.  244  n"  ;J2):    „Das  Buch    von   der  Ableitung  der  Gedanken 
örtlichen  Gründen  (romxä).'' 

33,  15.    Siehe  S.  XXVI. 

33,  l(j.    Il)wfin  al-safö  (Dieterici.  S.  24  Z.  8—9): 

33,  18.    Da  qtiidem  indes  in  O  umgekehrt  Z.  12  fehlt,  so  sUnddasse  "^^*^* 
im  Archetypus  vielleicht  am  Rande  und  ist  entweder  in  O,   oder  in  T'f'  "^ 
an    verkehrter   Stelle  eingesetzt,    und  daher  entweder  hier,   oder    Z.  12             ^^ 
streichen. 

'X\  20  -21      Aristoteles,  cat.  4a  10— U  :   ^äXima  de  Biw  t^  ovc^-**^ 

doxei  rtvai   rö  rai-rö»'  xa/  ev  aQtdfAfp  —  anstatt  des  »sine  corruptione^ ^^ 

x<av  ivavrioiv  tivai  ösxxixöv. 

34.  2.    Siehe  S.  XXVI. 


/ 


Anmerkungen.  71 

34,  3 — 5:  ^omnis  auteiii.  si  nliquid  uult  exponere"  u.  s.  w.  Vielleicht 
li^l  in  ,<iiiiiie  autem,  f^uml  aUquis  uult  e^punere,  necessariuio  est  ul,  si  no- 
men  illius  sit  commune,  iliuidat"  (so  l'*)  die  dem  Arabischen  geläufige  ab- 
solute Konstruktion  vor,  die  dann  beizubehalten  wftre. 

35,  12.    Siehe  S.  XXVI. 

35,  13 — 15.  Buchstäbliche  Cbenietzung  des  Anrangs  des  vierzehnten 
Kapitels  der  Kategorien  (15a  13-  14):  Kivtiaetos  Hr.  iauv  xTdr)  f^ ,  yh-eatc, 
ffdoQÜ,  av^tjats,  /ifiojoti,  dJiXoifooic; ,  t)  xata  xöjtov  nexaßoX^,  Arabisch  (Zen- 
ker: Ari'gtoteh'a  Categortae,  cum  uer«ioue  haaci  IJuueini  filii.  Leipzig,  189Ö, 
S.  47,2-3): 

vjLjcu'^"5Mj  ^«juJIj  j-»*i|j  ^LmjliIj  ^My*^'-''  *v^  'o^yjsfiJi  Jyi 

Vgl.  Ibwän  ul-^afä  (Üieterici  S.  32  Z.  2—3): 


l\ö,  lf>  -21.  Ziemlich  abweichend  bei  den  It'wan  fll-fiarü  (Dieterici, 
ibid.  Z.  2-4):  <*• 

\p  jA  ^jA   **mj*^jI   oU'i-^   tXtl*:j  jj    ijiiji]^   ^'*3    ^j-*>Ji   «^LwJÜlj 

,l)iis  Entstehen  ist  das  Hervorgehen  des  Dinge»  aas  dem  Nichtsein  zum  Sein, 
uder  von  der  Kraft  zur  Handlung,  das  Vergehen  ist  das  Gegenteil  davon. 
Die  Vermehrung  besteht  darin,  daß  sich  die  Grenzen  des  Kt^rpers  vom  Hit- 
telpunkte desselben  entfernen ,  die  Verminderung  ist  davon  der  Gegensatz* 
(Dieterici,  die  Naturwisnetuehaft  der  Araber,  S.  11). 

36,  11—13.    I^wän  al-safä  (Dieterici,  S.  32  Z.  5—6): 

i 

Das  Beispiel  vom  Weissen  und  Heissen  schon  bei  Aristoteles,  eat.  5,  4a 
10 — 20:  6te  fikv  Xfvx6s,  oxe  di  fiiXas  yivcrai,  xat  0eQft6s  xai  yvxQ^.  — 34a 
31—32:  yvxgov  yäg  ix  &£Qfxov  yevoftevov  fietißaXev  (^XXoiattai  yög),  xai  fiHop 
ix  Ä€Vxov.  Vgl.  auch  cat.  8,  9a  29 — 31:  'Eott  de  ro  Totdde](xot6Ttjtes)  oTo» 
ykvxvttjs  re  xai  7ttXQ6xijs  xai  orQv^vörtjs ,  xai  xdrta  xa  xavxoti  avyyer^,  in  6e 
OeQfiöx^g  xai  yvxQfixtis  xai  levxäitjs  ftoi  ftelavia. 

36,  20:  iaculfttores.  Hier  wohl  speciell  Schlenderer.  Oder  ist  iocvia- 
tores  zu  lesen?  Auch  die  scientes  in  artibua  sind  hier  vielleicht  Prestidigi- 
tateure  oder  dgl.  , Artisten**,  da  doch  an  einen  Globus  u.  dgl.  als  Beispiel 
der  rflckUuflgen  Bewegung  schwerlich  gedacht  werden  kann. 


72  AlKindi. 

37,  1—4.  Vgl.  Aristoteles  Phys.  IV.  1,  ÄlPb.  17—18:  A,6  um  rarvö 
:toiidxts  Ae$ic9  xai  dgtaregör  etni  xai  Sna  x€ä  »ärcu  xai  noöadrr  xai  JSctut^rr. 
—  V,  ö,  229b,  7 — 10:  xtu  ^  äno  tfooä  r/J  xärot'  rrartia  -^o  ropra  fr  itijjut. 
xat  fi  tti  or^ta  rfi  ki;  aoimroa  erarrta  yag  rarra  rr  :ilaxri.  xat  ^  «>  rö 
ffuiQoa^gv  Tff  tU  rö  ojttadrr'  erarrta  yag  xai  tarta.  Siehe  Ja'qübJ  ( Houtsma 
171,  Klamrotb  40):  das  ,wo' ,  d.  h.  das  den  Ort  betrefTende,  hat  die  sechs 
Richtungen,  nämlich  vom  und  hinten,  oben  und  unten,  rechts  und  links. 

37,  7.    Siehe  S.  XXVI. 

37,  7—38,  23.  Die  Quelle  dieses  Kapitels  ist  Aristoteles,  /iAy«.  IV, 
aOöa  27-217  b  29. 

37,  H— J».  Aristoteles,  p/iifs.  IV,  1,  2U8a  32— 33:  "£>«  6i  .toUäi 
tutogltK  u  .Tor'  rour  6  rö^ioi. 

37,  H)— II.  Aristoteles,  ibid.  209b  11—12:  6to  xai  nidrtor  zrjr 
vXtjv  xai  Ttjr  x<^9<^*'  ^arro  ^atr  eirai  er  t^  TtftaUtt,  Vgl.  auch  209  b  33 
—210a  2. 

37,  17-18:  nülud  iiaque  in  quo  corpus  contineturnominamus  locum.* 
Aristoteles,  ibidem.  2IOb  35 — 2tla  1:  'A^iovfur  6rj  röv  rdbror  rtra*  .To<Üror 
fiev  .-re^/or  ixetvo  of'  tö^oi  faii.  VgL  I^wän  al-^afä  (Dieterici,  S.  3Ü 
Z.  9): 

a^^-*^^    \*ä    ^.yA^    ^^'1     l^^\    j_ft5     ^.^'1    ;^4Ü^    AJ^    ^-V-X^^    C^t 

37,  19—21.  Diese  Stelle  ist  nach  Aristoteles,  /<Ay«.,  IV,  4,  2llb  34~3ti 
zu  verstehen  und  berichtigen :  orrn>  xai  »  röro;  Sm  rotavtrje  uroi  rtrcu  doxei 
qmrtaaiaSt  ulifv  fxelro  fter  dtou  S  tj»  ät'iQ,  tovro  rvr  vd<oQj  6  de  toxos  o  o{' 
^r  ai^Q,  erroutf'  iati  rvr  vdoiQ. 

38,  7—9.  Anspielung  auf  das  Zenonische  Paradoxon:  Aristoteles, 
ibid.,  209a  23—30  und  210a  5—9. 

38,  13 — 14:  „Nunc  locus  ....  est  superficies  quae  est  extra  corpus, 
quod  locus  comprehendit".    l^iwän  al-?afä  (Dieterici,  S.  :M  Z.  I:f~-I4: 

3«,  2.  Siebes. XXVI.  Quelle:  Aristoteles  phys.  IV,  217b  2!»— 222b  3ii. 

39,  3—4:  li  h"  enrir  6  XG^^'o^  *"*  "V  avi<n'  ^  ffvots,  6fioio}g  ex  re  r&r 
.tagadedofiertor  ädrjliöv  tau  .  .  .  ot  fiiy  yäg  zrjr  jov  öäov  xivtjatr  etrai  gaair, 
Aristoteles  ibid.  2l8a  31— 21Hb  1. 

39,  6 — 13:  eatt  A'  evtjdixmtegov  rö  eißtjfteror  ....  "Aä«  de  öoxet  fiditora 
xttijais  etrai  xai  fteraftoi.//  ug  /gövotf,  toCr"  a»*  etrj  axe:txiov.  'H  fiir  ofv  fxdaiof 
ftetaßoXi)  xai  xivtjaig  rv  avup  up  fteraßdiXottt  ftövor  eotlv ,  tj  ov  ar  Tv^fj  or 
ai'to  tÖ  xirovfterov  xat  fieTaßdXXor.  6  de  jj^^'i-o.;  oftoloig  xai  navxaxov  xai  ^agtt 
.Tämr.     Aristoteles,  ibidem,  218b  7—13. 

39,  13 — 17:  FTt  de  fiFTaßolij  fiiv  iart  jräoa  iWrrwi'  xai  ßQaSvrrga,  X0droi 
d'    ovx    ioTiV     i6   yno  ßgadv   xai    raxv  XQ^^H*   lOQiojai,    ta/v  ftir  x6  er  6iiy^ 


Anmerkungen.  73 

sioXv   xtvovfirvor,    ßga/iv    /ie   rö  iv  :ioXXf^  okiyov.     Aristoteles,    ibid.,    2l8b 

i:\-u. 

39,  2<)— 23.  instans  =  tempus  praesens  (Forcellini,  Totim  Latini- 
Uttia  Lexicon.  T.  III.  Pralo,  Aldini,  1865.  S.  545b).  Vgl.  Beer,  al-OazzatVg 
Makdaiä  täfalils/fat,  Uiden,  1888.  S.  13. 

39,  20—40,  7.    Quelle:  Aristoteles,  ibid.,  218b  21— 22la  2<1. 

3ü,  20—23:  Aristoteles,  ibid.  218b  23—20:  Ov  doxet  i)fttv  ytyovevQt 
XQoroi  ....  Svvästiovat  yhß  rö  ngöxegov  vvv  xtp  vaTe(}Ov  vvv  Hai  rv  :iot<n>atv 
i^tugovvtes  dtä  ri)V  avtuo&rjaiav  lö  ftera^v.  "üajieg  oZ-V  fi  fiij  ^r  etegov  ro  vvv 
nXXa  ravto  xai  ev,  ovx  av  ^v  X6^^»  ovrat  Hai  istei  Xav&dvei  cregov  ov,  ov 
Aoxtt  Ftvat  TÖ  fina^v  Xß'^^^- 

39,  24 — 25:  orav  de  rö  sTgoiegov  xtu  vauQOv,  x6xt  Xeyofiev  xQÖvov'  roPro 
ytig  Eonv  6  xß^*'*^i  agt&fiog  ntvijaeüK  ....  Aristoteles,  ibid.,  219a  34 — 
219b  1.  VgL  I^wän  al-?afä  (Dielerlci,  S.  35  Z.  ti)  und  Anmerkung 
zu  31,  3. 

40,  1—2:  „eius  quod  numeratur  ....  aliud  numeratum  iliscretuin, 
aliud  numeratum  oontinuum'*.  Aristoteles,  cat.,  tt,  4b  äÜ:  roC  de  .Tooot) 
rö  ftiv  iau  diojQtafUrov,  rö  de  avvexH. 

40,  2—3:  .Tempus  uero  est  ...  ex  numero  continuu."  Aristoteles, 
<•«(.,  Ö,  4  b  23 — 25:  avvexh  He  .  .  .  ^laga  laSra  6  xß^og. 

41,  5.  =  das  gewöhnliche:   /»-fr^y^   o^-^^j^^   ^'    ""^    Qur'än. 

41,  15  (und  45,  18,  53,  19).    Siehe  S.  XXX'. 
41—46.    Siehe  S.  XXVIII. 

41,  18—21:  ,uiae  per  quas  an^butauerunt  phitosophi  in  illis  disciplinis, 
in  quibus  sua  inquisitio  fuit  de  cognitione  certitudinis  rerum ,  comprehen- 
duntur  in  quatuor  speciebus ,  scilicet  diuisione  et  resolutione ,  definitione  et 
demonstratione."  Vgl.  Johannes  Damascenus,  :t^yi/  yvtooems  (Dialectica) 
Kap.  LVIII  (Migne,  Patrologia  graeca  T.  94,  S.  IJ71  b— c):  Üegi  j&v  xeoadQmv 
öiaXexTixwv  /te&öAtov.  —  'lareov  ,  tug  xiaaaQti  ttoi  diaXexnxai  fti&odoi ,  ijyovv 
Äoyixai'  ötaigerixi/,  tjxts  dtaigei  rö  yevo^  «V  eTÖt}  diä  fiioatv  xciv  dia<fogiöv' 
oQiaxtxTj,  Ijxis  obto  Tov  yivovs  xcu  tcüv  bta^OQWVf  dtv  dieilev  ^  dtaigtriHi^, 
ogii^ti  x6  vjToxeiftevov  dvaivuxii,  t/  x6  ovv&ixtxtöxegov  ävaXvovaa  eis  xä 
fvt/.oraxrea'  xovxeait  rö  ac&fta  ftV  xovg  /y/iOtV  xovg  jfy^oüf  eis  tovs  xagnovs' 
xoi's  Hagjxoi'S  eis  xa  xiaaaga  xä  oroi/ffo'  rö  axotxeZa  eis  vktfv  Hai  eidos'  obto- 
Hnxxtxij  fj  diä  fteaov  xivos  Setxvvovoa  rö  stgoxeiftevov.  oTov ,  jxgöxetxai  ftot 
dei^ai  Sri  ri  yrxV  a&ävaxos  eari'  Xaptßavm  xt  fiiaov ,  x6  aetxivrjxov,  xcu  avX- 
koyi^ouai  ovrtos.  'H  y'*'XV  aetxtvrjxös  iaxi'  rö  äeixivtjxov  idavaxov'  ^  Vt'Z^ 
aga  a&ävatos,  (Siehe  42,  3—45,  15.)  David,  Prolegg.  ad  Porphyrium  (Bran- 
dis,  Scholia  ad  Är-stotäem,  Berlin  183G.  S.  18a  34—35);  siehe  S.  XXVIIP). 

4~i,  Ki— 17:  ,Scias  autem  quod  propositiones  argumentationis  siimuntur 
ex  cognitis  in  principio  intelligendi."  Vgl.  Aristoteles,  analyi.  post.  l,  1, 
7 1  a  1 —  1 1 :  .TÖfTa  didaaxaXia  xat  :xäoa  diavotjxtx^  ix  jtgoihiagx'^^^S  ylvexai 
yvtoaems  ....  und  Ja'qübi  (Houtsma,  147.  Klamroth,  426):  ,Er  —  Aristo- 


74  Al-KiDdi. 

teles  -  -  sa^t  —  in  der  Schrift  der  Erkiftrung  und  des  Beweises  (avidvttxä  voiroal 
— :  die  Prämissen  beruhen  auf  einer  ihnen  gemeinsamen,  nllgeniein  anerkannten 
Prämisse,  welche  aus  vorher  bekannten  Bestandteilen  zusammengesetzt  ist." 

45,  21-26:  „sei licet ,  quod  sensus  non  apprehenüunt  nisi  singularia, 
composita  ex  substantüs  sintplicibus,  quae  sunt  in  locis  discretis  et  acciden- 
tibuB  particularibus  in  substantüs  discretis,  quac  sunt  designata  alia  ab  aliis. 
sed  quantitates  et  qualitates  non  possunt  sciri  recte  nisi  ai^mentationibos 
factls  de  compositis."  Aristoteles,  analst,  post.  II,  ä7b  31— "A-J:  Oi<6k  hi 
ala^aetog  eoxtv  htiaxaa^tu.  el  yäg  xat  raxtv  ^  aTa&tjms  jov  rotoirdr.  xai  ft^ 
ToS6i  uvot,  AXX'  ata&dvea&ai  ye  avayxaTov  zo^e  ri  xai  Jiov  xm  vüv.  ro  dr 
xa&6Xov  xtü  im  :iäoiy  advrazop  ata&dveo&at, 

46--49.    Siehe  S.  XXVIU. 

50-59.    Siehe  S.  XXVIII. 

54,  Q — 18.  Vgl.  Aristoteles,  attalt/t.  post.  II,  96a  2—7:  rö  Öi  xvxlta 
to&TÖ  iauv '  im  dt  tüiv  ggyiov  ipaivexat  'ihde.  ßtßQtyfihtji  t^  y^f  Ain^xn 
atfiiüa  yivea&at ,  iovtov  de  yevofUvov  vitpoi ,  iovtov  de  yrvoftivov  vSaig'  jovrov 
.  Ä«  ysvopivov  dvdyxri  ßeßßix^^  ^h*'  X^*"*  '«ß'o  d*  ^v  ro  i$  dgx^C,  aww  xvxlip 
:jeeuX^Xv&EV '  ivos  yoQ  amtöv  öxovovv  övxog  hegdv  iaxt ,  xaxeivov  aXio ,  xeu 
xovxov   x6  XQ&l<tV. 

59-61.    Siehe  S.  XXIX. 

61,  10—12:  ,,Bicnt  scriptum  est:  quod  dies  imticii  erit  in  ictu  oculi, 
uel  si  minus  dici  potest"  —  Qur'äa,  XVI,  77.  In  der  Übersetzung  des 
Haracci:  „et  non  erit  negocium  Horae  (i.  e.  dies  iudicii)  nisi  sicut  ictus 
oculi,  uel  ipsum  erit  celerius".    Vgl.  auch  XXI,  41. 

Ol,  18—22.    Vgl.  Qur'än,  XIV,  48  und  XXII,  66. 

62,  14-  15.    Vgl   Qur'än,  III.  133  und  LVII,  21. 


i. 

(Alleinstehende  Zahlen  bedeuten  Seite  und  Zeile,  als  Ex|Mjnente  die  Nuten.) 

Verzeichnis  der  in  der  Einleitung  und  den  Anmerkungen 
citierten  Namen  tmd  Werke. 

Abraham  b.  Esra  XVI. 
abü  Bi^r  Malta  b.  Jünüs  s.  Malta. 
abu-'l  Qasim  s.  Sa'id. 

Abunassar  =  abu  Na^r  (Muhaiuuiail  b.  Muhamiitad)  s.  (al-jFäräbi. 
Adamadim,  Adamidim,  Atchamaili,  Alehimidi  =  Alchindi  WIV  s.  (al-)Kindi. 
Alan  US  (de  Insulis)  XXXIV. 

Albertus  Magnus  XI,  *  Canali/I.  p08t.)\  XXI,  '  (de  iHteUeetu et inteUigibili }; 
XXIV,  '-»,  XXV,  67,  68  (de  somno  et  ngüia). 

al-Birüni  s.  Birüni:   und  so  alle  Eigennamen  mit  vorgesetztem  Artikel   Ji. 
Alexander  v.  Aphrndisias  XVin,  XXI,  XXVIII. 
Alexander  v.  Haies  (Alesius)  XVII. 
Anonymen:  categorici  XXX,  68. 

de  erroribu»  pkiloeopkoram  XIV,  XVII. 

epistüla  de  causa  et  causatie  XXX. 

—  de  generibus  acientfarum  XXX. 

—  de  hyle  et  forma  XXX. 

—  de  inteUectu  XXX. 

—  de  eeneu  et  »emato  XXX,  *. 

—  i/sagogarum  XXX. 

epistolae  diuintu  (theologia)  XXX  s.  (pseudo-)Arislotel«8. 
libri  logtcae  XXX. 
—     topicae  XXX. 
istoteles  Vll,  \  XVII,  XVIII,  '       (Opera    omnia  graece  rec.  1.  Bebker. 
Berlin  1831-71), 
analytica  VIII,  IX,  »,  73,  74. 
categoriae  70,  71.  73. 
de  anlma  XVIII, '. 
de  c.aelo  69. 

de  somno  et  uigiiia  XXII,  XXIII,  >,  *,  67,  68. 
metaphyeica  66. 
phyeica  Vlll,  XXV,  69,  72,  7a 
topiea  70. 


76  AI-Kind). 

(pneado-) krisioieXes  de  anima  s.  Loewenthal. 

de  causis  s.  Bardenhewer. 

theologia  s.  Dieterici. 
Averroes  s.  (ibn)  HuM- 
Avicenna  a.  (ibn)  Sina. 

Baco  (Reger)  X\U. 

Baeumker,  Beiträge  zur  tieschicbtpi  der  Philosophie  des  Mittelalters,  Hd.  I. 

Heft  2—4  Auencebrotig  fowt  uitae.  Münster  1892-95.  Co,  tW  '.  68,  fi9. 
Barach,  Bibliotbeca  Philosophorum  mediae  aetatis,   Bd.  11  (Coata  b.  Luca^s 

de  differentia  Spiritus  et  animae).  Innsbruck  1878.     rtS,  08. 
Bardenhewer,   Die  pseudoaristoteliscfie  Schrift   über  das   reiite  Oute  (de 

causis),  Freiburg  1882.    XIV  *,  XV  ',  GG,  Ö8. 
Bayle,  Dictionnaire  kistortqne  et  eritique.  Botterdam  1G97.    XIII,  *. 
Beer,  Äl-GazzdUs  Mfikiisid  al-faU'mfat.   Leiden  ISSn.    73. 
Berthelol,  La  Chimie  au  moijen  Age.   Paris  1893.    IX*. 
(an  Birüni  XVL 
(h.)  Bonaventura  s.  Fidanza. 
Brandts  s.  David. 

Brockelmann,  I-exicoH  si/riacutn.  Berlin  18!^.    65. 
Bruno  (Giordano)  XVII. 
BQlow,   Beiträge   zur   Geschichte   der   Philosophie  des  Mittelalters,  Bd.  II, 

Heft  3,  GuitdiseeUtHt  de  immortalitate  antmae,  Monster  1897.    XXXI. 
Buoncompagnl,    DeUa  vita  eä  opere  di  Uheiardo  Crentonese.  Roma  1851. 

VI*,  XIV*,  XV». 

Camerarius,   Alpharahü  uetiutissimi  Aristolelis    interpreti«   opera   oMn'a, 

qnae  latina  lingtia  comcrtpta  reperiri  potaerunt.     Paris    1638   (de  inlel- 

lectu).    65,  66. 
Cardanus  XVII. 
Casiri,  Biblioteca  Arabico-Hispanica  Escurialensis.   Matriti  1760,  1770.    V*, 

VI ',  VII,  ^  70. 
Catalogi  Ubrorum  mantiscriptorum  Angliae  et  Hiberniae.  Oxonii  1697.    XXX. 
Vatahtgus  codicwn   manmcriptoram  Bibliothtcae  Regiae  (Parisiensis).     Paris 

1739-1774.    XXX. 
Coxe,  <-'atalogini  codicum  qui  in  coUeg-is  aulisque  0.coniensibm  adseruantar. 

Oxonii  1852-1854.     XXX. 
Creinonensis  s.  Gerbard, 
Cuveton  s.  ^hrastäni. 

David,  Prolegomena  ad  Porpfit/rium  bei  Brandis,   Scliolia  ad  Aristoteleni, 

Berlin  1886.    XXVIII  ',  73. 
De  Sacy  s.  Sacy. 

Diels,  Doxographi  graeci.  Berlin  1879.    7,  8. 

Dieterici,  Alfär^ns  philosophische  Abhandlungen.    Leipzig   lf'90.     XVII  *, 
65,  66,  69. 
Die  Naturicissenschaft  der  Araber,  3.  Aufl.  Leipzig,  1875.    71. 
Die  sogenannts  Theologie  de»  Aristoteles.   Leipz^f  IB82.    XVIII  *. 


Verzeichnis  der  citierten  Kamen  tind  Werke.  11 

Dieterici,  s.  (Al*)^äräM. 

s.  (Ibwän  al-)?afä. 
Digby  XXX. 

Dozy,  Sup})lt'ment  aucc  dictianatrea  nre^n.   Leyde  1877.    VIII '. 
Dubais  (Mu^ammed  b.  Jazid  — )  IX  '. 

Elaaytayt)  s.  Porphyr. 

(pseudo-)Empedo)Eles,  jieQt  xfjs  jiifmrtfi  ovaitK.  XXVIl. 

Fabricius,  Bibliotheca  Graeca,  T.  13.  Hamburgi.  1726.    XVI,  *. 
(al-)Füräbi  (Abu  Na^r   Muhammad   b.    Muhammad  b.  Tarhän  — )  IX,  ",  X, 
XI,  XVII,  XXI,  XXIV,  XXVIl,  XXIX,  XXX,  '. 
9.  Gamerarius. 
s.  Dieterici. 
s.  Steiascbneider. 
Fidanza,  Johannes  =  h.  Bonavenlura.    XVII. 
{a\-)ßhn'«t  s.  (al-)  Nadlm. 

PlQgel,  Alkindi  genannt  der  Philosoph  der  Araber.    Abhdlg.  f.  d.  Kunde  d. 
Morgenlandes.    Bd.  I,    Heft  2.    V*,   VI»,  VH*,  *,  •,    VIII",  * 
X  «,  XIII  >,  XVII ',  XIX  ',  XX  ■,  XXIX  K 
s.  ^a^^i  ^allfah. 
s.  (al-)  Nadim. 
Forcellini,  ToUua  Latinitatis  I^xi'con.    Prato  18C5.    73. 
Frey  lag,  Lexicon  arabicoAat-'num,    Halis  Sax.,  1830—37.     VIII". 

(ibn)  Gabirol  s.  Baeumker  (Auencebrotin  fönt  uitaej. 

s.  Palqera. 
Galen  XXVIII. 

Gerhard  v.  Cremona  VI,  XIV,  XXI. 
(al-)Öazzäli  XIT,  XXIV,  73. 

s.  Beer. 

Malier  (Albert),  Biblwtheca  Ckirurgif:a.  Basel  1774.    XVI«. 

BiWotheca  Medkinae  practicae,  Basel  1776.    XVI*. 
Hammer  Purgstall,   Literaturgeschichte  der  Araber.  Wien  1850—1856.    V", 

VI ',  VII,  ■-  »,  «,  VI»  *,  \  XII »,  XXIX  ',  70. 
Haur^au,   Ht'etoire  de  la  phüoitophie  ttcotastique.    Paris  1872— 1880.    XI', 
Xlll.  ',  *,  70. 
Xott'cee  et  extraita  de  quelque*  mantucrit*  de  la  Bibiiothique  Na- 
ttonaU.  Paris  1890-1893.    XHI  •,  XX  •,  XXIII »,  XXXI. 
Heinrich  v.  Gent  XVIL 
Houtsma  s.  Ja'qübi. 
IJa^^i    IJallfah    bei:    Flügel,    lAxicon   b/Uiographicum  ettcydapaeilicitm  ti 

llaji  h'hal/a  compoBitiim.    Leipzig  1835-1837.    XVI.  09. 
I^amawaib  X. 

(ihn)  Uiillikän  XVI,  bei  F.  WOstenfeld,   Ibn  KhaU'lean,    Vt'tae   ed^,   narii» 
lect.  indtcibujtque  loeuplet.  iiwtruxit.    Göttingen  1836-1865.    XXVIl '. 

I^wün  al-^afä  bei:   F.  Dieterici,    Die  Abhandlungen  der  It^wän  ett-eafa  in 
^»/«PrtA/.  Leipzig  1883-188*;.  VI»  »,  XXV,  XXVI,  XXVIl,  69,  70,71,72^73. 


98  AlKiadL 


^  b^iq  al-ImHL 
Ifll^iq  ftl'Israili  XXXL 
U^  b.  Hfioaio  ».  Zenker. 

Jafajft  b.  'Adi  b.  Hamid  b.  Zakarijft  XVIL 

'at->ift'qübt  bd:  Hooliiiu,  C^nmil  des  Ihm  Wädik  alJ^^/ihi,  Läden  1883: 
Tni  S  IXTl.  XXTU.  67.  e»,  7a  72,  73. 
bä:  Kbunrotfa,    Cler  die  Amtzüge  oh*  yriedtitHtok  SekrifUtti- 
Urm  bei  J^qOn.    ZDMG,  R  41—43:  XXTI  \  XXTH  *. 
Jobaones  Damascenn«  bei:  ]li(ne,  Patrologia  Graeea.  T.  !>4:  73. 

iobanoet  Hiapalensia  (Hispanoa,  •>^^''  XY.  XXX. 
Joordain,  Reeberrbes  XIII.  \  XV,  '.  XX.  \  XXI.  >,  65. 
Jftbannä  b.  BaiUn  IX.  *.  X.  >. 
iäbanoä  b.  Misawiab  X*. 

L  M  aaawteh. 

(al-)KiDdi  V,  \  '.  X-XQ  nod  pavim.  €9.  70. 

de  inieUectu:  V,  *.  VI,  XIII,  XV,  XVII-XXI.  XXX. 

de  ratitme  XV.  XX- XXII.  XXX    XXXI.  XXXIV. 

de  wtedicinamm  compotitarum  gradibttt :  XII  '. 

de  qnin^ye  euentÜM:   V,  Vi,  VII,  ',  VIII,  \  XIII.  XIV.  XX,  XXV— 
XXVII.  XXXI,  xxxu. 

de  9ex  fituinittatibuH  {'f):  XII'. 

de  9'ßmw,  et  uisione:    V,    VI,  ',    XIII.  XIV.  XV,  XIX.  XX,  XXI— 
XXV,  XXXI,  XXXII,  65.  6H. 
Klflmroth  s.  Ja'qübL 

Lakeniacber,  De  Aikendi  Arabum  philoeupho.  Helmstedt  1719.    XIII.  **. 
l/ber  intTodueUfriut  in  artem  logieae  dem'jngtrattonie  8.  Hubammad. 
Loewenthal.  pMeudo-AritUnlden  über  die  Seele,  Berlin  1891.    65. 

Haracci  i.  Qur'än. 

Mäiavlah(lle8ue)  XVI. 

Hatte  (abü  Bii^  —  b.  Jünüs)  IX,  ',  X '. 

Menendez  Pelayo,   Il/Mtoria  de  lo*  heterodoxo»  e^tpabnUs.     Madrid     1880. 

xur,  XV*. 

Higne,  Patrologia  Graeca  8.  Johanne«  Damascenus. 

8.  Synesios. 
M 11  c  c  i  o  1  i ,      Ctdalogue    eodieum    manuecriptoriim   MakUestianae    Cae^enatie 

IhUioihecae.  Cesenae  1780.    XXX. 
Muhammad  s.  Qur'än. 
Hu^animad  b.  Jazio  b.  Dubais  s.  Dubats. 

Mut/ammad  b.  Muhammad  (abü  Na^r  — )  al-Färäbi  s.  (aI-}FüräbT. 
Muhammad   discipulus  al-Kindi,  liheT  introdnetoriin   in  artem  logieae  de- 

vwmtrut:u7VB.     V,  IX,  XI,  XII,    XIV.  XV,  XVIII,   XIX.   XXVIII-XXX, 

XXXI,  XXXill. 
Muqtudir  X,  >. 


Verzeichnis  der  citierten  Namea  und  Werbe.  79 

Mnnk,  M^anga  dt  phüoaophie  juive  ctarahe.   Paris  1859:  XI',  XII',  XIII,  *, 
XXVU". 
s.  Palqera. 
Müller  8.  (ihn  abi-)  U^aibi'a. 

(aHNadim  V*  in:   Kääb  <ü-Ft'hri/U.    Mit  Anmerk.   hrsg.  v.  Gustav  Flflgel. 

Leipzig  1871-1872:  VI ',  »,  VU»,  VIII",  \  XVI,  XtX ',  67,  G8,  70. 
Nagy,  Siiüe  opere  di  Ja^qüh  b.  lahäq  tü-Kindi  (Rendiconti  della  R.  Acca- 
demia  dei  Lincei,    T.   IV,   fasc.    3,   Roma    1895):    VI»,   VII»,  «, 
VIII »,  ',  XXIX »,  {XXXII). 
Di  alcutu'  scritti  attribuiti  ad  Emptdodn  (im  Druck) :  XX VIP- 
Narducci,  CataiogHs  Codicum  Manuscriptorum  praeter  grateos  et  orientalfs 

in  Bibliothtca  Aagelica.  Rom  1893:  XXXI. 
NicoU,    lUbliothecat  Bodleianae  codieum   maHuacrijAarnm  orientalttuii  cata- 

logus.  Oxonii  1787—1835.  Pars  IL    VIIP, 
Nuflamawiah  X  ^ 

Palqera,  0"n  "ipD  "1£)D  JO  D''L2"ipV  bei  Munk,  Melangen:  XXVII,  rW, 

69. 
Plato  XVIII,  XXII,  XXV. 
Porphyrius  VII,  *,  XXVIII,  '. 
Plutarch  68. 
Prantl,    Geschichte    der    Logik    im    Abendiande.      Leipzig    18^5:     XVIP, 

XXVHI».  ',  XXIX«. 

(al-)Qiftl  bei  Casiri:  V,  «,  VI'.  ",  VII'.  VIII",  *,  XVI,  XXIX',  09,  70. 

Qur'än  73,  74. 

Qus(ä  b.  Lüqä  s.  Barach. 

(al-)Rädi  X<. 

(al-)Razi  XVI,  '. 

(ibn)  Ru^d  XI,  *.  XVI,  »,  ',  XX,  XXIII,  XXIV,  XXV,  69. 

(De)  Sacy,  RHntion  arahe  de  VEgypte  par  Abd-Äüatif.   Paris  1610:  IX'. 
Salaroawiah  X'. 

Salomo  b.  Moses  v.  Helgueil  XXIU. 
Schabrastani  s.  ^ahrastani. 

Sc h  u  m ,     Beschreibendes    Verzeichnis    der    Amplonianisehen   Handschriften- 
Sammlung  zu  Erfurt.   Berlin  1887:  XXX,  XXXI. 
(ihn)  Sina  XVI,  XXIII,  XXIV. 

Steinschneider,  Al-Farabi*s  Leben  und  Schriften.     SL  Pelersbai^   1869: 
XI«,  XII,  ',  •,  XIII,  ",  XXX. 
Arabische  Lapidarien,  ZDMG,  Bd. 49.  Leipzig  1895:  XVI". 
Baldi,  Vüe  di  mcUemcUict  arabiy  Bullettino  di  bibliografie 
"  e  storia  delle  suerre  mal.   Roma  1874:  XVI  ^ 

Die  arabischen  Übersetzungen  aus  dem  Orieehisclien.  Cen- 
tralblatt  fflr  Bibliothekswissenschaft.  Beiheft  5.  und 
13.    Leipzig  1890."  1893:  XXX  >. 


&d  Al-iCindl. 

Steinschneider,  Die    hebräisehen    Überteizttngen  des   Mithatten.     Berlin 
1893:  XVI«,  XXlll*,  XXVU». 
Die  parva  Naturalia  des  Arietotdea,   ZDHG,  Bd.  37  und 

45.    XXUI*. 
Polemische    und    apologetische  Literatur    in  arabischer 
Sprache.   Leipzig  1877:  XVII  •. 
Synesius,  neel.hvxvloyv,  bei  Higne,  Patrologia  Graeca  T.  66:  XXIII,  68. 
$a'id  (abüU-Qäsim    $a*id  b.  Al^mad   b.  'abdu'l-rabmän   b.  ^'id  al  Qoitubl) 

IX,  XI,  XIX. 
äal[^rastäni  bei:  Cureton,  Scharastani's  Book  of  religious  and  philosophical 
sects.  London  1842-1846:  67. 

Taifasi  XVI. 

(pseudo-)Themi8tius  XXXI. 
Theologia  Aristotelis  s.  Dieterici. 
Theologicae  (regulae  — )  s.  Alanus. 

Tiraquelli    (Andreas).     Oe   nobiVtate  et   de  jure   primigeniorum.     ßäsel 
1561:  XVI,  ». 

(ibn  abi)  Ujaibi'a  ed.  Müller.   Kairo  u.  Königsberg  1884:  V,  VI '.  VII,  ",  *,  ", 
VHP,  \  XVI,  XXVIl*.  XXIX  ',  67,  «9,  7r>. 

Valentinelli,  Uibliotheca  Maint-'cripta  nd  S.  Marc/  Venet/arum.     Venedig 
1»J8-1873:  XXXI. 

W  e  n  r  i  c  h ,    De   auctoram   graecurttm   remtonihun    et   commentartts  egr/aritt^ 

arafu'ciSf  urmenieiti,  persicf'sqne.    Leipzig  1842:  IX  ^  XII',  68. 
Wüstenfeld,   />^>    Üfiersetzungen  arab.    Werke  in    d.   Latein.     Gfittingen 
1873:  XIV  '. 
(ieschichie   der  arabischen  Ärzte  und  Naturforscher.     GAttin- 
gen  imt :  XII '. 

Xenia  Bernardina.  Wien  1891.    66'.       . 

ZDHG  =  ZeilRchrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschafl. 
Zeller,  dte  Philosophie  der  Griechen.   Leipzig  1869:  XVIII  '. 
Zenker,    Arintotdin   categonae    cum    uerMione   arafjica  leanci  llintetni  ßit'i, 
Leipzig.  1846:  71. 

n. 

(*  bedeutet  die  am  Pufie  der  Seite  stehenden  Varianten.}  ' 

Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  Eigennamen. 

Alchindus,  aicuinus  *  =  Alkindi. 

alkin  *  =  Alkindi. 

Alkindi  (Jacob)  1,1  [*].    10,3.    11,:^  (*,.  12,2  (•).  27,18*.  2^,17  -20*.  lO.UMf»*. 

iuC). 

Äl'|ihuruhius  *  11,<!*. 


Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  Eigennamen.  81 

Alquindus  -=  Alkindi. 

aniet  (aniä)  *  23,26*  =  Hamet. 

anonymi:  alii  (sc.  philosophi)  .'J7,9.10.  39,3-4. 

»ntiqui  (sc.  philosophi)  1,2.  8,18. 
—       sapientum  graecorum  14,3. 

cüntradicentis  nobis  (uerba  — )  38,r>.ll. 

philosophantes  s.  sapientes. 

philosophi  37,8  (*).  39,3.  41. 11. 18. 

Philosophus  28,21  (♦). 

primi  sapientes  9,18. 

sapientes  (philosophantes)  48,11  {*).  .''»7,5. 

—  s.  primi  sapientes. 

—  s.  antiqui  sapientum. 

Aristoteles  1,9.10.12  (*).  3,1.4.  5,2.ö.  18,18  (•).  28,2  (♦).  37,12.  50,13.16  (♦).  53,21. 

Aristotiles  *  18,18*  =^  Aristoteles. 

Arses*  50,13*  =  Aristoteles. 

flremonensis  s.  Gerardus. 

Euclides  49.19.  5!,8.  53,27.  57,22.  58,21. 

Gerardus  Cremonensis  1,4 — 5,  12,2—3. 

Hamet  filius  Nazir  23,a(*)=  yfij   ^jJ   w\*^l 

Hämo*  23,2*  =  Hamet. 

Jacob  s.  Alkindi. 

Johannes  (als  Beispiel)  5fj,12.15. 

Mahomat*.  Mahometh  41,2  (*)=    jCj=-'^ 

Nassir*,  nasir*,  Nazir  23,2(*)  =  ^.-äJ  s.  Hamet. 
»'lato  l,9-10f*).ll.  18,16(*).19.  20,1(*).  37,11. 
Themistius*  12.2^)*. 


arabisch 

• 

a^  -^-^'  - 

Ahmad  b.  na^r. 

^^■)Jt\  _ 

■  ablast. 

^\y^\ 

■  al*saräb. 

Ji^^   - 

al-Färäbl. 

^\^\- 

al*Kindi. 

al>ma^ist.i. 

wWjs"^  — 

Muhammad. 

.«£J    — 

s.  ^N-«->-l 

Beitr&ge  II.  .'>.    Xiifry.  At-Kindi. 


SB  Al-Kindi. 

Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  TiteL 

(über;  alnugesti  49^. 

(epislola  de)  causa  et  eaasatis  54,23—24. 

(über)  categorianim  28.10.  423.17. 

(epistola  de)  definitione  44^30. 

dialectica  Aristotdu  2SX 

(epistobe-  dininae  49«3. 

(über)  EucÜdis  5.'J^.  58^1.  (primus  üben  —  51,18.  (traclatus,  -  4&,10.  ÖT^-S. 

(epistola  de)  generibos  scientianmi  41,17. 

^alti  libri)  geometriae  53^—28. 

(epistola  de)  inlelleclu  et  intellecto  41,16. 

(libri)  logicae  50.4.  —  et  topicae  52^.  62,22. 

(libri)  philosophiae  4!).23. 

f  epistola  de)  principüs  61. '.^>. 

(epistola  de)  reaolutione  (orbis)  61,21 — 22. 

scientiae  naturales  12,7. 

(epistola  dej  sensu  et  »ensato  41,15.  45,U).  48,18.  50,24.  53,19. 

(de)  uirlutibus  animae  12,8. 

(libri)  topicae  s.  Uibri;  Ic^cae. 

(epistola  de)  yle  et  forma  61,4. 

Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  fremden 
oder  seltenen  Worte. 

acamb*  53<33*  s.  asarab. 

ahlagat  23.4.  6.  =  '«o^-JL^I 

agtagat*.  agthagathe*  23,27—29'  s.  ahlagat. 

a^rab  53<3  =  w*'^—*.! 

athagat*.  athgaf  2:J,27-2I»'.  s.  ahlagat. 

etnpetnm*  37,22*  (empetm)  für  e/t:TFiiov    Vgl.  36,lH:    ,non    recedens   a    loco 

sui  situs''. 
fantasia*  5,24*.  14,20*  —  phantasia. 
gehenna  64,13—14. 
groRSUs*  für  crossus  2i),37  •.40*. 
hyle     29,3—8.10.11.     30,16.18.     31,10.19.     32,7.     33,1.13.15.16.17.19.21.    34^. 

35.2,4.6.  38,14.16.17.19.20.  58,4.  61,4.  64,11.  ^  vi^. 
nepta    (neptae  suhlimatum)  53,10.  =  nepita.     Diefenbach,   Supplementum 

Lexici  Da    Canr/e,   Frankfurt,   1857,   S.  378"     Vgl.  Stolz,    Jhstorisehe 

Grammatik  der  latet'nüchen  Sprache,  Leipzig,  1894  Bd.  I  S.  52. 
paradisum  64,15. 

phanUsia  4,9.  r»,|()(*).  14,4{*).28*. 
queilum    ^^ISf*^   -=   ;i;eiÄoV  für  xtXöv  {oder  x"*^ög,  ;[Jffc).     H.   Stephan  us, 

Thesaurus  Gracrae  Limjuae,  Paris.  18tö.  Bd.  VIII  S.  1499—1500. 
yle*  29,24*  «|q.  =  hyle. 


Berichtigungen. 


Seite  V,  Zeile  9  statt  Ja'qub  lies  Ja'qüb. 

Seite  XU  zu  Anmerkung  1):  Ich  habe  mittlerweile  Gelegenheit  gehabt 
«lie  Hs.  n"  CCXLII  der  laurentianischen  Bibliothek  in  Florenz  zu  prüfen;  sie 
enthült  aber  lediglich  ein  medizinisches  Werk  (in  195  Kapiteln)  des  abü  Na^r 
'Adnän  b.  Nasr  al-Färäbi  (richtiger:  al-'ain  zarbi),  welches  sich  auch  im  Bri- 
tish Museum  (C^urelon,  Cat.  codd.  mss.  Orient,  qui  in  Museo  britannico 
asservatttiir.  Lond.  1844—52,  S.  213  col.  1),  n»  453  =  add.  5931,  und  in  der 
Bodleiana  (Uri,  IJibl.  liodl.  Codd.  Mss.  Orr.,  S.  138)  befindet. 
Seite  XVI  Zeile  10  und  18  statt  Roäd  lies  Rugd. 

,     XVI  Zeile  32  statt  Sleinscheider  lies  Steinschneider. 

„      5  Zeile  17  statt  exiret  lies  esset. 

,      5  letzte  Zeile  statt  exiret  j  esset  ANl'^V^  lies  esset  l  exiret  Jfcf' . 

,      7  Zeile  5  und  27  statt  respezit  lies  respexerit, 

,      9  Zeile  24  statt  est  est  lies  est  |  est. 

,    2.')  Zeile  28  statt  extranea  S  lies  extranea  SM*. 

,    29  zu  Zeilen  6,  10,  12  siebe  Anmerkungen,  S.  69. 


Inhaltsangabe. 


Einleitung S.  V-XXXIV 

I.  Arabische  Originaltexte S.         V— XII 

11.  Die  lateinischen  Cbersetiungen         .        .        .        S.      XII— XVU 
in.  Der  Traktat  ^de  intellectu"       .        .       .        .       S.   XVII— XXI 
IV.  Der  Traktat  „de  sonino  et  uisione"  .       .       .        S.     XXI— XXV 
V.  Der  Traktat  .de  quinque  essentiis"  .        .        .        S.     XV—XXVII 

VI.  Der  „über  introductorias  in  artem  logicae  de- 

monstratioDis" S.  XXVIII— XXX 

VII.  Die    handscbriflliche   Cberliefprung   und    die 

vorliegende  Ausgabe  .    S.      XXX  -XXXI V 

Text      . .        .        S.  I  -C4 

Liber  de  intelleetu S.    1 — II 

Liber  de  somno  et  uisione S.  12—27 

Liber  de  quinque  essentiis S.  28 — 40 

Liber  introductorius  in  artem  logicae  demonstralionis.  S.  41—61 

Anmerkungen S.  Gö — 74 

Verzeichnisse ,        .      S.  75 — 82 

I.  Verzeichnis  der  in  der  Einleitung  und  den  Anmerkungen 

citierten  Namen  und  Werke S.  75 — 80 

II.  Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  Eigennamen   .    ,S.  80 — 31 

—  arabisch  .       .    S.  81 

Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  Titel        .        .     S.  82 

Verzeichnis  der  im  Texte  vorkommenden  fremden  oder 

seltenen  Worte S.         82 

Berichtigungen S.  83 


=  f 


BEITRÄGE  ZDR  GESCHICHTE  DER  PHILÖSOPl 


TEXTE  UND   UNTERSUCHUNGEN. 


HERAUSGEGEBEN 


VON 


DR.  CLEMENS  BAEUMKER, 

O.  Ö.   PROFESSOR   AN   DER   UNIVERSITÄT   BRESLAU. 


UND 


DK.  GEORG  FREIH.  VON  HERTLING, 

O.  ö.  PROFESSOR  AN  DER  UNIVERSITÄT  MÜNCHEN. 


BAND  IL    HEFT  VI. 

DR.  ri.fr:MKNN  BAEIT^KER,   DIE  IMPOSSJBIUA   DES  8I6ER 

VON  BRABANT,  EINE  PHILOSOPHISCHE  STREITSCHRIFT  AUS 
DEM  XIII.  JAHRHUNDERT.  ZUM  ERSTEN  MALE  VOLLSTÄN- 
DIG HERAUSGEGEBEN  UND  BESPROCHEN. 


-^^  ^  ^'^>f'g«VC:^V'v-«^ 


MÜNSTER  1808. 

RUCK  UND  VERLAG  DER  ASOHENDORFFSCHEN  BUCHHANDLUNG. 


DIE  IMPOSSIBILIÄ 


DES 


SIGER  VON  BRABANT, 

/ 

EIM  PHILOSOPHISCHE  STREITSCHßlET 
AUS  DEM  XIIL  JAHEHHOERT. 


ZUM  ERSTEN  MALE  VOLLSTÄNDIG  HERAUSGEGEBEN 

UND  BESPROCHEN 

VON 

Dr.  CLEMENS  BAEUMKER. 


-'«-v^>v«p«:*te«Dj-^=^ 


llffÜ!V8TEB  I89S. 

DRÜCK  UND  VERLAG  DER  ASCHENDORFF80HEN  BUCHHANDLUNG. 


Vorrede. 


Nicht  ohne  einiges  Bedenken  lasse  ich  das  folgende  Hefl 
in  die  Öffentlichkeit  hinausgehen.  Nicht  ganz  gering  ist»  was  ich 
in  demselben  erstrebt  habe,  und  andererseits  ist  dessen  nicht 
wenig,  was  ich  absichtlieh  bei  Seite  ließ.  Habe  ich  jenes  Ziel 
wenigstens  halbwegs  erreicht?  Hat  nicht  diese  Beschränkung 
dem  Gebotenen   einen   zu   fragmentarischen  Charakter  gegeben? 

Verzichtet  habe  ich  darauf,  von  der  ganzen  Eigenart  Siger's 
ein  volles  Bild  zu  geben.  Hierfür  wäre  die  Herausgabe  der 
sämtlichen  von  Siger  selbst  verfaßten  Schriften  nötig  gewesen,  zu 
der  ich  zur  Zeit  noch  nicht  in  der  Lage  bin.  Für  meine  Absicht 
schien  mir  auszureichen,  was  Denifle  und  andere  aus  denselben 
mitgeteilt  haben. 

Wenn  ich  diese  meine  Absicht  auf  die  Herausgabe  und 
die  historische  Beleuchtung  der  „Impossibilia"  beschränkte,  so 
leitete  mich  dabei  einm<il  die  Erwägung,  daß  gerade  an  diese 
bisher  nur  unvollkommen  bekannte  Schrift  die  vielen  neueren 
Erörterungen  über  Siger  anknüpften,  sowohl  bei  Litterarhisto- 
rikern  und  Historikern  der  Philosophie,  wie  bei  den  Dante- 
Korschern,  welche  auf  Siger  durch  das  Lob  geführt  waren, 
das  der  Sänger  der  Comödie  im  Paradiso  dem  Denker  der  „in- 
vidiosi  veri"  zollt.  Gerade  für  diese  Schrift  erschien  es  daher 
besonders  erwünscht,  eine  Einsicht  in  den  litterarischen  Tliat- 
bostand  zu  gewinnen. 


VI  Vorrede 

Dann  aber  tragen  die  .Impossibilia"  einen  durchaus  eigen- 
artigen Charakter,  der  eine  besondere  Behandhjng  derselben 
naiielegte.  Als  Streitschrift  gegen  Siger,  über  dessen  t-igeiio 
Anschauungen  sie  niclit  eben  in  urkundlicher  Form  berichten. 
durften  sie  nicht  den  Schriften  Siger's   selbst  eingereiht  werden. 

Ki-gab  sich  aus  diesen  Erwägungen  die  Besctiränkung  mei- 
ner Aufgabe,  so  suchte  ich  andererseits  für  die  „Impossibilia" 
alles  zu  !)ieten,  was  für  ein  sachliches  und  historisches  Ver- 
ständnis derselben  erfordert  werden  kann.  Ich  konnte  riiicli 
deshntb  nicht  damit  begnügen,  die  von  unscnn  Autor  citierlen 
oder  sonst  direkt  benutzten  Stellen  naclizuweisen  und  eine  kurze 
Disposition  des  Gedankenganges  zu  geben.  Vielmehr  war  ich 
bemüht,  wenigKlcns  ffir  die  wichtigsten  der  in  tler  Schrift  be- 
handelten Punkte  die  historische  Grundlage  allseilig  zu  ent- 
wickeln, aus  der  die  betreffenden  Gedankenreihen  erwachsen 
sind.  Der  Leser  sollte  dahin  geführt  werden,  daß  er  selbst  die 
jedesmalige  Problemstellung  aus  den  Voraussetzungen  der  Zeit 
heraus  entspringen  sielit,  und  da(ä  er  dem  Autor,  sowie  dem  von 
ihm  bckfnnpften  Gegner  auf  allen  Wegen  ihrer  Gedanlcenbildung 
folgen  und  ihre  Motive  aus  den  Anscliauungen  und  Hülfsmitteln 
ihrer  Zeit  heraus  verstehen  kann.  Nicht  bloß  wollte  ich  ein 
inhaltlich  nicht  uninteressantes  Denkmal  der  Vergangenheit  wieder 
zugfinglich  machen;  meine  Absicht  war  vielmehr,  eine  koiiki*ete 
Einzelerscheinung  des  dreizehnten  Jahrhundert  in  ihrer  histori- 
schen Bedingtheit,  wie  in  ihrer  selbständigen  Eigenart  anschau- 
lich vor  Äugen  zu  stellen.  Nicht  das  Gewordene  allein  galt  es 
zu  erlflutcrn,  sondern  vor  altem  das  Werden  klarzulegen.  Das 
m^e  zugleich  die  Ausführlichkeil  rechtfertigen,  mit  welcher  — 
freilich  in  verschiedenem  Maße  —  der  Inhalt  der  Schritl  von 
mir  behandelt  ist. 

Mein  Interesse  dabei  war  vor  allem  der  litterarischen  Er- 
scheinung und  der  Geschichte  der  Ideen,  nicht  dem  Menschen 
als  solchem,  zugewandt.  Nur  abgezwungen  durch  die  Unsicherheit 
in  den  Ergebnissen  der  früheren  Untersuchungen  und  durch  die 


Vorrede.  VII 

Bedeutung  für  die  Verfasserfrage  ist  mir  die  Abhandlung  über 
das  Leben  Siger's. 

Wenn  ich  auch  hier  nicht  synthetisch  einzelne  Sätze  auf- 
stellte und  begründete,  sondern  dem  Leser  bei  einem  Gange 
durch  die  bisherige  Litteralur  alle  Fragen  im  Flusse  ihres  Wer- 
dens vorzuführen  suchte,  so  bewog  mich  dazu  das  Bestreben, 
die  Nachprühing  einem  jeden  möglichst  leicht  zu  machen.  Der 
Ausführlichkeit  auch  dieses  Abschnittes  wird  der  Wunsch  zur 
Entschuldigung  gereichen,  dem  Leser  das  gesamte,  weit  zerstreute 
Material  in  bequemer  Zusammenstellung  vereint  vorzulegen. 

Nach  dem  Gesagten  muß  meine  Schrift  es  wünschen,  in 
erster  Linie  vom  historischen  Gesichtspunkte  aus  beurteilt  zu 
werden.  Zwar  hofft  sie  auch  für  denjenigen  nicht  überflüssig  zu 
sein,  welcher  sie  nur  mit  der  Frage  in  die  Hand  nimmt,  ob  der 
publicierte  Text  ihm  vom  Standpunkte  seines  eigenen  philoso- 
phischen Wissens  aus  Neues  oder  doch  Interessantes  bringt. 
So  sei  auf  die  Untersuchungen  über  das  primum  cognitum,  über 
die  psychologische  Genesis  des  Principes  des  Widerspruchs,  auf 
die  Auseinandersetzung  mit  dem  Determinismus  hingewiesen. 
Aber  die  eigentliche  Aufgabe,  die  ich  bei  jener  Publikation  und 
bei  der  Behandlung  des  publicierten  Textes  mir  stellte,  war  doch 
eine  historische.  Ich  hoffe,  durch  diese  Art  der  Behandlung 
manchem  etwas  gebracht  zu  haben,  wie  dem  Historiker  der 
Philosophie,  so  auch  dem  Dante-Forscher.  Und  auch  derjenige, 
welcher  zunächst  nur  um  des  sachlichen  Interesses  willen  mit 
der  Philosophie  des  Mittelalters  sich  beschäftigt,  wird  die  Ein- 
sicht in  den  Zusammenhang  des  historischen  Werdens  jener  Ge- 
dankenwelt oder  doch  einzelner  Elemente  derselben  gewiß  auch 
für  seine  Zwecke  nicht  als  unersprießlich  erachten. 

Was  die  Anordnmig  imd  äußere  Einrichtung  der  Schrift, 
die  befolgte  Orthographie  der  lateinischen  Texte  und  dgl.  an- 
langt, so  wird  man  über  manches  verschiedener  Memung  sein 
können.  Weshalb  ich  in  der  Orthographie  auch  bei  Angaben 
aus  Urkunden  im  allgemeinen  nicht,  wie  die  Historiker  der  Ge- 


VIII  Vorrea*!. 

genwart,  dem  miUelalterUchen  Schriftgebrauch  gefolgt  bin.  iiabe 
ich  S.  7:2  Anm.  ^  angedeutet.  Für  anderes  wird  man  S.  48  f. 
um)  S.  116  die  Gründe  angegeben  finden. 

Das  Wort-  und  Sachrefristcr  wird  hoffentlich  für  <lie  (»e- 
schichte  der  mittelalterlichen  philosophischen  Terminologie  niciit 
ohne  einigen  Nutzen  sein. 

So  möge  denn  das  bescheidene  Büchlein  mit  Gottes  Sogen 
in  die  Welt  hinausziehen.  Möge  es  sich  als  brauchbarer  Beitra^r 
erweisen  für  die  lebensvolle  Erfassung  des  grollen  und  reichen 
dreizehnten  Jahrhunderts! 

Breslau,  den  7.  März  1898. 

Clemens  Baeumker. 


IMPOSSIBILIA 
SIGERI  DE  BRABANTIA.') 


lOGr  Conuocatis  äapientibus  studü  Parisiensis  proposuit  sophista 

quidam  impossibilia  multa  probare  et  defendere. 

Quorum   priroum   fuit    deum   non    esse.      Hoc    enim    pri- 
mum  inipossibile,   cum   eius  oppositum  sit  primum  necessarium.  . 
.    probat  tarnen  illud  multipHciter. 

Primo  sie.  Non  omnia  habent  causam  unam.  .  ergo 
deus  non  est.  Non  enim  omnium  est  una  materia,  cum.  non*)  lo 
omnia  habeant  materiam.  Nee  una  forma,  cum  entia  difierant 
secundum  speciem.  et  forma  etiam  non  intelligitur  proprie  nisi 
respectu  materiae.  Nee  omnia  habent  unam  causam  in  genere 
finis,  eo  quod  non  omnia  uidentur  habere  finem.  in  mathematicis 
enim  non  est  bonum.  finis  etiam  non  intelligitur  nisi  respectu  15 
motus  uel  mouentis  uel  ipsius  mobilis.  intelligentiae  autem 
separatae  a  materia  nee  mouentur  nee  motus  sunt  nee  mouent 
etiam  effectiue  sed  tantum   sicut  finis*),   cum*)   moueant  sicut 


')    Titel    fehlt    in    P.      Im    rnhaltsveneichnis    fol.  .  262v    (Hand    des 

frühen  XIV.  Jahrh.):  Item  Inpomhilia  fygeri  de  brabancia. 
')  Die  Kapitel-Zahlen  von  mir  hinzagesetzt. ' 

")  P:  n  (d.  h.  nee). 

*)  finis  corrigiert  aas  fina  P, 

')  cum  aber  der  Zeile  hinzugefügt  P. 

BtUri^e  H.  G.     Bmomker,  ^Ijor  von  rnt*RBt,  1 


S  Impos^ibilia 

appelibile  et  inlelligibile,  ul  patet  in  duodecimo  ^).  Neque 
est  etiam  una  causa  omnium  in  genere  efficientiSf  quia  efficiens 
est  unde  motäs  principium^  et  non  omnia  mouentur. 

Praeterea.      Non   <»st   aliquod   principium   primum  entium 

» simpliciter.  ergo  non  est  deus.  Frobatio  antecedenÜs  est, 
quia  primum  est  ante  quod  nihil.  si  igitur  nihil  est  ante  pri- 
mum. non  crit  aliquid  simpliciter  primum. 

Praeterea.  Deus  si  sit,  est  ens  per  se,  uel  per  aliud, 
per  se  non,   cum   nihil   sit   sui   causa   in  aliquo  genere  causae. 

10  per  aliud  non,  quia  tunc  causam  haberet  sui  esse,  et  sie  deus 
non  esset. 

Praeterea.  Inteliigentia  non  dependet  ex  aliquo  extrin- 
seco  quod  sit  sui  causa,  ad  cuius  non-esse  sequatur  eius  non- 
esse.      deum^)  ergo  non  habet  inteliigentia;  et  idem  etiam  pot- 

15  est  argui  de  corpore  caelesli.  si  tamen  esset  deus,  esset  isto- 
rum  causa,  sicut  et  aliorum.  Inteliigentia  enim  in  sui  natura 
caret  potentia  ad  non-esse,  cum  sit  forma  pura,  aut  si  materiam 
habeat,  non  nisi  suae  formae  propriam,  ita  quod  inteliigentia 
non  potest  non  esse;   non   tantum   quia   causam   habeat  talem, 

20  sed  quia  in  natura  sua  est  talis.  quod  si  non  est  ei  potentia 
ad  non-esse :  quocunque  e;ctrinseco  non  existente ,  non  ideo 
non  erit. 

El  iterum.  Nihil  potest  se  ipsum  deserore  uel  illud  qaod 
est  ei  proprium,      sed   1   si  inteliigentia  fieret  non-ens,  oporteret  ,*i^* 

zi  quod  idem  desereret  se  ipsum,  aut  materia  formam  sibi  pro- 
priam, accipiens  oppositum  formae  ad  quod  non  erat  in  poten- 
tia. Ex  quo  sie  arguitur:  Illud  quod  possibile  est,  ex  extrin- 
seco  est  possibile  uel'')  naturam  habet  possibilis.  El  a  de- 
structione  consequentis^):   quod   non   est  possibile,   uel  naturam 

so  non  habet  possibilis  per  extrinsecum  aliquod ,  uel  per  defeclum 
extrinseci   non   habet  naturam  possibilis.      inlelligentiam  autem 


')  Aristot.  Metaph.  XH  7,  p.  1072  a  26:  xiyrT  A/  to&e  r«  üofxtov  nai 
t6  vofiTiir,  xii-rX  ov  xtvov/tera  (dort  vom  ersten  Beweger  gesagt). 

'•■)  (leuiii  f\  wie  unten  S.  3  Z.  9  deum  evgn  tion  habet.  Die  nahelie- 
gende Konjektur  causam  würde  den  Gang  de»  Beweises  zerreißen. 

*)   Krgiinzt'  dabei  rx  ejirinsiro. 

*}  Snti»  /'. 


äigeri  de  6rai>antia  3 

esse  est  tale,   quia  non   uidetur  dependere  ex  aliquö,   ad  cuius 
non-osse  ipsam  non  esse  sequatur. 

Praeterea.  Ulud  quod  habet  naturam  impossibilis  etiam 
contradicloria  implicantis,  fieri  non  polest  per  aliquod  exlrinse- 
cum  uel  per  defectum  extrinseci.  sed  intclligentiam  non  esse  s 
aliquid  in  rerum  natura  est  impossibile  contradictionem  impli- 
cans,  cum  de  ratione  inlelligentiae  sit  ut  sit  ens  in  rerum  na- 
tura simpliciter  pro  quocunque  tempore,  cum  aetemitati  parifi- 
cetur.      quare  et  cetera.      deum  ergo  non  habet. 

Solutio.      Deum  esse  est  uerum,   etiam   necessarium,  lo 
et  sapientibus  per  se  notum. 

Primum  sie  declaratur.  Necesse  enim  in  entibus  esse 
aliquid  quod  sit  causans  tantum.  sine  enim  tali  non  potest 
esse  causans  causatnm,  neque  causatum  tantum.  nisi  igitur 
esset  causans  tantum  non  causatum,  nihil  esset.  sed  causans  15 
non  causatum  deus  est.  deum  ergo  esse  in  rebus  est  uerum, 
et  oppositum  falsum. 

Et  non  tantum  uerum,  sed  etiam  necessarium.  Quod 
sie  declaratur,  quia  causans  non  causatum  non  potest  non  esse, 
quia  si  sie,  possibile  esset  nihil  esse;  et  cum  possibile  aliquando  su 
contingat,  aliquando  nihil  esset;  et  si  aliquando  nihil  esset,  ali-^ 
quando  nihil  fuit;  et  si  aliquando  nihil  fuit,  nunc  etiam  nihil 
est,  quia  non  fit  aliquid  nisi  per  illud  quod  aliquid  est. 

Idem  etiam   est  uidere  sie.      Necessarium   est   tribus  mo- 
dis.      E^st  enim  necessarium  ex  suppositione  alicuius  non  neces-  2» 
sarit,   ut  necesse  est  animal   habere  cibum,   si  debet  uiuere;   et 
est  necessarium  ex  causa  necessaria,  ut  solem  eclipsari  luna  in- 
terposita  et  cum  necesse  sit  statum  esse  in  causis;  et  etiam  ne- 
cessarium tertio  modo,   quod  est  simpliciter  necessarium  et  sine 
causa,   quod  non  dependet  in  esse  suo  ex  aliquo  extrinseco  sibi  so 
uel  intrinseco   sicut   ex   causa,   cuius   non-esse  non  accidat  ex 
non-esse  cuiuscunque   et  quacunque   de  altero   positione  facta. 
Causans  autem   non  causatum   oportet  isto   modo  esse  neces- 
sarium, eo  quod  primum  sit  et  causa  tantum,   nullo  modo  cau- 
satum.     tunc  ergo  in  esse  suo  a  nullo  dependet  extrinseco  uel  35 
intrinseco  —  tunc  enim  uon  primum,   nee  causa  tantum  — ,   et 

I  * 


4  tmpossibilia 

non-esse   eius   non   sequitur  quacunquo   positlone  facta   in  alio, 
cum  a  nuUo  esse  eius  dependeat 

E^  quo  etiam  et  sequitur  quod  causans  tantutn  non  cau- 
satum  uec  accidcns  sit  nee  uirlus  in  corpore  nee  corpus  uel 
smagnitudo.  sed  indiuisibile  et  impartibile,  ut  dicitur  in  octauo^). 
onmia  eniui  praedieta  in  esse  suo  ex  altero  dependent.  ut  acci- 
dens  ex  subiecto,  et  uirtus  etiam  corporea  et  magnitudo  ex  par- 
tibus,  quibus  partibus  esse  alterum  est  a  tote. 

Ex  quibus  sequitur  tertium,  quod  deum  esse  sapientibus 

10  sit  per  se  notum^  quia  illud  quod  est  causans  tantum  non 
causatuni,  non  dependens  in  esse  suo  ex  aliquo  sicut  ex  causa, 
oportet  quod  ex  nitione  sua  haboat  esse,  non  ex  aliquo  alio. 
ita  quod  est  re:^  quae  de  sui  ratione  est  esse.  nunc  autem 
per  se  nota  sunt  principia   quac  cognoscuntur  cognitione  termi- 

i»  norumf  eo  quod  praedicatum  sit  de  ratione  subiecti.  et  ideo 
sapientibus  quibus  nota  est  ratio  subiecti  huius  propositionis : 
,deus  est*,  cum  ex  sua  ratione  sit.  non  ex  aliquo  alio,  per 
se  nota  est,  non  ex  aliquo  alio;  ita  quod  deum  esse  quaestio- 
nem   non  habet,   quia   causam   non   habet.      quacstiones  enini 

e.j  aequales  numero  sunt  scitis.  non  est  autem  hoc  scibile,  sed 
notum  per  se  sapientibus.  Quaecimque  autem  alia  a  prinio 
sie  sunt,  quod  ex  tK)nHn  ratione  non  habont  causam  sufficion- 
tem  ut  sint,  ita  quod  in  omnibus  causatis.  sicut  dicit  Boelhius-), 
differt  quod  er^t  et  esse  ipsum.       non  enim   ex  hoc  quod  sunt 

25  est  eis  esse,  sicut  ex  causa  sufÜcienti,  sed  dependent  sicut  ex 
causa  ex  co  quod  est  esse  tantum,  quod  ex  propria  rattone, 
non  ex  aliquo  alio,  habet  ut  sit. 

Et  quod   primum   sit   tale  esse  tantum,   apparct.    si  enim 
non  est  suum  esse,  tunc  suum  esse  est  in  eo  causatum  ex  pro- 

»» prüs  eius  principiis  uel  ex  aliquo  extrinseco.  et  utroque  modo 
accidet  primum  in  esse  suo  habere  causam. 

Et  iterum.     Ex  propriis  principiis  non   potest  habere  esse 

')  Ariätot.  Fhifs.  VIII  10.  p.  267  b  25:    ^'mWn-   nuv.-v  uu  a&tainrjor 
toll  xai  «uro»',-  xa'i  ovArv  F^oy  itiye&o-;. 

')  Boethias,    Quomodo  .tuhstantinf  in  v<>  qiuMi  shtt  hnnnr  sint,  p.  169, 
26  ed.  Peiper:  Diuersum  est  esse  et  id  quod  est. 


Sigeri  de  Brabantia.  5 

causatuni  nihil  enini  cuius  esse  causatum  est,  sibi  causa  e\i- 
slendi  est,  ut  dicit  Auicenna').  esse  etiam  eius  non  potest 
esse  in  eo  causatum  ab  extrinseco.  tunc  enim  causam  haberei, 
est  igitur  sie  quod  est  esse. 

Ex   quo   consideranti   apparet   maxima   et   pura  nece&jitas  5 
eius  in  essendo.      quomodo  enim  esse  deseret  quod  esse  est? 

Est  etiam  considerandum  quod  illud  quod  est  causans  tau- 
tuni,  non  causatum,  habet  rationem  principii  et  primi  simpliei- 
ler,  secimdum  hanc  rationem,  quod  non  habet  aliquid  ordineni 
prioris  ad  ipsum,  nee  negatiue  dictum,  nee  priuatiue,  nee  posi-  10 
tiue  aclu  uel  potentia.  Non  ahquid  negatiue  dictum  ordinem 
habet  prioris  ad  ipsum,  quia  ex  negatione  eius  esse  non  proces- 
sit,  ita  quod  ordine  naturae,  quantum  de  se  fuerit,  prius  fuerit 
nihil  quam  aliquid;  quod  uniuersaliter  de  quolibet  creato  diei 
contingit.  Eodem  modo  nee  ex  aliqua  priuatione  eius  esse  is 
processit,  nee  ex  aliqua  potentia  maleriali,  nee  ex  aliquo  actu 
agentis.  Et  ideo  primum  est  a  priuatione  ordinis  prioritatis 
cuiuscunque  quocunque  modo  dicti  ad  ipsum,  ita  quod  ratio 
primi.  dicta  de  eo  quod  primum  est,  ante  quod  nihil,  debet  sie 
inlelligi,  quod  illa  negatione  ordo  prioritatis  negetur;  ita  ut  sit  to 
sensus:  „nihil  est  ante  ipsum,"  hoc  est:  „non  aliquid  est  ante 
ipsum";  et  non  debet  sie  Intelligi,  quod  ipsum  nihil  ante  ipsum 
sit,  ordinem  prioris  respectu  eius  habens;  et  per  hoc  patel  so- 
lutio  tertiae  -)  ralionis. 

Ad  primam  ■*)  uero  dicendum  quod  deus  non  est  causa  om-  25 
nium  entium  in  genere  materiae,  eo  quod  materia  in  suo  esse 
innititur  alii,  sicut  formae,  et  efficitur  in  esse  ab  agenle.  forma 
etiam  quantum  ad  esse  suum  fundatur  in  materia  et  dependet 
ex  ea  et  efficilur  ex  agente.  quae  omnia  rationi  primae  cau- 
sae  repugnant;  et  ideo  non  est  causa  in  hoc  genere  cau-  a* 
sae  nee  in  illo,  sed  est  causa  omnium  in  genere  finis.  om- 
nia   enim    finaliter    quicquid    agunt    propter    ipsum    agunt,    ut 


')  Vgl.  Aricenna,  Mt^aph.  ix.  I.  1.  I.  c.  2,  wo  zwar  nicht  dieser 
Satz  dem  Wortlaute  nach,  wohl  aber  Ähnliches  sich  findet. 

')  vielmehr  sectmdae/ 

')  Ad  primam,  seil,  rationem.  In  der  Handschrift  steht  bald,  wie 
hier,  das  Femininum,  bald,  wie  sogleich  p.  6,31,  das  Neutrum,  was  ich  bei- 
behalten habe. 


$  Impowibilis 

eideni  assimilentur  secundum  quod  sibi  possibile,  et  quaecunque 
mouentur,  ab  ipso  finaliter  *)   |   raouentur.      omnia   enim  deuzn  /^r 
appetunt,  nisi  quod  in  diuersis  ***«). 

Et  quod  obicitur  de  mathematicis   et  inteUigentiis:    mathe- 

5  niatica  cntitatem  non  habent  abstractam  a  motu.  Intelligentiae 
etiani  non  tantum  mouent  finaliter,  sed^)  effectiue.  si  enim 
non  diflferret  forma  arcae  secundum  quod  in  materia  et  secun- 
dum quod  in  anima,  et  esset  uera  arca  in  anima,  tunc  non 
tantum   forma   arcae   esset  finis  motus  quem  facit  carpentarius, 

10  sed  effectiue  moueret.  quod  contingit  in  separatis  a  materia; 
de  se  enim  sunt  actu  intelligibilia.  Et  iterum  ßnis  intelligitur 
respectu  uoluntatis,  licet  uelle  non  sit  motus  nisi  metaphorice. 
substantiis  autem  separatis  inest  uelle  et  appetere;  propter  quod 
respectu  talium  potest  esse  causa  ßnalis.      Sed  quia  causa  üna- 

15  lis  praesupponit  esse  iliorum  quae  ordinantur  ad  finem  et  ad 
ipsum  habent  habitudincm,  et  non  est  esse  iUorum  causa  ^), 
licet  actionis  uel  motus  illorum  sit  causa,  primum  autem 
principium  nihil  praesupponit  in  entibus  cuius  non  sit  causa: 
hinc   est  (|uod   non  est   causa   eorum  tantum   in   ratione   finis, 

20  sed  in  ratione  oßicientis.  Nee  tarnen  oportet  quud  omnia 
moueantur.  est  enim  cauHa  efdciens  immobilium  sub  hac  ra- 
tione, quod  iiiiniobiliu  in  (^ssc  suo  dependent  ex  deo  ^)  sicut  ox 
eo  quod  est  ciiiihu  ut  sint,  licet  non  dependeant  ex  eo  sicut  ex 
quo   Ht  transrmitatiü  ad   esso   aliquod   eorum.      sicut   enim    in 

2A  ipsis  mobilibuH  ciiiiHa  efficiens  est  unde  est  transmutatio  ad  esse 
eorum  itnniediutt*,  et  non  eausat  efficiens  transmutationem  illam 
per  transmutationem  aiiam  quam  causet,  qua  fiat  transmutatio 
ad  esse  illius  trnnsmutationis  —  sie  enim  in  infinitum  procede- 
retur  — :  sie  et  in)mobiliuni  debet  intelligi  causa  efficiens,   quod 

90  esse  eorum  imminliato  sit  a  sua  causa. 

Ad  secundum  '•)    dicendum   quod   primum   est  ens  per  se 

')  Über  dio  HUttverectxung  a.  Abschnitt  I:  Die  Handschrift. 
')  Der  Text  ist  hier  olfonbar  lückenhaft.    Ergänze   apprtitus   iitfjit  <ii- 
«rrjfttjt  oder  dergl. 

")  sfd  im  Sinne  von  st'd  fHam,  wie  weiter  nnten  Z.  10.  20;  S.  22  Z.  23. 
')  D.  h.:  und  weil  sie  (die  Endarsache)  nicht  Ursache  des  Seins  jener  ist. 
')  AbkOnung  in  /*  unklar. 
•)  Tielmehr  tertium! 


Sigeri  de  ßrabanüa.  7 

non  posiliue,  sod  negatiue.  „per  se"  sie,  quia  non  ex  alio;  sed 
non  positiue ,  ita  quod  ipsum  intelligatur  habere  ralioneni 
causalitatis  respectu  am  ipsius.  talis  enim  causalitas  niagis 
rationis  est  quam  rei. 

Ad  sequentia  omnia   per  idem  dicendum  quod  intelligentia  5 
dependet  in  esse   suo  ex  extrinseco  sicut  ex  causa.      et  priuata 
causa ')  esse  alicuius  sequitur  ipsum  non  esse,     unde  si  prinium 
non  sit,  intelligentia  non  erit.      Vnde^)  auteni  intelligentia  caret 
potentia  ad  non-esse,   ita   quod   ipsam  non  esse  habet  naturam 
impossibilis  —   non   tanturn   quia   suam   causam  non   esse   est  10 
impossibile,  sed  naturam   impossibilis  ex  se  — :   hinc   est   quod 
quocunque  extrinseco  uel   defectu   extrinseci   non   fiet   non-ens; 
ita  quod,  priuata  causa  esse,  intelligentiae  simul  accidunt  oppö- 
sita,   scilicet  esse  et  non  esse,     quod  cum*)  sit  impossibile,  im- 
possibile    est    eam    priuari    habitudine    ad    causam    suam    qua  is 
semper  sit.      Hoc   autem  dicimus   secundum   sententiam   philo- 
sophomm. 

II. 

Froponebat    secundo    quod    omuia    quae    uobis    appai'eut 
sunt  simulacra  et  sicut  somiiia,  ita  quod  nou  simus  certi  de  so 
existeutia   alicuius  rei.       Et  ad  hoc   sie    arguebat:    NuUi   uir- 
tuti   cui   apparet   aliquid   quod   est  apparentia  tantum,   creden- 
dum    est   quod   ita  sit  in  re  nisi  alia  uirtus   hoc  diiudicet.       Et 
hoc  probatur  duphciter.      Primo  quia   uirtus  nata  decipi  circa 
aliqua  de  illis  certitudinem  non  facit.       Aliter  sie,  quia  cum  ali-  ss 
quid   apparet   sensui   quod  est  apparentia  tantum,   non  creditur 
hoc   esse   apparentia,   nisi  per  aliam  uirtutem  hoc  diiudicantem. 
ergo   etiani    non   credetur   sensui   quod  res  fuerit  quod  apparet, 
nisi  alia  uirtus  hoc  diiudicet.  —  Aecipiatur  ergo  haec  maior,  quod 
nulli  uirtuti    cui   apparet   aliquid   quod   est  apparentia   tantum,  33 
oredendum  est  quod  ita  sit  in  re,   nisi  alia  uirtus  hoc  diiudicet. 
sed   cuilibet  sensui  apparet  aliquid  quod  est  apparentia  tantum, 
non  tantum  dormiendo,  sed  etiam  uigilando.      ergo  nulli  sensui 


*)  d.  h.  rov  esse.    Ebenso  weiter  unten  Z.  13.     Vgl.  S.  6,  16. 
^)   Vnde  im  Sinne  von  quia,  wie  S.  28,  17. 
^}  Nach  mim  hat  P  hoc. 


8  Impoasibilia 

credendum  est,  quod  ita  sit  in  re  sicut  apparet.  Sed  nee  uir^ 
tuti  supcriori,  quia  omnis  certitudo  est  per  sensum.  conchi- 
sioncs  enim  credunlur  propter  principia,  et  prima  *)  principia  per 
sensum,    ita  quod,   si  non  habemus  eertitudinem  esistentiae  ali- 

.<>  cuius  rei  per  sensum,  neque  etiam  per  aliam  uirtutem. 

Praeterea.  De  nulla  re  iudieatur  unum,  quin  inueniatur 
iudicans  contrarium.  qua  ratione  ergo  erit  in  re  sicut  uni  ap- 
paret, eadem  ratione  sicut  alii;  et  cum  non  possit  esse  simul  in 
re   illud   quod  utrique   apparet,    quod    apparet   erit   apparentia 

10  tantum. 

Quod  si  dicas,  quod  non  aequali  ratione  credendum  est 
uigilanti  et  dorraienli,  nee  sano  et  infirmo,  nee  sapienti  et  insi- 
pienti,  eadem  ratione  arguitur.  NuUus  enim  apparet  alicui  sa- 
piens,  quin   appareat   alii   insipiens:   nullus  etiam  apparet  quod 

ts  habeat  sanum  gustum,  quin  appareat  contrarium.  in  singulis 
enim  utrumque  contradictoriorum  iudicem  habet  Si  etiam 
iterum  detur  ratio,  consimiliter  arguetur  sicut  prius. 

Solutio.  Dicendum  quod  nos  sumus  certi  de  existentia 
aliquarum  rerum,  et  non  sunt  omnia  simulacra  et  passiones  sen- 

20  tientium.  Nos  enim  sumus  certi  de  existentia  rerum  nobis 
ad  sensum  apparentium,  cui  sensui  non  contradicit  sensus  dignior 
uel  intellectus  acceptus  ex  sensu  digniori.  sumus  etiam  certi 
per  intellectüm  de  existentia  aliquorum  intelligibilium,  cui  intel- 
lectui   non   contradicit  intellectus   dignior  seu  acceptus  ex  sensu 

SA  digniori,  nee  etiam  sensus  dignior;  ita  quod  qui  non  distin- 
guunt  inter  sensum  digniorem  et  minus  dignum  ut  ei  credatur, 
incidunt  in  diuersos  errores.  Quidam  enim,  attendentes  quod 
illud  quod  apparet  alicui  sensui  est  apparitio  tantum,  ut  cum 
uidetur  terra  moueri  nauigantibus  in  flumine,  omne  quod  appa- 

30  ret  quacunque  uisione  credunt  etiam  esse  apparentiam  tantum. 
alii  e  contrario  attendentes  quod  illud  quod  apparet  aliqua  sensa- 
tione  ita  se  habet  sicut  apparet,  accipiunt  hoc  in  omni  sensa- 
tione.  alii  uero  sensu  minus  digno  uel  intellectu  uel  phanta- 
sia   et   opinione   non   accepta   ex  sensu  digniori,   sensui  digniori 

Si  contradicentes,   in   errorem   incidunt,   sensum   dimittentes.       in 


')  Abkflrzung   in    P  unklar.     Jedenfalls  nicht  prius    wie   Haur^au, 
Nctieea  \,  p.  89  liest. 


Sigeri  de  Brabtmtia.  9 

quo  jncrepatur  Zeno  ab  Aristotele  VIII.  Physicorum '),  qui  di- 
109V  *^^*^^  omnia  quicscere,  per  rationem  sensum  dimisit,  \  qui  dignior 
ut   ei   credatur  quam   illi   rationi.      Cum   autem   omnes  sensus 
concorditer  conueniant   in   iudicio  alicuius  rei  sensibilis,   quibus 
etiam   intellectus   acceptus   ex   sensibus   dignioribus  non  contra-  5 
dicit,   credere   opposilum   illius  supernalurale  uidetur  et  miracu- 
losum  magis  quam  naturale,   nisi  forte  aliquibus  accidere  possit 
ex   consuetudine   a   pueritia  *).      sapientibus  tarnen  et  prouectis 
hoc  contingere  non  uidetur  naturale,  saluo  iudicio  melius  dicen- 
tium.  —  Triims  igitur  modis  dictis  errant  homines  in  iudicio  de  n) 
rebus.      Recte  ^)  autem  iudicant  et  opinantiir  qui  credunt  ea  quae 
apparent  per  sensum,  cui  non  contradicit  sensus  dignior  nee  in- 
tellectus acceptus  ex  sensu  digniori,  uel  qui  credunt  aliquid  quod 
apparet  intellectui,  cui  non  contradicit  intellectus  dignior  seu  ac- 
ceptus  ex   sensu   digniori,    neque  sensus   dignior.       Non   enim  is 
omnes  sensus  sunt  aeque  digni  ut  eis  credatur.      habenti  enim 
gustum   sanuni   magis   credendum   est  de   sapore  quam  habenti 
gustum  infectum,  et  uigilanti  quam  dormienti,  et  ei  qui  est  prope 
quam  ei  qui  est  a  longe,  et  de  sensibili  proprio  quam  de  sensi- 
bili  communi,   et  de  sensibili  per  se  quam  de  sensibili  per  ac-  20 
cidens,  et  sie  de  multis  aliis.      Qui  autem  aliquem  sensum  esse 
digniorem   quam   alium   et   alicui   sensationi   per  se  credendum 
non   accipit,   sed  huius  rationem  quaerit  quae  ostcndat  quod  sit 
ita  sicut  apparet:   huic  nihil  probari  potest,  iste  de  nullo  certus 
esse   potest.      non   enim  possibile  est  aliquid  esse  cognitum  uel  «» 
creditum,   nisi  sit  aliquid  quod  per  se,  non  per  aliud,  cognosca- 
tur,  cui  per  se,  non  per  aliud  credatur. 

Ad  rationem  primam  in  oppositum  dicendum  quod*)  quam- 
quam   alicui   uirtuti   una   eins   sensatiorie  appareat  aliquid  quod 
sit  apparentia  tantum,   et  illi  sensationi  eins  non  credatur,    non  ao 
tamen  oportet  quod  illi  uirtuti  secundum  aliara  eius  sensationem    ■ 


')  Aristot.  Phi/H.  VIT!  3,  p.  253  a  32-34:  rö  /lev  ovv  .lävz"  i/Qeftetr, 
xa't  TovTov  C^""'  ^-öyof  ätft'vTai:  ri.r  madtjair,  aQQfooti'a  xi'e:  eou  Siaroi'ag. 

0  Damit  vgl.  (Al-Kindi).  Liber  introd.  in  art.  log.  p.  62,  19  ff.  ed. 
Nagy  (Beitr.  zur  Gesch.  d.  Phil.  d.  M-A.  II,  5.) 

■')  Prone,  am  Rande  rce.  .        .' 

*)  qnam  F. 


10  ImpoMÜHli« 

non  credatur  per  so  qiiorl  ita  sit  in  re.  non  enim  onines  sensatio- 
nes  eiusdem  sensus  .sunt  aKfue  dignae  ut  eis  credatur.  niagis 
^nim  credendum  est  ei  quod  apparet  df  prope  quam  de  looge. 
et  uigilando  quam  dormiendo.  et  sano  quam  intinno.  ~  Et  quod 

5  tu  dicis:  «uirtuti  quae  nata  est  decipi  non  est  credendum  quod 
ita  sit  in  re",  uerum  eü^t  in  sensatione  in  qua  nata  estM  decipi; 
sed  non  oportet  quod,  si  -)  uirtus  aliqua  nata  sit  decipi  aliqua 
eius  sensatione,  quod  alia.  non  enim  onmes  sensationes 
aequaliter  se  liabent  ad  deceptionem.  sicut  dictum  est. 

10  Et   quod   iteram  arguitur  quia.  cum  ^^«nsui  aliquid  apparet 

quod  est  appareniia  tantum.  non  hoc  creditur  nisi  ex  alia  uir- 
tute;  ergo  uniuersaliter,  cum  sensui  aliquid  apparebit,  non  cre* 
detur  quod  iUi  sit  in  re.  nisi  alia  uirtus  hoc  diiudicet:  dicendum 
quod  non  wquilur        et  huius  ratio  est  quia  sensus  cui  apparet 

ib  aliquid  quod  est  apparentia  tantum ,  non  habet  secundum  suam 
naturum  iudicare  quod  hoc  sit  apparentia  tantum.  et  ideo  ei 
non  creditur,  ftf*d  »lii  cuius  est  iudicare,  ut  intellectui.  cum 
tamcn  sensui  digno,  in  quo  non  apparet  deceptio  per  alium 
sensum   di^niorem   uel   intcllef.'turn    a^ceptum   ex   sensu  digniori, 

20  aliquid  appiireiit,   ei  cn^dcndum  est  quod   ita  sit  in  re  sine  uir- 

tute  siiperiori,  i.*o  quod  ud  ipsum  pertineat  fidem  de  tali  facere. 

Ad   8<Tundum  clicendnm  quod  ratio  deficit  eo  quod  in  per 

se   notis   raticwieui    quiU'Ht,   omniuni   quaerens  rationem    —    ad 

quod   secjuitur,    nulliuH   habere  rationem  — ,   et  in  omni  credito 

25  quaerit  aliud  per  (|uod  s<-ialiir  esse  uerum  illud  quod  creditur. 
quod  si  ita,  non  eswl  status  in  creditis  et  notis,  neque  prima 
causa  creduIitiiÜH  uel  opinionis;  quare  neque  esset  causatuni  cre- 
dulitas  uel  opinio. 

111. 

3(>  Proponubatiir   tertio   (piod   bellum  Troianuni   esHet   in   hoc 

instant!.      Quod  sie  lu-guitur: 

Instans    praesens  non  est  aliud  ab  inslanti  in  quo  fuit  ue- 
nini   dicorc  quod  erat  bellum  Troianurn;   non  quod  intelligamus 


')  seil,  uiriut. 
^  Gt  P. 


Sigeri  de  Brabantia.  II 

qubd  esse  belli  Troiani  agonis  uel  motus  esset  in  iiistatiti;  sed 
quia  de  tempore  non  est  nisi  instaiis ,  in  quolibet  instanti 
temporis  alicuius  est  tempus  illud,  et  illud  quod  habet  esse  in 
illo  tempore.  si  ergo  instans  in  quo  fuit  uerum  dicere  quod 
erat  bellum  Troianum  non  est  aliud  ab  instanti  praesenti:  nunc  s 
est  igitur  bellum  Troianum. 

Quod  autem  instans  praesens  non  sil  aliud  ab  illo,  proba- 
tur,   quia   instantia   plura  non   possunt   simul  esse,   sicut  neque 
mutatuni   in   diuersis   ubi,   quoram  unum  non  continet  altenim. 
et   instans   in  quo  fuit  bellum  Troianum  etiam  non  est  corrup-  w 
tum.      ergo  manet  idcm  cum  instanti  praesenti. 

Quod  autem  non  sit  corruptum,  probatur  sie.  Omni  cor- 
rupto  per  se  uel  per  accidens  est  assignare  quando  primo  non 
est,  ut  in  termino  suae  corruptionis,  quae  est  eius  corruptio  per 
se,  si  per  se  corrumpitur,  uel  corruptio  per  accidens,  si  per  is 
accidens  corrumpitur.  omni  enim  corruptioni  est  aliquis  ter- 
minus,  cum  nihil  semper  corrumpatnr.  Sed  non  est  assignare 
quando  instans  primo  non  est.  tunc  enim  cum  est,  non  primo 
non  est;  neque  posterius  *)  immediate,  cum  non  sit  instans  in- 
stanti immediatum  2),  quia  termini  non  est  terminus;  neque  primo  20 
non  est  in  instanti  mediato;  simul  enim  esset  cum  instantibus 
niultis,  quod  est  impossibile.  Non  est  igitur  dare  quando 
primo  non  est  instans.  ergo  neque  quando  primo  cor- 
ruptum est. 

Solutio.     Bellum  Troianum  non  est  in  hoc  instanti,   quia 25 
hoc  instans  est  aliud  ab  instanti  in  quo  uerum  erat  dicere  quod 
erat  bellum  Troianum.       illud   enim   iamdudum   corruptum;   et 
non  quaerit  ratio  nisi  qualiter  instans  corrumpitur. 

De  quo  est  intelligendum  quod  non  est  assignare  quando 
instans  primo  non  est,  quia  primo  non  esse  est  in  aliquo  ter-  so 
mino  temporis  in  quo  tempore  habuit  esse,  et  in  principio  tem- 
poris in  quo  est  suum  non-esse;  ita  quod  cum  terminus  non 
intelligatnr  nisi  respectu  continui  et  diuisibilis,  non  est  assignare 
primo  non  esse  nisi  in  eis  quae  permanent  toto  aliquo  tem- 
pore,     instans  autem  non  est  tale. 


*)  püaf  Pf  was  wohl  verschrieben  für  pfiaf. 
»)  Vgl.  AriBtot.  Phifs.  VI  3,  p.  2S4a  6—8. 


12  Impotfsibilis 

Et  ad  rationem  dicendum  (|Uod  comipto  per  se  est  as- 
signare  quando  primo  non  est.  quia  m  termino  suae  corruptio- 
nis.  —  Et  corruptum  per  accidens  est  duobus  modis.  uno 
modo  ita  quod  sit  Iransiiiutatio  ad  non-esse  aiieuiiis  per  ä-,   ad 

s  cuiuä  non-esse  sequitur  non-esse      alterius.  quod  ideo  corrumpi-  jjjli; 
tur  per  accidens  illo  comipto :    et  in   tali  comipto  per  accidens 
est  assignare  quando  primo  non  est.   quia  in  termino  suae  eor- 
niptionis.      Instans  auteni   non   sie  corrunipitur    per    accidens. 
neque  esse  mutati  quod  coniinue ')  mulatur-).     tune  enim  opor- 

10  teret  quod  esse  mutati  quod  continue  mutatur  et  instantis 
illud  esse  consecfuentis -)  toto  aliquo  tempore  permaneret.  et 
ideo  alio  modo  corrumpitur  esse  instantis  et  esse  mutati  quod 
eontinue  mutatur.  per  hoc  uidelicet  quod  mutalum  continue  inuta- 
tur.      ex  hoc  enim  accidit  quod  nulluni  esse  in  spalio*)  retinet 

15  quiscere  ^)  enim  accideret.  et  ad  '■)  comnnpi  sie  per  accidens, 
sicut  corrunipitur  esse  ipsius  mutati  per  hoc.  quod  mutabile 
continue  mutatur.  non  sequitur  quod  sit  assignare  sie  corrupto 
per  accidens  quando  primo  non  est.  cum  nee  corrumpatur  toto 
tempore    alicuius   corruptionis    seu    transmutationis    permanens. 

»^  Quanquam  tarnen  esse  mutati  toto  motu  non  maneat  neque 
esse  instantis  toto  tempore,  mutabile  tarnen  in  substantia 
sua  toto  tempore  niutationis  est  unum,  aut  mutatio  non  esset 
una  et  continua;  et  instans,  mensura  substantiae  eius  quod  fer- 


e 
')  qti  /*:  ^tenno  im  FoffffHcli-H.     Daß  nicht  tftwa  rontinun  zu  schreiben. 

zeigt  Z.  20:  qnnitqttaHt  tamrn  esir  mutati  ttito  tmitu  nun  manfot. 

')  Man  beachte,  dafj  hier  das  inutatnm,  welches  kontinuierlich  renlndert 
wird,  und  das  r>*Hf  desselben,  welches  dabei  in  jedem  Augenblicke  ein  anderes 
ist  nud  instanten  vergeht,  unterschieden  werden;  vgl.  Z.  20  ff. 

'■)  qntif  i*.  Das  conMequi  ist  wohl  in  demselben  Sinne  zu  verstehen, 
wie  oben  Z.  4—5:  ita  qnwl  sit  traHMtimt'ttio  tui  non-eyse  aÜruiitti  jitr  nf. 
Hfl  ctiiutt  iiOH-ensr  sequitur  HOH-vsne  alteriutt,  nicht  im  Sinne  eines  Nach- 
folgens,  Spftterseins,  sondern  eines  Zugleichfolgens.  Verbundenseins. 

*)  Natürlich  bildlich  zu  verstehen;  kein  ,sich  erstreckendes"  Sein. 

'•)  Vgl.  Aristot.  /%x.  VI  8.    p.  239  a  26  ff. 

*')  od  rorrumpi  lir.  nbhftngig  von  höh  .tequitnr,  wie  oben  Z.  A — 5  «rf 
ruiuK  nun-vxite  uequitur  non  rtfav  ultrnHi*.  Der  (substantivierte)  Infinitiv  ab- 
hSngig  von  einer  Präposition  findet  sich  auch  sonst  in  der  Schrift,  z.  B.  S. 
14  Z.  14  f.:  per  moueri  medii.  S.  14  Z.  18:  ex  inoneri  ipaitut  tnedii;  ebd.  Z.  9 
per  m&ueri  grauis. 


Sigeri  de  ßrabantia.  13 

tur,    toto   tempore   in   substantia   sun  est  unum   aut   tempus 
non  esset  unum  et  continuum  ^). 

IV. 

Quarto    proponebalur   quod    ^raue   existen»  superius    non 
proliibituin    non    descenderet,    quia    motus    requirit    mouens    et  5 
mobile;    graui    autem    existente    superius    non    prohibito    non 
est    exterius    quod    moueat    U(>I    impellat.       Et    in    graui    ipso 
non  est  assignare  duo,   quorum    unum   sit  inferius  mobile   et  in 
potentia  ad  ubi  inferius,  et  aliud  mouens  actu  tale  quäle  mobile 
in  potentia.       nam   in   partibus   quantitatiuis   ipsius   grauis  non  10 
est  assignare  talia.      unius  enim  rationis  sunt  eins  partes  quan- 
titatiuae,  ut  nee  sit  assignare  in  eis  dißerentiam  mouentis  et  mo- 
bilis.       in    partibus    etiam    ossentialibus    grauis,    uidelicet   ma- 
teria   et  forma   eins,    non   est    accipere    differentiam    mouentis 
et  mobilis.       materiae  enim  non  est  per  se  esse  in  loco;  quare  15 
nee  moueri.      ens  enim  in  potentia  non  mouetur,   sicut  dicitur 
V.  Physicorum  -). 

Solutio.     Secundum  Auerroem-')   sie   ista  dubitatio  dis- 

')  Vgl.  Aristot.  PhifH.  IV  11,  p.  219  b  9—12;  xal  uja^teg  »/  xivt^atg 
aei  äihi  xal  n/M],  xai  6  XQÖffK.  'J  Ä'  afta  :täi  /gr'»^-  6  ai'Toq'  xö  yag  vvv 
{in»tans  hat  die  arabisch-lateinische  t)beraetzuDg,  t.  c.  103.  fol.  148^  F  der 
ed,  Venet.  1560)  rö  avro  S  .tot*  iJv  ro  d'  tivat  uvx^  Tregor,  zo  de  vvv  zav 
xgöfov  ftfigei,  fj   .tqötfqov  xai  voregov.     Vg!.  ebd.  b  26—27.  220  a  5. 

-)  Aristot.  Phi/s.  V  1,  p.  225  a  21  f.:  ft^^te  tu  xara  avy&EOtv  1}  diai- 
geaiv  (sc.  fti/  ov)  fvÖej^etui  xtveio&ai  fti'jre  tu  xara  Svi'a/Jiy. 

^  Lesung  nicht  ganz  sicher.  Der  Kopist  wullte  zuerst  Anifennfim 
schreiben,  strich  dann  aber  aui  durch  und  setzte  eine  unklare  Abkürzung 
hin,  die  indes  jedenfalls  Aneffoem  bedeuten  solL  In  der  That  heißt  es  bei 
Averroes  De  caelo  IV  com.  22  (Tomas  Qaintus  opemm  Ariatotelis  Siagiri- 
tae,  Venet.  1560,  fol.  252^  £):  Taliter  (andere  Lesart  naturaliter)  autem  ignis 
et  lapis  mouebunt  se  accidentaliter.  et  est  dicere  qnod  aliquid  mouet  se 
accidentaliter,  id  est  quod  non  mouet  se  nisi  propter  motionem  saam  in  roe- 
ditim,  quod  defert  Ipsnm,  nt  gubemator  naais  monetnr  cum  ipse  moueat 
nauem.  Et  causa  in  hoc  est,  quia  motor  et  motum  in  lapide  et  igne  et  aliis 
simpltcibns  non  distingunntur  in  acta  ab  inuicem,  sicut  diatingunnttir  in  ani- 
malibus,  sed  motor  et  motum  idem  sant  in  subiecto,  sed  tarnen  differunt  se- 
CDodom  modum.  grauitas  enim  in  lapide  est  motor  secnndom  qnod  est 
forma  tantum  et  ipsa  est  mota  in  quantnm  est  in  prima  materia.  Vgl. 
Averroes  Df  mi'/oIUcom.  28,  fol.  202'-  Bff.,  Vhy».  Vlll  com.  82,  ioX.ZAh^  B 
und  IV  com.  71,  fol.   I30v  D  ff. 


14  ImtKwsibili« 

soluHur  quod  aliquid  potest  se  ipsum  mouere  per  accidens,  et 
in  illo  motu,  cum  ipsum  mouens  moueatur  per  accidens,  aliud 
est  quod  ibi  mouetur  per  se  —  sicut  nauta  inoaendo  naucm 
mouel  et  mouetur;  sed  non  est  per  se  mobile  in  illo  motu,  sed 

5  per  accidens,  et  nauis  est  per  se  mota  — ;  ita  quod  in  omni 
motu  mouens  per  se  et  motum  per  se  oportet  esse  abstracta, 
sed  mobile  per  accidens  potest  esse  idem  mouenti.  et  sie  dicit 
esse  in  graui,  quia  graue  mouet  semet  ipsum  per  accidens,  et 
per  se  mobile  a  graui  est  medium  in  quo  est  graue,   et   in   illo 

10  et  cum  illo  mouetur  graue  medium  impellens. 

Sed  contra  hoc  arguitur  quia  graue  non  uidetur  medium 
impellere  nisi  per  suum  moueri.  quare  natural!  ordine  et  cau- 
sali  prius  mouetur  graue  quam  moueat.  hoc  autem  non  con- 
tingeret,   si   moueretur  per   hoc  quod  medium   moueret   et  per 

16  moueri  medii. 

Praeterea.  Nauta  mouens  nauem  se  ipsum  mouet,  eo 
quod  sie  se  habet  ^)  ad  nauem  quod  motu  nauis  oportet  ipsum 
moueri.  graue  autem  non  uidetur  oportere  moueri  ex  moueri 
ipsiüs  medii,  nisi  moueri  medii  sit  causaliter  per  moueri  grauis. 

20  Et  ideo   dicimt  aliqui   aliter  quod   idem   non  potest    esse 

mouens  et  mobile  ita  quod  sit  utrumque  illorum  per  se,  eo 
quod  non  conuenit  aliquid  esse  in  potentia  per  se  et  in  actu 
respectu  eiusdem;  quod  tarnen  graue,  quantum  de  natura  sua 
est,  actu  sit  inferius,   et  per  accidens,   hoc   est  per  aliud  tenens 

25  superius,  sit  in  potentia  inferius,  non  est  inconueniens;  et  ideo 
quod  moueat  et  moueatur  absque  hoc  quod  aliud  detur  mobile, 
non  uidetur  inconueniens. 

Et  si  quis  arguat:  »graue  motum  in  fine  motus  per  se 
est   inferius ,    ergo    per    s  e    mouebatur * :    non    uidetur    sequi. 

80  mobile  enim  per  accidens  sie  quia  existens  in  eo,  quod  per  se 
mouetur,  accidens  uel  pars  eius-),  in  fine  motus  non  est  per 
se  in  termino,  sicut  nee  per  se  mouebatur;  sed  mobile  per 
accidens  tali  modo  quia  per  aliud  erat  in  potentia,  et  non  per 
naturam  suam,   nihil   prohibet  in  fine  motus  per  se  esse  in  illo 

85  termino. 


')  Habens  P. 

'}  d.  h.  tanqtiam  accidena  uel  pars  eins. 


Sigeri  de  ßrabantia.  1$ 

Et  si  iierum  arguatur  quod  non  mouetur  aliquid  per  acci- 
dens,  nisi  sit  in  illo  motu  aliquid  quod  moueatur  per  se,  prae- 
dictus  auteiii  modus  respondendi  non  dat  per  se  mobile  in  motu 
grauis,  immo  medium  nioucri  in  motu  grauis  ponit  aliquid  non 
necessarium  ad  motum  grauis,  et  illic  esse  motorem  et  mol»le,  5 
quanquam  solum  spatium  mathematicum  immobile  Habens  prius 
et  posterius  transitui  grauis  assignaretur:  euaderet  aliquis  eodem 
modo,  sicut  prius,  quodjn  motu  mobilis  per  accidens,  non  quia 
sit  in  alio  quod  sit  mobile  per  se,  sed  quia  aliud  facit  ipsum 
esse^in  potentia  ad  illud  ad  quod  debet  moueri,  cum  de  sua  10 
natura  illic  esset,  non  oportet  assignare  aliquid  quod  per  se 
moueatur. 

Quanquam  uero  haec  sententia  probabilis  sit,  tamen  stare 
non  potest.  Quod  primo  sie  apparet,  quia  quanquam  aliquid 
per  accidens  sit  mobile  hoc  modo,  quia  per  aliud  est  in  poten-  15 
tia  et  non  de  natura^sua  ad  illud  ad  quod  debet  moueri,  nisi 
per  se  motus  sit  in  eo  per  quod  est  in  potentia,  non  mouebitur 
per  accidens,  [ita  quod  ille ')  modus  motüs  per  accidens  qui 
assignatur  graui  requirit  aÜquid  quod  per  se  moueatur,  ut  pro- 
hibcns  ipsum  graue  ne  sit  inferius  columnam  sustinentem  -)  20 
uel  medium  amola  columna  sustinente. 

Praeterea.  Quod  in  motu  sie  moti  per  accidens,  sicut 
mouetur  graue,  requiratur  aliud  mobile  a  graui  quod  per  se 
mouetur  docet  demonstratio  Aristotelis  IV.  Physicorum,  capi- 
tulo  de  uacuo  ^),  ubi  uult,  et  rationabiliter,  quod  ablato  medio  n 
i^7v  "^t^''^^*  pleno  aufertur  successio  |  in  motu,  quare  et  motus 
naturalis  ^),  quia  extra  rationem  est  ut  sit  motus  in  aequali  tem- 
pore per  spatium  plenum  et  uacuum  aequalia,  quantaecunque 
raritatis  seu  subtilitatis  plenum  intelligatur.  sed  dato  tempore 
in  quo  graue  descendat  in  medio  non  pleno,  sed  uacuo,  habenti  so 


')  illud  R 

■)  inferhu*  mit  dem  Accusativ,  wie  S.  20  Z.  24  und  27  a^^ua. 

=)  Aristot.  /%«,  IV  8,  p.  214  b  28—215  a  14;   215  a  24—816  a  7. 

*)  80  zu  losen  statt  natura  P,  als  Übersetzung  der  xaxa  tpvoiv  xivrjaie, 
p.  215  a  2.  3.  4.  Auch  der  Kommentar  des  Averroes  (Phy^.  IV  com.  67) 
und  die  zweite  demselben  beigegebeno  alte  Übersetzung  (Aristotelis  opera, 
Venet.  1560,  T.  IV  fol.  128  0  haben  motus  naturalia. 


18  tmpoanbilift 

prius  et  posterius,  sicut  consideranti  apparet,  erit  dare  pl^mm 
tantae  subtUitatis,  quod  in  aequali  tempore  traositus  erit  per 
ipsui'ii;  quod  est  impossibile.  —  Quod  autera  illud  contingeret, 
hoc   apparet.      sit   enim   spatium   z  uacuum   finitum],    aequale 

^  spatio  pleno  finito  h.  si  a  mouetur  per  spatium  2  uacuum  in 
aliquo  tempore,  ut  in  tempore  e^  et  per  spatium  plenum  in 
tempore  c^  ex  quo  utmmque  tenipus  finitum  est,  etsi  minus  sit 
tcmpus  e  quam  c,  tarnen  est  aliqua  eorum  proportio,  et  non 
refert  qualis.      detur  enim   quod   tempus  c  sit   centuplo  maius 

Kf  quam  tempus  e,  accepto  igitur  spatio  centuplo  subtiliori  quam 
h  ei  aequali,  u  mobile  transibit  ipsuni  in  tempore  f,  in  quo 
transit  spatium  uacuum  z. 

Nee  dicatur  quod  impossibile  <)  accidat  ex  hoc,  quod  poni- 
tur*)  subtilitas  ipsorum  corporum  in  infinitum  procederc,  quia*** 

IS  et  hoc  dato  non  tamen  ex  hoc  contingere  debcret  quod  aequa- 
lis  esset  mensura  transitus  per  plenum  et  uacuum,  cum  ^)  ple- 
num resistat,  eo  quod  oportet  ipsum  diuidere  et  impellere,  non 
autem  uacuum.  quanquam  ergo  detur  medium  in  motu 
grauis,  ex  quo  anfertur  medium  mobile,   et  in   motu  eius  nuUa 

suponitur  natura  mobilis  nisi  graue  ipsum,  successio  in  motu  eius 
aufertur,  quare  et  motus  eius  naturalis  ^);  et  hoc  rationabiliter, 
quia  graui  existente  superius  grauitas  ipsa  perfectam  habet  uic- 
toriam  super  ^)  graue,  graui  de  sua  natura  non  resistente  ut  sit 
inferius,  noc  habente  naturam  mobilis  quae  debet  esse  resistens 

25  ad  motorern.  quare  etsi  extra  graue  ipsum  non  detur  natura 
mobilis  resistentis ''),  stntim  sine  successione  debet  esse  inferius; 
et  haec  est  ueritas. 


')  Das  soeben  gefolgert«  impossibih,  daS  nämlich  ein  Körper  in  glei* 
eher  Zeit  einen  leeren  und  einen  erfüllten  Raum  durchlaufe. 

')  nämlich  in  jenem  Beweise,  oben  Z.  1  f.  Im  Folgenden  scheint  der 
Zusammenhang  durch  eine  LQcke  gestört  zu  sein.  Man  vgl.  Averroes, 
Pftys.  IV  com,  71  (fol.  134«-  A  f.)  und  Albertus  Magnus.  Pfttja.  IV  tr.  2 
c.  6,  p.  171  b-172  a  Jammy,  wo  der  hier  mit  Nee  dicatur  anhebende  Ein- 
wand widerlegt  wird. 

'')  ri(m  von  mir  hinzugefügt 

^)  Auch  hier  hat  7*,  wie  an  der  gleichartigen  Stelle  oben  S.  17  Z.  27,  naturn. 

'')  ^V  ^^>  ^^  <^^''  Itegel  nach  Abkürzung  für  nemptr  ist. 

*)  refit»'"  P. 


Sigeri  de  Brabantia.  17 

Tarnen  contra  hoc  arguitur  quia  prius  et  posterius  est  in 
motu  a  priori  et  posteriori  in  spatio,  cum  non  possit  mobile 
simul  esse  in  diuersis  partibus  spatii.  sed  uacuo  dato  manet 
prius  et  posterius,  cum  et  maneat  quantitas  mathematica. 
quare  manebit  successio  et  natura  motus.  5 

Albertus  Coloniensis*),  uolens  sustinere  demonstratio- 
nem  Aristotelis  praecedentem ,  concludentem  quod  aufertur 
successio  in  motu  grauis  ablato  pleno ,  dixit  quod  in  uacuo  non 
erat  prius  et  posterius,  inducens  textum  Aristotelis*)  in  eodem 
capitulo,  quod  ipsius  uacui  nulla  est  differentia ,  sicut  neque  lo 
non-entis;  quare  in  eo  neque  prius  neque  posterius.  —  Sed 
hoc  non  ualet,  quia  uacuum  non  habet  diflferentias  naturae, 
propter  quas  graue  impositum  magis  mouealur  ad  unam  par- 
tem  quam  ad  aham;  ex  quo  tarnen  uacuum  de  sui  ratione 
intcUigitur  dimensio  non  plena  sensibili  corpore:  qui  intelligit  15 
uacuum,  intelligit  aliquid  Habens  prius  et  posterius,  positiones 
magnitudinis. 

Et  idco   Thomas  de   Aquino'')   aliler  considerang    dixit 

■)  Albertas  Magnus,  Phya.  lY  tr.  2  c.  7  (T.  II  p.  176  col.  a  ed. 
Jammy):  Per  idem  patet  solatio  ad  Becandnm  ettertium,  qaoniam  in  nehtate, 
et  sicut  Anicenna  dicit,  in  uacuo  non  est  aliquid  quod  sit  linea  uel  punctus 
uel  dimensio,  nee  inferius  nee  snperius,  nee  ante  nee  post,  quia  istae  diffe* 
rentiae  sunt  entis;  uacuum  autem  ponebatur  non  ens,  sed  priuatio  entis  ab 
Omnibus  antiqnis.  —  Der  hier  in  betracht  kommende  Einwand,  auf  den  diese 
Worte  die  Antwort  enthalten,  lautete  (p.  173  col.  a):  Adhnc,  Aristoteles  nos 
docuit,  quod  prius  et  posterius  in  motu  est  propter  ante  et  post  quod  est  in 
spatio,  et  prius  (Jammy;  post)  et  posterius  est  in  tempore  propter  prius  et 
posterius  in  motu.  Sit  ergo  spatium,  sicut  dlcunt,  separatum.  constat  quod 
illud  est  dimensio  quaedam,  in  qua  est  pars  ante  partem  et  pars  post  parten 
io  ascendendo  et  descendendo.  igitur  motus  qui  est  per  ipsom  necessario 
habebit  prius  et  posterius,  ergo  necessario  erit  in  tempore,  et  non  in  indini- 
sibili  temporis. 

')  Aristot.  Phys.  IV  8,  p.  215  a  9—11:  diamg  yog  zod  fttjdtvos  o^dt- 
ftta  iati  dtatpoga,  ovxtoe  ttai  rov  fi^  Sno^.  x6  Üt  xevdv  ßif  Sv  ri  xcu  areQtjate 
doxeZ  elvat. 

')  Thomas  Aqa.  Fhys.  IV  lect  12  (ed.  Antwerp.  1612.  T.  II.  fol. 
53  a  CD):  Sed  faaec  (gemeint  sind  die,AasfQhmngen  des  Averroes)  omnino 
uidentur  esse  A-iuola.  Primo  qaidem  quia  licet  quantitas  tarditatis  non  sit 
secundum  modum  quantitatis  continnae,  nt  addatur  motus  motui,  sed  socun* 
dum  modum  quantitatis  intensiuae,  sicot  cum  aliqnid  est  albins:  tarnen  quan- 

Beitr&ge  II,  <•    B«eiiiDk*r,  Sigw  tos  Bnlrnnt.  2 


iä  tmposaibiliil 

motum  grauis  in  uacuo  esse  secundum  successionem  et  deter- 
minatam  uelocitalem  naturalem  et  tempus  aliquod,  et  est  sibi 
tempus  addituiii  ex  medio  pleno  prohibenti  uelocitalem  natura- 
lem,     nam  secundum  ipsum   graue   ex   hoc,   quod   existens   in 

5  uno  extremo  non  potest  simul  esse  in  diuersis  partibus  medii, 
successiue  Iransfertur  per  medium  uacuum,  inducens  pro  se 
iUud  quod  dicit  Auempace^),  quod  corpus  caeleste  non  moue- 
tur  per  medium,  nee  iuclinalionoiu  habet  ad  contrarium  motum 
illi   motui   quo  mouetur  a  suo   motore  resistens  motori,  et  suc- 

10  cessionem  habet-)  in  suo  motu  ex  hoc  solo  quod  corpus  mobile 
caeleste  non  simul  potest  esse  in  diuersis  sitibus^*). 

Quod  autem  Aristotelis  intentio  uidetur  esse  contra  ip- 
sum, qui  uult  auferre  successionem  iDedio  existente  uacuo, 
dicit ^)    illam   demonstrationem    Aristotelis    non    esse    nisi    ex 

15  suppositione  aduersariorum  contra  <juos  disputat;  qui  suppone- 
bant  esse  uacuum  ut  non  impediretur  motus,  et  sie  secundum 
eos  causa  motus  erat  ex  parte  medii  quod  non  impedit  motum; 

titas  temporis,  ex  qua  AriBtoteles  argumentatur,  est  secundum  niodum  quan- 
titatis  continuae,  et  fit  tempus  mains  per  additionem  temporis  ad  tempus. 
unde  subtracto  tempore,  quod  additur  ex  impediente,  remanet  t«mpus  natu- 
ralis uelocitatis.  Deinde  quia  in  grauibus  et  leuibua  remota  forma,  quam  dat 
generans,  remanet  per  jntellectum  corpus  quantum,  et  ex  hoc  ipso  quod 
qnantum  est,  in  opposito  situ  existens,  habet  resistentiam  ad  motorem.  non 
enim  potest  intelligi  alia  resistentia  in  corporibus  caelestibus  ad  suos  meto- 
res.  unde  nee  etiam  in  grauibun  et  leuibus  sequetur  ratio  AristoteUs  aecan- 
dum  quod  ipse  dicit. 

')  Auempere  iV— Vgl.  Auerroes,  Fhtfs.  IV  com.  71,  ed.  Venet.  1560 
fol,  131v  0  ff.  und  besonders  Albertus  Magnus  Phi/s.  IV  tr.  2  c.  7  (p. 
172  b  ed.  Jammy). 

^)  habens  P. 

^  Thomas  Aqu.  Phys.  IV  lect.  12,  fol.  52^  H. 

*)  Thomas  Aqu.  Phijs.  IV  lect.  12,  fol.  53i-  a  D  (nach  den  soeben 
angeführten  Worten):  Et  ideo  melius  et  breuius  dicendnm  est  quod  ratio  ab 
Aristotele  inducta  est  ratio  nd  contradicendum  positioni,  et  non  ratio  de- 
monstratiua  simpHciter.  I'oncntes  iiutem  uacuum  hac  de  causa  ipsum  pone- 
bant,  ut  non  impediretur  motus;  et  sie  secundum  eos  causa  motns  erat  ex 
parte  medii,  quod  non  impedit  motum.  Et  ideo  contra  eos  Aristoteles  orgu- 
mentatur,  nc  si  tota  causa  uelocitatis  et  tarditas  esset  ex  parte  medii  — 
Die  wörtliche  Übereinstimmung  in  diesem  Citat  beweist,  daß  auch  im  Vor« 
aufgehenden  die  Ausführungen  in  der  Physik  des  Aquinaten  gciicint  sind, 
obgleich  dort  das  Heferat  sehr  frei  gehalten  ist. 


Sigeri  de  ßrabantia.  19 

ei  ideo  contra  eo3  Aristoteles  argumentatur  ac  si  tota  causa 
uelocitatis  et  tarditalis  esset  ex  parte  medii;  ita  quod  apud 
ipsum  ratio  Aristotelis  est  ad  contradicendum  positioni,  et 
non  demonstratiua  simpliciter. 

Sed  ista  positio  non  ualet,  quia  etsi  aliquis  totam  causam  s 
uelocitatis  et  tarditatis  non  supponat  esse  ex  parte  medii,  pro- 
bat deinonstratio  Aristotelis  simpliciter  quod  successio  aufer- 
tur  posito  niedio  uacuo,  ducens  dantem  oppositum  ad  impossi- 
bile  praedictum,  quod  in  aequali  tempore  transibitur  plenum  et 
uacuum ;  quam  rationem  simpliciter  concludentem  praedictus  lo 
Thomas  soluere  non  conatur. 

Praeterea.  Dato  uacuo  graue  non  est  mobile  a  se  nisi 
per  accidens.  et  iam  prius  ostensum  est  quod  in  motu  ali- 
cuius  mobilis  qui  est  eins  per  accidens,  etiam,  sicut  graue  moue- 
tur  per  accidens,  necesse  est  dare,  quod  per  se  moueatur.  quod  is 
non  potest  dari  medio  existente  uacuo,  cum  uacuum  sit  im- 
mobile. 

Et  ideo  tenemus  sententiam  Commentatoris  •)   quod  graue 
mouetur  a  se  per  accidens,   et   quod   in   motu   eius  necesse  est 
dare   quod   per  se   moueatur,   sicut   medium  plenum,   ita  quod  20 
ipso  ablato  aufertur  motus. 

Ad  rationem  autem  ^  qua  arguitur  quod  ablato  medio 
pleno  et  posito  uacuo  non  auferatur  successio  motus,  quare  no- 
que  motus,  propter  prius  et  posterius,  quae  sunt  in  spatio 
uacuo,  in  quibus  mobile  non  potest  simul  esse:  dicendum  est  S5 
quod,  cum  ablato  medio  pleno  auferatur  quod  per  se  moueatur 
et  resistens  mobile  naturae  grauitatis,  ad  quam  sequitur  esse 
inferius,  nisi  sit  impediens,  aufertur  motus,  et  per  consequens, 
si  intelligatur  graue  esse  inferius,  quod  hoc  erit  sine  motu^ 
!?}q  ^*  Q"*s  tarnen  intelligat  graue  se  facere  |  inferius  occupando  so 
quamlibet  pnrtem  spatii  uacui  medii,  non  potest  mtelligi  quod 
hoc  tiat  sine  motu.  et  ideo  spatio  uacuo  posito,  si  quis  in- 
telligat graue  se  facere  inferius,  in  illo  incompossibilia  accidunt: 
et  sine  successione  et  cum  successione.      quorum   uno  utebatur 


')  9m  r.    Die  Worte  des  Averroes  siehe  oben  S.  13  Anm.  3. 
■)  Siehe  S.  17  Z.  1  ff. 

2* 


Sigeri  de  Brabantia.  21 

ipsa:  Urne  inedio  conlinenle  nioto,  ii  quocunque  alio  niouerelur, 
ipsum  ^aue  moueri  oporteret. 

V. 

Quinto  proponebatur  quod   in    liiiRianis   mttibus   uon   esset 
actus  malus,  propter  quam  malitiam  actus  ille  deberet  prohiberi  & 
uel  aliquis  ex  eo  puiiiH.       Et  hoc  sie  arg:uitur: 

NuIIus  actus  eueniens  secumlum  ordinem  prudenÜs  proui- 
soris  puniri  debet  uel  prohiberi,  praecipue  punitione  ordinata 
per  eundem  pi*udenteui  prouisoreiii.  sed  actus  huniani,  etiam 
niali,  proueniunt  ex  ordiue  primi  prouisoris  prudentissimi.  quare  i<» 
uidelur  quod  non  debet  aUquis  illorum  prohiberi,  nee  pro  eonim  ali- 
quo  aliquis  puniri;  et  hoc  praecipue  punitione  ordinata  per  pri- 
iiunn  prouisoreni. 

Praeterea.  Actus  qui  non  est  malus  ad  totum  aspiciendo, 
prohiberi  non  debet;  sicut  actus  aliquis  in  ciuitate,  etsi  sit  ma-  l^ 
lus  paniiicis  ^),  ex  quo  tainen  referendo  ad  totam  ciuitatem  non 
est  malus,  non  prohibetur,  nee  aliquis  ex  eo  ratione  punitur. 
sed  quilibet  hunianorum  actuum  ad  totum  referendo  bonitatem 
habet,  quanquam  alicui  uel  aliquibus  posset  esse  malus.  prop- 
ter nullum  ei-go  actum  humanum  debet  homo  puniri.  20 

Praeterea.  Si  actus  humani  omnes  sunt  ordinati  a  primo 
proui^ore,  tunc  uidelur  quod  nulli  illorum  punitionem  ordinal, 
aul,  si  punitio  quorundam  actuum  humanorum  ab  eo  sit  ordi- 
nata, tunc  uidentur  illi  actus  non  ex  eius  ordine  processisse. 

Praeterea.      Homo  in  bis  quae  necessario  null  et  necessario  2* 
facit  puniri  non  debet,  nee  in  bis  ulilis  punitio  seu  prohibitio.       sed 
quaecunque  uult  homo  et  facit,  necessario  uult  et  facit,  quia  nuUus 
effectus  euenit  nisi  u  causa,  respectu  cuius  suum  esse  necessarium 
est,  sicut  et  dicil  Auicenna -),      causa  enim,  ex  qua  res  potest 

')  Unrichtig  Haur^ao  panificius,   waa  gar  kein  lateinisches  Wort  ist 

Die  Hnndschrift  hat   panifici,  wobei   das   «   übergeachrieben   ist,    wie  öfter, 
wenn  das  Wort,  wie  hier,  am  Ende  der  Zeile  steht. 

•)  Vgl.  Auicenna  Mtiaph.  tr.  I  lib.  II  c.  2  {ed.  Venet  1495,  fol.  5  r 
col.  b):  Tgitur  manifestum  est  quod  qnicqnid  posaibile  est  esse  non  habet  esse, 
nifti  cum  necessarium  est  respectu  snae  caosae;  und  kurz  vorher:  Dicemas 
igitur    quod   oportet  iUud   fieri   necessarium    esse   per    causam   et    respectu 


22  Inipossibilia 

esse  et  non  esse,  non  determinat  rem  ad  esse.  quare  liidetur 
quod  honio  pro  nullo  actu  quem  faciat,  uel  uoluntate  quam  ha- 
beat  debeat  puniri.  nee  eidein  illius  prohibitio  fieri. 

Solutio.       In   actibus    humanis  r^unt  actus  qui  simpliciler 

5  sunt  mali  naturae  huniauae  speciei,   et  debent  prohiberi,    et  ho- 

mines  etiani   pro  illis  puniri;   et  punitionem  ctiuni  habent  ordi- 

nalam   a   primo  prouisore.  cum  secundum  ordinem  primi  proui- 

soris  sit  quod  legnmlatores  •)  nialos  puniunt. 

Et   ad   herum  intellectum  primo  sciendun»  quod  actus  hu- 

lü  manus  dicitur  malus,  qui  üt  extra  rectam  rationem,  sieul  et  bo- 
nus,  qui  fit  secundum  ordinem  rectae  nitionis. 

Et  secundo  sciendum  quod  actus  malus  humanus  reducitur 
in  ordinem  causae  primae  sicut  in  suam  causam,  non  ita  tarnen 
quod  effectus  qui  est  in  illo  actu  per  defectum  qui  sit  in  prima 

IS  causa  contingat.  sed  cum  deficiat  ratio  in  actu  humane,  ita 
quod  per  eins  defectum  defectus  in  actu  contingat,  aliquid  acci- 
dens  et  ei  occurrens  sua  actione  facit  eam  deficere.  agens  au- 
tem  illud  et  eins  actio,  quod  rationeui  deficere  fixcit,  ni  ordinem 
causae    primae    reducitur,    sicut    in  suam  causam.       Et  hoc  in 

20  exemplo  potest  patere.  delectabile  enim  obuians  sua  actione 
in  sensum  rationem  facit  deficere.  natura  autem  illius  delecta- 
bilis  et  eius  actio  in  ordinem  causae  primae  reducitur,  non  tan- 
tum  ipsum  in  se,  sed  =*)  oceursus  eius  ad  rationem. 

Tertio  sciendum  quod  rectae  rationis  Immanae  est  ordinäre 

2A  actiones  hunianas  in  bonum  humanuni.  bona  enim  et  perfec- 
tiones  aliorum  entimu  naturalium  nou  subiacent  actionibus  hu- 
manis. propler  quod  non  rectat*  rationis  est  ordinäre  de  bono 
aliorum,  nisi  pro  quanto  agibile  est  ab  iiomine  illud  bonum  et 
uenit   in   usum   hominis  et  ad  bonum  Immanum  ordinatur.       et 

30  ideo  iudicatur  in  humanis  actibus  actus  malus  non  referendo  nee 


eius.  Ebd.  tr.  VI  c.  2  (fol.  24f  col.  a):  Orane  enim  quod  iiicipit,  iani  debet  esse 
tnnc  poatquam  non  debuit,  propter  necessitatcm  suae  cauäac  Freitich  pasavn 
diese  Stellen  nicht  genau;  doch  kann  ich  eine  Stelle,  an  der  das  Citat  wört- 
lich sich  fände,  nicht  nachweisen.     8.  auch  S.  25  Z.  8. 

')  leglatorea  F,  was  legutnlcUores  oder  hgislatofe«  bedeuten  kiuin. 
Ebenso  immer,  wo  im  Folgenden  das  Wort  vorkommt. 

0  S.  S.  6  Anm.  3. 


Sigert  de  Brabantia.  23 

lOj^v  atteudeiido  ad  totuni  uiiinersum,  sod  ad  ]  ipsam  hominum  coni- 
iminitatem,  ita  quod  fiequenter  lit  nialuni  in  actibus  huinanis 
cum  bono  et  perfectioiu.»  in  agendo  quorundam  aliorum  agentiuni 
quae  rationem  in  actu  suo  deflcere  faciunt. 

QuaHo  scienduni  quod  ad  rectani  nitionem  humanam  por-  R 
tiriet  ordinäre  punitioneru  actibus  hunianis  nialis.  cum  enim 
rt^cta  ratio  tendat  ad  hoc  quod  actioues  humanae  sie  liant  quod 
liomines  bene  uiuant,  punitio  autem  quorundam  actuum  huma- 
norum  in  hoc  ordinem  habet:  hinc  est  quod  rectae  rationis  hu- 
manae est  punilionem  actibus  humanis  malis  ordinäre.  lo 

Quinto  sciendum  est  quod  simul  stant  quod  actus  mali  or- 
dinal! sunt  a  primo  proulsore  —  non  tamen  contingentes  per 
eius  defectum.  sed  propter  defectum  rationis  et  uoluntatis  — ,  et 
nibilo  minus  tamen  punitio  illorum  a  primo  principio  est  ordi- 
nata.  cuius  ratio  est  quia  primum  principium  ordinal  et  bo-  » 
nuni  humanimi  et  bonum  et  actiones  etiam  eorum  quae  ratio- 
nem delicere  faciunt;  et  unde^)  ordinat  ea  'et  actiones  eorum  quae 
8ua  actione  et  sie  suo  bono  rationem  deficere  faciunt,  quodam 
modo  ordinat  actus  humanos  malos,  qui  rationem  tamen  de- 
fectus  tiabent  proprie  secundum  quod  referuntur  in  agens  iq 
proximuni,  non  in  agens  primum.  in  specie  =*)  enim  actionis 
aj.'entis  primi,  secundum  quod  actio  eius  est,  nullus  cadit  defec- 
tus.  secundum  uero  quod  prinmm  etiam  intendit  bonum  hu- 
manuni, et  non  tantuni  bonum  aliorum,  punitio  autem  humano- 
rum  actuum  raalorum  ordinem  habet  in  bonum  humanuni:  hinc  25 
est  (|uod  punitiones  quibus  legumlatores  malos  puniunt  ex  or- 
dine  primi  contingunt.  legumlator  autem  in  ciuitate  solum  bo- 
num humanum  inlendens,  actum  eundeni  non  punit  et  ordinat, 
sed  quem  ordinat  non  punit,  et  quem  punitjion  ordinat.  aliter 
autem  est  de  primo  proulsore,  eo  quod  sub  eius  ordine  cadit  et  so 
bonum  liumanum  et  bonum  aliorum,  sicut  dictum  est.  Cuius 
simile  in  naluralibus  dari  polest,  quod,  quia  primum  principium 
ordinat  non  tantum  quod  fiat  calidum,  sed  etiam  quod  fiat  fri- 
^Mdum,   non  fit  autem  calidum  nisi  corruptione  Irigidi,   nee  frigi- 


')  Zu  mide  vgl.  S.  7.  Anra.  2. 

'-')    rpe    R      Dieselbe    Konstrnktion    von    eetdere    auch    unten    Z.    30; 
S.  24  Z.  23.  26. 


24  Impossibüia 

dum  nisi  corruptioiio  calidi:  hinc  est  quod  primum  principium 
ordiiuit  quod  fiat  calidum  et  corrunipatur  frigidum,  et  o  contra- 
rio.  Sic  etiam  et  ordiuat  quod  fiant  actus  huniani  mali,  et 
quod  uon  liant,  sed  punitione  coiTumpantur.     sub  eius  enimor- 

b  dine  multi  cadunt  ordines  contrarii. 
Per  hoc  soluta  est  tertia  ratio. 

Et  ad  primam   etiam   solutio   palet  per  ideru,   quia  atlu* 
ordinatus  a  prudente  prouisore,  qui  tantum  ordinal  bonum  hv»' 
nianum,    sicut   legumlator,   puniri   non   debel,    secundum   quc^ 

10  uisum  est.      actus   tarnen  <ontingens  ex   ordine  prouisoriÄ  nc^"  ^^ 
tantum  intendentis  bonum  humanuni,  sed  etiam  bonum  aliorun    -*^' 
(juae  aliquando  sua  actione  rationem  deficere  faciunt,  punitioner    -** 
bene   potest   habere   ordinatam   secundum    rectum    rationem    eC^  ^ 
humanam  et  diuinam. 

15  Ad   secundam    dicendum   quod   ratio   malitiae  in  actu  hu«-^-*"* 

mano  et  ratio  punitionis  non  considerantur  attendendo  ad  totui*'*  *^ 
genus  entis,  sed  ad  genus  humanuni.  et  quia  sunt  actus  hu.*i^JU- 
mani  qui,  etsi  fiant  cum  bono  quorundam  entium,  redundan«~«^-»nt 
tamen   in   malum  commune   ciuitatis   uel  regni,  hinc   est   quo^<::»od 

20  sunt  mali  simphciter  humana  malitia  et  prohibendi  et  puniend'  M^^. 

Ad  quartam  dicendum  quod  necessarium  potest  intelligia..aES  ad 

praesens   tripliciter.      Vno   modo   sicut  est  necessarium  coactici^üo- 

nis;    et   tale   necessarium   non   potest  cadere  in  uoluntate,   qutÄUiia 

uoluntas  in  uolendo  cogi  non  potest.       quicquid  enim  uult,  apW'Ä^^ta 

2s  uult,  et  non  contra  eius  impetum;  necessarium  uero  coaction-«r:Ä:nis 
cadens  in  actione  hominis  puniri  non  debet.  non  enim  pun«:"«  öi- 
endus  est  aUquis  nisi  pro  eo  quod  facit.  quod  autem  quisc»^^co- 
actus  facit»  facere  non  uidetur,  eo  quod  uoluntarie  non  faci^i^cit. 
punitur    enim    ne    iterum    illud    ueHt    et    faciat;    nunc    aute-^^-^f" 

3tj  illud  uolens  non  faciebat,  et  in  ipso  etiam  non  est  ut  eunde--^^  -^™ 
actum  alias  sie  faciat  uel  non  faciat.  unde  necessarium  coa-*^3C- 
tionis  punitionem  non  habet.  —  Secundo  modo  potest  intellff  Ä  ligi 
necessarium  in  uoluntate  et  actione  humana,  si  quis  ex  cau:  *^-J^ 
quae   non   potest  impediri   uelit   aliquid,   et  per  consequens  C^  ^^' 

as  ciat.      et  si  tale  necessarium  esset  in  actibus  humanis,  non  pr  -^ö- 
nirentur.      punitio  enim  a  recta  ratione  ordinatur  sicut  impe(&^^' 
mentum   causae   ex   qua  causa  homo  aliquid  uoloit  et  per  co^*'" 


y 


Sigeri  de  Braltantin.  25 

sequens  fecit.  quod  si  nostrae  uoluntates  et  acliones  fierent 
ex  causis  non  natis  impediri,  otiose  le^mlatores  punitiones  or- 
dinarenl.  —  Tertio  modo  est  necessarium  in  actibus  secundum 
quod  effectus  proueniens  ex  aliqua  causa  quae  nata  est  impe- 
diri, a  qua  tarnen  existente  in  dispositione  illa  in  qua  effectus  » 
ab  ea  prouenit  et  ipsä  non  impeditd  neeesse  est  effectuni  eueuire. 
sie  enim  omnis  effectus  respectu  suae  causae  est  necessarius,  ut 
uult  Auicenna^),  aut  a  sua  causa  non  eueniret.  et  hoc  ne- 
cessarium et  secundo  modo  necessarium  multum  differunt.  com- 
estio  enim  calidorum  aliquando  mortem  inducit  *)  et  composi- " 
tiu  uiuentis  ex  contrariis  etiam  mortem  inducit;  sed  una  istarum 
causarum  non  nata  est  impediri,  et  ideo  semper  effectum  indu- 
cit; alia  autem  quanquam  non  impedita  ad  actionem  sit  neces- 
saria,  non  tarnen  semper,  quando  ponitur,  effectus  ponitur,  pro 
eo  quod  aliquando  recipit  impedimentum;  et  tale  necessarium  is 
in  actibus  humanis  non  excludit  punitionem,  sicut  etiam  nee 
exciudit  alia  impedimenta  in  aliis.  quanquam  enim  ex  aliqua 
causa  aliquis  uelit  aliquid  et  illud  agat,  et  causa  illa  existens  in 
dispositione  illa ,  in  qua  causa  effectus  est  ^)  non  impedita, 
necessaria  esset  ad  effectum:  quia  tarnen  in  se  non  est  necessa-zo 
ria,  ne  alias,  ipsä  positü,  effectus  ponatur,  ordinantur  contra 
eam  impedimenta  et  persuasionum  et  punitionum.  —  Vnde  di- 
centes  quod  omnia  de  necessitate  a  suis  causis  eueniant,  propter 
hoc  quod  effectus  respectu  suae  causae  existentis  in  dispositione 
illa,  u  qua  effectus  euenit,  necessarius  sit  ab  ea,  peccant.  di-  w 
citiu'  enim  effectus  necessario  euenire  ex  causa,  non  quia  neces- 
jj*jj,  sario  ab  ea  euenit  quando  ab  ea  euenit,  |  sed  quia  semper  ab 
en  euenit,  ita  quod  quandocunque  ponatur  causa,  ponatur  et 
effectus. 

Quod   si  tu  dicas:    „quandocunque  ponitur  causa  a   quaiw 
effectus   euenit  non    impedita,    semper    effectus    ab   ea  euenit, 
ita   quod    non  tantum  effectus    necessario    euenit   a    sua   causa 
quando  euenit,  immo  ab  illa  non  impedita  semper  euenit* :  est*)  di- 


■]  S.  oben  S.  21  Anm.  2. 
»)  inducunt  P. 
')  et  P. 

*)  Auch  hier  hat  P  el.    Vtelldoht  liegt  indes   ein  tieferea  Verderbnie 
vor,  da  auch  im  Folgenden  der  ZnsammeDhang  gestOrt  ist. 


26  Impossibilia 

cendum  ad  hoc  quod  eine  dubio  causa,  ut  in  plunbus,  cum  est 
***siue^)  actualitale'-'),  ad  eflfectum  est  necessaria,  et  quandocun- 
que  ponitur  non  impedita,  ponitur  effectus.  sed  ex  hoc  non 
sequitur  quod  tales  efifectus  a  sua  causa  per  se  de  necessitate 
5  eueniant,  quia  ipsa  absentia  impedimenti  non  est  causa  effectus* 
per  se,  sed  tantum  sicut  retnouens  prohibens;  et  ideo,  cum  con- 
sidcraueris  illud  quod  fuit  causa  per  se  ad  effectum^  inuenies 
eflfectum  ex  illo  non  seniper  euenire.  Si  uero  omnes  actiones 
humanae  et  uoluntates  ßerent  ab  aliqua  tali  causa  per  se,   quae 

10  necessaria  esset  ad  effectum,  ita  quod  non  nata  impediri:  actus 
humani  non  haberent  punitioneni.  sed  necessarium  tertio  modo 
in  actibus  humanis,  quod  est  necessarium  ex  condicione,  non 
remouef*)  punitioneni  in  actibus  humanis.  unde  comestio  ali- 
quorum    calidorum,    cum    fuerit    considerata    ut  non   impedita, 

1»  mortem  necessario  inducit;  sed  propter  hunc  modum  necessi- 
tatis  non  omittit  medicus  quin  alias,  aliquo  comedente  talia 
caHda ,  medicainenta  apponat ,  apponens  medicamenta  noti  ut 
comestio  talium  calidorum  non  impedita  mortem  non  inducat, 
sed   ut  ipsa  comestio  calidorum  per  se  posita  mortem  non  in- 

20  ducat,  sed  medicamentis  impediatur.  sie  et  punitiones  medica- 
menta in  actibus  humanis  ipsis  hominibus  apponuntur,  non  ut 
causa  ex  qua  uolebant  et  agebant,  considerata  ut  non  impedita 
et  ut  in  dispositione  illa  in  qua  erat  causa  effectus,  ipsius  causa 
non   sit  —  hoc  enim  esset  otiosum  --,   sed  ut  ipsa  causa  per 

25  se  ab  effectu  impediatur.  absentia  onim  impedimenti  nihil  fa- 
cit  ad  hoc  ut  sit  effectus,  nisi  tantum  remouendo  aliquid  quod 
prohiberet  ab  effectu  illud  quod  est  causa  per  se  effectus. 

Quod  autem  praedictum  est  quod  actus  mali  ordinati  sunt 
a   causa   prima,   sane  inlelligatur.       non  enim  intelligimus  quod 

80  ex  defectu  causae  primae  contingant ,  sicut  prius  dictum  est. 
nee  etiam  intendimus  quod  actio  quae  est  primi  prineipii  defec- 
tiua  sit;  sed  defectiua  est  actio  humana  secundum  quod  ab  ho- 


*)  Das  Wort  kann  auch  sine  gelesen  werden. 

')  Lesung  unsicher;  P  hat  ac^.  Ich  möchte  eine  Lttcke  annehmen 
und  lesen:  cum  ent  in  actiuitate  (oder  Gleichbedeutendes)  aitie  actualüate.  — 
Die  Worte  ad  effectunt  sind  wegen  Z    10  zn  necesrnria  zu  ziehen. 

■)  rj  (=  r«t)  P.    Unrichtig  Hauröau  rrquirit. 


Sigori  Je  Brabantia.  27 

niine  procedit,  per  defectum  uoluntatis  et  rationis,  contingens 
non  per  defectum  primi  principii,  sed  magis  perfectionc  et  uni- 
uersalitate  suae  actionis,  quae  causa  est  oniniuni»  etiam  eorum, 
quae  rationem  et  uoluntatem  in  agendo  deficere  faciunt. 

VI.  5 

Sextü  ponebalur,  quainuis  illud  primo  tugiat  intellectus 
sicut  impossibile,  quod  continpt  aliquid  siuml  es«e  et  iiou  esse^ 
et  contradictoria  de  se  iuuicem  uel  de  eodem  ueriticari.  Et 
hoc  arguilur  sie: 

Quod  contingit  opinari  et  non  potest  reprobari,  illud  uerum  lo 
est,  quia  onine  falsum  contingit  reprobari,   nisi  sit  falsuni  primo 
manifestum  in  süa  falsitate,  et  tale  non  contingit  opinari.      sed 
contingit  opinari  contradictoria  simul  esse  uera,  et  non  contingit 
hoc   reprobari.       ergo   uerum   est.    —    Minor  probatur  quantum 
ad  primam  eius  partem  in  incontinente  qui,  cum  habeat  rectam  i* 
opinionem   in   uniuersali,    in  particulari  illius  uniuersalis  contra- 
dictorium  opinatur,  etiam  opinando  utrumque  in  actu,  sicut  do- 
cel   Aristoteles  VII.  Ethicorum ^).      Quantum   uero   ad   aUam 
eius  partem   sie   probatur,   quia   uult  Aristoteles   in   IV.  Me- 
taphysicae  -)    quod    non   contingit   probare   non   contingere   ali-  2 
quid   simul   esse   et    non    esse;    immo   conantem  probare  petere 
quod  est  in  principio  accidet.      et  si  hoc  probari  non  contingit, 
uec  eius  oppositum  reprobari. 

Praeterea.       Nauale   bellum   cras   fore.   quod   est  futurum 
contingens,  non  est  uerum,  quia  tunc  non  posset  non  fore,  sicut  -'* 
uuU  Aristoteles  II.  De    generatione ").      et   si  non  est  uerum. 


')  Aristot.  Eth,  Nic.VU  6,  p.  lU6b  35— n47a4  (es  ist  vom  axga- 
rtj?  die  Rede):  rzt  F.Tfi  fivo  roo-Toi  tmv  .Tgorao«o)r,  fjfOFT»  ftev  dfitpojigas 
oröev  H'oÄvei  zioÜTtrtv  :iaQa.  rijv  ejitar^fttjv,  xß^i^f^^ov  t^^ot  'ff  xa&öiov  diia 
(Uj  Tf)  xata  ficQOi'  :ioaxTa  yag  rö  xad*  exacra. 

')  Aristot.  Mtiaph.  IV  4,  p.  1006  a  3  ff:  ^i*tig  de  vvv  eiX^tpa/iev  wc 
nftvmrov  ovTog  äfta  eivat  xai  firj  eivai  .  .  ,  d^ioSai  Ar/  xai  tovto  Ajtodtixvv' 
%-ai  nve^  6t  ä.Ta«9f roiav  .  .  .  oxct>£  fisv  yaQ  &ndvt<ov  advvatov  anödet^tv 
sivat  .  .  .  (a  15:)  tÖ  d'  iXeyxxix&s  &xod$ZSai  Hyto  diafpiQeiv  xtu  to  dütodet^aty 
ort  6  a:io6eixvvo}v  fiev  av  66^euv  alzEia&at  t6  iv  ä^xS- 

")  Vgl.  Aristot.  De  gen.  rf  corr.  II  U,  pag.  337  b  4—5:  o  ftev  yoQ 
dX^&ks  tbietv  Ihi  ioxai,  6eX  to0to  elvai  jtovt  Ahf^tc  Sti  jon•^    Aristoteles  fthrt 


38  ImpoBsibilia 

ergo  est  falsum.  quare  eius  oppositum  est  uerura,  quod  nauale 
bellum  non  fiet  cras.  Et  consimiliter  arguitur  quod  nauale 
bellum  non  fore  cras  non  est  uerum;  tunc  enim  non  fore  esset 
necesaarium.      et  si   non   est  uerum,   ergo  est  falsum,   cum  sit 

5  enuntiabile  quoddam.  quare  eius  oppositum  est  uerum.  Simul 
ergo  uerum  erit  nauale  bellum  cras  fieri  et  non  fieri.  quare 
contradictoria  simul  uera. 

Solutio.  Intelligendura  est  quod  duplex  est  operatio  in- 
tellcctus.      quaedam  est  quae  est  indiuisibilium  tntelligentia,  ap- 

10  prehensio  ipsius  quod  quid  est,  alia  compositio  uel  diuisio  inlel- 
ligibilium  apprehensorum,  et  in  utraque  operatione  intellectus 
oportet  esse  aliquid  primo  intelligibiliter  notum  quod  naturaliter 
aduenit  intellectui.  sicut  enim  demonstratio  est  ex  aliquibus 
complexis  primo  notis,  aut  aliter  nihil  esset  scire  per  demonstra- 

lAtionem:  sie  et  definitio  ex  aliquibus  primo  intelligibiliter  appre- 
hensis,  quae  per  alia  intelligibilia  non  definiuntur.  Primum  au- 
tem  apprebensum  de  unoquoque  est  ens,  secundum  quod  docet 
Auicenna  in  principio  suae  Metaphystcae  ^).  nam  uniuersalia 
sunt  prirnum  nobis  npta.      ente  autem  nihil  latius  est,  et  se  ha- 

»  bent  omnia  per  informationem  ad  ens,  ut  in  Libro  de  causis») 

dann  freilich  fort:  o  6i  vvr  äXridk^  ehetv  oti  ftsJüet,  ovdev  xiokvet  fiij  yevi- 
aOat'  fUXXior  yao  nr  ßadi^rty  m  ovx  av  ßadiaeisv,  waa  der  Diapatant  wohl- 
weislich übergeht.  —  Das  Beispiel  von  der  Seeschlacht  selbst  ist  genommen 
ans  Aristot.  l'eriherm.  9»  p.  18  b  22—25:  rt  dk  (it)xe  eazai  ftijzs  firj  foiai 
aT'Qiov,  ovx  av  rtt]  ro  6:T6teQ  hi'x^,  oTov  varftaxta'  diot  yag  av  fujrr  yevia0at 
ravftaxiav  ai^gtov  ftfjtf  fit}  yevso&ai. 

')  Auicenna,  Afetaph.  tr.  I.  1.  II  c.  1  (fol.  4'  col  a.  ed.  Venet.  1495): 
Dicemos  igitur  quod  ens  et  res  et  necesse  talia  sunt  quod  statim  impri- 
muntur  in  anima  prima  iropressione.  Das  Citat  ist  auch  sonst  beliebt;  vgl. 
s.  Thomas  Aqu.  De  ente  et  essentia,  wo  es  sogleich  Im  ersten  Satz  ver- 
wendet wird. 

*)  Gemeint  ist  wohl  Liber  de  cansis  §4.  (B^denhewer,  Die  pseado- 
aristotelische  Schrift  Über  das  reine  Gute,  bekannt  unter  dem  Namen  Liber 
de  canais.  Freiburg  i.  Br.  1882.  S.  166,  20  ff.:  Qnod  est  quia  esse  est 
supra  aensnm  et  supra  animam  et  supra  intcUigentiam;  et  non  est  post 
causam  primam  latius  neque  prins  causatum  ipso.  Vgl.  weiter  anten  (Bar- 
denhewer  8.  167,  16):  ex  esse  causato  primo  propterea  qnod  dinersificatar 
rent  fonnae  intelligibiles  infinitae. 


ful 
llOv 


äigeri  de  Brabantia.  Sd 

dicitur.  esse  enim  est  siniplex  mcntis  conceptus  ad  nihil  determi- 
natus, post  ens  autem  ^)  et  per  ipsum  intelleclum  apprehensiuum 
notum  est  non-ens  eidem  oppositum.  et  quia  de  ratione  entis, 
cuius  primo  est  apprehensio,  est  quod  sit  ens  siue  quod  non  sit 
non-ens,  quod  idem  est:  hinc  est  quod  complexum  primo  notum  » 
in  operatione  intellectus,  quae  est  secundum  compositionem  et 
diuisionem,  est  quod  non  contingit  ens  esse  non-ens,  seu  aüquid 
simul  esse  et  non  esse,  quod  idem  est.  cum  enim  principia 
cognoscamus,  in  quantum  terminos  cognoscimus,  in  terminis 
quorum  ratio  primo  nota  est  habet  fieri  complexio  primo  nota.  >i> 
et  cum  praedicta  complexio  primo  nota  sit  in  ueritate,  eidem 
opposita  primo  falsa  cognoscitur  et  in  falsitate  per  se  nota. 
apprehensiones  tarnen  terminorum,  in  quibus  praedictae  com- 
plexiones  formantur,  naturaliter  primo  fiunt.  et  cum  ex  ratione 
entis  et  consequenter  ipsi  *)  fiat  nota  ratio  imiuscuiusque  entis,  15 
consequenter  etiam  ei  quod  est  quod  non  contingit  aliquid  simul 
esse  et  non  esse  fit  hoc  notum  in  unoquoque  ente  special!;  ut 
quod  non  contingit  aliquid  simul  currere  et  non  currere,  uel 
quod  currens  non  est  non-currens;  et  consequenter  ueritati  ta- 
lium  cognoscuntur  opposita  esse  falsa.  so 

Ex  praedictis  ergo  dicendum  quod  non  contingit  aliquid 
simul  esse  et  non  esse,  |  neque  contradictoria  simul  esse  uera; 
immo  hoc  est  primum  quod  intellectus  refugit  sicut  impossibile, 
ita  quod  alia  impossibilia  fiant  nota  in  sua  impossibilitate,  cum 
ex  eis  accidere  manifestum  sit  praedictum  impossibile.  25 

Ad  primum  in  oppositum  dicendum  est  quod  non  contin- 
git aliquid  opinari  simul  esse  et  non  esse,  neque  contradictoria 
simul  esse  uera,  quia,  si  sie,  cum  opiniones  sint  contrariae  quae 
conlradictoriorum  sunt,  sicut  dicitur  in  fine  secundi  Periherme- 
nias^),  contingeret  eundem  simul  habere  opiniones  contrarias,  w 
unde  non   contingere  aliquid  simul  esse  et  non  esse  est  tale  in 


»)  aia  P. 

*)  ipsi  (seil,   rationi    entis)  abhftngig  von   eonifquenter.     Ebenso   die 

Konstruktion  im  Folgenden.    Z.  16.  20. 

»c 
^    P  hat  die  Abkflrsnng  pyar  =  peryannenias.    Die  mit  dem  so  ent' 

Rtellten  Namen  gemeinte  Sohrifl;  xegi  igfi^vtia^  {De  interpretatione)  iet  in  dei* 

arabisch- lateinischen  Übersetzung   und   bei  Averroes  in   iwei  Bflcher  geteilt, 


so  ImpoMifaiii« 

quo  nullus  errare  potest  oppositum  cred^do.  et  natnraliter  nenit 
ad  babeiUem,   non   ex   aliqua  ratiocinatione  notum  nee  ex  con- 

dicto  seu  suppositione  alicuius  acceptum. 

Et  ad  illud  quod  arguitur  quod  contingat  hoc  opinari,    in- 

r,  telligendum  quod  contradictio  est  aflfirmatio  et  negatio  non  no- 
niinis  tantum  nequc  rei  tantura,  sed  rei  et  nominis.  propter 
quod  uniuersalis  affinnatiua  et  negatiua  eiusdem  praedicati 
de  aliquo  singulari  illius  uniuersalis  non  contradicunt,  qaan- 
quam  de  eadem  re,  ut  de  singulari  illius  uniuersalis,  aliquid  af- 

10  flrmetur  et  negetur.  incontinens  igitur  opinatur  aliquid  in  uni- 
uorsali,  et  de  singulari  illius  uniuersalis  oppositum  opinatur«  non 
pori^ractans  illud  singulare  esse  sub  illo  uniuersali  nee  habere  huius 
rationem,  opinans  quod  nullus  actus  fornicarius  sit  faciendus,  cum 
hoc  simul  habens  opinionem  quod  iste  sit  faciendus,   quanquam 

15  ueruni  dicere  de  illo  quod  fornicarius,  illud  non  auertens  nee  per- 
tractans.  cum  enim  sciBtur  maior  et  minor  alicuius  syllogismi 
cum  applicatione,  impossibile  est  ignorare  conclusionem  in  pro- 
priu  forma,  eo  quod  ista  habeant  sufficientiam  causae  efficientis 
generatiuae ')  scientiae  conclusionis;  sed  cum  sola  maior  et  uni- 

si>  uersalis  non  liabeat  generare  scientiam  conclusionis  et  singulans 
in  propria  forma,  existentis  sub  illo  uniuersali:  binc  est  quod 
potest  seiri  maior  et  uniuersalis,  ignorari  tamon  praedicatum  ma- 
ioris  inesse  alicui  singulari  illius  uniuersalis,  et  per  consequens  op- 
positum credere  in  singulari  eius  quod  credit  in  uniuersali;  sed  su- 

tt>  mendo  affirmationem  et  negationem  eiusdem  et  de  eodem  non  se- 
cundum  rem  tantum,  nee  secundum  nomen  tantum,  sed  secunduni 
rem  et  nomen,  nee  inconlinentem  nee  alium  eontingit  affirma- 
mationem  et  negationem  sie  acceptas  simul  opinari. 

Contingit   autem   affirmationem  et  negationem  contradicen- 

w  tes  tripliciter  accipi.  primo  modo  in  singularibus,  ut:  «Callias 
currif  et  „Gallias  non  currit".  secundo  modo  in  uniuersa- 
libus  negationem  praeponendo:  „omnis  homo  currit",  ,non  omnis 
homo  currit".  teriio  modo  sumendo  uniuersalem  et  particula- 
rem  eidem  opposilam,  ut:  „omnis  homo  currit",  »quidam  homo 


deren  zweites  bei  c.  10,  p.  19  b  5  beginnt    Die  Stelle,  welche  hier  angezogen  wird, 
Irt  C.  14,  p.  24  b  7  —  8:  ivavxiat  /lev  yag  at  :tfQi  m  cirnxri/m'a  (sc.  66iai). 

*)  goate  /'  ^vielleicht  yenerantem  scienfiam). 


Sigöri  de  ßrabantia.  äl 

non  currit".  Quarto  autem  modo,  sumendo  uniuersalem  et  singu- 
larem  sub  illo  uniuersali,  ut:  „omnis  homo  curril",  „Galliasnoncur- 
rit",  non  est  contradictio,  eo  quod,  etsi  Gallias  sit  homo,  alia  tarnen 
ratio  Calliae  et  hominis;  et  ideo  non  est  affirmatio  et  negatio 
de  eodem  secundum  rationem;  quare  neque  secundum  nnmen.      s 

Ad   aliud   dicenduni  quod  naualc  bellum  cras  forc  non  est 
uerura.      Quod  probatur  dupUciter. 

Primo  quia  de  ratione  ueri  est  ut  sit,  et  ideo  uerum  non 
potest  non  esse,  pro  illa  diflferentia  temporis  pro  qua  uerum  di- 
citur,  ita  quod  illud  de  quo  uerum  dicere  quod  currit,  non  potest  lo 
non  currere  tunc;  et  illud  de  quo  uerum  est  dicere  quod  fuit 
aliquando,  non  potest  non  esse  quin  fuerit  tunc;  et  illud  etiam 
de  quo  uerum  est  dicere  quod  erit  aliquando,  ut  nauale  bellum 
erit  cras,  non  potest  non  esse  quod  non  fiat  cras.  cum  enim 
aliquid  est  de  ratione  alicuius,  oppositum  illius  non  est  do  eo  is 
possibile;  et  ideo  si  uerum  est  quod  nauale  bellum  erit  cras,  cum  de 
ratione  ueri  sit  ut  ipsum  esse  habeat,  non  tantum  uerum  est  quod 
nauale  bellum  erit  cras,  immo  nee  eius  oppositum  est  possibile. 

Secundo  idem  apparet.  Futurum  contingens  antequam 
sit,  ad  neutrani  partem  contradictionis  determinatum  est,  sed  20 
potest  esse  et  non  esse,  et  ideo  neutrum  absolute  acceptum  ue- 
rum est,  sed  unum  sub  disiunctione  ad  alterum;  ita  quod  nauale 
bellum  forc  cras  uel  non  fore  est  ueruni,  fore  tamen  non 
est  uerum,  nee  non  fore  est  uerum.  unde  et  Aristote- 
les dicit  in  Perihermeniis^),  quod  uerum  est  in  illis  de  con- zs 
iingenti  futuro  sicut  necessarium  in  illis  de  praesenti  contingenti; 
ut  sicut  Socratem  currere  uel  non  currere  est  necessarium,  non 
tamen  currere  est  necessarium,  nee  non  currere:  sie  nauale  bel- 


')  Nachdem  Aristoteles  Periberm.  c.  9  p.  18  a  33 -b  25  die  oben 
8.  27  Z  24  ff.  geltend  gemachte  Schwierigkeit  entwickelt  hat,  giebt  er  p.  19 
a  23—32  seine  Lösung:  x6  /tiv  ovy  shai  x6  Sv  Szav  ^,  xm  tö  fi^  ov  (lij  tlvat 
orav  fiij  ^,  aväyxt]'  ov  ftrjv  ovte  t6  ov  obiav  ävdyxrj  flvai  ovze  t6  fti]  ov  fiti 
tivnt.  ov  yriQ  lavxöv  iozt  rö  ov  (viav  elvat  e^  aydyxrji  oxe  iaxi,  xai  rö  cbrAö); 
fivat  e^  dv(XYxr}i.  Sfiotois  9k  xai  iai  xov  fiii  Jiroff.  xai  ijtt  x^g  dvxitpdaeo};  6 
avTog  JLoyoi.  etvat  ftkv  »/  /i^  elvai  a:xav  ävdyxt},  xai  eoßO'&ai  ye  ^  fttj'  ov  fiev* 
xot  Siekövxa  ys  euxeiv  &dxeQOv  dvayxatov,  Xiyto  6e  oTov  dväyxtj  {ikv  roec^t 
vnv/taxiav  avgiov  1}  fti)  BOEo&at,  ov  fthxot  eaeo&ai  yt  aifQtov  vavfiaxtar  dvay- 
xaToy  ovde  ftf]  yheo^at'  yEvia&at  fterxot  t/  ftif  ysvEo&ai  drayxaTov, 


luin  (ote  uel  noo  fore  est  uenim,  non  tarnen  fore  est  aaum, 
nee  non  fore  absolute  acceptom,  et  hoc  sapponendo  coatingen- 
tiam  istorum  fiitiiroram;  et  haec  est  intentio  Aristotelis  in 
Perihermenüs  ■),   quamuis  aliis  uariis   modis  de  ueritate  illanim 

sde  fiitaro  contingenti  soleat  dici,  de  quibus  non  est  ad  praesens 
curandnm. 

Dicendum  igitur  quod  nauale  bellam  fore  non  est  uenun. 
Sed  cum  arguitur:  ,ergo  est  faJsum",  non  sequitur.  eadem 
enim   uia  qua   probatur   quod  in  altera  parte  de  fiituro  contin- 

■0  genti  accepta  non  est  neritas,  eadem  uia  etiam  manifestum  est 
qnod  non  est  falsitas.  Et  quod  arguitur:  »sequitur:  non  est 
uerum;  ergo  est  falsum,  cum  sit  enuntiabile".  in  Ulis  de  prae- 
senti  et  praeterito  uerum  est,  in  quibus  est  ueritas  in  altera 
parte    contradictionis    absolute    accepta,    et    in    altera   falsitas. 

ifi  non  enim  sequitur:  ,hoc  enuntiabileaffirmatiuum  non  est  uerum: 
ergo  est  falsum",  ntsi  fuerit  enuntiabile  tale  in  quo  oporteat  esse 
neritatem  uel  falsitatem  cum  fuerit  absolute  acceptum,  et  non 
tantum  in  disiunctione  ad  contradictorium.  talia  autem  non 
sunt   illa  de  futuro  contingenti,  sicut  iam  uisum  est      et  ideo 

so  sicut  uerum  est  quod  nauale  bellum  cras  fiet  uel  non  fiet,  nee 
tarnen  uerum  est  quod  fiet,  nee  uerum  est  quod  non  fiet:  ita 
fore  uel  non  fore  est  falsum,  nee  tarnen  fore  est  falsum,  nee 
non  fore  est  falsum  ^). 

')  Ad  der  S.  31  Anm.  1  citierten  Stelle. 

*)  Der  Sinn  dieses  letzten  Satzes  dQrfte  sein:  Obwohl  es  falsch  ist, 
daß  die  Seeschlacht  zugleich  sein  oder  nicht  sein  werde  (dafi  es  gleichbe- 
deutend sei,  die  Seeschlacht  werde  sein  oder  nicht  sein),  so  ist  es  doch  nicht 
falsch,  daß  sie  sein  werde,  eventnell  nicht,  daß  sie  nicht  sein  werde. 


TerzQiCluiis  der  in  den  ImpossibiUa  SigeH 

angeführten  intoren. 


Albertus  Cploniepsis  17,6. 

Aristoteles  B,].    15,24.    17,(1,9.     18,12.14.     19,1.3.7.    27, 1«.  19. 26- 
31,  A4.    32.3. 

Parihenneaias  29. 29.    31,25.    32,4. 

Pbys|ca4,&.    9,1.    15,24. 

D4  g^ndrat|one  et  comiptione  27,  26. 

MeUphysica  2,1.    27,19. 

Ethica  Nicqmachea  27,18. 
Auempac«  18,7. 

Auerroes  13,20.    (Commcntator:)  19,18.  20.6, 
Auicenna  5,2.    21,29.    25,8.    28,18 
Liber  de  CaUsis  28,  20.     . 
Thomas  de  Aquino  17,18.    19.  II. 
Zeno  (bei  Aristoteles)  9, 1 . 


ßeitrftge  II.  i>.     Baenmkar.  SiKor  von  Bralinnt. 


Wort-  und  Sachregister. 


Absentia  2G,  5.  25. 

absolute  31,21.    32,2.  14.  17- 

absolulas  20.1. 

abstractus  14,6. 

Accidens  4,  4.  6.    14,31.    22. 16.     per 

accidens  vgl.  per 
actio  (J,17.     22,17  ff.   2ö.     23,16  ff. 

24, 12.  ai    2D,  1.    26,8.  31  f.    27,3. 
actualita»  2G,  2. 
actus  /.  Wirklichkeit  b,n.  \Ci.    6,11. 

13,9.    14, 22  f.    27,17.     IL  nätig- 

keit  21,4  ff.    22,2  ff.  15  ff.    23, 2  ff. 

24, 3  ff.  31.  25,  3  ff.   26, 10  ff.   30,13. 
Vgl.  humanus,  malus, 
aeternitas  3,  8. 
affirmare  30,  9. 

afflrmatio30,5.  25.  27.  29.    31,4. 
amrmatiuus  30. 7.    32, 15. 
agens    5,  17.   27.  29.      2i,  17.     23,  3. 

agens  prinmm,  proximum  23,20  ff. 
agere  5,32.  23,3.  2.%  18.  26,22.  27,4. 
agibilis  22,28. 
agon  11, 1. 
aliquando  31,12  f. 
altquid,  oj)fi.  nihil  5, 14. 
anima  6, 8. 
animal  3,2(;.    20,9. 
antecedens  2,5. 

apparenlia  7, 22,  ^6  ff.    8.  9.    10, 1 1  ff 
apparere   7, 19.  22  ff.     8,  1  ff.     9. 12. 

24.  29.    10, 3.  10  ff. 
apparitio  8,  28. 
appetere  6,  3.  13. 
appetibllis  2,  1. 
epplicatio  30, 17. 
apprehendcre  28,11.  15.  17. 
apprehensio  28,8.    2^),  4.  13. 
aptus  24,24. 
arca  6,7  ff. 


assimilare  G,  1. 

auferre  15, 25  ff     16. 19.  21.      17.  7  f. 

18,13.    19,21.  22  ff.    20.3. 
Bellum:    nauale  27,  24.    28,  1  fiT.     31, 

6  ff.  32,7.  20.    Troianum  10,30.  33. 

11. 1  ff. 
boniUs  2t,  la 

bonum  1. 15.    22, 25  ff.    23, 16  ff.     bo- 

num    humanum    22,  25.      23,  15    ff. 

24,8.  11.      boDum    aliorum    24,  II. 

quorandam  24,18. 
Caelestis  2.15.    18,7.  11. 
oalidus  23,33f.    24, 1  f.   25,10.    26.14. 

18  f. 
Callias  30,  30  ff. 
carpentarius  6,  9. 
causa  1,  9.  13.   2,2.  9. 13.  19.   3,  27  ff. 

4,11.  19.    5,1.  3.  30.    6,16  ff.     7.  G. 

7.  13.    21.  28  f.    22,  13.    24,  33.  37. 

25.2  ff.  30  ff  26,4  ff.  22  ff.  27,  3. 
'  causa  prima,  proxima  vgl.  primus, 
1     proximus. 

j  causalis  14, 12.    20,  7.  11. 
causalitas  7,  3. 
causaliler  14,  19. 

causans  3, 13  ff.  33.    4, 3.  10.     5,  7. 
causare  6, 27. 
causalum  3,  Uff.  3:1.   4,3.  11.23.    5.8. 

10,27. 
centupluni  16,9. 
certitudo  7, 25.    8,  2.  4. 
certus  7,  20.    8, 18  ff.    9, 24. 
ciuiUs  21, 15  f.    23,27.    24.19. 
coactio  24,22.  25.  31. 
cogere  24,  24.  27. 
cognitum  9,25. 
cognoscere  9, 2G.    29,  9.  20. 
columna  15.20  f. 
comestio  25,9.    26,  13. 


Wort-  und  Sachr^ister. 


35 


communis:  malum  uommune  24,19. 

communilas  23.1. 

cumplexio  29,  10  ff. 

complexus  28.14.    29,  5. 

conipositio  25,10.    28,10.    29,6. 

conceptus  (mentis)  29,  1. 

conclusio  8,2.    30,17.  20. 

condicio  24),  12. 

condictum  30, 2. 

consequens  2,29.    24,34. 

consequenter  29, 15  f. 

consuetudo  9.8. 

contingens    27,  25.     31,  19  ff.     32,  5. 

rgl.  futurus,  praesens, 
contingenlia  32,  2. 
continue  12,  9  ff. 
continuus  11,33.    12,23.    13,2. 
conlradicere  8,21.  35.    9,  5.  12.    30,8. 
conlradictio  3,  G.  30,5.    31,20.   32,14. 
contradictorius    3,  4.    8,  IH.    27,  8.  1«. 

28, 7.    29,  22.  27  f.    32, 18. 
contrarius  8, 7.    24,5.    25,11,    29,28. 
corpu.s    2,15.      4,4.      l(i,  14.      17,15. 

18,7.  10.    20,29.  31. 
cornimpere  11, 10. 12  ff.    12,  l  ff.  24.2. 
corruptio    11,14  0".      12, 2.  7.  l9.    23, 

34.    24,1. 
cras  27,21.     28,2  ff.     31,6.  14  ff.  23. 

32, 20. 
creatum  5,  14. 
credere    7,22.  2ß  ff.     8.  1  ff.     9,0.  17- 

30.    10, 1  ff.  25.    30, 1.  24. 
creditum  10, 24.  2fi. 
credulitas  10,  27. 
purrere    29,  l!i.      30,31  ff.      31,  10  f. 

27  f. 
»eceptio  10,9.  18. 
decipere  7, 24.    10, 5  ff. 
defectiuus  26,31  f. 
defeetus  2, 30.    3.5.    7,12.    22,  U.16. 

23, 13.    2(J,  30.    27,  I  f. 
deficere  22,  15.  17.  23,  4.  17.  18.  27,4. 
detinire  28, 16. 
definitio  28,  15. 
delectabilis  22,  20  f. 
denionstralio  18, 14.   28, 13  f. 
demonslratiuus  19,  4. 
dependere  4, 2.    6, 22.  23.    7,  6. 
descendere  13,5.    15,30. 
deslructio  2,28. 
determinare  22, 1.    29,1.    31,20. 


deus  1,6.  10.  2,5.  8.  14.  3,9.  10.  16. 
4,9.17.18.  5,25.  6, 2. 22.  jy.  causa- 
primus,  principium,  prouisor. 

differentia  13,12.  14.   17,10.  12.  31,0. 

dignus:  dignior  9,2.  sensus  dignior 
8,21  ff.  9,5.  12  ff.  10,19.  inlel- 
lectus  dignior  8,24. 

diiudicai-e  7,23.  27  ff.    10,  13. 

dimensio  17,15. 

disiunctio  31.22.    32,18. 

disposilio  25,5.  19.  24.    26,23. 

diuidere  16,17.    20,32. 

diuinus  24,14. 

diuUibilis  11,33. 

diuJsio  28, 10.    29, 7. 

dormire  7, 33.    8, 12.    9, 18.    10. 4. 

ESectiue  1,  18.    6,6.  10. 

effeclus  21,28.  22,14.  25,4  ff.  31  f. 
26,3  ff. 

efficiens  (causa)  2, 2.    6, 20  ff. 

ens  1,11.  2,4.  3,7.  5,26.  28,17. 
19  f.  29, 2  ff.  15.  17.  ens  per  se,  per 
aliud  2,8.  entia  naturalia  22,26. 
ens  speciale  29, 17.  ens  in  potentia 
13,16.  non-ens2,24.  7,12.  17,11. 
29,  3.  7. 

enunliabile  28,5.    32, 12.  15  f. 

errare  30, 1. 

error  8,  27.  a5. 

esse  4,2.ff.24ff.  5,  1  ff  15.  7,6f.l3f. 
11,1.3.  29,1.  conceptus  esse  29,1. 
esse  causatum  5, 1.  esse  instantis 
12,21.  esse  mutati  12,9.20.  esse 
in  loco  13,  15.  esse  opp.  quod  est 
4,  24.  esse  npp.  non  esse  7,  7.  14. 
22,1  27,7.21.  29,8.17.22.27.31 
31,21.  non-esse  2,13.  17.  21.  4,  1. 
7,9.    12,5. 

essentialis  vgl.  pars. 

exemplum  22, 20. 

existenlia  7,  21.    8,  4.  18  ff. 

extremum  18,  5. 

exlrinsecus  2, 12.  2).  27  ff.  3,  4  f.  30. 
35.    4,30.    5,3.    7,6.  12. 

Falsilas  27, 12.    29,12.    32,11.11.17. 

falsus  27,  II.  28,  1.  3.  29,  12.  20. 
32,  8.  12.  16.  22  f. 

flnalis  (causa)  6, 14. 

finaliter  5,  32.    6,  2.  6. 

finis    /.  Ende,  Grenze  14,  28.  31.  34. 
//.2«rMfc  1,13. 15.18.  5,81.  6,9.11.15. 
3* 


36 


Impossthilia  Sigeri  de  Brabantia. 


flnitus  16,4.7. 

flumen  8,29. 

forma  /.  phymek  1, 11  f.    2, 17.  18. 20 

26.    5,27.6,7.9.    13,14.    IL  logiach 

30, 18.  21. 
fornicarius  30,  13.  15. 
frigidus  23, 33  f.    24,  2. 
futurus    (futurum    contingens)    27, 24. 

31,  11».    32,5.  9.  19. 
Geaus  24, 17. 
graue   13.4.  6  ff.     14,8  ff.      16, 19  ff. 

17,7  ff.    20,2  ff. 
grauitas  16,22.     19,27. 
gustus  8, 15.    9, 17. 
Hnbiludo  ü,16.    7,  15. 
homo   22,  2.  5.  28  f.    23,1.  8.    26,  32. 

30,32  ff.    31,2  ff. 
humanus:    genus    humanum    24,  17. 

ratio  humana  21,14.    actio  humana 

22, 25  f.     24,  33.     26,  9.  32.     actus 

humanus   21,4.     22,4  ff.      23,  2  ff. 

24,3.    26,11  ff.      bonum  humanum 

22,25.    23,15  ff.    24,8.  II. 
Ignorare  30, 22. 

immobilis  6,  21.  22.  29.    15,  6.    19, 16. 
imparlibiliä  4,  5. 
impedimentum   24,  36.     25, 15.  17.  22. 

26,5.  25. 
impedire  18,16.  18.     24,31.     2.5,2.  4. 

12  ff  31.33.    26,3  ff. 
impellere  13,7.    14,10.12.    16,17.   20, 

10. 24. 
impetus  24,25. 
impoBsibilis  1,4.  7.    3,  3.  0,    7,  10.11. 

19, 8.    29, 23  ff. 
impo^sibilitas  29,23. 
inclinalio  18,8. 
jncompossibilis  19,  3;^.    20,4. 
inoonlinens  27,  15.    m),  10.  27. 
jndiuisibilis  4.  .5.    28,0. 
inesse  {lof/isch)  30,23. 
inlectus  9,18. 
inferius  13, 8  fr.   M.'Jlf.    16.24.    19,2!». 

20,4. 
inftnilus:  in  infinitum  (1,28.    K',,  14. 
infirmus  8,  II     10,  4. 
informalio  28,20. 
insipiens  8, 12.  14. 
instans  10,31.  .^2.    11,1  ff.     12,8  ff. 
intellectus    /.    V^ernunf't   8,  23.     9,  14. 

10.  17.      28,  8.    11.    13.      29,  6.   23 


//.    mgriff    8.  22    flf.        9,    5.   14. 

10, 19. 
intelligentia  /.  Gei*ticeaen  1,16.    2,13 

ff    3, 5.  7.    6. 5.     7, 5  fT.       TT.    Ver- 
nunfteinsicht 28, 9. 
intelligere  17,15  f. 

intelligibilis  2.1.  6,11.  8.23.  28,  10.  IG. 
intelligibillter  23, 12. 15. 
intermedium  20,2. 
intrinsecus  3,31. 
iudicare   8,  6  f.    9, 11.     10, 16  f.      Vgl, 

diuidicare. 
iudicium  9,4.  10. 

Irfgumlator  22,8.  23, 26  f.   24,9.  25,2. 
locus  13, 15.    20,  2. 
longe  10,3. 
luna  3,27. 

Bfagnitudo  4, 5.  7.    17, 17. 
maior   {propoaitto   maior)    7,  29.      .30, 

16.  19.  22. 
malitia  21,5.    24,15.  20. 
malus:  aclus2I, 5.14 ff.  22,  5 ff.    23,6ff. 

24,3.    26,28.    malus   als  Substantiv 

22,8.    23,26.    malum  23, 2.     malum 

commune  24, 19. 
manere  12,  20. 
manifeslus  27, 12. 
raateria    1,10.     2,17.     5,20.28.     6,7 

13, 13.  15. 
materialis  5, 16. 
malhematicus:  spatium  mathematieum 

15,6.    quantitatis  malhematicn  17,4. 

mathematica  (P/«rai)  1,14.     «J,  4. 
medicamcntum  26,17.  20. 
medicus  26, 16. 
medium   14,  9  ff.      15,  4.  25.       l(j,  18 

18,3  ff     19.2  ff  22  ff. 
mens  29. 1. 

mensura  12, 23.    Iß,  16. 
metaphorice  6, 12. 

minor  (proposttiominof)  27,14.  30,1*1. 
miraculosu^  9,6. 
mobilis    1,16.     6,25.     1-3,  6.8.  fT.     14, 

21  ff.    15,5  ff.    16,24.     19,  12. 
mors  25,10  f.    26,15.  19. 
motor  16, 25.    18,  9.    20,  23. 
motus   1,16.    2,3.     6,12.17.      ir.  1. 

13,5.     14,2  ff.     15,26  f.     lü,  18  ff 

17,2  ff.     18,1  ff     19.  19  ff.      20,3. 

11.  14  ff 
mouens  13, 5.  9  ff.    14, 21  ff. 


Wort-  und  Sachregister. 


37 


mouere  1, 16  f.    2,3.    6,2.21.    13,«» ff. 
niouere  per  se  14, 3  ff.   per  accidens 

14.1  ff. 
inutabilis  12,16.  21. 
mulare  11,9.    li,9  ff. 
mutatio  12,22. 

Natura  2,20.  28  2ii.  31.     3,  3.     7,  9. 

17.12.    19,27.    22,5. 
naturalis  0, 7. 9.    H,  12.    15,27.    16,21. 
18,2r.  20,7.11.  22,26.  naturalia  23,32. 
naturaliter  20, 12.  28, 12.   29, 14.   39, 1. 
nalus  10, 7. .  25, 4.  12.    2(j,  10. 
naualis  njl.  bellum. 
Dauigare  8, 29. 
nauis  U,.l  5.  17.    20,15  ff. 
nauta  14.  3.  16.    20, 15  ff. 
necessario  21, 25. 27.  25, 2().  32.  26, 15. 
necessarius  1,7.     3, 10.  18  ff.     21.28. 

26.2  ff.     28.4.     3I,2ö  ff.     necessa- 
rium,   drci'  Arten  24,21  ff.    25,9  ff. 

necessitas  5, 5.    2(>.  4.  15. 

negare  30, 10. 

negatio  5,  12.  20.    30.  5.  2.").  28.  29. 

negatiue  5,10  f.    7,  l. 

negaliuus  30,7. 

nihil  2,6.    3,21  f.    5,14.  19.21  f. 

nomen  (opp.  res)  30, 5  f.  26  f.    31,5. 

nolus  3,11.    4,  10.  U.  21.      10,23.  26. 

28,12.14.    29,5.  10  ff.  l.'-).  17.    30,2. 

Vyl.  primo,  primutii. 
Occursus  22.23. 

operatio  (intellectus)  28,8.  11.    29,0. 
opinari  9,11.    27, 10  ff.    29.27.    ;«),4. 

10  ff. 
opinio    8,34.      l(t,  27  f.     27,  IG.     29, 

28.  30. 
oppositum  7, 13.    9,  (i.  27. 23.    2«,  1. 5. 

29,12.20.    30,1.23.    31.15. 
ordinäre  21,21  f.    22,  24  ff.    23,6.10. 

15  ff.  28  ff    24, 3  ff  36.    25,2.21. 
ordo  .5,13.   14,12.    20,7.11.    21,7.24. 

22,  la  18.  22.    23.9.  26  ;)0.    24,5. 
otiose  25,2. 
otiosus  26,24. 
Panificus  21, 16. 
pariKcare  3, 8. 

Tarisiensis  (studium  Paris^iense)   1,3. 
pars  /.  iJAy«/sc'A  4,7.  8.    14,31.    17.13. 

18,5.    20,30.32.    //.  fo^wcÄ  31,  20. 

32,  9.   —   Partes  quantitatiuae    13, 

10  f.    essenliales  13, 13. 


particularis  30, 31   in  particulari  27, 16. 
passio  8, 19. 

per:  per  se  2, 8.  6,31.  7.1.9,22.26. 
10,  22.     11,  13  ff    12,  1  ff.     13,  15. 

14.3  ff     15.2  ff     19,15  ff.     20,19. 

26.4  ff.  19.  24.  29,  12.  per  aliud 
2,  8.  9,  26.  per  accidens  11.  13  ff. 
12, 3  ff.  14.  1  ff.  24  ff.  15, 1  ff.  19, 
13  ff    20, 17  f. 

perfectio  22,25.    23,3.    27,2. 

permanere  12, 19. 

persuasio  25,22, 

petere  quod  est  In  principio  27,21. 

phantasia  8,33. 

philosophus  7, 16. 

plenus  15,26  ff.  16,  1  ff.  16  ff.  18,3. 
19,  20.  23  ff 

positio  Lphi/sittch  4,1.  17,16.  //.  lo- 
gisch 19,3.  5. 

positiue  5, 10.    7, 1.  2. 

possibilis  2,27  ff.    6, 1. 

posterius  1.5,7.    16,1.    17,1  ff.    19,24. 

potenlia  2, 17.  26.  5,11.  16.  7,9.  13, 
9  f.  16.    14,22  ff.    15,10.  15  ff 

praedicalum  i,\b.    30,7.  22. 

praesens  10,32.  de  praesenti  32.  12. 
praesens  conlingens  31,26. 

praesupponere  6, 18. 

praeteritus:  de  praeterilo  32, 13. 

pritno  29,10ff.  primo  no1um28, 12. 14. 
29, 5.    primo  apprehensum  28, 15. 

prirous:  primum  2,6  f.  3.3(J.  4.21.28. 
5.8.19.  6,31.  7,7.  2.3, 2  J.  27.  2.% 
23.  primum  princlpium  2,  l.  6, 17. 
23, 14  f.  24,1.  27,2.  causa  prima 
5,  29.  10,  26.  22,  13  ff.  26,  2.1  f. 
prouisor  primus  21.10.  12.21.  22,7. 
23,  12.  30.  ageas  primum  [opp. 
proximum)  23,  20  ff.  primum  ap- 
prehensum  28,15.  primum  notum 
28.  19.  primum  necessarium  1,  7. 
primum  impossibile  1,6. 

principium  /.  physisch  2,  4.  4, 30.  32. 
5.8.  11,31.  primum  principium  ty//. 
primus.  IL  logisch  A,\^.  8,3.  27, 
22.    2i»,8. 

prioritas  5, 17.  20. 

priuatio  U,  15.  17. 

priuatiue  5. 10 

prius  15,6.    16,1.    17,1  ff    19,24. 

prubare  27, 20  f. 


38 


Impossibüia  Sigeri  de  Brabantia. 


prohibere  21,5.  8  ff. 

prohibitio  21,26. 

prope  10,3. 

proporlio  1 6, 8. 

propositio  4, 16. 

proueclus  9,8. 

prouisor  21,7  ff.  2i,7  ff.  23,12.  30. 
24, 7.  10.     Vgl.  primus. 

proximus  23,21, 

prudens  21,9  ff.    24,8. 

pueritia  9,8. 

punire  21, 6  ff.  22, 3  ff.  23, 28  f.  24, 
20.  26  ff 

punUio21,ai2.  22f.2G.  22,6.  23, 8  ff. 
14.24.    24,4.14.16.32.36.    25,2.22. 

Quaestio  4. 18.  19. 

qualiter  11,28. 

quantitas  17,  4. 

quantitatiuus  13, 10  f. 

quiescere  9, 2.    12, 15. 

quod  est  {opp.  esse)  4,24.  quod  quid 
est  28, 10. 

Baritas  15,29. 

ratio  /.  Vei-nunft  7,  4.  9,  2  f. 
10,  22.  11,28.  a-AlO  ff.  24  ff.  23, 
4. 5  ff.  13  ff.  27, 1. 4.  ratio  humana, 
diuina  24, 13.  recta  ratio  cgi.  rectus. 
//.  BegriJ  3,  7.  4, 12.  13. 15. 17. 22. 
5,8.  18.  17,14.  24,15  f.  29,3.  10. 
15.  31,4.  8.  15.  ///.  Grund  8,  17. 
9,23.28.  10, 23  f.  21,17.  2  V.  Be- 
ziehung, Verhältnis,  Weise  6,  19  ff. 
7,2.    8,7  ff.    13,11.    30,13,    31,5. 

ratiocinatio  30, 2. 

ralionabiliter  15,  25.    16, 21. 

rectus:  recta  opinio27, 15.  recta  ra- 
üo  22, 10  f.  24.  27.    23,5.    24,36. 

refugere  29, 23. 

legnum  24,19. 

remouere  26,26. 

reprobare  27, 10  f.  23. 

res:  in  re  7,31.  8,1.  10,13.  res, 
opp.  nomen  30,6.  26  f.  rerum  na- 
tura 3,  6  f.  causalitas  rei,  opp.  ra- 
tionis  7,  4. 

resistere  16, 17. 

Sanu3  8,12.    9,17.    10,4. 

sapiens  3,  11.  4,  9.  16.  21.  8,  12  f. 
9,8. 

sapor  9, 17. 

scibilis  4, 20. 


scientia  30,  20. 

scire  28, 14. 

semper  25,27.  31.  33.    26,8. 

sensatio  8,31  f.    9,22.  29  ff. 

sensibilis  9,4.    17,15.    sensibiie  pro- 

■    prium,  commune,  per  a'-cidens  9,  19  f. 

sensus   7,  26.   28  ff.      8,  2  ff.      9,  2  ff. 

12  ff.    10, 2.  10  ff.    22. 21. 
separatus  6, 10.     substantia   seporata 

6,13. 
siccus  20|31. 

simplir.iter  19,  4.  10.    22,4.    24,20. 
simulll,8.    19,25.    23,11.    27,7.21. 

29,  16.  la  22.  27  f.  31. 
simulacrum  7,  20.    8, 19. 
singularis  30,  8  ff.  20  ff.  31,  I. 
Situs  18, 1 1. 
sol  3,27. 
somnium  7,20. 
sophista  1,3. 
spatium   12,  14.      15,  6.  28.      16,  4  ff. 

17, 2  ff.    19, 24  ff. 
specialis  29, 17. 
species  1,12.    ^2,5.    23,21. 
Stare  (bestehen,  gelten)  15,13.    23,  11, 
Status  3,28. 

Studium  Parisiense  1,3. 
subiectum  4, 7.  1 5.  f. 
substantia:  substantia  separata   6, 13. 

in  substantia,   opp.   in  esse   12,21. 

13,1. 
subtilis  16, 10. 
sublilitas  15,  29.    16,  14. 
subtus  20,  24.  27. 
successio  15, 26.    16,20.    17,5.8.     18, 

1.  9.  13.    19, 7.  23.  34. 
successiue  18,  6. 

sufficiens:  causa  sufficiens  4,  22.  25. 
sufflcientia  30, 18. 
superius  13, 6  ff.    14, 25.    16, 22. 
Supern  aturalis  9,  6. 
suppositio  3,25.    18.15.    30,3. 
Syllogismus  30, 16. 
Tarditas  19,2.  6. 
tempus  3,  8.    11. 2  ff.  31. 35.    12,  U.  10. 

21.   13,1.    1.0,27.29.   16,2  ff.    18.2. 

19,9.    31,9. 
terminatus  20,  31. 
terminus  1.  Endpunkt  11,  14  ff.  30.32. 

12,2.  7.    14,32.  35.    //.  Wort  4, 14. 

29,  9.  13. 


Wort-  und  Sachregister. 


39 


textus  17,0. 

terra  8,  29. 

totum  4, 8.    23, 1. 

Iransire  16,  11.    19,  9. 

Iransitus  15,  7.    16,  2.  16. 

transmutatio  6,  24  fl.    12, 4.  19. 

Troianus  vgl.  bellum. 

Vacuus,   uacuum   15,25.   28.    16,4  ff. 

16  IT.     17.  3  ff.     18,  I  ff.      19, 12  ff. 

20,2  ff 
ubi  11,9.    13,9. 
ueUe   6,12  f.    21,25  ff.    24,24  ff.    25, 

18.    26,22. 
uelocitas  18,2  f.    19,2.  6. 
uerita3  16,27.    29,11.  19.  32,4.10.17. 
uerificare  27, 8. 
uerus  3,10.    10,32.    11,4.26.    27,10 


ff.  25  f.  28,  !  ff.  29, 22.  28.   31,  7  8ff. 

22  ff.    32, 1  ff  7  ff 
uictnria  16,22. 
uiKilare  7,33.    8,12.    9,18. 
7.  21.  23  ff. 


10,4. 
9,  29. 


10, 


uirtus  4,  4.  7. 

5.  7.  13.  20. 
uisio  8,30. 
uiuens  25, 11. 
uniueräalia  27, 16.  28,18.   30, 7  ff.  10  ff. 

31  ff.    in  uniuersali   27,  16.    30,  10. 
uniuersalitas  27, 2. 
uniuersus  23,  1. 
unus  12,  22  f.    13,  1  f.    20, 30. 
uoluntarie  24,28. 
uolunta.««  6,  12.    22,  2.    23, 13.    24, 23. 

33.    25,1.    26,9.    27,1.4. 
Zeno  9,  1. 


I.  Die  Handschrift 


fef  vorstehend  zum  ersten  nmte^  «ftllständig  verftffentHehte- 
Traktat  ist  uns,  soweit  bekannt,  in  einet  •inzigen  HirftdÄrikrin. 
überliefert: 

P  Purin,  BibUotheque  mitionale,  tat,  16297,  «bemals  Sor>- 
honne  1334,  Pgmt.,  262  fol.  4^  zwei  Ä«lumnen„ 
XIU.  Jahrh. 

Die  hitpitmbilm  Sitferi  reichen  von  fol.  106*^  col,  b  bis  fol.  11*0'* 
col.  b.     Wie  sie  mitten  in  der  Kolumne  anfangen,   so  füllen  «fe* 
auch  fol.  110^"  nicht  völlig  aus;  vielmehr  stehen  fol.   IIO^'  col.  b" 
uml   dann    uniet  beiden  Kolumnen   dieser  Seile   uocti   mehrere 
SatÄp,-  die  zum  folgemlen  SliK-k  gehören  ^). 

bie  Handschrift  ist  eJn  Miscellancüdex,  von  renjchiedenen 
Händen,  doch  durcliweg  im  Xllf.  .^»hphundert  i^'esihricben-  Wie 
■wir  aus  einer  Notiz  auf  fol.  262^'  ersehen  -'),  ist  dieselbe  au« 
deui  Legate  des  Gottfried  von  Fontaines  (Gwlofreflux  ih  Fou^ 
Ubwf)  an  die  Sorbonne  gekommen'*).  Dieser,  »in  berülmiteii" 
Lehrer  der  Theolojjio  an  der  Pariser  Universität,  voTftv  Kardinal 
Johannes  Monachua  (Lomoine)  nls  ,  grau  de  lunien"  de.*  Pariser 
Sludituxts  ge(«i»rt  '),  war  zuglelcli  Kanoniker  von  Lütlich  %     Aul 


')  S.  S.  42  Anm.  2. 

1  l8to  liböT  est  coUegii  paupenmi  de  »rbona  studentiuni  in  theologica 
facQlUt*.     «  l«ga.^o  moglBtri  godefredi  dt*  fontiboB. 

^    f'twr  liiea    Legat    und    die    au»  ihm  atammeiwlen  HandachriftoD  der 
P»riaor  NatiünalWbÜoi   ^^^^  ^8*-  ^'  l^ölislc.    U  Qthim-t  ^hs  manu^eritö  de  la 

*J  Chtirtultirfitm't     «'"'''''''"■''''•*  i>i '•»"«'''»«'>»    "U.  H.  Deniflü,  anxilianto 

'J  ^icoU  u»  IV   BchT.    -''^t  12^2  März  15:  ...  ac  magistro  Godefredo  de 
"''V  caaoai    T»  V"'U.-il«  "'  ''ß'''^'  ^''*"''""  '"  theologia.     DenifU.  Char- 


Die  Handschrift. 

LfUtich  weist  auch  ein  freilich  von  anderer  Hand  als  unser 
Traktat  geschriebenes  Stück  dei'  liaudschrift,  die  Konstitutionen 
der  Lütticher  Kirche  (fol.  233—237).  Gottfried  von  Fontaiucs 
lebte  noch  ^)  zu  Anfang  des  Jahres  13<H-),  scheint  aber  bald 
darnach  gestorben  zu  sein '^).  Einige  Zeil  nach  1304  also  ist 
unser  Manuskript  in  die  BibUotlick  der  Sorbonne  gelangt.  Es 
ist  nicht  mehr  ganz  in  der  ursprünglichen  Gestalt,  da  es  zu 
Anfang  einiges  mehr  aufweist,  als  das  fol.  262"  sich  findende, 
von  einer  \h\ui\  des  friibea  XIV.  Jahrhunderts  stammende  Re- 
gister ongiebt  % 


tut.  II.  p.  53.  —  Daß  Göttfried  von  Fontaines  hier  zugleich  als  Magister  re- 
gen» und  Canonicus  bezeichnet  wird,  erklärt  sich  daraus,  daü  or,  dem  nll^ü- 
meiiicn  Privileg  entsprechend,  von  der  Hesidenzpfliclit  entbanden  war. 

')  Delisle.  r^  ,f.  O.  II.  p,  150.     Denifle.    «.  n.  0.  II.  p.  91  n.  L 
'l  nach  modenier  Itechnnng:  Kehntar  1308  nach  alter  Hezeicliiiung. 
\  Denine,   Cbartiil.  It    p.  91   n    1. 

')  Da  Hnurt^ao    In   Rcini>^  sogleich   zu  crwflhncnd'ün  Beschreibung  der 
Haiidachrift  dioaee  tnhaltsrerzeiohnis  nicht  mitteilt,  ao  sei  es  hier  abgedruckt: 
In  hoc  volumine  contincutur  it^ti  ühri  (]ui  Hecuntur. 
liiier  de  perfectione  vite  apiritualia. 
Quodlibet  cuLoadam  magiatri. 
Qucdam  queationes  naturales. 
Item  über  de  por'ectione  vite  apirituali». 
Kpiatola  thome  ad  duciauam  brabancie. 
Itein    tractjitua  de    forinn  abaulueiidi. 
Item   In|ioHHibilia    Lygen  de  brabani-ia. 
qucsttones  higicalea  et  gramm.nticalcs. 
i^uinnia  dictaniinla.     lUihhitfr,  rtm  nmifier  uiut  HHtschfinen'i  JÜit- 

gtfer  Hand:  magi^tri  guidoni»  valdo  bona. 
Item  quodlibet    (*vjm  :/.  Ilnnfi  ohm    quolibet  horvi'jieri)    ruiuiidam 
niagiatri.     Ihthinter  mn  derafilhen  'J.  Utind,   wir  bei  <ier  rori- 
gw  üuiHmfr:  de  statu  ciiratomm  (?,  Abküt'ZHng  unklnr)  reli- 
gioanrum   sacrorum   (?,   Schrift  ttnd  Ahkürzuttg  unklar)   bene 
atilium. 
ClemeDB  papa  de  articulia  fidoi. 
De  regnlia  tlieologie. 
lih{T  de  intelligentits. 
Intilulariones  ecciesic  Icodieusia. 
De  corpore  Christi  et  eiua  fato 
qaedam  queationes  de  corpore  Christi. 
(Juodam  alia. 


1 


^2  Impossihilia  Sigeri  de  Brabantia. 

Eine  summarische  InliaUsangabe  des  Manuskriptes  ftndel 
man  h)  der  Hihfiothfifjue  fh  Vintlr  f/r.s  rharfrs,  T.  XXXI.  Annee  1870. 
Paris  IS7I,  p.  136.  Ausrührlich  ist  dasselbe  von  Haurc'au  l3e- 
Ni'hrii'lK-n  '),  der  auch  FrapHonte  aus  verschiedenen  voji  den  in 
der  Hiiudschrifl  cnllialtoneM  Stücken  miUeilt.  Seine  Besohrei- 
t)ung  ist  in  allem  Wcsf^itlichon  /utrcfTend  -').  Wenn  er  aber 
meint  "),  wit*  schon  vor  ihm  Le  (Herc  ),  dt-r  Ti-aktal  sei  in  un- 
jierpr  Handschrift  unvollstlndig,  so  cnlh(^lirl  diese  Annahme  jedes 
(Jpundes.  Vielleicht  ist  dieselbe  dadurch  entstanden,  da&  Le  Clerc 
und  Haureau   einige  Sätze,   die  in   der  Handschrift   hinler    dem 


Daniiitor  der  oben  S.  40  Äom.  2  abgedruckte  Provenienz- Vermerk  Dann  eine 
AnKiibe  Ober  Hen  Preis  (40  soll  und  ein  verwischte!*  Wort,  dns  Le  Clerc, 
llixtoii'f  lito'raife  lic  ta  Fitim-f.  XXI.  p.  121  —  wenn  ich  seine  Notiz  richtig 
bfsieh«  —  ala  cathrnabitur  (ntttnlich  zum  allgemeinen  Gebrauch)  liest»  das 
ab«r  anob  den  Namen  eines  Benutzera  enthalten  kann. 

')  B.  Hauri^au,  Xotirf^  ri  vjrtmittf  de  qm-hinfs  rnnmutf-rU«  IttiimM 
,lr  h  hiMütthftfUti  nntionalit.     T.  V.  Paris  189*2.  p,  80—108. 

')  Ungenau  ist,  waa  Hanräaa,  o.tt.O.  S.  99,  Ober  daa  den  lm/*osttibi- 
Hn  Sijffri  folgende  St^ck,  die  <^uodHhft(t  eines  ungenannten  Autors,  bemerkt. 
Ifli  licriclitige  difts  hier,  weil  vermutlich  dieser  Irrtum  schon  Le  Clerc  und 
niicli  ibni  Hauräau  zu  der  gftnzlich  unbegründeten  Anäicht  verleitet  hat,  die 
IinjMtHMthifia  Sitjft'i  seien  unvolUtändig. 

Jene  (^uotiHhvftr  beginnen  oÄrolich  nicht  erst  auf  fol.  IIK  mit  der 
Krage:  «Vtnim  dialoctica  sit  scientia,"  sondern  e«  geht  ein  Teil  vorher,  der 
noch  auf  fol.  110^,  dem  Blatte,  aitf  dem  die  fmpmitibitia  Si-yeri  scfalieQen, 
«tohi.  Dies  Stück  boginut  fol,  110''  col.  b;  .Cum  in  omni  specie  entis  «it 
nliqiiiid  siininuiin  boiinin  pusstbile,  4juia  constat  quod  cullibet  speciei  eotis  est 
aliquod  bonum  posäibile:  ai  ergo  in  illo  ad  finem  non  contingeret  deuenire,  ul 
utiaet  aliquod  summum  et  ultimum  bonum  cuiuslibet  speciei,  tunc  esaet  «li- 
qnod  hnnum  poiutibile  »peciebus  enti»  ad  quod  impoesibile  esset  ipsaa  deae* 
iiire.*  Dieser  Text  setzt  sich  dann  unter  beiden  Kolumnen  von  fol.  HO* 
und  am  unteren  Uande  von  UU  fort  Hierauf  erst  folgt  III  r:  ,Vtruni 
dialcctica  sit  scientia*  n.  s.  w. 

Zu  bemerken  ist,    daß    die  Blattversetznng.    welche    den  Text   der   Im- 
hifiu  Siffrri  in   Unordnung  gebracht  hat,   auch    in    dii?sen   <^mnilibrta,    die 
uf  der  andern  R&lfto  der  betreifenden  in  der  Mitte  gefalteten  Blätter  stehen, 
riederkohrt.     Fi>l.  112  muß  hinter   fol.  114    (wie  dort    fol.  109  vor  fol.   107). 

■■)  A.  a.  0.  S.  92. 

')  Hiät.  litt,  de  la  Frnncr.  XXI,  p.  121.  —  Wenn  auch  ich  {Arvkie  f. 
^e$th.  der  PhUos.  X.  iferlin  1897.  S.  150)  dies  wiederholt  habe,  ao  kannte 
eh  eben  dumala  die  Handschrift  noch  nicht. 


Die  Handacfarift.  43 

Schluß  des  Traktates  auf  derselben  Seite  stehen,  aber  zur  fol- 
genden Abhandlung  gehören,  mit  der  sie  auch  in  der  Schrift 
übereinstimmen,  irriger  Weise  noch  zu  den  Impomb'dia  Sigeri 
zogen.  Im  übrigen  erledigt  das  VI.  Kapitel,  wie  die  Inhaltsana- 
lyse zeigen  wird,  seinen  Gegenstand  ganz  programmmäßig.  Die 
Annahme  aber,  daß  noch  weitere  Kapitel  geplant,  oder  ausge- 
führt, aber  uns  verloren  seien,  würde  gänzlich  in  der  Luft 
schweben: 

Die  Textesüberlieierung  in  unserer  Handschrift  ist  ziem- 
lich rein.  Zwar  linden  sich  einzelne  Versehen,  die  den  Gedanken 
zurückweisen,  als  hätten  wir  in  der  Handschrift  das  Autograph 
des  Verfassers;  aber  sie  bietet  doch  einen  mit  wenigen  Aus- 
nahmen wohl  lesbaren  Text.  Die  Klagen  Po tvin's  ^)  sind  über- 
trieben. 

„Wohl  lesbar"  freilich  nur  für  den,  welchem  die  zahllosen 
Abkürzungen  solcher  Handschriften  völlig  geläufig  sind.  In 
der  That  hat  der  Schreiber  in  der  Anwendung  dieser  Siglen 
eine  wahre  Virtuosität  gezeigt.  Man  glaubt  oft  eine  Art  von 
Steno-  oder  Tachygraphie  vor  sich  zu  sehen.  Der  erste  Satz 
des  „Sophista"  z.  B.:   quorum  primum  fuU  deum  non  esse.     Iwc 

')  Bulletina  de  l'Academie  Royale  de  Belgique.  1878.  p.  348  (vor  den 
von  ihm  mitgeteilten  Fragmenten):  ,Je  n'ai  pas  la  Prätention  d'avoir  cntiere- 
inent  compris  ces  fragments.  Je  n'en  pablie  quelques  uns  que  pour  montrer 
combien  tonte  ^tude  de  ces  pbilosophes  est  impossible  sans  le  concours  pr^a- 
lablü  de  deuz  sciencea  speciales:  la  pal^ograpfaie  qai  fixe  le  texte  des  manu- 
scrits  et  la  pbilologie  qui  le  corrige  et  lui  donne  un  sens  exact.  Encore 
faudrait-il  ici  que  le  philologne  füt  familiarisä  avec  les  idöes  et  les  for- 
mules  de  la  scolastique  .  .  .  J'ai  trouvä  des  phrasee,  des  passages  entiers 
d'unc  clartä  irräprocbable,  et  mfime  d'une  conciston  forte;  d*antres  oii  le  sens 
s'obscurcit  sans  que  la  construction  grammaticale  nous  ächappe;  d'autrea  enfin 
oü  la  phrase  comme  le  sens  se  d^robe,  ce  qui  fait  supposer  que  le  copiste  a 
orois  des  mots  et  que  ces  cahiers  de  claases  ont  des  laconea.  J'ai  supprimä 
ces  derniers  autant  que  posaible.  Les  ätudiants  du  moyen  &ge  s'y  retrou- 
vaient  sans  doute;  pour  s'y  retrouver  aujourd'hui,  il  fandrait  des  savants."  — 
Wie  ich  hoffe,  liefert  die  vorliegende  Ausgabe  den  Beweis,  daß  es  damit 
so  schlimm  nicht  bestellt  ist  Freilich  weicht  allein  bei  dem  erst«n  von  Pot- 
vin's  Fragmenten,  dem  Anfang  von  Kapitel  I  (p.  1,3-5,6)  die  im  Vorstehen- 
den gegebene  Lesung  von  Potvin's  Text,  wenn  ich  recht  gezählt  habe,  in  15 
Fällen  ab. 


44  Impossibilia  Sigeri  de  Brabantia 

enim  primum  impossibile,  cum  eitis  oppositum  sit  pritnum  necessa- 
rium  (p,  1,  6  —  7),  sieht  in  der  Handschrift  ungefähr  folgender- 
maßen aus: 

m m__Ie_9        m  mm 

quo^  p  fdit  dm  n  ee  •  h* .  n  .  p  .  ipo   ca  ci  opp    sit  p  ncc. 
Als  weitere  Probe  mögen  die  Schlußworte  des  Traktates  (p.  32, 
18-  -23)  dienen  (die  Abkürzung  für  quod  kann  hier  nicht  genau 
wiedergegeben  werden): 

O) 

taUa  a  n  rt  illa  de  fato  otigeü  sie  ia  visu 

_     ._    _  lo       „  a 

e  .  &  io  sie  vm  -!-  q  na  bella  es  fiet 

_         0    _     _^  c     _ 

vi*  n  fiet  n  tn  vm  ~  q  fiet  n  vm  -^ 

a  „_  c 

q  n  fiet  .  i  fore  1'  n  fore  -^  f •"  n 

_         o  _ 

tn  fore  e  f"*  n  n  fore  -—  f™ 

d.  h.:  talia  mitem  non  sunt  illa  de  futuro  contingenti^  sicut  tarn 
visum  est.  et  ideo  sicut  verum  est  quod  nauale  bellum  cras  fiet 
vel  vfm  fiet,  nee  tarnen  verum  est  quod  fiet,  nee  verum  est  quod 
non  fiet:  Ua  fore  vel  non  fore  est  f oleum,  nee  tarnen  fore  est  fal- 
sum,  nee  non  fore  est  falsum. 

Indes  geben  diese  Abkürzungen  zu  Zweifeln  so  gut  wie 
niemals  Anlaß.  Sie  sind  eben  zumeist  feststehend.  Wo  dieses 
nicht  der  Fall,  oder  wo  die  Abkürzung  an  sich  mehrdeutig  sein 
könnte,  ergiebt  sich  doch  aus  dem  Zusammenhange  die  Auflö- 
sung durchweg  mit  Sicherheit. 

Interpunktion  hat  die  Handschrift  nur  ganz  vereinzelt. 
Beim   Einbinden    ist    in    der   Handschrift    eine   Blattver- 
setzung vorgekommen.    In  dem  Quarternio,  der  jetzt  durch  die 
Blätter 

107— 

lös— 

109— 

110-j  ! 

IIU     I 

112—  I 

113—1 
114-  _! 

gebildet  wird,  war  das  Blatt  fol.  109  und  112  ursprünglich  das 
äußere,  so  daß  die  richtige  Ordnung  folgende  ist: 


Die  Handschrift.  45 

109 

107—  ! 

108—  j  I 

llU' 

113— 

114 — ^1 

US—' 
Wie   man    sieht,    ist  nicht  nur  unsere   bis   fol.    110   reichende 
Schrift,  sondern  auch  die  folgende  Abhandlung  von  dieser  Blall- 
versetzung  betroffen  *). 

Gedruckt  sind  von  unserm  Traktate  bisher  nur  Teile. 
Von  den  wenigen  Notizen  daraus  bei  La  Giere-),  die  zudem 
durch  arge  Lesefehler  entstellt  sind,  dürfen  wir  füglich  absehen. 
Den  Anfang  des  ersten  Kapitels  und  kleine  Bruchstücke  aus  dem 
zweiten  und  dem  fünften  vei-öffentlichte  Gh.  Potvin''),  das 
zweite  und  das  fünfte  brachte  B.  Haureau  zum  Abdruck ^); 
das  dritte,  vierte  und  sechste  Kapitel,  sowie  ein  großer  Teil  des 
ersten,  waren  bisher  noch  unediert.  Aber  auch  die  bei  Potvin 
und  Haureau  abgedruckten  Stücke  sind  in  manchem  unveretänd- 
lich,  teils  wegen  unrichtiger  Lesung  oder  falscher  Auflösung  von 
Abkürzungen'),  teils  wegen  gänzlich  verfehlter  Abteilung  der  Sätze 
und  Satzteile.  Möge  es  mir  gelungen  sein,  hier  die  Fehler 
meiner  Vorgänger  zu  vermeiden  und  auch  in  den  Teilen,  in 
welchen  ich  ganz  allein  auf  mich  angewiesen  war,  wenigstens 
nicht  allzu  oft  und  nicht  in  Wesentlichem  zu  irren! 

In  der  vorliegenden  Ausgabe  sind  Abweichungen  vom  Text, 
i^oweit   sie  nicht  bloße  orthographische  Dinge  betreffen,    stets  in 

')  S.  oben  8.  42  Anm.  2 

■■')  A.  a.  0.  S.  121. 

^)  BHllftinn  de  rArmlemie  Rot/ah  de  Belgiqite.  1878.  p.  349—354. 

*)  Notici'-H  V.  p.  89-92.  92-98. 

'■)  So  liest  Potvin  z.B.  aliquant  statt  animai,  tanto  statt  tef-iio,  tarnen 
statt  teiiinm,  pritatum  statt  praedicatum  u.  s.  w..  Haaräau  fei  statt  re- 
sperfH,  Ulmen  statt  Uintum,  r&jnirit  statt  remottd  u.  s.  w.  Ich  habe  es  nicht 
für  nötig  gehalten,  dergleichen  jedesmal  anzumerken.  Wohl  aber  habe  ich, 
wenn  meine  Abschrift  von  Potvin's  oder  Hanräau's  Text  abwich,  jedes- 
mal meine  Lesung  nach  der  Handschrift  revidiert. 


<tfi  Iniposaibilia  Sigeri  de  Brabantin. 

den   Anmerkungen   angegeben.     Mit   Konjekturen   habe   ich   ge- 
glaubt, recht  sparsam  sein  zu  sollen. 

Die  Sc'hreihweisc  habe  ich»  t^ntgegen  der  Gewohnheit  der 
Historiker,  dem  klassischen  Gebrauch  angepaßt,  von  dem  icli 
voraussetzte,  daJi  er  der  Melirzalil  der  Leser  geläutiger  sein 
würde,  hn  übrigen  habe  ich  mit  der  Interpunktion,  der  Orlho- 
graphie  u.  dgl.  es  gehalten,  wie  es  sich  mir  bei  der  Ausgabe 
von  Avcncebrols  Föns  uilae  bewüJirte.  Einen  großen  Anfangs- 
buclislaben  verwentlele  icii  nur,  wo  eine  neue  Gedankenreihe 
beginnt.  Namentlich  bei  kompliciortcren  Beweisführungen  scheint 
mir  dadurc'ii  die  ÜbLTsichtlichkeit  zu  gewinnen,  da  so  der  Unter- 
schied der  eigenllirhon  Wendepunkte  des  Beweises  und  der 
bloUeii  l'nlerglieder  scharfer  hervortritt. 

n.  Charakter  und  Abfassungszeit  der 
„Impossibilia  Sigeri*'. 

Schon  auf  den  ersten  Blick  stellen  sieh  die  hiposnihilia  Sigeri 
dar  als  eine  Streitschrift.  Die  kurze  Einloiluiig  führt  uns 
nach  Paris  in  eine  Versaminhmg  der  Gelehrten  der  Universil.1l '). 
In  rlerseü>en  Irilt  ein  „Sophist"  auf.  um  eine  Reihe  kühner 
Thesen  aufzustellen  und  zu  begnmflen.  Daran  wird  jedesmal 
eine  WidcTlegnug  geknüpft,  die  zuerst  die  i'nlgegcngeselzle  Be- 
hauptung zu  beweisen  unterniinnil  und  dann  die  Argumente  des 
„Sophisten"  einzeln  zurückweist.  So  entsteht  die  der  Scholastik 
des  XIII.  Jahrhunderts  seit  Alexandei-  von  Haies  geläufige, 
(hirrh  Thomas  von  Aquin  in  der  Surnnta  tke<^inj'u'n  mit  vir- 
tuoser Kürze  geiibte  trirhotomisfhe  Weise  des  Aun>aiis,  indem 
die  Erürtenmg  der  einzelnen  Fragen  nach  dem  <Ireiteiligen 
Schema:  Gegengnmde.  positive  Beantwortung,  Auflösung  der 
Objektionen,  erfolgt,  freilich  sind  liier  die  Objektionen  und  der 
diesen  zugrundeliegende,  im  Folgenden  durch  die  entgegensie- 
hende Behauptung  bekümplle  Salz  von  einem  bestinmiten  Gegner 
aufgestellt.      Nach   dieser   Seile   hin    wiederhoU    die   Schrill   die 


")  S.  1,3:  „Conuoeatis  a&pientibas  studii  FariBienBis."  Wir  sollen  ftlsu 
an  eine  allgemeine  UniveräitäUvorsaitmilung  denken,  nicht  blo&  an  eioe 
Bolcbo  der  AriiKltQfiikuÜttt. 


Cbarokter  und  Abfasaimgszeit.  i7 

Technik,  welche  wir  z.  B.  in  dem  Traktat  des  Garncrius  von 
Rochefort  gegen  die  Amalrikaner  finden  i)  und  die  auch  Ray- 
mundus  LuUus  in  seiner  Schrift  gegen  unsern  Si^cr  und 
dessen  Gesinnuiis:sgenossen,  poetius  den  Dünen,  einp;ehallen  hat=). 

Ob  eine  solche  Versammlung  wirklich  stallgt^fundcn  hat» 
etwa  bei  Gelegenheit  eines  der  gewöhnlichen  Disputalionslage, 
oder  ob  wir  in  derselben  nur  eine  schriftstellerische  Einkleidung 
zu  sehen  haben,  wird  sich  nicht  mit  Sicherheit  entscheiden 
lassen.  Die  Analogie  mit  der  genannten  Sclu-iJl  des  Rayraundus 
Lullns  spricht  für  die  zweite  Annahme.  Auch  üi  dieser  Sciirlfl 
bietet  die  Einleitung  eine  kurze  Scenerie.  In  einem  Walde  vor 
den  Thoren  von  Paris  wandelnd,  trifft  Raymundus  den  Sokrates, 
welcher  eine  lange  Reihe  von  Sätzen  aufstellt  und  begi-ündet. 
Diese  Sätze  —  es  sind  die  1277  von  Stephan  Tempier  ver- 
worfenen Propüsitionen  —  sind  aber  nicht  bei  einer  einzigen 
bestimmten  Gelo^enheil,  nicht  einmal  von  einer  einzigen  Per- 
sönlichkeit, aufgestellt  worden.  Die  Einkleidung  ist  also  schrift- 
stellerische Erfindung. 

Wie  dem  aber  auch  sein  möget  jedenfnlls  sind  Thesen  und 
Begründung  derselben  von  dem  in  der  Schrin.  bekämpfen 
Gegner  in  der  Hauptsache  so  vorgebracht  worden,  wie  sie  hier 
wiederKCgehen  werden").  Der  knappe  Ton,  die  rasche  Folge  der 
Gedanken  in  den  Trugschlüssen  des  .Sophisten"  gegenüber  der 
oft  profusen  Darstellung  des  ihn  bekämpfenden  Schriftstellers 
zeigen,    daü   der   letztere   bei    der  Wiedergabe   der  Ansicht    des 


')  Kiu  Tittiflftt  ifeyt'M  <iif  AmnfririaHei'  aus  tirm  Anfang  rfcj*  XUI. 
Jahrhuuiifrtii,  hnig.  vr»n  Clement  ßaeumker.  Padorbom  1893.  Die  von 
Manilonnet,  Hfnii-  Tlmtnist,:  T.  I.  Paris  1B93.  p.  261  tf.  g<^ßpn  di*»  Urlie- 
boracbaft  des  Garnerius  geUciid  gemachten  GrQnde  haben  mich  nicht  über- 
xengt;  vielmehr  halte  ich  an  dcrsellwii  um  so  mehr  fest,  nachdem  ich  mitt- 
lerweile andere  Werke  de»  Garnerius,  vor  allem  die  hdgofjne  ihi-»it}ni»itinnn  itffm- 
hulicitf,  in  den  HnnJächrilttiii  von  Troyea  vergleichen  konnte  und  zugleich  po- 
«Itive  Iteweitio  dafUr  fand.  daG  Gamerias  1216  noch  am  Leben  ist.  DarQbor 
demnächst  Näheres  an  anderer  Stelle. 

^)  IM>fr  amtnt  errorcu  Boftii  ft  Sigerü  (ich  benutzt«  daaselhc  im  Cod. 
MooBC.  Ittt.  10495),  worüber  weiter  untt-n  zu  handeln  ist.  Preilii-h  hat  Ray- 
iiiundnH  die  Gründe  des  nnter  dein  Namsn  Sumtles  eingeführten  Gegners 
nur  den  ersten  Sätzen  regelmttfjig,  spAter  blofi  veromzoU.  heigefUgt. 

'}  Gegen  Hauräau,  Nt*firet  rt  eMmits.  V.  p.  88. 


ImpossiTiiltR   Si^ri  äe  Brabaotia. 

Gegners  sich  an  etwas  Gegebenes  hielt,  mocliten  dies  nun  Aii^ 
Zeichnungen  aus  einer  Disputation,  oder,  was  mir  wahrschein- 
licher ist,  Auszüge  aus  einem  Lelirvortrag  oder  einer  Sclirifl  sein. 
Wenn  die  Sätze  als  Imiyosaibilia  bezeichnet  werden,  so  soll 
dadurch  von  vomherem  ihr  Charakter  aiisgetlrückt  werden. 
Natürlich  darf  inan  das  Wort  nicht  mit  den  InmAuhUht  ver- 
wechseln, die  aus  der  logischen  Theorie  des  Mittelalters  bekannt 
sind  ').  Freilich  schillert  das  Wort  in  der  Schrift  in  verschie- 
denen Bedeutungen.  Bald  wird  es  im  Sinne  des  , Sophisten* 
gebraucht,  welcher  den  von  ihm  bek5mpflen,  von  den  übng<.'D 
allgemein  anerkannten  Satz  als  unniöfcdich  zu  erweisen  versucht  -), 
bald  im  Sinne  der  gewöhnlichen  Meinung,  der  das  von  ihm  B^ 
hauptete  als  unmöglich  vorkommen  werde  *). 

Indem  wir  die  saeldiche  Würdigimg  von  Rede  und  Gegen- 
rede in  unserer  Streilsclirifl  für  einen  spateren  Abschnitt  vorbe- 
halten, wenden  wir  uns  zunächst  der  Frage  nach  der  Abfas- 
Hungszeit  zu.  Von  der  Bezujj^nahnie  auf  Siger  von  Brabant. 
mit  dem  das  alte  Inhaltsverzoicimis  den  Traktat  in  Beziehung 
l»rintitf  sehen  wir  dabei  vorläufi;^'  ab;  denn  einmal  ^rhelU  aus 
jenem  Titel  „ImpftftsihUht  Sit/fn"  nicht,  ob  wir  eine  Siiirifl  von 
Siger  selbst  oder  eine  Gegenschrift  gegen  ihn  vor  uns  haben, 
die  möglicherweise  erst  liingcre  Jahre  nach  Sigers  Tode  ver- 
ladt sein  könnte.  Dann  aber  ist  die  Zeit  Siger's  und  seine 
ganze  Pcrsönlichfceil  eine  umstrittene.  Wir  worden  daher  die 
Frage  nach  der  Aljfassungszoit  unabhängig  von  der  Frage  nach 
dem  Verfasser  zu  behandeln  suchen. 

Eüien  AnhalL^^punkt  dafür  giebl  uns  die  Handschrifl,  in 
welcher  der  Traktat  uns  überliefert  i.st.  Diese  ist  aus  dem  Le- 
gal desGullfried  von  Fonlaines  (Godofredus  deFontibus) 
an  die  Sorboime  gekommen  *).    Gottfried  von  Fontaines  ist  gegen 

')  Pruntl,  üMfhichte  der  htgik  im  Abendlamle,  Bd.  iV.  Leipzig  1870. 
S.  40-44.  89—93.  110—114.  1S8-140  und  öfter. 

')  So  gleich  bei  Satz  I  (p.  I,  6—7):  deum  non  eaae.  ,Hoc  ©niin  pri- 
mnm  inipi>ssil)i]e,  cain  eius  opposituni  sit  primum  necf^warium  * . 

')  So  bei  Suta  VI  (p.  27.fi  f.);  Sezto  poiiehatur.  qaamui»  illud  primo 
fugiat  inMlectos  sicut  JmposBibile,  etc.  —  In  di'r  Rlnleituiit;  tritt  dieser  Dop- 
pelsinn nicht  schon  hervor. 

*)  Sü  d*'r  Vernurk  fol.  262^ ;  s.  8.  40  Anm.  3. 


I 


I 


ä!ar  Biographie  Siger's  von  Ur&h.ant.  40 

1304   goslorben  ^J.    Die  Schrift    kiimi  jiIho  nicht  apSler  als  etwa 
1304  rerfafät  sein. 

Nach  vorn  hin  ahor  jfcbfrn  dio  in  ihr  vorkominendon  Zi- 
tiiln  f.inen  ausrciidieiulmi  Aiihall.  l)or  dem  ,Sopliisleii"  ani^ir- 
höiige  Teil  bei-ufl  sich  auf  Schrillen  des  Aristoteles,  welcho  ei-sl 
im  XIII.  Jahrhundert  in  Frankreich  verhi*eitet  wurden,  wie  die 
Physik,  die  Metaphysik  und  dio  Ethik-),  Dabei  beweist  der  ganze 
Sland  der  Kontroverse  eine  i>ereiU  län^fere  Zeit  arnlaucrndt'  lio- 
kannlsdiafl  mit  den  durch  «lieae  Schriften  angeregten  Problemen, 
wie  sie  wenigstens  vor  Wilhelm  von  Auvergne  nicht  mfiglich 
war.  —  Der  Gepier  setzt  sich,  autücr  mit  Avicenna,  Avcm- 
pace  uitd  Avcirocs  •*),  auch  mit  Albertus  Magnus*)  {von 
ihm  als  Aihertug  Coioni^nsis  ■')  bezeichnet)  und  Thomas  von 
Aquino'')  auseinander.  Da  die  letztern  ausdrücklich  mit  Namen 
genannt  werden,  was  bei  noch  lebenden  Scluifbsteliern  im  Stittel- 
alter  nicht  ühhch  ist,  ^o  hat  Haurean  wohl  recht,  wenn  er  aus 
diesem  Grunde  die  AbCassung  der  Schrill  in  dii'  Zeit  nach  dem 
Tode  Albert's  des  Großen,  also  nach  l^*HO,  setzen  will"). 

III.   Zur  Biographie  Siger's  von  Brabant. 

LeUeu  uud  Schritten. 

Wie  schon  bemerkt  wurde,  entbehrt  der  Traktat  in  der 
Handschrift  jeder  Obei*schrift  oder  Verfasserbezeichnung,  wird 
aber  in  dem  alten  Inhaltsverzeichnis  als  ImjwasihUia  Sigeri  auf- 
gezählt '). 

Dem  Verfasser  dieses  Verzeiclinisses.  welches  der  Schrift 
nach,  wie  schon  oben  bemerkt  wurde,  dem  frühen  XIV.  Jahr- 
hundert angehört,  zu  militrauen,  liegt  kein  Gnmd  vor.  Zwar 
bezeichnet   er   irriger  Weise   die  Ars   fifhi   des  Alanus  de  In- 


')  S.  ol>en  S.  41. 

"*)  S.  das  Ver&eicbnia  der  in  d«r  Schrift  benutzten  Aotorcn  S.  33. 
")  Vgl.  das  Verzeicbnis  S.  83. 
*)  Vgl.  S.  17,6. 

')  So  gewrshnlich  in  jener  Zeit.    EboDBo  z.  B.  bei  Dante,  IStrad.  X,  9ä  f. 
«)  Vgl.  K.  17.18.    S.  19.11. 
*)  Hnur^au,  Sotirfs  V,  p,  99. 
*)  S.  oben  9.  41  Anm.  4. 
ßeitrl^  II,  c.    BaMinUr,  Siger  ««B  Bnbul.  ^ 


^  Imfiosaibilia  Sigori  de  Bmbaniia. 

sulis.  welche  iii  unserer  Schrift  einem  Nikolaus  von  Amiens 
zugeschrieben  ist'),  als  Ciemetts  papa  de  arficulis  fid^i^);  aber 
zu  diesem  Irrtum  gab  ihm  der  Widniungsbricf  der  Schrift  an 
Clemens  pitpu  Veranlassung.  Offenbar  giebt  er  sonst  lieber  keinen 
Verfasser  an,  al?  einen  falschen,  wie  z.  B.  bei  den  anderswo  Tho- 
mas von  Äquin  zugescliriel)enen  Abhandlungen  l)f  jterfectione 
uit<i*;  spln'hialis  und  />  forma  uhsuliwmfi  *).  Die  nnzm treffende  *) 
Beilegung  der  in  unserer  Schrill  sich  findenden  l^uinma  dicia- 
winitt  an  einen  Guido ^)  rührt  nicht  von  dem  Schreiber  des 
allen  Verzeichnisses  selber  lier,  sondern  von  einer  zweiten  an- 
scheinend etwas  Jüngern  Hand.  So  ist  gar  nichl  abzusehen, 
wie  der  Verfasser  dieses  Registers  zu  Siger")  von  Brabant  hätte 
kommen  sollen,  wenn  ihm  dafür  nicht  ein  positiver  Anhalts- 
punkt zu  Gebote  stand  ^). 

Wer  ist  dieser  Siger  von  Brabant?  Mag  nun  die  Schrift 
von  ihm  selbst  verfaüt  sein,  oder  mag  sie  eine  Gegenschritl 
gegen  ihn  darstellen  —  was  wir  erst  entscheiden  können,  wenn 
wir  von  seiner  Person  uns  ein  Bild  gemacht  haben  — ,  sc  muU 
er  nach  dem,  was  oben  über  die  Zeit  der  Schrift,  und  zwar 
beider  Bestandteile  derselben,  bemerkt  wurde,  seiner  Wirksam- 
keil nach  jedenfalls  dem  XIH.  Jahrhundert,  und  zwar  der  zwei- 
ten Elälfle  desselben,  angehören. 


')  fol.  1R7'' :  Ar«  fidei  catholico  ßdita  a  Nico(Iao)  Amb(ianeiisi). 

»)  S.  obfin  8.  41,  Anm.  4. 

')  Ufturöau,  iV(rfi«Ä  V.  p.  87. 

*)  Uaureau,  a,  a.  0.  S.  lOS. 

"■)  Nicht  Guido  de  Valdohona.  wie  das  inoderne,  auf  dem  vorderen 
Voraatzblatt«  eingetragene  VerzcicIiniB  «chreil't,  Der  ZuaaCz  ruhte  h^m»  \m 
alten  Regtst«r  ist  Adjektiv  and  bezieht  sieh  anf  das  Torher  stehende  f^uutma 
tUctaminU, 

*)  Sitjfr,  Sfffer,  Sptfer,  Sigitri,  Sfgher,  Siffhirr,  Zeghrr  sind  vervchie- 
deoe  Formen  desaetbeii  Namens. 

*)  Man  kSnote  etwa  rennuten,  daß  der  Titel  Inpruoiibifia  Sigeri  dt 
brttbaneitr  zur  Zeit,  in  der  Jones  Verz^^ichnis  angefertigt  wurde,  am  äufiorsUtn 
oberen  oder  unteren  Rande  »land  und  dann,  wie  so  oft  in  ähnlichen  Pftl- 
len,  bei  einem  späteren  Neaeinbindon  darch  acharfos  Beschneiden  verloren 
ging.  Daa  Manuskript  liegt  uns  n&mlich,  wie  Uanr^au.  a.  <u  O.  S.  8t,  mit 
Redit  bemerkt,  nicht  mehr  in  der  Form  vor.  in  der  es  von  Uottfried  von 
Fontaines  der  Sorbonne  vermacht  wurde. 


Zur  BiogTBphie  Siger'»  von  Brabant.  &1 

In  dieser  Zeit  nun  fnidon  wir  einen  Sigcr,  de!>sen  Namen 
Dante's  unsterbliches  Werk  vor  Vergessenheit  bewalirt  hat. 
Im   zehnten  Gesänge   des   ^Pamtiiso"  führt  uns  der  Dichter  zur 

Sonne,  wo  die  seligen  Gollesgelehrlen,  die  vierte  FamiUij  des 
liiimnlischen  Vaters,  wohnen.  Mit  hellem  Glanz  und  süßen 
Tönen  umschwebt  ein  Kranz  von  Lfchlern  Bealrice  und  den 
Dichter-  Nachdem  er  zur  Ruhe  gelangt  ist,  erhebt  sich  aus 
seiner  Mitte  eine  Stimme  —  es  ist  die  des  hl.  Thomas  von  Aqiiin 
—  und  belehrt  den  Dichter  über  die  Blumen,  welche  jenen 
Lichtkranz  bilden:  Albert  von  Köin,  Graltan,  Petrus  Lombardus, 
Salonion,  Dionysius  der  Areopagite,  Orosius,  Boelhius,  Isidor, 
Beda,  Richard  von  St.  Viktor.     Dann  heißt  es  von  dem  letzten: 

,Und  dt>r'),  von  dem  dein  Blick  zu  mir  zurückkehrt, 

»lat  eines  Oeiates  Leuchte,  dem  in  ernsten 

.(rodftnken  allzuspät  daa  Sterben  vorkam. 

.Da»  ew'ge  Licht  Siger'a  iot  sntchea.  der.  eiuHi 

«Vorlesung  haltend  in  der  Halmenstra&e, 

^Durcb  Schlüsse  darthat  manch  midfäH'ge  Wahrheit.* 

ir»rad.  X  133-137). 
Bekanntlich  ist  diese  Stelle  Veranlassung  gewesen,  daß  man 
den  von  Giovanni  Villani  in  seiner  Florentiner  Chronik-)  und  von 
Boccaccio   in   seiner  Biogi-aphie  Dante's  ^)  in  die  Zeit  von  Dante's 


')  Questi,  onde  a  me  ritoma  il  tuo  riguardo, 
E  il  luine  d'  ano  spirto,  che  in  pensieri 
Gravi  a  morir  gli  parvö  venir  {tiHdfrr  Lf.wH  esser)  tardti. 
Essa  ä  la  luce  eterna  di  Bigieri 
Che,  leggendo  nel  vico  degli  strami, 
Sillogiszö  invidioai  veri. 
Die   oben  gegebene  übei-seUung    ist  die   von  PhiUlethes.    —    PQr  Siifieri 
finden  sich  hier   ttuefa   die  Leaarten  Sit/t/irri   and  Se^ffhri  ivgl.  den  Abdruck 
der  vier   ältesten  Ausgabeu   von  Lord  Vornon.    London  1858.    S.  S74,   und 
die  kritische  Ausgabe  von  C.  Witte.     Berlin  1862). 

')  Villani.  C7im».  IX.  c.  136  (Firenzo  1828.  p.  12«):  11  dettoDoiite  er» 
de'  maggiori  governatori  dellu  nostra  cittÄ  e  di  queHa  parte,  bene  che  füsae  guelfu ; 
e  pcrü  sanzn  altni  i^olpa  colla  dctta  parte  biancA  fu  cacciato  e  shandito  di  Firenze, 
et  andosaene  allo  Studio  a  Bologna,  o  poi  a  Parigi,  e  in  piii  parti  dol  mondo- 
")  Boccaccio,  VHa  di  DanU:  (II  Comonto  dl  Giovanni  Boccaccio  ao- 
pra  la  Comntedia,  preceduto  dalla  Vita  di  Dante  Allighieri  scriita  dal  metle* 
.simo:  per  cura  di  GaetAuo  Milaciesi.  Vol.  I.  Firenze  1863  p.24):  Ma  poichc 
vide  da  ugni  furto  chitidei-ai  )n  via  alln  tumaU,  e  piii  di  dl  in  dl  divenire 
vana  la  sua  speranza;  non  aolamente  ToacAna,    ma  tutta  Italia  abbandonnata* 

4* 


52  ImpoSKibilin  Sigeri  do  Knibnntia. 

Verbannung  verlegten  ungebliclien  Aufünlhnlt  des  Diclitcrs  in 
Paris  vordatieren  zu  müssen  geglaubt  hat.  Dante  soll  schon 
in  der  Zeit  seines  Werdeganges  Paris  aufgesucht  und  dort  zu 
den  Füßen  Sigcr's  gesessen  haben  '). 

paesati  i  monti  clie  qnella  lÜvidono  rlnlip  proviiici>  di  üallin,  come  potÄ.  s«  n' 
andö  A  Partgi;    c  quivl  tutto  si  diedp    hIIo    studio  df'lla    teologta  e  della  Bio- 
Bofia.    ritornandü   ancora  in  BÖ  delle  altro  scicnze   ciö  che  forae    per  gll  altri 
impcdimeDti  üwli  se  n*  cra  parttto.     Vg].  auch  ihd.  p.  40  und  De  f/mmlifi/ia 
(ii'orum  XV,  6.  —  KUr  die  iiiaf^irieiche  Brauchbarkeit  von  Boccaccio'a   Vita  f/i 
liiinft  hat  hf>kanntlich  Paul  8ch«}ffor-Uuich(irst,  Ati«  Dornte«  IVrfxin/iMny. 
StraGburg  1881,  ^.  l&t  ff   (s.  bes.  S.  210)    eine  gewichtige  [«aoie    eiogelegt. 
')  Zuerst  meines  Wiasenabohauptet  dies  A.  F.  Ozauam,  iMnt^  rt  in  jikito- 
gojfhir  rttthotitjiir  rin  trrizihne  »iMf.  2.  ed.  Taris  1845,  p.  SI&  ff.    Ozanam  giebi^ 
hier  zugleich  eine  Biographie  Siger's,  die  sich  auf  Mitteilungen  von  Le  Clero 
«tfibtt:   a.  ct.  0.   S.  820—823.    Le  Clero  selbat   wiederholt  in  seinem  noch 
nlLher   zu  bosprerli enden  Aufsatz    über  Siger   in    der  Histoire  Itftt'mirr  dr  In 
Fi'iincf  (T.  XXI.    Paris  1847.   p.  96—127)    die   schon   in   der  Mitteilung    an 
Ozanam  vertretenen  Ansichten  (a.  a.  O.  S.  124  fl*.),  will  sogar  eventuell  einen 
doppelten  AufentliHlt  Dantes  in  Paris  annelimen  (■/.  n.  0.    S.  127),     Den  6o- 
nanntf-n  fulgt  Franz  Xaver  Wegele    i  Ituittt'.-'  Libru  und  IVerhr.   Jena  18Ö2. 
S.  84),  d^r  alleniinga  schon  in  der  2.  Auflage  vom  Jaiire  lft65  S,  91  die  Behaup-  ' 
tung  ziemlich  preisgiebt,   wenn   er  auch  noch   immer  meint,   daß   die  Erwäh- 
nung Sigcr's  ihm  nicht  ohne  Beweiekraft   zu  sein  scheine.     Ebenso  schlichen 
eich    an  Le  CIcrc   an    Fr.  Bergmann,    fttinfe,    m  ri>  rt  neM  trurre».     2ö  äd. 
Straasbourg  18-SI.    p.  ]78   und  Antonio  Lubin,    Vito  e  ^ert   äi  DuHtr  Ali' 
ghieri  (.in  seiner  Ausgabe  der  Commfflio,  Padova  1881).  p  52  f.  —  J.  A.  8car- 
tazzini,  t>*iM(f  Afiffhirri,     Seine  Zrit.  Mrin  Lr-hm  nml  seine  Wefke.     2.  Aufl. 
Krankfurt  a    M.  1879.   S.  882   fahrt    gleichfa'Is    fOr  den  angeblichen  Pariser 
.Aufenthalt  vor  allem  die  rQbmende  Erwähnung  Siger's  ins  Feld,  verlegt  den- 
selben aber   mit  Giovanni  Villani   und  Boccaccio  in  die  Zeit  der  Verbannung. 
In  den  der  zweiten  Autlngo  bcigofUgten  NachtrJigen    'S.  558)    will  er  freilich 
das,  was  von  ihm  Über  Danto'a  Aufenthalt  in  Paris  gesagt  ist,  nur  als  Hypo- 
these, nicht  als  sicher  feststoheude  historische  Tbutuacbe,  gelten  lassen.    Jeden- 
ruHs  liegt'    kein  Grund  vor,    die  Reise    nach  Paria,    wenn   sie   sich    beveiaen 
lasse,  in  eine  andere  Zeit  ata  in  die  von  Vitlani  und   Boccaccio  angenomuieue 
8pät«re  zu  verlegen.     Im  Kommentar  (V^ol.  III.  Leipzig  1882.  .**.  2()S.  zu  v.  136) 
sagt  er  in  bezeichnender  Kürze:  Crednno  alcuni  che  Dante  conoscesae  a  Parigi 
queaio  maeatro.    E  leciti»  dubiUrne.    Vgl.  auch  »ein  Donte-lIanf/l/Hrh.    I^cipzig 
1892.    S    122  f   l^a  i.    (Dante  um  1808  alt  Docenl  in  Paris).     Dagegen  hAlt 
Karl  Witte,  DiutirfavuchHngei».   Bd.  IL    Reilbronn  1879,    S.  278  die  Pariaer 
Reise  überhaupt  für  zweifelhaft.  Adolf  Bartoli,    Storiti  delht  h'Uerntnrn  itn- 
Ihtiii.   T.  V    Kirenze  IHÜd.  p.  214—218  wenigstens  nicht  fOr  sicher.     Ebenso 
Adolf  Qaspary,  Ofttehichi«  der   UalieHi»eken  Lit.Ttittir.  Bd.  I.  Berlin  1886. 


Zor  Uiographie  Siger's  von  BrabauLia.  ÖS 

DieseJi  Zug  wtM-tleii  wir  freilich  aus  dem  Bilde  Siger's 
streichen  müssen.  Ist  die  Reise  Dante's  nach  Paris  überhaupt 
schon  sehr  zweifelhaft,  so  ist  sie  jedenfalls,  wenn  sie  wrklicli 
slaHfaiKl,  in  die  spätere  Zeil  des  Dichtei-s  zu  verlegen,  als  Siger 
nicht  mehr  unttr  den  Lehi-iiden  weilie.  Auch  ohne  in  Paris 
sein  Schüler  gewesen  zu  sein,  konnte  Dante  von  SigiT  erfidiron. 

Analysieren  wir  die  Worte  des  Dichters,  so  sind  es  mir 
eüiige  allgemeine  Züge,  die  wir  aus  ihnen  iiir  das  Bild  von 
Siger  gewinnen  kftnnon.  Er  lehrt  zu  Paris  in  dor  ntr.  iht 
fauftrre.  Dorl  hatten  die  Artisten  ihren  Platz ').  Siger  gehörte 
also,  wie  wir  sogleich  noch  weiter  werden  bestätigt  sehen,  der 
Artistenfakultät  an.  Darauf  weist  es  auch  Iiin,  wenn  Dante  ihn 
.Syllogismen"  vortragen  läUt  {^iftof/izzo).  Auf  Streitigkeiten,  die 
an  seine  Lehrthatigkeit  sich  knüpften,  deuten  die  »mifäliebigen 
Wahrheiten"  (invidiosi  verijj  von  denen  der  Dichter  rodet;  wohl 
eher  (eben  wegen  der  httllrniiitai  Vf-ri]  auf  einen  trüben  Lebens- 
abend, als  auf  eine  ascetische  Sehnsucht  nach  dem  Himmel,  das 
Wort,  daU  es  ihm  „spät  zu  kommen  schien,  zu  sterben".    Welcher 


S.  285.  Wenn  diese  Reise  über  je  wirklicli  stattgefunden  Labe,  meint 
Gaspurj',  so  sei  sie  zwischen  1307  und  1310  anzusetzen.  Nucli  spfticr  — 
zwischen  1316  imi3  1319  ~-  datiert  Cipolln  die»o  Ruise,  die  er  hIh  geschieht* 
liehe  Tliflt!*oc]ie  mit  neuon  und  jedenfalls  beachtenswerten  CirQtiden  darzu« 
thun  sich  bemäht:  Giornolc  niorico  dflln  ieUmiium  italifi/io.  Vol.  VIII.  Torino 
■  1886.  p.  54  -  67.  An  die  Zeit  zwischen  1308  bis  1314  denkt  K.  X  Kraus,  DuhU. 
Berlin  1897.  8,  68.  Dann  bat  sie  fQr  ann  Indes  keine  weitere  Bedeutung. 
In  dieser  Zeit  lehle  Siger  nicht  mehr  («.  u.  S.  54).  —  SuUte  der  Siger 
Danti«'«  wirklich  identisch  sein  mit  dem  maufm  Si'jhicr,  der  nach  Durante's 
Bearbeitung  des  Hoinan  ih  la  Hone  in  italienischen  Sonetten  am  riimlschon 
Hofe  zu  Orvieto  einen  traurigen  Ausgang  nahm,  so  würde  dadurch,  wie  sehen 
Ciatots  in  soioer  Ausgabe  (^.  102),  Gast<Mi  Paris  in  der  ftiTne  *'htüjne 
fthistoirc  rt  d«  Utt/mture.  T.  Xt.  Paris  1881.  p.  400,  Ad.  Bartoli.  a.  a.  0. 
S.  217  f.  bervorfaehen.  dein  aus  der  Bekaiintschaft  mtl  Si^er  entnommenen 
Ai^umente  fiir  eine  Reise  Dantc's  nach  Paris  die  Beweiskraft  genommen  Er 
kennte  dann  sehr  wohl  durch  den  Aa''entlmlt  Siger'a  in  Orvieto  nähere  Kunde 
von  ihm  erhalten  haben. 

'}  Die  n/r  Hn  fouarre  wurde  zwischen  1202  und  1225  im  rlw*  JAiu- 
roiWii,  einem  Teil  der  Sriffni'Hric  de  Gtirfande,  gebaut  und  war  der  Sitz  der 
Artisten.  Vgl.  Jaillot,  li^chn'chi-s  ct'ttüjut«  suf  la  viHt-  dt  Htri».  XVJI. 
Quartier  St.  Benoit.  Paria  1774.  p.  62-65.  fl.  Denifle,  Die  UnirfTMitütm 
(/«K  MitieluUrrH  hvt  NOO.    Bd.  I.  Berlin  1885.  S.  667. 


54  Inipo^ilnlia  Sigeri  (]e  BrabanliA. 

Art  jene  Lfilirstreitigkeilen  waren,  ob  rein  philosophiäclier,  oder 
theologischer,  oder  auch  kirchenpolitischer  Natur,  erfuhren  wir  so 
weni^,  als  was  es  war,  was  den  Siger  den  Tod  herbeisehnen 
lieli.  Dieser  Tod  aber  ist  vor  18(.KJ  erfolgt.  In  das  Jahr  IHOC) 
versel/A  bekanntlich  Dante  seine  Reise  zum  l'aradiese,  und 
dementsprechend  fuhrt  er  uns  dai*in,  so  weit  wir  kontrollieren 
können,  auch  nur  solclie  Personen  vor,  die  vor  t300  gestorben  sind. 
Vergeblich  ist  unsere  Hoffnung ,  etwas  Näheres  aus  den 
alten  Dante-Kottinientaloren  /u  erfalireti.  Die  Nachrichten, 
welche  sie  uns  geben ,  sind  ziemlich  bedeutungslos.  Abgesehen 
davon,  daü  es  sich  bei  Dante  um  Siger  von  Brabant  handelt '), 
bringen  sie,  wie  schon  Dante's  Sohn  Petrus  -).  an  Glaubwür- 
digem nichts,  was  nicht  aus  den  Worten  des  Dichters  selbst 
herausgezogen  werden  konnte  ^).     Was  sie  sonst  hinzufügen,  ge- 


')  Nur  ein  thOricht«r  Einfall  ist  es,  wenn  bei  Henry  Francis  Cnry, 
Thf  Viaion,  or  llrlt,  Ptinjatmy,  nmi  htradine  of  Ihtnie  Afiffhieri.  Vol.  HI, 
London  lS3t,  fUr  Sigiori  Sigcbert  erscheint,  ,a  nionk  of  tho  nbbcy  of  Gem- 
blours,  who  wab  in  high  repute  at  the  end  of  tho  eleventh,  and  beginnJng  of 
Üie  twelfth  Century"  (8.212).  Eh^nsi»  unmöglich  ist  es,  mit  Nicolö  Tomas^o 
{Comrdiit  di  Danfe.  T.  III.  MiUno  lB<i6.  col.  195  f.)  an  den  .\bt  Suger 
von  St.  Denta  (1081— 1151)  zudenken.  Im  XII.  Jahrhundert  gab  es  noch  keine 
rut  du  fouarrf  (vgl.  S.  53  Anm.  1),    in  der  doch  der  Sigieri  Dante's  gelesen. 

*)  Fetri  Allegherii  'iUf/n-  Dintiin  iptiHt  fffnitorit  cttmoediam  coffi- 
ntfiitarium,  ed.  Vernon,  cur.  Nannticci.  Florenttao  1845.  p.  623:  Item 
Sigeriuin,  qui  maenus  phüoäophus  fuit  c-t  thootoguä,  natione  de  Brabanlia,  et 
qui  lf>git  diu  in  viu  straintnum  Pariäiis.  ubi  plitluaophia  Icgiiur. 

")  So  deuten  Jncopo  delInLana  (um  1325)  und  der  sogenannte 
Ottimo  des  Aleesandru  Torri,  ebenso  Üuti  {A&r  Anontmo  Fiomitino  Fanfani's. 
den  Scartaz7.ini  in  ^oinein  KuniinoDtar  111.  p.  2ß8  noch  anftihrt,  kommt 
nach  dem,  was  C.  Hegel,  l'bn'  den  htstoriitrheu  Werth  der  ^Itn'fiH  Dunic- 
Cotmin'tiftiir.  Leipzig  1878.  S  48  und  Scartazzini  selbst  IV.  p.  533  bemer- 
ken, natürlich  nicht  iuhetracht)  die  iuridimi  reri  auf  Vorlesungen  über 
die  mphintiri  rfeiirfii  des  Aristotelt^s;  aber  im  ßegensata  zu  Oipolla,  tt.  a. 
(K  8.  1^2,  kann  ich  darin  keim*  historische  Tradition  sehen,  sondeni  nur  eine 
nalielicgende  Kumbinatiun.  Man  vcrgleicho  mit  Potnia  AUighieri's  bündiger 
Kürze  etwa  Lanii's  (Text  nach  der  FoUo-Ausgaho  von  L.  ScArabell)  zu  Ehren  der 
Stadt  Bologna.  Milnno  [ISGci].  p.  378)  ßerinht  über  Siger;  ,Qucsto  Tue  maestro 
Sigieri,  il  qualc  compose  o  lesse  loica  in  Parigi,  o  tenne  U  cattedra  piii  auni  nel 
vice  cio^  neUa  vicinanzn  delli  Strami.  che  ^  uuo  luogo  in  Pangi,  iwe  si  legge  loica, 
e  veiidesi  11  striiuii  da  cavalli,  e  p^rc-iO  ^  appellata  quetla  centrtMl*  Vico  str&roinum. 
[nridiojti  eeri,  cioö  oho  loggeva  li  Kicucht   (nutUrlich    die  des  Aristotelea; 


Zar  Biographie  Siger'a  von  Brabunl.  55 

hört  offenbar  der  Lefe^ende  an.  Es  ist  die  Erzählung  von  der 
nächtlichen  F^rscheinung  eines  wef^'en  seiner  sophistischen  Philo- 
sophie zur  Holle  Verdammten,  durch  welche  Siger  bewogen 
sein  soll,  che  Philosophie  zu  verlassen  und  sich  dem  SLiKÜum 
der  Theologie  zuzuwenden,  eine  Ei-zählung,  die,  wie  es  scheint. 
bereits  Benvenuto  von  Imola  gekannt  hat')  und  die  dann  in 
mannigfachen  Variationen  wiederkehrt^). 


Lubin'a  haltbae  Vermutung,  dafi  die  Imjtottnibilia  Sij/eri  gemeint  seien, 
bßdarf  keiner  Widerlegung),  nclli  quali  si  siltogizza  aillogismi  Apporcnti  e 
non  veri ;  e  pero  sono  aillogianii  che  Hanno  Invidia  id  vero."  Jeder,  der  den 
mittelalterlichen  Betrieb  der  Logik  und  das  mittelalterliche  Paria  kannte,  ver- 
mochte solche  Erläuteruugen  zu  Dante'a  Worten  ku  gehen,  auch  wenn  er  von 
der  Peraönlichkoit  .Siger'a  g&r  nichts  wußte.  Dazu  beweist  der  BchluEi  der 
Stelle  ganz  deutlich,  daß  der  Verfasser  die  Deutung  des  iuvuiuitii  aus  eigener 
Vermutung  gegohen;  denn  nur,  wer  von  Siger  keine  weitere  Kenntnis  besaß, 
brauchte  zu  einer  solchen  gezwungenen  Erklärung  zu  greifen,  die  das  inei- 
HiiNti  im  aktiven  Sinne  nehmen  muD. 

'(  Ich  setze  die  ganze,  über  Siger  handelnde  Stelle  aus  Benvenuto'e 
Kommentar,  in  dessen  Druckausgabc  die  KrziÜilung  jener  Legende  leider  bald 
mit  einem  eU.  abgebrochen  wird,  hierher:  Qittfgti.  Htc  ultimo  Thomas  deacn- 
bit  duodecimum  et  ultimum  apiritum.  Ad  quod  aciendum  quod  rate  ultimua 
spirituiS  fuit  quidam  doctor  modernus  Pariüienaia,  qui  diu  legit  Pariüiua  in 
lopcalibua,  cut  quidam  disclpulus  pracmortuns  nppartiit  coopertus  sophiamati- 
bua  etc.  Dieit  ergo:  (^ui^-^ti.  omh  il  tito  ri'iitarilo  ritorna  a  wt»,  quin  inspecto 
ipso  ultimo  spiritu  coronae  reducrs  uisum  ad  me,  ^  i7  himt  d'iino  Mpirfo,  che 
in  peniiirr  t/H  pftrre  ttt^er  tartlo  n  morir:  ubi  enira  mors  nnturuliter  uidotur 
festina  omnibos,  isti  uisa  est  tarda.  Et  aubdit  describens  enm  a  nomine  et 
s  doctrina,  fsttn  i  In  luee  Hfmn  di  Si^ttri,  che  Irygtndo,  scilicet  in  cathedra 
publice.  H({  riro  detjli  strumi  id  est  Parisltis  in  contrata  ubi  leguntur  omnes 
scicntiae  et  artcs.  qaac  appolUlur  uicus  etrainiuum,  quia  ibi  ueuduntur  etiam 
Btramina,  aicnt  foenum,  palea  «le.,  »iUoyizzh  id  est  disputsnit,  inridituti  rvri 
id  est  felicea  ueritaa  relinqucna  faltaciaa  logicales:  inuidiosoa  onim  est  Ule 
cut  inuidetur  propter  siiam  felicitatem,  et  sie  capilur  in  bona  parte;  inuidos 
uero  est  ille  qui  inuidet  altert,  et  sie  capitur  in  mala  parte  (Benvonuti  de 
Rnmbaldi»  de  Imola  Onnntfio»  nHittr  Iktniix  Ahihjhfi-ij  Comi^rdiam  nunc 
primum  integre  in  lucem  editum  sumptibus  Ouilielmi  Warren  Vornon,  curante 
Jocobo  Philippo  Lncaita.     T.  V.  Florentiae  1887.  p.  47). 

^  Beispielsweise  sei  der  Kümmentar  des  ätefano  Talice  da  Rical* 
dooe  angeführt,  mit  dem  Text  der  Dlvina  Commedia  herAOSgogoben  von 
V.  Promis  und  C.  Nogroni.  Bd,  \\l  Turin  1888.  S.  138  f.:  Iste  ultimos 
fuit  ^igerius,  Doctur  Parisiensia.  Ute  iuter  ceteras  acientias  fuit  maxime  lo- 
gicus.    Sophisticos  quidam  apparuit  sibi  post  mort«m,  totua   territus;   et  mn* 


5A  riiipnHsibilia  Sigeri  de  Bniltflntia. 

Indem  kli  den  woileren  Nachrichten  naoligehe,  welcJie 
ober  das  Leben  Si^fer's  bekannt  tfeworden  sind  ,  will  ich  mich 
möglielist  an  die  Ueihenfolge  )iallen»  in  der  sie  in  der  Litleratur 
hervorgetreten  sind.  Das  Interesse  für  den  belgischen  Gelehrten 
erwaclite  erst  alUnäJilieh  ,  die  Nachrichten  über  ihn  kamen  nur 
vereinzelt  zu  Tage,  nnd  so  entstanden  mancherlei  Fragen,  die 
wir  dann  am  besten  verstehen  und  vielleicht  auch  beantworten 
werden ,  wenn  wir  das  allmähliche  HeiTortreten  derselben  ver- 
foVon-  Ich  werde  dal)ei  zunächst  in  dor  Hauptsache  referierend 
vorgehen,  um  dann,  wenn  die  Fragepunkle  klarer  sich  herausge- 
stellt haben,  selbst  Stellung  zu  nehmen.  Die  Zerstreutheit  dos 
Materials,  das  zudem  zum  Teil  nur  schwer  zu  beschaffen  ist,  wird, 
wie  ich  holte,  mein  neslrehen ,  tlie  Akten  vollständig  voi-zu- 
legen ,  auch  bei  deinjcnigt'n  rochtltirtigen ,  dem  an  sich  eine 
Skizzienmg  des  gegenwärtigen  Standes  der  Frage  ausreichend 
ersclieinen  möchte. 


nifesfAiiit  sc.  diceiia:  ego  sum  talis.  El  oetMidH  qualiter  ßahnt,  quin  «rat 
onerntus  brouibus;  et  illa  erant  sophistica  quibus  ntebatur  in  uita.  Et  ostendit 
»ibi  quam  put'Dam  dabant  sibl;  (|uia  cepil  ninDtim  oiuH,  ei  pnsuit  ad  uuum  furo- 
men  unius  broriis;  cl  cxiiiit  hwAot  qiii  iiisus  osl  perfurure  nun  solum  inuiuim, 
sed  rur  ipaiua  corporis.  Timc  iste  diaposuit  86  nd  non  amplioä  atudendum  in 
snpbisticnlibiis,  sod  iß  sflcra  ÜieologJa.  —  Eine  andere,  aoinor  Meinung  narh 
aUB  ßenvenuto  von  Imola  geHossene  Ver»ion  bei  dem  Orvietaner  KominimUt'Or 
teilt  Lc  rierc,  //fV.  Uff.  ftf  ht  Fmnn:  XXV.  p.  113  T.  mit.  Wenn  ea  bei 
Paeudo-ßoccaccio  (CVmukc  fio/jra  Dantr.  testo  inedi'o  [ed,  Vemool-  Firenxe 
1846.  p.  &67)  von  Sigor  heifit:  et  era  infedelo,  so  lie^ft  auch  dem  sicher  diese 
Legende  zu  Grunde. 

Über  den  Ursprung  j^ner  Siger-hegendc  hat  E.  Rconn  in  der  Hintoir* 
litt,  »h  hl  Fmni-f.  T.  XXV.  Paris  1869.  p.  (i.jl  f.  eine  interessante  Ver- 
mutung anfgestellt.  Er  denkt  an  eine  Nnmoiisvem-ecliiiolung.  Das  i'olimtrrr 
Chrfutii^o»  (MG.  SS.  XVII,  253)  erzählt  unter  der  Rubrik  Dr  uinimtr  tt'i>tnbumii 
^Vrrr  von  einem  Verkehr  Sezcrs  mit  den  Verstorbenen.  Dieser  Sezer 
(Seeor,  Seczer),  den  Mor,  Haupt  {XeitHt'hriff  für  rifut^rkr^  Attifrth$tm.  Bd.  VI. 
Leipzig  ]84.S.  S.  39f))  mit  dem  Minnesinger  Dietmar  dem  Setzer  (Von  der 
Hagen.  Minw-Himfr  IL  S.  174.  IV.  S.  186  ff.  Über  ihn  auch  Roethe.  Art. 
SrU^r  in  der  AUy.  daitHchen  SUogfuphu:  Bd.  34.  Leipsig  1892  S.  48  f.) 
identißeiert,  dflrfle  vielleicht  in  jenem  Siger  udor  Scgcr  wiederzufinden  aein. 
Freilich  i»t  der  Inhalt  dessen,  waa  die  Verat^irbpiH'n  hier  und  dort  bcrii-hton, 
nicht  dasselbe  —  im  Chronicon  Cnlniariense  handelt  es  sich  um  Vorausaagun- 
gen  des  Zukünftigen  —  ao  dafi  der  allerdings  »nffaUcnden  Ähnlichkeit  des  Na- 
meaa  doch  aachlicb  nur  ciuc  üulJorc  Analogie  entspricht. 


Ztir  Biographie  Siger'a  von  ßmbftnt.  57 

Wenn  ich  dabei  aus  den  Quellen  und  der  Litleratur  alit^s 
sammle,  was  mit  Linserm  Siger  von  Brabant  in  Beziehung  ge- 
bracht werden  kann,  mag  diese  Zugehörigkeit  auch  von  einem 
oder  dem  andern  bfstritlen  worden,  so  bedarf  es  dafür  wohl  keiner 
besonderen  Rechtfi-rtigiing.  Nur  diircli  die  Vorlage  des  gesamten 
Maleiiales  kann  für  die  Frage,  was  <1avon  dein  Siger  der  Im- 
possibUia  Sigeri  de  Brnbantia  angehört,  eine  ausreichende  Grund- 
lage gescliaffen  werden. 

Als  Mitglied  der  Arlistcnfakultüt  zw  Paris  und  bald  als  an- 
pi'sehenen  Parteiführer  in  einer  der  Verwallnngs3lreitii,'krilcn, 
welche  in  jener  Zeit  an  der  Pariser  üniversitUl  nicht  selten  mit 
großer  Erbitlerimg  ausgebuhten  wurden,  lernen  vnv  einen  Siger, 
in  dem  man  nirjslens  unsern  Siger  von  Rrabanl  wiederfinden 
zu  müssen  gcgliiubl  hat'),  aus  zwei  Urkunden  kennen,  die  im 
Jahre  1066  durch  Du  Boulay  veröffentlicht  wurden-)  und  jetzt 
in  Denifle's  niommientalem  Urkundenwerk  zur  Geschichte  der 
Pariser  Universität  verbessert  vorliegen  '). 

Keide  sind  Entscheidungen  des  Kardinallegatcn  Simon 
von  Brie,  Kardinals  von  St.  Caecilia '') ,  des  spftleren  Papstes 
Martin  IV.  (Papst  1281—1285).  Die  e-rste  vom  Jahre  1266 
August  27  frdll  das  Urteil  in  Streitigkeiten ,  die  zwiselien  den 
lesenden  Magistern  der  Artistenfakultät  ausgebrochen  waren, 
und  bei  denen  sich  teils  die  drei  Nationen  der  Pikarden ,  Nor- 
mannen und  Engländer  einerseits,  und  die  GalÜkunische  Nation 
andererseits,   teils  nur   die   beiden  Nationen   der  Pikard(!n   und 


*)  So  zuletzt  Denifle  in  den  Anmerkungen  zu  Jonen  Urkunden.  Wi- 
derspruch legte  tilletn  Cipolla  in  dem  später  zu  lieeprech enden  Aufsatz  ein. 

*)  Du  üoulay,  Ilintorio  unirergiititis  htriaifutfitt.  T.  UI.  Paris  1666. 
p.  375-3B1.  411  —  418.     Die  Kegeale   bei   C.  Joardain,    Imhj'   chmnolotji- 

ci(M  rhftrffii'um  pt'>iinfntin»i  ad  hiitortnin   HHiefi'it\ta)i-<  fttrifiirn.tiH.  Paris  1862. 

n.  CCIX  (p.  SO)  und  n.  CCXXXIX  (p  36)  cntbalten  die  Nachrichten  Qbor 
Siger  nicht. 

')  ChntiHinriwn  HnirerMitniin  I^rMmMis,  collegit  H.  Denifle.  auxi- 
lianto  Aem.  Chatelain.  T.  [.  Paria  1889.  p.  521 -580.  — Dua  Uesaeni  'IVxtes 
und  der  leichteren  ZugHnglichkeit  vrpgen  citiero  iuh  Itn  Folgenden  die  Ur- 
kunden nach  <licH4'in  Chartnlnr,  nicht  natih  Du  Bulay. 

*)  Er  war  Kardinal  von  I2fl2  Dec.  bis  1281  Febr.  21:  Franc.  Chri- 
stofori.  Storiu  dei  Cardinali  di  Santa  Homnna  Chifsa.    Roma  1886.  p.  67. 


58  TmpoanbiliA  Sigeri  de  BrRbuitia. 

der  Galliker  gegenübei'standen.  Zugleich  sucht  der  Kanlinal- 
legat  durcli  verständige  ailgemeine  Anordnungen  der  Wieder- 
kehr solcher  Streitigkeiten  zwischen  den  Nationen  vorzul>eugen. 
Bei  jenen  Streitigkeiten  zwischen  den  beiden  Nationen  der  Pi- 
korden  und  der  Galliker  nun  linden  wir  einen  Magister  Siger 
aus  der  Fikardischen  Nation  lebhall  beteiligt.  Er  hei^t  dort 
einmal  mmjUter  S^tjerm  de  mittöne  Piatniontm '),  ein  anderesuial 
einfach  imu/ittfer  .Siyeruy -) ,  an  einer  dritten  Stelle  steht  ma/fistri 
Üiffferus  ei  Si/mon  tle  Brahantia  ■).  Nicht  gerade  unmöglich  ist  es. 
dalj  an  letzlerem  Orte  die  Heimatsbezeichnung  de  BrabfitUia  nur 
zu  dem  an  zweiter  Stelle  genannten  Siiuon  gehöi*en  soll;  aber 
wahrscheinlicher  ist  es  doch ,  dalä  die  nachgesetzte  Heimatsbe- 
zeichnutig  de  Br(thfinlni  ebenso  auf  beide  zusammenzufassenden 
Namen  sich  beziehen  soll .  wie  die  vorgestellte  Slandesbezeich- 
nung  mayiittri ,  bei  welcher  der  zusammenfassende  Plural  so- 
gleich auf  den  an  zweiten  Stelle  genannten  hinweist  *).  Jedenfalls 
aber  hv^  Bndjant,  speziell  Lüttich,  im  Bereich  der  natio  Picar- 
dorum  ^),  so  daü  Brabant  als  Heimat  für  den  magister  Sigerus  we- 
nigstens nicht  ausgeschlossen  ist.  Freilich  würde,  wie  schon  hier 
bemerkt  sein  möge,  auch  das  vläraische  Gourtrai  zum  Gebiet 
der  natio  Picardoruni  gehören. 

Die  Streitigkeiten t  um  die  es  sich  doK  handelt,  sind  frei- 
lich nicht  eben  erbaulicher  Art.  Zwei  Magister  der  Pikardischen 
Nation  waren  vdii  den  Prokuratoren  der  Gailikanischen  ange- 
klagt, daiä  sie  einen  Kanoniker  Wilhelm  (Guillennus)  von  Toul 
gefangen  genommen  hätten ,  und  der  Magister  Siger  wurde  be- 
schuldigt, daß  er  gleichfalls  wegen  dieser  Freiheitsberaubung 
verdächtig  sei ').  Noch  bedenklicher  war  der  zweite  Klagepunkt, 
Einige  von  der  Pikardischen  Nation ,  unter  denen  die  .Magister 
Siger  und  Simon  von  Brabant  die  Hauplrädelsfuhrer  gewesen 
sein  sollten,   hätten  einige  Magister   der  Gailikanischen  Nation, 


')  Chartitl  I.  p.450. 

*)  Ebd.  p.  456. 

•)  EM.  p.  451. 

*)  In  der  betreffenden  Urkande  ist  »onst  keine  Penon  ohne  ii^eiw) 
eine  niihere  Bezeichnung  golaflseii. 

*)  Man  vgl.  2.  H.  den  uniningliclion  Rotulus  der  AiüsLcnfakulUt  von 
1362,  Chartul.  111.  p.  82  ff. 

")  Chartul.  \.  p.  450. 


Zur  Biographie  Siger'a  von  tirabunt.  £9 

als  diese  bei  einer  unter  Teilnahme  der  Magister  der  ganzen 
Universität  In  der  Dominikanerkirche  fiir  den  verstorbenen  Ma- 
gister Wilhelm  von  Auxerre  abgehaltenen  Totenfeier  auch^  wie 
die  ubriKcn,  lesen  und  singen  wollten,  daran  zu  liindcm  gesucht, 
liütien  ihnen  die  Bücher  aus  den  Händen  gerissen  und  hätten 
sogar  an  einige  derselben ,  trotzdem  sie  Kleriker  gewesen ,  fre- 
ventlich Hand  angelegt').  —  Vielleicht  wird  man  daraus,  daJa 
hier  nur  einige  von  den  Verletzten  als  Kleriker  hezriclinet  wer- 
den —  way  dann  eine  besondere  kanonische  Slrale  nach  sich 
zog  — ,  den  Schluß  ziehen  dürfen,  dali  die  Melir/atd  der  an  der 
Rauferei  Beteiligten,  speciell  auch  die  angeblichen  Rädelsführer 
Siger  und  Simon,  noch  nicht  dem  klerikalen  Stande  angehörten. 
Andernfalls  wäre  diesauch  wohl  bei  jenen  tadelnd  vermerkt  worden. 
Hinsichtlich  des  Siger  scheinen  die  Prokuratoren  der  Gal- 
likanisehen  Nation  indessen  mehr  behauptet  zu  haben,  als  wahr 
oder  wenigstens  als  beweishar  war.  h\  der  Entscheidung  des 
Kardinallegaten  wird  der  Nation  der  Pikarden  aufgetragen,  den  Si- 
ger zu  veranlassen,  daß  er  sich  von  der  Beschuldigung,  an  der  Ge- 
fangennahme des  Magister  Wilhelm  teilgenommen  zu  haben,  durch 
einen  Eid  mit  zwei  Kidcshclfern  (,tertia  manu")  reinige,  oder  ihn 
mit  seinen  Genossen  aus  der  Nation  auszuätolicn  und  nicht  eher 
wieder  aufzunehmen ,  in  welcher  Fakultät  er  auch  studieren 
möge,  als  bis  er  filr  sein  Sakrileg  die  Buße  geleistet  und  von 
der  Exkommunikation  losge^^prochen  sei  ■'),  IHo  bei  der  Leichen- 
feier vorgekommenen  Unordnungen  betreffend,  wird  die  Pikar- 
dische Nation  als  solche  freigesprochen ,  da  in  dieser  Sache 
nichts  ausreichend  bewiesen  sei.  Doch  \vird  es  den  Einzelnen 
aus  der  Gallikanischeu  Nation  freigelassen ,  ihre  persönlichen 
Ansprüche  gegen  Einzelne  im  Klagewege  geltend  zu  machen  ). 

')  Et^d.  p.  451. 

^  h'lHf.  S.  456:  Det  (ac.  natio  Picardoram)  aimilitar  opem  et  operftm 
bona  fi<Ie  quotl  siipradictus  ningister  Sigerus  super  captione  ipsias  magiatri 
(.luillermi  ierttA  manu  se  purgei.  nlioqaiii  ipsos  a  consortio  suae  natidnis  excln* 
(tat,  non  priu^  ru.miiiicnilos  nil  illutl  in  quacimtjUG  studuerint  facultate,  quam 
emcndara  praestiterint  sie  iniunctam,  et  dicti  sacrilegi  ab  eicüuiinunicatioDis 
scnt^Dtia  quam  prüpt«r  sacrilogiain  sie  commissnm  incorrisse  iiOBCimt«r  ae 
rit«  docaerint  absolutos 

")  thd.  S  466  f. 


60  Tmpossibilia  Sigcri  de  Hrabanti«. 

Laßt  der  jugendliche  Charakter  dieser  wirkhchen  oder  an- 
geblichen Ausschreitungen  es  als  wahrscheinlich  erscheinen,  daß 
Siger  im  Jahre  1266  noch  zu  den  jüngeren  Magistern  zählte,  so 
tritt   er  uns   einige  Jahre   später   in   ernsthalten  Slreiligken    als 
angesehene   Persönlidikeit    entgegen.     Um   das  Jahr  127:2    war 
CS   in   der  Artistenfakultät   zu   argen  MiUheliigkeiten  gekommen, 
welche   die  ganze  Faknltilt  entzweiten  uihI   rnit  ihren  Folgen  sie 
mehrere  Jahre  lang  nicht  y.uv  Ruhe  gelangen  lassen  wollten.     Die 
Majorität  der  drei  Nationen  der  Galliker,  Pikarden  und  Engländer*) 
sowie  ein  kleiner  Teil  der  Normannen  hatte  zum  Rektor,  dessen 
Wahl  damals  vier  mal  im  Jahre  statllinden  sollte-),   den  Magi- 
ster A Hierin-    von  R heims    erwrdill.     Seiner  Einführung    hatte 
sich    die  Majorität   der  Norniannischen  Nation    nei)st  drei   Magi- 
stern aus   den   drei   erstgenannten  Nationen ,   welche  gegen  die 
Persönlichkeit  Albcric's  Anklage    erhoben,   widersetzt.     Die  An- 
hänger Alberie's   sahen   darin    einen  Zwist   der  Nationen,    den, 
außer  nus  wirklich  schwer  wiegenden  Gründen,  zu  erheben,  der 
Kardinallegat  Simon    schon   in   der   soeben   besprochenen    Ent- 
scheidung vom   Jahre    1260   untersagt,   und    zu   dessen  Verhü- 
tung  er   damals   Bestinnnungon   gelrofTen  und  Strafandrohungen 
ausgesprochen  hatte  ^).     Unter  Berufung  auf  diese  Fesli^etzungen 
brachten   sie  daher  den  Streit  vor  ein  Schtei.isrichter-Kolleg  von 
drei  Magistern  der  theologischen  Fakultät  und  vier  Dekrelisten  *). 
Aber   dadurch    war    die  Sache    nur   noch    schlimmer  geworden. 
Nach    Ablauf  von   Alberic's    Rektorat^pcriode   hatte   eine    zwie- 
spältige Rektorwahl  stattgefunden;   die  Proknraloren  der  Natio- 
nen  und  selbst  die  Bedelle  waren  doppelt  gewählt,   die  akade- 
mischen   Grade   von   beiden   Parteien    erteilt.    Der  Führer    der 

*)  zu  iji'i-  uuch  dio  Dout«eheii,  Holländer,  Schweden,  Norweger,  Dftnen. 
Polen,  Ungurn  u.  s.  w.  gehörten.  Vgl.  z.  B.  DonifU-Chatelnin,  Aufttta- 
rinm  Chartulnfii  UHitientitttfiM  /Vi i'iViVw^iV    T.  I.  Paria  ll?94.  p.  XVI  ff, 

')  Ksch  dem  Dekret  des  Kardinallegaten  Simon  in  dem  oben  besproche- 
nen Entscheid  von  1266  Auguat  27  (Chmiul,  I,  p.  455  unten). 

■)  Chatt.  l.  p.  iH.  455.  -  Wegen  der  Stellang  des  Rektore  in  die- 
ser Zeit  vgl.  Dentfle.  Diu  Vnleefititaten  d^A  Mitlehiltfru.  Bd.  I.  Berlin 
1885.  8.  120. 

•)  Chnrt.  r,  p.  522. 


Zur  ßiogrnphie  Siger  s  von  Urabaot.  61 

Partei  der  Normannen  war  Siger.  DuU  derselbe  zur  Nalion 
der  Normannen  gehörte,  Folgt  daraus  natürlich  nicht,  da  ja  auf 
der  S«'ilu  der  Normannen,  wie  oben  bemerkt,  auch  einzelne  Ma- 
gister der  drei  anderen  Nationen  standen,  —  Während  die  eine 
Partei  in  der  Entscheidung  des  Kardinallegalen  als  pars  Alherici 
bezeichnet  wird,  heißt  die  andere  ptirs  Sigeri  % 

Der  Kardinallegat  Simon  de  Brie,  vor  den  die  Anhänger 
Alberic-'s  sowie  die  Siger's  ihre  gegenseitigen  Beschwerden  und 
Anträge  auf  Nichtigkeilserklärung  und  Bestrafung  gebracht  hat- 
ten,  konnte  in  seiner  Entscheidung  von  1375  Mai  7*)  keiner 
rier  kläijeri^clien  Parteien  Recht  geben,  üni  den  Streit  ku  be- 
enden^ erklärte  er  die  von  beiden  Parteien  vollzogenen  Akte  in 
dpr  Hauptsache  für  gültig-'),  hewog  die  zeitigen  Hektoren,  Pro- 
kuratoren und  Bedelle  beider  Parteien  zur  Abdankung^),  er- 
nannte einen  neuen  Rektor  und  neue  Prokuratoren  der  Nationen 
und  traf  auch  wegen  der  Bedelle  Vorsorge ').  Diejenigen,  wel- 
che sich  gegen  die  trüberen  V^erfügungen  (von  1SC6)  vergangen, 
und  besonders  die  Anstifter  der  Zwistigkeiten,  sollen  strenge  Be- 
strafung  erfahren  '•).     Daß   unter  diesen  Anstiftern  Siger  initge- 

')  Cfutrtiii.  1.523:  Procurator  uero  partis  aduersaci,  quo  faraSigerii  (!) 
commuDiter  Dominatur.  p.  527:  ex  parte  qiiae  Sigori  (!)  dicitur.  p.  b2S:  per 
partem  .  .  .  i^igeri. 

■)  Wegen  der  Datierung  am  Schlüsse  vgl.  Deaifle  im  ChnrtuL  I. 
p.  530  n.  14. 

")  Charta/.  I.  p.  527.  528. 

*)  Chartul  1.  p.  526. 

»)   Chart»}.   [.  p.  530. 

*]  Omi-tuf.  I.  p.  529;  lIlomTn  ctiam  qui  contni  ordinationom  nnatram 
notatiiliter  excesseruDt  eorumque  quos  tanqiuim  diabolj  satettites  et  ministros 
in  Hominiittr>]i(>  ac  conti nimtiom^  di^HunHinni»  [iniedictiie  fuiSMO  inneiiunfnuA  prin- 
cipalca,  condcmnat)i>iiem  ac  impositionem  poeDarum.  prout  diJicti  qualitas  et 
eulpae  modus  Dxo^erint,  propter  cxompü  peniictem  iiostru  arbitrio,  ordinationi, 
dispo^itioni  ac  beneplacito  retinemua,  ut  mucrone  iustittac  in  »ollertia  penierso- 
rum  tiiliter  feriaiur  qimd  poena  dijcento  <ogno«ra»t,  quiiiti  grau(\  quam  poricu- 
losum,  quam  praesumptuo-ium  quamque  actori  pacis  odiosum  existat  in  agro 
pHrisieosis  studii  uims  diacordiae  scminai-c.  ei  ultionia  condignae  gladius  uidea- 
tibus  trHD&eat  In  exemplom  et  aures  audientimn  timiiri'  faciat  prao  Ümore.  — 
Natürlich  i«t  trotz  des  uUlonis  ramfii/nnr  ytarlins,  voo  dem  denen,  die  es  hö- 
ren, vor  Furcht  dio  Ohren  klingen  sollen,  nicht  an  die  Todesstrafe,  sondern 
an   bloße   Kirchenstrufcn   su   denken,    wie    dor    Logat   »ie   rerhangeo    konu- 


tö  (mpossibilta  Sigeri  de  BrAbantis. 

meint   sei .   wird   niclit   ausdrücklich  gesagt «   ist  iiber  ininierhin 
nicht  unwaJirscheinlich. 

Hier  dOrfle  der  Ort  sein,  einer  andern,  auch  von  Du 
Boulay  ')  gekannten  Nachricht  zu  gedenken,  welche  uns  Siger 
verwickelt  in  <len  heflij^'sten  Kampf  zeigt,  der  um  die  Mitte  des 
Xlll,  JahrhunderU  die  l*ariser  Universität  bewegte.  Aus  dem 
Streite ,  der  seil  1 252  zwischen  dem  Sfikularklcrus  und  den 
Mendikanlonorden  um  die  volle  Lehrfreiheit  auch  der  letzteren 
an  der  Universität  und  um  ihre  Zulassung  zu  den  akademischen 
Graden  wogte,  ist  bekamit  die  heflige  Slruitsi^hrid  des  Fülirers 
der  ersteren  Partei,  des  Wilhelm  von  Saint-Amour  —  so 
benannt  nach  seiner  Heimatsstadl  im  Departement  Jura  — ,  die 
den  Titel  führt'.  De  jurinuUs  noui,tshnnnn)i  femporum^)  und  die 
im   Jahre    IÜ55   geschrieben   wurde  ').     Auf  sie   antwortete  be- 


te. Hatte  er  doch  in  den  Veronlnuiigi'n  (von]26fi  Augn8t27l,  auf  die  er  hier 
Ueziifi;  aiinnit,  nis  schwerste  S(rnro  die  Exkommunikation  angedroht: 
Ckartui.  I.  p.  455.     Wir  werden  uocli  auf  die  Sache  zurückkommen. 

')  Du  Boulay,  Wal.  Kniim-H.  Jitris.  lU  382. 

")  Gedruckt  in  Magiatri  Gaillielmi  de  Suncto  Amore  ■  .  .  Oprrn 
oniMta  (/imr  r<ffifnn'  }»)tut'rnut.  CtinHtantiiie.  Ad  Iiisigne  Bunae  Fidei  Apud 
Alithophitos.  I(i3*2  (in  Wahrheit  l'aria,  hei  Vjilm^n  de  Flavtgn}').  Itih  konnte 
das  sehr  seltene  Werk  in  dem  Exemplar  der  Königlichen  Bibliothek  zu  Berlin 
hcnuisen  Zwei  Sermonen  Wilhelra'a  (f>y»i'-fi  p.  7  ff.  41*1  ff.)  bei  Kdword 
Brown,  Appendix  ad  ra-sciculum  Keium  Kxpetendarum  et  Fugiendarum  ab 
Orthuino  Oratio  editum  CoUmiae  AD.  MDXXXV.  hondini  IÖ90.  p.  43— 54.  — 
Petit-Kadel,  (iHUinume  </*•  Saint  Aiuour,  in:  UM.  litt,  de  In  Fronet.  XIX. 
Paris  1888.  p.  197—215.  Über  den  ganzen  Stieit  sind  die  Akten  am  vullstJlndigstea 
hei  Deniflo,  ('hntiul.  iiHiiwru.  Ihriti.  T.  I.,  wozu  die  HerauügeUer  der  Werke  des 
hl.  Bouaretiiurti,  die  Herren  V.  Ignatiua  Jeilcr  und  Hyacinth  Deimet,  T.  V. 
Quarucchi  1891.  p.  VI  ff.  wertvolle  ErgänzuDgeu  bieten.  Wie  diese  Schrift 
und  damit  der  Streit  in  die  weite.ston  KreiäQ  hinaiugctrngun  wardo,  beweist 
nicht  nur  die  Thataache,  daß  von  der  Schrift  /v  peritnliH  »fiuixMimorum 
temjMtrum  eine  franztisiacho  Übersetzung  angefertigt  wurde,  sondern  noch 
deutlicher  die  starke  Benutzung  der  Scltrift  in  der  FnrtaetzuDg  des  liomau 
üe  la  Uti^e  des  Guillaume  do  Lurria  durch  Jehaii  de  Mt>ung  (Eniest  Langlois, 
Ori^im'ti  vi  Murren  du  Homnn  de  la  Hoxr.  Paria  l^9\}.  p.  153  —  160),  welche 
uns  spAter  noch  beschAftigen  wird. 

"j  Nach  Petit-Kadel,  Jlist.  lUt.  XIX.  p.  202,  crachien  die  Schrift 
1'2S6.  Dagegen  weist  Denifle,  C/mrtiil.  I.  p.  296  n.  6  nach,  dati  wenigeteoa 
ihre  AbfaBSung  achon  in  das  Jabr  12ä.*>  fUllt. 


Zur  Biographie  Sigers  von  Braltnnt.  6$ 

kannllich  Thomas  von  Aquin  in  seiner  Schrill  Contra  im- 
puf/mmies  tlei  cultum  *),  Bei  Abfassung  jener  Schrift,  welche  den 
Kampf  weit  über  die  Grenzen  t'iner  bloiii'n  Organisationsfrage 
für  die  Universität  Paris  hinaustruj^  und  ihn  zu  einem  Streite 
gegen  die  Hrrechtiguntf  der  RetieionJen  überhaupt  und  gegen 
das  von  ihni'n  aufgestellte  Ideal  evangelischer  Vollkonimeidicit 
erweiterte ,  hatten ,  wie  Wilhflm  von  St.  Amour  uns  selbst  er- 
zAhit,  ilin  andere  Magister  und  Scholaren  der  Theologie,  sowie 
auch  Magister  im  kanonischen  Recht  durch  SatnmUmg  verwend- 
baren Materiales  unterstützt-).  Daß  unter  diesen  auch  Siger 
sich  befunden .  wird  durch  eine  Notiz  des  Biographen  de;^  hl. 
Thomas  von  Aquin,  dos  Guilelmus  de  Tocco  (Thoco) ,  wel- 
cher noch  Sciiüler  des  Aquinaten  gewesen  war  und  diesen  per- 
sönlich gekannt  hatte,  uns  nahegelegt.  Nach  Tocco  nämlirh 
schrieb  Thomas  eine  Widerlegung  ^)  gegen  Wilhehn  von  Saint- 
Amour,  Seger  und  andere  ihrer  Anhänger*).     Wenn  die  Her- 

')  (J/fujw.  XIX  (die  Reihenfolge  der  drei  Opuscula  XVIF.  XVIIT.  XIX  iht 
falsch).  —  Wegen  der  übrigen  Streitschriften  in  diesem  Kampfe  vg\.  Victor 
Le  C-Ierc.  (i »UUtiime.  ile  Sninf  Amotir  ftGrnird  iV Ahlii\r\tlf„  in:  Hi.iloirt'  litt, 
de  In  Fr.  XXI.  Paris  1847.  p.  468-499.  Deniflo,  Chnriul.  I.  p.  4IÄ  n.  2. 
p   497  n.  1.    S.  Bonaventurne  Opeivi.  T.  V.    Quaracchi  1891.  p.  VM. 

'j  Guilelm.  de  Sancto  Amore,  IifjitiiOH»ioHfs  nd  ubieeta  (Op/va  p. 
109):  De  Itbello  autem,  qui  dicitur  reprobatus  esse  a  dumtno  Papa  et  cuiu^ 
editio  mihi  impoaitur,  dico  quod  cum  praelati  Kranciae,  soUicitati  ut  cauerent 
ecclesiae  rtalllcauae  sibi  commissae  a  pcriculis  nouii^iiiiriram  tcmporum  .  .  ., 
requisinisaent  uingiatros  Pariaiensea  ut  autoritatoa  diuinae  et  canonicao  scrip- 
tnrae  de  hac  materia  loqucntes  colligorcnt  et  in  scriptis  traderent.  quia  non 
puterant  uacare  iuspectiDni  libroruui.  egu  una  cum  aliis  magistris  et 
scholaribus  theologiae  (als  magister  in  artibus  kunnte  Sigor  sn  den 
subolnri!s  tbeologtac  golii>ren)  et  magistris  decretorum  eollegi  autorit^teB 
praed ictas  per  mul taa  collecl ionea,  quaa  ego  et  alii  pracdicti  in  ununi 
aolumen  sub  certia  mbricis  redegimua. 

')  Wie  die  ganze  Stelle  zeigt,  ist  hier  die  Schrift  Omtra  impiUfMfittfes 
dei  cHltum  gemeint.  Über  die  gegen  (Jerhard  von  Abbevillo  gerichtete 
iweite  (Opusc.  XVlIl.):  Df  ptrfrctione  nitae  tipirihtaliH  and  die  dritte  (opusc. 
XVIL.):  Contra  prittiffram  doctrinatn  rfiruhfntium  Iwmimff  a  relüfionis  im- 
ffresusH  vgl.  L«  Clerc,  //«rf.  litt.  XXI.  p.  491  ff.  4Ö6  f. 

*)  (iuilolmua  de  Thoc»,  Vita  S.  Tliomne  Aqtiin»ifi»  cap.  4  n.  20 
[Aiiii  Stihetonim.  Mart,  I.  Antuerpiae  16ß8  p.  6fi6j:  Pust  huoc  errorem  (den 
der  Averroisten)  praediclus  Docior  Partsiia  destrnxit  alium  de  nouo  exurtura, 
qni  error  non  fuit  ab  infideli  commentAtiono  cxortus,   aed  a  fidelibus,    in  hoc 


64  ImposatbiliA  Sigeri  de  Brnbantia. 

Ausgeber  der  Römischen  Edition  der  Werke  des  Aquinalen  (von 
1570)  dieses  ohne  nähere  Quellenanj^abe  wiederholen*),  so  haben 
sie  als  Gewälirsinann  anscheinend  keinen  andern  als  Tocco  gehabt. 

Daß  Siger  von  den  kirchlichen  Gensuren  getroffen  sei ,  die 
Alexander  \V.  gegen  Wilhehn  von  St.  Aniour  richtete ,  der  inil 
mehreren  GefTilirleii  aus  Frankn-ich  vt?rbainil  wurde  -)  und  fern 
von  Paris  in  seinem  Geburtsort,  den»  burgundischen  Saint-Amour 
starb  ■') ,  erfahren  wir  nicht.  Wohl  aber  berichtet  uns  der  eine 
der  Verfasser  der  •Stu-lptores  otuiiniH  Pi'uetiicffiorum,  Eehard,  von 
einem  späteren  gegen  Siger  von  Brahant  schwebenden  Ver- 
fahren. Aus  einem  früher  im  Dominikanerkloster  zu  Houen, 
später  in  St.  Honore  zu  Paris  befindlichen  Manuskript  hatte 
ßchard  die  Notiz  entnommen .  daU  der  GeneruIin(|uisitor  für 
Frankreich»  Simon   Duval   (Simon  ih  V>dle.}  ')  in  einer   zu  St. 


I 


non  fidelibus,  Gnilclnio  de  Stiucto  Ainorc.   Segero   et  aliis  eormn  anquacibo* 
adinueiituH 

')  In  der  VorbeTnerkiing  im  OpHnr.  XIX  (auch  in  die  spftteren  Aua^a- 
bpo.  z.  B.  dip  von  Antwerpen  icri,  Ueröborgenommon! :  Tempore  aancti  Liidooici 
t'rancTorum  regia  VVielmus  de  Sancto  Amorc  Sigcriuaqae  inngialri  Pari&ieo- 
ses  mulfcique  sequuces  in  bunc  inciderunt  errorem,  ut  religiosornin  nicndican- 
Liiini  »tAturn  dainnntam  assi^rereiit;  librumque  sacrileguni  niiiltis  sncrae  pa- 
ginac  snnctüniTDque  autoriatibu»,  liret  rtiala  tatellectia  et  penierae  expoaitis. 
refertam  Clementi  IV.  Sumiiio  Ponttfici  obtulerunt.  —  .^uch  was  hier  Über 
den  fnlifllt  der  Sf.Iirift  Wilhohn's  and  deren  Sendung  an  Clemens  IV.  gesagt 
wird,  iöt  offenbar  Tocco  t-iitnomuien. 

*)  1256  Juoi  27  fordert  Alexander  FV.  von  Anagni  aas  Ludwig  IX. 
von  Frankreich  auf.  er  solle  Wilhelm  von  SHint-Amour  nebst  drei  anderen 
nnmentlii'h  genaiintec  LioOlhrten.  falls  sie  dem  Hefehle  des  Papstes  nicht 
naolikAmen.  aus  Frankreich  verbannen,  event.  den  Wilhi-Ini  von  St.  Amour 
mit  noch  oinom  Gerioasen  einkorkern  laasen  {Charf.  l.  p  824  ffV  1257 
August  9  teilt  er  Wilhelm  von  St.  Amour  die  Strnbentenz  mit,  die  ihn  aas 
Frankreich  verbannt  und  ihm  die  akademische  Doklion  sowie  das  Predigen 
untersagt  (Chaii.  I,  p  362f.  Den  Krmig  von  Frankreich  ersucht  er  iwei 
Tage  apfttor,  den  Wilhelm  am  Betreten  tVankreicha  zu  hindern  (Chari, 
J.  363). 

')  Donifle.  Chnii.  t.  p,  498  Note  1  zu  n"  439. 

*)  Er  wurde  um  1226  geboren  und  predigt«  1281  und  12S2  in  Paria: 
Quetif  et  Kchard,  iy'ertptore»  ordinis  Pffifdinttonan  rrfntsUi.  T.  I.  Paris 
JVlfl.  p.  394, 


I 
I 


Kar  BJographiA  Stger'»  vnn  ßrahftnl:.  65 

Qiiontin  in  V4M'tinan(?oi.i  gefällten  Snilenz  aus  dem  Jahre  1278 
den  Doliiinikaner-  und  Minorilenbrüdern  auftrug,  die  Kanoniker 
von  St.  Marlin  in  Lüttich,  Sigcr  von  Brabant  und  Berner 
von  Nivelles').  welche  des  Verbrechens  der  Häresie  höchst 
verdäclitig  seien  und  die  in  Fninkreich  dieses  Verbrechen  l>egan- 
(fen  haben  sollten,  in  Fomi  Rechlens  vorlade,  damit  diest'lhen 
in  Person  vor  seincni  Hielitorstuhle  zu  Sl.  Qiientin  in  Verman- 
dois  erschienen  ^). 

Worauf  diese  Lehrstreitigkeiten  sich  bezogen,  erfahren  wir 
aus  diesem  Bericht  ebenso  wenig,  als  wir  es  aus  Dante's  Wor- 
ten ersehen  konnten,  Wohl  al>er  bietet  er  uns  das  weitere 
Neue,  daß  Siger  ein  Kanonikat  in  LQttich  bekleidete  und  weni|?- 
sletis    damals    Frankreich   bereits    verlassen    hatte.     Ob   er   das 


I)  I^opold  Del  isla,  U  (Jahinet  den  mantuurU/i.  IL  Pu-ia  1874.  p.  144  f. 
Fnrd.  Caatetfl,  //  fiotv  par  IfuraMtr,  Montpellier  1881.  p,  151,  und  Andere 
schreiben  Bemier  flr  Nivelfp.  Aber  die  alt«,  um  ein  647  von  [da,  der  Ge- 
mali]in  Ptpin's  von  Landen  gPAtifteteri  Nonnenkloster  orwnchaents  28  Kilo- 
meter HQdtich  von  HrttAsol  in  der  Provinz  Brabant  gelegene  (lauptattidt  dea 
gletcbDamigen  Arrondiaacmcntj)  und  Cantons,  vlAmiscb  yifrt'i,  heißt  Sirfl/cK. 
Vgl.  V'ivien  de  Saint-Martin,  Noutetm  dictinunttire  df  (JMyrapkir  nm- 
rerMlU.    T.  IV.    Paris  1890.    p.  168. 

*)  SrripfmeM  nrii.  lYtirJ.  l.  p.  8D5  (in  dem  Artikel  Über  Simim  i/r 
Vatte,  weU-her  von  di>ni  zweiion  der  Herausgeber,  ^chard,  horrtihrt):  Inqni- 
sitorem  in  regno  Franciae  generalein  «duerstw  hneretico»  egit  etiam  noster 
Simon  de  Valle,  et  in  codice  saec.  XIII.  fol.  niemSi.  olim  domus  noetrae  Ro- 
thomagen^ia,  nunc  uaro  ex  permutatione  pro  aliie  libris  domna  Parisieuaia  ad 
S.  Honorati.  sex  aunt  sententiae  eins  nomine  latae  anni»  MCCLXXXVII  et 
MCCLXXVtll  Cadomi,  Aareliae,  Kbroicia  et  Qitintinifani  in  Veromanduia.  In 
bac  ultima  FF.  Praadicatoribua  et  Minoribun  committtt,  itt  Sufjyerum  de  Bni- 
haniia  et  BerMenitti  ifr-  Sirrtfa  S.  Moiiini  J^mdieHgifi  t'ttHOnietm  de  erimiHf 
htiereHM  pi'tiiMthilHet'  et  uehemeiUer  mutfiectos,  et  yKi  in  regno  Fiiinciae  i/irr- 
bantHi-  tufe  crime»  tNCHrriitve,  iuridice  cüettt  ad  eomjHtrt'nduiu  j/ermmotiter 
roram  «uo  trihnnnli  apud  .S.  Quintinttm  im  Veiitintinduis,  digerus  da  Bra- 
banüa  et  Hamonis  de  Niuelta  eraiit  S.  T.  magiatri  et  aocii  Sorbonici  ea  aetat«- 
Bcriptie  ittm  clari,  qui  in  BUHpitionen]  erroris  uenerant,  quam  tarnen  purgarint, 
cum  in  communione  Eccleaiae  obierint,  multuaquo  Codices  Sorbonne  legarint, 
inter  alioa  Sigenis  primani  partem  Suiuniae  8.  Thomae,  prünam  Secundao, 
Quodlibeta.  et  Quaestionea  djsputataa  de  potentiu  Dei,  HemiTns  primam  »•• 
cundae    et  secundain  äucundae,  codiceä  certe  aummi  pretü. 

Bttitrttg«  II,  ri.     BuvDinktr.  Stger  von  BrAbftak.  5 


66  Impossibilia   Sigeri  de  Brabantia. 

Kanonikat  erst  damals  erhalten  hatte  *) ,  oder  ob  er  es  schon 
bekleidete,  als  er  noch  in  Paris  verweilte,  wie  wir  Gottfried  von 
Fontaities  zu  derselben  Zeit,  in  der  er  als  magister  regens  zu 
Paris  thätig  war,  gleichzeitig  im  Besitze  eines  solchen  Kanoiii- 
kates  in  Lüttich  finden  ^),  ist  nicht  zu  entscheiden.  Auffallend 
aber  erscheint  es,  wenn  der  Inquisitor  hier  so  sehr  betont,  daß 
Siger  sich  während  seiner  Thätigkeit  in  Frankreich  der  Hä- 
resie verdächtig  gemacht  habe  und  daher  von  den  Dominikaner- 
und  Minoritenbrüdem  in  Person  vor  sein  Tribunal  gebracht 
werden  solle.  Der  jetzige  Aufenthaltsort  Siger's ,  Lüttich ,  lag 
außerhalb  des  Machtbereichs  des  Inquisitors  für  Frankreich. 
Wenigstens  nahegelegt  wird  dadurch  der  Gedanke,  daß  Siger 
sich  einer  ihm  drohenden  Verfolgung  durch  die  Flucht  nach 
Lüttich  entzog. 

ßchard  fügt  seinem  Berichte  über  diesen  Proceß  noch 
eine  Bemerkung  über  den  Ausgang  desselben  hinzu.  „  Siger 
von  Brabant  und  Berner  von  Nivelles,"  fährt  er  fort»),  „waien 
Magister  der  Theologie  *)  und  damals  schon  durch  Schriflen 
berühmt.  Diese  waren  in  den  Verdacht  der  Häresie  gekommen, 
haben  sich  aber  von  demselben  gereinigt,  da  sie  in  der  Gemein- 
schaft der  Kirche  gestorben  sind  und  der  Sorbonne  viele  Hand- 
schriften vermacht  haben,  unter  andern  Siger  die  prima  pttrs 
der  Summa  des  hl.  Thomas,  die  prima  secundae ,  die  Quod- 
libeta  und  die  Quaestianea  disputafae  de  potentia  Dei  ^  Berner 
die  prima  secttndae  und  secunda  secutidoe,  Handschriften  von 
hohem  Wert*. 


')  Wie  GastoD  Paria,  RePiie  politüpie  et  litteraire.  Ille  a4r.  T,  11. 
Paris  1881.  p.  583  anzonehmen  acheint,  uhne  daü  er  dafür  indea  einen  Be- 
weis beibrfichte. 

')  S.  oben  S.  41  Anm.  5. 

■)  A.  a.  0.  S.  395;  s.  oben  S.  65  Anm.  2. 

*)  S.  T.  magiatri,  was  sacrae  iheologiae  magigtri  heißt,  nicht  «attcti 
Thfunae,  wie  Ch.  Potvin,  Bulfet.  de  VAcnd.  rwjale  de  Belgique.  XLV.  p.  335 
die  Abkürzung  auflöst.  Natürlich  will  Potvin  nicht  Siger  und  Bemer  zu 
Lehrern  des  h.  Thomas  machen;  aber  auch  angestellte  Lehrer  des  Tho- 
mismus  gab  es  damals  noch  nicht.  Schon  Cipolla,  Giornale  storico  della 
Irttei-fitura  itatinna.  \ll\.  1886.  p.  115  n.  2  macht  auf  diesen  Irrtum  Potvin's 
aufmerki'am. 


Zar  Htograpliio  f^igei-'a  von  l3raliant.  61 

Ich  will  es  hier  ganz  beiseite  lassen ,  daß  Siger  und 
Berner  bei  Echard  als  Majrisler  der  Theologie  bezeichnet  wer- 
den. Wenn  Siger  an  lier  nie  dn  Fonarrt!  lehrte,  unii  wenn  er 
noch  1S75  in  der  ArlislenfakullTil  eine  l)edeulsame  Kolle  spielte, 
so-  war  er,  wie  ()l)*-ii  sction  hervorgehoben  wurde'),  und  die 
Identität  jener  Siger  vorausgesetzt,  magister  in  arUbus.  Den 
Verfasisem  cter  Si-nft/orts  otfft'jii.t  Praedica forum  stand  für  ihre 
Behauptung  schwerlich  eine  positive  Unterlage  zu  Gebote ,  viel- 
mehr (hlrfle  dieselbe  eine  blülje  Vermutung  sein,  geschöpft  aus 
der  Thatfrache,  daü  die  beiden  Lütticher  Kanoniker  wegen  An- 
fechtung ihror  Reclitgläuhigkeit  in  einen  kirchlichen  Proceß  ver- 
wirken wurden. 

Ebenso  ist  es  offenbar  nur  eine  Vernuitung,  was  uns  Aber 
den  günstigen  Ausgang  des  Processes  berictitet  wird.  Die  fJe- 
.=!clii4titschreiber  stolzen  ihre  Meinung  einzig  darauf,  dali  von 
den  Angeklagten  wertvolle  Büehervermäclitnissc  an  die  Sorbonne 
gemacht  seien. 

Von  Berner  von  Nivelles  -)  darf  icli  hier  ganz  absehen. 
Seine  S<'.henkung  an  die  Sorbonne  wird  noch  jetzt  durch  den 
Vermerk  in  nicht  wenigen  Manuskripten  bezeugt,  die  ans  der 
Sorbonne  in  die  Pariser  Nalionalbibliothek  gekommen  sind  -). 
Anders  steht  es  in  dieser  Beziehung  mit  Siger  von  Brabant. 
Aus  der  Sorbonne  stammende  Manuskripte,  die  von  einem  Ver- 
niHchlnis  des  Siger  von  Brabant  hern"ihrten,  lassen  sich  nictit 
nachweisen^).     Wohl   aber   hören  wir,    dali  im  Jahre  131!  aus 


')  8.  S.  5a  und  67  ff. 

*)  ülwr  donselbpn  vgl.  L.  DoIiMle,  /*(■  Cuhinft  itfif  nianiinrritg.  T.  II. 
p.  144  f.  Er  vermficbtti  der  Sorbonne  25  Volumina,  die  «iif  £0  livres  ge> 
achfttzi  wurilen. 

")  Sieho  dfln  Nachweis  bei  DeltHlo  n.  n.  (i.  Dort  wird  auch  gezeigt, 
(Infi  das  VennächtDis  Bcmor's  nicht  schon  im  Jaltre  1277  der  Sorbonne 
N6el,  wie  F.  Lajard,  Bist.  litt,  de  In  Frone*.  XXI,  p.  366  voraussetzt,  da 
Bernor  noch  1283  aIb  «iner  der  Testameutsexekutoren  des  Kanonikua  B.  d« 
Beneasia  in  Tongern  in  der  Lfitticher  DiOceae  erscheint. 

')  Wenn  CipoUa,  Giorn.  xtor.  tl^Un  hlt.  itnt.  VIU,  p.  118  es  Potviii 
vorwirft,  daß  er  ein  solches  Legat  Siger's  von  Brabant  in  Abrede  sUlle,  ohne 
dii'  znblrfi(.'hi>n  Handschriften  von  Werken  dps  h.  Thomas  Band  fltr  Hoiid 
durcbgefteht-u  zu  haben,  die  aun  iKt  Sorbonne  in  die  National-Bibliutliek  ^v- 
kommen  sind,  su  Übersieht  er,   d&h  cbun  diesr  Arbeit  von  Deliale  schon  für 


Äft  '^^rtnpoBwbdia  Sigeri  de  BrnlrnntiA. 

dem  Legate  di*s  Magister  Sipor  von  flourlrai  (Sif/ents  de  Cor- 
frocit) ,  DechaiUeu  an  der  Kirrli«  Sta.  Maria  zu  (lourtrai  und 
vordem  Genossen  der  Sorbcinne,  acht  ßSnde  von  Werken  des 
heiligen  Tiiomas  (oeto  uolum'ma  mnieti  Thomae)  kamen ,  von 
denon  Dolislo  drei  unter  ilen  Bänden  (ier  Pariser  National- 
bibliothek wiedererkannt  hat '). 

Anscheinend  hat  Ecliard  Sig<'r  von  Brabanl  und  Siger 
von  Courtrai  als  dieselbe  Persönlichkeit  genommen.  Bei  der 
Aufzflhlun^'  der  Schriften  des  heil.  Thomas-)  nämlich  weist  er 
für  sämtliche  Werke,  die  nach  der  obigen  Stelle  aus  dem  Le- 
gate des  Siger  von  Brabant  an  die  Sorbonne  gekommen  sein 
sollen  ■'') ,  Handsrhriilen  aus  dem  Le^falf^  des  Siger  von  Cour- 
trai nac-h^),  keine  einzige  aus  einem  Legate  des  Siger  von 
Brabant.     Freilich    ist   die  Unklarheit    bei   ihm  groli.     Au  der 


(las  VorzeichDia  der  Douatoren  (Ctibinrt  tifs  mnnunrr.  U.  p.  143  ff.)  gemacht 
ist,  ohne  JbIj  dahei  inileB  irgend  oini*  auf  Sigt^r  von  Brabant  weiAC'ado 
Spnr  gefunden  wäre. 

')  Ij.  DüMbIo,  CahiHrt  rffw  miiutinffits.     II    S.  173  f. 

O  Aucli  der  Artikel  al>er  ThüinnK  von  Aquin  ist  vun  RchArd. 

^  Zwar  beißt  es  bei  Ang&bi>  des  Legats  uur  einfach  äiger,  »hoe  wei- 
toren  Ztuatz;  aber  ea  kann  nur  der  gorade  vorher  genannt«  Siger  von  Hrn- 
bant  gemeint  sviin,  da  ja  das  hegat  aU  Bpweia  Rlr  die  spätorv  Steltong  de« 
8iger  von  Urabaiit  angeführt  wird. 

*)  Quotif  et  Ecbard,  Script.  Onf.  I'raed.  1.  p.  288:  AIt«r  fol.  mag. 
mcmb.  n.  26  ex  logato  Sigori  do  Cortruco  decani  Cortracensis  et  aocü 
Sorbon.  qui  ex  actis  eins  gyiunasü  aeiate  8.  Thumae  florebat.  lusunt  solam 
QQ.  df  /mtrnti»  Dci  F.  Thoma«  lir  Aqitino  etc.  ttt  imp.  —  EM.  p,  290:  In 
Sijrbon.  est  codex  fol.  mag  mcnib.  n.  30O3  ox  legato  Sigeri  de  Cortraco 
aupra  laudati  anno  1277  clari,  in  quo  est  prima  parit  Summtt*  S,  />.  et 
ad  calccm  i^nofllifni  S.  I>.  —  Kh<L  p.  295:  }*rimnt'  »rrnndat-  sunt  octo  Codices 
quoniin  tres  potissimum  notandt,  pHmus  n.  121  ex  legato  Sigeri  do  Cor- 
traco dfCADJ  ecclesiao  B.  M»riae  Ciirtracensis,  qui  e  primis  Robi^rii  de  Sor- 
bona  aociie  fuit  ex  actis  gyniiiR>-ii,  sancfnniquf'  dnctorpm  uiilit  AU^'r  n,  180 
ex  legato  Rerneri  de  Niv«*llis  cmiuriici  S.  Martini  Leodiens.,  qui  cain  St- 
gero  de  Ürnbaniia  concaiiouico  suo  Lcodiam  iam  so  recepcrat  menat*  nouembn 
]'_'77,  ut  c^nstat  ex  actis  F.  .Simonis  de  Valle  Or.  Prai'dic  in  rt-gno  Kranrtao 
luni  inquisitoris  generalis.  Sic  enim  habetur  in  Lud.  mn.  iiifuib.  aüits  conucn- 
tUA  iioatri  KothomagenMis  eiua  aetalis,  ubi  acta  plura  eiua  inquiaitoris.  Tertins 
ex   h'gnt«)  iani  hiudiiti  Ctiirini  lU'  Sedcloco  u.  2-Jlt  -  -  . 


Zur  Biographie  Siger's  uon  Brabant.  69 

einen  Stelle  *)  hören  wir  von  dem  Proceü  gegen  Siger  von 
Brabant  und  Bemer  von  Nivelles,  sowie  von  dem  Legate  die- 
ses Siger  von  Brabant-)  und  des  ßemer  von  Nivelles;  an 
der  andern-^)  von  der  Schenkung  des  Siger  von  Courtrai,  der 
zu  den  ersten  Genossen  Hobert's  von  Sorbonne  gehörte  und 
Thomas  von  Aquino  noch  gesehen  hatte  %  und  des  Bemer  von 
Nivelles  und  von  dem  Proceß  gegen  Siger  von  Brabant  und 
Bemard  von  Nivelles.  Aber  daß  fichard  von  zwei  Schenkungen, 
einer  des  Siger  von  Brabant  und  einer  des  Siger  von  Courtrai, 
reden  wollte,  ist  bei  der  völligen  Gleichheit  des  Inhalts  dieser 
Schenkungen  ^)  ebenso  ausgeschlossen ,  wie  daß  er  etwa  zwei 
wirklich  verschiedene  Schenkungen  zusammengeworfen  hätte"); 
denn  auf  eine  von  der  bekannten  Schenkung  verschiedene  des 
Siger  weist  auch  nicht  die  geringste  Spur  ').  Echard  hat  viel- 
mehr Siger  von  Brabant  und  Siger  von  Courtrai   für   dieselbe 


')  A.  a.  0.  p.  395.    S.  oben  S.  65  Anm.  2. 

•)  S.  S.  68  Anm.  3. 

')  A.  n.  0.  p.  295.     S.  oben  S.  68  Anm.  4. 

*)  £chard  beruft  sich  hierflir  auf  die  „Acta  Gymnosü*'.  Es  dürften 
darunter  die  Sorimnae  oi'ii/ines  des  Claude  Häm^rä  (Hemeraeus)  zu  verstuhen 
sein,  die  in  cod.  Paris.  Bibl.  nat.  lat.  5493  handschriftlich  erhalten  sind  und 
denen,  wie  Cipolls,  Giornalt  uton'eo  dfila  Jett,  itnh  VIII.  p.  129  gesehen 
hat,  auch  Petit-Kadol,  Hht.  litt,  de  In  Fr.  XIX,  p.  802—303  gefolgt  iat, 
wenn  er  bei  seiner  Aufzfthlung  der  Genossen  Robertos  auch  den  Sii</rr  de 
Coutiraif  erwähnt.  —  Hömerö,  über  den  man  die  Noucclle  Biographie  gene- 
rale. XXIU.  Paris  1858.  col.  896  vergleichen  möge,  1611  Mitglied  der  Sor- 
bonne, gest.  1650,  wurde  1638  Bibliothekar  der  Sorbonne,  welchen  Posten  er 
sechs  Jahre  lang  bekleidete.  Dieser  Thätigkeit  entstammen  seine  Origines, 
die  nicht  etwa  eine  zeitgenössische  Quelle  sind,  vielmehr  selbst  auffallende 
lind  grobe  Irrtümer  enthalten;  vgl.  Denifle.  Chartular.  I.  p.  350,  Note  2 
zu  n.  302.  Seine  Nachricht,  daß  Siger  von  Courtrai  einer  der  ersten  Ge- 
nossen Robert's  von  Sorbonne  gewesen,  bietet  darum  durchaus  keine  sichere 
Gewähr.  Wir  werden  auf  die  Sache  noch  bei  Besprechung  von  Gipolla's 
Aufsatz  zurückkommen. 

■')  S.  S.  65  Anm.  2,  Ende,  verglichen  mit  S.  68  Anm.  4. 

")  Potvin,  a.  n.  O.  S.  336:  Lea  deox  donatione,  de  Siger  de  Courtrai 
et  de  Berner  de  Nivelles,  n'ont  d'autre  rapport  que  de  contenir  des  Oeuvres 
de  Saint  Thomas;  elles  ont  dü  Mre  faites  säparöment,  k  la  mort  de  chaque 
donateur  et  ä  de  dates  non  indiqnäes. 

0  S.  0.  S.  67  Anm.  4. 


Tnipo&aibilia  Sifceri  de  BwibflnTift 

Prrsoii  xclialten ,  imlein  or  etwa  atinalim,  4la!.i  der  lvaiK»iiik<^f 
von  Lütlich  später  Dedianl  in  Courtrai  geNvordt^n  ^ei,  im<l  inaclil 
diesen  Siger  von  Courtrai ,  den  aiiKehlichen  Brabanter,  zum 
Zeilgoiiossen  des  Robert  von  SorboniU'  und  Thonms  von  Aquiiio. 

Den    Irrtum    Kchard's  iibenialun  Lc  Klerc»   der  V'erfas?jiei' 
<Ws   ausfCilirlichen  Artikels  ober  Öiger  von  Braimnt  —  aus   deui 
ic'li  liier  nur  das  ln-rvorliebrn  kiinn.  was  er  /u  ridnor  Zeil  N'eue.s 
brachte    --    in   der    Histoirr   Utfentire   Jt   iit    Frani-f  *) ,     dessen 
Hauptinhalt  übrigens  schon  vorher  durch  eine  Mitteilung  btilcaiml 
wurde,   die   in   Üzanam's   viel    gelesenem    Werke   über  Dante 
vr-rölTcnllicbl  worden  war^).    In  dieser  Arbeit  sucht  er  die  Men- 
lität    des  Siger   von  Brabant    und    des  Siger  von  (lourtrai 
zu    beweisen  *).    Er   stützt   sich  auf  die  Angaben  Krltard's  über 
die   Legate   an   die   Sorbonne   sowie    über    die   Lebenszeit    des 
Siger  von  Courtrai  *).     Das  enlg^egenstehendo  geographische  Be- 
denken ,    daß  Courtrai   doch    nii^lit   in  ßrabant    li^e ,   triaubt   er 
entkrälten   zu  können.     Der  Name  «Brabanf  habe  damals  eine 
weitere  Auädebnung  gehabt  als  jetzt,  so  da&  auch  jemand,  der 
in    dem    vlfnuischen  Kortryk    geboren    war,    als  Brabanter  Iiabe 
bezeichnet   werden    können.      AulJcrdem    brauche    der   Beiname 
ile  Cufifiu'o    überhaupt  nicht  den  Geburtsort  Siger's  zu  bezeicli- 
nen.     Dieser  sei  viehnehr  wahrscheinlich  Lüttich,  da  die  .Schriften 
Siger's  in  ManuskriptfU  enthalten  seien,  welche  von  Kanonikern 
der  Lütticher  Diöcese,  Heinrich  Pistoux  und  tiottfried  von  Fon- 
taines,  der  .Surbonne  vermacht  seien. 

Indem  Le  Clerc  den  Siger  bei  Du  Boulay  und  tchanl, 
tlen  Ueifuer  der  Mettdikanten,  den  in  die  .Streitigkeitt-ri  der  Uni- 
versität verwifkeilen  Parteiführer,  den  vom  Inquisitor  für  Frank- 
reich der  Häresie  bezichtigten  Kamtniker  von  Lfittich,  mit  Siger 
von  (Courtrai ,  dem  Donator  wertvoller  Handschriflen  von  Wer- 
ken des  Aquinalen^  idenliticierte  und  diese  Persönlichkeit  in  den» 


')  Le  Clerc,  Sigrr  rfc  Bratumt,  pi'of^rjtifeHr  aujf  «*«>/fjr  rftt  la  nw  tht 
Founn-e,  in:  Hisfohr  iUt^ntin-  tt,-  la  Fntncr.  T.XXI.  Pari»  1847.  p.  96— 127. 
Zuerst  oracbicncn  im  Jmirmil  di-a  Dvlmt«,  184ö,  2U.  und  29.  August. 

*)  S.  8.  52  Auni.  1. 

=)  A.  ff.  0.  S,  99  ff. 

*)  S.  oben  8.  65  und  68. 


Zur  Biograpliie  Si{i;er*8  von  Brabant.  71 . 

Sigieri  widerfand,  den  Dante  in  das  Paradies  unter  die  selijfeu. 
Theologen  versetzt  und  dessen  Lob  er  Thomas  von  Aquino  in 
den  Mund  legt,  ergab  sich  ihn»  tür  Siger  von  Brabant  das  Bild 
eines  Mannes ,  der  in  seiner  Entwicklung  einen  vollständigen 
Wandel  seiner  Anschauung  durchlebte.  Von  einem  wegen  Hä- 
resie Verurteilten  und  in  seinem  Irrtum  Verstorbenen  würde  die 
Sorbonne  ein  solches  Legat  nicht  angenommen  haben  *).  Siger, 
der  früher  von  Thomas  von  Aquino  bekämpfte,  wurde  vielmehr, 
wie  die  Schenkung  mehrerer  Schriften  des  Aquinaten  an  die 
Sorbonne  beweist,  später  selbst  Thomist  und  gefeierter  Lehrer 
der  Sorbonne,  wo  Dante  ihn  hörte.  Den  Nachhall  dieser  Wand- 
lung finden  wir  in  der  Erzählung  jener  Dante-Kommentatoren 
von  der  wunderbaren  Bekelu'ung  Siger's  infolge  einer  nächtlichen 
Geistererscheinung  -).  Ein  Protest  gegen  die  Bekämpfung  Siger's 
soll  es  sein ,  wenn  Dante  ihn ,  den  durch  die  Dominikaner 
Verfolgten ,  gerade  durch  den  Dominikaner  Thomas  von  Aquino 
unter  den  rechtgläubigen  Lehrern  vorgestellt  werden  läßt  '). 

War,  wie  wir  sehen  werden,  diese  Verschmelzung  der 
beiden  Siger  zu  einer  einzigen  Persönhchkeit  ein  verhängnis- 
voller Irrthum  Le  Glerc's,  so  mulä  es  dagegen  als  sein  beson- 
deres Verdienst  angesehen  werden,  daß  er  uns  zuerst  den  Leh- 
rer und  Schriftsteller  kennen  lehrte.  Es  geschah  das  einmal 
durch  den  Hinweis')  auf  die  zwischen  1305  und  I;J()7  verfaßte 
Schrift  De  rerujteratione  terrae  mnctae  ^) ,  als  deren  Verfasser  E^ 
Boutaric  '')   den    königlichen  Anwalt    im  Amtsbezirk    von  Cou- 

')  A.  u.  0.  S.  lll. 

'-')  S.  oben  S.  55.  Le  (Uerc  kennt  die  Legende  aus  anonymen  Glos- 
sen, die  Andreas  von  Orvieto  1389  kopierte:  HiKt.  litt.  XXI,  p.  113. 

^)  A.  a.  S.  S.  105. 

*)  A.  a.  O.  S.  105  ff. 

'')  Zuerst  ohne  Kenntnis  des  Verfassers  veröffentlicbt  von  Bongars  in 
den  Uestit  Dei  per  Ftaiiron  sine  orientaHum  expedUionuni  et  reyni  Fnttico- 
nun  IIU'fonoIomitfiHi  hintoria.  Hanovlae  1611.  T.  II.  p.  816—361.  Eine  von 
Bongars,  wohl  aus  politischen  Rücksichten,  ausgelassene  Stelle  wurde  Auf- 
grund der  (einzigen)  Handschrift  in  der  Vaticana  (reg.  Christin.)  durch  Ver. 
mittlung  von  Abbä  Duchesne  von  E.  Renan  mitgeiheilt  {Hint.  IHter.  de  la 
Fraua:  T.  XXVII.  Paris  1877.  p.  738).  Neuere  (vollstfindige^  Ausgabe:  De 
rficuperaiünie  Terrae  sanrtae.  Tratte  de  polUiqite  ifinerale  par  Iterre  Did)ois, 
publik  par  Ch.  V.  Langloia.    Paris  1891. 

*')  E.  Boutaric  in:  Notices  t4  extraits  des  manuscrits  de  la  Biblioth^ite 
imperiale  et  aittrea  bibliothkiues.    T.  XX.    Paria  1865.   2^«  partie.    p.  174  f. 


72 


Impüasiliilia  Sigcri  de  Brnbantia 


taiiccfi  in  der  Norniaiidie.  Pierrt*  Dubois  (Petrus  de  Buscu)  *) 
nachgewiesen  hat,  den  Pollhasl  (.'inen  , überaus  merkwürdigen 
Traktat" ,  .voll  niodenier  Ideen"  nennt  •).  In  diesem  Werke 
erwilhnt  Dubois  den  Siger  zuerst  bei  Gelegenheil  des  interessan- 
ten Erztehungsplanes ,  durch  den  er  für  die  Wiedererlang'uiig^ 
und  Verwaltung  des  heili^^en  Landes  die  nötigen  KrÖfte  zu  g'e- 
winnen  vorschlägt.  Nachdem  die  dafOr  ausgewählten  Knaben 
bis  xuni  vierzehnten  Jahre  die  notwendigen  elementaren  Kennt- 
nisse erworben,  auch  neben  dem  gründlich  zu  betreibenden  La- 
tein Grieclii^eh  oder  Arabiseh  oder  sonst  eine  fremde  Sprache 
erlernt  huben ,  sollen  sie  in  die  Naturwissenschait  eir»j?efuhri 
werden.  Dafür  werden,  außer  einem  Auszug  aus  den  einschlä- 
gigen Schriften  Albert's  (des  Großen),  Auszüge  aus  den  Schritten 
des  Frater  Thomas  {von  Aquino)    und   des  Seger  empfohlen"). 

')  über  Pierrp  Dubois  vgl.  NataÜB  de  Wailly  in:  WinmiTi*  Je 
V Armivmk  de»  inMrnptmtü  et  bcllf»  Idirf».  T.  XVIII.  2"  partie,  Paris  1855, 
p.  482  ff.  biblwth^fiH«  tlf  ritmh  dea  CharteSf  2«  8^.  T.  IH.  Paris  lS4*i. 
p.  273  ff  F..  Boutaric,  Im  Frnnrr  Mf»w  Philippe  h  Bei.  Paris  1861. 
p  410  ff.  E,  Hfnan.  f«  pttbliri^tc  de  PhHiji/M-  le  Bvt,  in:  Hrnn'  dr»  dnur 
iHtmdcH,  15.  fövr.  PanB  J871.  p.  620  ff.  HiMmre  Wt.  ri«  la  Franef.  T,  XXV. 
Paris  1873.  p.  471  ff.  l  woselbst  p  üOH-524  eine  Analyse  der  Schrift  De  ret-u- 
prratiünr  trrnte-  tutHctne  gegeben  wini,  deren  Verfasser  Kentui  durch  Bouta- 
ric*»  Aufsatz  Jii  den  Sot.ff  4>j-fr.  k4>iinen  gelernt  hatte).  S.  Kiezter,  Die  /it' 
lertiriitchi'N  ti'idn'xachtt  dvr  Ifljistf  znr  Zfit  Litdirijiti  dtM  ltnif.rn.  Leipzig 
1874.  8  143  f.  Fr.  von  Schulte,  Die  Gf^hiehi*  der  Quethn  nid  Lieir- 
nitttr  dnt  Cnnonixrhfu  Uerhtx.  Bd.  If.  Stuttgart  1S77.  S,  179.  Ch.-V.  Laa- 
glois  in  «einer  Ausgabe  p,  VI  ff.  D'Ancona,  V»riet(\  tdon'chr  e  lette' , 
mriP.    Si>rio  11.  Milano  1885.  p.  125  f. 

*)  Ang.  Potthftst,    M'etfireUcf  duivh  (He  (leMihirUtnuerk^    den  euntpäi^ 
itcUfH  MittvMtet-s  his  IMHt.     2.  Aufl.  Bd.  II.  Berlin  l-^gß    S.  915. 

=•)  I)f  ifcitp.  T.  s.  c.  46  g.  72.  p.  337  Bongars.  p.  00  f.  Langloi»; 
.  .  .  Qood  (der  mehr  elementare  rnterricht)  sie  perfici  deberet  infra  qaatuor- 
deoimum  annuun.  Tuuc  incipiant  iitidire  naturalem  seientiain.  Propter  cuins 
pralixitntui»  vt  pro"uriditat<.-in  expedtl  N'aturulia  fratria  Alberti,  continentia 
proltxc  totam  intentitmem  Phibsophi  {den  Aristoteles)  cnm  inultjs  additioni* 
huH  ei  digreasionibuH,  quautuin  ningia  lieri  pottset,  abbreuiari,  tain  plane  quod 
intelligentes  legen'  pos^ieitt  hoc  extractuin  Hufficiont«r  sine  ncriptis.  Hov 
cxtractum  nudireot  iuuenes  totum  primo  anno  quataor  lectionea  in  die  tnine 
quoestionibus;  hoc  ideni  audireni  secundn  vice  cum  quaestionibus.  Postmotliiin 
nudirent  semel  libros  prout  legantur  in  scholii«.  Item  ezpediret  quod  quo«- 
stionee  naturales  habcreat  extractas  de  scriptis  tarn  fratris  Thoinae  qaiua 


Zur  Biographie  Siger's  von  Brabant.  73 

An  einer  spätem  Stelle  erzählt  der  Verfasser  —  der  auch  bei 
einer  Predigt  des  „sehr  gelehrten  Frater  Thomas  von  Aquino" 
zugegen  gewesen  war^)  — ,  daß  er  Schüler  Siger's  —  und  zwar 
ist  hier  ausdrücklich  Siger  von  Brabant  genannt  —  gewesen 
sei ,  als  dieser  , ausgezeichnete  Lehrer  der  Philosophie**  die 
Politik  des  Aristoteles  erklärte.  Er  erwähnt  aus  diesen  Vorle- 
sungen eine  Äußerung  Siger's,  ,,es  sei  besser,  wenn  der  Staat 
von  guten  Gesetzen ,  als  wenn  er  bloß  von  rechtschaflfenen  Per- 
sönlichkeiten regiert  werde;  denn  es  gäbe  keine  so  rechtschaf- 
fenen Männer  und  könne  keine  geben,  bei  denen  es  nicht  mög- 
lich sei,  daß  sie  durch  die  Leidenschaften  des  Zornes,  des  Has- 
ses, der  Liebe,  der  Furcht,  der  Begehrlichkeit  beeinflußt  werden 
könnten*  *). 

Segeri  et  aliorum  doctoram,  ordinatas  omnes  de  una  materia,  ut  de  niateria 
prima,  de  forma,  compositione  eioa;  generatione,  corraptione;  de  quolibet 
seDsn,  eius  obiectis;  de  qaalibet  potentia  animae,  operationibus  et  nataris 
earam;  de  elementis,  natans  (Langlois:  Hotitre)  et  operationibus  conim;  de 
corporiboa  caelestibus,  nataris,  infinentiia  et  motibus  eomm  ...  (ich  habe 
hier  und  in  den  sonstigen  Anführungen  die  Orthographie  nach  dem  klassischen 
tiebrauch  geregelt,  um  den  Leser  nicht  durch  eine  bunte  Mannigfaltigkeit  zu 
fttören.  Nor  bei  Mitteilungen  aus  Handschriften,  bei  denen  möglichste  Ge- 
nauigkeit erwünscht  war,   wurde  die  mittelalterliche  iJchreibnng  beibehalten.) 

')  A.  a.  0.  c.  40  §  63.  p.  335  Bongars,  p.  58  Lauglois:  Ex  qno  con- 
cludebat  ille  prudentissimas  frater  Thomas  de  Aqaino,  ut  audiui  in  quo- 
dam  suo  sermone  etc. 

')  A.  a.  0.  c.  80  §  132.  p.  358  Bongars,  p.  121  f.  Langlois:  Si  qnia 
autenv  hunc  prouisionis  modam  reprobare  nitator,  quoniam  retro  principes  do- 
mini  regia  antecessores  nunqnam  taliter  consuenerunt  armorum  semitia  exi- 
gcre:  reaponderi  polest  quod,  prout  in  lege  ciuili  canetnr,  „non  est  respicien- 
dum  quod  Romae  factum  est,  sed  quid  fieri  debuiaset',  et  qood  ,non  est  exem- 
plis,  sed  legibus  iudicandam".  Ad  hoec  facit  id  qaod  super  I\>litiea  Arinio- 
Min  determinaoit  praecellentissimus  doctor  philosophiae,  cnius  eram  tunc 
discipulus,  magister  Segerus  de  Brabantia.  uidelicet,  quod  ,longe  me- 
lius est,  ciuitatem  regi  legibus  rectis  quam  prol^s  uiris,  quoniam  non  sunt, 
nee  esse  possunt  aliqui  uiri  tarn  probi  quin  posaibile  sit  eos  cormmpi  paasio- 
nibus  irae,  odii,  amoris,  timoris,  concapiacentiae'.  —  Es  ist  nicht  klar,  wie 
weit  die  Worte  Siger's  gehen,  ob  bis  zum  Ende  der  hier  abgedruckten  Stelle 
oder  —  wie  Langloia,  wohl  mit  Unrecht,  annimmt —  nur  bis  zu  den  Wor- 
ten „probis  «»•(«". 

Es  ist  das  indes  ohne  sonderliche  Bedeutung,  da  das  Ganze  jeden- 
falls kein  originaler  Gedanke  Siger'a  ist,  sondern  schon  dem  von  Siger  erliu- 


74  ImpossihiliR  Stgeri  de  Hrnhsiitia. 

Von  noch  größerer  Be(leutiu)g  für  die  Kenntnis  Siger's  nis 
Leiuvr  und  Schiiftsleller  tiber.  als  dieser  Hinweis  auf  Diibois. 
wnr  es.  dal^  Le  Clerc  über  die  aid  der  (*anser  NaLion;ilhibliolhek 
belindliclien  Werkr  Siger's  ziemlicli  eingehende  Mitteilungen 
machte  *).  Leider  veniiindcrle  t*r  dies  V^erdiensl  —  auch  abge- 
sehen davon,  daiä  die  von  ihm  begangenen  l^esefehler  eigentlieli 
doch  über  das  Mals  des  Enlscliuldbaren  hinausgehen  -)  —  da- 
ilurch  einigermaüen,  dalä  er  auch  hier  Siger  von  Brabant 
mid  Siger  von  Courtrai  vermengte.  Doeh  isl  der  SchatJen 
nicht  so  groti,  da  er  jedesmal  gewissenhaft  angiebt,  wo  in  den  Hand- 
schriften der  eine  und  wo  der  andere  als  Verfassop  genannt  ist. 


hl  Le  Clerc's  Bahnen  wandelt  Kervyn  de  Leltenhove. 
In  e-ineni  IS53  erschienenen  Aufsalz ')  glaubt  er  den  Geburtsort 
Siger's  von  Courtrai,  den  er  mit  dem  von  Dante  gefeierten  Si^ori 
identiticiert,  gefunden  zu  haben,  Untei-  den  Dechanton  des  Kapitels 
von  Nolre-Dnuie  ku  Courtrai  nämlich,  das  1199  durch  Balduin 
von  Konstantinopel   und  Maria  von  Champagne  gestiHet  wurde, 

terten  Arislotelea  angehört,  der  sich  damit  gegen  einen  bekannten  Ue<lank«n 
Plftto's  (/vV»7ft7M  -297  D  ff.)  wendet;  vgl.  Arietot  Ii}tif.  IH  16,  p.  1287  m  18i 

■t6v  äga  i-d/ior  Ofjj^eir  m^rttöiritov  ftäXknv  tj  vtör  .-loÄtrwr  Fva  tträ  .  .  ,  (a  28r> 
6  fUT  ohv  Jov  v6ftov  xtln^tur  o^/fff  (loxri  ntkgvrn  äo^nv  tüv  -^mov  xai  jAv  rat-r 
f.i6rovf,  6  H'  Sr&gayjtor  itrXtvofv  :tQoouih]Oi  ttat  ßti^ior'  f}  te  yög  m&vftia  rm- 
ovtov,  Xtti  o  (h'fioc  ägj^ofiai  xai  lot  .;  a^/otot'i  ätÖtMy  Aia^^tiqu.  6t6^tm 
Äf«'  &Qi^eoii  vovs  «J  vA^w<:  irniv. 

Völlig  UDrerstXndlich  ist.  was  Kr.  Bergmann,  Itanff,  mi  riV  «tf  sm 
<r«priw.  2"  etl.  Straülwurg  18ftl.  p.  17S,  aus  dieser  Stolle  macht:  ,I.e  profos- 
beur  qiii  k  Paris  a  e^iercä  le  pltis  d'intiiKincf^  snr  l'esprit  de  Daitto  etait  lt> 
doctcur  Siger  du  Brabant,  qai  ^veilla  c-n  lui  le  sons  et  le  jugemi>ut  politiqua, 
parcc  que  rf>  docteur,  eu  commi^ntant  la  Politiquo  d'Arist^te,  transmit  a  Dant« 
ecttf  tdeo  sijcinle,  qu'il  a  toiijoui^  mainieniio  dppuia,  ä  »avoir  que  la  bonnt- 
djrectinn  den  haut,  1«-»^  l)onneä  iiustitutions,  et  le.s  honnea  luiü  out  plim  d'ein- 
pire  flur  lea  individaa  et  lea  peuplcs,  quf  tea  prdoepts  de  la  ÜM^ologie  et  de  la 
mortle.*     Welche  Konfasion! 

')  Hilft,  litt.  ,te  ia  Francr  XXI.  p.  115— 124. 

^  Man  sehe  die  ZaBammenstellung  einiger  dietier  Fehler  bei  Ch.  Pot- 
vin  in:  Bufl.  ih-  t'A'-aiL  de  /ffh/üjur.  XL.  1878,  p.  Üb. 

*)  Kervyn  de  Lettonhove,  .S'iyw  //<•  fUtUHfhftn^  tioctcur  rn  tkrofo^ü- 
tfr  rCnivrrsitt'  ilr  Fiirix  tut  X/ll''  sii-rlv,  in:  ÜfilletinH  tfr  i'Acntifynir  tfr  Bei- 
gi^ne.  T.  XX,   1"  part.  Bnutellos   18Ä3    p.  252—259. 


Zur  Biographie  Siger*8  von  Brabant.  75 

findet  sich  als  neunter  in  der  Reihe  ein  Siger  von  GuUeghem. 
In  GuUegheni,  einem  Städtchen  eine  Wegstunde  von  Courtrai 
entfernt,  muü  man  also  den  Geburtsort  jenes  berühmten  Leh- 
rers des  XIII.  Jahrhunderts  suchen.  Wann  Siger  Dechant  von 
(Courtrai  wurde,  ist  nicht  bekannt j  li58  hatte  er  aber  schon 
einen  Nachfolger  in  Aegidius  von  Gent.  Vielleicht  hat  ihn  Lud- 
wig der  Heilige,  als  er  Flandern  besuchte,"  an  sich  gezogen,  um 
seine  Kraft  für  die  von  ihm  beschützte  Sorbonne  zu  gewinnen  •). 
Demselben  Siger  begegnen  wir  in  einer  Urkunde  vom  J.  1:292 
April  9,  nach  der  er  bei  einem  Akte  anwesend  ist,  durch  den 
die  Äbte  von  Citeaux  und  Clairvaux  gegen  die  Vergewaltigung 
ihrer  Güter  protestieren*).  Freihch  ist  dort,  wie  Kervyn  de 
Lettenhove  bemerkt,  die  Lesung  unsicher'*);  doch  meint  er,  daß 
durch  den  Zusatz  olim  decatio  Cortraci  jeder  Zweifel  ausgeschlos- 
sen sei. 

Die  vermeintliche  Entdeckung  Kervyn  de  Lettenhove's, 
durch  die  er  Le  Clerc's  Resultate  ergänzen  wollte,  fand  nur 
vereinzelt  Beachtung^).  Der  Aufsatz  Le  Clerc's  selbst  da- 
gegen beherrschte  fast  die  ganze  neuere  Litteratur.  Histo- 
riker"'),   Geschichtschreiber    der    Philosophie**),    Dante -Erklä- 

■)  A.  a.  0.  S.  253. 

»)  A.  a.  0.  S.  256  flF. 

''}  Zu  den  Worten  der  Handschrift  (Ms.  von  Dunes,  u<>  359  Liber  eon- 
linens  nariuH  lUU'ran  etc):  preteHtibus  .  .  .  domitto  Sugero  olim  decnno  Cor- 
frnri  bemerkt  er  (n.  a.  O.  S.  258  Anm.  1):  Le  copiste  a  mal  transcrit  le 
pr^nom.  La  premiöre  lettre  ressemble  k  an  /,  et  le  eigne  abbr^viatif  a  6i6 
omis  h  1a  demiöre  syllabe;  go.  Mais  les  mots  qm  suivent:  olim  äecaiio  Cor- 
tnu'i,  enfflaent  pour  rendre  tont  doute  impossible. 

*}  Z.  B.  bei  Scartazzini  in  seinem  Duite- Kommentar,  III.  S.  267. 

'')  Z.  B.  A.  Budinezky»  Die  Universität  Fiiris  und  die  Fremden  an 
derselben  im  Mittelalter.  Berlin  1876.  S.  176  f.  in  seinem  unbedeutenden 
Artikel  über  Siger. 

")  Barth^lemy  Haar^aa,  De  la  philosoptiie  acolastique.  Bd.  II.  Paris 
1850.  S.  290.  Hitstoire  de  la  philoaophie  scolastique.  Bd.  11,  2.  Paris  1880. 
S.  131  —  137  (aber  Haur^aa's  spätere  Arbeiten  s.  weiter  onten).  J.  H.  £rd- 
mann,  Grundriß  des  Geschichte  der  Philosophie.  3.  Aufl.  Berlin  1878.  Bd.  I. 
S.  373.  394  (in  der  von  Benno  Erdmann  besorgten  nVitMAnflage  Bd.  I.  S.  408  f. 
ist  die  Sache  berichtigt).  Ueberweg-Heinze,  Grundriß  der  Geschichte  der 
Philosophie.  7.  Aufl.  Bd.  II.  Berlin  1886.  S.  254.    Albert  StOckI,  Geschichte 


76  Impoääibilia  Sigeri  de  Brabantia 

ror ')  folgten  ihm.  Siger,  so  hören  wir,  iirspi-ünKHcli  Gegner  der 
Mendifcanteiiorden  und  einer  freieren  Richtung  huldigend,  dnruni 
in  einen  hiqnisition-eprozeÖ  verwickelt,  verfinilerte  später  seine 
Richtung,  wurde  Anhänger  des  lieiligen  Thomas  -)  und  führte 
die  Sorlxvnne  dem  Thomisiuus  zu  "). 

Der  schon  bei  Ecliard  hervorgetretenen,  durch  Le  Giere 's 
vielgerühnilou  Artikel  vergrüläerteu  und  weil  verbreiteten  Ver- 
wirrung trat  zuerst  Leopold  Delisle  entgegen.  Er  zeigte*), 
dali  Siger  von  Courtrai.  Procui-ator  der  Sorbonne  im  Jahre 
K^lö,  dessen  Wruiäclitnis  von  acht  Bilnden  der  Werkt*  des  hl. 
Thomas  erst  134-1  an  die  Sorbonne  kam')  und  der  darum  nicht 
gar  lange  vor  i:^4l  gestorben  sein  wird,  nicht  einer  der  ei*stcn 
Getidu-ton  Robert's  von  Sorbonne ")  und  Zeitgenosse  von  Tho- 
mas von  Aquino  s-ein  konnte.  Noch  weniger  natürlich  kann 
dieser  Siger  von  Courtrai,  wie  hier  schon  hinzugefügt  sein  möge, 
mit  dem  von  Kervyn  de  Leltenhove  hervorgezogenen  Siger  von 

tttr  rhilwtftpJtie   flw  MUtefaltrrt.    Bd.  II.    Mmoe  1865.    8.  774.     Ebenso    im 
Grunde  Cipolla.  Abor  ijpss4>n  Ansicht  weiter  tinU'n  zu  handeln  ist 

')  S()  FhiUlctIiu3  (KlJnig  Jobann  von  Sucha^'n),  Witte,  Labia, 
ScftrtazKini.    Aitcb  Friinz  Hettlngor,  Dantc*a<.>istosgang.  Köln  18K8.  S.  89. 

')  Nach  Hauri'au.  flUr.  dt  fa  phU.  »col.  II,  2.  p.  132  ist  die  Lehre 
Siger'e  »im  üninde  reiner  Thomisinua*.  —  Daß  gerade  Haur^aii  s^pätcr  dieat; 
irrii^e  AnHicht  widt'rUgt«,  werden  wir  weiter  unU>n  sehen. 

')  So  z.  li.  Hauri*au,  Stdckl,  Uebcrweg-UeinKä  an  den  8.  75 
Anni.  6  angegebenen  Orten. 

*)  Leopold  Delisle,  Lf  ('nhinei  tle«  mumteeritn  de  la  Bibliothrtfur  nti- 
tionatf,    T.  II.  Faria  1874.  p.  173  f. 

"1  Anco  Domini  MCCCXLI  uenArvot  ad  socioü  doinua  de  Sürbima  octo 
uolumina  Hsncti  Thomc,  ex  legato  magistri  Sigeri  de  Cortracu,  decani  eccle-die 
lieate  Marie  L'ortracensia  ot  condam  socü  liuiua  doinus.  Et  ordinatum  fuit 
per  deputatos  quod  pro  anima  eius  iieret  anniuersarium  (Ms  der  Pariser  Na- 
liooalbibUothek  lat.  16&74,  fol.  32v .  bei  Üeliale,  «*.  u.  O,  11,  174  Ann.  1). 
—  Wenn  man  Hiich  annimmt,  dafi  jene  BQclier  nicht  unmittelbar  nach  dem 
Tode  des  Legatara  an  die  Surbonne  gekommen  seien,  ao  kann  doch  nach 
R»rht  und  Herkommen  ein  Uageror,  etwa  mehrjähriger,  Zeitraum  zwiMhen 
dem  Tode  Siger's  und  der  .Ahtlorerting  das  Legate  nicht  liegen  Siger  mafi 
darnach  I-'i^l   oder  doch  iirt^ht  langD  vor  i'MI  gestorben  sein. 

")  Kobert  von  .Sarbiinne  (Ober  ihn  vgl.  F'etit-Radel  in:  //«V.  litf.  rfr 
h  Fninee.  XIX.  p.  291—307)  und  Tbomaa  von  Aqnino  starben  beide  im 
Jahre  1274. 


Zur  Biographie  Siger's  von  ßrabant.  77 

Gulleghern  identisch  sein,  oder  mit  dem  Siger  Danle's,  den  der 
selbst  bereits  1321  gestorbene  Dichter  schon  1300  im  Paradiese 
weilen  läßt.  Siger  von  Brabant  —  der  aus  der  Pariser  Univer- 
sitätsgeschichte und  dem  Inquisitionsprozeß  von  1278  bekannte  — 
und  der  weil  spätere  Siger  von  Courtrai,  so  war  Delisle's 
Resultat,  sind  durchaus  von  einander  zu  unterscheiden. 

An  Delisie  schloß  sich  Älfons  Wauters  an  ^)  in  dem 
Überblick  über  die  philosophisch-theologischen  Schriftsteller  Bel- 
giens im  XIII.  Jahrhundert,  den  er  einer  Arbeit  über  Heinrich  III. 
von  Brabant  einfügte. 

In  einem  längeren  gediegenen  Aufsatz  *),  aus  dem  hier  na- 
türlich nur  das  mitgeteilt  werden  kann,  wodurch  der  Verfasser 
seine  Vorgänger  berichtigt  oder  ergänzt,  widerlegte  dann  Ch. 
Potvin  die  Le  Clerc'sche  Identificierung  der  beiden  Siger.  Mit 
Recht  stellt  er  Le  Clerc's  Meinung,  der  Vlame  aus  Kortryk  habe 
auch  wohl  als  Brabanter  bezeichnet  werden  können,  auf  eine 
Stufe  mit  dem  Schnitzer  Walter  Scott's,  der  in  Lüttich  vlä- 
misch  reden  läßt.  Außer  den  schon  von  Delisie  geltend  ge- 
machten Gründen  führt  er")  vor  allem  die  Handschrift  n.  1C!222 
des  fonds  latin  der  Pariser  Nationalbibliothek  ins  Feld,  in  deren 
Verzeichnis  offenbar  Siger  von  Courtrai  und  Siger  von  Brabant 
als   zwei    verschiedene  Personen   behandelt  werden  *).    Zugleich 


')  Bulletins  de  VAradhnie  royale  de  Itelgiqtte.  T.  XL  Braxelles  1875. 
p.  357. 

*)  Ch.  Potvin,  Siger  de  Brabant,  in:  Bulletina  de  VAeadhnie  royale 
de  Belgique,  T.  XLV.  Braxelles  1878.  p.  330-857. 

')  A.  a.  0.  S.  339  f. 

*)  In  dem  aus  dem  XIV.  Jahrhundert  stammenden  Verzeichnisse  heifit 
es  nach  Potvin's  Angabe: 

r.  Summa  Modorum  significandi  tmtgiatri  ^ggeri  de  Cortraco,  quondam 
sucii  in  oollegio  de  Sorbona 

IIP.  Summa  totius  Logices  tnagiittri  S^geri  de  Cortraco  PREDICTI,  etc. 

XI".  Quedam  detenninatio  Sygeri  MAGNI,  de  Brabaneia,  de  Eternttate 
inundif  si  qua  nU. 

Man  beachte,  daß  hier  nicht  nur  die  verschiedene  Heimatsbexeichnung  sich 
findet,  sondern  daß  der  Znsatz  predtrti,  welcher  bei  der  zweiten  Erwähnung 
des  Siger  von  Courtrai  steht,  dem  Namen  «Sygeri  de  Brahancia*  nicht 
beigefügt  ist.  —  Dem  Zusats  Majui   bei  dem  Namen   „Sygeri  de  Brabaneia" 


76  tinpossibilia  Sigeri  de  Brab&ntia. 

gab  er  weitere  Naclirichten  über  tlie  SchrifltMi  Siger's  nehsl  Pro- 
ben aus  den  Fwponjtihih'ft  und  Dr  auhna  '). 

Haben  Delisle  und  Potvin  -  auch  Scheffer-Boichorsl 
stinnnite  zu  *)  —  Rt'cht  mit  ihrem  Widerspruch  gegen  die  Meii- 
lificierung"  Siger's  von  Brabant  mit  Sigcr  von  t'ourtrai,  so  wer- 
den wir  nicht  mehr  den  ersleren  zum  Thomismus  übergehen 
lassen  dürfen,  weil  der  zweite  der  Sorbonne  Schriften  des  Aqui- 
nalen  vermachte.  Wie  Siger  von  Brabant  zu  Thomas  von  Aquino 
steht,  werden  wir  nur  aus  anderen  Momenten»  vor  allem  aus 
der  Einsichtnahme  in  seine  eigenen  Schriften,  entscheiden  kön- 
nen. Zugleich  ist  mit  der  Aufgabe  dieser  Identificierunp  das 
Bild  hinfällig  geworden,  das  Kctiard  sowie  Lc  Olerc  von  dem 
späteren  Leben  Siger's  begehen  hatten.  Was  sie  über  den 
Ausgang  des  von  Simon  Duval  angestrengten  Pnjcesses  und 
nber  die  spätere  Stellung  Siger's  schlieläen  zu  dürfen  glaubten, 
würde  nicht  einmal  mehr  den  Wert  einer  Vermulun^f  lutlu^n. 
Wir  wisi^en  ni«'Ms  Ober  das  spülen'  Leben  Siger's, 

Einiges  Licht  in  dieses  Dunkel  schien  eine  Publikation  des 
Jahres  1881  zu  bringen,  niclii  freilich,  ohne  daü  durch  dieselbe 
neue  Probleme  gestellt  wurden,  und  nicht  ohne  daß  gegen  dio  Ver- 
wendung dieses  Fundes  Widersprudi  erhoben  wäre.  Im  .liihre  1881 
veröffentlichte  Ferdinand  Caslets^)   nach  einem  Manuskript  der 

mochte  ich  dagegen  nicht  das  Gewicht  beilegen,  wie  Potvin  (p.  240).  Hier 
wird  wobi  ninffMiri  zu  lesen  sein,  wie  in  ao  vielen  FftUen,  wo  die  Anfiörtang 
de»  Kornpendiuma  tNarji  verkannt  ist.  Dio  Handschrift  selbst  einzusehen, 
hatte  ich  iHslang  keilte  tiejegönlieit.  Daü  aucli  n&ch  dem  Zcagnis  von  Dante'a 
Solm  Siger  mit  dem  Beinamen  ,der  (iroliie'  {Mrifftiuft)  verherrlicht  wi 
{G.  Paria,  füme  polititjue  et  lUt.  111"  »dr.  T.  11.  Paris  1881.  p  583.  M.  Üe 
Wolf,  HiMotrr  ttf  hl  phH.  urot.  datt»  Im  Piti/n-Baji,  p.  275;  vgl.  auch  Ci- 
poUa,  anomale  xtorieo  lUUft  hiteroturu  itiiiiamt  VIII.  p,  92.  124.  131)  trifft 
nicht  zu.  Petms  Alighieri  berichtet  tiur:  Item  Bigertiim,  qtii  nmgnns  philo- 
aophuB  fuit  et  theologus;  s.  oben  S.  54  A.  2. 

'}  A.  a.  0.  S.  842-345,  348—357. 

'1  Xritfchrift  für  nmuniUrhc  l'hiMojfit:    Bd.  V-l     Halle  1888    S.  46&  f. 

')  li  Fion\  poöme  iUlien  du  XIII*"  aiöole.  En  CCXXXII  «onneta. 
iniit^  t]a  honinii  de  hi  HoHf,  par  Durante.  Texte  In^dit  publtö  avec  fnc-aimile. 
Intriidurtiou    et    Nuteü    pur    riTiliiinnd    Caetetn.      MunipeltiiT    (Pari«)    1H«|, 


Zur  Biographie  ^iger'a  von  firabaut.  7d 

Medizinischen  Fakultät  zu  Montpellier  eine  (verkürzende)  Nach- 
ahmung des  französischen  Rmnan  de  la  lio9e  des  Guillaume  de 
Lorris  und  des  Jehan  de  Meung  in  232  Sonnetten.  Ihr  Verfas- 
ser ist  ein  nicht  weiter  bekannter  Durante,  wie  es  scheint,  ein 
ungefährer  Zeitgenosse  des  Dichters  der  Göttlichen  Komödie  — 
seines  Namensvetters;  denn  auch  Dante  ist  Durante^). 

In  einer  Episode  des  Gedichtes*)  —  sie  gehört  der  weit- 
schichtigen Fortsetzung  durch  Jehan  de  Meung  an  —  berufl 
Amour  seine  Vasallen,  um  das  Schloß  zu  erstürmen,  in  welchem 
Jalousie  den  Bel-Accueil,  den  Sohn  der  Gourtoisie,  eingeschlossen 
hat.  Die  Barone  beschüeüen ,  daß  Faux-Semblant  und  Con- 
trainte-Abstinence  den  Anfang  machen  sollen.  Amour  möge 
(lern  Faux-Semblant,  den  er  haßt  und  dem  er  mißtraut,  verzei- 
hen und  ilm  unter  seine  Kämpfer  aufnehmen.  Jetzt  erscheint 
Faux-Semblant  und  enthüllt  in  einer  langen  Unterredung  seine 
Natur  ■^).  Der  Dichter  hat  darin  ein  Zerrbild  der  Mendikanten- 
Ocden  gezeichnet,  zu  dem  die  leidenschaftlichen  Streitschriften 
Wilhelm 's  von  Saint-Amour  zum  Teil  die  Züge  geliehen  haben*). 
An  einer  in  ihrem  Zusammenhange  nicht  völlig  klaren  Stelle  ^) 

[l'uhUcatuniH  speeialett  lie  ht  Soeirif  pour  V^ttde  des  laHguea  rotHnne», 
9^  public).  ~  „II  Fiote"  hat  der  Heraasgeber  das  Gedicht  geoannt,  weil 
ea  statt  der  Rose  des  Romnn  de  ht  Rone  onbestinunt  eine  Blame  einge* 
setzt  hat. 

'}  Castets  versucht  in  der  Einleitung  zu  seiner  Ausgabe  (S.  XIV— 
XVIII)  den  Verfasser  mit  dem  Dichter  der  Gottlichen  KomOdie  selbst  zu 
identifizieren;  allein  diese  Ansicht  hat  allgemeinen,  zum  Teil,  wie  bei  6a- 
spary  (Gesch.  der  Ital.  LH.  I.  S.  505  Note  zu  p.  198),  ziemlich  scharfen 
Widersprach  gefunden.  In  Sonnet  CCII  v.  14  nennt  der  Verfasser  sich  selbst 
Sei-  Ihwante.    Er  war  also  Notar,  folgert  Gaspary  (a.  a.  0.). 

^  Le.  Roman  de  la  Rose  par  Guillaume  de  Lorris  et  Jean  de 
Meung.  Edition  accompagn^e  d'ane  traduction  ea  vers,  par  Pierre  Mar- 
teau,  Orleans  1878.  Chap.  LIX  ff.  (T.  III.  p.  32  ff.) 

')  Chap.  LXI-LXIll. 

*)  Vgl.  Ernest  Langlois,  Origines  ei  sonrces  dn  Rnman  de  la  Rtme. 
Paris  1890.  p.  153-160. 

'')  Aufiällig  ist  es,  dafi  die  Auseinandersetzang  aber  dieFftllc.  in  dcnm 
das  Betteln  nach  Wilhelm  von  Saint-Amour  erlaubt  sei,  dem  Fanx-Sentblant 
in  den  Mund  gelegt  wird  (denn  die  Beilegung  von  v  11987  ff.  an  den  Dich- 
ter  selbst  kann  vregen  des  Sclilnsses  der  Stelle  nicht  richtig  sein).     Nur  in- 


ßO  Impossibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

der  an  scharfen,  zum  Teil  vergifteteten  Pfeilen  reichen  Unter- 
redung läßt  der  Dichter  Faux-Semblant  seiner  Gewalt  sich  rüh- 
men. So  habe  seine  Mutter  Hypocrisie  den  Meister  Wilhelm 
von  Saint  Amour,  der  zu  viel  von  ihrem  Leben  enthüllt  und 
sie  vom  Betteln  an  die  Arbeit  gewiesen  habe,  in  die  Verban- 
nung gejagt  1). 

Dur  ante,  der  italienische  Bearbeiter,  fOgt  hier  zu  Wilhelm 
von  Saint-Amour  noch  den  Meister  Siger  hinzu.  Auch  bei 
ihm  rühmt  sich  Falsenbiants  seiner  Macht.  „Mit  meinem  Truge 
richte  ich  jeden  zu  Grunde.  Denn  wenn  irgend  ein  großer  Ge- 
lehrter kommt,  der  die  Absicht  hat,  meine  Sünde  aufzudecken, 
so  vernichte  ich  ihn  mit  der  Gewalt,  die  ich  habe.  Meister 
Sighier  hatte  sich  nicht  zu  freuen.  Ich  ließ  ihn  sterben  ,a  gkiado, 
a  gran  dolore^  ^)^  am  Römischen  Hofe,  zu  Orvielo.  Meister 
Wilhelm ,    dem    guten    von    Sant-Amore ,   ließ    ich    Frankreich 


dem  der  Dichter  das  Lob  Wilhelm's  von  Saiut-Amonr  im  weiteren  Verlaufe 
ins  Ironische  wendet,  hat  er  einen  Notbehelf  gefunden,  um  das  Vorhergehende 
notdOrftig  dem  Zusammenhang  einzureihen. 

>)  Ich  setze  die  ganze  Stelle  (v.  12049  ff.  ^d.  Marfceaa,  t.  12424  ff:  M. 
Francisque-Michel.    Paris  1864)  mit  Martean's  moderner  Übertragung  her: 


Qni  grocier  en  vodra,  si  groace, 

Qtti  correcier,  si  s'en  corronce. 

Car  ge  ne  m'en  teroie  mie 

Se  perdre  en  dovoie  la  vie, 

Ou  estre  mis,  contre  droiture, 

Gomme  saint  Pol,  en  chartre  oscure, 

Ou  estre  bannis  du  roiaume 

A  tort,  cum  Ai  meetre  Guillaume 

De  Saint-Amor,  qu'Ypocrisie 

Fist  essilier^  par  grant  envie. 

Ma  möre  en  essil  le  chafa; 

Le  Taillant  horame  tant  bra^ 

Per  V^rit^  qu*il  soostenoit; 

Vers  ma  möre  trup  meeprenoit, 

Por  ce  qu'il  fist  ung  noTel  livre 

Oii  aa  vie  fist  toute  escrivre, 

Et  voloit  que  je  renoiasse 

Mendieitä  et  laborasse, 

Se  gc  n'avoie  de  quoi  vivro. 


En  grogne,  uia  foi,  qui  vondra 
Et  s'en  courronce  ä  qui  plaira; 
Pour  moi  je  ne  m'en  tairai  mie, 
En  du9s4-je  perdre  la  vie, 
Ou  contre  droiture  me  voir, 
Comme  saint  Paul,  en  cachot  noir 
Plonger,  ou  bien  de  ce  royaume 
A  tort  bannir  comme  (ruillaame 
De  SaintrAniour,  qn'exiler  fit 
Ma  möre  par  trop  grand  döpit. 
Tant  fit  ma  m&re  Hypocriaie 
An  vaillant  homme  d'avanie, 
Poar  Värit<S  qu'il  soutenait, 
Qu'il  fnt  chass^;  car  il  avait 
Trop  d^voilä  d'Hypocrieie 
Daus  uu  nouveau  Hvre  la  vie, 
Et  me  voolait  voir  renier 
Mendicite  pour  travailler, 
Si  je  n'avais  pas  de  qaoi  vivre. 


Über  diese  Worte  siehe  weiter  unten  S.  83.  84.  86  f.  94  ff. 


Zur  Biographie  Siger's  von  Brabant.  8l 

verbieten  und   ihn  verbannen   aus  dem  Königreich   mit  großem 
Lärm"  % 


')  //  Finre,  Son   XCII  (p.  47  dd.  Castets): 

C'on  mio  baratto  ciaafihedan  afondo. 
Chö  sed  e*  rien  atcun  gran  litterato 
Che  Toglia  discoTiir  il  tni*  peocato, 
Co  la  forza  ch'  i*  o,  i'  aül  confondo. 

Maatro  Sigbier  non  andö  gnarl  lieto. 
A  ghiado  il  fe*  moiire  a  gran  dolore, 
Nella  Corte  di  Roma,  ad  Orbivieto. 

Maatro  Gaillelmo,  il  bnoo  di  Sant-Amore, 
Feci  di  Francia  metter  in  dirieto, 
E  sbandir  del  reame  a  gran  romore. 

Obrigens  hat  nicht  nur  Sonett  XCII  aus  der  8.  80  Anm.  1  ciÜerten 
Stelle  des  Roman  de  la  Jtoae  gescbSpft,  sondern  auch  Sonett  CXIX  (p.  60 
äd.  Castets): 

Chi  se  ne  tuoI  adirar,  b\  se  n'  ariiri, 
Ch6d  i*  vi  pur  conterö  ognie  mio  fatto, 
S'  i'  dovess'  eser  istratto  intrafatto, 
0  morto  a  torto,  come  furo  i  martiri, 

0  discacciato  come  fii  *1  buon  siri 
Guillelmo  che  di  Santo-Amor  fa  stratto. 
CoB^  '1  conciö  la  mogle  di  Baratto, 
Perö  che  mi  ronpea  tutti  mie'  giri. 

Ghöd  e'  si  fu  per  lei  m  discacciato, 
E  sei  per  veritä  che  sostenea, 
Ched  e'  fu  del  reame  isbandegtato. 

De  mia  Tita  fö  libro,  e  si  legiea 
Che  non  volea  ch'  i  gisse  mendioato. 
Verso  mia  madre  troppo  miaprendea. 

«Wer  sich  darflber  erzttmen  will,  der  erzflme  sich;  denn  ich  verde 
ench  all  mein  Werk  erzfthlen,  wenn  mir  auch  sofort  der  Procefi  gemacht 
oder  wenn  ich  zn  Unrecht  get&dtet  werden  sollte,  wie  die  ]ABitjrer  wurden, 
oder  verjagt,  wie  der  gute  Wilhelm,  der  ans  Saint-Amour  gesogen  wurde 
(hier  scheint  vom  italieniscbon  ÜberseUer  der  französische  Text  mi&verstan- 
den  zu  sein).  So  richtete  ihn  das  Weib  von  Baratto  (Betrog;  gemeint  ist 
die  Hypokrisie)  zu,  deshalb  weil  er  mir  alle  meine  Kreise  stOrte.  Denn  er 
wurde  so  von  ihr  veijagt,   mid   das   allein   um   der  Wahrheit  willen,   die  er 

Beitrtg«  11,  6.    Biiaiunker,  Stgvr  von  BrabtDU  ^ 


tt  fwpoiitilm  Sigeri  da  BrabMtia. 

Näheres  über  die.  Person  dieses  .Meister  Sigliier*  imd 
den  ihm  gemachten  Procefi  teilt  Dorante  nicht  mit.  Wir 
können  es  auch  nicht  ans  einer  andern  Stelle  erschliefien  0.  an 
der-  er  den  Fakenbiante  von  Inqnisitionsprocessen  reden  läfit^  die 
in  verschiedenen  Orten  Italiens  gefuhrt  würden  -);  denn  beide 
Stellen  stehen  weit  auseinander  und  weisen  keinerlei  gegensei- 
tige Beziehung  auf.  Nur  um  die  Luft  und  die  Stinunang-  zo 
erkennen,  die  an  der  ersten  Stelle  harscht,  kann  und  darf  die 
zweite  dienen. 

Der  Heraasgeber  des  Gedichtes,   Ferd.  Castets^,    sah    in 


«tttzte,  äM&  er  mm  dem  KSoigracfa  Tcrbannt  wurde,  über  ment  Leben  tct- 
iftfite  er  «in  Bodh,  and  nuui  las,  <Ufi  er  nicht  wollte,  dafi  idi  beitdii  g^n^^ 
Gegen  meine  Matter  rergiag  er  aieh  gmr  adir.' 

Vgl  sneh  noch  den  Anfang  von  Sonett  CXX  (p.  61  id.  Castets). 

')  Oaston  Paris  in  seinem  sogleich  tn  ervlhn«iden  An6iatz  in  der 
Kfrnr  polU.  H  litt,  bringt  beide  Stellen  in  nnmittelbsren  Zaaammenhang. 

0  In  Sonett  CXXVI  (p.  64  id.  Castets)  sagt  FaiMembiamte: 

Nö  non  si  ndi  giä  in  Escritture, 
Chi  saccian  die  eo'  mie'  mastri  divini 
r  pnnrerö  died  e*  son  Paterini, 
E  fard  lor  sentir  le  gran  cahue. 

Od  i'  faro  almen  che  fien  morati, 

0  darö  lor  si  dore  penitenze. 

Che  me'  lor  fora  che  non  fosaer  nati. 

A  Prato,  ed  a  Arezo,  e  a  Firenze 
IT  b  io  distmtti  molti  e  iscacciati, 
Dolente  k  qae'  die  cade  a  mie  sentenze. 

,Und  man  rertraae  nicht  auf  die  heilige  Schrift;  denn  man  roSge  wis- 
sen^ daß  idi  mit  meinen  Gottesgelehrten  beweisen  werde,  dafi  sie  Patarener 
(ein«  manichAische  Sekte)  sind,  and  ich  werde  sie  die  große  Hitxe  fühlen 
lasden  (Scheiterhanfen),  oder  wenigstens  einmaaem  lassen  (lebenalingliche 
Haft),  oder  ich  werde  ihnen  so  schwere  Strafen  auferlegen,  dafi  e«  für  sie 
besser  wftre.  nimmer  geboren  zu  sein.  In  Prato  und  in  Arezzo  und  in  Flo- 
renz habe  ich  viele  von  ihnen  vernichtet  und  veijagt.  Wehevoll  ist,  der 
meinen  Urteilen  verflült.* 

In  der  zugrunde  liegenden  Stelle  des  Roman  de  1a  Rmt,  r.  12312— 
12946  4d.  Uarteau,  die  hier  sehr  frei  wiedergegeben  ist,  findet  sidi  nichts 
¥tm  diesen  speciellen  Beziehungen. 

'j  A.  tu  0.  8.  160-162. 


^ur  Biographie  Siger's  von  BraWi  8S 

dem  mastro  Sigfner  den  Siger  Dante's  und  des  Pierre  Dubois, 
den  Gegner  der  Mendikanten  im  Streite  mit  Wilhelm  von  Saint- 
Amour,  der  von  dem  Inquisitor  Simon  Duval  vor  sein  Gericht 
citiert  wurde.  Er  glaubte,  in  jenem  Sonett  die  erwünschte  Nach- 
richt über  den  Ausgang  jenes  Processes  gefunden  zu  haben. 
Die  Worte 

A  gbiado  il  fe'  morire  a  gran  dolore 
stellte  er  mit  Dante's  Versen: 

che  in  pensieri 
Gravi  a  morir  gli  parve  esser  tardo 

zusammen,  und  indem  er  den  Ausdruck  a  ghiadfi  im  bildlichen 
Sinne  nahm ,  fand  er  in  der  Stelle  den  Sinn ,  da&  Siger  zu 
Orvieto  im  Elend  gestorben  sei.  '  Die  Worte  nella  corte  di  Roma 
heißen  nach  ihm :  „in  dem  Territorium,  das  der  Jurisdiktion  des 
Papstes  unterworfen  war"  *).  ,Er  war  also  zur  Verbannung 
verurteilt  und  dann  in  einer  Stadt  Italiens  interniert*  *). 

Castets'  Entdeckung  fand  vielseitige  Beachtung.  Vor  allem 
regte  sie  Gaston  Paris  zu  selbständiger  Behandlung  der  Frage 
an  ^).  In  der  Hauptsache,  der  Identificierung  des  mastro  Sighier 
und  des  Sigieri,  stimmte  er  Castets  zu,  während  er  die  Le  Clerc- 


')  A.  a.  0.  S.  152. 

*)  A.  a.  0.  S.  151.  —  Anf  eine  andere  Vermutung  Castets'  glaube  ich 
nicht  näher  eingehen  zu  sollen.  Er  meint  (S.  151),  die  Erinnerung  an  diesen 
Aufenthalt  Siger's  in  Orvieto  sei  wohl  der  Ursprung  der  Anwendung  gew». 
sen,  die  Andrea  da  Orvieto  von  einer  Alteren  Legende  anf  Siger  machte  (s. 
oben  S.  55  Anm.  2  und  S.  71  Anm.  5).  Dem  gegenüber  m&ohte  ich  daran  erin- 
nern, dafi  Benvennto  Rambaldi  von  Imola,  der  seinen  Gommentar  1379  ver- 
faßte (Scartazzini,  La  IHvina  Commedia,  IV.  S.  528)  diese  Legende  be- 
reits kennt  (s.  o.  S.  55  Anm.  1),  wfibrend  Andrea  da  Orvieto  jene  Glossen 
erst  1389  copierte  {Hist.  litt,  de  la  Franee.  XXI.  p.  IIS). 

^  Gaston  Paris  legte  Castets*  Ausgabe  der  Acadhnie  des  inacriptiona 
et  belhs  lettres  am  6.  Mai  1881  vor.  Über  seine  dabei  gemachten  Hemer* 
kangen  berichtete  J.  Havet  in  der  Revue  crUique.  N.  S.  XI.  Paria  1881. 
p.  400.  Eine  Anzeige  des  Buches  brachte  0.  Paris  selbst  in  der  Bomania, 
X.  Paris  1881.  p.  460  f.  Äusf&hrlich  handelte  er  fiber  die  Frage  in  einem 
Vortrag  vor  den  vereinigten  fBnf  Akademieen,  welchen  er  in  der  Rerue  polt- 
titpie  rt  litteraire,  111«  sÄr.  T.  11.  Paris  1881  (p.  582-586:  Siger  de  Brabant) 
verüffentlichto. 

6* 


si  tmpossibilia  Sigeri  de  Brabaniia. 

sehe    Identificierung    von    Siger    von    Brabant    und    Siger  von 
Courtrai,  wie  Gastets  selber*),  ablehnte-). 

In  einem  Hauptpunkte  aber  wich  er  von  Gastets  ab.  Der 
letztere  hatte  die  Worte  a  ghiado  a  gran  dolore,  Im  Hinblick 
auf  Dante,  so  verstanden,  daß  Siger  zu  Orvieto  in  der  Verban- 
nung, im  Elend  verstorben  sei.  Dieser  Deutung  trut  G.  Paris 
mit  Entschiedenheit  entgegen').  y,A  ghiado"  heiM:  „durch  das 
Schwert".  Siger  wurde  zu  Orvieto  verurteilt  und  hingerichtet, 
und  zwar  durch  das  Schwert. 

Ebenso  bekämpft  Paris  die  Deutung,  welche  Gastets  den 
Worten  nella  corte  _di  Honia  gegeben  ^).  Dieselben  hei&en  nicht 
„in  dem  der  Jurisdiktion  des  Papstes  unterworfenen  Gebiet*, 
sondern  „am  Römischen  Hofe".  Siger's  Verurteilung  erfolgte 
am  Sitze  der  Kurie,  und  zwar  zu  einer  Zeit,  wo  diese  in  Or- 
vieto verweilte. 

Damit  glaubte   G.  Paris   zugleich   einen  Anlialtspunkt  ge- 
funden  zu  haben,   um   die  Zeit  von  Siger's  gewaltsamem  Ende 
näher   zu  bestimmen.    Zwischen  1278,   dem  Jahr,   in  welchem 
Siger  vor  den  französischen  Inquisitor  citiert  wurde,   und  1300, 
dem  Jahr,   in  welches  Dante   seine  Reise  zum  Paradiese  setzt, 
finden  wir  den  päpstlichen  Hof  dreimal  in  Orvieto,  in  den  Jahren 
1281  —  1284,  1290—1291,  1297  (unter  Marün  IV.,  Nikolaus  IV., 
Bonifaz  VIII.)  %     An  einem  dieser  Termine  muß  sich  der  Pro- 
ceß  gegen  Siger  abgespielt  haben,  wahrscheinlich,  wie  das  Fehlen 
aller  späteren  Nachrichten  über  Siger  nahelegt,   schon  während 
der   ersten   Anwesenheil  der   Kurie   in   Orvieto   in   den  Jahren 
1281 — 1284.     Er  wäre  dann,  was  jene  Annahme  besonders  em- 
pfiehlt, unter  demselben  Papst  Martin  IV.  erfolgt,   der  als  Kar- 
dinallegat Simon  von  Brie  schon  1266  und  1275  in  den  Pariser 
Universitätsstreitigkeiten  gegen  Siger  vorgegangen  war*'). 


^)  Castets,  a   a.  0.  8.  150. 
*)  Rente  jiol.  ef  lüt.,  a.  n.  0.  S.  584. 

■)  Romnnin  X,  p.  460  ff.     Rertte  pol.  et  litt,  l  c.  p.  584  ff. 
*)  S.  oben  S.  83. 

^)  Man  vgl.  Aug.  Potthast,  Regesta  Ihntifiatm  Rommiorum.    Vol.  H. 
Berolini  1875.  p.  1757  ff.  1774  ff.  1873  ff.  1962  ff. 
•*)  Rrnie  pol.  et  litt.  p.  584. 


Zur  Biographie  Sigcr's  tod  Brabant.  85 

Angeregt  aber  war  dieser  Prozels  durch  die  Mendikanteii. 
So  glaubt  G.  Paris  aus  der  Art  und  Weise  folgern  zu  dürfen, 
wie  FaUenbiante  des  Processes  in  Orvieto  als  Beweis  seiner 
Macht  Erwähnung  thut  ^), 

Aber  wie  konnte,  fragt  sich  G.  Paris,  Dante,  dessen 
Rechtgläubigkeit,  trotz  seiner  Opposition  gegen  die  weltliche 
Macht  der  Päpste,  doch  unbezweifelbar  ist,  einen  Mann  in  das 
Paradies ,  in  die  Umgebung  des  hl.  Thomas  von  Aquino ,  ver- 
setzen, der  an  der  Seite  Wilhelm's  von  Saint-Amour  gegen  die 
Orden  gefochten  hatte  und  dann  von  Thomas  von  Aquino  bekämpft 
war,  gegen  den  schon  im  Jahre  1277  ein  Proceß  wegen  Häresie 
schwebte,  und  der  am  Sitze  der  Kurie  verurteilt,  ja  mit  dem 
Tode  bestraft  wurdet 

Mit  all  diesen  Schwierigkeiten  hat  sich  Paris  ab^.ufmden 
gesucht-).  Von  jenen  alten  Streitigkeiten  zwischen  Siger  und 
Thomas  von  Aquino,  die  ein  halbes  Jahrhundert  zurücklagen, 
wuüte  Dante ,  dessen  historische  Kenntnisse  sehr  fragmentarisch 
und  oft  sehr  unexakt  smd ,  vielleicht  nichts ,  und  wenn  er  sie 
kannte ,  so  war  es  ein  feiner  Zug  von  ihm ,  „eine  Art  von 
furchtbarer  Ironie ,  sehr  entsprechend  der  Greislesanlage  des 
Dichters*,  daü  er  den  Heiligen,  der  über  seine  Ordensbrüder  in 
der  Gegenwart  ein  so  scharfes  Strafgericht  hält,  einen  alten 
Gegner  des  Ordens,  der  auf  Betreiben  dieses  verurteilt  war, 
rehabilitieren  läßt.  Die  Gitation  von  lä77,  wo  Siger  der  Hä- 
resie angeklagt  wurde,  war  wohl  wahrscheinlich  der  Anfang 
seines  Unglücks,  hatte  aber  möglicher  Weise  nichts  mit  seinem 
Tode  zu  thun.  Auch  ist  es  denkbar,  daU  Dante  nichts  davon 
wußte. 

Was  endlich  die  Vei-urteilung  zu  Orvieto  anlangt,  so  be- 
weist gerade  die  Verherrlichung  Siger's  durch  Dante,  ebenso 
wie  die  Art  des  Todes,  daß  jene  Verurteilung  nicht  wegen 
Häresie  erfolgte.  Die  Strafe  der  Häretiker,  wenn  sie  zum  Tode 
verurteilt  waren,  war  der  Feuertod.  Wurde  Siger  also  nach 
Durante's  Bericht  mit   dem  Schwert   hingerichtet,   so   kam   bei 


')  HecHc  pol.  et  litt.  p.  585. 
»)  A.  a.  0.  S.  585. 


86  Impussibjlia  Stgcri  de  Urabantia. 

jenem  Proceiä,  folgert  Paris,  nicht  die  Hcligion,  sondern  die 
Politik  in  Frage.  Siger  wurde  verurteilt  als  Gegner  der  Macht 
des  Papsttums  in  welllichen  Dingen.  So  werde  es  t>egreiflich, 
dalj  Pierre  Dubois,  der  Lrgisl  im  Oienstt»  PhiUpp's  des  Scheinen» 
so  gut  wie  Dante,  ik-r  Verfechter  der  Universalmonarchie  des 
Kaisers  und  als  solcher  Feind  des  französischen  Königs ,  in  der 
Wertung  Siger's  übereinkommen ;  denn  obwohl  verschieden  im 
Positiven  ihrer  Ansii-ht ,  stimmten  doch  beide  unter  einander 
und  mit  Siger  überein  in  der  Negation  ,  dem  Gegensatz  gegen 
die  Herrschaft  des  Papstes  in  weltlichen  Dingen.  Und  wenn 
es  Marlin  IV.  war,  der  Siger  vemrleitte ,  so  hatte  Dante,  meint 
Paris,  um  so  mehr  Veranlassung,  jenen  zu  erheben.  Denn 
dieser  französisclie  Papst,  Freund  des  Kapetingischen  Hauses, 
Verlechter  der  päpstlichen  Weltherrschaft,  i»abe  ihm  antiputhisch 
sein  müssen,  wie  sich  auch  darin  zeige,  daü  er  ihn  bloü  wegen 
eines  geringen  Fehlers,  wegen  seiner  Leckerhaftigkeit,  unter  den 
im  Fegfeucr  Bestraften  vorfuiiro  ^). 

Trotz  des  Einspruches  von  Gaston  Paris  blieb  indes  Ga- 
slets  in  dem  entscheidenden  Pimkte  bei  seiner  Auffassung  und 
fand  darin  die  Unterstützung  von  A.  Boucherie  =*) ,  der  etwa 
an  eine  lebenslängliche  Gelangenschall  als  Strafe  Siger 's  itenken 
wollte  *).  Bi'ide  wiesen  an  einej*  Reihe  von  Beispielen  nach, 
daß  wenigstens  im  Altfranzösischen  *)  fjlmve,  allein  stehend  oder 
mit  dolor  verbunden,  den  übertragenen  Sinn  hat.   Diese  Beispiele^, 


»)  RAfne  ptfK  rf  liU.  p.  584  f. 

*)  A.  BoneheTie,  A  dolor  et  ti  ifhiirn,  in:  fienn'  tlen  luHt/Mfn  ittinnnf^, 
Hh'  eir.  Montpellier  et  Paris  1S82.  p.  297—300.  In  diesen  AufsAtz  ist  auch 
eine  Mitteilung  von  Ferd.  Castetti  aufgenünunea. 

')  Rtvue  ilat  InnffueA  romanfy.     111.     p.  298. 

*)  Auf  die  zahlreichen  GAlHcisnien  in  Durantc's  Gedicht  hatt«  Oa- 
afcels  schon  iu  seiner  Auägabe  S.  XXIII  fiofnierkaBm  gemacht.  Übrigena 
braucht  der  Ausdruck  a  ghirido  im  bildlichen  Sinn  nicht  einmal  ein  eigent- 
licher tiallicismua  zu  sein»  damit  die  altti'ajizöaischeD  Parallelen  Bc<]ea- 
tung  haben. 

')  Von  den  durch  Boucherie  nach  gewiesenen  Beispielen  sei  mir  ge> 
stattet,  eines  herzusetzen,  das  mir  beäonders  überzeugend  zu  aeiu  scheint.  Im 
Chanson  von  Jouriinin  de  Bln^e  {v.  1189  ff.)  heißt  es; 


I 

I 


Zur  Biographie  Siger'»  von  ßnibnnt.  ft7 

«leren  Zahl  sich  übrigens  noch  vermehren  lälät ') ,  und  von 
denen  einige  die  größte  Ähnlichkeil  im  Ausdruck  mit  iin- 
seref  Stelle  zeigen*),  thun  meines  Erachlens  überzeugend  dar,  daß 
die  von  Castets  gegebene  Deulunj^  ^Ur  wohJ  inöglieh  ist. 
Ebenso  hatte,  wie  ich  hinzutügeri  möchte,  der  Kardinallegul 
Simon  de  Brie,  dem  wir  schon  so  oft  begegnet  sind,  denjenifren, 
die  seine  Verordimnjreti  für  die  Pariser  Universität  fdierLreten 
wüi'den,  mit  diün  i^ychtceH  der  gerechten  Rache  (uÜiunis  cun- 
iVt(ftiae  tjlm/ius)  gedroht ,  obwohl  es  sich  dabei  um  unblutige 
Kirchenslrafen  handelte  '). 

Indem  ich  die  Eiörtening  der  Frage,  ob  wir  ausreichenden 
(irund  haben ,  Dnranie's  Sighier  uiil  Siger  von  Brabant  zu 
jdenliticieren ,  vorläufig  noch  zunickstelle ,  will  ich  doch  schon 
hier  Inusichtlich  eines  Punktes  in  dem  von  G.  Paris  auf  Grund 
von  Castets  Entdeckung;  erilworfenen  Lebensbilde  meinen  Zweifel 
ausdrücken.     Derselbe  betrtin  den  Zeitpunkt  von  Sigers  Tod. 

Paris  glaubt,  wie  oben  bemerkt  wurde  '),  denselben  in  die 
Zeit  von  Marlin's  IV.  Aufenthalt  in  Orvieto  (H81— IfR4)  an- 
setzen zu  soHen.  Allein  Martin  war  in  dieser  Zeil  vorwiegend 
von  politischen  Dingen  In  Anspruch  genommen.  Namentlich 
Sicilien ,  wo  am  30.  März  \^S'2  dir  „sii-iliauisclit-  Vesper^  ge- 
wiltet,  und  der  Kampf  zwischen  Karl  I.  viui  Anjou  und  Pe- 
ter III.  von  Aragonien  machte  ihm,  dem  Freniide  des  Anjo- 
viners,   unaufhörlich  zu  schaffen'*).     Von  einer  lebliufteren  Ein* 


Se  i1  noä  prt'nnenC,  noz  serons  niurt  a  i/lufr,; 
Et  1107.  metrunt  en  liuies  ut  en  cbartre. 
Tait  i  morroiia  *»  tiotor  ft  n  <jifiircif. 
«Es  ist  oflenbar/  bemerkt  Buucheric,  «dnO  man  uicbt  ilaniit  «nf^gt,  ihnen 
don  Hftlä  Abzuschneiden,  nnd  sie  dann  in  Banden  and  (Jefängnis  wirft." 

')  Mein  Kollege  Herr  Professor  Dr.  Knrl  Appel,  der  selbst  gleicbfatU 
der  TOD  Castets  gegclranen  Deutung  zuatimnit,  hatte  die  Freundlichkeit,  mich 
auf  die  Belege  anfmerksam  zu  machen,  welche  bei  Vr^däric  (rodefroy, 
UictionHOtn-  (/f  l'aHt'ifHitf  IfUif/m-  fntm;ni.sf.  T.  IV.  Paria  1885.  p.  286  Rlr 
die  übertragene  Bedeutung  von  <//r/<>f  (calamitd,  äpid^mle)  nachgewiesen  werden. 

»)  S.  S.  m  Anm.  5. 

')  S.  ob.  ä.  61  A.  6.    Der  Ausdruck  schlieft  sich  wohl  an  Laca»  2,  85  an. 

*)  S.  S.  84. 

")  Im  Jahre  1281  fand  sogar  in  Orvieto,  bei  Gelegenheit  eines  Besuches 
Karl's  von  k33^a\x  an  der  Rflmischen  Kurie,  ein  heftiger  Kampf  zwischen  Sol- 


8S  tmptwsibilifl  Sigeri  de  Brabantiii 

zellJultigkoit  in  Glanhenssachen  hören  wir  dagegen  nichts,   Weiia. 
dor   Papst    l!äSI    Novemher  18   gegen   den   griechischen    Kaisei— 
Michael  Palaeo]ogus  die  Exkoiiinitinikalion    atissprach,    der   von     .a 

den   auf  dem  Konzil    zu  Lyon  (1274)    mit  don  Griechen  getrof-   

fenen  Vereinhamngen  wieder  abgefallen  war ').  so  war  das  eine 


die  gjuize  Kirche  l>elreOende  allgemeine  Thätigkeil.  Nur  einmalÄT  j1 
in  jenen  drei  Jahren  begegnet  un.s  in  den  päpstlichen  Akten  .^  z\ 
eine  Beschäftigung  mit  der  Inquisition  in  Glaubenssachen.  ÄuÄ-  .Msf 
Klagen  der  Inquisitoren  in  Frankreich  über  den  Mißbrauch  de^^r-— s 
Asylrechts  HAretikeri]  gegenüber  schninkt  der  Papst  in  eineDw^MDa 
UundschreiJjen  an  den  französischen  F!piskopal  {l^S\  Okt.  älj^  J) 
jenes  Recht  ein  *). 

Könnte   eine  lebendige  Phantasie  in  diesem  Rundschreibei  :^ -sn 
viellei4*ht  gerade  eine  Beziehung  auf  Siger's  Flucht  nacli  LütÜch-Ä^Ji 
in  sein  Kanonikat  erblicken,   so   tritt  doch  diese  Erwägung  sehc^  mt 
in  tlen  Hintergrund,  wenn  wir  auf  die  lebhafte  Thäligkeit  in  In- -^- 
quisitionsangelegenheiten  bli(rken,   die   uns  während   des  Anfeni.^  — - 
halts  von  Nikolaus  IV.  in  Orvieto  enlgegentrill.    In  Terhä]tiiis--^s- 
iiiiitiig  kurzer  Zeit  (1290  Juni  bis  1201  Oktober)  ej-folgen  Knien  _«- 
uungen   von    Inquisitoren  '),   Anweisungen    für    ihr    Verfahren  ^Jl^S. 
Maßregeln  zu  ihrem  Schulze  ^)   in  groiäer  Zahl.    Gegen  die  vei 


dntoa  de»  Königs  und  Bflrgem  von  Orvieto  statt:  CoMthtiOtth  jMmtifirum  Rrr^m^ 
mtiHtt,  ed.  Weiland,  MG.  SS,  XXII,  477;  vgl.  Raynoldust  Antmlf»*  rrcU/rir — ^* 
tttiei  [mit  Noten  von  Manai),  T.  III.  Lurae  174S.  p.  523  b.  Nach  der  ganze^^^m 
Situation  in  Durantc's  Gedicht  ist  vh  sehr  wenig  w»hnicheinlicli.  djiß  srK~  ^io 
mflätro  Sighicr  etwa  bei  dieeer  Gelegenheit  mit  unigekomtnen  sein  sollt«, 

*)  Potthast,  Hf(P'Ma  Pötttif.  Rom,  II.  p.  1763.  n*  21815-     Vgl  R>^^n  T 
naldus,  «.  «.  O.  III.  S.  527  ff. 

')  Potthast.  'I.  «.  O.   11.   p.  1763.   n"  21806.    Raynaldua,  n.  .».  <^        ^\ 
III.  p.  525  b. 

*)  Potthast,  Hfii.  Ihnt.  Rom.  II.  p.  1878.  n"  23297,  d«  23298;  p.  189; 
n"  23621;  n"  23628. 

*)  Potthast  U.  p.  1878.  n"  23-102;  p.  1873,  n"  23312;  p.  1879 
23391;  p.  1881.  n"  23410.  n"  23421;  p.  1891.  n"  23588;  p.  J899.  n«  «8 
p.  1901.  n.  23751. 

»)  Potthast  n.    p.  1901.    n*"  23752   (Rund-schreiben  an  den  Epiakopi 
«nr  Empfehlung    der    Inquisitoren);    p.  1895.    n"^'  23656;    p.  1905.    n"  2381^^* 
p.  1908.  p.  23849  ^Proceli  gegen  zwei  Dominikaner,  welche  zwei  InqDigHon)*  "" 


Zur  Biographie  Siger's  von  Brabnnt.  89 

schiedensten  häretischen  Richtungen,  unter  ihnen  auch  gegen 
die  bei  Durante  gelegentlich  erwähnten  ^)  Patarener,  werden 
Strafbestimmungen  erlassen  -). 

Bonifaz  VIII.,  aus  dessen  Orvietaner  Aufeiilliirt  (1297) 
eine  Anweisung  an  den  Inquisitor  in  Garcassonne  stammt "), 
kann  für  Durante  wohl  nicht  mehr  in  Betracht  kommen. 

Für  den  Fall  freilich,  daß  der  mastro  ßighier  Durante's 
nicht  mit  unserm  Siger  von  Brabant  identisch  sein  sollte,  und 
daß  daher  die  ungefähre  Zeit  des  Todes  des  ersteren  nicht  aus 
den  Grenzbestimmungen  abgeleitet  werden  könnte,  die  sich 
aus  den  Lebensdaten  des  zweiten  ergeben,  würde  auch  ein 
früherer  Aufenthalt  der  Kurie  in  Orvieto  in  Betracht  gezogen 
werden  können.  So  weilten  in  Orvieto  1262—1264  Urban  IV., 
1266  Clemens  IV.,  1272—1273  Gregor  X.*).  Allein  wegen  der 
lebhaften  Beschäftigung  der  Inquisition  gerade  m  der  Zeit  von 
Nikolaus  des  IV.  Anwesenheit  in  Orvieto  würde  mir  jene  Da- 
tienmg  auch  dann  die  wahrscheinlichste  bleiben. 

Ausdrücklich  sei  hier  hervorgehoben,  daß  die  zugänglichen 
Quellen  zur  Geschichte   der  Stadt  Orvieto  in  jener  Zeit*) 


aoa  dem  Minoritenorden  in  ihrer  Thfttigkeit  behindert  hatten);  vgl.  Sbara- 
lea,  Bullar.  Francisc.  T.  IV.  p.  802). 

0  S.  oben  S.  82  Anm.  2. 

*)  Nicolaus  IV.  1291  März  3,  apud  Vrbemaeterem,  unimrmis  Chriati- 
fidelibus.  Nouerit  uniuersiiaa  ueatra  qnod  nos  ezcomiuunicainus  at  anathe- 
matizaraus  aniueraos  haereticos,  Catharos,  Patharenos,  Panperes  de  Lagduno, 
Paasaginos,  Josepinoa,  Amaldistas,  Speronistas  et  alios  quiboacunque  nomini- 
bas  cenaeantur,  facies  quidem  habentes  diaersas,  sed  candas  ad  inaicem  col- 
ligatas  {Magnum  Bullarium  Homanum  Äugustae  Taurinorum  editum.  T.  IV. 
1859.  p.  105  ff.;  vgl.  Potthast,  Reg.  Bm/.  Rom,  U.  p.  1891.  n**  28589,  wo- 
selbst auch  die  irrige  Beilegang  der  Bnlle  an  Nicolana  III.  rnrückgewift- 
aen  vird. 

•)  Potthaat,  a.  a.  0.  p.  1967.  n«  24580. 

*)  Potthast,  a,  a.  0.  S.  1496  ff.  15iM.  1656  ff.  Annale^  Vrbeuetani 
MG.  SS.  XIX,  270. 

*")  Weder  die  Annahs  Vrbeuetani,  heransgegeben  von  L.  C.  Bethmonn, 
MG.  SS.  XIX,  269—278,  noch  die  von  Weiland  seiner  Ausgabe  der  Chronik 
Martin'a  von  Troppaa  angehängte,  für  die  Geschichte  von  Orvieto  zur  Zeit 
von  Martin'a  IV.  dortigem  Aufenthalt  siemlioh  reichhaltige  OnfeJMua^io  ponti' 


90  'mpoMtibilJii  Sigeri  de  Brabantia. 

kein  Material  zur  Beantwortung  der  Frage  bieten. 

Die  Entdeckung  von  Castels  wurde  durch  Bartoli*)  ui  die 
Dantoforschung  eiiigeluhrl.     Auch  Renier'-),    Ü'Ancona-'')   und 
Scartazzini*)  stinimleii  bei.    De  Wulf*),  um  diesen  schon  hier 
anzufütiren,  legte  die  für  manche  nicht  leicht  zugänglichen  For- 
schungen von  Castets  und  G.  Paris  den    Historikern  der   Philo— 
st)phie  vor. 

Entschiedenen  Widerspruch  dagegen  setzte  dem  durch  Ca-. 
stets   und    üaston    Paris   aufgestcliten    neuen    Lebensbilde    Gra 
Carlo  Cipolla  entgegen.     In  einem  sehr  ausführlichen  und  seh 
gründliclien  Aufsatz   über    ,Siger   in  der  Göttlichen  Komödie*  ** 
unterwarf  er  die  ganze  Siger-Frage   einer  weit  ausholenden  Bi 


pf-iou  UomnHn.  MG.  SS.  XXII,   475—482,   noch  endlich  das  von  Alex.  Hii 
moISBtern,  Eine  ottgeblicli*  utid  eine  irlrk-litrhe   Chronik  rtm  Orrtetu.     StrsC 
biirg    1882.    8.  28—37   nach    einer   MQncliener   Handschrift    hersuagogcboa.i 
Bruchstück   einer  ('hroNiA-  von  Ofrirto,    das    wenigstens    der  Thütigkeit  Bon 
faz  dfis  VIII.  Erwtthnnng  thut  (a.  h.  O.  S.  36;.    bieten    zur  EnUcheidung  de 
Frage  die  geringst«  Handhabe.     Ebensowenig   ist.  das   der  Fall    bei    der 
Benntziing  von  Archivalieu  goatfltzten  Chronik-  Orrirto'n  von  Mancnte  IHiMor 
di  Oiprian  Mnucntc  da  Orvicto.  «W/c  qtwli  patiitametttt'  yi  ruceontano 
fttiti  t$teeeiMt  dnl  DCCCCLXX,    qttondo  cotmnei^  V  itMptrio  in  Gfrwaniay   «h^^bM' 
Htno  ni  MCCCC.     In  Vinegia  1561)^    obwohl    in    derselben  von   der  Anwesei^^V- 

heit  ürban'a  IV.  (S.  127  f.),  Clemens    IV.  (.S.  130  f.),  «regor'a  X.  (S.  188  f.  V 

Martins  IV.  (S.  145  ff.),  Nikolaus'  IV.  (S.  155  f.)  und  BonifazVlII.  (8.  164  ^■■•1 
xiemlich  ansfQhrlich  gesprochen  wird. 

')  Adolfu  Bartcili.  Stoiiu  tiella  liitei'atura  itaiicmi.    T.  V.;  DtUa  fim 
di  Iktttte  Aliifhieri.  Fireiize  1884.  p.  217  f.     Vgl.  oben  S.  52  Aam.  1.    Gnd- 

')  Rudülfo  Renier  in  oinor  Besprechung  von  Bartoli'a   in  Anm.  1 
nnnntem    Band    Über  Dante    in :    Giornale   ittorico   delfa    lettei'ittur^   itathtn 
T.  III.  Torino  1884.  p.  109. 

■')  D'Ancona,     VartftA    «tortche  e  fetterarir,    Seri«  II.     Mil&Do  18(==*-!8S' 
p.  13.  30  f.  —  In  der  Deutung  ron  n  ghindo  tritt  D'Ancona  Gaston  Paris  h  -a^"^*' 

*)  G.  A.  Scartaztini,  D*inte-HaHdbueh.     Einfilhrumj  in  d<t.f  Stttdii'^^i/m 
des  LfhfHs  und  der  Si^-hriftm  DtinU-  Alitjkierl'H.     Leipzig  1892.     S.  124. 

"}  Maurice  De  Wulf,    Hintmre  de  /a  phit(Moj)hie  seola^i^ue  dann  Av 

Jhifit-Itnit  rt  In  prinri/taKt^  de  Lit*fr  juitqu'h  In  rf'tolHtion  fransige.     Loava- ^-«b 
et  Paris  1895.  p.  276. 

*)  C.  Cipolla,    Siffieri    ttdla   lUrina   Cammgdia,    in:    fiiornaU    «tor      *to 
della  letteraiura  italiana.  Vol.  VIII.  Torino  1886.  p.  53—189, 


Znr  Biographie  Sigcr'a  von  Bnü>an(.  91 

sprechung.  Neue  Quellen  hat  CipoIIa  nicht  erschlor^sen '). 
Nichtsdestoweniger  ist  er  aufgrund  des  ziemlich  vollslilnclig  von 
ihm  gesammelten  älteren  Materials,  das  er  überall  mit  selbstän- 
tren  Augen  anschaute,  zu  einem  völlig  neuen  Bilde  Siger's  ge- 
langt. Wenn  Ich  auch  dasselbe  in  seinen  Hauptzügen  für  ver- 
felilt  erachte,  so  verdient  es  doch  eine  eingehende  Darstellung 
und  Besprecimng.  Der  Kürze  halber  halle  ith  bei  der  Darstel- 
lung mich  nicht  an  Cipolla's  an  Wiederholungen  und  Exkursen 
reiche  Reihenfolge,  sondern  greife  die  Hauptpimkte  in  freier 
Wiedergabe  lieraus. 

Daü  Siger  von  Courlrai,  dessen  Bücher  1341  an  die 
Sorbonne  kotiinien,  nicht  mit  deni  Siger  von  Brabant  identisch 
sein  könne,  den  Simon  Dnval  1278  vor  sein  Gericht  lordert  und 
den  Dante  1300  im  Paradiese  vorführt,  nimmt  auch  Clipolla  mit 
Delisle  und  Polvin  an  *).  Aber  wenn  wir  aus  den  Berichten 
ausscheiden,  was  auf  diesen  Siger  von  Oourlrui  geht,  so  bezieht 
sich  der  Rest  -  -  und  dies  ist  das  Eigentümliche  in  Cipolla's 
Ansicht  —  nicht  auf  einen  Siger  —  Siger  von  Brabant  — , 
sondern  es  müssen  von  jenem  Siger  von  Courtrai  zwei  weitere 
Siger  unterschieden  werden,  der  von  Brabant  und  ein  älterer 
Siger  von  (lourtrai  =*).  Während  von  jenem  Siger  von  Bra- 
bant, dem  von  Dante  gefeierten  Lehrer,  mit  vieler  Phantasie  ein 
ideales  Bild  gezeichnet  wird,  werden  auf  den  angeblichen  filteren 
Siger  von  Courtrai  alle  diejenigen  weniger  erfreulichen  Zöge  zu- 
sammengetragen,   die    sich   jenem  IdealbiUle  nicht  fügen  wollen. 

Den  Ausgang  bildet  für  CipolIa  die  Dantestelle.  Warum, 
fragt  sich  Cipolla,  hat  Dante  in  den  Gesängen,  in  welchen  er 
die  beidi'ii  Heiligen  Thomas  und  Bonaventura  im  Kreise  der 
seligen  Theologen  vorführt,  diesen  beiden  das  Lob  dei*  beiden 
großen  Orden  des  hl.  Franz  und  des  hl.  Donünikus  in  den 
Mund  gelegl?    Deshalb,  so  meint  er,  weil  so  nicht  nur  die  bei- 


0  Doeh  nnrht  «r  merBt  dsraiif  Aufmerksam  {a.  a.  o.  S.  128),  dft&  die 
von  Le  Clerc  angezogene  Nottr  der  Editoi-es  Romani  Ober  die  Adresse  von 
Tliomiw'  Opiiaculum  gegen  Williclm  von  St.  Amoor  und  Siger  auf  Tocco  sich 
stützt;  B.  oben  S.  63. 

')  A.  o.  0.  8,  71.  93. 

•)  Ä.  a.  0.  S.  117.  130  u.  ö. 


92  Impossibilia  Sigeri  d«  Brabaniia. 

den  ihr  Leliramt  als  Pariser  Professoren  auch  im  Himmel  fort- 
setzen, sondern  weil  zugleich  der  Dichter  selbst  auf  diese  Weise 
seine  Mißbilligung  des  Kampfes  andeuten  kann,  den  die  Univer- 
sität Paris  gegen  die  Zulassimg  jener  beiden  Orden  geführt 
hatte  *).  Thomas  von  Aquin  und  Bonaventura  hatten  in  Jenem 
Streite  die  Sache  der  Mendikanten  verteidigt  Wie  könnte  nun 
da  der  Dichter,  so  fragt  GipoUa  weiter,  den  Aquinaten  zwischen 
Albert  und  Siger   vorföhren  und   ihn   längere  Lobesworte   dem 

letzteren  widmen  lassen,  wenn  dieser  Siger  mit  dem  Siger  iden^ 

tisch   wäre,    der   nach   den   aus  Tocco   schöpfenden  römischen 

Herausgebern  der  Werke  des  hl.  Thomas  an  der  Seite  des  Wii 

heim   von  Saint-Amour  gegen   die  Mendikanten   focht  und   "i'*^ — 
diesen  von  Thomas  in  einer  eigenen  Schrift  bekämpft  wurde -)?^" 

Jener  Siger  Tocco's   und   der  Editores   Romani  muß   also  von 

dem  Siger  von  Brabant  bei  Dante  verschieden  sein. 

Dieser  Siger  Dante's  ist  durchaus  Thomist.    Nach  fehard^ 
vermachte  er  der  Sorbonne  Werke  des  hl.  Thomas.   Daß  Echartl 
hier  den   (jüngeren)  Siger  von  Gourtrai   mit  dem  von  Brabant. 
verwechselt,  hat  Potvin  *)  nicht  erwiesen.    Warum  konnten  nicht 
beide  ähnliche  Schenkungen  machen^)? 

Als  Thomist  erweist  sich  Siger  auch  durch  die  Schrift,  von 
der  Potvin  einiges  veröffentlichte,  die  Impossibilia.  Der  dort  ge- 
führte Gottesbeweis  ist  ganz  thomistisch,  wenn  auch  in  der  Art, 
wie  die  Existenz  Gottes  als  etwas  dem  Einsichtigen  aus  dem 
Gottesbegriff"  selbst  Evidentes  betrachtet  wird,  noch  mehr  die 
Gedanken  Bonaventura's  anklingen  ^].  Außerdem  citiert  nach 
Le  Clerc's  Angabe  Siger  den  hl.  Thomas  ausdrücklich,  doch 
sicher  nicht,  um  ihn  zu  bekämpfen  ^. 

0  A.  «.  O.  S.  88-90. 
■       '>  A.  a,  O.  S.  128.  184. 

^  Gipolla  spricht  stets  von  ^chard  und  Qaetif  als  Verfassern  dea 
Artikels.  Er  hat  das  Zeichen  nicht  beachtet,  durch  das  £chard  den  Artikel 
als  von  ihm  allein  herrQhrend  kenntlich  macht. 

*)  S.  oben  S.  77. 

^)  A.  a.  O.  S.  115  ff. 

")  A.  a.  0.  S.  101  ff. 

0  A.  a.  0.  S.  109. 


SSar  Biognpbie  Siger^s  tob  ßrabaoi  dS 

Freilich  wurde  Siger  von  Brabant  nach  dem  von  Echard 
benutzten  Bericht  im  Jahre  1278  der  Häresie  bezichtigt.  Aber 
von  dieser  Anklage  ^)  wurden  auch  die  Werke  des  hl.  Thomas 
von  Aquin  betroffen*).  Außerdem  berichtet  Echard  ausdrück- 
lich, daß  Siger  von  dieser  Anklage  freigesprochen  wurde.  Für  einen 
solchen  Ausgang  des  Processes  spricht  nicht  nur  das  Vermächtnis 
an  die  Sorbonne,  das  ja  freilich  von  Potvin  angezweifelt  wurde, 
sondern  auch  der 'Ausgang  des  Processes  gegen  Berner  von  Ni- 
velles,  von  dem  der  gegen  Siger  unabtrennbar  ist.  Denn  daU  Ber- 
ner in  der  Gemeinschaft  der  Kirche  starb,  kann  nicht  bezweifelt 
werden  ^). 

Man  kann  dagegen  nicht  mit  Gastets  und  G.  Paris  sich 
auf  Durante's  Fiore  berufen.  Der  mastro  Sighier  Durante's 
wurde  nicht  wegen  irgend  welcher  kirchenpolitischer  Gründe 
bezichtigt,  wie  Paris  dies  annimmt,  um  zu  erklären,  wie  ein 
von  der  römischen  Kurie  Verurteilter  von  Dante  in  solchem 
Maße  gefeiert  werden  konnte.  Auch  die  Berufung  auf  Dubois, 
der  uns  über  die  kühnen  politischen  Anschauungen  Siger's  be- 
richte^), ändert  daran  nichts;  denn  was  Dubois  erzählt,  betrifft 
nur  eine  theoretische  Frage  der  Philosophie,  die  kein  Echo  im 
praktischen  Verhalten  haben  mußte  ^).  Vielmehr  stellt  Durante 
den  Meister  Siger  mit  Wilhelm  von  Saint-Amour  zusammen. 
Er  denkt  also  an  eine  gegen  die  Mendikantenorden  gerichtete 
Agitation  als  Grund  des  Orvietaner  Ereignisses  %  Einen  solchen 
Mann  aber  konnte,  wie  schon  bemerkt,  Thomas  bei  Dante  un- 
möglich so  preisen,  wie  wir  thatsächlich  bei  dem  Dichter  lesen  '). 

Jener  Gegner  der  Mendikanten,  gegen  den  Thomas  von 
Aquino   schrieb  und   über  dessen   Ende   Durante   berichtet,   ist 


')  Cipolla  denkt  wohl  an  die  von  Stephan  Tempier,  dem  Bischof  von 
Paris,  1277  censurierten  SAtze,  sowie  an  die  Briefe  des  Johiuinee  Peckham. 

")  Ä,  o.  0.  S.  185. 

»)  A.  o.  0.  S.  119. 

*)  Da&hier  in  Wahrheit  nicht  Siger  spricht,  sondern  Aristoteles,  des* 
sen  Interpret  jener  ist  (s.  ohen  S.  78  Anm  2),  hat  aach  CipoUa  nicht  gesehen. 

'')  A.  rt.  O.  S.  95. 

*■)  A.  «.  0.  S.  122  f. 

»)  A.  a.  O,  8.  128   184. 


04  tmtKMaibilut  digexi  de  BrabaiitüL 

also  von  Siger  von  Brabant  zu  unterscheiden  ^).  Ohne  hin- 
reichenden Grund  hat  man  ^chard's  Angabe,  ein  Siger  von 
Gourtrai  sei  Gefährte  Robert's,  des  Stifters  der  Sorbonne,  ge- 
wesen und  habe  Thomas  von  Aquino  gesehen,  als  unhistorisch 
betrachtet  und  gemeint,  er  habe  Siger  von  Gourtrai  und  Siger 
von  Brabant  verwechselt  %  ßchard  hat  das  Archiv  der  Sor- 
bonne sorgfältig  studiert  ^)  und  jedenfalls  dorther  seine  Nachricht 
entnommen.  Dati  dem  in  der  That  auch  in  unserm  Falle  so 
war,  ersieht  man  aus  einer  Notiz  von  Petit-Radel  ^),  nach  der 
in  der  handschriftlich  erhaltenen  Gründungsgeschichte  der  Sor- 
bonne (Sorbonae  origines)  von  Hem6r6  unter  den  Gefährten 
Robert's  von  Sorbonne  zur  Zeit,  als  dieser  seine  Stiftung  be- 
gründete (1253),  ein  Suger  von  Courtray  sich  fand  ^). 

Natürlich  muß  dieser  ältere  Siger  von  Gourtrai  von  dem 
jüngeren,  dessen  Vermächtnis  1341  an  die  Sorbonne  kam,  un- 
terschieden werden.  Derselbe  ist  wohl  identisch  mit  dem  ma- 
gister  Sigerus*),  der  uns  in  den  Unruhen  von  1266  und  1275 
an  der  Pariser  Universität  begegnet ').  Denn  daß  dieser  Siger 
mit  Siger  von  Brabant  identisch  sei,  ist  durch  nichts  erwiesen  **). 

Dieser  ältere  Siger  von  Gourtrai  dürfte,  wie  GipoUa  an- 
nimmt, es  auch  sein,  von  dessen  Lebensende  der  Dichter  von 
11  Fiore  spricht.  Dem  Ausdruck  a  ghiado  an  dieser  Stelle  darf 
man  nicht  mit  Gastets  eine  von  der  gewöhnlichen  abweichende 
Bedeutung  geben  wollen;  a  ghiado  heißt  soviel  wie  di  coltello. 
So  erzählt  auch  Villani,  daß  Albert  von  Österreich ")  a  ghiti/io 
von  einem    seiner   Verwandten    verräterischer   Weise    ermordet 


»)  A.  o.  0.  8.  124.  128. 

*)  A.  a.  0.  S.  117.  124. 

»)  A.  a.  0.  S.  118. 

*)  Bist,  litt,  de  la  France.  XIX.  p.  292.  302  f.    S.  oben  S.  69,  Aam.  4. 

')  Ä.  a.  0.  S.  129  f. 

')  A.  a.  O.  8.  126  f. 

0  S.  oben  S.  57  ff. 

^  BesoDdeis  tritt  CipoUa  dem  Versaohe  entgegen,  aas  den  Worten 
magistri  Sygerus  et  Symon  de  Brabant  (s.  oben  8.  58)  etwas  za  folgern;  de 
Brabant  gehöre  nnr  zu  Symon  {a,  a.  0.  S.  127). 

")  Gemeint  ist  Älbrecht  II.,  Herzog  von  Österreich  and  deutscher  KSnig, 
der  1808  von  seinem  Bmdersohn  Johannes  Parricida  and  dessen  Mitverschwo- 
renen  erschlagen  wurde. 


Zar  Biographie  dig«r'e  Ton  Brabtnt 


^ 


wurde  ')•  Einen  solclien  gewaltsamen  Tod  durch  Messer  oder 
Schwert,  nicht  auf  dem  Richtplatz,  sondern  bei  einem  verräteri- 
schen Überfall,  meinte  Dunuile,  wenn  er  Falsenbianle  sich  rüh- 
men laßt,  daß  er  den  niaesiro  Siphier  sterben  licü  it  tfhindo  a 
ij»an  litiloir.  Die  WoHo  u  (jmn  dolore  soflen  dabei,  meint  Ci- 
poUa,  niclits  Besonderes  betleulen,  sotideni  dein  Reime  zu  Liebe 
hmzugeselzt  sein  •). 

Freilich  verhehlt  sich  Cipotla  nicht,  daß  er  bei  seinem  Be- 
streben, den  Siger  von  Brabant  zu  exkulpieren,  \on  der  Scylla 
in  die  Charybdis  geraten  ist,  indem  er  nun  gar  die  Mendikan- 
len  zu  Meuchelmördern  stempelt.  In  dieser  Verlegenheit  scidägl 
er  einen  etwa»  seltsamen  Ausweg  ein.  Durante  soll  nicht  be- 
richten, was  sich  wirklich  zugetragen,  sondern  was  die  Univer- 
sitats- Professoren  in  Paris  erzählten.  i:>iger  (von  Courtrai),  so 
Icirt  sich  Cipolla  die  Sache  zurecht,  sei  nach  Italien  gekommen, 
nm  vor  dem  Papste  die  Sache  der  Universität  gegen  die  Mendi- 
kantenoFflen  zu  führen,  sei  aber  unterwegs  in  Orvieto  gestorben. 
Die  Professoren  in  Paris  hätten  dann  daraus  gemacht,  daß  er 
meuchlings  in  Orvieto   von  den  Mendikanten   umgebracht  sei^). 

Ich  brauche  wohl  auf  diese  lel/.terwähnte  lu!lig<'  Hyiwthese, 
die  jedes  Ihatsächlichen  Anhalts  entbehrt,  nicht  näher  einzuge- 
hen. Wie  sollte  auch  der  italienische  Dichtei',  der  doch  sonst 
gerade  von  italienischen  Ereignissen  NäJaeres  berichtet*), 
dazu  kommen,  hier  ein  in  seiner  nächsten  Nähe  vorgefallenes 
Ereignis  in  der  völlig  veränderleri  Form  wiederzugeben,  die  das- 
selbe in  weiter  Entfernung,  in  Paris,  durch  das  entstellende 
Gerüclit  gewoimen  hätte?  Lind  woher  niuuut  Cipolla  den  Grund, 
ohne  weiteres  die  Pariser  üniversitätsprofessoren  zu  Erfindern 
solcher  böswilliger  Gerüchte  zu  machen? 

Ebenso  ist  es  eine  ganz  grundlose  Vermulmig,  Siger  sei  „durch 
Verrat**  gefallen;  nichts  steht  davon  bei  Durante.  Im  Gegenteil 
passen  die  Worte  a  gran  dolore  gar  nicht  zu  einer  solchen  schnell 


'}  GioT.  Villani.    (U'on.  VIII.  :)4:    fu  morto  a  ghiado   da  uno  Mio  ni> 
pot«  a  tradimvnto. 

')  A.  a.  0.  8.  121  f. 

•)  A.  a.  O.  S.  180. 

')  Vgl.  X.  B.  Sonett  CXXVl  (S.  82  Anm.  2.) 


M  tmpossibitia  Sig«n  de  Brebantia. 

beendigten    Messeraflare ;    und    wenn    Cipoll^    meint ,    dieselben 
ständen  bloß  des  Reimes  wegen  da,  so  ist  das  reine  Willkür. 

Im  Gegensatz  zu  jenem  Siger  von  Courlrai.  dem  von  Tho- 
mas Ton  Aquino  bekämpften  Unpulipsliftpr,  sieht  der  von  Dante 
gefeierte  Thoinist  Siger  von  Brabanl.  Vemmllieh  ein  Schuler 
des  lil.  Thomas  >),  ist  er  ein  berülimter  Lehrer,  dessen  Ruhm 
zum  Wachstum  der  Schule  von  St.  Genevieve  beitrug '),  und  den 
nocli  die  Nachwelt  mit  dem  Beinamen  des  .GroÜen*  feierte"). 
Seine  LelinTfolge ,  so  verslelil  f'ipolla  die  i»vüIio»i  reri  bei 
Dante,  weckten  den  Neid  anderer,  vermutlich  seiner  Kollegen 
an  der  Pariser  Universität.  Diese  miügünstigen  Konkurrenten 
wohl  waren  es,  welehe  den  ProceU  vor  dem  Grotjinquisilor  von 
Frankreich  gegen  ihn  eireglen.  Darin  war  er  ein  Leidensgeiahrte 
des  hl.  Thomas,  gegen  dessen  Lehre  im  XliL  Jahrhundert  von 
Gegnern  gleichfalls  Anschiildigimgen  erhoben  wurden^).  Von 
Lüttich,  woliiii  er  sich  /eitwt-ilig  l)egeben,  kehrte  Siger  nacli 
Piiris  zumek.  Hier  hörte  ihn  Üubois;  hier  liinterlieü  er  seine 
hiipmsihilM,  ,ein  hochgeschätztes  Textbuch  für  die  Schule*  % 
Hingerissen  von  seinen  tiefen  philosophischen  und  theologis«Jien 
Beti'ai'htungen,  sehnte  sich  Siger  aus  den  Banden  der  Leiblich- 
koit;  wie  St.  Paulus,  verlangte  er  aufgelöst  zu  sein,  um  die  Ge- 
heimnisse der  Gottheil  sm  schauen.  Das  heifit  es,  wenn  Danto 
von  ihm  sagt,  ihm,  dem  in  tiefe  Ge<lanken  Versenkten,  habe  der 
Tod  spät  zu  kommen  geschienen').  —  Dante  selbst  war  zwar 
nicht  sein  persönlicher  Schuler,  da  er  erst  zwischen  I3I6  und 
1319  in  Paris  war  ■) ,  wo  er  seine  philosophische  Bildung 
nicht  begann,  sondern  vollendete*);  aber  er  fand  in  Paris  die 
lebendige  Universitiilstrndition  Ober  Siger,  dessen  Bücher  dort 
hochgeschiltzt  wurden.     Ihm  setzt  er  ein  Denkmal  in  jenen  Ver- 


»)  A.  a.  0.  8.  186  f. 

»)  A.  a.  O.  S.  118. 

")  S.  8.  77  Anm.  4,  Ende. 

*)  A.  a.  0.  8.  136. 

•)  A.  a.  O.  8.  ]31. 

')  A.  n.  a  3.  125.  18ft. 

T  A.  <t.  0.  S.  66. 

")  A.  /i.  0.  S.  86. 


^ur  Biographie  Siger's  voo  ßrabant.  d? 

3en   der   Komödie,   in   denen   er  Tbon)as   zwischen  Albert   und 

Siger  vorführt,  Atbert,  dem  Lehrer  des  Aqufnaien.  und  Siger, 
seinem  SHinler  'J. 

Auch  hier  wieder  ielilt  es  nicht  au  unbewiesenen  Voraus- 
setzungen und  gezwungenen  Deutungen.  Eine  leere  Vermutung 
ist  es,  data  Siger  ein  Schüler  des  hl.  Thomas  war.  Was  über  seine 
h(du'  Schätzung  gesagt  wird,  die  ihm  den  Heinanien  di's  „Großen" 
eirtlrui^  ^),  die  Schüler  nach  St.  Genevirve  lockte  und  ihm  den  Ni-id 
seiner  Konkurrenten  zuzo^^  ist  nichts  als  freie  Ausschmückung. 
Dali  Dubois  erst  nach  1278  Zuhörer  bei  Siger  war  —  und  damit 
stützt  ('ipolla  seine  Ansicht,  Siger  sei  von  Lültich  nach  Paris 
zurüfki?okelirt  — ,  ist  wenig  wahrscheinlich,  da  derselbe  auch 
ThoniaK  von  Aquino  hörte'),  der  s(:hon  1274-  slarh  und  schon 
vorher  Paris  verlassen  halte.  Und  die  Deutung  der  Dantestelle 
vollends  wird  niemand,  der  ohne  Vorurteil  an  dieselbe  lieran- 
tritt,  anders  als  höchst  gezwungen  und  gewaltsam  finden. 

Aber  nicht  auf  <iiese  einzelnen  VVillkürUclikL'iten  in  der 
Durclifühmng  soll  hier  der  Hauptnachdruck  gelegt  werden;  viel- 
mehr sind  schon  die  Fundamente,  auf  denen  sich  Cipolla's  An- 
sicht aun>aut,  unhaltbar  und  damit  seine  ganze  Ansicht,  soweit 
sie  Kigentütn liebes  enthält,  hinfällig. 

Man  weiß,  welcher  Mißbrauch  etwa  mit  den  Bericliten  des 
Aristoteles  über  die  ältere  Philosophie  getrieben  ist.  Wie  oft 
hat  man  nicht,  zum  Schaden  einer  wirklich  allseitigen  historischen 
Würdigung,  argumentiert:  Aristoteles  berichtet  tVu^s,  und  nur 
dies;  also  ist  es  so  wahr.  Eine  solche  Unlrüglichkeit  wird 
auch  hier  dem  Dichter  der  Komödie  zugelegt.  Und  doch 
tliut  man  dem  groüen  Florentiner  gewitä  nicht  L^nrecht,  wenn 
man  mit  Gaston  P^iris  'j  seine  historische  Erudition  nicht  eben 
auf  eine  Stufe  mit  seinem  philosophisch-theologischen  Weissen 
und  mit  seinem  dichterischen  Genie  stcUt.  Sehr  gut  ist  es  denk- 
bar, daß  der  Dichter  von  jenem  Professoren  streit  in  Paris  nicht 
viel  wußte   oder   kein  Gewicht   darauf  legte,   oder   dali  er  doch 


')  A.  «.  O.  S.  91.  196. 
')  dazu  vgl.  oben  H.  77  Anm.  4,  Ende. 

')  DuboJB,  Dl'  rtviifjfr.  tfrraf  Honetne  c.  40  g  ß3.  p.  53  ed.  Langlois. 
*)  S.  oben  S.  85. 
Bsitrftge  II,  C    Baflamkar.  Sigar  von  Brabaal.  7 


66  Im)>o»Bil)ilia  Sigeri  de  Brabanlia. 

mit  der  Beteiligung?  Sifrer's  an  deiiiselben  nicht  bekannt  war. 
Wird  dieser  doch  in  keiner  der  auf  diesen  Sli'eit  bezüglichen  Ur*. 
künden,  specipll  nicht  in  denjenigen,  die  den  pApstiiciien  Ur- 
teilsspruch enthalten^),  genannt,  sondern  nur  von  Tocco  als 
Genosse  Wilhelms  von  Saint  Amour  erwährit.  WAre  er  ein 
Führer  in  jenem  Streite  gewesen,  so  würden  auch  die  Urkunden 
seiner  t,'e<ienken. 

Dann  aber  legt  Cipolla's  Beweisführung  dem  Dichter  ein 
weiter  gehendes  Mab  von  Hücksichtnatime  und  selbst  Äiigstlich- 
kett  bei,  als  er  es  Ihalsächlich  besessen.  Wenn  er  jemanden  in 
das  Paradies  versetzt,  so  ist  dem  kein  sorgfaltig  geführter  Ka- 
nonisationsproceü  voraufgegangen.  Und  wenn  er  Thomas  das 
Lob  eines  Seligen  verkündiget!  läül,  so  hat  er  dabei  wohl  ebenso 
wenig  vorher  ängstlich  die  Stellung  der  beiden  erwogen,  wie  er 
das  in  anderen  Fällen  gethan.  Nach  beiden  Seilen  hin  ist  ffir 
das  V' erfahren  Dante's  charakteristisch  eine  bisher  in  diesem 
Zusammenhange  niclit  betrachtete  Stelle,  die  in  mehrfacher  Hin- 
sicht zu  der  unseren  eine  überraschende  Parallele  bietet. 

Wie  im  zehnten  Gesänge  des  Paradiso  Siger  der  letzte 
unter  den  Seligen  ist,  die  der  lil.  Thomas  dem  Dichter  vor- 
führt, so  schließt  im  zwölften  den  Reigen  derer,  die  den  hl. 
Bonaventura  umgeben  und  von  diesem  vorgestellt  wertlen, 
Joachim  von  Fiore, 

Der  Kalabreser  Abt,  dur  Joachino, 

Der  mit  pruphet'öchem  Geiste  war  begäbet  ■)- 

Gewiü  ist  Joachim  (f  1202)  eine  beachtenswerte  und  aclitungs- 
wördige  Efsclieiirnng.     Das  vierte   allgemeine  Laierankonzil  vom 


I 


*)  Vgl.  besonders  das  Schreiben  Alexanders  IV.  an  den  Üiacbof  Rvgi- 
natd  von  PariR  von  t250  Jiuii  17  (Denifle,  i'hnii.  uHitiern.  f^riii.  \.  p.  319ff.)3i 
.  .  .  Guillürtiiiim  de  Sancto  Amore  et  Odonem  de  Duaco,  doctoros  thecilngiaet 
ac  raagistrus  Nicolamn  de  Barm  SDper  Albam  et  Cliristiiuiain  caiiunicuin  Bei- 
URireQsum  tantiuani  principalea  huiusmodi  rebellionia  et  contuuaciao  inoen- 
tur».s  omiiJbtiK  digniialibtiH  et  bpnefi>riis  »ms  eccIeftiaHticii*  ac  officio  magtstrali, 
dictuinqitL-  G.  eapell&nia  noatra  priuamuH  etc.  {ti    h.  i),  S.  321). 

")     U  Calftbrcse  abate  Giovacchino 
Di  Hpirito  profetico  dotato. 

Jitra<I.  XU.  UU  f 


!{ur  btogrophie  .Siger'»  von  Brabant.  Vv 

Jahi'c  1215.  welches  seine  Trinilätslehre,  die  er  in  einer  gejfen 
Petrus  Lombanlus  gericlilelen  Schrift  vorj^elragen  halle,  ver- 
warf, will  ausdriicklich  die  Verurteilung  nicht  auch  auf  die  Per- 
son des  Verfassers  ausgedehnt  sehen  '•;  Konzil  und  Papst  neh- 
men Joachim 's  Stittuni^,  seine  Abtei  und  seine  Kloslerkongrega- 
Iron,  in  Schutz.  Auch  Männer,  wie  Willielni  von  Auvergne, 
Vinnenz  von  Beauvais,  Alheric  von  Troisföntaines,  gedenken  sei- 
ner lobend-).  Al)er  das  hebt  die  Verurteihing  seiner  Lehre 
dureli  das  Laterankonzil  niehl  auf.  Dazu  war  bekanntlich  gerade 
der  Orden,  den  der  hl.  Bonaventura  als  ürdeiispeneral  leitete, 
auf  das  tiefste  von  den  traurigen  Verwirrungen  betroffen,  die 
(lurch  Joachim'«  Weissagung  eines  anbreclipiideii  neuen  Zeilalters 
des  heiligen  Geistes,  in  dem  der  spirituelle  Sinn  der  heiligen 
Schriften  als  ^ewiges  Evangelium"  gelton  solle,  angerichtet  wur- 
den. Die  Spiritualen  schworen  auf  jene  Prophezeiun^ren  und 
stüt/len  xum  Teil  auf  sie  ihre  von  Bonaventura's  Richtung  ab- 
weichenden Ideen.  Gerhard  von  Borgo  San  Donnino  hatte  zu 
den  Hauptscbriften  Joachim's,  die  er  unter  dem  Namen  des 
hAtangdiuw  ftrifrnum  zusammenfaßte,  einen  Infrodudoriux  ge- 
schrieben, <h'r  nebst  jenem  l'juanfjefium  ueternum  selbst  wr^idMch 
von  der  Partei  Wilhelm's  von  St.  Amour  in  dem  Kampfe  der  Pa- 
riser Universität  gegen  die  Mendikantenorden  ausgenutzt  wurde-'), 
nel)enbei  bemerkt,  auch  ein  Beweis  dafür,  wie  wenig  Dante  aul 
jenen  Pariser  Streit  überhaupt  Hücksicht  nimmt.  Da  ist  es 
denn  kein  Wunder,  wenn  derselbe  hl.  Bnnavcnluni,  d^m  Dante 
im  Puntffiso  ein  Lob  des  propheti.schen  Kalabreser  Abtes  in  den 
Mund  legt,  nach  der  Geschichte  in  seinem  Leben  eine  ganz  andere 
Stellung  eingenommen  bat.  „Aus  Unwissenheit  tadelt  Joachim," 
,sngl  er  von  ihm,  ,.dori  Lclirer"  (Petrus  Lombardus  ist  gemeint), 
gUnd  weil  er  einfältig  war,  so  hat  er  den  Lehrer  nicht  geachtet, 


*)  Labbe  -HanBi,  .S'.!9.  t'oMcUiontm  nana  et  ampiiHsitfta  collfctio. 
T.  XXn.  Venetiis  1778.  col.  981-986. 

■)  Franz  Ebrie  in:  Wvfxrr  utul  Wrltr'x  K'tt'rkente^k'fm.  2.  Aufl.  Bd.  VI. 
Freiburg  i.  B.  188Ö.  Sp.  1474. 

=•)  DenifU,  Chart.  Hmuev».  l^ris.  l.  p.  272  ff.  297.  Vgl.  auch  Denifle, 
JMih  Ecantitlium  aHtrituw  ifml  lüf  i'imtmiAmmt  zu  Annffitt,  in:  Ai'rhir  fi\r 
Litteratiir-  und  h'in-hfHi/fjtr/tirlifi'  tten  MUt^MtriH.  Ud.  1.  Uerlin  IB^Ö, 
S.  48  ff. 


100  ImtiiMwibili«  Sigeri  de  Brabantii. 

und  darum  wurde  nach  dem  urerechteii  Urleil  Gottes  sein 
Schriflchen  auf  dem  l^aleiankonzil  verdammt  und  der  Satz  des 
Lelirers  i^ebillif^l-  *).  Und  ebensowenig  giebl  er  etwas  auf 
Joachims  Prophezeiungen.  Wenn  er  ihn  auch  nicht  ausdrück- 
lich nennt,  so  zielt  er  doch  offenbar  auf  ihn  in  seinen  Reden 
über  das  Seclista^ewerk,  wo  er  betont,  daü  nach  dem  Neuen 
Testamente  kein  anderes  sein  we!*de,  weil  jenes  das  ewige  Te- 
stament ist  =<).  Kr  Ätirnml  darin  mit  Thomas  von  Aquino  überein, 
der  das,  was  in  .loachim's  Propliezeiuiigeu  zugetroffen,  nicbl  auf 
göttliclie  Offenbarung,  sondern  auf  menschliche  Koinbinations- 
gabe  zurückführt  j,  und  mit  der  Synode  von  Arles  (1263). 
welche  jenen  prophetischen  Joachimismus  verurteilt  und  die 
Verbreitung  seiner  Schriften  untersagt ').  Wie  aber  der  hl.  Bo- 
naventura praktisch,  als  Ordensgeneral,  sich  zum  Joachinii:*. 
mus  stellt,  das  ersehen  wir  daraus,  daß  er  sogar  seinen  Vor- 
gänger im  (leneralat,  Johann  von  Parma,  wegen  sejner  zu  eifri- 
gen Verteidigung  Joacliim's  zur  RcchonschaR  zog.  Der  Fratei 
Angelus  de  Clarino,  welcher  uns  dies  berichtet,  bat  ihn  darum 
in  seiner,  der  Verteidigung  der  Spiritualen  gewidmeten  Hisiona 
sifpUtn  tribHlafhnum  ordinis  Mt'nonim  bitter  getadelt^). 

')  Bonavent.  im  f.  Sent.  d.  5  dub.  4  (N.  Bonaeenturnf  opeitt  t>mm», 
rti,  stutiio  vt  rtirii  PI*.  CoUegii  n  S.  BouarfHturo.  T.  1.  Ad  Clarns  Aquu 
[Quaracchi]  1382.  p.  121,  a):  Et  ideo  i^narAnt«r  Juncliim  roprchL-ndit  Majp- 
strum,  et  quiu,  cum  esaei  simpli^x,  doq  est  reuerituo  Magiatruin,  ide«  ituto 
Dvi  iudiciu  ilamiiAtiiH  fuit  libellu»  ejus  in  Lnteraneniji  Conrilio,  et  positio  Hn- 
yiatri  upprubata. 

'I  Unnavont.  Coftaf,  in  Hfx»tmfroH  XV'I,  n.  2  {(ipera,  T.  V.  Qu»- 
raochi  1891.  p.  403,  b);  Poet  noanni  testaiuentum  noii  erit  alind,  neo  aliqood 
aicrainrntutn  nuuae  legin  aubtrahi  poteot ,  quia  illud  testamentum  oot^rnum 
oat.     Vgl.  ilfii  Horiiiisgebf^r,  1'.  Igoatiutj  Jeiler  rinl.  p.  438,  b. 

*)  Thomas  Aqu.  in  IV.  Srnt.  d.  48  q.  1  a.  8  [Opera,  ed.  Anivtrp- 
1612.  T.  VIE,  fol.  203''  a):  ...  quarnuis  ab  ei§  qui  hoc  patant  exqaiait«  el 
ingotlioac  illa  ttingulu  (die  Plagen  Ägyptens)  bis  Hingulis  yAen  Verfolgungen 
der  Kirrbe)  ci»iiparutn  uidcantur.  mm  prophetico  »pintu,  ned  coniectura  taen- 
tia  humanao,  quue  altquaiiuü  ad  ur-niin  peruenil,  aliquandu  fallitur.  Et  eimili- 
tor  uidetur  esse  de  dictis  Abhatia  Joachim,  qui  per  talea  coniectnras  de  futn- 
ria  aliqua  nt<ra  praedixit,  et  in  oliqulbus  deccptua  fuit. 

*j  Lftbbe-Mansi,  «.  ".   0.  XXIII.  Venetiia  1779  col.  1002-1004. 

'l  Vgl,  die  Veri^fTentlichang  dttrHvIUBU  van  Fr.  Ehrle,  Arrhir  f,  Litie 
rtrtw*^  u    Kit'i-ht^ffeMrh.  rf.  M.-A.  Bd.   lt.  Rtrlin  1H86.  S.  277.  284  f. 


Zur  Hiographit^  Sif;<>r't!  von  Brabant.  101 

Nun  zeigt  zwar  Danle  in  seinen  Urteilon  und  seinen  Re- 
lorniKodaiiken  manche  ßenihrunjfcn  mit  der  Arbor  uitae  crucifixae 
hau  des  Ubertino  von  (lasale,  eines  Hauptvertrelere  der  spi- 
rituafislischen  Kiditung,  in  de^^seii  Sclirilt  die  Prophezeiungen  Joa- 
chim's  eine  verhängnisvolle  Rolle  spielen  ').  Aber  keineswegs  nimmt 
er  Partei  für  jene  Spiritualen,  tieren  Einseitigkeit  er  durch  den 
Mund  des  hl.  Bonaventura  ebenso  sehr  vemrleiU,  wie  das  ent- 
p^^'engesetzle  Kxlretri  des  Matleo  d'Aiiuuspartii  -').  Auch  l'^ber- 
tino  gepenühei-  wahrt  er  Kritik**).  Sein  Maiin  ist  nieht  Uber- 
tino, sondern  Bonaventura.  Daß  er  mit  Wissen  Bonaven- 
tura's  Urteil  Ubertino  zuhiebe  geffilscht  haben  sollte,  erscheint 
ausgesrhlosseti. 

Wenn  als*^  Dante  dein  lil.  Hofiaventura  solt-hen  Preis  des 
Kalabreser  Abtes  in  den  Mund  legt,  so  wird  man  nach  dem, 
was  über  Bonaventura 's  histurisclie  Stellung  zu  Joacliini  soeben 
heitrelirae.ht  wurde»  entweder  zu  der  Ungeheuerlichkeil  seine  Zu- 
lUichl  nehmen  müssen.  Üante's  Abt  Joachim  sei  eüi  anderer  als 
Joacltim  von  Fiore,  oder  aber  man  inuü  zugestehen,  daß  der 
Dichter  in  historischen  Dingen,  *lie  nicht  gerade  ihm  nahe  lie- 
gende Verhältnisse  hetrefTen^  eiitw«H!er  nicht  allzu  ^enau  unler- 
riehlel  ist,  «Hier  nicht  eben  allzn  ängstlich  wägt.  Ü:irui  aber  wird 
man  auch  liei  don  Versen,  die  über  Siger  von  BrabanL  handeln, 
sich  nur  an  das  halten  können,  was  der  Dichter  wirklich  sagt. 
Nicht  aber  wird  man  auf  »lie  angebliche  Unvereinbarkeit  dieser 
Verse  mit  solchen  Thatsachen,  von  denen  Dante  schweigt  und 
von  denen  wir  j,'ar  nieht  wahrscheinlicfi  machen  können,  daii  sie 
ihm  bekannt  sein  niuUtcn,  den  Schluü  aufbauen,  jene  Thatsachen 
könnten  nicht  urisern  »Siger  von  Brahant  betrelfen,  sondern  müß- 
ten einem  andern  Siger  beigelegt  wi-rden.  Und  hatte  Daute  von 
jenen  Streitigkeilen  Siger's  eine  gewisse  Kenntnis,  wie  er  von 
den  Joachimilischen  Wirren  sie  doch  haben  muüle:  warum  soll 
er  nicht,  sich  an  tias  tianze  der  Persönlichkeit  oder  irgend  eine 
ihm  sympathische  Seite  derselben  haltend,  in  dem  einen 
Falle  so  gut  wie  in  dem  andern  davon  abgesehen  hatjen-* 

')  F.  X.  Kraus,  Vnnie.    Sein  Lthtn  und  «etim  Werke,  win  VvrhäUnis 
sio'  KuHfit  und  Jhlitik.    Berlin  1897.  S.  786  ff. 
■•}  htmdUo  XII  134. 
*)  ErftUB,  a.  u.  O.  ä.  745  f. 


lOfi  Impossibilia  Sjgeri  de  Brabantia. 

Eine  zweite  Grundlage  von  Cipolla's  Argumentation  ist  die 
von  ihm  behauptete  Existenz  eines  Älteren  Siger  von  Courlrai. 
Es  sei  keine  Vcnvech.sUin(f  mil  Siger  von  Brabant,  wenn  EcJiard 
berichte,  nacli  ileii  Akteai  der  Sorbonne  liabe  Siger  von  Courtrai 
noch  Thomas  von  Aquino  gesehen  und  sei  einer  der  ersten  Ge- 
fährten Robert's  von  Sorbonne  gewesen;  denn  auch  H^mert 
bericlile  das  I-.etztere. 

Allein  jedenfalls  denkt  Erhard  nicht  an  die  Unler-schei- 
dung  eines  filteren  und  eines  jüngeren  Siger  von  Courtrai.  Dem 
angebHchen  Geführten  Robert's  von  Sorbonne  sclireibt  er  die 
Schenkung  von  Werken  des  hl.  Thomas  zu,  die  bei  jenem  von 
tlipollii  konstruierten  Alteren  Siger  von  Courtrai,  dem  Gegner 
des  At|uiiialen,  sifdi  ^elir  wunderlieh  ausnehmen  würde.  Bei 
Echard  ist  das  sehr  erkiärlieh.  Denn  das  Jahr,  in  dem  jene 
Manuskripte  an  die  Sorbonne  kamen  (1341),  fand  erst  Delisle  in 
einer  tlandschrifl  ^or  ehemahjren  Sorbonne.  Echard  kennt  das- 
selbe überhaupt  nicht.  Er  konnte  also  selir  wohl  jenes  Vermächtnis 
firOher  ansetzen,  wenn  er  irgendwo  einen  Siger  von  Courtrai  als 
Zeilgenossen  von  Robert  und  Thomas  von  Aquino  envAhnt  fand. 

Wie  schon  der  Umstand,  ilaü  Echard  dieses  von  Delisle 
herangezogene  Maiuiskript  der  SorbonnL*  übersehen  hat,  ui»s  be- 
weist, Iiat  l^chard  keineswegs,  wie  Cipulla  meint,  alle  Urkunden 
und  sonstigen  Manuskripte  der  Sorboime  sorgfältig  din*chstudiert. 
Für  die  St-nittorcs  or<hni^'<  Pnietiinttot'um  war  das  ja  auch  nich! 
nötig.  Vielmehr  dürfte  er  sich  hier  auf  die  Schrift  des  Heme- 
raeus  (Claude  Hem^re):  Sttrboiuie  oriyiiie»,  discipHwi,  uirt  iUth 
gtres  stützen,  auf  die  auch  Cipolla  nach  Petit-Rade!  sich  beruft 

(.lipoUa  scheint  diesen  Hemeraeus  für  einen  alten  Gewälirs- 
mann  zu  halten.  In  Wirklichkeit  ist  er  ein  motierner  Schrift- 
steller (t  1650),  dessen  Werk  keineswegs  eine  zuverlässige  Quelle 
bildet  •)■  Wir  düHen  ihm  ruhig  zutrauen,  daß  er  den  spälereu 
Siger  von  Courtrai  mit  dem  aus  der  Universitütsgeschichte  be- 
kannten alleren  Sijfer  verwechselte. 

Handelt  es  sich  aber  bei  Ecliard,  und  auch  wohl  bei  He- 
meraeus. wenn  sie  von  Siger  von  Courtrai  reden,  um  den,  der 
nach  Deiisle's   Entdeckung  um    1341    starb,   so   erhält  dadurch 


0  Siehe  oben  H.  69  Äom.  i,  wu  dws  Niherv  angegebeo  ist. 


Zar  Biographie  Siger's  von  Brabant.  103 

Cipolla's  Versuch,  den  Siger,  der  1266  und  1275  in  den  Univer- 
sitätswiiTen  auftritt,  von  Siger  von  Brabant  zu  unterscheiden  und 
ihn  mit  dem  angeblichen  älteren  Siger  von  Courtrai  zu  identi^ 
ficieren,  einen  harten  Stoß.  Diese  Annahme  Cipolla's  iet  aber 
in  der  That  völhg  unhaltbar.  Ich  will  nicht  Gewicht  darauf 
legen,  daß  die  Ausdrucksweise  in  der  einen  dieser  Urkunden: 
magistri  Sygerus  et  Sym&n  de  Brahimty  Avie  sehen  oben  hervor- 
gehoben wurde,  trotz  Cipolla's  Einsprache  es  doch  mindestens 
nahelegt,  die  Heimatsbezeichnung  auch  auf  den  erstgenannten 
Siger  mitzubeziehen  ^).  Aber  auch  CipoUa  wird  nicht  leugnen,  daß 
Siger  von  Brabant  in  jener  Zeit  bereits  der  Universität  Paris 
angehörte.  Ist  es  denkbar,  daß  da  in  einer  offiziellen  Entscheidung 
nur  von  einem  magister  Sigerus,  ohne  Heimatsangabe  oder  son- 
stige nähere  Bestimmung,  gesprochen  wäre,  wenn  unter  den 
Magistern  der  Artistenfakultät  zwei  Siger  sich  fanden,  die  zudem 
beide  zur  Nation  der  Pikarden  zählen  mußten? 

Wie  aber  steht  es  mit  dem  Thomismus  Siger's  von 
Brabant,  durch  den  er  sich  von  dem  angeblichen  älteren  Siger 
von  Courtrai  unterscheiden  soll? 

Diese  Behauptung,  eine  diitte  Hauptstütze  von  Cipolla's 
Ansicht,  gründet  sich  zunächst  auf  das  angebliche  Vermächtnis 
Siger's  von  Brabant  von  Werken  des  hl.  Thomas  an  die 
Sorbonne.  Daß  Echard,  indem  er  von  diesem  er/ählt,  Siger 
von  Courtrai  imd  Siger  von  Brabant  verwechselt  hätte,  habe 
Potvin  mit  nichten  erwiesen.  —  Die  Art,  wie  Gipolla  dies  dar- 
zuthun  sucht ,  ist  das  Musterbild  eines  rein  advokatorischen 
Plaidoyers.  Nirgendwo  wird  mit  positiven  Gründen  operiert, 
sondern  immer  nur  mit  negativen:  „es  ist  nicht  bewiesen,  daß" 
u.  s.  w.    Demgegenüber  sei  hier  nur  ein  Doppeltes  hervorgehoben. 

1)  Wenn  auch  nicht  Potvin,  dem  Cipolla  diese  Unter- 
lassung vorwirft,  wohl  aber  schon  Delisle  hat  den  gesamten 
Handschriftenschatz,  der  aus  der  Sorbonne  in  die  National- 
bibliothek gelangt  ist,  hinsichtlich  seiner  Provenienz  einer  ge- 
nauen Durchforschung  durchzogen,  dabei  aber  keine  Spur 
einer  Schenkimg  Siger's  von  Brabant  gefunden  % 

')  S.  oben  S.  58. 

=)  S.  oben  S.  67  Anm.  4, 


I(M  ImpoMihilia  Sigeri  do  ßrabantift. 

ä)  Nichl  mir  eine  einzi^^f  Sclirilt  des  Aquinaten,  wie  »icl) 
bei  Cipolla  die  Sache  darstellt,  liat  nach  Echard  Siger  vou 
Brabant  der  Sorbonne  vermacht,  sondern  vier.  Alle  diese 
vier  kehriTi  (ln^  wo  Kchard  in  d»^r  Biographie  de?  Thomas  von 
Aquiiio  dii^  Mariiiskriple  sciiii'r  Werke,  die  er  {jeseheii,  nainhatl 
macht,  wieder  als  che  Gesrlienke  des  Siger  von  Goiirlrai'). 
Wenn  bei  einer  Schrill  auch  denkbar  wäre,  daß  das  gleiche 
Werk  von  zwei  Sigoreu  geschenkt  sei,  so  ist  diese  Annahme  bei 
vier  Werken  doch  geradezu  absurd. 

Diese  Schenkung  aber  ist.  wie  hier  nebenbei  gegen  (Üpolla 
bemerkt  sein  möge,  der  einzige  Grund,  auf  den  hm  EtthaH 
seine  Behanpltm^'  von  der  späteren  Stellung  Siger"s  sowie 
Berner's  von  Ntvelles  .stülzt.  Das  wird  keiner  leugnen,  der  die 
Stelle  ■}  unbefangen  liest.  Wenn  nun  die  Berufung  auf  rlie 
angebliche  .Schenkung  Siger's  von  Brabant  liinfällig  geworden 
ist,  so  beweist  auch  die  Parallele  mit  Berner  von  Nivelles,  an 
die  Cipolla  sich  ferner  anklammert,  nichts.  W'issen  wir  doch 
nicht  einmal,  ob  beide  wegen  derselben  Sache  angeklagt 
vparen.'  UtuI  waniin  sollte  sich  das  Schicksal  der  beiden  nicht 
versL'Iiiedcn  gestillten  V 

Hinföllig  endlich  ist  der  Versuch  Cipolla's.  den  Thomismus 
Siger's   aus   den    wenigen  Fragmenten  von  Siger's  Werken    mid 
den   paar   Notizen   darüber,    die   ihm   zugänglich   sind,    zu   er- 
«iveisen.     Bei  Le  Giere   hat  er   gelesen,    daß  in  den  Impossihilk 
Thomas   von  Aquino  citierl    ist.     DaU    das   ges<:hehen    sei,    um 
Thumas  zu  bekämpfen,  erscheint  ihm  ausgeschlossen  *).    in  Wirk- 
lichkeit ist  das  gerade  Gegenteil  der  Fall,   wie   man  aus  vorlie- 
gender Ausgabe   schon  kann ').     Und   daß   auch   sonst    die   vo 
Cipolla  gegebene  Charakteristik  nur  teilweise  zutrifft,  wird  spAt 
gezeigt  werden.     Dabei   mag  hier  noch  zudem  davon  abgeseh 
werden,  ob  Siger  jene  Schrift  verfaßte  oder  ob  er  nicht  ^icime^■Äl 
in  ihr  bekämpft  wird.  < 


')  S.  oben  S.  BS  Anm.  4.  Auch  hier  sind  es  nur  eben  dieselben  xm^ 
Werke,  keine  weiteren,  die  als  Oeaclienke  Siger's  von  ConKrai  angcfDlCj 
werden,  ein  l'mstand,  der  die  tlbereinstininmn^  noch  Hcbla(^ender  macht 

')  S.  oben  S.  65  Anra.  2. 

')  A.  M.  0.  S.  109. 

*)  Vgl    S.  19,  .i-Il. 


Zur  Biographie  Siger's  von  Brabant.  105 

Sonach  ist  der  Einspruch  Gipolla's  nicht  im  Stande,  das 
durch  Delisle'y  und  Potvin's  Kritik  von  Le  Glerc's  Aufsatz  fest- 
gestellte Bild  Siger's  von  Brabant  zu  erschüttern.  Beachtens- 
werter ist  sein  Widerspruch  gegen  die  Identificiei-ung  des  Mastro 
Sighier  bei  Durante  mit  unserm  Siger. 

Gerade  über  diesen  Punkt  hätte  man  Auskunft  aus  der 
gewaltigen  Regestenpublikation  erhofft,  welche  die  jetzt  unter 
Leitung  Duchesne's  stehende  französische  Ecole  de  Home  seit 
der  Eröffnung  der  Vatikanischen  Archive  durch  Leo  XIIL 
veranstaltet.  Indes  bringen  die  bis  jetzt  veröffentlichten  Hefte 
keine  Erwähnung  jenes  Processes  in  Orvieto  ^).  Wohl  aber  be- 
stätigen sie  die  lebhafte  Thätigkeit  der  Inquisition  unter  Niko- 
laus IV.,  welche  schon  oben  (S.  88  f.)  der  von  Gaston  Paris 
gegebenen  Datierung  aufgrund  der  bereits  diesem  vorliegenden 
Quellen  entgegengestellt  wurde*). 

Eine  immerhin  nicht  ganz  unbedeutende  Anzahl  von  Daten 
zur  Lebensgeschichte  Siger's  war  es,  die  so  durch  die  Arbeiten 
verschiedener  Gelehrter  festgestellt  worden  war.  Was  dagegen 
seine  Lehrmeinungen  anlangt,  so  wußte  man  verwunderlicher 
Weise  über  dieselben  so  gut  wie  gar  nichts.  Zwar  hatte  Le 
Giere  über  die  Werke  Siger's  einige  Notizen  gegeben;  Potvin 
hatte  ein  paar  kleine  Stücke  aus  einzelnen  Schriften  ver- 
öffentlicht; aber  die  einzige  Schrift,  von  deren  Inhalt  man  ein 
klein  wenig  melu*  als  nichts  wußte,  die  Impossibilia,  war  nicht 
in  ihrem  wahren  Charakter  erkannt  und  hatte  nur  zu  falschen 
Schlössen  Anlaß  gegeben. 

Die  Aufklärung  kam  zunächst  auf  einem  Umwege.  Be- 
kanntlich hatte  im  Jahre  l!277  (neuen  Stiles)  am  vierten  Sonn- 
tag   der    Fasten    (März    7)     der   Bischof  von    Paris,    fi t i en n  e 


*)  Die  Regesten  gerade  Martin'a  IV.  fehlen  leider  noch.  Die  von 
Urbau  IV.  (von  Dorez  und  Guiraud),  Clemens  IV.  (von  Jordan),  Gregor  X. 
(von  Guiraad),  Nikolaus  IV.  (von  Langlois),  Bonifaz  VIII.  (von  Digard,  Fan- 
con,  Thomas}  erwähnen  den  Proceß  nicht 

0  Zu  den  Nummern  2776.  2779.  2780.  2781.  3186.  3220.  3378.  4475. 
4476.  5179.  5423,  5724.  6039.  6193.  6715.  6716,  welche  den  S.  88  Anm.B-5 
und  S.  89  Änm.  2  sngeftlhrten  Nummern  bei  Pottfaaat  entsprechen,  kommen 
noch  hinzu  n"  2777  (wichtig!).  2778.  2913.  2914.  4035.  4093.  4253  (die 
Apostelbrttder  betreffend).  5425.  —  Die  hier  erwfthnten  in  Orvieto  geehrten 
rrocessua  (n**  4404—4407.  6704-  6706.  6724—6726)  sind  anderer  Natur. 


106  Fmpaasibiljfl  ^igeri  de  BrAbAntia. 

Templer  i  St eplianus  de  A urelianis),  2 1  \)  Sätze  venirti-ill ') 
die,  wie  es  in  dem  Briefe  desselben  heiüt,  von  Anj^ehörip?«  der 
Arlislenfakullät  zu  Pnris  als  dtskiUierbar  *)  aufgestellt  und  als 
wahr  in  der  Philosophie,  wenn  auch  falsch  in  der  Theologie 
vt'ilL'i(]ifc't  waren  ■^),  Anscheinend  ist  jenen  Mäijneni  die  Philo- 
sophie mit  Aristoteles  und  dem.  was  sie  unter  Aristotele:?  ver- 
standen, identisch.  Diesen  Sätzen,  welche  zu  einem  groUen  Teil 
dem  Averroismns  entstammen,  waren  schon  I  :i  andere  filin- 
lichei!  t:harakk'i-s  voraufgegaiigen,  welche  im  J.  1270  Der.  10 
voti  demselben  Stephan  Tempier  verworfen  wurden  *).  Gegen 
Will  (He  Wruileilung  •'>ich  lichtete,  ist  in  den  betreffendt«» 
l^rkunden  nicht  jf'sajil.  Einzelne  von  den  1277  verworfenen 
SÄtzen,  die  das  ln<lividuationsprincip  betreffen,  hat  mau  zwur 
auf  Thomas  von  Aquino  bezogen^);  aber  weder  steht  in 
einer  einzigen  Handschrift  der  anfrcbliche  Zusatz  contra  fratirm 
Tliomitm  '•),  noch  palJl  iiul  diesen  die  in  dem  Begleitbi-iefe  von 
ilen  Urhebern  jregebcne  Schilderung'.  Es  handelt  sich  da  wohl 
nur  um  ein  zufälliges  Zusammentreffen.  Die  wahren  Adressaten 
wiireti  in  Vergessenheit  i.'<^raten. 

Da  niachlc  Ilaureau,  zuerst  im  Jahre  ISSö^.  auf  eine  noch 
unKcdruf-kte  .Schrill  des  itaymuiidus  Lullus  (vollendet  im  J. 
I^(*7)  ;^u^m^^^kÄam,  die  unter  dem  Titel  Ihdurut'm  Bfii/rnnttiU 
^iff  nun/um  tfiifhffi  et/itfi  nmfra  uliqum'um  philomphorutn  et  eitruiH 
sequacium  optuiottf.-i  erroneas  ff  tUtmtHtta,t  a  urnerftbifi  jtfttte  ifmnin» 
episcopo  Pfirifirttsi,    welche   der  Keihe   nach   jene  :il9  Sätze  be- 


')  Denifle.  Cfrnrt.  uiiütrrs.  htn'x.  I.  p.  543  ff. 

")  A.  n.  O.  S.  543.  .  ,  .  quod  noiittulli  student^s  Pari&iaa  iu  arfibu» 
projiriae  Vaciiltrttis  ümitt'ft  excedieiites  (juosduni  mftnifestos  vi  cKeeniliil« 
errores  .  .  .  quasi  dubiUhiles  in  scholis  tractare  et  disputare  prsestimunt 

"*)  vi.  n.  0.:  Dicant  enim  t^a  esse  u«ra  aecviudum  philucHiphiain.  w^ 
nou  secundnm  fidr>m  rathollniTn,  quAüi  aiiit  duae  contrariae  at>ritat«a. 

•)  Denifle,  Charfnl.  I.  p.  486  f. 

")  Schon  Aegidius  von  Born  und  Gottfried  vou  Fontainea  be- 
merkten, daß  mehrere  8jltzc  von  S:ephaii  mit  Unrecht  verworfen  eeiea.  De- 
nifle, .1.  a.  O.  8.  556. 

")  Denirio.  a    a.  O.  I.  p.  557  Note  45. 

T  B.  Haur^ftu  in:  Jlht.  Hit.  th  la  France.  T.  XXIX.  Paria  I^ 
S.  333  f.  (in  der  ausführlichen  Abhandlung:  Hainwnd  LuUe^  a.  a.  0. 
8.  1—886). 


Zar  Biographie  Siger'a  von  ßrabant.  107 

spricht  und  zurückweist  i).  Haureau  vermutete  mit  hoher 
Wahrscheinlichkeit,  da&  diese  DechraUo,  welche  unter  jenem 
Namen  in  dem  aiten  Verzeichnisse  der  Werke  LuU's  vom  Jahre 
131 1  nicht  vorkommt,  identisch  sei  mit  dem  daselbst  erwähnten 
Liber  contra  er  raren  Boet'ti  et  Siyerit "). 

Diese  Vermutung  wurde  zur  Gewißheit  durch  einen 
weiteren  Fund  Haureau's,  welchen  er  1886  in  einem  Aufsatz 
über  Boetius  den  Dänen  veröffentlichte^).  In  einer  Handschrift 
der  Pariser  Nationalbibliothek  (lat.  4391)  nämlich  sind  die  ^19 
durch  Etienne  Tempier  verworfenen  Sätze  unter  der  Rubrik: 
Contra  Segerum  et  Boetiutn  haereticos  \erzeic\mei*).  In  der  That 
konnte  Haureau  einen  Teil  jener  Sätze,  wenn  auch  nicht  wört- 
lich, so  doch  dem  Sinne  nach,  in  den  handschriftlich  erhaltenen 
Werken  des  Boetius  nachweisen^).  Das  Thema  von  der  Un- 
freiheit des  menschlichen  Willens  aber,  das  in  mehreren  dieser 
Thesen  psychologisch  und  metaphysisch  variiert  wird,  ist,  wie 
Haureau  1892  hervorhob"),  in  den  Impossibilia  Sigeri  dem 
„Sophisten*  als  fünfter  Satz  in  den  Mund  gelegt.  Freilich 
geht  Haureau  wohl  zu  weit,  wenn  er  meint,  vpenigstens  drei 
jener  Thesen  0  gäben  fast  Wort  für  Wort  die  Argumente  wieder, 
welche  Siger  in  jenem  fQnflen  Kapitel  verwende.  Aber  die 
Gleichheit  des  Grundgedankens  ist  unverkennbar.  Außerdem 
beschränken  sich  jene  Übereinstimmungen  mit  den  in  den  Jahren 


')  Eine  Begründung  findet  sich  nur  bei  den  ersten  Sätzen  und  sonst 
ab  und  zu;  meist  folgt  sofort  die  Widerlegung.  (Wegen  der  benutzten  Hand- 
scbrift  siehe  oben  S.  47  Anm.  2). 

')  Hi€t.  litt,  de  ia  Franee.  XXIX.  p.  334. 

*'')  B.  Haureau,  Vn  des  h^rAiques  condamn^«  A  flim  en  1277.  Zuerst 
erschienen  im  Journal  den  sacanta.  1886.  p.  176—183,  wiederabgedruckt  in 
Hiat.  litt,  de  la  France.  XXX.   Paris  1888.   p.  270—279. 

*)  JoHi-tt.  dfJi  sacants.  1886.  p.  177.  Hist.  litt.  XXX.  p.271f.  Xotieen 
et  extraita  V.  p.  98  f.  Vgl.  Denifle,  Chaii.  p.  556.  Dadurch  wurde  zu- 
gleich die  Subskription  im  Cod.  Paris,  bibl.  nat.  lat.  165S3:  Principalia  asaer- 
tor  iatonim  articnlontm  fuU  qttidam  clericua  bot"  appellatita  aufgeklärt,  die 
Haar^an  frfLher  {Hiat.  de  la  pkifoa.  acoL  II  2.  p.  97)  mißverstanden  hatte. 

^)  Journal  des  mrants.  1886.  p.  180  f.  Hist.  litt,  de  la  France.  XXX. 
p.  275  f. 

")  Hauröau,  Notices  et  extraOs.  V.  p.  99. 

0  Prop,  194.  208.  209. 


108  Inipossibilia  f^igcri  de  Br&bnnHa. 

1270  und  1:277  verworfenen  Sätzen  keineswegs 
fünfte  These  der  Impwsihiliit,  Wir  werden  im  folgenden  Ab- 
schnilte  mehrere  nnderweitige  Hen"ihrunK<'n  nachweisen,  die, 
wenn  auch  vieHeirlit  iiichl  ebenso  auffallend,  nichtsdestoweniger 
fast  ebens»j  bezetclinend  sind. 

Daß  aber  Si^er  in  der  That  dem  Averroismus  huldit'te. 
aus  dessen  Gedankenkreiso  die  wichtigsten  der  1370  und  1277 
verworfenen  Siltzo  stammen,  zcijrfe  Dcnifle  in  den  ErlAute- 
runtfen,  die  er  (iSStI)  in  dem  Chartiilai*  der  Pariser  UniversilAI 
zu  jenen  Sätzen  brachte  *).  Die  Abhandlung  des  Thomas  von  Aquiiio 
Von  der  üÄnkeit  den  Intelhkfes  fjegeti  die  Averroisfen ')  fuhrt  im 
Cod.  Monac.  la(.  KOOl  fol.  d9  die  Bezeicimuni::  Trmiatus  frutri» 
Thmm'  nmtra  wttijiatntm  Sitjetum  de  tttttttiff  inftUdiutt.  Aus  dw 
Scliritl  Sit,'er's  De  aninm  und  der  QuitcsHu  detenninata  u  imuji- 
nfro  Sifjnv  de  limbtiittio :  Viruvt  hftec  sit  uent  ^Hottto  est  (titimai, 
nullt/  liinnhu  fxistfnff't*^  ^)  erhellt,  dali  Siger  vom  Standpunkte 
pliilosopbisc'lier  Betrachtung'  ans  /..  B.  die  individuelle  Verviel- 
fältigung des  Intellekts  in  den  einzelnen  Menschen  als  unenveis- 
bar  betrachtete  und  dieselbe  nur  aufgrund  des  Glaubens  zugab. 
Er  stützte  die  philosophische,  d.  h.  averroistische,  Lehre  von 
der  Einheil  des  Intellekts  auf  den  Salz  -  welchen  er  geiren  ,dic 
in  der  Philosophie  hervorr:igtnden  Männer  Alherl  und  Thomas' '| 
verteidigt  -  ,  daß  die  intellektive  Seele  in  ihrem  Sein  ohne  Be- 
ziehung auf  die  Materie  sei,  und  daUsie  mit  dem  Körper  nur  in  ihrer 
Thätigkeit   (also   nicht   als  suhstanziale  Form)    verbunden   sei  ■'■). 


')  Denifle,  tltart.  uniuerM.  J^i-i.t.  I.  p.  487;  vgl.  p.  556. 

")  OpitMf.  XVI:  Dt  HHtUttr  iHUUfctwi  co»trfi  Anffrvüt»*. 

*)  Vgl.  weiter  unton  S.  115. 

*f  ,cüntrA  prAeciiiiiüs  iiiros  in  |iliilü8opliin  AlbKrtum  ft  Tbomaiu*.  Siger 
bei  Denifle,  /(.  n.  i>.  8.  4H7. 

^)  Mit  Recht  erinnert  Denifle  an  in-ttfi.  7  der  1277  verworfenen  Sütiv: 
,Quod  ititelU'ctus  non  est  formn,  '^niai  akui  riHitta  nnitis,  nee  <*st  perfectto 
essentialia  hominis',  sowie  nn  jirop.  S-1:  nQuod  ex  aensitiuo  et  intellectiao  in 
homiiie  nun  fit  Lininn  pßr  esserittam.  nist  sicat  ex  inteUigentia  et  orlw,  hoc 
est,  unuim  per  operatiunoni*'  Aus  (lfm  kleinen  BruchBtIlok,  welches  Potvin, 
HulU(i»)t  iU  l'A'-aileinir  tlt-  /til<tiqiti:  XLV.  1878.  p  356  f.  aits  der  Schrift  iJf 
animti  Ober  die  anima  iatellecttua  veröffentlicht,  ob  aic  actus  corporis  et  dans 
esse  corpori  et  ut  figura  cerao.  itii  ut  nit  ei  unit^  1a  easendo   et   non  t«ntuin 


2,m  fetographte  Siger's  von  Brabant.  109 

Eine  Natur  aber,  die  in  ihrem  Sein  ohne  Beziehung  zur  Materie  ^) 
ist,  wird  mit  der  Vervielfältigung  der  Materie  nicht  mitverviel- 
föltigt.  Zugleich  kehrt  hier  auch  die  averroistische  2)  Aus- 
rede von  der  doppelten  Wahrheit  wieder,  nach  der  etwas  falsch 
nach  dem  Glauben,  aber  doch  wahr  in  der  Philosophie  sein  soll, 
eine  Ausrede,  über  die  Stephan  Templer  in  seinem  Begleitbriefe 
bittere  Klage  führt  ^). 

Natürlich  ist  es  nicht  nötig,  anzunehmen,  daß  diese  anstö- 
ßigen Sätze  den  Hauptinhalt  von  Siger's  Lehre  ausmachten  oder 
auch  nur  alle  seine  Schriften  und  Vorlesungen  durchzogen.  Es 
gab  weite  Felder  der  Philosophie,  2.  B.  die  Natitrphilosophie 
und  die  Erläuterung  der  aristotelischen  Politik  (vgl.  Pierre 
Dubois),  auf  denen  er  sich  unbestrittenen  Ruhm  erwerben 
konnte.  Zudem  scheint  wenigstens  bei  den  1277  durch  Stephan 
Templer  verurteilten  äl9  Thesen  Boetius  der  Däne  noch  mehr 
beteiligt  gewesen  zu  sein  als  Siger. 

Als  »den  großen  Repräsentanten  des  averroistischen  Arl- 
stotelismus  im  XIII.  Jahrhundert"  betrachtet  darum  P.  Man- 
donnet  den  Siger  ^).  Leider  ist  seine  umfassend  angelegte  Ar- 
tikelfolge über  die  averroistische  Polemik  Siger's  von  Brabant 
und  des  hl.  Thomas  von  Aquino")  bis  jetzt  noch  nicht  über  die 
Vorgeschichte  hinausgekommen. 


in  operando,  in  esse  eeparata,  lehrt  nichts  Aber  Siger'd  Meinung,  da  dort  nar 
die  Stellen  des  Aristoteles  mitgeteilt  werden. 

'}  separata  a  materia. 

')  Vgl.  Philosophie  und  Theologie  rfc«  Aterroes.  Aas  dem  Arabischen 
Obersetzt  von  Marcos  Joseph  Maller.   München  1875.    S.  15.  16.  17.  22.  26. 

='}  S.  oben  S.  106  Anm.  1. 

*)  Revue  Thomiste.  V.  Paris  1897.  p.  109:  Siger  ...  est  le  grand  re- 
pr^sentant  de  raristot^lisme  averrolste  au  XIIl^  siöcle.  H  forme  Tantith^se 
la  plus  forte  et  la  plus  brillante  de  la  Philosophie  indöpendante  ä  IVgard  de 
1a  Philosophie  christianis^e  par  Albert  le  Qrand  et  Thomas  d'Aquin.  A  raison 
de  sa  räputation,  Dante  V&  placö  au  Paradia  et  en  a  fait  faire  l'^toge  par 
Saint  Thomas,  comme  de  la  personnification  par  excellence  de  la  science 
philoBopbique. 

^)  Mandonnet,  I^l^migue  averrotsle  de  Siger  de  Brabant  et  de  Saint 
Thomas  d'Aquin,  in:  Remie  Thomiste.  T.  III.  Paris  1895.  p.  704—718.  IV. 
1696.   p.  18-35.    689-710.    V.  1897.  p.  94-110  (noch  anvollendet). 


112  Impossibilia  Sigeri  de  Brabsntia. 

politische  Stellung  des  letzteren  nicht  das  Geringste.  Erscheint 
doch  bei  Dante  wie  bei  Dubois  Siger  zwischen  Albert  dem 
Großen  iind  Thomas  von  Aquino.  Diese  [aber  wird  doch 
niemand  zu  kirchenpolitischen  Gegnern  des  damaligen  Papst- 
tums machen  wollen. 

Weit  eher  denkbar  ist  die  Identität  beider  Siger,  falls 
Castets  mit  seiner  Deutung  der  Stelle  bei  Durante  sich  im 
Rechte  befinden  sollte.  Freilich  ist ,  wie  eingeräumt  werden 
muß,  das  treibende  Motiv  .für  diese  immerhin  nicht  zunächst 
liegende  Deutung  eben  das  Bestreben,  Dante  und  Durante  in 
Einklang  zu  bringen;  aber  unmöglich  ist  sie  ja  nicht.  Bei  dieser 
Deutung  bliebe  als  thatsäcblich  nur  zurück,  daß  Siger  zu  Orvieto 
am  Sitze  der  Kurie  im  Elend  gestorben  ist,  und  zwar  im  Zu- 
sammenhange mit  der  Gegnerschaft  der  Mendikanten.  Daß  ein 
Inquisitionsproceü  gegen  ihn  vorlag,  ist  nicht  einmal  gesagt  *). 
Wenn  nun  die  Verfolgungen,  welche  Siger  von  Brabant  seitens 
des  französischen  Großinquisitors  Simon  Duval  thatsäcblich  er- 
fuhr, und  die  Verurteilung  mehrerer  seiner  Sätze  durch  Stephan 
Templer  Dante  nicht  hinderten,  den  Siger  unter  den  großen 
Theologen  anzuführen,  so  war  es  immerhin  möglich,  dafi  er 
auch  gegenüber  dieser  Fortsetzung  des  früher  schon  B^onnenen 
nur  den  hohen  Ruhm  ins  Auge  faßte,  welchen  Siger  als  Lehrer 
genossen  hatte.  Jene  Verurteilungen  mochte  er  vielleicht  ebenso, 
wie  die  früheren  (wenn  er  von  diesen  Kunde  hatte)  als  solche 
betrachten,  die  bloße  Schulfragen  betrafen.  Er  mochte  darum 
eine  solche  Verhandlung  —  allerdings  unter  Mißkennung  ihrer 
eigentlichen  Bedeutung  —  auf  eine  Stufe  stellen  mit  der  Ver- 
urteilung, die  der  Erzbischof  von  Canterbuiy,  Robert  Kilwardby, 
selbst  Dominikaner,  1277  März  18  unter  Zustimmung  sämtlicher 
lesender  und  nichtlesender  Magister  von  Oxford  über  30  Sätze 
aussprach  -),  darunter  mehrere,  die  von  Thomas  von  Aquino  ge- 
lehrt waren,  sowie  eine  Anzahl  von  grammatischen  und  logischen 
Quisquilien ').     Daß  Siger,  der  berühmte  Magister  von  Paris,  am 


')  S.  oben  S.  82. 

')  Denifle,  Chartuf.  nntHern.  Pnn's.  I.  p.  558  f. 

^  z.  B.  werden   die  SftUe  verworfen:    J'Jgo  rurrit,    tu  rurrit,    r^rrit  «t 


tnt  Biograpliie  Siger^s  von  firabant.  lll 

Daß  aber  Siger  noch  bei  den  Zeitgenossen  Dante's  in  der 
That  eine  solche  Wertschätzung  genoß,  sehen  wir  aus  Dubois' 
Schrift  De  recuperatiane  terrae  sanctae.  Drei  theologisch-philo- 
sophische Schriftsteller  seiner  Zeit  erwähnt  er,  die  Schriften  von 
dreien  will  er  in  seinen  ünterrichtsplan  einfügen ;  und  das  sind 
—  wie  bei  Dante  — :  Albert,  Thomas  und  Siger  von  ßrabant '). 

Aber  wie  verhält  es  sich  mit  dem  mastro  Sighier  Durante's, 
der  zu  Orvieto  am  römischen  Hofe  a  ghiado  a  gran  dolore  den 
Tod  fand?  Ich  gestehe,  daß  ich  große  Bedenken  trage,  in  ihm 
den  Sigieri  der  göttlichen  Komödie  wiederzufinden.  Einen  Mann, 
der  mit  dem  Schwerte  hingerichtet  wurde,  hätte  Dante  gewiß 
nicht  in  das  Paradies  versetzt,  ohne  jenes  Umstandes  zu  geden- 
ken und  ohne  seiner  Überzeugung  von  der  Unschuld  desselben 
Ausdruck  zu  geben.  So  ist  er  bei  Pietro  delle  Vigne  verfahren, 
dem  er  wegen  seines  Selbstmords  in  der  Hölle  seinen  Platz 
anweisen  mußte,  den  er  aber  von  dem  Vorwurf  des  Verrats  an 
seinem  Herrn  freispricht,  welcher  ihn  in  den  Tod  trieb  -).  Und 
daß  etwa  eine  Gemeinschaft  in  kirchenpolitischen  Ansichten  Dante, 
wie  Pierre  Dubois,  mit  Siger  von  Brabant  verband,  daß  dieser 
wegen  eines  Angriffes  auf  die  Herrschaft  des  Papstes  in  weltlichen 
Dingen  zum  Tode  durch  das  Schwert  verurteilt  wurde,  ist  eine 
gänzlich  unbewiesene  Annahme  von  Gaston  Paris.  Unter  den 
Schriften  Siger's  findet  sich  keine  gegen  das  Papsttum  gerichtete. 
Die  Erläuterung  der  aristotelischen  Politik,  an  die  Paris  denken 
möchte,  bot  kaum  Anlaß  zu  solchen  Exkursen.  Das  Wenige, 
was  wir  von  diesen  Vorlesungen  wissen ,  zeigt  einen  engen 
Anschluß  an  den  aristotelischen  Text  %  Auch  Wilhelm  von 
Saint-Ämour,  in  Verbindung  mit  dem  wir  Siger  als  Gegner  der 
Mendikanten  fmden,  steht  jenen  Kämpfen  zwischen  Papsttum 
und  Kaisertum  gänzüch  fem.  Der  Umstand  aber  —  G.  Paris 
legt  Gewicht  auf  ihn  ^)  —  daß  Dante  und  Dubois  in  der  rühmen- 
den Erwähnung  Siger's  übeinstimmen,   beweist  für   die  kirchen- 


■)  S.  oben  S    72. 

')  Inferno  XIIl  31  «f. 

')  S.  oben  S.  78  Anm.  2.    S.  98  Anm.  4  and  weiter  unten  S.  115  f. 

')  S.  oben  S.  Sti. 


tu  imposaibilm    Sigeri  de  ßrttbuitJa. 

4)  Von  den  zumeist  averroislisclien  Sätzen,  die  durch 
Stephan  Teinpier  1:^77  verworfen  woirden,  geht  ein  Teil  auf 
Si^er  von  Brabanl  zurück.  Wahi'Si^hoinlich  hfinffl  es  hiermit 
zusaniiiien,  «iaU  Simon  Duvaf,  der  Groliinquisilor  von  Kraiiki*ei'h, 
ihn   I  ^78  vor  sein  Gericht  foriJerte, 

Ti)  Damals  Iialle  sich  Sl^cer  bereits  wieiler  in  seine  Heimat 
naoh  LüHicIi  begaben,  wo  er  ein  Kaiioiiikat  bekh^idete.  ObiT 
sein  späteres  Leben  hal)en  wir  keine  siciiore  Kunde. 

G)  Es  ist  möglich,  dalä  Siger  von  Brabant  identisch  ist 
mit  dem  iuimfytt  Sigfiiff^  der  nach  der  itahenischen  Bearbeitung 
des  franicAsisfiien  Rns.'tiroinans  zu  Orvietn  am  Sitz  der  rTunischfii 
Kurie  im  Kleml  starb,  und  zwar  wahrsolieinHclier  lä90  oder 
1291  als  in  den  Jaliren  I28I  bis  1284.  Vorausgesetzt  ist 
dabei,  dalJ  diese  Stelle  nicht  von  einem  Tode  durch  das  Schwert 
sprirht,  in  wc^eiinm  Falle  die  IdrntilK'ii'nmg  fallen  zu  lassen  wäre. 

7J  Siger  ifehörle  zu  ilen  berühmten  Lehrern  tler  Pariser 
Universität.  Zeuj^re  davon  ist  Pierre  Duboia,  der  ihn  nebt'ii 
Albert  den  Grotien  und  Thomas  von  Aquino  stelll,  und  Dante, 
der  sein  Lob  ilem  fil.  Thomas  in  den  Mund  tcgL 


Sclirifteii. 


^ 


Schriften  Siger's  von  Brabant  sind  uns  erhalten  zu- 
nächst in  drei  Manuskripten  der  Pariser  Nalionalbibüolhek.  Icli 
gebe  hier  nach  l'.h.  Potvin  ')  das  Verzeichnis  derselben. 

I)  injutsnihiVut  Stff/eri  ifr  lirtitttutrla  (lat.  HJ:i97,  s.  XIÜ.. 
fol.  lOG).  Im  Vorstehenden  gedruckt.  Über  die  Verfasseifmgo 
im  folgenden  Abschnitt. 

i*)  (^uftiftm  licfcrtttlnatio  St/gert  Mttyn'i  (? jedenfalls  tnnffiatn) 
f/f  Hntl*ftuna  tfe  I'^ernitaif.  murnfi,  st  qua  sit.  (lat.  Hiä2li. 
s.  XIV,  fol.  74— 7(;.  ohne  fnn'pit  und  hUpUdt.  Der  Titel  nach 
dem  aus  dem  XIV.  Jahrh.  stammenden  Register). 

M  DtfJh'fius  fif  rAttui.  ,rr  litlt/ipif.  XLV.  IS78.  p.  343.  —  Die  Notiieii 
ilus  tiivi'utairee  in  iler  Ifih/iolhifjitr  >ir  f'/rolr  ilri  rhaiirM.  T.  XXX.I.  Ann« 
INTÜ.     Pm-is  IH71.     p.  40.   4$.    136   aind   sehr   dürftig.     Die    Cberaiclit   bei 

Ci|)nllu,    ffinnt.  .stnr.   t/i'iht   iHt.   ih$i.   VIII,  p.  f!ß— HU   MÜtZt   BH'll   auKiwliliri)- 
Iti-li  nur  l'utvip  uuU  Le  Clcrc  und  )>ringt  uii;h.U  nouos. 


Schriften  Siger's  von  Brabant.  115 

^)  hmphmf  QueMhnes  naturales  a  magiairo  Sy<fevo  de 
Brabancia  (lat.  10133,  fol.  33v,  in  roten  Buchstaben;  ohne 
J'Jj-plieit). 

4)  IiH'ipiunt  Quesfhues  de  Anima  inteUecftuu,  ordhtafe  a 
nHujistro  Hygevo  de  Brabaneiu  (ehd.  fol.  58^). 

JLrpliriunt  Questiones  de  Anima  intellectfua  ortUnate  a  magi- 
sfro  Sigero  de  Brahuncia  (ebd,  fol.  58v). 

Zwei  Fragmente  daraus  veröffentlicht  von  Potvin. 

5)  Incipiunt  Queafioties  logicales  ordinafe  a  magUtro  Sigero 
de  Brahancia  (ebd.  fol.  58v,  ohne  Explicif). 

Dazu  kommen  noch  zwei  weitere,  von  Denifle  nach- 
gewiesene Stücke, 

i\)  die  Questio  dehrminafa  a  maginiro  Sigero  de  Brahancia: 
Vtrum  hec  .s/7  aera  „Hwno  est  animal  nuUo  existente**'^  in  einer 
Handschritt  des  Dominikanerkonventes  zu  Wien  (XIV.  Jahr- 
hundert) '),  und 

7)  eine  Sanmdang  von  Sfiphiamen  „magisfri  Segeri  de  Bra- 
iMinna^  welche  zusammen  mit  dem  Sophisma  Omnis  fenix  est 
(_'le.  des  Petrus  von  Alvernia-)  in  einer  fragmentarischen 
Ilnndschrift  des  Vatikanischen  Archivs  sich  befindet  ^). 

Eine  Täuschung  war  es  dagegen  ohne  Frage,  wenn  Ker- 
vyn  de  Leltenhove  ^)  in  einer  Handschrift  der  Abtei  von 
Dunes  „das  Werk  des  Siger  von  Gulleghem*"  (über  diese  Be- 
zeichnung siehe  oben  Seite  75),  „an  das  der  Verfasser  des 
Buches  De  Hecuperatinne  terrae  sanetae  anspielt",  glaubte  wieder- 
gefunden zu  haben.  Freilich  zeigt,  was  er  aus  derselben  ab- 
druckt-), Ähnlichkeit  mit  dem,  was  Dubois  aus  Siger's  Vor- 
trägen  mitteilt').      Aber    der   Grund   für   die   Übereinstimmung 


')  Denifle,  atai-tul.  uniners.  Fbr.  I.  Paria  1889.  p.  487  Note. 

■)  Vom  Kardinallegaten  Simon  de  Brie  1275  bei  Schlichtung  der 
Streitigkeiten  zwischen  der  pars  AJberici  und  Aer  ptirn  Siyeri  (8.  oben  S.  61) 
zum  Rektor  der  Pariser  Universität  bestellt:  Denifle,  Ckortul.  I.  p.  530. 

')  aiartul.  UMtuers.  Fttr.  II  [1].  Paria  1891.  p.  65.  n"  590  Note. 

*)  Btttlet.  de  VÄcad.  de  Belgiqtie.  XX,  1.    1853.  p.  255  n.  1. 

'')  A.  ii.  (K:  Homo  habet  passiones  sibi  conianctae  Passionea  autem 
distrahunt  uolunti;teni  et  faciunt  deuiare  a  recto  fine  et  peruertunt  iudicium 
rationia.    Lex  nullaa  habet  pasaiones  et  non  potest  deuiare  a  recto  lino. 

*')  S.  oben  S.  73  Anm.  2. 

8* 


11« 


tmpofuibilJA  äigeri  du  ßrabantiA. 


liegt  offenbai  darin,  dafü  beide  dieselbe  Stelle  der  Aristotelischen 
Politik  umschrieben  ').  Was  Kervyn  de  Lettenhove  sonst  anftihrt, 
ist  ohne  jedes  Gewicht  ■). 

Ehensowenij?  brauchen  wir  wohl  nricli  einer  Schrift  Siger's 
über  die  Sophisdri  ehttrhi  des  Aristoteles  zu  suchen.  Was 
ältere  Dante-Kommentatoren  von  Voriesungen  Siger's  über  diese 
Schrill  berichten  ■'},  ist  nur  zur  Erkirmnig  der  invUUosi  veri  bei 
Dante  ausgedacht. 


rV.  Inhalt,  philosophiegeschichtiiche  Stellung 
und  Verfasser  der  Schrift 

Die  mancherlei  und  zum  Teil  nicht  geringen  Schwierijf- 
keiten,  welche  die  vorliegende  Schrift  dem  Verständnis  bietet. 
werden  eine  Analyse  der  Hauptgedanken  der  einzelnen  Kapitel 
wünschenswert  erscheinen  lassen,  bei  der  sich  zugleich  die  Ge- 
legenheit biel4't.  verschicdeno  Finzelhfiti;n  sachlich  und  historisrb 
zur  Besprecliuu|if  und   Erklärung  zu  hringCM. 

Ich  werde  dabei,  um  diese  Schrift  nicht  allzu  sehr  zu  be- 
schweren und  nicht  mehr  zu  bringen,  als  zur  flharakterisierung 
notwendig  ist,  nur  zwei  Kapitel,  das  erste  und  dritte,  ausfilhr- 
liclier  behandeln,  dits  erste  wegen  seiner  sachlichen  Beileulung, 
das  dritte,  weil  es  in  seiner  knappen  Kürae  die  beste  Gelegen- 
heil giebl,  fast  Satz  für  Satz  die  Quellen  und  die  Stellung  zu 
den  zeitgenössischen  Problemen  zu  verfolgen.  Eine  genaue 
sachliche  und  historische  Analyse  dieser  Kapitel,  verbunden  mit 
einer  kürzeren  Übersicht  über  die  übrigen,  wird  genügen,  um  das 
Veriahren  des  Verfassers  und  seines  Uegners  aufzuzeigen  und  so 
die  Grundlage  für  eine  Würdigung  imd  philosophiegeschichtiiche 


')  Arifltot.  i^^ht.  HI  16,  p.  12B7  a  18  ff.  (die  Stelle  ist  schon  obeo 
8.  73  Anm.  2,  Kndi?,  mitgeteilt). 

^)  Denn  Ualj  in  dem  Tniktat  die  Phrase  ttylhgizantem  nnt  instarifüiw 
ffrentem  vorkommt  iK4>rvj*n  de  Lettenhove.  o.  n.  0.)  und  sogleich  darauf  das 
Wort  siflhijtziirt'  erklart  wird,  beweist  nicht  das  Geriiigato,  da  kein  Kenner 
der  mittelalt erlichco  scbaliuftischen  TtTtninoIogie  in  dum  Gebraaobe  dea  Wor- 
tes mjlfoffiiiirr  etwas  Charakteristisches  finden  wird. 

")  S.  üben  S.  57  Anm.  :l 


Tahnlt,  phiLi^apbit^gesrliiuhtlirhn  Stolliing  und  Verfnaaer  der  iSchriFt.     117 

Charakterisierung  zu  bieten.  Änfginiud  dieser  kann  denn  auch, 
tioweil  das  Material  os  /.ulfißt,  dio  Wrfasserlrage  ihre  aus- 
reichende l^iicdigung  (iiidon. 

1. 

Oegonüher  dem  weniKsteiis  in  der  ontologist-hen  Fa&iun(? 
diirctiaus  iinzulärnjtliclien  (Jottesbeweit^e  Ant-ehu's '),  welcher  aus 
deni  [JegrilTe  lloltes  als  des  vollkommensten  Wesens  —  den  selbst 
der  Thor,  wenn  er  nach  dem  biblischen  Wort  in  seinem  Herzen 
spricht :  „Es  giebl  keinen  Gott" ,  doch  in  seinem  Verstände 
findet  —  die  Existenz  Gottes  auch  autaerlialb  des  Verstandes  dar- 
thun  sollte,  hatte  einst  Gauniio»  der  Mönch  von  Mannouliers,  die 
Verteidigung  dieses  Thoren  fibernomnion.  Viel  weiter  geht  der 
«Soplijst",  den  imsere  Schrift  iti  der  Versarnniluii^'  der  Pariser 
Magister  seine  Thesen  antslellen  lüüt.  Nielit  btuU  einen  be- 
stininilen  einzelnen  Beweis  füi*  die  Existenz  Gottes,  we  den  on- 
tologischen  Anselni's»  den  mit  Thomas  von  Aquino  •)  fast  die 
ganze  Scholastik  verwirft,  sondi'm  die  Existenz  Gottes  selber 
greift  er  an.  Allen  Be^weisfülnMingen  gegenüb(T  sucht  er  die 
Atmahme  Gottets  als  überflüssig  und  den  in  diesen  Beweisen 
vorausgesetzten  Begriff  Gottes  als  widersprechend  dar/.uthun. 

Der  erste  Angriff  rirhtet  sieh  gegen  die  Beweisfühnmg, 
welche  Gott  daraus  erschließt,  dali  sie  die  Atuiahme  einer  ein- 
heitlichen Ursache  der  Well  als  notwendig  erweist.  So  hatte 
z.  B.  Alanus  von  Lille  in  seiner  Ars  fidel  cathofmie  (I  c.  1  ff.) 
in  fein  gegliederter  Darstellung,  welche  durch  Bestimniung  des  Ver- 
hältnisses der  Ursachen  zu  einander  von  der  Vielheit  iler  Ur- 
sachen  zu   der   einen  göttlichen  Ursache  aufsteigt,   die  Existenz 


')  Auf  die  dorch  Bedn  Adihtich's  eiadringende  L'ntcrsuchuogen 
[litiiwiojthUchrit  Jiißtrburh.  YIU.  Fulda  1896.  a  52-69.  37-2— 3^9.  IX.  1896. 
a  280-2117.  X.  1897.  S.  261—274.  394—416)  wieder  akut  g*.wordene  Vrtt^e, 
ob  da»  ArgumeDt  in  Anselm'tj  l'roslogium  im  oDtoLogischeu  oder  im  psycho- 
logischen Sinne  gemeint  sei,  kann  hier  nicht  eingegaogcn  werden. 

^  Tnier  ausdrftclcüclif^r  NamenRiiennnng  ftihrt  Thomas  Aqu.,  Dv  lu-ri- 
tfifc  q.  10  a  12  obiect.  2  das  Argument  ausi  Anaelui's  ProMlogium  an,  um 
PS  dann  (ad  2.)  zurUckmw eisen.  Vgl.  aach  I  Sntt.  d.  3  q.  1  a.  3  ad  4. 
Beda  Adlhoch  hat  dies,  a.  a.  O.  Vlll,  S.'  389  und  X.  S.  262  ff.,  doch  nicht 
genügend  xiir  <ieltung  kommen  hkssen.  indem  er  sieb  aiuschlic&lich  auf  das 
corpus  arliculi  stützt. 


118  Impoesibilia  Sigeri  He  Brabftntia. 

Gottes  dargethan^).  und  ähnliche  Gedankenreiiien  sind  in  jener 
Zeit  ganz  gewöhnlich.  Dem  gegenüber  soll  bewiesen  werden, 
dati  nicht  alles  Eine  Ursache  habe.  Dabei  wird  die  aristoteli- 
sche Vierteilung  der  Ursache  zugrunde  gelegt :  Material-,  Formai-, 
Zweck-  und  bewegende  Ursache.  Einfach  liegt  die  Sache  hin- 
sichtlich der  beiden  ersten  Ursachen.  Daß  auch  nicht  alles 
Eine  ZAveckursache  habe,  Avird  daraus  gefolgert^  daß  eben  nicht 
alles  einen  Zweck  habe.  Denn  Zweck  ist  das  Ziel,  das  erstrebt 
wird.  In  dem  Mathematischen  aber  giebt  es  ein  solches  Ziel 
nicht,  und  darum  hat  es  auch  keine  Zweckursache.  Ebensowenig 
haben  die  Intelligenzen  eine  solche.  Denn  ehien  Zweck  giebt 
es  nur  für  die  Bewegung,  oder  für  das  Bewegende,  oder  für 
das  Bewegte.  Die  Intelligenzen  sind  aber  weder  Bewegung, 
noch  Bewegtes,  noch  im  eigentlichen  Sinne  ein  Bewegendes; 
denn  sie  bewegen,  wie  unter  Berufung  auf  eine  vom  ersten 
Beweger  handelnde  aristotelische  Stelle  gesagt  wird  =*),  nur  hi 
soweit  sie  von  anderem  begehrt  werden,  nicht  so,  daiä  sie  selbst 
anderes  bewegten.  Endlich  hat  nicht  alles  Eine  Wirkursache, 
denn  diese  ist  Princip  der  Bewegung,  Bewegung  aber  hat  nicht 
alles  (S.  1,9-2,3). 

Schon  dieser  erste  Beweisgang  ist  in  hohem  Matie  charak- 
teristisch für  den  Standpunkt  des  Beweisführenden.  Für  ihn 
gilt  nur  der  averroistische  und  neuplatonisch  moditicieite 
Aristotelismus,  von  dessen  V'oraussetzungen  aus  dann  freilich 
die  wichtigsten  Sätze  eben  dieses  Aristotelismus  bekämpft  werden. 
Aristoteles  hatte  den  Gottesbeweis  aus  der  Bewegung  des 
Weltalls  geführt ").  Darum  ist  dem  Disputator  die  bewirkende 
Ursache  nur  da  vorhanden,  wo  Bewegung,  und  zwar,  wie  offen- 
bar gemeint  ist,  Bewegung  im  eigentlichen  Sinne  vorliegt.  Auf 
Averroes  oder  auf  den  Liber  de  cuusis  aber  werden  wir  gewie- 
sen, wenn  den  InteUigenzen  hier  eine  so  bedeutsame  Stellung  im 
BeAveise  zufällt.     Außerhalb  des   averroistischen  und  neoplatoni- 

')  Vgl.  z.  B.  dio  Zusammenstellung  bei  M.  Baumgartnor,  Dif  Iftilo- 
snphif  (ie.t  Alnitm  th-  IhxhUm.  Münster  1896  {Beitrdi/v.  z.G.  d.  Phif.  d.  M.-A. 
II,  4)  S.  107.  Anm.  2. 

■')  S.  S.  2  Anm.  1. 

')  Aristot.  i%«.  Vlll  5,    p.  256  a4tf.     MiUiph.  XU  6,  p.  1071b3flf. 


lubiilt,  pliili>»uphiegescliichtliche  Ste'luug  um)  Verfusst'r  der  Schrift.     119 

äierciuleti  Kroises  findet  muri  sich  mil  diesen  natiiraUstisch  gefax- 
ten Geislwesen  ab,   stellt  sie  aber  nicht  iii  den  Vordergrund. 

Der  zweite  und  der  dritte  Beweis  operieren  in  wenig 
origineller  Weise  mit  nit'hrdeutigen  Aiisdrricketi.  Schon  An- 
sei ni  im  Mitnoltttjiuin  liatte  sich  mit  dem-n  bescliüHigt,  welche 
die  Lehre,  dali  Gott  die  Welt  aus  nichts  geschaffen,  dahin  ver- 
standen, daü  sie  das  Nichts  hyposlasiertea  und  üur  Materie  der 
göttlichen  Weltschöpfun^  machten.  Dem  gegennher  stellt  er  als 
den  Siim  der  Lehre  den  fest:  aus  ,nii*l»ts",  d.  h.  , nicht  aus 
etwas*.  So  sage  man  auch  von  jeniundem,  er  betrübe  sieh 
über  nichts,  nicht  als  ob  das  Nichts  (iegensland  seiner  Be- 
tiübnis  sei,  sondern  weil  er  keinen  Gruiui  habe,  sich  zu  tje- 
Imben ').  Mil  derselben  Amphibolic  argtmieiiliert  unsei*  Uis- 
IHitant:  fc^  jriebl  kein  erstes  Princip  sctileclithin,  denn  das  Ei-ste 
ist,  wovor  nichts  ist;  wenn  aber  ein  Nichts  vor  dem  Ersten  ist, 
so  ist  es  nicht  n»ehr  das  Erste  (S.  ^,  4 — 7). 

Ähnlich  steht  es  mit  dem  folgenden  (dritten)  Beweise. 
Den  Bahnen  Augustinus  folgern!,  hatte  Anselm  im  Mouologiuni 
eijien  dreifach  gegliederten  Gottesl>eweis  entwickelt,  der  alles 
(lUte,  Grolie,  Seiende  auf  ein  hijchstes  Gut,  ein  erstes  Grölätes, 
ein  ei-stes  Seiendes  zurückführt,  das  durch  sich  (per  ne)  gut,  groLi, 
seiend  ist.  Um  j<'iles  .Miiäverständnis  zu  entfernen,  uniersucht  w 
dann,  in  welchem  Sinn  man  etwas  ^durch  sich  seiend"  nennen 
köinie '%  Ausdn'iiklich  scliliet.^1  er  die  Annahme  aus,  als  Sfi 
liabei  an  die  hewirki-nde  Ursache,  oder  an  die  StoÖursachr, 
oder  an  irj^'t-ndwelcbe  Instruim-ntalursache  zu  denken.  Seine 
eigene  Meinung  erläutert  er  durch  ein  Gleichnis.  Wie  das 
Liebt  'futrfi  sich  leuchtet  und  «^in  Leuchtendes  ist,  wo  gilt  vom 
höchsten  Wesen,  daü  es  i/uiwh  sich  ist  und  ein  Existierendes 
ist**).     Durchaus   vermeidet   es   deshalb  die  Scholastik.   Gott  als 


•)  Anselm.  SJ.moltMj.  c.  8  UMigne,  Patrol.  Ut.  T  15K  cu(.  lö«  f.)  Vgl. 
auch  ThomasAqu.,  />«'  ptttmiitt  qaaeat.  3  'tf  rrntt.  a.  l  ad  7.  Hi'knnntltch 
Jialwii  durch  deii^i-Ibcn  TmgsciiluG  Wolff  und  Haumi^art  cii  veniiicht,  d«« 
Ge.seU  der  Kausalität  auf  das  di>H  Widot-ttpruchH  zurtlckKU führen. 

*)  Anselin.  Mmmhuj.  c.  1—3. 

")  A.  a.  0.  c.  6. 

*)  A.  a.  O.  c.  6  (Migne,  Patrol.  lat  T.  158  col,  152  f.):  Vnomodo  ergo 
(andern  ense  intnUigend»  est  per  ee  et  ex  ae,  tii  (der  Druck  bei  Migoe  fUJsch- 


lüO 


ImpOBsibilift  Sigcri  de  Brnbantia. 


Cfitisa  tsi4i  zu  bezeichnen.  »Nichts  ist  Ursache  seiner  selbst', 
sa[ft  ja  Hchon  Alanus  von  Lille')  schlechthin  und  ohne  von 
diesem  Satze  für  das  absolute  Sein  eine  Ausnahme  zuzulassen. 
Jener  bcsonriers  dun-h  Spinoza')  verbreitete  Ausdruck  ist  der 
rdleren  Sofioiastik  so  fremd,  wi*.*  di-r  Bc^rifT  —  oder  vielmehr  Un- 
begriff — ,  der  durch  jen^n  Ausdruck,  will  man  seinen  Sinn  niclil 
völlig  miideuten,  allein  bezeidmet  werden  kann  "O-  Sie  stellt  nicht 
das  durch  sich  selbst  Verursachte  (eausatttut  /)cr  se)  und  das 
durch  ein  anderes  Verui*sachte  fraumtum  jtrr  nUuil)  in  Gegens;itz. 
sondern  das  durch  seine  Wesenheit  Seiende  ietis  per  essentiamK 
d.  h.  das  Seiende,  dessen  Wesenheit  es  ist  zu  sein  (existieren), 
weil  es  lauterer  Akt  ist.  und  das  durch  Anteilnahme  Seiende 
(e}m  fjer  itftrticijjfffhmemf,  d.  h.  das  verursachte  Scientlc,  bei  dem 
die  Wesenheit  erst  durch  eine  Äußere  wirkende  Ursache  Existenz 
erhält.     So  z.  ß.  Thomas  von  Aquino*). 

Unser  , Sophist*  ist  hierdurch  nicht  beriihrt.  \Veim  iJoll 
ist,  argumentirt  er,  so  ist  er  entweder  durch  sich,  oder  durch 
ein  anderes  seienii.  Im  ersteren  Falle  müfäte  er  Ursache  seiner 
selbst  sein,  was  unmöglich  ist;  im  andern  wäre  er,  weil  venire 
sacht,  nicht  GoU  (S.  2,8-11). 

lieh  sie)  nee  ipaa  »t?  fecit,  iiec  ipsa  eihi  materia  exöttiit.  nee  ipsa  «e  qHolilvel 
modo,  iit  (]uuil  nun  oral  esset,  adiimit,  nisi  forte  eu  modo  intcUigmidum  aulv- 
tor,  quo  dicitar  quia  lax  luc^t  uel  Ittcena  est  por  se  ipsam  et  ex  s«  ipsa?  Qnoni 
aiT  modum  enim  bcbc  habent  aä  Inuic^m  lux  ot  luccro  et  lucens,  sie  sunt  nA 
HC  inuirem  «'saentia,  e^se  nt  piio.  hoc  «at  existena  aiu«?  Hubaietena.  Krieo 
summa  easentia  et  sainme  esse  et  summe  eiis,  id  eat  summo  existetis  aiue 
aumme  Bubsistens,  non  diasimiliter  sibl  conuenieiit,  quam  lux  et  lucere 
et  Iticcns. 

■)  Alanue.  .hw  fitfei  I.  prop.  8  (Migne,  Patr.  Ut.  T.  2IU  col.  600  A; 
vgl.  Beweis  von  prop.  10,  i-M.  B), 

')  Spinoza,  Eth.  I.  def.  1:  Per  oansain  aui  intelligo  id  cuius  essentt« 
inuoluit  exifitentiani,  siue  id  cuius  natura  nou  pot«st  concipi  nisi  existent. 

^  Auch  die  nt-uereu  Schriftsteller,  welche  den  Standpunkt  der  Schola- 
stik vertreten,  enthalten  sich  sameiHt  jenoa  Ausdrucks.  So  bezeichuet  ihn 
z.  B.  J.  B.  Heinrich,  DotjmuUHche  Thrafotfit.  Bd.  III  Mainz  1879.  S.  351. 
Anna.  I  als  .minder  pnasend". 

*)  Man    vergleidu'  darUbor   die  Üarlegungen  von  Gnndisalv  Keldner, 

DiV  SOfjenitunte  Asfitfit  fiottct  rt/.v  konniitiitirf»  Princip  deiner  W'iisnthrH,  in: 
Jiihrimch  ßp-  Ittifomj^lr  uAtt  nfjff,uflatirf  llieohgie.  Bd.  VH.  Paderlwm  1893. 
S.  421-444,  der  biermr  reiche  Belege  giebt  (bea.  3.  480  t[.). 


Inhalt,  philosophie^ii'Hchichtlirhe  Stellung  und  Verfii8«or  dor  Ü>clirift..     121 

Es  folgen  «Irei  Beweise  —  oder  vielmehr  rlrei  Variationen 
Eines  Beweises  — ^  die  uns  auf  das  deullichste  die  Abhängigkeit 
unseres  „Sophisten"  von  dem  durch  die  Araber  verniitteltcn 
Neuplatonisnius  beweisen.  Der  GnnKigectanke  von  allen  drei 
dürfte  dem  —  auf  des  Proklus  orotxfJtoats  OeoÄoytxt'j  zurfiek- 
gehendon  —  Lther  tit  rausis  oder  einer  andern  älmlichen  Quelle 
entnonunen  sein.  Unter  dem  höchsten  Sein  der  ersten  Ursache, 
das  noch  über  der  Ewigkeil  steht,  werden  in  dieser  Schrift  iin- 
tersciiieden:  das  Sein  der  InleHigenz,  das  mit  der  Ewigkeit 
gleir-hslrtit;  diis  Sein  der  Seele»  welches  nach  der  Ewigkrti  imd 
i5bor  der  Zeil  —  im  Horizont  der  Ewigkeit  -  ist'):  endlich 
die  zeitlichen  Wesen  =).  Was  in  der  Zeit  entsteht  und  vergeht. 
Ist  entweder  aus  Teilen  zusammengesetzt,  die  sich  loslösen 
können,  oder  bedarf  zu  seinem  Bestände  eines  Sul)strate.s  von 
dem  es  sich  trennen  kann.  Was  dagegen,  wie  die  Intelligenz  =*), 
nicht  zusammengesetzt  ist  und  nicht  in  einem  andern  Dinge 
subsistiert,  sondern  einfach  ist  und  darum  nicht  durch  seine 
Teile,  sondern  durrh  sioh  selbst  subsirftierl.  ist  ewig,  un- 
veriinderlich  und  unzerstörbar*).  Denn  ein  solches  einfaches 
Wesen,  welches  durcli  sich  selbst  subsistiert,  ist  nicht  hervor- 
gebracht von  einein  JUKh'rn  Dinge  ^),  es  hat  nicht  eine  von  ihm 
verschiedene  Ursache  seines  Besteliens,  von  der  es  sich  trennen 
und  so  vergehen  könnte,  sondern  wegen  dieser  seiner  Einheil 
ist  in  ihm  die  Ursache  und  das  Verursachte  zugleich.  Darum 
bleibt  es  stets  in  Vexhindung  mit  seiner  Ursaclie  und  ist  des- 
halb unzerstörbiLT.     Wenn   das  durch  sicti  Bestehende  vei-gehen 


')  Liber  de  cattais  §  2  (0.  Bardonhewer,  Die  pfieHtio-firiatatriijtchr 
Sf^hrift  V^er  /hts  eint  Guff,  ftekaHnl  unter  tiem  S'ftmen  Liber  de  enit^ht. 
Freibiirg  i.  Br.  ]8^"2). 

•)  A.  a.  O.  §  29  ff. 

'-')  NutKrlii'h  hier  nicht  nls  nienschliche  Vernunft,  suiidern  uls  fDr  »ich 
siibüretiereiided  Weaeii  gedacht 

')  Liher  de  raiuis  §  26.  Quelle  ist;  j(  48  der  atatitirami  des  Proklus. 
—  DtT  Kurze  und  leichteren  Übersichtlichkeit  halber  habe  ich  müh  hi«r  und 
im  Folgenden  nicht  äDgstlich  on  die  HeihcnfuI};«  gehalten,  in  der  die  einzel* 
nen  Gedanken  im  Liber  de  rnw*iA  and  bei  Froklus  sich  aneinAnderreiben. 

'')  LihrJT  de  cotttii»  %  24  {axoiitiayetc  %  45). 


122  Impossibilift  Sigeri  do  BrAbftntiR 

soMti\  so  infitite  i?s  sicli  von  sirli  selbsl  trennen,  und  e-;  nu'ilite 
zugleich  diircJi  ^kh  sp)hst  :;ubsi>jtieivii  und  unlier  sich  s^iii  *). 
Wcim  lier  Lihn-  de  atuttt's  ini  Ansclilusse  an  Proklus  der 
Intclli^rcnz  eine  Ursaclie  absprichl  und  sie  durch  sich  selber  be- 
strliL-n  li'iüt^  so  i$l.  dic^e^  in  rlrni  Sintio  i^tMneiut,  data  das  S<-in 
ilor  Inlellig^enz  nkliL  durch  «las  Sein  ihivr  Teilo  --  denn  sie  ist 
ungeteilt  in  ihtem  Wesen  —  oder  durch  das  Sein  ihres  Trägers 
—  denn  sie  hat  kein  solches  Substrat  —  bedingt  sei.  Sie  exi- 
stiert durch  sich ,  weil  nach  dem  in  der  gesamten  ncuplato- 
nisdien  Littciatur  ^'ciruiligen  Anslulelisclieu  Sat/e  die  Konn  das 
Sein  verU'iht  ■).  Üic  hitclli^^eiiz  ahn-  ist  reine  Form  %  Dati  die 
Intelligenz  nicht  eine  bewirkende  Ursaelie  habe,  wii-d  damit 
in  keiner  Wei^e  he!t<m)>teL  Eine  solrhc  Anschauung  st/lndn  in 
vollem  Widerspruch  xu  fler  Stellung,  welche  der  ersten  Ursache 
in  der  ganzen  Schrill  beigelegt  wird.  Sie  ist  zudem  dadurch 
völlig  ausgeschlossen,  daß  tlic  Intelligenz  in  derselben  ausdrück- 
lich als  das  ersle  geschaffene  Seiende'),  das  erste  Erschaffene ^), 
bezeichnet  wird. 

Unser  pSophisl"  dagegen  macht  sich  jene  Gedanken  des  JMter 
de  nfn^iH  in  dem  Sinne  zu  eigen,  daü  das  „durch-sich-Sein* 
der  Intelligen/  nicht  ihr  Suhsistieren  in  einem  Träger,  sondern 
ilire  Verursadmiig  durcli  eine  bewirkende  L'i*sache  ausschlie- 
iäen  soll. 

Die  erste  Wendung  des  Argiunentes  sucht  zu  zeigen,  daü 
die  Intelligenz,  weil  sie  des  Vennögens  zum  NichUt'in  entbehrt, 
nicht  mit  dem  Äufliören  eineä  Auüeren  selbst  aufliören  wenle 
und  daher  keine  Ursache  habe.     Wenigstens   für  die  Intelligen?. 


')  hfhfr  ttv  ttntJttH  ft  25  (on»;f*^(V'>oN-  S  AG). 

")  Vgl.  z.  B.  Curruns,  /^tV  r/rw  Bm-lhinM  fährhlifh  nt^eneiirifhrHc 
.V'hiuuUiouj  tlf^  IhininirtiM  fiumltMfv!  Dt  miUnh-  •  Beitiilfft'  I,  1).  Mttnster 
1891.  S-  l'ßf.  37.  Auch  hei  Arcnccbrul  (tbn  Gcbirol);  vgl.  dio  Ziuammen- 
stellang  b.  v.  egse,  '^,  ti.  im  Index  meiner  Atisgabe  ip.  -431). 

')  Über    tte    ninsiH    §  8.      Ober    das    durch    das    mibkannte    Ol« 

bei  den  Lateinern  horbeigefllhrte  Mi6v4?rständniB  dieser  Stelle  siehe  unten 
S.  124. 

M  Lihrr  itr  cntufin  g  15. 

^)  A'W.  S  22 


Inhalt,  philoaophiegeschichtltche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     123 

gebe  es  also  keinen  Gott  a!s  Ursache.  Dasselbe  gelte  iür  die  in- 
korruptibilen  Himmelskörper  (i2,  12 — ü^). 

Die  letzte  Bemerkung  führt  uns  in  den  Kampf,  den  der 
Averroismus  an  der  Pariser  Hochschule  erregt  hatte. 

Die  erste  Voraussetzung  dieses  Beweises  ist  die  am  schärf- 
sten durch  Avicenna*)  entwickelte  Fassung  des  Begriffes  der 
Ursache,  nach  welcher  das  Verhältnis  von  bewirkender  Ui-sache 
und  Wirkung  sich  nicht  auf  das  einmalige  Setzen  eines  Seins  nach 
vorliergehendem  Nichtsein  beschränkt,  sondern  ein  andauerndes 
ist,  derart,  daß  mit  dem  Aufhören  der  Ursache  auch  die  Wir- 
kung aufhört  {cesmitk'  aium  r^sat  effectas).  Hier  wird  ein  solches, 
einem  Dinge  äußerliches,  Seiendes  Ursache  dieses  Dinges  sein, 
wenn  auf  dessen  Nichtsein  auch  das  Nichtsein  des  Dinges  folgt. 

Daß  aber  der  Intelligenz  das  Vermögen  zum  Nichtsein 
fremd  sei,  und  zwar  nicht  etwa  nur  deshalb,  weil  sie  eine  äußere 
Ursache  hätte,  von  welcher  ihr  dieses  verliehen  wäre,  sondern 
weil  die  Unmöglichkeit  des  Nichtseins  in  ihrer  Natur  liegt,  soll 
daraus  folgen,  daß  sie  reine  Form  sei,  oder,  wenn  sie  eine  Ma- 
terie liabe,  dann  doch  jedenfalls  euie  solche,  die  nur  ihrer  Form 
eigentümlich  sei,  die  also,  so  werden  wir  diesen  Gedanken  er- 
gänzen, nicht  das  Substrat  für  wechselnde  Formen  bieten  und 
darum  auch  nicht  den  Grund  zum  Untergange  der  Intelligenz 
enthalten  kaim.  —  Nach  dem ,  was  soeben  über  die  dem 
Liber  de  rimsitt  zugrunde  liegenden  Anschauungen  bemerkt 
wurde,  bedarf  wohl  nur  noch  der  Gedanke  einiger  Erläuterung, 
welcher  der  Intelligenz  das  Vermögen  des  Nichtseins  auch  für 
den  Fall  absprechen  will,  daß  sie  nicht  reine  Form  sei,  sondern 
eine  Materie  einschUeße.     Eine  solche  geistige  Materie  der  Intel- 


')  Avicenna.  yft'fa/ih.  VI  c.  1:  Et  fortaase  putabit  aliqais  quod  agcnte 
et  cftuaa  non  est  opus  nisi  ut  res  habeat  esse  post  non-esse;  aed  postquam 
res  habuerit  esse,  si  d^truatur  causa,  erit  tarnen  res  sufficiena  in  se.  ergo 
pntauit  (lies  putabit)  quod  res  non  indiget  causa  nisi  ad  incipiendam  esse;  sed 
postquam  incepit  et  habuerit  esse,  iam  non  indigebit  causa.  Dies  wird  dann 
widerlegt,  die  entgegenstehende  Ansicht  auf  ein  Mißverständnis  der  „causa 
agens"  zurOckgefOhrt  und  geschlossen:  Iam  igitur  manifestam  est  quod  cau- 
satum  eget  aliquo  quod  det  sibi  ipsom  esse  per  se  tantnm,  sed  inceptio  et 
alia  hniusmodi  sunt  res  qaae  accidunt  ei,  et  qnod  cauBatum  eget  datore 
sui  esso  semper  et  incessanter  qusmdia  habnerifc  esse. 


124  Impossibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

ligenz,  die  von  der  Materie  der  Körperwelt  verschieden  und 
nicht,  wie  diese,  das  Subjekt  eines  fortwährenden  Wechsels  von 
ein-  und  austretenden  Formen  ist,  nahm  bekanntlich  z.  B. 
Avencebrol  (Ibn  Gebirol)  in  seinem  Fotis  uitae  an  0-  Auch 
Avicenna  kennt  eine  solche  Ansicht,  wenngleich  er  sie  be- 
kämpft 2).  Ebenso  ist  sie  der  Philosophie  des  Abendlandes  nicht 
fremd,  wo  wir  sie  z.  B.  bei  Augustinus,  Bonaventura, 
Duns  Scotus  finden^).  Aber  auch  der  Liber  de  caush  in  der 
Form,  in  welcher  er  dem  lateinischen  Abendlande  vorlag,  bot 
dafür  Anknüpfungspunkte.  Gerhard  von  Cremona  hatte  in  sei- 
ner Übersetzung  an  einei*  Stelle  ^  das  arabische  AVort  sli> 
—  etwa  , Ganzheit"  — ,  das  er  sonst  mit  uniuersitus  *)  oder 
uniuerifalitas*^)  übersetzt,  als  Fremdwort  in  der  Transkription  /le- 
lyatin  beibehalten.  Durch  Umsetzung  und  andere  Verderbnis 
war  daraus  hylmckim  (ylmchim)  oder  Ähnliches  geworden,  und 
dieses  Wort  glaubte  man  zu  deuten,  indem  man  es  mit  i^fle 
in  Verbindung  brachte.  So  z.  B.  Albert  der  Groläe^  und 
Thomas  von  Aquino*).  Damit  war  der  Unterschied  von  Ma- 
terie und  Form  in  den  Geistwesen  auch  in  den  JÄber  de  caush 
hineingebracht^).    Bei  dem  engen  Anschluß  an  den  Liber  de  causiSj 

')  Vgl.  die  ZusammenstolluDg  im  Index  meiner  Ausgabe  dea  I-^ons  ritac 
B.  V.  inteUiffentia  3  c,  S.  469. 

')  Avicenna,  Metaph.  1.  IX  c.  i. 

^)  Vgl.  CorrenB,  ff.  a.  0.  S.  42  ff. 

*)  Liber  de  caiutia  §  8,  p.  173,  9—12:  Et  intelligentia  est  habens 
hclyatin  et  forniam,  et  similiter  anima  est  habens  belyatin  et  natura  est 
habens  belyatin.  et  causae  quidem  primae  non  est  belyatin*  quoDiam  ipsa 
est  esse  tantum.     Vgl.  daza  Bardenhewer,  ff.  a.  0.  S.  194. 

'•)  Ä.  «.  O.  §  27  (p.  187. 13  =  108.  9  Bardenhewer). 

«)  vi.  fl.  0.  §  29  (p.  189, 19  =  113,2.  3\ 

')  Albertus  Magnus,  De  cattsis  et  procesu»  uninersitatiit  tr.  K  c  18 
(T.  V.  p.  600  a  Jammyj:  propter  hoc  a  quibusdam  pbilosopbis  hyleachim 
nocatur,  quod  denominatum  est  ab  hyle. 

")  Thomas  Aqu.,  De  camis  1.  IX.  (ed.  Antwerp.  1612,  T.  IV.  fol.  7r 
b  A):  dicitar  enim  ißcaehim  {so  fälschlich  der  angegebene  Dmck)  ab  jfie, 
quod  est  materia.     Vgl.    auch  Bardenhewer,  a.  a.  0.  S.  274. 

")  Wenn  Albertus  und  Thomas  den  Unterschied  von  hetyatin  und 
forma  in  den  Geistwesen  anf  den  Unterschied  von  Wesen  ((/wxl  e/it)  and  Exi- 
stenz {esse)  zurückfahren  wollen,  so  hängt  das  zusammen  mit  der  sachlichen 


Inhnlt.  philosAphiu^eHchiühtlirhe  Stellung  und  Verfesser  der  Schrift.     125 

welclion  unser  Verfassei-  in  dtesom  ganzen  Zusammenhange  auf- 
weist, greifen  wir  wohl  nicht  felil,  wenn  wir  für  ihn  auch  hier 
jene  Schrift  als  Quelle  annehmen. 

Dfitj  nun  auch  bei  Annahmt*  einer  soh^lien  geistigen  Ma- 
terie in  itor  Inleiligenz  dieselbe  dennoch,  weil  nur  zu  ihrer  eigen- 
lümlicliim  Form  hingeordnet,  nicht  das  Vermögen  des  Niciilsein» 
für  die  Materie  herbeiführe,  ist  ein  über  den  Liher  (h  caunia 
hinausführender  Gedanke.  Originell  braucht  er  dannn  nicht  zu 
sein.  Ähnliches  IrelVen  wir  aucli  sonst  m  der  zeitgenössischen 
voraufgehenden  Litteratur  '). 

Dieselbe  Erweiterung  begegnet  uns  in  der  zweiten  Wendung 
jenes  Argumentes.  Nichts  kann  si<;h  selbst  verlassen  -)  oder  das 
was  ihm  eigentünilicli  ist.  Wenn  aber  die  Intelligenz  ein  Nicht- 
seiendes  würde»  so  müßte  entweder  dasselbe  sich  selber  ver- 
lassen, oder  die  Materie  müßte  die  ihr  eigentümliche  Form  ver- 
lieren, um  dafür  eine  andere  aufzunehmen,  zu  der  sie  nirlit  in 
Möglichkeil  war.  Daran  schlieüt  sich  folgender  dialektischer 
Beweisgang:  Was  möglich  ist,  ist  durch  ein  Äutäeres  (ein  von 
ihin  verschiedenes  Seiendes)  möglich  oder  lial  duich  ein  solches 
die  Natur  des  Möglichen  ').  Also,  wenn  wir  die  Abfolge  in  ihr 
negatives  Gegenteil  verkehren  *) :  Was  nicht  inügliclj  ist,  dem 
kommt  es  entweder  durch  ein  Äußereres   zu,   daü   es   nicht  die 


Different,  in  der  sie  sich  bekannilich  in  der  Krage  nach  dor  Natur  der  Geist- 
weeen  mit  der  KrAnziskanerschule  beHiuIon. 

')  Ich  will  nur  an  Domintcua  tiundisalri  erinneni,  der  bei  einem 
seiner  Beweise  fUr  die  Cnzerstürlurkeit  der  Seele  auch  die  zwei  Andabmeii 
aufstellt:  1.  die  Seele  ist  reioe  Form,  2.  sie  l>estelit  aus  Matorie  und  Funii 
^Uundiösiilinuö,    Dr  imtiiortofitfifr  unitttur  p.  2K,  14  -29,  10  Üülow) 

*)  Vgl.  Liber  dr  eatuti»  %  2\  p.  186,  2  ff.:  Omnia  subatantia  stans  per 
ae  ipaara  est  non  cadens  sub  corruptioue.  Si  autem  aliquiä  dicat:  .posaibile 
est  ut  substantiii  stans  per  ae  ipsam  cadai  aub  corniptione,*  dicemua:  h\  pos- 
aibile  est  ut  subatantia  stana  per  ae  ipaam  cadai  aob  carruptione,  poaaibile 
e»t  ut  sepnretur  eiuH  easenlia  et  iiit  fixa,  atans  per  easentiam  suam  sine 
essentift  »ua.  A  hoc  est  incoiiiipnieiis,  impoaaibilc.  —  Lber  die  BorQlirungcn 
mit  mehreren  der  im  J,  1'277  verworfenen  Sätze  wird  später  jH;i=}iÄn<li'U  werd(>n. 

■■)  d.  b.  nichts  ist  durch  sich  —  unabhlin^g  von  allem  WirkÜclien  — 
möglich,  sondern  ea  mu£  ein  Wirkliches  sein,  damit  von  einer  Möglichkeit 
geredet  werden  könne. 

*)  So  verstehe  ich  die  datntetio  eoHsfquentis  p.  2,  *29:  oegatire  Um- 
kehr siner  Abfolge. 


1^6  lmp(t«uiiiWilta  Sigeri  de  Brabantia. 

Nalur  des  Möj^'lichen  hat,  oder  aber  es  hat  wegen  Mangel? 
eines  Äußeren,  durch  das  es  möglich  gemacht  werden  könnte, 
die  Natur  des  MA^'^i^'^^en  nicht.  Ist  schon  bis  hieher  manches 
in  dt^ni  Beweise  dunkel,  so  sclieinen  sich  die  abschlioüenden 
Worte  desselben  —  vielleicht  wegen  tiefer  greifender  Texlver- 
derbnisse  —  dem  Verständnis  völlig  zu  entziehen.  Ich  glaube 
sie  in  folgender  Weiso  deuten  und  ergänzen  zu  sollen.  Da  die 
Intelligenz,  wie  srlion  bemerkt,  nicht  niehtsein  kann,  so  folgt 
aus  der  Unmöglichkeit  ihres  Niciitseins,  daü  dies  Nicidsein  ent- 
weder nicht  mögheb  ist,  weil  eine  flufiere  Ui'sache  macht,  daü 
das  Nichtsein  der  Intelligenz  unmöglich  ist,  oder  weil  kwne 
fiuljere  Ursache  da  ist,  die  jenes  Nichtsein  möglich  machte. 
Schon  im  vorigen  Reweise  aber  war  bemerkt,  dati  die  Unmög- 
lichkeit des  Nichtseins  für  die  Intelligenz  nicht  durch  eine  Ur- 
sache bogründel  sei,  die  ihr  diese  Unmöglichkeit  verliehe,  sondern 
daö  sie  durch  die  eigene  Natur  der  Intelligenz  gegeben  sei  '). 
Diese  in  der  Natur  der  Intelligenz  selbst  liegende  Unmöglichkeit  des 
Nichtseins  ergiebt  sich  also  daraus,  daß  jede  Ursache  mangelt, 
die  ihr  Nichtsein  möglich  machen  könnte.  Das  Sein  -)  der  Intelli- 
genz ist  mithin  drrart.  dal.i  sie  nicht  von  irgend  elwas  abzuhängen 
scheint,  auf  dessen  Nichtsein  ihr  eigenes  Nichtsein  folgte.  Dann 
ahiT  lial  sie,  wie  schon  im  vorigen  Beweise  bemerkt  wunle '), 
keine  Ursache.  Wenigstens  für  die  Intelligenz  ist  also  ein  Gott 
als  Ursache  nicht  nötig  {-2,  2:t— 3,  5). 

Eine  alifiriialige  Moditikation  im  Anschluü  an  die  Erörte- 
rimgen  des  zweiten  Beweises  über  das,  was  unmöglich  ist,  hringl 
der  dritte  und  letzte  Beweis  dieser  Gruppe.  —  Was  unmögtich 
ist,  so  iUiü  es  einen  \Mdersprucl\  einschließt,  kann  nicht  tlurcb  ein 
ÄuUeres  oder  fturcli  den  Mangel  eines  Äußeren  zur  WirklictUieit 
gelangen.  Daü  aber  die  Intelligenz  nicht  etwas  m  der  Realität 
sei,  ist  unmöglich,  weil  einen  Widerspruch  einschließtmd.     Denn 


*)  p.  2»  18 — 20:  tta  quod  iDl:«lligeiitiA  non  potest  noti  eaae;  onn  tan- 
tum  quia  causam  habent  talom,  seil  quin  in  iiuiura  stia  est  talin. 

')  Dio  nalieliegcntle  Konjektur  »"u  estr  statt  r.H-te  p.  3,  l  scheint  mir 
iti-Q  Zusainuifnhaiig  vüllig  zu  zerstören.  Diiä  folgende  ijuia  uebine  ii'b  Jm 
Siniie  von  tluß,  nbhilngig  vuti  ftt  fnlr. 

")  Vgl.  p.  2.  18. 


Inhalt,  philosophiegeschicfatlicbe  Stellung  nndi  Verfasser  Aer  Schrift.     127 

da  die  Intelligenz  mit  der  Ewigkeit  gleichsteht,  so  geliört  es, 
wie  im  Anschhiß  an  den  Liber  de  causia  *)  ausgeführt  wird,  zu 
ihrem  Wesen,  daß  sie  schlechthin  und  zu  jeder  Zeit  etwas  in 
der  Realität  ist.  Von  da  aus  ergiebt  sich,  wenn  dieselben 
Zwischengedanken,  wie  oben,  hinzugefügt  werden,  wiederum,  daß 
die  Intelligenz  keinen  Gott  (als  Ursache)  hat  (3,  8 — 9). 

Wenden  wir  uns  nmmiehr  der  Lösung  zu,  die  unser 
Autor  jenen  Einw^endungen  entgegenstellt.  Dreierlei  will  er  dem 
Bezweifler  der  Gottesbeweise  gegenüber  darthun:  daß  Gott  ist, 
ist  wahr,  ist  notwendig,  und  ist  dem  Einsichtigen  an  sich 
evident. 

Schon  früher  2)  wurde  bemerkt,  daß  Cipolla  in  diesen 
Ausführungen  den  reinen  Thomismus  erblickt,  in  den  freilich 
bei  dem  dritten  jener  drei  Punkte  Gedanken  eingeschoben  seien, 
die  mehr  dem  Gedankenkreise  Bonaventura's,  als  dem  des  Aqui- 
naten  entsprächen.  Er  will  unsern  Autor  deshalb  zu  einem  Schüler 
des  h.  Thomas  machen  ^).  Ich  habe  schon  oben  *)  angedeutet, 
daß  dieses  Urteil  Cipolla 's  auf  einer  nnvollsländigen  Kenntnis 
unserer  Schrift  sowie  der  zeitgenössischen  Scholastik  beruht. 
Freilich  entwickelt  unser  Autor  in  diesem  wie  in  den  folgen- 
den Kapiteln  eine  Reihe  von  Ansichten,  die  mit  den  Leh- 
ren des  Aquinaten  recht  wohl  übereinstimmen.  Doch  reicht 
dies  nicht  aus,  um  in  ihm  einen  eigentlichen  Schüler  des  letz- 
teren zu  erweisen.  Wo  er  mit  Thomas  übereinstimmt  —  und 
gelegentlich  ist  die  Übereinstimmung  so  groß,  daß  in  der  That 
liier  Thomas  die  unmittelbare  Vorlage  gewesen  zu  sein  scheint  — 

')  De  cftnttin  §  2,  p.  165,  5  ff.:  Esse  quod  est  cam  aeternitate  est  laUsl- 
ligentia,  qaoniam  est  esse  secunduin  habitudinem  unam  qaod  non  patitar  ne- 
qtie  dcstruitur  ...  Et  intcUigentia  opponitur  (d.  h.  entspricht)  aeternitati, 
quoniain  extendltur  cum  ea  et  non  alteratar  ncque  destruitur.  g  6,  p.  170,2: 
et  intelligentia  quidein  non  est  cum  tempere,  immo  est  cum  aeternitate.  g  10, 
p.  174,  24:  et  esse  suum  (sc.  intelligentiae)  est  sempitemum  quod  non  cor- 
nimpitur. 

■-')  S.  S.  92. 

")  S,  S.  96. 

*J  S.  S.  105. 


128 


ImpoAsibilia  Sigeri  de  ßral>antifl 


handelt  es  sich  meist  um  Getlanken,  welche  nicht  zuerst  t 
diesem  nuft?oste!U  wurden,  sondern  welche  so  ziemlich  Gemeingut 
der  Sirholastik  bü  den.  S  p  t*  z  i  f  i  s  <^  li  Thom  istisches  läßt  sich 
wenigstens  in  diesem  Kapitel  nicht  mit  Sicherheit  nachweisen, 
und  auch  in  den  andern  begegnen  wir  keinen  engeren  Unter- 
scheid ungslehren  der  thomistischeii  Doktrin,  obwohl  vielem,  was 
auch  diese  mit  anderen  RirUtungt^n  Ifill^  manchem  auch  ziem- 
lich genau  in  der  Form,  die  es  bei  Thomas  erhalten.  In  an- 
deren Punkten  dieses  und  der  tolgenden  Kapitel  weicht  luiser 
Autor  dagegen  von  dem  Aquinatcn  ab.  Dann  aber  geht  er  nicht, 
wie  Cipolla  meint,  mit  Bonaventura,  sondern  stellt  sich  zu  an- 
deren Kreisen  und  Vertretern  der  vielgestaltigen  Scholastik. 

Der  Satz:  Uotl  ist  {so  lautet  der  erste  Satz  unseres 
Autors),  ist  wahr.  Unter  der  Gesamtheit  dessen  nämlich,  was 
ist,  gibt  es  etwas,  was  nicht  verursacht,  sondern  nur  ver- 
ursachend ist.  Denn  andernfalls  gäbe  es  kein  vorui-sachendes 
Verursachtes  und  kein  hlos  Verursachtes.  Jenes  nicht  ver- 
ursachte Venirsaehende  aber  nennen  wir  Gott  (3,   12 — 17). 

(Üpolla')  hat  vollkommen  Recht,  wenn  er  hierbei  an  den 
zweiten  der  fünf  Wege  erinnert,  durch  die  Thomas  von  Aquino 
in  der  Iheologischen  Summe  ^  im  Anschluii  an  das  (uueohte) 
zweite  Bucli  der  Aristotelischen  Metaphysik  *)  das  Dasein  Gottes 
darthut,  den  Reweis  tx  rat'mn*'  cnumv.  fffiämtU.  Gewiß  ist  in 
den  Auföhrungen  unseres  Auloi-s  nichts,  was  der  thomistischen 
Doktrin  widerspreche.  Freilieh  tritt  das  Charakteristische  dieses 
Beweises,  die  Unmöglichkeil  eines  re^ressus  hi  infinifutn  bei  den 
einaiidfr  über-  und  untergeordneten  VVirkursachen  in  der  Natur 
und  die  daraus  sieli  ergebende  Nifl wendigkeit  einer  ersten  tie- 
wirkenden  l'rsache,  bei  unserm  Autor  nicht  entscheidend  hervor. 
Bei  ihm  beruht  die  Beweislulirung  vielmehr  auf  der  Unterscheidung- 
des  bloß  Verursachten,  <les  V^erursacht- Verursachenden  und  des  blo6 
Verursachenden.  Diese  aber  entspricht  der  Aristotelischen  tlnter- 
sclieidungdes  blofäßcwegton,  des  Bewegt-Bewegenden  und  des  blofi 


I 

I 

I 
1 


')  aioim.  stör.  Hella  lett.  ital.  VIIL  p.  103. 

*)  Tbomas  Aqa.,  Stimma  throK  I.  q,  2  u.  !J;  vgl.  Cont.  gent.  \  c.  IS 
gegea  Knde. 

')  Aristoteles.  Metnph.  II  'J,  p.  994  u  il-l9.  Tbomaa  banaft 
ftioh  Cont.  grnt.  1  c.  13  ausdrQckUvfa  auf  dies«  Stelle  üeH  Aristoteles. 


Inimk..  philuiiupliiei:e3cliichtliclio  Stellang  iiiii]  Verfasser  der  Schrift.     12d 

Flowogomlt'ii.  Thomas  baut  auf  sie  im  Anschluß  an  das  achte 
Buch  der  Physik  des  Stngiriten  den  ersten  seiner  (lotlesbeweise, 
den  ex  parte  motttJt,  niacfit  diij^^egen  nicht  die  Anwenihniir  jentT 
Dreiteilung  des  xtvoi\uevoy,  xn'ovfuvov  xai  Htyorv  und  y.tvovv  auf 
die  bewirkende  Ursache.  Elier  könnte  man  hierfür,  wenn  man 
nach  Analogien  suchl,  an  gewisse  Ausführunj^en  von  Alanus 
von  Lille ')  erinnern.  Noch  mehr  Ahnlidikeit  hat  die  Beweis- 
führuriK  in  einem  bisher  noeli  nielit  ven'itTcntlichtpn  pliilosophi- 
Hclien  Traktat  />  'mtvIlitjeniHs,  welcher  den  Optiker  Wilelo 
(Vitello)  zum  Verfasser  hat  und  der  um  die  Mitte  des  XIII. 
Jahrliunderts  oder  nicht  lunfre  nachher  enlslandon  ist.  In  dem- 
selben erscheint  ziemlich  deutlich  die  Anwendimg  der  Aristote- 
lischen Dreiteilung'  auf  die  Ordnnn;^'  der  bewirkenden  Ursachen, 
freilich  .so,  daü  ilieselbe  in  der  weiteren  Ourchfidirung  wieder 
mit  dem  Hinweis  auf  die  Unmöglichkeit  eines  ref;re^sua  in  infini- 
tmn  in  Verbindung  tritt,  welcher  unsenn  Autor  fern  ist  ^).  Der 
letztere  dürfte  sich  vielmehr  an  eine  Stelle  der  Aristotelischen 
Metaphysik  anschließen,  in'welcher  jene  Dreiteilung  des  Bewejf- 
ten,  Bewegt-Bewegenden  und  hloß  Bewehrten  zu  einem  Beweise 
benutzt  wü'd,  der  aus  der  Bealität  der  beiden  letzten  Eintei- 
lungsglieder unmittelbar   auf    die  He;ilifäl    der   ersten  schlie&t  •). 


')  Alaniia,  Arn  fiih-i  I  yvu\>.  1  (cul.  597  Mignt^):  Ijiiicquid  cwt  canwi 
raasn«,  est  cnusii  causati. 

*)  W'itelo,  7v  iMtriiujruliis,  prop.  I:  Si  est  caasam  et  cauBAtum 
ponerc,  neoesso  est  causnni  prtmani  ossc.  ExpoBitto  liiiius  est.  quia 
ratio  ciiiiNHliler  inetit  omnibiip)  aliis  a  causa  prima,  qaare  tii  non  sit  caiiaam 
primain Tponere,  neque  alias  c4iiiBaa;  et  si  hoc,  neque  causatum.  Qnod  eui- 
(leiitiiia  patet  ileducendo  ad  iiiipoitsibilo.  Si  fnim  non  sit  cftUHii  prima,  et  ta- 
m>pn  pununtiir  cnu»ac  et  cnusHta:  uiit  ^tempor  ponere  cAUHam  ante  causntum 
in  infinitnm.  erjio.  ciitn  tofinita  non  coritingat  pertranairi,  tion  erit  necipere 
aliqnod  primum  cauanluni;  et  ai  non  ait  cattmitum  primum,  neqU4f  ipsuiii  po- 
terit  esKi'  4  ausa'^fl^i^nmlaria  ronscqucntiiim.  qunrc  nuHum  erit  primum  uel 
oonsequens  cauaatiim.  similitcr  autem  aequo  cauaa.  quare  necesse  est  ponerc 
fausiiui  priinam,  »i  est  poaere  causiim  et  cnuäiituni.  —  hli  werde  dieeen 
wiclitigon  unti  intereBuanlen  Tralttat  uU^Hnfl.  2  dt«  III.  Bande«  diemr  Bti- 
ffüije  veriiffeutlichen. 

O  Aristoteles,  Mrt,iiih.  XII  7,  p.  1072^a  23-25.  Die  kritisch 
liiVc-hat  unsichere  Stelle  lautet  in  der  Übersetzung  des  Wilhelm  von  Moerbek« 
(V.  VIII  foL  SIJGv  D  ed.  Venet.  ITjöü);  Kat^ue  aliquid  quod  mouei.    Cum  uero 

Scitrlg«  II,  6.    BiviiBkar^  Sigar  dod  Bnl^aol.  ^ 


IdO  Imposaibilifl  Sigeri  do  ßrAbantta. 

Die  Ersetzung  des  Bewegl-Btfwegten  und  des  bloß  Bewo^pn 
aber  durch  das  Verursaeht-Verursachende  und  »las  bloÜ  Ver- 
ursachende aber  dürfte  auf  den  Liin^r  de  caush  zunickgehen  *), 
dessen  Botrachlungswoise  sehr  wohl  init  der  Aristutelisrhcii  s\c\\ 
vereinen  Üeü. 

Der  zweite  Salz  unsers  Autors  lautete:  Dali  Gott  sei,  ist 
nicht  nur  wahr,  sondern  auch  notwendig.  Das  Sein  Gottes  — 
so  wird  dieser  Satz  iin  Fol^cndini  pefaLit  -ist  ein  notwendiges 
Sein.  Das  iitsarhlost;  Verursiuln^nde  kann  nicht  nichlsein.  Denn 
in  diesem  t'alle  wftre  es  möglich,  daß  einmal  nichts  wäre;   und 


id  quuil  iDuuftar  et  inoui>t  medium  sit,  c^it  ctium  uliquiJ  quod  noii  niutum 
moiiet,  qund  aetemiim  ot  subsiHTitin  et  Actns  rat.  Kr  lint  also  wobi  geleaen: 
«in  tot'rvr  ti  xat  u  ttttEi.  e.rel  Ae  rrl  xit'oi'/iJirov  itai  xtvoPr  fieaof,  ratt  iattt*r 
rj  xai  o  or  Kt%-ovf.ifvov  xiftT,  otAtov  xal  ovfiia  xat  M^yeia  ot-oo.  Alexander 
ApliTodisieosis  hat  dies  ohne  jede  Kezagnnbme  iiuf  einen  rtyre»»»»  in  inßmi- 
tum  erklärt.  Reine  Worte  siud  iius  durch  Averroes  erhalten;  vgl.  .1.  Frou- 
denlhlil,  />(>  durch  Arernn^x  vrhuUtuii'u  f-'nniinnttc  AlrTitnäers  :>w  MrJn- 
phtfaik  difs  .U'istottleit.  Abh&ndl.  der  Berliner  Akademie  der  WiBsensrh.  aus 
dum  J.  1884.  Berlin  1886.  S.  107  f.  Uiiserm  Autor  Ugtun  aie  in  Ut«iiu- 
scher  Überaetrang  vor  {Mft,  XII  i'om.  3n,  fol.  336^  E):  Dixit  Alexander: 
Ista  est  ratio  quod  aliqtiod  inou<.>u»  not)  inuiietnr:  et  e»t  dicta  breuiter  ei  re- 
memoralio  ciua  quod  dictum  eat  iu  \W{.  Pbyaicoruin.  Rt  est  fiindaüi  super 
dnns  proposiiiones.  Quamm  nna  est  qaod  omne  compositom  ex  duobns. 
quoruni  alterum  poteat  t>8se  per  se,  poäsibüe  eril  cÜam  uUerum  e»A^  ptT  sc, 
nisi  compositiü  ait  subütintiae  et  lU'cidenti«:  uerbi  grHtiii  quod  hydruniel. 
quta  componitur  ex  aqua  ot  nielle,  et  tnol  iniieuitar  per  se.  nocesae  est  ergo 
tit  aqua  inueniutur  per  bc.  Et  quin  inuenimus  iiliqnod  motum  et  mouens 
quasi  coinposilum  ex  iiiuuente  «t  InI^to.  et  inufriitnus  illiquid  mottim  per  se^et 
non  moui^n»:  manif<>Htum  eat  quod  eat  necesse  nljquod  luoucu»  esMO  et* »an 
inutum.  Uoc  igitur  mouens  immune  est  a  potcntia  et  in  nulla  materia  existit. 
Auch  Moses  Mainionidea  in  seinem  „Dorlttr  periilejrorum"  II  c.  1  hiil 
d)i>SL<  Siolte  mit  Alexander'^  Ktmiiiuntiir  bpi  »einüm  zweiten  (lüttusboM'oiae  be. 
nutzt;  vgl.  Guid^  drs  r'ffttrra,  publ.  pur  ä.  Munk,  IL  Paris  lö61.  S.  3G— 38 
V  Vgl.  2.  B.  Liber  de  eausit  §  5,  wo  ausgeführt  wird,  daß  das  Erst« 
iilleiu  sittb  der  Bezeichnung  entxiehl,  weil  es  Über  demselben  keine  f^r^ache 
giebt,  durch  die  es  erkannt  werden  kannte.  Ein  jcdoa  Ding  nilnilich  werde 
ans  seiner  Ursache  erkannt  und  nuch  ihr  bezeichnet.  Wenn  also  ein  Ding 
nur  Ursache  und  nicht  Vorursnchtca  sei  {cKut  erijit  rfi  rtit  catcta  tati- 
/■»n  et  non  enujuiim»,  p.  16^^  4),  ho  kOime  es  nirht  durch  eine  frühere  l^r- 
tacbe  erkannt  oder  bezeichnet  werden.  Das  aber  sei  beijder  ersten  l'r- 
ascbu  der  Fall. 


Inhalt,  philosophiegeschichtliche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift     131 

da  das  Mögliche  nur  dadurch  als  möglich  sich  erweist,  daß  es 
irgend  einmal  wirklich  zutrifft,  so  würde  in  diesem  Falle  eimiiül 
nichts  sein.  Wenn  aber  einmal  nichts  wäre,  so  wäre  auch 
schon  irgend  einmal  nichts  gewesen.  Dann  aber  wäre  auch 
jetzt  nichts,  da  nichts  wird,  außer  durch  ein  solches,  das  schon 
ii^'cnd  etwas  ist  (3,  18—23). 

Die  entfernlere  Quelle  für  diesen  Beweis  ist  ohne  Zweifel 
wieder  das  zwölfte  Buch  der  Metaphysik  des  Aristoteles. 
Dort  wird  bewiesen,  daß  das  erste  Princip  reine  Wirkliclikeit 
sein  müsse.  Wenn  nämlich  alles  bloß  möglich  wäre,  so  würde 
nichts  von  dem  jetzt  Seienden  dasein;  denn  in  diesem  Falle  würde 
es  zutreffen,  daß  einmal  alles  möglich  wäre,  aber  doch  nicht 
existierte  ^).  —  Aber  in  der  Art,  wie  das  Aristotelische  Argument 
hier  formuliert  wird,  erinnert  es  doch  so  sehr  an  den  dritten 
der  von  Thomas  vonAquino  in  der  iSM«///w  theologica  gegebe- 
nen Beweise,  daß  ich  hier  Gipolla-)  beistimme  und  eine  Be- 
nutzung des  Aquinaten  ^)  durch  unsem  Autor  für  mindestens 
höchst  wahrscheinlich  halte  *). 

Näher  erläutert  wird  jener  Beweis  durch  eine  Erörterung 
des  Begriffes  des  Notwendigen.  Anknüpfend  an  die  von  Ari- 
stoteles in  der  Metaphysik  (V  5)  gegebenen  Unterscheidungen 
des    Notwendigen^),    doch    in    freier    Weiterbildung    derselben, 

')  Aristot.,  Metaj/h,  XII  6,  p.  1071  b  19  iF.:  Sei  äga  flvat  ägzi/v  loi- 
avirjv  1/i  ^  ovaia  iveoyFta  .  .  ,  xaixoi  ojiogia'  doxel  yoQ  lö  /lev  ivEQyovv  när 
bvvaadat,  t«  di  dvrd/tfvov  ov  :räv  eye^yeiv,  wart  ^tgotegov  elvat  r»;»-  Övrafnv. 
dJdä  ftijv  Fl  toBto,  ovdev  roiai  xdtr  Syroiv'  cvdix^on  yäg  dvraa&ai  fifv  eh'ai, 
fn]:to>  A'  ctvai.    Vgl.  auch  Metaph.  IX  8,  p.  1050b  16-19. 

')  Cipolla,  o.  a.  O.  S.  103. 

^)  Maimonides,  Führer  U  p.  38  ff.  Munk,  hat  zwar  den  ganzen  Ge* 
dankeugang,  steht  aber  iu  der  Form  weit  ab. 

**)  Da  Thomas  vor  Vollendung  der  Summa  starb  und  dieselbe  dotier 
wolil  erst  nach  seinem  Tode  in  weitere  Kreise  drang,  so  wäre  dieses  ein  Be- 
weis fQr  die  Abfassung  der  Impoasibilia  nach  1274.    Siehe  oben  S.  49. 

^)  Man  vergleiche  gleich  im  Anfange  zu  den  Worten:  Est  enim  neces- 
sariuro  ex  suppositione  aliouius  non  necessarii,  ut  neccsse  est  animal  habere 
cibum,  si  debet  uiuere  (p.  3^25  f.)  Aristoteles,  Äfetajth.  V  5,  p.  1015  a  20  -23: 
avayxaior  iJyerat,  ov  &viv  ol>x  evdixerat  fjj»-  <5c  avveutiov,  oTov  xö  aytuxyetv  xai 
r)  rgotfi/  ziö  Cvv  dvayxaiov  advvaxov  yoß  ävev  xovtov  elvai.  • —  Die  Natur  des 
an  sich  Notwendigen  im  Gegensatz   zu  dem  bloß  hypothetisch  Notwendi- 

9* 


I3ä  ImpOHsibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

werden  drei  Arten  dt«  Notwendigen  aufgestellt:  das  hypoUietisch 
Notwendige  (z.  B.  ist  die  Speise  för  das  Lebewesen  nötig-,  wenn 
es  leben  soll),  das  Notwendige  durch  eine  notwendige  LTrsache 
(wie  z.  B.  eine  Sonnenfinsternis  notwendig  ist,  wenn  der  Mond 
zwischen  der  Sonnt;  (ind  der  Erde  stellt  und  wenn  diese  Stel- 
lung durch  die  Ursachen  notwendig  herbeigefölirt  wird);  eidlich 
das  schlechtweg  und  ohne  Ursache  Notwendige,  das  in  seinem 
Sein  weder  von  einem  ihm  Äu&ercn,  noch  von  einem  Inneren 
als  seiner  Ursache  abhängt  und  dessen  Nichtsein  daher  von  den» 
Nichtsein  keines  Andern  herbeigeführt  wird,  wie  auch  iniiner 
die  Stellung  di(»ses  sich  gestalten  möge.  Dieser  Art  ist  da:« 
nicht vcmr-sachle  Verursachende  (:{,  24— 4,  i). 

In  ziemlich  engi>ni  Anschluß  an  Aristoteles  *)  >vird  dann 
auf  die  Substantiaiität,  Unkörpertichkeit  und  Unteilbarkeit  des 
nichtverursjichten  Verursachenden  geschlossen  (4.  3 — 8), 

Es  folgt  der  dritte  Satz:  Die  Existenz  Gottes  ist  dem  Ein- 
sichtigen durch  sich  selbst  evident  (unmittelbar  gpwi&j. 
Das  unverursachte  Verursachende  nämlich,  das  in  soinent  Sein 
von  keinem  Andern  abhängt ,  mul^  das  Sein  seinem  BegriCTe 
nach  haben,  so  daß  es  zu  seinem  Begriffe  gehört,  zu  sein.  Nun 
ist  alter  ein  Satz  durch  sich  evident,  wenn  das  Prfidikal  ini 
,  Begriffe  des  Subjektes  enthalten  ist,   so   daß  für  die  Einsicht  in 

gen  ivi  bei  Aristoteles  iietnph.  V  5,  p.  1015  a  S3— 3&:  fn  ru  /ti/  evS^xvfu- 
i-ov  SXXtae  »Z"^  Airayxaiöv  g^afjtr  tJrai  nur  erst  Kleinlich  im  iillgeincinen  ang» 
geben.  Unter  den  Aristofelikern  lint  sirli  liosoudera  Avicennn  beniQht,  dem 
Unt*>rdc)iiede  dos  durch  aein  Weseu  notwendig  Existierenden  nnd  de««  durch 
ein  imderea  Notwendigen  scliftrfer  tu  befttimmen.  Vgl.  ScbarastAni's  ÜTWf- 
ijloHgjmiihcien  und  FhitomphfHsrhulrn,  Ql>er&etzt  von  Tb.  HnarbrQcker. 
Bd.  IL  Halle  1851.  S.  250  fi.  S.  Muuk.  Mehntgt^  de  phUmophie  juirt  at 
arnhe.  Paris  1869.  S.  S58  f.  und  Munk's  Anmerkung  zu  Maimonidea. 
II  ]ntrod.  prop.  9  <fiuUh  deit  igarr'it  Jl  p.  48  n.  H).  Ebenso  Thomas  von 
Aquiao  an  zahlreichen  Stellen,  von  denen  tdi  eine  hersetze,  da  sich  ooser 
Autor  auch  im  Folgenden  in  eini-m  gleichen  Gedankeogaogo  bewegt.  Cont. 
fffh(.  I  15:  Omue  autetn  necessarium  nel  habet  causam  suae  neceaaitatia 
aliunde,  uel  non,  aed  est  per  ae  ipsum  neceasarium.  Non  est  autero  procedat« 
in  infinttuin  in  nec«>»9Ariie  quae  hahent  causam  suae  necessitatis  aliunde;  «rgo 
oportet  ponere  aliquud  priiuuni  neeeasarium,  quod  est  per  se  ipaom  ni 
rium;  et  hoc  est  deus,  com  alt  prima  causa. 

')  Ariatot.  Phy^.  VIM  lU  und  Meta,>h.  XH  7. 


I 

I 


Inhalt,  pliiloöO}iUieguscliichUtche  Stellung  rittd  Verfttasor  der  Scbrift.     1H3 

die  Richtigkeit  des  Satzes  nur  das  Verständnis  der  Begriffe  er- 
forderlich ist,  aus  denen  er  besteht,  mit  andern  Worten»  wenn 
derselbe,  modern  gesprochen,  ein  analytischer  ist.  Dieses  Ver- 
ständnis der  Begriffe  aber,  auf  dem  die  Kvidenz  innes  aiialyti- 
riciicn  Satzes  beruht,  ist  nicht  immer  jedem  Düükfähig:en  sofort 
gegeben;  vielniehi*  bedarf  es  nianehmai  besonderer  wissenachall- 
licher  Einsicht,  um  den  vollen  Begriff  des  Subjektes  und  damit 
das  Enthaltensein  des  Prädikates  in  ihm  zu  erfassen.  Es  giebt 
solche  Sätze,  die  einem  jeden,  und  solche,  die  nur  dem  Einsich- 
tigen otler  Sachvei-ständigen  an  sicli  evident  sind.  Der  letzteren 
Art  ist  der  Satz:  Gott  ist.  Er  ist  an  sich  evideriL,  denn  das  Sein 
wird  Gott  nicht  durch  eine  von  ihm  verschiedene  Ursache  verliehen, 
sondern  kommt  ihm  seinem  Begriffe  nach  zu.  Darum  ist  das  Dasein 
Gottes  auch  im  eigentlichen  Sinne  keine  wissenschaftliciie  Trage, 
d.  h.  ein  Problem,  das  durch  einen  wissenschaftlichen  Beweis, 
einen  Syllogismus,  erledigt  werden  müßte.  Denn  Fragen  giebt 
es  nur  so  viele,  als  es  beweisbare  VVaiirheilen  giebt,  d.  h.  Sätze, 
die  durch  einen  Schluß  zum  Wissen  erhoben  werden.  Der 
wissenschatlliche  Beweis  ist  ja  nach  dem  bekannten  Satze  des 
Aristoteles  ')  ein  Ableiten  aus  der  Ur.^aclre,  Was  daher  keine 
Ursache  hat,  wie  das  göttliche  Sein,  ist  nicht  Gegensliind  einer 
deduktiven  Ableitung,  eines  wissenscliaftlicht-n  Beweises,  sondern 
ist  dem  Sachverständigen  durch  sich  selbst  evident-)  (3,9  —  21). 
Älle-s  andere  aulüer  der  ersten  Ursache  dagegen  1ml  den 
hinreichenden  Gnmd  seines  Seins  nicht  in  seinem  eigenen  Be- 
griff, so  daß  in  allem  Verursachten,  wie  Boethius  lehrt  ^), 
Wesen  (quod  eist)  und  Dasein  (esse)  unterschieden  werden  niuiä. 
Denn  nicht  durch  das,  was  es  ist  —  sein  Wesen  — ,  liat  das 
Verursachte  sein  Sein,  sondern  dieses  liängt  ab  als  von  seiner 
Ursache  von  dem,   was   sein  Sein   selber  ist,    was    aus  seinem 


■)  Aristot.  AHal.  po^t.  1  2,  p.  71  b  9  ff.  Vgl.  Zeller,  hin  Philo*&- 
phk  Her  Griechen.   U,  2.    3.  A.     Uipzig  1H79.    S.  162.  232. 

')  Durch  die  vonttcheiide  ^rgftnzpudc  UmBclircilmiig  hi»ffe  icli  den 
Sinn  der  etwas  dunklen  Wort«  3,  18~2U  richtig  getroffen  zu  haben. 

■^  8.  B.  4  Anni.  2. 


134  Impossibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

eigenem  Wesen  und  nicht  von  irgend  einem  anderrt  htz  iun 
daß  es  ist  (4,  21—27). 

Daß  aber  das  erste  Verursachende  sein  Sein  =»eift«flr  k. 
ergiebt  sich  daraus,  daß  im  andern  Falle  sein  Sein  x^rurwa. 
wäre,  und  zwar  entweder  durch  seine  eigenen  Principicsi  ftäff 
durch  eine  äußere  Ursache.  Unter  beiden  Voraussetzungen  ^^ 
wäre  es  nicht  mehr  das  Erste  (4,  28—31).  Speciell  würde  die  «sl^ 
Aimahme  zu  einem  Widerspruch  mit  Avicenna's  Satz  Äb»hl 
daß  nichts  Verursachtes  Ursache  seiner  Existenz  ist  ').  and  wie^ 
die  zweite  mit  dem  Sein  des  Ersten  auch  das  ursachlose  £b^ 
selbst  zu  einem  Verursachten  machen  (3,  32—4,  4). 

So  ist  es  die  höchste  und  reinste  Notwendigkeit.  da£  dt: 
Erste,  ursachlos  Verursachende  ist;  denn  sonst  mü&te  es.  da  <£ 
sein  Sein   selbst  ist,   von  sich  selber  getrennt  werden  (4,  5 — 6i. 

Zwei  Sätze  sind  es,  um  welche  in  diesen  Erörtenm^ 
sich  alles  dreht,  ein  sachlicher,  ontologischer :  dafi  in  Gott  — 
im  Gegensatz  zu  allem  von  Gott  Verursachten  —  Wesenheit  umä 
Dasein  zusammenfallen,  d.  h.  daß  es  sein  Wesen  ist,  zu  sein,  and 
ein  formaler,  logischer:  daß  darum  die  Existenz  Gottes  für  den 
Sachkundigen   durch   sich  selber  evident,    unmittelbar  gewifi  ist 

Hinsichtlich  des  ersieu  Punktes  herrscht  unter  den  Scbola- 
slikem  die  allgemeinste  Übereinstimmung.  Der  Aristotelische 
Begriff  Gottes  als  des  lauteren  Aktes  sowie  die  biblische  Bezeich- 
nung Gottes  als  des  Seienden  waren  die  allgemein  anerkannten 
Voraussetzungen  dieser  Lehre.  Welchem  unter  den  Großen  in 
jener  Zeit  unser  Autor  speciell  am  nächsten  steht,  wird  sich 
schwer  entscheiden  lassen.  In  Einzelnem  erinnert  er  ganz  be- 
sonders an  Thomas  von  Aquino-'). 

Anders  der  zweite  Punkt.  Daß  der  Satz:  Deum  esse  ,w- 
pientibus  est  per  se  notum,  eine  einigermaßen  singulare  Anschauung 
vertritt  und  der  Ansicht  des  hl.  Thomas  nicht  recht  entspricht, 
hat  auch    Gipolla   gesehen  =').     Er  nimmt   an,   daß    der  Autor 


')  Hier  wird  also  der  Begriff  einer  vauAti  nni  zurückgewieseD.  Ve). 
oben  S.  120. 

')  Vgl.  p,  3,32—4,4  mit  Thom.  Aqu.  Sitmma  theol.  I  q.  3  a.  4  (er* 
ater  Beweis). 

")  Ä.  a.  0.  S.  105  f.    Vgl.  oben  S.  92.  127. 


Inlialt,  philoeophiegedcliichtliche  Stellung  und  Verrasaer  der  Schrift.     ISo 

hier  ileii  Aquinaten  durch  Bonaventura  ergänze'),  ohne  damil 
indes   den    wirklichen   historischen  Znsammenhang  zu  erkennen. 

Darüber  kann  /.unärli.st  kein  Zweii'el  bestehen  —  und  das 
liat  .'lueh  Cipolla  l)enierkl  —  (lala  wir  in  jenem  Salze  einen 
Nachklang  des  Oottesbe weises  aus  Anselm's  Monolo^nuin  vor 
uns  haben.  Hier  wie  dort  handelt  es  sich  um  den  Versuch, 
das  Dasein  Gottes  unmittelbar  aus  seinem  Bogriffe  zu  ersrhließen, 
oder  mit  andern  W^ortmi,  i!ar/-uthun,  lialä  der  Salz:  Gott  ist, 
als  ein  analytischer  durch  sich  selbst  evident  sei.  Bezeichnend 
ist  es,  dalä  Thomas  ven  Äquino  jedesmal,  wenn  er  in  seinen 
Schrillen  die  Frage  betiandelt  Vfrnm  ffmm  ense  sit  jter  se  uotuw, 
als  Einwand  gegen  j^eine  niigative  Antwort  das  ontologische 
Argument  sowohl  uiit  den  Worten  Anselm's  wie  in  der  Wendung 
unseres  Autors  vorbringt  ^). 

Thalsüchlich  freilich  ist  die  Stellung  jenes  Argumentes 
bei  unserrn  Autor  eine  andere,  als  l)ei  Anselin.  Thalsächlich 
ersetzt  nicht  bei  ihm  das  apriorische  Argument  das  aposteriori- 
sche, sondern  ergänzt  dasselbe.  Zuvor  hat  er  vom  Verur- 
sachten auf  die  nichl  verureachle  erste  Ursache  geschlossen; 
jetzt  zeigt  er,  diiß  diese,  als  in  keiner  Weise  verui-sacht,  das 
Sein  in  ihrem  eigenen  BegrilT  einschlieiien  muli  und  darum  nichl 
nichtsein  kann.  Weil  das  Sein  der  ersten  ürsiiche  keine  Ur- 
sache über  sicli  hat,  so  kann  es  auch  nichl  deduktiv  aus  einem 
Höheren  als  aus  seiner  Ursache  abgeleitet  werden;  es  ist  für 
den,  welcher  das  göttliche  Wesen  als  ein  Reales  durch  den 
aposteriorischen  Kausalilätsschluü  erkannt  hat^  unmittelbar 
gewitj,  daü  dieses  reale  göttliche  Wesen  sein  Sein  notwendig  hat. 


')  A.  it.  0.  S  107  f  Cipollft  berurt  sich  auf  OtiHpend.  thtoL  wni.  I,  1, 
ftuf  scn»'>  IX.  j'm  Ht-sitn».  und  »uf  dus  itinrrur.  ntfitt.  in  t/fiitn  c.  5.  Aber 
die  erste  Schrift  rOhrt  übcrlinupt  tiiciit  vum  hl,  üonavoniara  b^r,  und  sudem 
tnthätt  sie  ao  wenig,  wie  die  beiden  andern,  die  fSr  nnsem  Aator  cbaralEteri' 
»tische  Wendung. 

^  Tkomaa  A  qu.  I.  Sfttt.  d.  a  q.  1  a.  2  obi,  4.  De  Vtrit.  q.  10  (rf« 
Afmte)  a.  12  obi.  2  und  4.  l>e  FtiUntüt  q.  7  a.  2  ad  II.  Coni.  ymt.  \  c.  10 
obi.  1,  2  und  3.  Sutttma  theol.  I  q.  2  n.  1  obi.  2  (an  der  tntztom  Sielte  nur 
die  Anseimische  Form).  Dber  die  Geschichte  dieser  Frage  vom  Xllf.  bis 
zum  XVI.  Jahrhundert  findet  man  viel  Mntonal  bei  dem  gelehrten  Qnbriol 
Vazquez,  /«  /.  l\irtem  S.  Thomae,  T.  1,  disp.  19. 


186  Iniposstbilift  Sigeri  do  Brabanti«. 

Hier  nun  liegt  der  Aniaß  zur  Unklarheit.  Indem  unser 
Autor  dii-  Krapro  nach  der  logrisclien  Natur  des  Satzes  ,(>otl  ist* 
(Theht,  ]jiUt  er  ganz  aulicr  A<rht,  dalä  er  nie  Grundlage  seiner 
l)jirh;tfung,  die  Henlität  einer  ursachlosen  ersten  Ursache,  zuvor 
bewiesen  hat,  und  zwar  durch  einen  a|)Osteriorisclien  Beweis. 
Kr  behandelt  <ien  Begriff  Gottes  als  einen  intuitiv  gegebenen, 
dessen  obj<'ktive  Giiltlgketl  von  vornherein  festütehen  würde, 
Lind  leitet  so  di-n  Satz :  ^Gott  ist"  ans  dem  Bi'grifTe  Gottes 
analytisch  ab  als  einen  solchen,  di^r  njclit  nur  hypothetische 
Gellung  haben  soll  („wenn  (tutt  gedactit  wird,  muii  er  als  seiend 
gedacht  werden"),  sondern  den»  absolute  Gcltiuig  beigelegt 
wird  („der  ol)jt*klive  Inhalt  des  GotiesbegrifU*s  existiert  Ihat- 
sächlich"). 

Thomas  von  Aquino  hatte  in  seiner  Kritik  den  Denkfehler 
treffend  hervorgehoben.  Er  unterscheidet ')  ein  an  sich  unmittelbar 
Gewisses  (/i^r  sr  notum  tttrumium  iteß  und  ein  für  uns  unnuttiübar 
Gewisses  f/wr  »t  noium  tjuoftU  nos).  An  sich  ist  jeder  Satz  un- 
mittelbar gewili,  dessen  Prädikat  mit  dem  Subjekt  gegeben  ist : 
über  diese  objektive  unmittelbare  Gewiüheit  wird  nui*  dann  aucli 
eine  subjektive  Tür  uns  sein,  wenn  wir  den  Begriff'  des  Sub- 
jektes klar  erfassen,  in  welchem  djus  Prädikat  eingeschlossen  ist. 
Dabei  kanti,  wie  im  Anschluß  an  eine  Unlers<Ju>idung  des 
Boethius-)  dies  Letzlere  näher  ausgeführt  wird,  der  Grad  der 
subjektiven  unmittelbaren  Evidenz  hinsichtlich  der  größeren  oder 
geringeren  Leichtigkeit,  mit  der  wir  zu  üir  gelangen,  ein  ver- 
schiedener sein.  Entweder  nämUdi  ist  ein  jeder,  der  überhaupt 
des  Denkens   fähig  ist,   im  Stande,  jene  Begriffe   richtig   zu  er- 


■)  An  den  S.  185  Anm.  2  oiticctcn  StoU«iL 

*)  Boethius,  i^wtmodo  fwfciftiHliW  w  to  ^tmä  mmt  hnmt  «int  foder  l*t 
Mdamm^ibwf  \  p.  169,  IT— 2'>  P«iper:  Cw ■»»  luüini  conccptio  (di«  x'urij 
rnma  der  Stoiker)  eet  pnuotiatio  quun  qonqw  probat  utditam.  H«ram  du* 
plf  X  modus  eoL  Kam  una  iU  comroania  «st,  ut  omniam  sit  hominum,  adati 
81  baac  proponas.  si  dnobas  aequalibua  aiaqualia  aofena,  %■■•  relin^anntar 
aeqoalia  esse,  nullus  id  iBtcUigcna  aefel  AÜa  uero  eai  doctonim  tantvm, 
qua«  tarnen  ex  taÜbos  oomnunts  animi  conoeptibos  aoul,  ot  eal,  qua*  cvr* 
poralia  sunt,  in  ioeo  mam  tmm,  ei  eetara  qnut  wm  «■Iguih  uad  AmU  vom- 
probaat. 


InhaU.  philosojiliie  geschieh  Hl  die  Sielhing  and  Verrasser  der  Sclirift.     137 

fassen,  und  danitt  die  unmittelbare  Evidenz  des  auf  sie  gebau- 
ten Satzes  zu  erkennen,  oder  aber  nur  die  Verständigen  und 
SaclikinidigoM  Imbeti  den  hierfür  crfonierlen  klaren  Begriff  der 
Sache  ').  —  Von  GolLes  ^V'esen  lial,  so  lange  wir  auf  Erden  wallen, 
niemand,  auch  nicht  der  Gelehrte  ■),  eine  Anschauung,  weldie 
dieses  Wesen  durchdränge").  Auch  der  Einsichtige  und  Sach- 
kundige kann  daher  nur  durch  (aposteriorischen)  Beweis  dar- 
thun,  daii  mit  dem  \Vt»sen  Gottes  seine  Existenz  gegeben  ist; 
uucli  für  üin,  lehrt  Thomas,  ist  das  sachlich  unmittelbar  Ge- 
wisse kein  subjektiv  unmittelbar  Gewisses. 

Unser  Autor  schlieft  sich  zwai*  in  dttr  allgemeinen  Auf- 
fassung des  logischen  Problems  an  die  aucli  von  Thomas  ver- 
Irelene  Ansit;hl  an,  und  zwar  so  nahe,  daü  sich  selbst  im  Aus- 
druck die  engste  Berüfirung  riiil  Thomas  bei  ihm  findet;  da- 
gegen IfiSt  er  den  Unterschied  des  objektiv  und  des  sub- 
jektiv Unmitteibaren  völlig  bei  Seite.  Ihm  genögt  es,  daß 
der  Sachkundige  die  sachliche  Identität  des  Wesens  und  des 
Üaseins  bei  der  ersten  Ursache  erkennt,  ohne  daß  er  noch 
weiter  fragte ,  wie  denn  der  Sachkundige  zu  dieser  Ein- 
sicht gelangt,  ob  durch  unmittelbare  Intuition,  oder  durch  ver- 
mittelnden Beweis.  So  ist  ihm  der  Salz:  ;,(iott  ist"  im  An- 
schluß an  die  Boethianische  Terminologie  eine  Wahrheit,  die 
für  den  Sachkundigen  urnnittclbar  gewiß  sein  soll. 


')  /V  Vei-U.  q.  10  a.  12.     Stwitun  thml.  I  q.  2  a.  1. 

*)  DaB  auch  diese  Kweito  Art  de«  prr  sr  Hnhun  iituntd  Htin  fUr  die 
menschücke  Krkeimtuis  auf  Erdon  h«i  Thomas  ausgeecbli}6sen  ftein  eoll,  er- 
sieht niKii  gauz  klar  aus  De  VcritaU  q.  10  a.  12.  Wenn  dir  kürzeren  Auh- 
ftthruDgen  Sumnm  fhcot.  1  q.  2  a.  1  nach  dieser  Seite  hia  noch  irgend  einen 
Zweifel  übrig  lassen  sollten,  so  wird  er  durch  jene  aosfUhrtichere  Darstellung 
beholien. 

^  Thomas  Aqa.  Contra  grnt.  \  c.  U:  Sicnt  nobia  per  se  notum  est 
qnod  ixttwm  aiia  parte  sit  maius.  sie  nidentibus  jpsam  diuinam  oasciitiam  per 
se  notissimuni  est  deum  ease,  cz  hoc  quod  aun  casentia  est  Huum  etuie.  Scd 
qnia  eina  easentlam  nidero  non  poasumus,  ad  eins  esse  cognoscendum  non 
per  S3  ipamn,  sed  per  eius  effectua  peruenimua.  I>e  Vtrit.  q.  10  a.  12  ad  4: 
Dicendiim  quod  ratio  iJla  procederet,  ai  hoc  nobia  ess^t  per  ae  notum,  quod 
quidem  nunc  non  est  nohis  notum  per  sc,  aed  indigemus  ad  hoo  tenendum 
ucl  domonatratione  uel  flde. 


188  ImpOMibilia  Sigeri  de  Brabnntia 

Haben  wir  liier  eine  persönliche  Auffassung  unseres  Autor» 
vor  uns,  oder  folgt  er  darin  einem  anderen?  Dali  Cipolla'?: 
Meinung,  tlor  hl.  Bonaventura  s<.m  die  Quelle,  uicht  zuLnlTl, 
wurde  schon  oben  bemerkt,  hides  steht  der  Verfasser  niit 
jener  Ansiclit  doch  keineswegs  alleui.  Er  hat  sich,  was  Cipolla 
entgangen  ist,  an  Albert  von  Bollstfidt  angesclilossen,  der  in 
seiner  timümjiKrhen  SutiiiiK^  gleichfalls  iiu  AnschluÜ  an  Boethius. 
die  gleiche  Ansicht  weith'uitig  entwickelt ').  Trotzdem  in  der 
allgemeint^n  logischen  Bestimmung  des  unmittelbar  evidenten 
Satzes  unser  Autor  fast  wörtlich  mit  Thomas  übereinstimnit. 
hat  er  in  röcklüuliger  Bew^img  damit  Alberls  Gedanken  zu 
kombinieren  versucht. 

Die  fragliche  Ansicht  luit  übrigens  auch  sonst  im  XllL 
und  dem  folgenden  JahrliunderL  Verfechter.  So  finden  wir  sie 
bei  dem  Hauplvertreter  des  Augustinisnius  in  dur  späteren 
Scholastik,  Aegidius  Colonna  (Acgidius  Hotnanus).  dem  ersten 
Augustiner-Eremiten,    welcher   an    dtr  Pariser  Hochschule    einen 


')  Albertna  Magnus,  Sntutiiu  ifuul.  I  tr,  '^  q.  17  (T.  XVII.  p.  63  b  — 
64  A  JAmmy);  Ad  id  quod  quaeritur:  utnim  flit  par  ae  notuni.  diccndum  qnod 
/M*r  nr  luttum  diritur  irilm--i  modts,  Prlmo  quidcm  ex  parte  noscciiti«  /«r 
NC  ttotum  est,  vwxw»  notitia  in  noKCt^nte  v-^i  per  Imbituiu  extrinsocuin  nun  »c- 
(]uiHitfl;  et  sie  üciim  esse  per  ne  notum  est.  sed  ex  liuc  nun  evqnitur  qniti 
uiu  poKsit  haheri  per  rutiuiiom  ud  otsteiideiidum  ipsuin.  >'ecundo  dicilur  //fi*  -w 
tmtuin  ex  parte  noacibilia.  od  quod  medium  non  linbotur  qaod  si  (lies:  srtt 
priuR  ipsD.  pi'v  quod  eogiioscatur;  et  sie  demonstratio  dicitur  ox  per  ae  nutis. 
Med  non  RcquJlur  gx  huc  quin  ex  pf>at«rioribu8,  quiin  Hunt  priura  quoad  no«, 
nia  hsbeatur  ad  ipan  cognoacenda.  ot  sie  principia  dicuiitor  per  so  not«. 
Turtio  inudo  firf  nr  mita  dioitur  propo^itid  quae  ex  terminis  in  se  poaitii« 
omnibtiu  ae  nianifcstat  t[uibua  uuti  sunt  ttTuiini.  huc  enim  per  doctrinam 
non  accipitur.  Eüt  haec  duplex  est  est  onim  uonini  prr  se,  in  quod  ronu^ 
niunt  ticl  omnea,  uel  aapieuteä.  Et  sccundum  hoc  diulinguit  Boethiu« 
(vgl.  oben  S.  ISti  Anin.  2)  diio  genera  difaiilatiiin.  iinuni  e»t  qmMl  di>tnitas 
est  quam  quisque  probat  audititni,  siciit  totiini  ninius  äiin  parte  esse;  uotii» 
eniui  t4>rminis  propositionis,  qui  sunt  totmn  ot  pars,  quilibet  statim  acqaipacit 
secundtim  est  propoaitio  quam  ex  hubitudme  temiinorum  probat  quilibet  sa- 
piens, ut  apiritualia  Biue  iucurporalia  in  loeo  non  esse.  —  Priino  »^rgo  modo 
et  tertio  per  8i*  iiutuni  est  deuin  esse,  secundo  autem  modo  uon  est  per 
80  nutnm.  dico  autem  tortio  modo  quoad  aftpientes,  qoihiia  notuin  e^t 
quid  druit  aigntfieet,  et  quid  tmr,  et  quod  ihm,  secundum  quod  deua  est, 
principiuiQ  ut  fons  eat  Ofm: 


Inhalt,  pbiloaopbiL'geschichtliche  Stellung  und  Verfasser  ck*r  Schrift.     18i) 

Lehrstuhl  erlangte  (+  I31G) ').  Obwohl  Schüler  von  Thoiuas 
von  Aquino  und  in  vielem  der  Verteidiger  seiner  Lehre,  Itat  er  in 
ijian(_'heni  doclj  abweichende  Ansichten.  Drei  Bedintriuigen  stellt 
er  für  den  unmittelbar  gewissen  Satz  auf:  dalä  das  Pi-ädikat 
zum  Sul>jekUbi'^riir  gehört,  (laß  der  Satz,  wenigstens  direkt, 
nicht  geleugnet  wenlen  kann,  und  dali  jeder,  der  die  Bedeutung 
des  Satzes  erfalJt,  ihn  für  wahr  eraehteL  Alle  drei  Bedingungen, 
so  wird  zu  zeigen  versucht,  treffen  bei  dem  Salze:  (iotf  w/,  zu. 
die  letzte  freilich  —  und  hier  wird  wieder  Boelliius  angezogen 
, —  niclii  hei  allen,  sondern  nur  hei  den  fachkundigen  und 
Verstündigen.  Der  Satz:  „Gott  ist",  ist  also  ein  durch  sich 
evidenter,  nicht  fm*  alle,  wotil  aber  für  den  Einsichtigen  -).  Die- 
selbe Lehre  stellt  der  gelreue  Schüler")  des  Aegidiu.s,  Thomas 
von  Slraüburg  (Thomas  de  Ärgentiua,  f  1857  zu  Wien)  auf*)- 
Diese  auflallende  Übereinslimmung  in  einem  ziemlich  sin- 
gulären  Punkte  könnte,  wie  schon  liier  bemerkt  sei.  die  Frage 
nahelegen,  oh  wir  nicht  in  Aegidius  Colonna  den  Verfasser 
unserer  imfunsAibiUa  Si</r.ri  zu  sehen  haben.  Aber  dagegen 
spricht  schon,  daß  die  ganze  Entwicklung  bei  Aegidius  eine 
reichere  ist-  Den  JinjmsAibi/nt  S'ujvi-i  ist  vor  allem  die  zweite 
der  von  Aegidius  lur  den  uimiittelbar  evidenten  Sul/.  aufgestell- 
ten Bedingungen  fremd.     Überhaupt  hält  er  sicti  in  der  Fassung 


')  über  ihn  vgl.  beaondrrs  die  aasfUhrlichü  Danst«llaug  hoi  Karl  Wer- 
ner, Dev  Äiigtislirngmits  in  thy  Srhofnutil'  de«  9pdUrf\t  Afitfrlnltvra  [Bd.  UI 
der  SeJwitiiftiA-  dr«  .i/ttirrt-fn  Mittelulteri*).     Wien  l88Ji. 

*)  Aegidius  Kom.,  I.  Smt.  d.  3  q.  2  (Venetiis  1492.  ExempUr  in 
der  Breslauar  Univeraitatäbibliothek).  Aegidius  wendet  sich,  wenn  auch  ohne 
Namensnennung,  direkt  goKcn  Thuroas  von  Aqaino.  „Sed  ista  ratio"  (des  hl. 
Tluiiimsl.  sagt  er,  ,non  e^t  bona".  Er  selbst  lehrt  {a.  a.  it.  nd  2):  Dict-ndum 
quod  non  eist  per  ne  ntitum  omiiibu»  daJ^  Uutt  sei  .  sed  hoIuid  »iipientibus; 
el  ideu  a  iiiiUo  tiere  sapicntu  negutur.  Zur  suchlichen  Kritik  dua  Acgidju^ 
vgl.  Vasquez  an  der  S    135  Anm.  2  angeführten  Stt-lie. 

^)  Werner.  «.  «.  0.  S.  15. 

')  Thomas  de  Argontinn.  I.  Smt,  d.  3  q  1  a  3  lArgent  U90. 
pur  Martimim  Flach.  Exemplar  in  der  Breslauer  üaiTersitäisbibliotbck); 
His  pracmissis  dioo  quod  haec  prop^mitio:  tUtf^  etti,  per  ee  nota  est  sa- 
pientibuu,  quumuts  non  communiter  et  indifferenter  »lue  uulgarit4*r  oinnibus, 
qnia  illa  propositio  eat  per  se  nota  ad  mimia  sapientibus,  cnins  pracdicatum 
est  de  esaoutia  subiecti;  sed  esse  est  idem  quod  oBSontia  dei;  ergo  etc. 


140  Inipu^siliili«  Sigort  dv  KntKnntia. 

des  logischen  Problems,  wie  schon  oben  ')  bemerkt  wurde,  an  die 
schlichlere  Fassung  bei  Thomas  von  Aquino.  Diese  BeLrach- 
lung  wird  uns  dt'shalh  eher  iltihin  fuhren,  den  Verfasser  der 
infjto{*itbifi(i  zwischen  AlbeiL  und  Afgidius  zu  suchen. 

An  die  Behandlmup  des  Gottesbeweises  schUeßt  sich  eine 
Bemerkung  über  den  Sinn,  in  welchem  wir  von  einem  t-rslen 
Princip  sprechen,  dem  niolils  voraufgehl.  Dieselbe  leitet  ObtT 
zur  Beantworlung  der  vom  Gegner  erhobenen  Einwendungen. 

Das  erste  Princip  ist  dasjenige,  dem  nichts  voraufgehl, 
weder  seine  einfache  Negation  —  wie  bei  allem  GeschafTenen  — , 
noch  eine  Privation  -  -  wie  nach  der  ArisloU'lischen  Tej-mino- 
logie  beim  Werden  die  arr^rjatg  dem  fMoc  — ;  auch  keine  mate- 
rielle Potenz  und  kein  Akt  eines  Wirkenden.  Wenn  wir  aber 
sagen,  dem  Ersten  gehe  nichts  vorher,  so  soll  das  nicht  heiüen, 
(tau  das  Nictits  vor  ihm  sei,  sondern  daCt  es  nicht  etwas  vor 
ilmi  gebe.  Damit  ist  zugleich  der  zweite  Einwand-)  gelöst 
(5,  7-24). 

Wie  aus  dem  oben  Beriierklen  ^)  erhellt,  geht  diese  Zu- 
rückweisung t'iner  Ilypostasiernrig  des  , Nichts',  die  dem  geg- 
nerischen ArgunietiL  zugnunle  lag,  (indirekt)  auf  Anselm  zurück. 

Gegenid)er  den»  ersten  Einwand  *)  wird  zugegeben,  dati 
Gott  nicht  die  allgemeine  Materie  ~  wie  David  von  Dinan 
wollte  ,  und  ebetisowi-nig  die  allgemeine  Form  alles  Seienden 
sei  (5,  :äö-;^|).  Dagegen  ist  er  die  allgemeine  Zweckursache, 
der  alles  sich  nach  Vermögen  ähnlich  zu  machen  strebt  imd  von 
der  alles  final  bewegt  wird  (5,  31— G,  3).  Es  ist  der  alte 
Aristotelische  Gedanke^),  den  Dante  "^j  ausdrückt; 

Ich  glaub'  tiD  i?inea  t/in'gen 
Und  ew'gen  <iott,  der  da.  den  ganzen  Himmel 
Bewegt,  »elktit  unbewtfgt,  durch  Lieh'  und  Sehnsuchl. 
Von    dieser    Zweckbewegung   zum    Ersten    hin    hatte    der 
.Sophist*    das  Mathomatische   und   die  Intelligenzen  ausnehmen 


')  3.  187. 

^  S.  oben  8.  119. 

')  S.  119. 

*)  S.  oben  S.  117  f. 

»)  Ariatot.,  Mi-taph.  XIT  7,  p.  107'2  «  26.  b  3  f . 

")  Dante,  htraä.  XXiV,  ISO  ff. 


Inhalt.  philosophi&j^OHc-hidittirhe  Stellung  und  VerfnHSor  der  f<rht4ft.     Ut 

wollen').  Unser  Auttir  nrwiilert  auf  jene  Einwände,  daß  das 
Mathemalische  überhaupt  kein  eigenes  Sein  hat,  gesondert  von 
der  Bewegung  (durch  welche  es  konstruiert  wird).  Ks  ist  also, 
mninl  er  ofit-nbar,  oben  in  «lieser  Rfwogimg  in  die  Zweck- 
strebigkeit  oingeschlossoii.  Dio  Intellig-enzen  aber,  denen  jener 
das  aktive  Wirken  und  damit  die  eigene  Bewegung  zu  einem 
Ziele  hin  hatte  absprechen  wollen,  bewegen  nicht  nur,  insofern 
sie  selbst  Ziel  für  anderes  sind,  sondern  auch  als  bewirkende 
Ursache.  Wenn  der  Tischler  etwa  eine  Truhe  hcrsleUt,  so  sind 
die  reale  Form  der  Truhe  in  der  Materie  und  die  ideale  Form 
derselben  im  Geiste  des  Künstlers  verscliiedeii,  und  danmi  ist 
die  Tnilie  nur  Zweck  för  die  Tlmtijfkt-it  des  Künstlers  (der  durch 
andere  Mitlei  jene  intendierte  Form  verwirklicht),  unti  bewegt 
nicht  selbst  aktiv.  Wären  dagegen  beide  Formen  nicht  ver- 
schieden, imd  wSrc  die  wahre  Truhe  im  Geiste  des  Künstlers, 
so  würde  jene  Form  nicht  nur  als  Zweck,  sondern  auch  als 
bewirkende  Ursache  bewegen.  So  aber  verhält  es  sich  bei  den 
von  der  Materie  gesonderten  hitelligenzen,  die  aus  sich  (ohne 
voi-gangige  Abstraktion)  actu  inteUigil>eI  sind  (bei  deren  her\or- 
bringendor  Thätigkeit  es  sich  darum  nicht  um  eine  in  der  Materie 
XU  verwirklichende  Form  handelt,  sondern  das  üervor^jubringende 
sein  Sein  im  Geiste  hat).  Autierdem  ist  den  Intelligenzen  ein 
Wollen  und  Erstreben  eigen,  was  wenigstens  in  übertragener 
Bedeutung  Bewegimg  Ist;  und  dannn  giebt  es  für  sie  auch  in 
dieser  Beziehung  eine  Zweckursache  (ti,  A — li). 

Es  IjleilH  noch  übrig  der  Nachweis  einer  ersten  bewe- 
genden Ursache.  Entsprechend  der  gewöhnliehen  Terminologie 
der  zeitgenössischen  Scholastik  tritt  bei  diesem  Nachweise  statt 
der  spezitisch  Aristotelischen  Bezeichnung  «bewegende  Ursache* 
{o&ey  i)  rfpjtv  T^«:  xivifoswc  u.  dgl.)  die  „bewirkende  Ursache* 
{cmtm  efficiem)  ein  -). 

Das  erste  Princip,  so  wird  zunächst  gezeigt,  muß  bewir- 
kende Ursache  sein.  Detm  die  bloüe  Finalureache  ist  zwar 
Ursache  der  Thaiigkeit  oder  Bewegung  dessen,  was  zu  ihr  als 
seinem  Zwecke  hingeordnet  ist,   dagegen    ist  sie  nidil  auch  Ur- 


<)  S.  cbeD  S.  118. 

*)  Vgl.  scboD  oben  S.  129  f. 


14S  ImpoMibilia  Sigeri  de  BrabaDtia. 

sache  iör  seiu  Sein,  sondern  setzt  dieses  vielmehr  schon  voraus. 
Das  erste  Princip  aber  setzt  nichts  voraus,  dessen  Ursache  es 
nicht  würe.  Es  kann  also  niclit  hlos  Zweckursache,  sondern 
TiiulJ  bewirkende  l'rsaclie  rfein  ((»,   \i  —  -20). 

Der  zugrunde  iii»gende  Gedanke,  daU  die  Wirkung  der 
Urs;ii:he  um  so  weiter  reiclic,  ji'  höhei'  die  Ursache  ist.  und  dali 
ilesluilh  dies  erste  Princip  l'rsache  dessen  sein  müsse,  wjiä  diis 
Allgemeinste  in  dvn  Dingen  ist,  nanilicli  ihres  Seins,  ist  hekanntheh 
vom  Neuplalonismus,  speziell  von  Proklus  *),  formuliert.  Er 
ist  im  Arischlüü  an  Proklus  eine  Grtiudanschautmg  des  Über  ät 
rnuAiH  -),  In  vertiefter  Form  Iiedient  sich  'Ilntum<  nm  Atjuhw 
seiner  zur  Entwicktunj;  des  Schöpfuugshet'riffes  ■'). 

Sonach  hleibl  nur  noch  zu  zeigen.  daU  diese  erste  bewir- 
kende Ursache  bewegende  Ursache  für  alles,  und  also  Ooll, 
sei;  denn  dagefjen  war  eingewandt*),  dati  nicht  alles  bewepl 
sei.  Bekanntlich  stellt  ni;in  ja  das  krirperliche  Seiende  als  owt 
Mobilr  dem  unbeweglichen  uukörperlichen  entgegen.  Demgegen- 
flber  wird  hervorgetioben.  daß  Gott  darum  bewirkende  Ursache 
auch  der  imvenuiderlichen  Substanzen  sei»  weil  dieselben  in 
ihrem  Sein,  dessen  Ursache  er  sei,  von  ihm  abhangen.  Dieses 
Sein  aber  brauche  nicht  durch  eine  eigentliche  Bewegung,  eine 
in  einem  Proeeli  sich  vollziehende  Veränderung  (ttuumnutatiu), 
von  ihm  auszugehen.  So  bewirke  auch  auf  dem  Gebiete  der 
veründerlicliL'u  Dinge  die  bowirkemle  Ursache  durch  den  Proceli 
der  Venlnderung  (die  tninmuufatinj  unmittelbar  das  Sein  des 
brIrcfTenden    Dinges,    nicht    aber   bewirke   sie   zuerst  jene  Ver- 


')  Proklus,  mmx'ioMti  §  70.  101.  138.  In  Ifut.  theoJ.  1  13.  p.  SK 
PorfuB.  Vg].  Zellcr,  I^itoMopItif  tlcr  Gn'frhrn,  Bd.  111,  2.  3.  Aafl.  Leipzig 
1881.  S  7!>1.  —  Sclioii  Inline  vor  Prvklua  findul  sich  lÜeecr  G^dAnke,  frei- 
]leli  in  «incr  oigciitriniIicIu>ii  tlicK>]oKiät:]ion  Aiiw-ciidunK,  \m  Origenoa.  in 
seiner  Jugeiidäcbrift  //tut  u(>/tüv.  Durt  heiEt  ea  [I  fr  graec.  8;  in  der  CWr- 
aetzung  des  Kufiiius  p.  ß2  Ruacus  it^t  daa  Het^rodoxe  einigermaßen  gemil- 
dert), diili  der  EintitiD  de»  Viit^^rs,  der  jeilcm  von  den  Seienden  daa  Sein  frelw. 
bJR  zu  jpdem  der  Dinge  reJclie;  iler  dea  SoUnea  —  di-s  Logos  —  nur  bis  zu  den 
vcrnQnltigeii  Wesen;  dur  dos  heiligen  Ueistes  nur  bis  xu  den  heiligen  Seelen. 

')  Libcr  df  catisis  §  1.  4. 

")  Thomas  Aqu.,  Snmum  tfmoJ.  I  q.  44  a.  1  und  2. 

■*)  S.  oln-ri  S.  IIH  (vgl.  p.  2,  1-3). 


Inhalt,  philosophiegeschichtliohe  Stellang  und  Verfasser  der  Schrift.     14$ 

ünderung;  denn  das  würde  ja  ins  Unendliche  so  fortgehen 
müssen  (6,  20-30). 

Leicht  hat  es  der  Verfasser,  den  dritten  Einwand  zu- 
rückzuweisen, der  in  dem  Begriffe  des  „durch  sich  Seienden'* 
einen  Widerspruch  finden  will.  Das  durch  sich  sei  nicht;  er- 
widert er,  wie  es  der  Sache  nach  schon  Anselm  gethan '),  im 
positiven,  sondern  im  negativen  Sinne  zu  nehmen;  durch  sich, 
d.  h.  flicht  aus  einem  andern.  Wenn  man  dem  Ersten  eine  Kau- 
salität sich  selber  gegenüber  zuschreiben  wolle,  so  mache  man 
eine  Unterscheidung,  der  keine  Realität  zukomme,  sondern  die 
allein  auf  der  Auffassung  durch  den  menschlichen  Verstand  be- 
ruhe (6,  31—7,  4). 

Bei  der  Zurückweisung  des  mehrgestaltigen  letzten  Ein- 
wandes-)  stellt  sich  unser  Verfasser  auf  den  Standpunkt  „der 
Philosophen",  d.h.  der  neuplatonischen,  vor  allem  durch  den 
Liber  de  causis  vertretenen  Lehre.  Hoc  autem  dicimus,  sagt  er 
(7,  10),  secundum  sententiam  philosophorum.  Wenigstens  hier 
behandelt  er  also  wie  zwei  verschiedene  Gedankenwelten  die 
von  den  Philosophen  allgemein  recipierten  Lehren  der  aner- 
kannten philosophischen  Autoritäten  und  die  eigene  Auffassung 
von  der  Sache.  Das  ist  höchst  charakteristisch.  Es  ist  kein 
Wunder,  wenn  uns  ein  solches  unvollkommenes  Äuskunflsmittel 
bei  dem  Begründer  der  durch  die  orientalisclie  Spekulation  er- 
weiterten Scholastik,  Doniinikus  Gundissalinus,  begegnet*). 
War  doch  noch  Albert  der  Große  nicht  selten  so  verfahren, 
in  seinen  Paraplirasen  und  Kommentaren  einerseits,  seinen 
darstellenden  Werken  andererseits^).  Aber  Thomas  von 
Aquino  hatte  diese  noch  nicht  völlig  ausgeglichene  Betrachtungs- 
weise vollkommen  überwunden.  Auch  bei  Aegidius  von  Go- 
lonna  wäre  sie  schwerlich  mehr  möglich  gewesen.  Unser  Ver- 
fasser rückt  auch  durch  diesen  Satz  in  die  größte  Nähe  Albert's 
von  Bollstädt. 

0  S.  S.  119. 

*}  S.  oben  S.  121   ff. 

")  Vgl.  C.  Baeumker,  Les  ^crit»  philosophiques  de  DominietM  Gutf 
distialinus  (Rente  Thomiste,  V.  Paris  1897.  p.  728—745)  p.  740. 

*)  Vgl.  G.  von  Hertling,  Albertus  Magnus.  Beiträge  zn  seiner  Wür- 
digting.    EMn  1S80.    S.  26  Anm.  1. 


144  Impoalsibilia  Sigcri  de  Brnbanita. 

Mit  dem  Liber  de  cttmis  also  will  der  Verfasser  annehmeu. 
dafi  der  IntclliKenz  die  Mö);Hchkcit  zum  Nichtsein  nicht  zu- 
komme, so  daü  es  iimin'fi^lich  sei,  daü  dieselbe  nioht  s^ei.  Aber 
dieses  schließt  nicht  aus.  dati  dieselbe  in  ihrem  Sein  von  einer 
fiuSeren  Ursache  abhangt ,  von  der  sie  eui  derartig^es  Sei» 
erhallen  hat.  Da  also  die  rntelligenz,  weil  von  dem  Ersten 
verursacht,  nicht  mehr  wAre.  wenn  das  Erste  nicht  wäre, 
wAlirend  .sie  andererseits  itirer  Natm-  nach  nicht  nichlsein  kann. 
so  folgt  hieraus  nichts  anderes,  als  daü  die  Intelligenz,  wenn  sie 
nicht  zugleich  s^^n  und  nichtsein  soll ,  eben  dieser  Beziehung 
'/.u  ihrer  Ursache  nicld  beraubt  werden  kann,  durch  die  sie 
immer  ist  (7,  5—15). 

2. 

So  radikal,  wie  der  erste,  ist  auch  der  zweite  Salz  des 
Sophisten:  Alles,  was  uns  ersciieint,  sind  nur  Bilder, 
wie  die  Traumvorsteilungen,  so  daü  wir  über  die  reale 
Existenz  keines  Dinges  gewiü  sind  (S.  7.  19— äl). 

Der  Beweis  dafür  geht  aus  von  der  Erwäg-ung,  daß  ein 
Vermögen,  das  tauschenden  Vorsti'l langen  ')  zugänglich  ist,  über 
die  Realität  des  Erscheinenden  nicht  sclhsl  urteilen  kami,  son- 
dern daxu  der  Entscheidung  durch  ein  anderes  Erkenntnisver- 
mögen bedarf.  Denn  eine  Erkenntniskraft,  die  überhaupt  iler 
TAiischiuig  zugänglich  ist,  kann  aus  sich  keine  sichere  Entschei- 
dung gphen ;  und  wenn  wir  in  solchen  Fällen  nur  durch  eine 
andere  Erkenntniskran,  die  über  die  Aussage  der  ersteren  ein 
Urteil  füllt,  numlieti  durch  den  Wrstand,  zu  der  Ei-kenntnis  ge- 
langen, daö  eine  SinnestänstHinng  vorliegt,  so  ist  ein  solches  Ur- 
teil eines  andern  Vermögens  auch    nötig,   um  zu  erkermen,   doli 


')  Hit  ti/tftfirfHtia  tantHM  wird  hier  offenbar  die  SinneaUiiacliung  W 
reicbnet,  die  nur  Schein,  »imnf(irniin.  ist.  Apptirmlin  alUin.  ohne  Zusatz, 
wQrde  dan  tfairöfin-ny  bi>zeichnf>n,  *ii\s  natQrlich  als  Erscheinung  idte  ja  nicht 
Schein  zu  sein  braucht)  auch  £räc'hcinuug  eines  Realen  sein  kann  i.vgl-  og 
pnffre  p.  8,  1).  Der  Fstssung  der  Vorstellung  als  Bubjektiver  Affektio«? 
ontsprchend  dem  itäOoi  der  griechisehcn  Philosuphie,  begegnen  wir  p.  8,  19, 
wo  die  Ansicht  Eurflek gewies«»  wird,  daB  alle  VorstaUangagegenstlada  ;m*- 
WoNM  »tmtientium  seien. 


Inhalt,  phi1o9opbiegeschicfatIiche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrifi     145 

die  Sache  in  Wirklichkeit  so  ist,  wie  sie  erscheint.  Ein  solches 
Superarbitrium  könnte  entweder  ein  Sinn  über  die  Aussage  eines 
andern  Sinnes,  oder  der  Verstand  über  den  Sinn  abgeben.  Nun 
ist  aber  jeder  der  Sinne  solchen  Täuschungen  unterworfen, 
nicht  nur  im  Traum,  sondern  auch  im  Wachen.  Keiner  der 
Sinne  kann  also  beurteilen,  ob  die  Sache  sich  in  Wirklichkeit 
so  verhält,  wie  sie  erscheint.  Aber  ebensowenig  ein  höheres 
Vermögen  —  der  Verstand  — ;  denn  da  die  Beweisführungen 
des  Verstandes  von  den  Principien  abhangen,  die  Principien  des 
Denkens  aber  durch  die  Induktion  aus  der  sinnlichen  Erfahrung 
bedingt  sind,  so  stützt  sich  schließHch  auch  alle  Verstandes- 
gewißheit auf  den  Sinn  (7,  21—8,  5). 

Ferner  giebt  es  kein  Verstandesurteil,  dem  nicht  bei  einem 
anderen  Urteilenden  ein  entgegengesetztes  gegenüberstände.  Wenn 
also  das  Erscheinende  real  wäre,  so  müßte  Entgegengesetztes 
wirklich  sein  (8,  6-10). 

Wenn  man  endlich  zwischen  normalen  und  anormalen 
Wahrnehmungen  unterscheiden  will,  so  ist  zu  erwidern,  daß  es 
nichts  giebt,  was  dem  einen  anormal  erscheint,  das  nicht  dem 
andern  normal  erschiene.  Es  wäre  also  zur  Entscheidung  ein 
Urteil  nötig,  bei  dem  Widerspruch  der  Urteile  darüber  wieder 
ein  Superarbitrium,  und  so  fort  (8,  11—17). 

Wie  man  sieht,  sind  es  einfach  die  Gründe  der  antiken 
Skepsis,  welche  hier  gegen  die  Zuverlässigkeit  des  menschlichen 
Erkennens  aufs  neue  ins  Feld  geführt  werden,  um  dasselbe  als 
ein  bloß  phänomenales  zu  erweisen,  das  einen  sicheren  Weg 
zu  einem  transcendenten  Realen  nicht  bietet.  Dabei  dürften 
weniger  Cicero  *) ,  Gellius  -)  und  Augustinus  ■') ,  auf  die  Jo- 
hannes von  SaHsbury  *)  seinen  Bericht  über  den  Skepticis- 
mus  stützt,   als  Aristoteles*')   mit   seiner  Darstellung  der  Pro- 


')  Cicero,  Acad.  II,  15,  47  ff.  24,  77  ff 
-)  A.  Gellius,  Noctes  Attieae  XI,  5. 

')  Augustinus,   Contra  Acadfmieos  (besondere  II  c.  5;  III  c.  10—12). 
*)  Johannes  Saresberiensis,  PoUcraticus  VII,  2-3. 
")  Aristoteles,  Metaph,  IV,  c.  4  und  5—6.    Xf,  c.  6. 
U»itri|r*  I[,  s.    Bneumker,  Siger  von  llnhint.  10 


14tf  ImpoMibilia  Sigori  de  ßrabantia. 

lagoreischen  Skepsis,  aus  dem  auch  Heinrich  von  Gent ') 
die  von  ilini  widerlegten  skepüsclien  Argumente  entnahm,  seine 
Quelle  gewesen  sein.  Ihm  hat  er  z.  B.  j^ewili  den  Gedanken 
entnommen,  daß  dem  Widerstreit  der  Sinm^saussagen  gegenüber 
ein  höheres  Urteil  notwerulij;  würe,  daU  ein  solches  aber  nicht 
zu  finden  sei  ■').  Nicht  für  unmfiglich  würde  ich  es  halten,  daß 
unser  Philosoph  auch  aus  Sextus  Enipiricus  geschöpft  hat, 
dessen  nvQQWvftoi  Imoxvmoatt^  mit  ihren  verschiedenen  2u- 
sjitnnienstellunjfon  der  skeptischen  Tropen  ')  dem  laleinisclien 
Mittelalter  in  einer  direkt  aus  dem  Griechischen  geflossenen  Über- 
tragung vorlagen*)-  »"^einc  Hauplquolle  bleibt  aber  Aristoteles. 
Wir  tinden  hier  dieselbe  Beobachtung,  die  wir  sction  bei 
dem  vorigen  Satze  machten  und  die  wir  noch  mehrfach  machen 
weixlen,  daü  nrinilich  zwar  die  Thesen  des  .Sophisten*  einer 
gewissen  kecken  Originalihll  niciit  entbehren,  daü  aber  dk*  Gründe, 
welche  er  für  dieselben  anführt,  ziemlich  mühsam  hier  und  dort 
gesammelt  sind  und  nur  SchwicriKkeili^n  uuthehmen,  welche 
andere  Denker  Ifnigst  sich  einKowciuiel  und  widerlogt  liatten. 
Tiefer  griff  er.^l  etwas  über  ein  hidbes  .lahi'humlerl  später  Niko- 
laus von  Aulrecourt  (Nicolaus  de  Ullricuriaj  die  Schwierig- 
keit auf'').     Kr  dringt  in  den  Kern  des  Problems  ein,    indem  er 

')  Henricaa  a  Gandauo,  Summn  fh^f.  I  ort.  1  q.  1.  Vgl  JoimUin 
in  der  Anm.  4  citiertcn  AbhanillunK,  S-  ''It  dor  KTnifgUm*. 

*)  Ariututtilea.  Met>if»li,  IV  6,  p.  lUll  a  3 — 6:  «'<»'  hr  rtvr;  w  6:n- 
oof^tu  xai  Ttär  ra&rn  .7f,T*io/jr»*mr  xai  töir  hh>s  loyovi  lo^rntv  ftnwov  Iryörtwr, 
CfjroPot  yäg  lit  fi  xoirtov  rov  vytaiyorin  xai  ^Ict-i  rör  -Tfpi  txnora  xonvvrta  öo^Vw. 

*)  Sextu«  EmpiricuB.  If/rrh,  hifp.  I  36  flF.  164  ff.  178  ff.  o.  «. 

*)  Krlislten  in  rod,  l«t.  147üO  *\vv  Pariser  Nationalbibltotlipk  (ehemals 
St.  Viktor  n.  32}.  Vgl.  ('horles  .Inurttain,  Sr^tuf  Kmpirirti»  rt  h  jthtloKo- 
phie  aeolaatitpie.  Paris  1858,  wloderabgedmckt  ia  dessen  ETcur»üma  hi»to- 
riqneg  rt  phUonojihüjttvit  d  tracer»  Ir  inoiffH  tifjr.  Paria  1888  p.  201 — 217. 
F.  Picavet,  Vn  dotumcnt  imfnjrtttHt  poxtr  t'hitftoire  ttu  pyrrUoniitmf.  Paria 
1888.  Einige  mit  Proben  auHgeutatteta  Mitteilungen  —  bei  denen  mir  leider 
die  beiden  vorstehendeti  Äufsfttze  noch  entgangen  waien  --  habe  ich  Aber 
diese  Überaetiung  im  Atrhiv  für  ftvjirhirhlii  der  Phihsitpitif.  Bd.  [V.  .Berlin 
1891.     S.  574— r>7"  gemacht. 

'')  Vgl-  dazu  meine  Bemerkungen  im  Arrhir  für  Geurhichte  rfcr 
liiilosophie.  Ud.  X.  Hcrlin  1897.  S.  252—254  Aber  den  Zusammenhang,  in 
wek'beni  die  betreffenden  im  J.  1346  verworfenen  S&tzc  des  Nikolaus  von 
Autreoourt  atehen. 


Inhalt,  iiliiloi^ophie^oschichtliche  Stellang  und  Verfasser  der  Sclirift.     147 

auf  die  Abhän^igrkeit  unserer  (kritischen)  Überzeugung  von  der 
transcendenlalen  Realität  des  in  unsern  Vorstellungen  Erfaßten  von 
dem  Kausalgesetz  zurückgeht.  Indem  er  nun,  der  begriflnich-de- 
duktivcn  B(?trachtungsweisc  seiiior  Zeit  entsprechend,  nur  solche 
Sätze  anerkennt,  welche  aus  dem  obersten  Denkpfsotz,  dem  Princip 
des  Widerspi-uchs,  zwingend  abgeleitet  wei-den  können,  verliert 
für  ihn  das  Kausalgeseb-  als  nicht  ansdytisch  seine  Beweiskraft. 
Dann  aber  haben  wir  von  der  Kxislonz  einer  AuÜenwelt  kein 
ovidenleri  Wissen  mehr ').  Diiinit  ist  durch  Nikolaus  von 
Autrecourt  das  Problem  an  die  Stelle  gebracht,  an  der  Hume 
und  Kant  uns  später  genötigt  haben,  die  Scl]wierigki.'il  anzu- 
jireifen,  um  uns  mit  dem  Skepticismus  und  rlcrn  Idpalismns  aus- 
einander zu  st'lzen.  Der  ^Sophist*  der  liuiJt/ssl/üliu  dagegen 
bleibt  mit  seinen  Einwanden  auf  dem  Standpunkte  stehen,  den 
im  Grunde  schon  Aristolcles  überwunden  hatte. 

Nicht  sonderlich  tief  ist  auch,  was  der  Verfasser  unserer 
Schrift  seinem  skeptischen  Gegner  erwiedert.  Er  stellt  den  Satz 
auf,  daß  wir  jede  Erscheinung  für  real  zu  halten  haben,  der 
keine  glaubwürdigere  .Sinneswahrnehmung  -)  oder  kein  auf  eine 
glaubwürdigere  Sinnes waiirnehmung  gestütztes  Denken  wider- 
streitet, Irrtümer  entstehen  hier,  wenn  man  entweder,  weil  man 
einzelne  male  durch  die  Sinne  getauscht  ist,  nun  alle  Sinneswahr- 
nc'hmunpon  tür  Schein  hrdl,  oder  wenn  man  in  umgekehrter  un- 
zulässigor  Generalisation  alle  Siniiesaussageti  für  objektiv  wahr 
hält,  oder  <-ndlich  wenn  man,  mangels  einer  Unterscheidung  der 
glaubwürdigeren  und  der  unglaubwürdigeren  unter  den  Sinneswahr- 
nehmungen und  unter  den  darauf  gestützten  Urteilen,  die  Sinnes- 


*}  Vgl.  den  zuerst  van  Denifle,  ChartHt.  tiniuerg.  Phrin.  \l,  p,  583 
publicierteu  wichtigen  Sntz:  Qaod  in  lamine  natnrnli  intollectus  niatorts  non 
ptiteat  habere  notitiani  euidentlae  de  cxi»t«utia  reriim  rednct.T  seu  reducibüi 
ad  eoidentiain  seu  cerlituJmoin  prinii  principii. 

'']  SenmiH  düjniof.  Dnlj  damit  nichfc  zwiachon  den  vorscliiedenen  Sin- 
nen uin  Rangunt^i. schied  gornarht  wiiidun  soll,  derart,  dafi  z.  G.  das  Gesicht 
über  den  Tastsinn  zw  stellen  w8ro,  zeigt  p.  9,  15  ff.:  Non  ciiini  omncs  sensus 
sunt  aeque  digni  ut  eis  credatur,  was  dann  an  dem  Beispiele  deu  gu^ius 
sanuH  und  des  gustua  infectua,  der  Wahroebmung  im  Wachen  und  im  Soblaf, 
aus  der  Nübe  und  aus  der  Feme,  erlkntert  wird. 

10* 


148  Impossibilta  Sigeri  de  Brabanlia. 

Wahrnehmung  überhaupt  bei  Seite  stellt  (8,  18 — 9,3).  Er  hebt 
dann  licrvor,  wie  der  Wirklichkcilsglaube,  falls  keine  entgegen- 
gi^setzte  Instanz  vorhanden,  bei  der  Sinneswahrnehmung  ganz 
natürlich  sich  einstelle  (0,^  —  10).  Hierauf  werden  die  Gesichts- 
pniikttr  ffir  die  grt^fJtere  oder  geringere  Glaubwürdigkeit  der 
Sinne.s Vorstellungen  angegeben,  wobei  zu  den  Unterschieden  der 
normalen  und  anormalen  Wahrnehmung  noch  die  bekannten 
A^stoteli:^chen  Unterscheidungen  ')  des  jedem  Sinne  eigentüm- 
lichen, des  mehreren  Sinnen  gemeinsamen  und  des  bloß  acciden- 
lelt  verbundenen  Objekts  hinzutreten  (9^  II — 21).  Zum  Schluß 
werden  diejenigen  zurückgewiesen,  die  auch  dafür  einen  Beweis 
haben  wollen,  dati  einige  Sinneswahrnehmungen  glaubwürdiger 
seien  als  andere,  und  daß  niaa  den  ersteren  um  ihrer  selbst 
willen  glauben  müsse.  Solche  bemerkten  nicht,  daß  aller  Be- 
weis mit  etwas  anfangen  müsse,  was  um  seiner  selbst  willen 
geglaubt  würde  (!>,  lU  -  ä7).  —  Man  sieht  an  dieser  an  sich 
sehr  riclitigen  und  doch  in  dieser  Allgemeinheit  die  Sache  um 
nichts  tördenideii  Beitierkuiig,  wie  wenig  dem  Verfasser  das 
eigentliche  Problem  klai*  geworden  ist. 

Der  Hinweis  auf  die  verschiedene  Glaubwürdigkeit  der 
Sinne  soll  denn  auch  den  ersten  Einwand  enlkrälTen  (9,  28 — 10,  9). 
Und  wenn  dort  gesagt  war ,  ein  anderes  Vermögen ,  als  der 
Sinn,  urteile,  data  der  Sinn  geirrt  habe,  also  auch  ein  anderes, 
daü  er  Wahres  berichte,  so  wird  diese  Abfolge  geleugnet.  Der 
Sinn ,  dem  keine  glaubwürdigere  Aussago  gegenüberstehe .  biete 
in  sich  selbst  die  Gewähr  der  Glaubwürdigkeit  (10,  10 — ü\).  Das 
Gleiche  wird  gegen  den  letzten  Einwand  geltend  gemaclil.  Es 
sei  einmal  in  dem,  was  geglaubt  und  gewußt  wird,  ein  erster 
Anfang  zu  machen ,  der  nicht  mehr  durch  ein  anderes  gewußt 
wird,  sondeni  durch  sich  selbst  (U),  22—28). 


3. 

W^ie  bei  vielen  anderen  Fragen ,  so  ist  Aristoteles  auch  in 
der  Physik   dort,  wo    er  den  Begriff  der  Zeil  bespriclil '-) ,   von 


')  Aristoteles,  Dr  anima  II,  c.  6. 
«)  Arlaiot.  Fhy».  IV,  c.  10—14. 


Tnhalt.  philosophiegeschichtliche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     149 

der  Erörterung  einer  Reihe  von  Aporieen  ausgegangen.  Ein  Teil 
dieser  Schwierigkeiten  ergiebt  sich  aus  dem  in  verschiedenen 
Wendungen  variierten  Problem ,  wie  der  im  ganzen  Zeitverlaufe 
jedesmal  wirkliche  einzelne  Moment,  das  „Jetzt"  ') ,  zu  der  Zeit 
selber  sich  verhalte.  Es  wird  dort  auch  die  Auffassung  berührt, 
nach  der  das  Jetzt  im  Laufe  der  Zeit  stefs  als  dasselbe  ver- 
harre ,  und  dieser  Auffassung  entgegen  gehalten ,  daß  nach  ihr 
auch  das,  was  vor  zehntausend  Jahren  geschah,  mit  dem  heute 
Geschehenden  zugleich  sein  müsse;  denn  der  Zeit  nach  zugleich 
sein  heiße  nichts  anderes,  als  in  demselben  Jetzt  sein  -). 

Was  Aristoteles  hier  anführt,  um  den  Gegner  ad  absurdum 
zu  führen,  hat  der  „Sophist"  sich  positiv  zu  eigen  gemacht.  Es 
giebt  nur  Ein  unvergängliches  Jetzig  in  dem  alles  zugleich  ist. 

Um  den  Gedanken  recht  drastisch  auszudrücken,  kleidet  er 
ihn  in  ein  Beispiel,  das  ihm  wieder  Aristoteles  geliefert  hat. 
Derselbe  hatte  an  einer  späteren  Stelle  seiner  Untersuchung  über 
das  Wesen  der  Zeil  einmal  die  Bemerkung  dahingeworfen,  man 
gebrauche  das  Wort  „jetzt"  auch  wohl  in  minder  exakter  Rede- 
weise, wo  es  dann  nicht  den  ausdehnungslosen  Moment  be- 
zeichne ,  der  sich  zu  der  Zeit  verhalte ,  wie  der  Punkt  zu  der 
Linie,  sondern  ii^end  eine  nahe  Zeit;  z.  B.  „er  wird  jetzt  kom- 
men" ,  wenn  er  heute  kommen  wird,  „er  ist  jetzt  gekommen", 
weil  er  heute  ankam.  „Die  Ereignisse  vor  Ilion  aber  sind  nicht 
jetzt  geschehen  und  auch  das  Diluvium  hat  nicht  jetzt  stattge- 
funden ;  und  doch  ist  die  Zeit  bis  dahhi  kontinuierlich ,  aber 
man  sagt  nicht  so,  weil  sie  nicht  nahe  sind"  ^). 

')  Die  Aristotelische  tiezeicbnong  i,y^v*  wird  in  der  arabiach'Iateini' 
sehen  Übersetzung,  und  so  auch  in  unserer  Schrift,  durch  instans  wiedergege* 
ben.  Vgl.  S.  13  Anm.  1  und  A.  Nagy,  Al-Kindl  {BeUräge  II.  5)  8.  73, 
Anra.  zu  39,  20-23. 

')  Aristot.  PÄya.  IV  10,  p.  218  a  21:  dlXa  fir/i'  oi'iÜ'  äet  rö  avTo  öta- 
ftn-etv  (seil.  tÖ  vvr)  övvajov  .  .  .  (a  25—30:)  eu  rl  ro  äfta  eivai  xara  xS^ov 
Kai  fit/je  :tQÖTeQor  fi^te  vaiegov  x6  iv  xfp  avitfi  elvai,  xal  ev  x0  vüv  imtv,  ei  tA 
TC  Jigotegov  xai  tä  vaxtQOv  ev  tqJ  vvv  xcßdi  iaitr,  afta  äv  etri  xa  «iV  eroe  yev6- 
(leva  ftvQtoaroy  xoti  yevoftevots  xi^/ttgov,  tcai  ovxe  ^göxcgor  ov&'  voxkqov  ovdev 
äU.0  akkov, 

^  Aristot.  Fhy».  IV  13,  p.  222  a  20—24:  xb  fuv  ovxta  lirexai  rcSv 
vvv,  SXXo  d^  otav  6  xQovo^  6  xovxov  eyyvs  ff.     ijSei  vür,  ö«  xi^fugov  ij$€i.     ^xn 


tfiO  Impossibilia  Sigeri  de  Bralrnntia 

So  kommt  der  in  übernaüliger  dialektischer  Laune  aufge- 
stellte Satz  zustande:  „Der  Trojanische  Krieg  ist  in  diesem  Jetzt 
{im  gegenwörtigon  Augenblicke)". 

Es  soll  das,  so  wird  eHätilernd  liiiizugcrfigt,  nicht  so  ver- 
standen werden,  als  ob  der  Trojatii-scUe  Krieg  sidi  in  einem  ein- 
zigen Augenblick  abgespielt  hatte  oder  abspielte.  Vielmehr  soll  der 
Sinn  dieser  sein :  der  Augenblick ,  in  dem  es  wahr  war,  zu  sa- 
gen:  .der  Trojanische  Krieg  ist",  ist  niiht  verschieden  von  dem 
gegenwärtigen  Augenblick;  und  weil  von  der  Zeit  nur  das  jedes- 
malige Jeizt  istf  und  darum  in  jedem  Jetst  die  Zeit  selbst  und 
das,  was  In  dieser  Zeit  besieht,  ist,  so  ist,  wenn  jenes  Jetzt  und 
das  gegenwärtige  Jetzt  zusammenfallon ,  auch  jetzt  der  Troj;mi- 
sclie  Krieg  (10,  30  —  11,  ü). 

Offenbar  wird  durch  eine  derartige  Deduktion  die  objektive 
Geltung  unserer  Zeitvorstellung  auf  das  entscliiodonste  angegrif- 
fen. Als  objektiv  wirklich  wird  nur  ein  unveränderliches,  dau- 
erndes Jetzt  betrachtet.  Die  Zeit  ist  nur  eine  Auffassungs- 
form des  menschlichen  Verstandes. 

Bereits  Aristoteles  hatte  die  Frage  aufgeworfen,  ob  die  Zeil 
zum  Seienden  oder  zum  Nichtseienden  gehöre '),  und  ob,  wenn  keine 
Seele  wäre,  dann  auch  keine  Zeit  sehi  würde-).  Aristoteles  selbst 
hatte  diese  Fragen  bekannlHcli  so  beantwortet,  daß  er  für  die  Zeit 
oder  doch  für  das  Fundament  der  Zeit  die  Healtlät  festhielL 
Aber  daü  im  Xlll.  Jidirhuridert  die  Ansicht  von  der  bloßen  Idealität 
der  Zeit  mit  Entschiedenheit  verfochten  wurde,  ertahn^n  wir  aus  den 
Urkunden  über  die  Vorgänge  an  der  Pariser  Universität.  Unter 
den  219  Sätzen,  welche  1277  von  Stephan  Tempier  verworfen 
wurden,  begegnet  uns  auch  der,  da(i  das  Aevum  und  die 
Zeil  nichts  in  der  Realität,  sondern  nur  in  der  Vopstel- 


I 


yO»,  Sxk  ^k&B  n^fUQov.  rä  d^  iv  *I/Liq}  yfyover  ov  niv,  ovd^  ö  xataxivaftAi  fifo- 
vtv  r^v  xtitxoi  owt^tjc  ;fp(f>'of  tli  a^td,  al**  öri  ofjx  iyYVi.  Du»  letztere  ia 
der  arabUeh-lntfiHifchen  C Ersetzung  (t.  c.  122,  ed.  Venet.  1560.  T.  IV.  fol. 
160>^  A):  Bulluin  neru  (]uud  fuit  in  Miun  nun  eat  nuuc,  quuinuia  tempos  sit 
ipai  continnmn,  quoniam  tcmpas  eioa  non  est  propinquum.  Vgl.  aucli  <i.  a.  O. 
p,  222  b  U-12  (t.  c.  126.  fo!.  161v  1>). 

')  Ariatot.  /%«.  IV  10,  p.  217  b  81. 

')  Ebä.  c.  U,  p.  223  A  21—22. 


InhAlt,  Philosoph iegrachichtlicbe  Stellang  und  Verfasser  der  Scfanff.     151 

lung  sind  *).  Diese  im  J.  1277  verworfenen  Sätze  aber  hatten, 
wie  schon  oben  bemerkt  -) ,  zu  Urhebern  Boetius  den  Dänen 
und  Siger  von  Brabant. 

Während  jene  Thesis  nun  ziemlich  modern  kHngt,  trägt  deren 
Begründung  einen  ganz  anderen  Charakter.  Man  würdejsehr 
irren,  wenn  man  glaubte,  die  Unvergänglichkeit  des  Jetzt  würde 
von  imserm  ^Sophisten"  auf  eine  erkenntnistheoretische  Deduktion 
gestützt,  welche  aus  der  Natur  des  menschlichen  Erkennens  die 
Subjektivität  der  Zeitvorstellung  darthun  will ,  oder  auf  eine 
pantheistische  Metaphysik ,  welche  das ,  was  dem  endlichen  In- 
tellekt in  der  Form  einer  Zeitreihe  auseinandergezogen  erscheint, 
in  dem  ewigen  Jetzt  des  Absoluten  versinken  läßt.  Zu  Kant 
oder  Spinoza  führen,  sobald  wir  auf  das  Einzelne  eingehen,  keine 
Fäden.  So  frappierende  Vergleichungspunkte  in  der  Thesis  sich 
zeigen,  so  hält  sich  dagegen  die  Begründung  ganz  an  die  Aporien, 
die  Aristoteles  geltend  gemacht  hatte. 

„Femer  gerade  von  dem  Jetzt,  welches  die  Abgrenzung 
des  Vergangenen  und  Künftigen  zu  sein  scheint,**  heiüt  es  bei 
Aristoteles  ^),  „ist  es  nicht  leicht  zu  erkennen,  ob  es  als  ein 
und  dasselbe  immer  beharrt,  oder  immer  ein  anderes  und  wie- 
der anderes  ist.  Denn  wenn  es  immer  ein  verschiedenes  und 
wieder  verschiedenes  ist,  von  den  Teilen  der  Zeit  aber  nie  einer 
mit  einem  andern  zugleich  besteht  (außer  denjenigen,  wovon  der 
eine  der  umfassende,  der  andere  der  umfaßte  ist,  wie  nämlich 
die  kleinere  Zeit  von  der  größeren  umfaßt  wird) ,  alles  aber, 
was  jetzt  nicht  ist,  früher  aber  war,  notwendig  einmal  zugrunde 
gegangen  sein  muß,  so  werden  auch  die  einzelnen  vielen  Jetzt 
nicht  zugleich  mit  einander  bestehen,  sondern  es  muß  das  jedes- 
mal frühere  zugrunde  gegangen  sein.  Nun  aber  ist  es  nicht 
möglich,  daß  es  während  seiner  selbst  zugrunde  gegangen  sei, 
weil   es   damals  ja   war.     Daß  aber  in  einem  andern  Jetzt  das 


')  Frop.  200:  Quod  aeaum  et  tempua  nihil  sunt  in  re,  sed  so- 
lum  in  apprehenaiono  (Denifle,  Chartul.  unitters.  Paris.  I.  p.  554). 

••)  S.  S.  107  f. 

"0  Ariatot.  Phyit.  IV  10,  p.  218  a  8—21.  Die  oben  gegebene  Über. 
Setzung  iat  die  von  Prantl. 


152  Inipossibilia  Sigeri  de  ßrabantift. 

frühere  Jetzt  zugrunde  gegangen  sei ,  geht  auch  nicht  an ,  denn 
es  möge  als  unmöglich  gelten ,  daß  die  einzelnen  Jetzt  sich  an 
einander  anreihen  wie  Punkt  an  Punkt  ') ;  und  wenn  demnach 
das  frühere  Jetzt  nicht  in  dem  nüchstfolgenden  zugrunde  gegan- 
gen ist ,  sondern  in  einem  andern ,  so  würde  es  während  der 
dazwischenliegenden  einzelnen  Jetzt,  welche  unbegrenzt  viele 
sind,  zugleich  sein;  dies  aber  ist  eine  Unmöglichkeit." 

Damit  vergleiche  man  die  Beweisführung  in  unserer  Schrift: 
Das  gegenwärtige  Jetzt  ist  nicht  verschieden  von  dem  Jetzt ,  in 
dem  der  Trojanische  Krieg  war.  Denn  mehrere  Jetzt  können 
nicht  gleichzeitig  sein ,  so  wenig  ein  Bewegtes  an  mehreren  Or- 
ten zusammen  sein  kann,  von  denen  der  eine  den  andern  nicht 
einschließt.  Das  aber  würde,  falls  das  Jetzt  des  Trojanischen 
Krieges  und  das  gegenwärtige  Jetzt  verschieden  wären,  der  Fall 
sein ;  denn  das  Jetzt ,  in  dem  der  Trojanische  Krieg  stattfand, 
ist  noch  nicht  vergangen.  Dies  letztere  aber,  die  Grundlage  des 
ganzen  Beweises ,  soll  daraus  hervorgehen ,  daß  das  Jetzt  über- 
haupt nicht  vergehen  könne.  Denn  da  das  Vergehen  nicht  ins 
Endlose  fortläuft,  so  müßte  man,  falls  das  Jetzt  verginge  ,  einen 
Grenzpunkt  angeben  können,  in  dem  das  Jetzt  zuerst  nicht 
ist.  Das  aber  kann  nicht  während  dieses  Jetzt  selbst  sein ;  denn 
dann  müßte  es  zugleich  sein  und  nicht  sein.  Auch  nicht  in 
einem  unmittelbar  folgenden  Jetzt,  da  das  Jetzt  kein  unmittelbar 
folgendes  Jetzt  hat  (nämlich  weil  —  so  dürfen  wir  aus  Aristo- 
teles ergänzen  —  die  Jetzt  sich  nicht  aneinander  reihen  ,  wie 
Punkt  an  Punkt,  sondern  weil  die  Zeit,  die  das  Jetzt  enthält, 
kontinuierlich  fließt  gleich  der  Linie).  Ehidlich  auch  nicht  in 
einem  mittelbar  folgenden  Jetzt  (d.  h.  in  einem  Jetzt,  das  durch 
eine  dazwischenliegende  Zeit  mit  dem  vorhergehenden  Jetzt  ver- 
bunden wäre) ;  denn  in  diesem  Falle  bestände  es  (da  ja  jene 
verbindende  Zeit  selbst  wieder  eine  Anzahl  von  Jetzt  einschließen 
müßte)  wieder  mit  mehreren  Jetzt  gleichzeitig,  was  unmöglich 
ist  (U,  7—24). 

Man  sieht,   wie   eng  die  Beweisführung  sich  an  jene  Ari- 
stotelische Aporie   anschließt,   so   eng,   daß  die  zum  Teil  mehr 

')  Dies  wird  oäher  eriftutert  an  der  S.  11  Anm.  2  citierten  Stelle. 


tnlmU,  philosophiegeschichtliche  Stellung  und  Vorfosaer  dor  Scbrift.     158 

andeiiteniJe    als  ausführende  Argumcntalion  erst  uus  der  Aristo- 
telischen Stelle  ihr  reclites  Licht  erhAlt. 

Aristoteles  selbst  hat  in  der  Physik  jene  Apon'e  nicht  aus- 
drücklich aufgelöst.  So  hlieb  hier  iinscnn  Autor  bei  der  Be- 
kämpfung des  «Sophisten"  einige  Gelegenheit  zu  selbständiger 
Behandlung-  der  Frage.  Freilich  reicht  auch  bei  ihm  die  Kraft 
halinhrecliendeii  Denkens  liier  nicht  sonderlich  weit. 

In  die  allgemeine  erkenntnistheoJetische  und  metaphysische 
Erörterung  des  Zeitproblenis  tritt  auch  er,  bis  auf  einige  Bemer- 
kungen am  Schluii.  auf  die  wir  noch  zu  sprechen  kommen, 
nicht  ein ,  obwohl  schon  Aristoteles  selbst  das  besondere  Ver- 
hältnis untersucht ,  in  dem  die  Zeit  zu  der  Seele  steht  ').  Daß 
der  Augenblick,  in  dem  man  sagen  konnte:  «der  Trojanisciie 
Krieg  ist,"  längst  vergangen,  wird  als  selbstverständlich  voraus- 
gesetzt, und  nur  gefragt,  wie  denn  das  Jetzt  vergehen  könne 
(II,  ä5— ä8). 

Zunächst  wird  hierbei  mit  Recht  die  Voraussetzung  des 
Gegners   zurückgewiesen ,    man  müsse ,    wenn  das  Jetzt  vergehe, 


')  Ariatot.  Pbiju.  IV  14.  p.*223  a  1^1  ff.  Tlioma»  vou  Aqiiino,  der 
diese  Ausführungen  des  Aristoteles  in  neineni  Koinrnuiit^ir  {T'hij/t.  IV  lect.  23) 
genau  trürlcrt,  sagt  I  St'ttt.  dist.  10  q.  .*>  u  1,  iiidcni  t>r  die  von  Ariatotelefl 
erhobenen  Fragen  durch  eine  fein  unterscheidende  und  nShor  begründende 
Antwort  erledigt:  Qunednm  sunt,  qnne  hahent  rundiimentuin  in  re  extra  am- 
tnam,  »ed  ct>niplein'E*ntnin  ratiiini>i  i^oruiti,  rjimntuni  ud  id  qnori  fni  formnle, 
est  per  operationeni  ttnimn*',  ut  patet  in  uniuc-rsali  .  .  '.  EJ  aimiliter  est  de 
tempore,  quod  habet  fundAmentum  iu  motu,  scüiret  priua  et  puäteriu» 
ipifiua  motus,  aed  quentum  ad  id  quod  est  formale  in  tempore,  sciücet  nu- 
meraliu.  comptetiir  per  operationom  intellectus  numerantis.  Vgl.  ritd. 
q.  2  a  1 :  Ex  quu  patet  quod  illud  quod  est  de  tempore  qnasi  ma- 
teriole  fandator  in  motu,  scilicet  prioa  et  poaterios.  qaod  antem  eat  fomialo, 
conipletur  in  Operation^  animae  numcrantis:  propter  quod  dicit  Philosophus, 
quod  ax  non  eaeet  anima,  non  esset  teuipos.  Darin  bestellt  ein  unterschied 
Kwiaohen  Raum  (d.  h.  Ort:  locttK^  nicht  apatittm)  und  Zeit,  quin  locus  est 
idem  per  eäsentinm  qaod  superficies  corporis  Eocaniia,  tempus  autem  non  cat 
idem  numero  cum  ollquo  accidenle  in  substantia  fundnto;  et  practerea  latus 
totum  complemeniuni  fsuum  habet  in  re,  sed  tenipori»  ratio  nliquo  modo  com- 
pletur  ex  actione  animae  numurantis.  Vgl.  Tilmann  Pesch,  ImtKtäiom's  jthi- 
f'miftJtiae  nntitralis.  Vol.  II.  Kreiburg  i.  Br.  1897.  p.  168  ff.  —  Weit  zurQck- 
haltender  ist  Albertos  Magouä,  Üiifu.  IV  tr.  '6  c.  3. 


XU 


ImposaihiÜB  Sigeri  d«  Brftliantt«. 


einen  Grenzpunkt  angeben  können ,  wann  es  zuerst  nicht  sei. 
Dies  sei  nämlich  nur  bei  einem  Kontinuierlichen  und  Teilbaren 
möglich,  (las  eine  gewisse  Zeitdauer  hindurch  bestehe;  also  niclit 
bei  dem  Jetzt  (11,  29— H5).  —  Schon  bei  dieser  Antwort  stützt 
sich  übrigens  unser  Verfasser  auf  bedanken  dfys  Aristoteles, 
der  ira  C.  Buche  der  Physik  scharfsinnig  beweist ,  data ,  wie  es 
nichts  gieht,  in  welchem  als  erstcni  das  Beweglwerdende  be- 
wegt wüiYle.  üQ  auch  nichts,  in  welchem  als  erstem  das  Halt- 
machende Halt  machte  ').  Die  Anwendung  von  dem  Haltmachen 
auf  das  Vergehen  war  leicht. 

Die  Begröndung  jenes  Satzes  aber,  daÜ  bei  dem  Jetzt  nach 
einem  solchen  ersten  Moment  des  Nichtseins  niclit  gefragt  wer- 
den könne,  geht  wieder  aus  von  einer  Cnlerscheidung,  die  Ari- 
stoteles an  die  Hand  gab.  Das  Jetzt  verhält  sich  in  vielen  Be- 
ziehungen zur  Zeit ,  wie  der  Punkt  zur  Linie.  Wie  kaon  das 
Teitlose  bewegt  werden?,  hatte  Aristoteles  gefragt,  und  bewie- 
sen, da&  es  nicht  an  sich  bewegt,  sondern  nur  nebenbei  mitbe- 
wegt werden  könne ,  nämlich  mit  dem  Ganzen ,  in  dem  es  sich 
befindet  *).  So  wird  auch  hier  zwischen  dem  unterschieden, 
was  an  sich  (p^'r  se)  vergeht,  und  bei  doin  dainim  ein  Punkt 
angegeben  werden  kann,  waim  es  zuerst  nicht  ist,  und  zwischen 
dem,  was  nebenbei  (per  arcidens)  vergeht.  FreUich  mu&  bei 
dem  accidenlell  Vergehenden  zunächst  wieder  der  Fall  ausge- 
sondert worden ,  in  welchem  das  uccidcntell  Vergehende  ehifaci» 
das  an  sich  Vi^rgehende  begleitet.  In  diesem  Falle  kann  — 
wegen  der  Verknüpfung  des  beiderseitigen  Vergehens  —  ein 
Punkt  angegeben  werden ,  wann  das  Vergehende  zuerst  nicht 
ist.  Anders  das  Jetzt.  Das  Sein  des  Jetzt  verhält  sich  im 
Flusse  der  Zeit ,  wie  hier  wietler  ganz  im  AnschluU  an  Aristo- 
teles ausgeföhri  wird,  wie  das  Sein  des  Veränderten  wahrend 
der  Veränderung.    Nur  das  Veränderte   (als  Subjekt  oder  Trä- 


')  AriBtoi  Phya,Yl8,  p.  238  b  36-23S  a  3:  ^ta^i»  di  rö  Hivw'ftrror 

ovx  ÄiT«v  fv  (f»  ,Tp<ÖT(t>  xifiiTat,  ovTttK  0V&'  rv  ffS  Tmnffii  jü  inftfuytn''  ovm 
yuQ  jov  xiffta&at  orrf  roi"  TnraaOfii  fail  n  rroütror,  Atirli  Albertus  Magnus, 
/%«.  IV  tr.  3  c.  1  t.  c.  90  End«  (ed.  Jammy  T.  II  col.  184  Mitten  knüpft 
an  diese  Ari8tot«lische  Lebre  an. 

*)  Aristot.  I*hyii.  10,  p.  240  b  8—9:  rö  äftt^k  oC'H  iv&txttm  Hmio&ai 
xXifv  xava  ovfißtßrjxöf. 


Inhalt,  philosophiegeschiohtliche  Stellang  and  Verfasser  der  Schrift.     155 

ger  der  Bewegung)  bleibt;  sein  Sein  aber  verändert  sich  kon- 
tinuierlich, weil  das  Veränderte  kontinuierlich  verändert  wird. 
Könnte  man  für  das  Sein  des  Veränderten  einen  Moment  an- 
geben, in  dem  dies  Sein  zuerst  nicht  wäre,  so  wäre  die  Ver- 
änderung nicht  mehr  eine  kontinuierliche;  das  Veränderte  müßte 
dann  während  eines  gewissen  (wenn  auch  noch  so  kurzen)  Zeit- 
raums ruhen.  Ist  aber  für  dies  stets  wieder  vergehende  Sein  des 
Veränderten  kein  solcher  Moment  anzugeben,  in  dem  es  zuerst 
nicht  ist,  so  auch  nicht  für  das  Sein  des  Jetzt,  das  mit  dem 
jedesmaligen  Sein  des  Veränderten  so  gegeben  ist,  wie  die  Zeit 
mit  der  Veränderung,  deren  Zahl  hinsichtlich  des  Unterschie- 
des des  Vorher  und  Nachher  sie  nach  der  Aristotelischen  De- 
finition der  Zeit  ist  i)  (12,  1—19). 

Eigenartig  und  wohl  eine  selbständige  Leistung  unseres 
Verfassers  ist  der  Versuch,  eine  doppelte  Art  des  acciden- 
tellen  Vergehens  nachzuweisen.  Freilich  nur  die  Durchführung; 
denn  alle  Grundlagen  sind  dem  Aristoteles  entnommen. 

Schon  oben  ^)  wurde  gezeigt ,  wie  die  hier  zugrunde  lie- 
gende Anschauung,  daß  man  für  den  einzelnen  Moment  der 
Bewegung  keinen  Punkt  angeben  könne,  in  dem  er  zuerst 
nicht  sei,  auf  die  Lehre  des  Aristoteles  von  dem  Anfangen  und 
Aufhören  der  Bewegung  zurückführt.  Ebenso  aber  ist  Aristo- 
teles die  Quelle  für  die  Art  und  Weise,  wie  hier  das  Jetzt  und 
sein  Sein  mit  dem  stets  wechselnden  Sein  der  Bewegung  zu- 
sammengestellt wird.  Da  die  Aristotelische  Stelle  auch  für  die 
folgenden  schwierigen  Ausfuhrungen  unseres  Autors  den  Aus- 
gang bildet,  so  gehe  ich  genauer  auf  dieselbe  ein. 

„Wie  die  Bewegung  stets  eine  andere  und  andere  ist,* 
heißt  es  bei  Aristoteles ,  »so  auch  die  Zeit ,  die  gesamte  Zeit 
zusammen  aber  ist  dieselbe;  denn  das  Jetzt  ist  dasselbe,  als 
Subjekt  genommen  ftd  avTÖ  6  ttot  tjv) ,  sein  Sein  aber  ist  ein 
verschiedenes.    Das  Jetzt  mißt  die  Zeit,  insofern  es  ein  früheres 


')  Äristot.  Phi/8.  IV  11,  p.  219  b  1 — 2:  tovxo  yug  iattv  6  jugOTOf, 
doiO/aog  xtvi}ae<og  xaxä  t6  ingöregov  xat  voieQov.  Vgl.  220  a  25.  De  caelo, 
I  9,  p.279  a  14—15.  Vgl.  Zeller.  Fhil.  d.  Griechen  II,  b.  S.  398  f.  Peßch, 
a.  a.  0.  S.  162  ff. 

»)  Siehe  8.  154. 


]öß 


Impossibilia  Sigeri  de  Brabniitia. 


und  spfiteres  ist ;  es  ist  aber  dieses  Jetzt  in  Jfe^visse^  Beziehung 
dasselbe ,  in  anderer  nicht  dasselbe,  hisofeni  es  nilmlich  in 
einem  anderen  und  wieder  in  einem  anderen  Zeitpunkte  ist ,  ist 
es  verschieden;  das  aber  machte  aus,  daü  es  eben  das  Jetzt 
war ;  insofern  dajfepen  ilas  Jetzt  ein  Subjekt  (ii  narr  SrJ  ist* 
(—  d.  h.  das,  was  immer  in  einem  anderen  und  wie<ler  in  einem 
anderen  Zeitpunkte  ist  — )  „ist  es  dasselbe.  Es  folgt  n»lmlich, 
wie  bemerkt,  iler  Grube'  (—  d.  h.  der  extensiven,  kontinuierliclien 
Quantität  — )  ^die  Bewegung,',  dieser  aber  die  Zeil,  wie  %\-\t 
sagen;  und  in  gleicher  Weise  folgt  dem  Punkte  das  Bew^e, 
vermittelst  dessen  wir  die  Bewegung?  selbst  und  das  Früher  und 
Später  in  ihr  erkennen  ').  Dieses  Bewegte  mm  ist  als  dies  Sub- 
jekt 0"}  jioTc  ov)  dasselbe;  denn  es  ist  entweder  ein  Punkt  oder 
ein  Stein,  oder  sonst  etwas  derartiges;  dem  Begriffe  nach"  (—  Äöytf* 
d.  b.  hinsichtlich  dessen  ,  was  diesem  gleichbleibenden  Subjekte 
in  dem  jedesmaligen  Falle  seine  besondere  Bestimmung  giebt, 
entsprechend  dem  vorher  uml  nachher  gebraucliten  tiyai  — )  ,lsl 
es  immer  ein  anderes.  So  wie  die  Sophisten  es  als  ein  Ver^ 
schiedenes  nehmen .  daß  Koriskus  in»  Lyceum  ist  und  dati  Ko- 
riskus  auf  dem  Markte  ist,  so  ist  denn  auch  jenes  da<barf'h.  daß 
es  anderswo  und  wieder  anderswo  ist,  ein  immer  wieder  Ver- 
schiedenes. Dem  Bewegten  aber  folgt  das  Jetzt,  sowie  die  Zeit 
der  Bewegung :  denn  durch  das  Bewegte  erkennen  wir  das 
Früher  und  Spfiter  in  der  Bewegung;  insofern  aber  das  Früher 
und  Spüter  zählbar  ist,  ist  es  das  Jetzt;  so  daß  auch  hior  das 
Jetzt  als  Subjekt  (6  nore  ov  vöv)  dasselbe  ist,  denn  fm her  und 
später  ist   das   was   in   der  Bewegung   ist-);   sein  Sein   f^lratj 


')  Dana:  ^  xinjatt  diä  t6  Mtvovftarot'  xai  1/  ffOQa  Am  rö  ffeoöfitmy  (sciL 
yrtüfttfor)'    tÖÄ«    j*ap    n    tÜ    rfeoä/ievov,    r)     dr.    xitnjati;    ov    [I'hjf$.   IV    11,    p.   219 

h  29-80). 

^)  Dae  Jetzt,  desaen  Bewegung  die  Zeit  bildet,  wie  die  Bewegung 
des  Punktes  die  Linie,  ist  ala  Suhjekt  dasselbe,  da  der  UaterHchied  des 
yrQlicr  oder  Spütcr  ihrn  nicht  zukommt,  insofern  dieses  Subjekt  in  sich  be- 
trachtet wird.  Bondera  nnir  in»efem  es  als  Bewegtes  —  rö  h-  xtvt'ftui  —  ond 
darum  als  quautitutiv  bestimmbar  {fujfi>nijtöy)  hinaictitlich  de»  Früher  und 
Später  betrachtet  wird,  sowie  der  Punkt  nicht  ata  Punkt  ein  Früher  oder 
Später  hat,  sondern  nur  als  bewegter  Punkt. 


Inhalt,  philosophiegeschicfatlicfae  Stellung  and  Verfasser  der  Schrift.     157 

aber  ist  verschieden ;  denn  eben  insofern  das  Früher  und  Später 
zählbar  ist,  besteht  das  Jetzt*  ^). 

Der  Grundgedanke  dieser  Aristotelischen  Ausführungen  liegt 
in  dem  Versuch,  das  Verhältnis  des  Jetzt  zu  der  Zeit  aus  der 
Analogie  der  Bewegung  zu  erklären.  Die  Zeit  folgt  der  Bewe- 
giuig,  die  Bewegung  der  Größe.  Wie  wir  uns  daher  etwa  einen 
Punkt  bewegt  denken  können,  so  daß  er  durch  seine  Bewegung 
eine  Linie  bildet,  so  können  wir  uns  die  Zeit  vorstellen  als  ent- 
stehend durch  die  Bewegung  des  Jetzt.  Den  drei  analogen  Glie- 
dern: Zeit,  Bewegung,  Gröiäe  stehen  darum  als  weitere  analoge 
Glieder  gegenüber  die  drei :  Jetzt ,  Bewegtes ,  Punkt,  Wie  der 
bewegte  Punkt  als  das  Subjekt  ^) ,  welches  bewegt  wird ,  sich 
gleichbleibt,  sein  Sein  in  der  Bewegung  aber  nie  ruht,  sondern 
ein  kontinuierlich  wechselndes  ist  ^),   so  ist  das  bewegte  Jetzt  *) 


')  Aristot.  Phijs.  IV  11,  p.  219  b  12—28:  xai  wojteQ  ij  xivrjaie  dei 
äkXrj  xai  äXX^,  xai  6  XQ^^'  ^  ^'  ^A*^  ^^^  /ßo>^  6  aviot'  tö  yÖQ  vvv  ro 
avTO  S  Jtoj  ^v'  tÖ  d'  elvat  avrqfJ  irrgov»  rö  dl  vvv  xov  XQ^ov  fiergeT,  fj  nQÖrp- 
Qov  xai  vaxcQov.  rö  de  vi>v  faxt  ftev  tos  t6  avxo,  tan  d'  mi  ov  x6  avxo'  ^  ftsv 
YOQ  iv  äli(p  xai  o^U^,  izegov  (tovto  &'  ^v  avxtp  to  vvv)'  ^  6i  S  noxe  Gv  eaxt 
t6  vvv,  x6  avxö.  dxoXov&eT  ydg,  an  iXix^t  ''<?  f^  fieyi&et  t)  xivtjots,  xavxjj  6' 
6  XQOVO^y  ats  <pafiev.  xai  Sfioiüig  drj  xfj  axiyfifj  x6  <ftQ6ftiv{iV,  t^  xt}V  peivrjaiv 
yv(OQiZofiev  xai  x6  ^igöxegov  iv  avxfj  xai  x6  vaxsgov,  toCto  de  S  ftiv  Jiore  fh>  x6 
avx6  (tj  axtyfitj  yäg  §  Xt&o^  ij  xi  &lXo  xoiovtdv  iart),  rtp  X6yq>  6e  äi.ko'  (oojieQ 
Ol  ao^taxai  Xafißdvovoiv  ixegov  x6  K6gtaxov  'iv  Avxeitf>  eivai  xai  rd  KdQtaxov 
iv  dyog^'  xai  to{>xo  Ötj  X(p  äXXo&t  xai  äÄXo&t  ^ivai  ezegov,  xtfi  de  qjegofiivfp 
dxoXov&et  x6  vvv,  Moneg  6  xQÖvos  xf)  xtVTjcei'  rcp  ydg  iptgo^ivcfi  yvmglCotxev  x6 
jtgdxegov  xai  vaxsgov  iv  xiv^aei'  ^  ö'  dgi&fitjrov  to  ngdxegov  xai  voxegov,  x6 
vvv  iaxiv'  maxe  xai  iv  xovxotg,  o  ftev  xoxt  ov  vt>v,  iaxi  xo  avxo'  jiqoxeqov  yag 
xai  vaxegdv  ioxt  xh  iv  xivt'joei'  rö  d'  eivai  exegov'  p  dgidfifjxbv  ydg  xo  jrg^xrgov 
xcu  vaxEQOv,  x6  vvv  iaxiv. 

*)  Inwiefern  die  Bewegung  in  dem  Bewegten  als  Sobjekt  sei,  »rf7.t 
Aristoteles  Phys.  HI  S  auseinander. 

"}  Die  Ähnlichkeit  wfirde  voUkommen  sein,  bemerkt  Albertus  Mag- 
nus, Phya.  IV  tr.  3  c  7  (col.  192  Jammy)  treffend,  wenn  wir  ans  vorstellen 
wollten,  daß  die  durch  den  Flufi  des  Punktes  gebldete  Linie  nicht  in  ihren 
Teilen  fortbestände,  sondern  dafi  jedesmal  der  frUhere  Teil  verginge,  wenn 
der  spätere  nachfolgte. 

*)  Man  vergleiche  auch  Pkys.  IV  11.  p.  220  a  3-4,  wo  die  Zeit  (als 
Zahl  der  Bewegung)  und  das  Jetzt  (als  die  dem  Bewegten  entsprechende 
Einheit  dieser  Zahl)  gegcnttbergestellt  werden. 


1^  tnpOMibilia  Sigeri  de  Brabaniia. 

als  Subjekt  der  Bewe^ng  dasselbe,  sein  Sein  als  Maß  des  Fnl- 
her  und  Später  in  der  Zeitbewegung  aber  ist  ein  kontinuierlich 
wechselndes. 

Diese  Anschauung  nimmt  unser  Autor  herüber,  um  aus 
ihr  heraus  die  erhoberie  Scliwierigkeit  zu  lösen.  Er  befindet 
sich  darin  in  t^bereinstimmung  mit  dou  Srholastikem  seinor  Zeit, 
mit  Albert  dem  GroUen  '),  Thomas  von  Aquino  -)  Aegj- 
dius  Colonna  ')  und  vielen  anderen. 

Aber  so  ganz  einfach  war  die  Sache  doch  nicht.  Was 
heiläl  es,  dafi  die  Zeit  durch  dio  Bewegung  des  allein  wirklichen 
Jetzt  enlsleheV  Existiert  dmin  in  der  That  dit»  Zeit  nur  io 
dem  Jetzt,  in  dem  Sinne  eines  unteilbaren  Augenblickes,  oder 
existiert  sie  in  ihren  vorübergehenden  Teilen,  die,  weil  Teile 
einus  Koiilinuums,  für  den  analysierenden  Verstand  selbst  noch 
ins  Unendliche  teilbar  sind? 

Das  Erstere  ist  die  allgemeine  Anschauung  bei  den  Philo- 
sophen der  Epoche .  in  der  unsere  Schrift  entstand.  Man  fand 
diese  Lehre  bei  Aristoteles  '):  Albert  der  Groüe  '•)  ,  Tho- 
mas  von   Aquino  '"')   stimmt*Mi    ihr  bei.     Erst  Durandus  von 


>)  Albertus  M&gntis.  /'Ay/f.  IV  tr.  3  c.  5— R. 

*)  Thomas  Aqn.  Sumnta  tUeol.  I  q  10  a.  4  ad  2:  Nunc  teniporia  est 
idtn  »ubiecto  in  toto  t4>nipurf.',  8t>d  «üfTereiia  rntinnt*.  eo  quod,  sicut  tempu» 
m^ntli>i  motui,  ita  tiuiic  icinporis  ro-»ptiiidnt  inubili.  Mobile  atitem  eal  idem 
aubiecto  in  toto  decurau  temporis,  aed  difforeos  ratione  in  qnantom  eftt  btc  et 
ilii.  Kt  ista  altornatio  cät  motud;  similiter  fluxua  ipsiua  nunc  secundum  quod 
alternatiir  ratione,  eut  tempus.  —  AtisfOhrliclu-r  /'Ay/t.  IV  lect.  23  und  tJjmf»\ 
36  />*■  inxtnntifßm,  c.  2.  Vgl.  auch  I  Srnt.  d.  19  q.  2  A  2.  IV  Sent.  d.  U 
a.  2  ad  2»">  quaeat   ad  2. 

*)  8.  unten  S.  164. 

*)  Man  stützte  sich  dabei  auf  Ariatot.  PAyx.  IV  11,  p.2l9  b  53— 220 
a  l  (vgl.  Vin  1,  p.  251  b  19— 20i:  ifaregov  Ae  xai  3tt  fUm  jrmiyos  firj  glt},  tö 
wirv  orx  ai»  rt^,  the  t'o  viv  jii}  fTtj,  Z6^*^  ***^*  ^•*  "*!•  ^*D  Konimentar  tiasa 
leitet  ThomHS  von  Aquino,  Phyti.  IV  lecL  18  mit  den  Worten  ein:  Deinde 
cum  dtcit:  Muniff^'iin  r^t  nniem  i-tc,  aaaignat  ratiünem  eonim  quae  dicuntur 
do  Hunr,  et  primo  eiua  quod  dicitur  quod  nihil  est  temporia  niai  nunc. 
VgL  Complutenacs  (s.  S.  159  Anm.  2)  I'hif».  disp.  XXI.  quaest.  5  nam.  51. 

*"}  Albertus  Magnuu,  l'hi/t<.  IV  tr.  3  c.  6:  In  routu  non  (sst  nisi 
tiiouientum  curren^,  et  in  tempore  non  cat  nisi  nunc  tluena. 

')  AuBer  der  Aum.  3  citiorten  Stelle  vgl.  Üutntna  theoL  i  q.  46  a  3 
ad  3;  q-  66  a.  4  ad  5.  Opunr.  36  Dt  hutniitibus  c.  S. 


Inhalt,  philDSophie^eschiclitlicbo  StoIlDiig  und  Verfasaer  der  Sclirift.     159 

St.  Pourijain  ^),  dem  später  Franz  Suarez  -)  beitrat,  suchten 
dem  get'enüber  die  Anschauung  zu  begi'fmden,  dalä  die  Zeit  nicht 
so  sehr  durcli  die  unteilbaren  .Jetzt"  existiere,  als  vielmehr  durch 
ihre  ins  Unendliciie  Ifilbaren,  Hieöenden  Teile;  denn  das  Sein 
des  Successiven,  begründete  dies  Suarez  ),  sei  eben  das  Werden, 
und  es  sei  darum  nur  dann  richtig,  zu  siigen,  die  Zeil  exi- 
stiere nicht  anders  als  in  den  wechselnden  ^ Jetzt",  wenn  man 
frage,  was  von  der  Zeit  ganz  zugleich  ftotum  simul)  sei. 

Der  »Sophist"  hatte  ausdr-üclclich  den  Sab.  aufgestellt,  daß 
die  Zeil  nur  in  den  einzelnen  Augenblicken,  den  ^.Mzt",  existiere  *). 
Unser  Autor  erhebt  in  der  Lösung  der  von  dem  „Sophisten" 
geltend  gemaciiten  Schwierigkeiten  nirjrondwo  Widerspruch  gegen 
diese  Anschauung.  Wir  greifen  daher  gewiß  nicht  fehl  mit  der 
Annahme.  daU  er  in  diesem  Punkte  mit  dem  (iegner  auf  gemein- 
samem Boden  steht  und  ;iuch  seinerseits  der  in  seiner  Zeit  allge- 
mein angenoniiuenen  Lehre  folgt. 

Aber  nun  erhebt  sich  aufs  neur  die  Frage,  was  denn  unter 
diesem  Jcfzt  zu  vei*stehen  sei,  das  durcli  seinen  Fluß  die  Zeit 
hervorbringen  soll,  und  wie  denn  im  Flusse  der  Zeit  das  Jtitzt  blei- 
ben könne.  Unser  Autor  macht  darüber  am  Schlüsse  (li,  20 — 
13,  2)  einige  Andeutungen,  die  aber  in  ihrer  rStselhaflen  Kürze 


')  DiiraDdua,  II.  SVn/.  d.  2  t^.  4  n.  14  (ich  benutzte  die  Ausgabe 
If^ron  1595.  p.  299  1*):  Ti^mpus  non  finbet  aase  per  nunc,  »ed  per  vxiälentiftin 
aaanun  partium,  quae  »vre  et  renliter  Imbent  ettse,  qaamuis  noa  simul:  nee 
istad  ease  requirJtur  ad  os8<!  reiile,  aat]  snluin  «d  esse  pernini]<>ntium.  quonim 
Cüaditio  oät  sinmltuä,  uou  autem  requiritui'  ad  esae  succusstuomin. 

-)  Suarez,  Metaph.  tiitiput.  L  sect.  9  n.  22.  Unter  den  Thomisten  lat 
Pliilippus  tt  SS.  Trinitate,  Sutinnn  phifono/thicf  (ich  benutzte  aie  in  der 
Ausgabe  Coloniae  1665,  1  '2'*"  q.  "21  a.  4,  der  gleichen  Meinung,  wilhrend 
die  Meisten  der  «ntgegcngesetaten  Ansicht  folgen,  die  besonders  von  den 
C 0 m  pl  u  to  n so s J^ CothjU  ComphUeN^ti«  DUcatceiifornm  Kr.  li.  Mürtae  de 
Utimte  ('{irmefi  tlispu/ntifmet  in  ncto  libro»  Physirontm  ArUloteii»  ich  be- 
nutzte dio  Ausgabe  Lyon  1668  — )  disp  XXI  quaest.  ti  ausfQhrltuh  begründet 
vird.  Unter  den  Neueren  boacbaftigt  sich  Tilmann  Pesch,  Itmfitntioneti 
piiiiomphiac  nntiifalia.     Vol.  II.    p.  170  f.,  ntther  mit  der  Krage. 

")  So  Suares,  n.  a.  <).,  uüter  Berufung  auf  A.verrues,  Phya.  III 
oomm.  57  und  auf  Thomas  Aqa.,  II.  StnU  d.  1  q.  1  a.  2. 

*)  S.  11,  2:  de  tempore  nou  est  nisi  in&lans. 


160  Imposaibüia  Sigeri  de  Brabadtia. 

aus  sich  kaum  verstanden  werden  können.  Deutlich  werden  sie 
erst,  wenn  wir  sie  im  Lichte  der  zeitgenössischen  Lehre  betrach- 
ten, über  die  uns  die  Schrift  des  Thomas  von  Aquino  De 
instantibiis  die  beste  Auskunft  giebt. 

Aristoteles  hatte  am  Schlüsse  seiner  Ausführungen  über 
die  Zeit  \)  zu  zeigen  gesucht ,  daß  nicht,  entsprechend  der  Viel- 
heit der  Bewegimgen ,  auch  eine  Vielheit  von  Zeitreihen  neben 
einander  anzunehmen  sei,  sondern  dali  die  Zeit  xar'  ^^o/i/v 
durch  die  regelmäßige  Kreisbewegung  des  ersten  Bewegten ,  der 
Fixstemsphäre,  gegeben  sei.  Da  nun  nach  Aristoteles  das  Jetzt 
dem  Bewegten  folgt  -) ,  so  waren  manche  der  Ansicht ,  das  im 
Flusse  der  Zeit  seinem  Wesen  nach  ^)  stets  gleichbleibende  Jetzt 
sei  auf  das  erste  Bewegte,  die  oberste  Himmelssphäre,  zu  be- 
ziehen. Dieses  erste  Bewegte  selbst  aber  Heß  man  ,  weil  nach 
der  Aristotelischen  Naturphilosophie  in  der  supralunarischen 
Welt  kein  substantiales  Werden  und  Vergehen  stattfinden ,  son- 
dern alle  Veränderung  auf  die  Ortsbewegung  beschränkt  sein 
soll,  nicht  der  Zeit  unterstehen,  sondern  dem  aeuum,  einem 
Mittleren  zwischen  Zeit  (tempus)  und  Ewigkeit  {aeternitas)^  für 
dessen  Begriff  jener  Zeit  Augustinus  und  Boethius  einerseits, 
der  Neuplatonismus  des  Pseudo-Areopagiten  und  des  Liber 
de  causis  andererseits  maßgebend  waren  *).  Während  das  Sein, 
welches  von  der  Ewigkeit  gemessen  wird ,  jede  Veränderung, 
auch  eine  bloß  accidentell  mit  ihm  verbundene,  ausschließt,  das 
Sein,  das  von  der  Zeil  gemessen  wird,  dagegen  in  sich  vergäng- 
lich ist   und   in   sich   ein  Früher   und  Später  aufweist ,    ist  das 


')  AriBtot.  Phys.  IV  14,  p.  223  a  29  ff.  Vergl.  auch  Mrtaph  X  I, 
p.  1053  a  8  ff .  Wie  die  ausgebildete  Scholastik  des  XIII.  Jahrhunderts  die- 
sen Satz  auffaßte,  sieht  man  aus  Thomas  Äqu.    Summa  tUeol.  1   q.  10  a.  6. 

•)  Aristot.  Phya.  IV  11,  p.  219  b  22—23:  Kit  &i  if^rfio/thuti  uxoXov&ri 
tö  rvv.     Vgl.  oben  8.  157  Anm.  1. 

'^  Sicat  et  essentia  instantia  est  tota  simul,  und:  instans  ...  est 
unnm  secundum  rem,  cam  nihil  perdat  de  substantia  ipsius  mobilia, 
heißt  es  bei  Thomas  Aqa.,  Opnsc  86  De  instant,  c.  2  bei  der  Darstellung 
dieser  Ansicht. 

*)  Man  siebt  das  besonders  deutlich  aus  Albertus  Magnus,  Sntnmn 
theoi   I  q.  23  membr.  2  a.  1. 


Inhalt,  philosophicgeschichtliche  Stellung  und  VcrTnniwr  der  Schrift.     101 

Sein  .  welches  vom  aeuum  gemessen  wiitl ,  in  sich  unverfliider- 
lich ,  aber  die  Verfinderliohkeil  und  damit  das  Fnlher  und  Spä- 
ter sind  accidentol!  mit  ihm  verbunden  '). 

Daraus  sollte  die  Eijrentümliclikeil  des  Jetzt,  das  seinem 
Wesen  nach  sich  gleictibleibt  und  mir  der  Beziehung  nach  ^)  sich 
ändert,  ihre  Erklärung  (niden.  Der  Sache  nach  stets  dasselbe 
aber  ist  das  .Tetzt,  weil  es  unabtrennbares  Mala  lur  das  erste  Be- 
wegte selbst  ist,  dessen  Wesen  ganz  zui^leich  ist  und  keine  Auf- 
einanderfoljife  kennt.  Dagegen  ist  es  der  Beziehung  nach  ein  an- 
deres und  wieder  ein  anderes,  weil  das  erste  Bewegte  accidentell 
in  Bewegung  ist;  und  diese  Verschiedenheit  niarht  die  Zeit  ihrem 
Wesen  nach  aus'*).  Diese  Zeil  ist  als  Accidens  in  keiner  Bewe- 
gung eines  veränderlichen  Seienden  als  ihrena  Subjekte,  sondern 
nur  in  der  Bewegung  des  unverAnderlichon  Seienden.  Der  Be- 
wegung den  veründcrliclien  Seienden  iidulriert  sie  nicht,  sondern 
mißt  sie  nur  äuüerlich.  Jenes  utiverandcrlictie  Jttzt  steht  also 
nicht  in  der  Zeit.  Es  ist  vielmehr  das  Jelzl  des  antuni ,  das 
verschieden  ist  von  den  Jetzt,  welche  in  der  Zeit  selbst  das  Ver- 
gangene  beenden   und   mit  dem  Zukünfti{j;en  verknüpfen.     Diese 


')  \  gl.  z.  B.  TliüTnu«  Aqu,,  Summa  tht'uK  !  q    lü  a.  5. 

*)  i-fitiom;  als   t^berfiotzung  dea  Aristoteli&cheu  kttyio  (vgl.  S.  156). 

*)  ThoiDAs  Aqu.,  O/niAr.  36  De  intttaiit.  c.  2  (pd.  Antverp.  16J2  fol. 
SIÖ""  «  D  (f.):  Motu»  enim  est  in  mobili  iit  in  subiocto,  bicuI  dicitnr  in 
Itl.  Physiroram;  nu-ntjurn  aiitem  ip^iiiä  tiioliiüs  est  iiiHtaiiH,  quta  iiistiins 
g«quitQr  id  quod  fertur,  ut  dicitiir  IV.  Physicorum.  Rt  qiiidani  referunt 
lioc  ad  iimtanH  neui,  dicentee  ipaum  easc  idem  »ecundum  rem  cum 
iimtariti  temptn-iH.  difl'urenü  tarnen  rafciune  .  dit'ent«s  quod  prinuim  mobile?, 
CUJUS  mensuiQ  est  instana,  quia  easentla  aua  eat  tota  simul  et  non  in 
aliqun  svccesslone.  sicnt  et  essentia  instantia  ent  tuta  aimul,  idcK)  est  untmi 
et  id(>m  realiter  in  t-ntn  motti  ttiio ,  scd  diuersum  et  (tiuer»um  rntione ; 
et  hflec  eins  diuersitas  i^st  t<>tu8  motus  eins,  cuin»  ipsuin  molille  hpcuh- 
dum  csscntiam  nihil  est,  seil  e»t  pmitus  extra  gunits  elu»,  cum  ip»ain  Bit 
BuUtantia,  uiotua  uero  aixidens.  Eodem  tiera  modo  insifloa,  quod  eat  meii- 
aura  ip^ius  mobilia  Bequen»«  ipsunt.  eat  unuuj  secundum  rem.  cum  niliit  pt'rdafc 
de  subataiitia  ipaius  mubilia.  ruins  inatniiH  eat  lueiifiura  iniM>ptirabilis,  sed  di- 
nerauiu  et  dtuersain  secundnni  rationom;  ot  haeo  eius  diuersitas  est  iempua 
enenliiiHler,  ciüus  ipsiim  instana,  quod  est  nienaura  prtmi  mobilia,  nihil  eat 
SMUnduni  eoB.  et  idi-u  uljjd  in  caäeiiiia  auu  cai  instjina,  cjuod  est  unum  in 
toto  tempore,  a  quolibet  inalnnti.  quod  est  in  tot«  tempore  a«l  nt  contJnuan^ 
uel  ut  tcrminua. 

Heitrag«  II,  ii.     H.ifjn  in  Ic  er.  Sigcr  von  DmSnnt.  H 


168  Impossibilia  Sigeri  de  Brabaotia. 

in  der  Zeit  befindlichen  Jetzt  sind  darum  überhaupt  nicht  für 
etwas  in  der  verflnderlichen  sublunarischen  Welt  ein  Ma&,  das 
ganz  zugleich  wäre,  und  als  solches  einem  Sein  folgte^  das  ganz 
zugleich  ist;  denn  in  dieser  sublunarischen  Welt  giebt  es  kein 
Sein,  dem  jenes  Jetzt  verbunden  sein  könnte,  da  es  eine  imver- 
änderliche  Substanz  dort  überhaupt  nicht  giebt  ^). 

Thomas  von  Aquino  hat  diese  Ansicht  bekämpft  *).  Er 
weist  überzeugend  nach,  daß  sie  dem  Sinne  des  Aristoteles 
nicht  entspricht,  der  schlechtweg,  wie  die  Zeit  zur  Bewegung, 
so  das  Jetzt  zum  Bewegten  in  Beziehung  setzt  %  Er  bleibt  da- 
bei stehen,  da&  dieses  Jetzt  (instam)  das  Bewegte  messe,  inso- 
weit es  in  der  Bewegung  ist  und  während  der  ganzen  Bewegung 
dasselbe  bleibt.  Aber  dieses  Jetzt  —  und  hierin  berührt  er  sich 
mit  der  ersten  Ansicht  —  muß  unterschieden  werden  von  den 
Jetzt,  welche  die  Teile  der  Zeit  verbinden  *)  und  welche  nicht 
bleiben ,  sondern  mit  der  Zeit  dahinschwinden  '•').  Wohl  aber 
sind  beide  Formen  des  Jetzt  auf  das  innigste  verbunden.  Indem 
das  Jetzt,  welches  Maß  des  Bewegten  ist,  in  der  Bewegung 
stets  andere  und  andere  Daseinsformen  fdiuersa  essei  erhält 
und  so  die  Zeit  hervorbringt«  bleibt  es  in  seiner  Wesenheit  zwar 
unverändert,  ebenso  wie  das  Bewegte,  wird  aber  kontinuier- 
lich in  seinem  Sein  variiert;  und  diese  wechselnden  Seinsfor- 
men sind  die  wechselnden  Jetzt,  welche  die  Teile  der  Zeit 
verbinden  %     Diese    wechselnden    Seins  formen    fdimersa   tsge  > 


')  Thomaa  Aqa.,  a.  a.  O.  c.  2. 

*)  J.  «.  O.  c.  3. 

")  Siehe  oben  S.  156. 

*)  A.  (t.  0.  c.  2  (foL  216v  a  F):  Ex  qoibna  manifrwhmi  est  aüam  esM 
nataram  iostantis  qaod  mensarat  mobile  aenmdiun  illad  qaod  est  H  secvadom 
id  qood  est  idem  ia  toto  mota.   aliad   autem  est  qood  contiDaat  t^mp^w 

*)  A.  a.  O.  c.  2  (fol.  216'  b  H):  Cob  aatMi  dicitv  qaod  aikü  est 
pracsenB  de  tanpore  niai  mumc,  ikmi  significatur  aliqnod  rwr^in  qood  est  e«»- 
tianans  partes  tempwis  adinuieeni,    qood    enm  tempore  labitv  nee  1 1 1  iiiiart 

*>  A.  a,  O.  fot.  216''  b  H  -I:  Sed  boc  diritv  de  mmmr  qw»d  seqwtw 
id  qaod  fertur.  Id  enim  maDet  idem  senrndam  ess^oiaai  ia  tat»  Maapore. 
aariatam  tamm  per  ratiooem,  et  ia  isla  diaeraitate  ems  iaaeaiaaiar  malia 
instantia,  aemper  tarnen  labentia  com  tempore.  Caiatai  aatcm  aaDam  tabam 
iastantiom  labeotiam  esse  causam  tnnporia.  m  aalhaa  ipaecam  maaeas  in 
toto  tempore,  sed  tnuiaeat  eam  qaalibet  parte  frmpsfii     Ipaa  eaim  s^ 


Inhalt.  p]ii]o&Ap1üege3chic)itHche  Stellung  und  Verfftsaer  dor  Sclirifl.     168 

(k'S  Jetzt,  obwohl  sie  nicht  das  Jotzt  selbst  sind  ') ,  atrtcieren 
das  Jetzt  der  Zeit  docli  innerlich;  und  hierdurch  untei-schddet 
sich  das  Jetzt  der  Zeil  von  dem  Jetzt  des  aeuum  -).  Dieses  Jetzt 
der  Zeit  ist  darum,  wenn  auch  nicht  selbst  Zeit,  so  duch  etwas 
an  der  Zeit  ■*).  So  wird  nach  dieser  Ansicht,  wie  hier  nebenbei 
bemerkt  werden  mflge ,  das  Sein  der  veränderlichen  Dinge  doch' 
durch  die  Zeit  gemessen;  zumal  ja  das  Jetzt  nur  in  sofern  iMaiJ  deS 
veränderlichen  Dinges  ist,  als  von  der  Veränderlichkeit  des  subötaft- 
tialen  Seins  dieses  Dinges  während  der  Bewegung  abstrahiert  wimi-*). 

aae  rationea  ipBtus  instnntis.  qtiod  est  idom  in  tato  tempore,  i-t  idoo  uociintiir 
(der  Druck  fatacli  uocaturi  iusUntia.     Vgl.  eld.  fol.  21ß'^  G, 

')  A*  a,  0.  fol.  316v  a  0:  Bicot  a  parte 'mobilia,  its  et  a  parte  instam- 
tis,  qnod  »fquitnr  mobile,  est  accipere  diuer^a  et  diuarsa  fHse.  Et  hnec  oius 
diuer^itiis  conaistit  in  ipj^is  indiuiHihilibus  (4:>mpori6.  qiiau  «t  dicurjiur  iivjn- 
snrata  r^sf;  et  inta  tiiensurnta  e^se  sine  intorpolutionfi  sunt  tiistHntin  qiine 
i:ontiauant  t^nipus;  et  haec  niliit  aJiud  sunt  nisi  diuersa  ut  diuersa  ratio  oius- 
dum  instaitlia,  qiiod  idom  «st  realiter  in  tuto  tempore,  seqiiens  mobile  in 
qiitintuiti  oät  idem  ro  in  toU*  iiiotu.  '' 

')  A.  ti.  O.  fol.  2Miv  II  I:   ^uJA  diatTBttas  oon  aitingit  essentinm  aeaV* 
Ueat  ei  coniungator;  »cd  attingit  nunc  tomporia.  | 

^'l  A.  u.  O.  fol.  216^' A  I:  Ipsurn  iiero  instaiiH  quod  in  ^e  alterntur  diut^a' 
«t  diuersa  rntiime  quoad  sua  csxf,  i*^l  nliqiiid  tempuris,  sed  non  tompus. 

*)    Ea   war  ein    Da;-b    den    verachiedenstcn  Richtungen   hin   diskuticr- 
tea  ProVein    in   jener  Zeit,    wodurch   denn  das  aubstnntiollc  Sein  der  T«r- 
Mndt'rlicNen  Dinge  geniesayn  werde.     Albertus  Magnua,    VhifH.  IV  lr.  S  c.- 
lU  Endo  ip.  |1»7  a  Jammy}    und  Tbomas  von  Aqnino,    Snmmn  thuol.  1  q. 
lü  a.  5  sagen:    durch    die  Zelt  (wie  düä  mit  dem  Satze,    das  Jetzt  begleite 
die  Suba^tanz  des  bewegten,  au  vereinen,  ist  oben  im  Text  angedeutet):  Du  na 
Scotua,  11  S,'»t.  d.  'i  q,  4-,  gegtri  Kndi?:  diircli  Hhh  tiftnim  tda  bei  dem  Kort-, 
bestand    auch    der    veränderlichen  Ir^ubstanzen    nur    die  AhhÜngigkeit  von  der* 
erhaltenden  Ursache  inbetracht  komme,    die  stets  gleichförmig  sei).    Duran- 
dua.  II  Srnt.  d.  2  q.  6  hielt    nach  dem  Vorgänge  von  Alteren    (wie  wir  aaa 
Albertus  Mjignua  c  n.  0.  eraelien)    an  der  Au^drurksweide    der  Ariatptäli- 
scben  Physik  l'eat,    dalk  das  bleibende  Jrtzf  der  Zeit  Mafi  jenea  Suina  sei  *— ^ 
eine    Ansicht,    die    auch    in    dem    Thomas    von    Aqutno  XäUchlich    beige- 
legten OpnM,\  44  iJf  tfmfjf'r<'  c.  3  {fol.  lOr  b  K)  sich  auageHprochen  findet  — 
will  die»  aber  von  dem  Jttzf  der  didkreten.    nicht  der  kontinuierlichen 
Zeit  lüber  dicaen  Cnlcrsclüed  dua  Nähere  II  Sunt.  d.  2  q.  4  n.  4;,  ed.  Lngdim. 
1595.  p.  298  h)  veratandcD  wiasen  (II  Sent.d.  2  q.  6  n.  6,  p.  302  a:  T.x.  quo 
patet  quod  fsae  aubutantiac  generabiüa  et  corruptihiliä,  sjue  quantuni  ad  esae 
furmne  in  uiateria,  üiue  quantum  ad  esae  cumpoaiti  quod  hi;bot  n  forntii,  hübet' 
durationeiii  rmwc  teniporia  diacreti). 

11* 


164  Imposflibilia  Sigeri  de  Hrabantin. 

Auch  Aegidius  Colonna  (Aegidius  Homanus),  den  wir 
schon  beim  ersten  Problem  der  Imposnibilia  anzogt-n'),  vertritt, 
wie  hier  nebenbei  bemerkt  sein  möge,  im  Wesentlichen  die 
gleiche  Ansicht,  wie  Thomas  von  Anuino  '). 

Wie  man  aber  uucli  den  Sat>^  fassen  machte,  da&  das  Jetzt 
im  Wechsel  der  Zeit  in  sich  das  Gleiche  bleibe:  jedenfalls  er- 
sieht man  aus  dem  MitgeleiUen,  worauf  die  zeitgenössische  Spe- 
kulation hinausging.  Es  handelte  sich  darum  ,  im  Anschluli  an 
die  Aristotelische  Physik  zu  zeigen ,  wie  ein  in  sich  gleichblei- 
bendes Jetzt  durch  seinen  konstanten  Fluß  die  wechselnde  Zeit 
hervorbringen  und  zugleich  die  Einheit  der  Zeit  bewirken  könne. 
Demnach  werden  auch  die  rätselhaften  Worte  keine  Schwierig- 
keit mehr  machen ,  mit  denen  der  Verfasser  seine  Ausfiihrung 
Fchliefet ,  um  zu  zeigen,  wie  trotz  des  Vergehens  des  Jetzt ,  das 
er  dem  Gegner  gegenüber  als  möglich  zu  erweisen  gesucht  hat, 
doch  in  anderer  Beziehung  das  Jetzt  etwas  Bleibendes  sein 
müsse,  wenn  man  nicht  aus  der  Scylla  in  die  Charybdis  ver- 
fallen und  den  Zusammenhang  der  Zeit  verlieren  wolle:  , Ob- 
gleich aber  das  Sein  des  Veränderten  nicht  während  der  ganzen 
Veränderung  bleibt,  ebenso  Avenig  das  Sein  des  Jetzi  (iuntnn.ii 
während  der  ganzen  Zeil,  so  ist  doch  das  Veränderliche  in  seiner 
Substanz  während  der  ganzen  Zeit  der  Veränderung  eines, 
oder  die  Veränderung  wäre  nicht  eine  und  nicht  zusammenhan- 
gend ;  und  das  Jetzt  (insian^i^  das  Matä  der  Substanz  dessen,  was 
bewegt  wird,  ist  wälirend  der  ganzen  Zeit  in  seiner  Substanz 
eins,  oder  die  Zeit  wäre  nicht  eine  und  nicht  zusammenhangend' 
{\%  20—13,  ä). 

Wie  man  sieht,  ist  es  im  Wesentlichen  die  von  Thomas 
von  Aquino  aufgestellte  »zweite)  Ansicht,  die  hier  zugrunde 
liegt.  Noch  mehr  freilich  als  an  diese,  mehr  auch  als  an  die 
kouipliciertere  Darstellung  bei  Aegidius  Colonna,  erinnert  die 
einfachere  Gestalt  derselben  an  Albertus  Magnus  ■').  Mit  die- 
sem  stimmt   es   auch   übercin ,    daU   unser  Autor    von  der  sich 


^  S.  obea  8.  188. 

*)  Werner,    ÄmjmtiniatHm,   Ö-    U8  f.     Vergl.    auch    fint.    S.    119    t^ 
(Gregor  von  Rimitii  Über  daa  minc).     S.  schon  oben  S.  158. 
=')  Albertus  Magnus.  Phffs.  IV  tr.  3  e.  5-8. 


InliAlt.  pliilosophies^schichtlichc  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     165 

gleichbleibenden  , Substanz*  fsuhntantia)  des  Bewegten  und  des 
JelxL  spricht,  ein  Ausdruck,  der  Thomas  von  Äquino  selbst 
fremd  ist  ^) ,  wfllirend  er  bei  Albertus  niehrfju-h  sirh  findet-). 
Seine  Quelle  ist  wohl  die  ialeinisclie  fl »ersetz ung  von  Averroes" 
Kommentar  zur  Physik  '^);  wie  denn  jene  panze  Theorie  der 
Zeit  und  des  Jetzt,  durch  die  man  die  Augustinische  und 
die  durch  Üionysius  Pseudo-Areopagita  und  den  LÜter  de 
rausi»  übcrkoinniene  neuplntonische  Lehre  ergänzte  *) ,  von 
Albert  dem  Groläen  mehrnials  ausdx-ücklich  auf  die  Araber 
zurütrkgeffihrl  wird  ^). 

4. 

Auch  der  vierte  Satz  beschäftigt  sich  mit  einem  natur- 
philosophischen Problem.  Wie  kommt  es,  hatte  sich  schon 
Aristoteles   gefragt,   daß   das  Schwere   herab   zur  Erde   fällt, 


')  Bei  Thomas  steht  fubiet-tum,  rHUftttin,  nfcntidtim  [rem  oder  if  iifmi; 
8nbntaMtm  atebt  nur  einmnl  Opmc.  36  c.  2  In  wenig  bezeichnender  Weise 
und  zudem  bei  der  DarMtellung  einer  bukämpften  Ansicht.  Ebenso  IV  SfHt. 
d.  (1  a.  2  ad  2*'^^*  quaettt.  ad  2:  f.t  idcn  alii  dicunt  quod,  aicut  probatur 
IV.  Phy.-i..  in  toto  tempore  non  est  accipere  niai  unum'tiMHr  secundum 
subfltantiam. 

0  Albertua  Magnus,  /%/i.  IV  Ir.  S  c  7,  p.  192  o  Jsmmy;  Nump 
ruB  partium  motuit  ettt  tempus,  et  unitaa  eiua  tn  toto  niutu  est  »mif,  qiiiid 
est  idem  in  substantia  propter  inromipiibilitAtem  et  inuai'iabilitateni  mobi- 
lia BJue  eiuB  quod  fertur  secundum  subicctum:  <?t  ost  in  esse  (das  beiJamniy 
nach  in  fttehcnilfi  .tniiui/nw  ist  wohl  cinfni'h  r.ii  fttreirben)  diuersum,  in  quan- 
lum  Unit  a  pnure  in  ponterias  EM.  pag.  19*2  b:  Id  enim  est  aut  punctum 
uuum  aecundum  substantiam  etc. 

^  Auerroea.  i'V-  IV  eomm-  105,  fol.  löO*  D  (zu  IV  11.  p.  *J19  h 
33  IT.):  Cum  declarauit  quod  instans  est  unum  quodam  modo  et  plura  alio 
modo,  uult  declarare  subatantiani  eiua  quid  t^it. 

M  Vgl.  schon  oben  S.  160. 

")  Alhortas  Magnus.  Pfii/t*.  IV  tr.  3  c.  6  Ende:  Sed  haec  de  tero- 
puris  natura  sent^ntitk  est  Arabiini,  licet  nmlti  Latinorum  nliter  aapiaut, 
qui^s  ego  Aet-uius  alitrr  fortu  dixi  et  t»cripNi  (Über  die  Ahfasaiiugszelt  vgl.  die 
trefflichen  Ausführungen  toh  Mandonnet,  Üentf  thmiiUfi-  V.  1897.  jt.^Ö  ff.). 
Sed  bic  per  omnia  Arabes  at-qui  dispoHUt,  quia  puto  qnod  intellectus  eorum 
de  tempore  est  ucnis.  Ebtt.  c.  7.  p.  192  (unten)  Jauimy:  Et  sequiiiiur  per 
omnia  Arabea,  aicut  supru  diximns 


166  ImpDäftibiliA  Sigori  6b  Br&l-&nt4B. 

das  Leichte,  z.  B.  die  Flamme,  dagegen  nach  oben  steigt? 
Seine  Lfeung  ')  gehl  von  ileni  Gedanken  aus,  dali  ein  jedes  der 
vier  Element»'  .winni  nalu]Iic;h(;n  Ort  in  dem  Slockwerk-Bau  des 
WelLgebÄudes  tiat,  nu  dem  es  akh  in  Huhc  belnidet.  Ist  dieser 
Gedanke  doch  bekanntlich  für  Aristoteles  ein  Hauptgrund ,  aus 
dem  er  die  Realttül  des  Raumes  beweisen  will.  Hat  das  Ele- 
ment seinen  Ort  oben,  so  ist  es  leicht;  hat  es  ihn  unten,  so 
ist.  es  schwer.  Nun  kann  rs  aber  vorkommen,  daü  ein  Teil 
des  Elementes  sich  nicht  an  seinem  naturgenifltäen  Orte  befindeL 
Der  Grund  defür  kann  entweder  darin  lie^^en,  data,  enlsprecbend 
dem  [^ber;;ange  lier  Elemente,  das  leichtere  in  ein  schwereres, 
das  schwerere  in  ein  leichleres  sicti  verwandelt  hat,  oder  es  hat 
ein  ätiljerer  Zwang  den  betreffenden  Körper  von  seinem  natür- 
lichen Orte  entfernt  und  auDerbalb  desselben  festgelialten.  Dann 
ist  der  Körper,  der  seinen  naturgemäßen  Ort  oben  hat,  wie 
Aristoteles  seiner  Terminoiü^'ii'  peniäh  sich  ausdrückt,  nicht  ak- 
tuell leicht,  sondeni  poltMilitll  leicbl;  derjenige,  der  seinen 
naturgomäläen  Ort  unten  hat,  nicht  aktuell  scliwer,  sondern 
potentiell  schwer.  Wie  verwandelt  sich  nun  das  potentiell 
Leichte  tu  ein  aktuell  Lim-htcs,  das  prylciitiell  Schwere  in  ein 
aktuell  Schweres,  da  doch  kein  Potentielles  sich  selbst  aktuali- 
sieren kann,  und  da  bei  ilen  unorganischen  Körpern  auch  nicht, 
wie  bei  ilen  lebenden  Or^ranismen,  ein  bewegender  Teil  einem 
bewegten  gegenübersteht?  Eine  Seihst  bewegiuig  der  Ele- 
mente ist  für  Aristoteles  aus  deti  angeführten  Gründen  aus- 
geschlossen. Spricht  er  auch  in  einer  logischen  Schrift  -)  ge- 
legentlich von  einem  inneren  Antrieb  {öofu}).  welcher  den  Stein 
mit  Notwendigkeit  unvh  unten  ziehe,  so  hat  er  in  seiner  Natur- 
philosophie, wo  er  die  Frage  eigens  behandelt,  diesen  Gedanken 
nicht  weiter  verfolgt.  Hier  führt  er  den  Gnmd  jener  Dewegung. 
d.  h.  des  Oberganges  aus  der  Potcnzialität  in  die  Aktualität, 
auf  eine   äußere,   bewegende  Ursache  zurück.     Dai  leichte  oder 


')  flns  NSherG  hoi  Cl.  Bneumker,  /Mw  i'ttifitfm  ilrr  ^nlrrtt  in  fUr 
i/nfchigrht'n  I'hUmaphir,  MDiist^r  1890  S,  273  tf.  Dawlbst  tludet)  sieh 
auch  für  jedvn  dar.  einschlägigen  Sttixe  die  Belege  aus  Aristoteles  zusAnv 
iiitingeKtellt.  •» . 

')  Aristoteles.  A$ial.  jtotit.  II  11,  p-  ^o  a  1—3. 


Inhalt,  Philosoph iegoschichtlicbe  Shilling  und  Verfasser  der  Schrift.    167 

schwöre  Element  hat,  weil  es  kein  Lebewesen  ist,  nicht  das 
Princip  aktiver,  sondern  nur  das  Princip  passiver  Bewegung  in 
sicli.  Verliehen  wird  ihm  diese  Bewegung  in  dem  einen  Falle 
—  dem  des  Überganges  der  Elemente  in  einander  —  durch  die 
bewirkende  Ursache,  welche  diesen  Übergang  herbeilTihrt,  also 
durch  das.  was  das  neue  Element  erzeugt;  in  dem  zweiten  durch 
die  bewegende  Ursache,  welche  das  Hindernis  hinwegräumt.  Üaii 
aber  in  diesem  Falle  die  Erde  nach  unten,  das  Feuer  nach  oben 
sich  bewege,  das  liege  in  der  jedesmaligen  Potenz  des  betref- 
fenden Elementes  begründet.  Jede  naturgenu\üe  Veränderung 
erfolge  nur  in  der  Richtung,  die  durch  das  .Vermögen"  des  be- 
treffenden Gegenstandes  gegeben  ist.  Hier  noch  nach  einem 
weiteren  (iruride  fragen,  wäre  so  viel,  wie  wenn  man  frage,  weshalb 
das  der  MOghclikeit  nach  Gesunde  gesund,  und  nicht  weiU,  das  des 
Wachstums  FAhige  groti^  und  nicht  gesund  werde. 

Man  wird  nicht  betiaupten,  daö  dieso  Ausführnngen  des 
Aristoteles  sonderlieh  ilberzeugend  klingen.  Daü  sie  so  unbe- 
friedigend ausgefallen  sind,  liegt  vor  allem  daran,  dati  dem  Sta- 
giriten  die  Kenntnis  zweier  Grundanschauungen  der  modernen 
Pliysik  fehlt:  des  Beharrungsgeselzes  in  der  Form,  in  welcher 
Galilei  es  als  allgemeine  Hegel  des  Verhaltens  nlt-ht  nur  für  die 
Uuhe,  sondern  in  erster  Linie  für  die  Bewegung  aiilstelUe,  und 
des  Newton'schen  Gesetzes  der  Gravitation.  Freilich  ist  zuzu- 
geben, daU  das  Gravitalionsgesetz  keine  letzte  kausale  Erklürung 
der  oinschUgigen  Vorgänge  giebl.  Es  leistet  im  Grunde  nicht 
mehr,  als  daiä  es  uns  Fall  und  Auftrieb  und  alles  Verwandte 
auf  ein  gemeinsames  Grundphänomen  zurückzuführen  erlaubt. 
Niemand  war  weiter  davon  entfernt,  als  Newton  selber,  die 
Gravitation  zu  einer  geheimnisvoll  wirkmdi'n  EntitAt  zu  hypo- 
slatisieren.  Aber  jene  Aristotelischen  HüHsmittel  des  natürlichen 
Orts,  der  Potenz  zu  diesem  natürlichen  Ort  u.  dergl.  sind  doch 
durch  diese  Gesetze  definitiv  zu  Grabe  getragen. 

Die  Scholastik  übernahm  im  allgemeinen  die  Aristotelischen 
Anscliauungen.  So  z.  B.  in  dinsem  Punkte  auch  Thomas  von 
Aquino*),  der  freilich  hinsichtlich  des  Unterschiedes  des  Falles 
im  (hypothetisch  angenommenen)  Leeren  und  des  Falles  im  ge- 


')  Ka  uittge  geuQgen,  auf  Stiwma  theo!,  i  q,  18  h.  1  url  2  hinzuweisen. 


166  Intposaibilia  Sigeri  de  Brabaniia. 

fülllen  Räume  Anschauuiipren  vertritt,  welche  den  modernen 
diir<*haus  erilspre^'hen ').  Aber  uucli  iiuf  dem  ßoden  der  Aristo- 
telischen Anscliauung  entstanden  nmnrherlei  Schwierigkeiten. 
Ein  Hindernis  wegr-üumen  oder  ein  Element,  das  eigenth'oh  nn 
einen  beslhnmten  Ort  trehörl,  an  einem  andern  hervorbringen, 
beiül  doch  nicht,  den  Anstoü  zu  einer  Bewegang.  und  zwar  zu 
einer  bestimnil  gerichteten  Bewegung,  geben.  Selten  hat  Ari- 
stoteles mit  seiru*a  s<j  Ipjrhl  zu  bequemem  fiedankens|>iel  verlei- 
tenden Bogriflen  „Akt"  und  „Potenz"  so  dialektisch  operiert. 
wie  hier.  So  entstanden  denn  mantherlei  Meinungsverschieden- 
heiten, die  sich  schließlich  alte  um  den  Punkt  (bebten:  wie 
macht  es  das  Schwere,  daü  es,  losgelassen,  herunterfällt?  ^Das 
macht  eben  die  Schwere,  deren  Natur  t^s  ist  herabzudrucken. 
Dos  Schwere  fällt  durch  sich  selber**,  so  lautete  im  Grunde  die 
etwas  überraschende  Antwort  des  Duns  Skotus-),  und  andere 
griffen,  wie  man  aus  dem  Verfasser  unserer  Impassibititi  ersieht, 
wieder  zu  anderen  Erklärungen  ■'). 

Unser  „Sophist"  einsieht  gewandt  die  Schwäche.  Ein  oben 
befindlicher  schwerer  Körper  wird,  auch  wenn  er  nicht 
zurüekgehulton  ist.  doch  nicht  herabfallen  (13,  4— 5>. 

Die  Begründung  knüpft  wieder  an  Aristotelische  Ge- 
danken an.  Bei  jeder  Bewegung  ist  nin  Bewegendes  und  ein 
Bewegbares  erforderlich.  Hier  aber  fclilt  das  Bewegende.  Denn 
ein  von  aulAen  Antreibendes  ist  nicht  vorhanden.  In  den»  Be- 
wegten selbj^t  al)pr  können  wir  nichl  ein  Bewegendes  und 
ein  Bewegtes  unterscheiden ,  so  dali  das  ei*stere  aktuell  —  in 
unserm  Falle  also  aktuell  unten  — ,  das  zweite  potentiell 
—  d.  h.  potentiell  unten  —  wäre.  Denn  die  quantitativen 
Teile  sind  allo  gleichartig.  Ebensowenig  karm  der  Uiiter- 
scliied   von  Materie   und  Form    herangezogen  werden:    denn  die 


')  Siehe  uTit«'ii  S.  174. 

-)  Duna  SevtuB,  11.  .SV«/*-»/,  d.  2  q.  10. 

']  Wie  spatere  Tliomiaten,  Skotisten.  Nominalisten  durObcr  flacbt4>n, 
Btellt  %.  li.  .loanriuit  LHlenmndel,  Cnr.mji  phUumtphh'uA  oompirctrmf  lattufut 
«ii.HriitifHS  ('oHtroio')'i'inn  i/niHf^  o  Lotfirin,  Fhtjgiri»,  }fft(tjfiiitgici>»ftu  tiffiinri 
ttofitas,  praettriiim  nnne  Thitminlirnr,  Sctitieaf.  et  Xomimifiuin  SV/ty/iJ*  nutinfftn 
cicHt.    I.ugduni  lB5tJ      Disput.  IX.  partitio  VI,  p.  488  ff.  bequem  zusammen. 


\ 


(nJioIt,  philosophiegeschichtliche  St«'lnng  und  Verfaiwer  Aar  Schrift.     169 

Materie  ist  etwas  rein  Potentielles,  kann  also  nach  Aristoteles ') 
nicht  bewegt  werden  (13,  5 — 17). 

Ob  unser  „So]>hist'*  sein  Paradoxon  in  einem  tieferen  Ge- 
dankcnzusamiiienhange  aulifcstellt  hat?  Etwa  dem,  daü  dadurch, 
wie  durch  die  Paradoxa  Zenon's  des  Eleaten,  die  HealiLät  der 
Bewegung  und  des  Raumes  bestritten  werden  sollte?  Ob  es  so 
ein  Atialopon  zu  der  dritten  These  bietet,  die  alier  Wahrschein- 
lichkeil nach  mit  dem  Satze  von  der  blolien  Phanomenalität  der  Zeit 
zusiiitjnienhätigt,  weicher  uns  unter  den  1^77  verworfenen  Sätzen 
begegnet^)?  Oder  ob  es  ein  bloües  Spiel  dialektischen  Scharf- 
sinnes darstellt,  das  in  übermütiger  Laune  eine  unklare  Lehre 
ad  absurdum  füliren  soll,  ohne  einer  neuen  Anschauung  den 
Boden  beri-ilen  zu  wollen,  wii'  ein  keckes  Reiterstückchen,  das 
VerwirrunfT  in  die  Reihen  der  GegTier  tragt,  ohne  aber  den 
Fortffang  des  eigenen  Heeres  zu  fördern?  Wer  kaim  (»s  wissen? 
Da  uns  indes  von  einer  enisthaFlen  Bestreitung  der  Uealität  des 
Raumes  in  jener  Periode  keine  Spur  begegnet,  so  dürfte  wohl 
das  Letzten?  das  Wahrscheinlichere  sein.  Das  Paradoxon  stellte 
sich  dann  dem  ersten,  ,es  giebt  keinen  Gott",  an  die  Seite,  das 
auch  gewiß  nicht  ernsthaft  gemeint  ist. 


Für  den  Gegner  des  , Sophisten"  entstand  nun  die  Auf- 
gabe, zu  zeigen,  daÜ  bei  der  Abwärtsbewegung  des  Scinveren 
in  der  Thal  ein  Bewegeruieö  und  ein  Bewegter^  unterschieden 
wei'deu  könne.  Er  unterzieht  sich  seiner  Aufgabe,  so  gut  es 
von  der  Arist<»ti.'lischen  Betrachtung  des  Problems  ans  über- 
haupt möglich  ist.  Mit  Averroes  nimmt  er  an  ^)  («rste  Kr- 
Wläi'uii^rh  daü  das  Schwere  zuerst  das  Medium  bt-wegt,  in  dnn 
es  sich  befindet,  und  dann  mit  diesem  bewegten  Medium  zu- 
gleich mitbewegl  wird,  wie  der  Schiffer,  der  das  Schiff  mit 
seinem  Ruder  vorantreibt  und  dadurch  zugleich  selbst  mit  fort- 
bewegt wird.  Bas  Schwere  bewegt  also  sich  selbst  nur  nülK*nbei  (in 
accidenteller)  Weise,  nämlich  insofern  sein  passives  Beweglwerden 
accidentell  mit  der  Bewegung  des  umgebenden  Miltels  geg<'hen 
ist,  welch  letzteres  es  direkt  und  an  sich  bewegt  {i'A.  IS—  1 1-.  10}. 


^>  8.  8    IS  Anm    2. 
■)  S.  oben  S.  150. 
')  S.  S.  13  Anm.  3. 


170  TmposBibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

Dagegen  erheben  sich  freilich  Einwände.  Das  Schwere, 
scheint  es.  bewegt  das  Medium  nur  dadurch,  daß  es  selbst 
schon  bewegt  ist  (erster  Einwand);  und  außerdem  ist  das 
Verhältnis  des  Schweren  zu  dem  umgebenden  Medium  nicht 
dasselbe,  wie  das  des  Schiffers  zum  Schiffe  (zweiter  Einwand) 
(14,  U— 19). 

Mit  spitzfindigem  Distinguieren  hatten  sich,  wie  unser 
Autor  berichtet,  einige  hier  zu  helfen  versucht  (zweit«  Erkit- 
rnng).  Freilich  kann,  so  meinten  diese,  dasselbe  nicht  ak- 
tuell zugleich  bewegend  und  bewegbar  sein ;  nichts  aber  hindert, 
daß  dasselbe  zugleich  als  Aktuelles  bewegend  und  als  Poten- 
tielles bewegbar  sei.  Bewegend  aber  ist  das  Schwere,  inso- 
fern es  —  seiner  Natur  nach  —  aktuell  seinen  Platz  hat;  be- 
wegbar ist  es,  insofern  es  —  wenn  es  oben  festgehalten  wird, 
nur  in  der  Potenz  zu  dieser  Situation  sich  beündet.  Da  es 
nicht  durch  seine  Natur  {per  se),  sondern  nur  durch  eine  äu^re 
Ursache,  also  accidentell,  an  einem  seiner  Natur  nicht  ent- 
sprechenden Orte  sich  befindet,  so  kommt  es  ihm  anch  nur  ac- 
cidentell {])er  accUlens)  zu,  bloß  in  der  Potenz  zu  seinem  natür- 
lichen Orte  sich  zu  befinden.  Wenn  also  das  Bewegte  als  actn 
inferiutt  sich  selbst  als  ptjtenth  inferius  bewegt,  so  bewegt  nicht 
dasselbe  sich  selbst  per  se  —  was  unzulässig  wäre  — ,  sondern  es 
bewegt  d.asselbe  sich  selbst  nur  per  accidens.  Es  bedarf  also 
nicht  des  bewegten  und  bewegenden  Mediums,  um  die  passive 
Bewegung  des  Schweren  zu  erklären  (14,  ^0 — 27).  —  Man  sieht, 
wie  der  unzulängliche  Aristotelische  Gedanke,  daß  die  Richtungs- 
anlage zu  dem  natürlichen  Orte  jedes  Elementes  es  sei.  was 
dem  Anstoß  seine  bestimmte  Richtung  gebe,  hier  noch  über- 
boten ist.  Das  Element  selbst,  insofern  es  aktuell  an  seinem 
natürlichen  Orte  ist,  soll  sich,  insofern  es  nur  potentiell  an  diesem 
natürlichen  Orte  sich  befindet,  dorthin  treiben.  Eine  wunder- 
liche Art,  durch  das  Spiel  mit  Begriffen  physikalische  Probleme 
~  nicht  zu  lösen,  sondern  ~  zu  verschleiern. 

Dieses  Begriffsspiel  setzt  sich  dann  noch  eine  Weile  fort. 
Wenn  das  Schwere,  wendete  man  den  Vertretern  jener  Ansicht 
ein,  am  Ende  seiner  Bewegung  an  sich  (per  se)  unten  ist,  so 
mußte  es  doch  auch  durch  sich  selbst  bewegt  werden,   nicht 


Inhalt,  Philosoph iegeschichtlicfae  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     171 

nur  accidentell  {per  accidens)^  wie  oben  vorausgesetzt  wurde. 
—  Diese  Folgerung,  wird  erwidert,  trifft  nicht  zu.  Denn  wenn 
ein  Bewegtes  darum  nur  accidentell  bewegt  wird,  weil  es  in 
einem  an  sich  Bewegten  wie  ein  Teil  oder  wie  ein  Accidens 
desselben  sich  befindet,  so  wird  es  allerdings,  wenn  die  Bewe- 
gung zu  Ende  ist,  auch  nur  accidentell  am  Ziele  sein;  nichts 
aber  hindert,  daß  etwas,  was  durch  etwas  anderes  und  nicht 
durch  seine  Natur  in  Potenz  war,  am  Ziele  der  Bewegung  an- 
gelangt, an  sich,  d.  h.  durch  seine  eigene  Natur,  an  jenem  Ende 
sich  befindet  (14,  28-35), 

In  ähnlicher  Weise  würden  die  Vertreter  jenes  zweiten 
Erklärungsversuches  einen  andern  Einwand  zurückweisen ,  der 
zugleich  auf  die  von  dem  Verfasser  selbst  im  Anschluß  an 
Averroes  gegebene  erste  Lösung  polemisch  Rücksicht  nimmt 
und  dadurch  die  Diskussion  weiterfuhrt.  Wenn  etwas,  lau- 
tet dieser  Einwand,  accidentell  bewegt  wird,  so  ist  das 
nur  möglich,  wenn  es  bei  jener  Bewegung  ein  an  sich  Bewegtes 
giebt.  Ein  solches  ist  aber  bei  jenem  zweiten  Erklärungsversuche 
nicht  vorhanden.  Auch  das  bewegte  umgebende  Mittel,  das  der 
erste  Lösungsversuch  als  an  sich  Bewegtes  ins  Feld  führt,  giebt 
keine  hinreichende  Erklärung.  Ein  solches  Mittel  nämlich  ist 
für  die  Bewegung  des  Schweren  überhaupt  nicht  nötig,  da  ja 
auch  im  Leeren  Bewegung  möglich  ist.  Ferner  wird  so  nicht 
erklärt,  wo  denn  in  dem  bloß  mathematischen  Räume,  wo  doch 
das  Vorher  und  Nachher,  auf  dem  die  Bewegung  beruht,  sich 
findet,  der  Beweger  und  das  Bewegte  sei.  —  Auf  diesen  Ein- 
wand, meint  unser  Autor,  würden  die  Anhänger  dieses  zweiten 
Lösungsversuches  antworten,  gerade  wie  auf  den  ersten  Ein- 
wand, nämlich  daß  auch  er  den  Sinn  des  „accidentell  Bewegten" 
verkenne.  Nur  wenn  etwas  deshalb  accidentell  bewegt  werde, 
weil  es  Teil  oder  Accidenz  eines  anderen  sei.  müsse  man  ein 
an  sich  Bewegtes  aufweisen;  nicht  aber,  wenn  es,  wie  hier,  des- 
halb bloß  accidentell  in  Bewegung  sei,  weil  es  nicht  durch 
seine  Natur,  sondern  durch  ein  anderes  aus  seiner  Ruhelage  ge- 
bracht und  so  accidentell  in  Potenz  zu  seinem  natürlichen 
Orte  sich  befinde  (15,  1  —  12). 

Unsem  Verfasser  befriedigt  indes  dieser  zweite  Erklärungs- 


172  Impossibilia  Sigeri  de  Brabantia. 

versuch  nicht.  Auch  bei  ihm,  meint  er,  müsse  als  Voraussetzung 
der  accidentellen  Bewegung  ein  an  sich  Bewegtes  vorhanden 
sein,  und  zwar  müsse  diese  an  sich  erfolgende  Bewegiing  bei 
dieser  Ansicht  in  dem  sein,  was  das  Schwere  zu  einem  bloß 
potentiell  unten  Befindlichen  mache,  das  heißt,  was  sie  hindere, 
unterhalb  der  tragenden  Säule  oder,  wenn  diese  fortgenommen, 
unterhalb  des  betreffenden  Mittels  zu  sein  (15,  13  —  21). 

Auch  aus  einem  Satze  des  Aristoteles  soll  folgen,  daß  nur 
dann,  wenn  ein  an  sich  Bewegtes  vorhanden  sei,  das  Schwere 
accidentell  bewegt  werden  könne.  Derselbe  lehrt  nämlich,  daß, 
falls  kein  umgebendes  Mittel  vorhanden,  eine  Succession  in  der 
Bewegung  und  darum  eine  natürliche  Bewegung  unmöglich  sei. 
Denn  da  im  Vollen  der  Körper  um  so  schneller  falle,  je  dünner 
das  Mittel  sei,  so  würde,  falls  der  Körper  im  Leeren  eine  suc- 
cessive  Bewegung  habe,  ein  Grad  der  Verdünnung  des  Mittels 
denkbar  sein,  bei  dem  der  Körper  ebenso  schnell  falle,  wie  im 
Leeren.  Da  aber  ein  noch  so  verdünntes  Medium  noch  immer 
den  Raum  fülle,  so  würde  hier  also  der  Denkwiderspruch  sich 
ergeben,  daß  ein  Körper  im  Vollen  ebenso  schnell  falle  als  im 
Leeren,  was  unmöglich  sei  (15,  22—16,  12). 

Man  dürfe  dagegen  nicht  einwenden,  daß  dieser  Wider- 
spruch nur  aus  der  Annahme  einer  unendlichen  Verdünnbarkeit 
des  Mittels  folge,  also  nichts  beweise,  weil  jene  unendliche  V^er- 
dunnung  nicht  ausführbar  sei.  Denn  nicht  darauf  komme  es 
an,  wenn  es  sich  um  einen  Denkwiderspruch  handele,  ob  etwas 
physiscli  ausführbar,  sondern  ob  es  denkbar  sei;  denkbar  aber 
sei  jener  höchste  Grad  der  Verdünnung')  (16,   13 — 14-). 

Aber  wie  es  hiermit  auch  stehen  mag^),  in  keinem  FalU' 
würde  es  für  die  Bewegung  durch  das  Volle  und  das  Leere  ein 
gleiches  Maß  geben;  denn  eine  in  zeitlicher  Folge  sich  vollzie- 
hende Bewegung  durch  das  Leere  ist  noch  aus  einem  anderen 
Grunde  unmöglich.  Dieser  zeitliche  Verlauf  im  Durchschreiten 
des  gefüllten  Raumes  ergiebt  sich  nämlich  aus  dem  Widerstände. 


')  Ich  habe  den  lückeohaften  Text  nach  Averroes  und  Albertus 
Magnus  ergänzt;  vgl.  S.   16  Anm.  2. 

')  Vielleicht  sind  die  Worte  et  hoc  dato  nicht  Anfang  des  neaen  Ar- 
guments, sondern  es  ging  auch  hier  noch  etwas  vorher. 


iTihtili,  philusophicgeachichtlicbe  BtellutiK  nun  Verftmser  der  Schrift.     173 

welclien  der  lallende  Körper  an  dem  Mittel,  durch  das  er  sich 
bewegt,  findet.  Im  Leeren,  wo  ein  solches  Widerstand  leisten- 
des Mittel  nicht  vorhanden  ist,  würde  also  ein  schwerer  Körper 
nicht  in  einer  successive  verlaufenden  Bewegung  von  oben  nach 
unten  gelangen,  sondern  er  würde  oline  zeitlicJi  verlaufende  Be- 
wegung sofort  unten  sein.  Eine  Bewegung  im  Leeren  ist  also 
unmöglich  (10,   14-27). 

Unser  Autor  macht  diese  Äusfühnmgen  zunächst  deshalb» 
um  zu  zeigen,  daü  ein  accidentelles  Sich-selbst-Bewegen  des 
Schweren  nur  dann  möglich  ist,  wenn  zuerst  ein  an  sich  Be- 
wegtes —  das  Mittel  —  vorhanden  ist.  Der  gegen  den  ersten 
Lösungsversuch  gerichtete,  bisher  unerledigte  Gedanke,  das  Mit- 
tel könne  nicht  deshalb  das  an  sit-h  Bewegte  sein,  w'eil  auch 
ohne  ein  solches  Mittel  Bewegung  möglich  sei,  nämlich  im  Lee- 
ren '),  ist  damit  zurückgewiesen.  Im  Leeren  giebt  es  keine  Be- 
w^egung.  Beides,  da.-^  Vorhandensein  eines  Mittels  und  die  Mög- 
lichkeit der  Bewegung,  scheint  also  an  einander  geknüpft  zu 
sein.  Aber  die  Sache  und  die  vorgebrachten  Beweisgründe 
erregen  ein  selbständiges  Interesse  beim  Verfasser.  In  weit- 
schichtiger Darle^'ung  behandln  er  den  Fall  im  Leeren  und  die 
Meinung  des  Aristoteles  ilaiüber  [Kxkui-sj.  Was  er  sagt,  hängt 
zwar  mit  dem  zu  beweisenden  Salze  noch  zusammen,  kommt 
aber  auch  auf  femer  liegende  Punkte. 

Eine  Bewegung  im  Leeren,  wende  man  ein,  sei  dennoch 
möglich.  Denn  für  eine  solche  sei  nui*  der  Unterschied  des  räum- 
lichen Vor  und  Nach  erforderlich,  und  dieser  bleibe  auch  im  Lee- 
ren, in  dem  ja  die  mathematische  (Quantität  verbleibe  (17,  I —5). 

Schon  Albert  von  Köln  und  Thomas  von  Aquino 
hätten  sich  mit  diesem  Einwand  abzuünden  gesucht  =*). 

Unter  Berufung  auf  Aristoteles,  nach  dem  es  im  Leeren 
sowenig  wie  im  Nirhtseienden  Unterschiede  gebe")i  leugne 
Albertus  Magnus  den  Unterschied  des  Vor  und  Nach  im 
Leeren.  Aber  diese  Erklärung  Albert's,  meint  unser  Autor, 
treffe  nicht  zu.    Denn  solche  Unterschiede,  welche  die  Bewegung 


>)  S.  oben  8.  171. 

*)  Diß    Nachweisung4<n   kuh  Albert   und  Tbomaa  siehe   in    don    An- 
merkungen zum  Text,  8.  Iti  und  17. 
■'}  S.  S.  16  Anm.  2. 


174  ImpOBÜliilia  Sigcri  de  Brobantia. 

eine6   im  Leeren   befindlichen   Körpers   gerade    nach    einer  be- 

alimmten  Bichlung  hin.  und  niclit  nach  einer  anderen,  erfolgen 
ließen  (wie  das  Arisloleles  vom  natürlichen  Ort  der  Elemente 
lehrt),  gebe  es  zwar  im  Leeren  nicht;  wohl  aber  seien  dem 
Leeren,  da  es  eine  Ausdehnung,  wenn  auch  niclil  eine  \*on 
einem  sinnfälligen  Körper  orffillto  Ausdeluinng.  darstrlle,  die 
Unterschiede  des  Vor  und  Nach  eigen  (17,  (»-I7). 

Ebenso  wenig  billigt  der  Verfasser  der  IrnjMssibilia  den 
Ausweg,  den  Thomas  von  Aquino  eingeschlagen  hat.  Nach 
dieser  —  in  Wahrheit,  trotz  unseres  Autors,  —  durchaus  zu- 
treffenden Ansicht  hat  diT  Tal!  im  Leeren  ein  bestiniiiiles  MaÜ 
seiner  Geschwindigkeit.  Das  raumfüllende  Mittel  dagegen  hat, 
wie  Thomas  nach  Avempace  ausführt,  nur  die  Bedeutung, 
dnü  es,  je  nach  seiner  Dichtigkeit,  den  Fall  mehr  oder  minder 
verUmgsamt  (17,17 — LS,  10).  Die  Beweisführung  des  Aristoteles 
gegen  die  Möglichkeit  einer  Hewegung  im  Leeren  sei  nach  Tlmiuas 
von  Aristoteles  nicht  aus  seinen  eigenen  Voraussetzungen  geführt. 
Dieselbe  stütze  sich  vielmehr,  als  oiufumenhim  ati  homiunn, 
auf  die  V'ürausselzungcn  der  von  ihm  bekämpften  Gegner,  Denn 
nach  diesen  sei  das  Leere  nötig,  damit  die  Bewegung  möglich 
sei.  Für  sie  »ei  also  in  der  That  das  Fehlen  des  Mediums  der 
Gnmd  der  Bewognnjf,  und  ebenso  aussi-hltcölich  das  Medium 
Grund  der  gröüeren  und  geringeren  Schnelligkeit  beim  Fall; 
der  mathematische  Unterschied  des  Vor  und  Nach  als  solcher 
komme  (tir  sie  dagegen  nicht  inbetracht  (18,   II  — 19,  4). 

Unser    Autor    meint    demgegenüber  nicht    eben    mit 

Recht  — ,  dab  der  Beweis  des  Aristoteles  selbst  dium  noch  kun- 
kludent  bleibe,  wenn  jemand  auch  nicht  den  ganzen  Unterschied 
der  Geschwindigkeit  und  Langsamkeil  allein  auf  die  Unterschiede 
in  der  Dichtii^kcit  des  Mittels  /urückführe  (10,  5  —  11).  Dali 
einem  imemllicli  ilünnen  Mittel  eine  unendlich  kleine  Verzögerung 
parallel  gehen  würde,  die  aber  doch  nicht  verschwinden  und 
keine  völlige  Gleichheit  in  der  Geschwindigkeit  zwischen  dem 
Fall  im  Leeren  und  dem  im  erfüllten  Kaum  zulassen  wünle, 
sieht  er  nicht. 

Einmal   von   dem  strengen  Faden  des  Beweisganges  ahg 
kommen,  fügt  der  Verfasser  ein  zweites  Argiunent  hinzu,  welches 


Inhalt,  philoaophiegeschichtlicfae  Stellung  und  VerfaBser  der  Schrift.     175 

das  ursprüngliche  Probandum  zur  Prämisse  nimmt.  Das  Schwere 
könnte  im  Leeren  sich  nur  accidentell  bewegen.  Dann  aber 
müiäte  es  zuvor  ein  an  sich  Bewegtes  geben.  Dies  kann  der 
leere  Raum  nicht  sein,  da  das  Leere  unbeweglich  ist.  Eine 
Bewegung  im  Leeren  ist  also  unmöglich  (19,  12 — 18). 

So  kehrt  denn  unser  Autor  zu  der  ersteu  Erklärung, 
der  des  Averroes,  zurück.  Das  Schwere  wird  von  sich  selbst 
accidentell  bewegt,  indem  es  zuerst  ein  anderes,  das  umgebende 
Mittel,  an  sich  bewegt  und  nun  durch  dieses  accidentell  mit- 
bewegt wird  (19,  18—21). 

Wenig  Neues  bringen  die  Antworten,  die  der  Verfasser 
auf  die  einzelnen  Gegenargumente  giebt. 

Daß,  auch  wenn  das  Mittel  fortgedacht  wird,  doch  der 
mathematische  Unterschied  des  Vor  und  Nach  bleibt,  leugnet 
unser  Verfasser  nicht.  Aber  daraus  folge  nicht,  da&  das  Schwere 
nur  successive  falle,  sondern  vielmehr,  daß  es  ohne  eine  in  den 
Unterschieden  des'  Vor  und  Nach  verlaufende  Bewegung  unten 
wäre  (19,  22—29). 

Wenn  aber  einer  meine,  daß  wegen  des  Vor  und  Nach 
des  Raumes  auch  im  Leeren  das  Schwere  successive  fallen 
müsse,  so  sei  zu  erwidern,  daß  so  vielmehr  eine  Antinomie 
entstehe.  Wegen  des  Vor  und  Nach  müßte  das  Schwere 
in  successiver  Bewegung  nach  unten  gelangen  —  und  dieses 
Glied  der  Antinomie  habe  Aristoteles  ins  Auge  gefaßt  — ;  wegen 
des  Fehlens  eines  Mittels  müsse  es  dagegen  ohne  Bewegung 
unten  sein.  Diese  Antinomie  aber  beweise,  daß  die  Voraus- 
setzung zu  verwerfen  sei,  aus  der  sie  sich  ergebe,  nämlich  die 
Möglichkeit  eines  Falles  im  Leeren  (19,  30—20,  5). 

Den  ersten  der  beiden  gegen  die  Ansicht  des  Averroes 
geltend  gemachten  Einwände  ^)  sucht  unser  Autor  durch 
eine  Unterscheidung  zwischen  dem,  was  das  umgebende  Mittel 
aufgrund  einer  wahren  Selbstbewegung  aus  innerra  Princip 
bewegt,  wie  dies  bei  einem  sich  selbst  bewegenden  Lebewesen 
der  Fall  ist,  und  zwischen  dem,  was  bloß  accidentell  sich  selbst 
bewegt,  hinwegzuräumen  (20,  6 — 13).  Daß  darin  eine  petitio 
principii  liegt,  sieht  er  nicht. 

0  Siehe  S.  170. 


17A  lmpo«jtibi1iA  Sigeri  de  Brabniitia. 

Auf  den  zweiten  erwidert  er  mit  einer  Analyse  der  Ähnlich- 
keiten und  der  Unterscbiede,  die  zwischen  einem  in  sicii  fest  zu- 
sammenliangenden,  alles  in  iluii  Befindliche  fortfühi-endeu  Schiffe 
und  einem  nicht  festen  Medium  vorliegen  (20,  14—21,  2). 

S. 

War  die  vierte  These  und  noch  mehr  die  Begi'ündting  der- 
selben verslündlith  nur  von  dem  Boden  ganz  bestimmter  Vor- 
aussetzungen aus,  so  fühK  uns  die  rünfte  zu  einem  Problem, 
das  die  Philosophie  alier  Zeiten  boschfiflitjt  hat.  Es  ist  die 
Grundfragt'  der  Thoodicee,  wie  die  Thatsaehe  des  Übels  und 
des  Bissen  in  der  Welt  mit  der  allgemeinen  g6ttlichen  Kausalität 
und  mit  der  göttlichen  Wellregierung  vereinbar  sei. 

In  der  Zeit  unsors  Autors  ')  ist  es  ein  allgemein  recipierter 
Satz,  daß  kein  endliches  Seiendes  und  kein  positives  Wirken 
der  Kreatur  Wirklichkeit  oder  Sein  haben  und  behalten  kann 
ohne  den  alles  ilurclidringenden  EinlkiU  der  ersten  Ursache, 
Kniipfle  die  speciello  Formulierung  dieses  Satzes  außer  an  die 
christliche  Metaphysik  Augu.slin's  zum  Teil  auch  an  dun  Neu- 
plalonismus  des  Pseudo-Areopagiten  und  des  Über  dt  cawtU 
an,  so  orgab  sich  der  Satz  sell>st  doch  als  zwingeniie  Konsequenz 
aus  der  gesamten  bisherigen  philosophisch-theologischen  Enl- 
wicklinig. 

Die  nähere  Durchfuhrung  jenes  Satzes  machte  keine  be- 
sonderen Schwierigkeiten  für  das  Gebiet  der  Naturkausalität 'K 
Auf  dem  CJebiete  iler  freien  Willenshandlungen  tührte  er 
zu  dem  Problem,  wie  die  allumfassende  göttliche  Wirksamkeit 
mit  der  mensch  liehen  W  i  1 1  en  s  f  r  e  i  h  e  i  t  zu  vereinbaren  sei. 
.Gott  bewegt  eine  jede  wirksame  Ursache  ihrer  eigenen  Natur 
gemflJa,  die  notwendige,  so  daLt  die  Wirkung  ihr  notwendig 
folgt,  die  freie,  so  dali  sie  ihren  Akt  frei  setzt',  war  die  ge- 
wöhnliche L(Vung,  welche  man  dein  Problem  in  jener  Zeit  gab^). 


')  Zam  Folgenden  vgl.  IgaatJus  J ei  1er,  N.  HomtrentHnw  prittripia  tU 
eonrHf/tu  Ufi  i/rtu-rali  tul  ardmirM  cnttmirum  nfcumfnntM  rnUeetn  rt  S.  Thomne 
docinnu  confinmiht.     Ad  CUruA  Aqiiiui   IH9T. 

'')  Vgl.  s.  B,  Thomas  Aqu.,  QuitcHt.  dUp.  </(•  l\ai>nfhi  q.  3  */••  rrtttf.  a.  7. 

*)  Vgl.  2.  K  Thuinas  Aqu.,  Summa  theol.  1.  Itnn  q,  jq  ft.  4  e.  und 
ad  1 ;  iie   V'frit.  q.  6  a.  ii  ad  3 ;  q.  24  a.  1  ad  S  u.  %.  w.    Der  pbilosophiacb« 


Tnh  bH,  pniToHDplii  egesch  iohtliche  Stellung  nnd  Terfassor  der 

CJnIt  diese  Schwierigkeit  pleichmäßig  für  alle  freien  Akte, 
so  entstand  eine  neue  Schwierigkeil  für  die  bösen  Handlun- 
gen. Albert  d.  Gr.')  stellt  hier  (nach  Petrus  Lombardus)  die 
Lösung  eines  Teiles  der  Alten  der  von  den  Modernen  ge- 
teilten gegenüber.  Nach  der  ersteren  soll  der  freie  Wille 
nicht  zu  einer  guten  oder  indilTerenten  Handlung,  wohl  aber 
/u  einer  bösen  Handlung  für  sich  aliein  hinreiclien.  Als  Ver- 
treter dieser  Ansicht  kennen  wir  aus  dem  XUI.  Jahrhunderl 
2.  B.  den  Magister  Praepositivus  *).  Die  herrsohende '^j  An- 
sicht joner  Zeit  knüpft  dagegen  mit  Anselm*)  an  den  Gedan- 
ken Augustin's  (und  des  Dionysius  Pseudo-Areopagita) 
aHi  dalä  das  Üble  als  solches  (d.  h.  als  Übles  genommen) 
nichts  Positives  sei,  sondern  nur  der  Mangel  eines  schuldigen 
Guten  /prittatio  bmii  debiti},  und  dalj  daher  das  Üble  nur  in 
einem  Guten  sei.  So  könne  und  müsse  denn  auch  die  üble 
Handlung,  insoweit  sie  als  Handlung  etwas  Positives  sei,  von 
Gott  als  der  ersten  Ureache  ausgehen.  Der  Mangel  an  ihr, 
der  nicht  eine  wahre  bewirkende  Ursache  (räum  efficiem) 
habe,   sondern   aus    einem  Mangel   oder  Defekt    (causa  deficite) 


Ausgangspunkt  für  die  Fonnulierang  ist  der  dem  Liber  df  cmtJtig  t§.  9]  ent- 
noinniune  |rgl.  Bardenhcwer.  a.  ti.  O.  8.  265  f.)  ShIz:  Quioquid  recipilur, 
per  niodum  rccipientis  recipitur  —  Audera  Durttndus,  I  Scni.  d.  47  q.  1 
n.  9  («d.  Lagdun.  1596.  p.  27»  o). 

')  Albertus  Magnus,  U  Srnt.  q.  85  a.7:  Antiiiui  circa  lianc  quae- 
stionem  .  .  .  dnobun  itiodl«  opinabantur.  Qnidam  t^iiiiii  dicebant  uoluiitatein 
per  8e  sufficeri'  ad  actum  inaluin,  seel  nun  ad  actum  buuum  uel  indiffercnt«ni; 
et  ilixerunt:  ,Ex  hoc  oon  »equitur  duü  prJncipia  esse,  quia  uoluQtas  pL^r  so 
agit  nctam  niahim,  tamon  ipKa  noa  oät  a  se;  tn  eo  aut<^m  quod  est  primum 
principium  exigitur  quod  sit  a  ac  et  agat  a  se*  .  .  .  Qaia  uoro  nioderni 
uideniat  quod  perfectius  est  agere  quam  ease,  uidemnt  quod  id  quod  uon 
est  a  se  dcc  potcst  a  bo  mnncrc  in  osae,  molto  minus  potesL  agere  n  ae  iptw. 
Et  cum  actus  malus  sccnndnm  conaer§toaem  ad  materititn  eit  HJmplicifer  actus 
egrudiona  a  pot«ntia  actiua  perfecta  bccundum  naturam,  ideo  concluseruat 
quod  noD  egredtlur  ab  ea  nisi  set-undum  quod  mouetur  a  causa  priiriH;  alio- 
quin  aequeretur  duo  principia  e8«e  Et  haec  est  causa  quare  et  alta  opiaio 
fere  cesait  ab  auta  et  a  multis  inodernoium  reputatur  har^ri^ticn. 

")  Jeiler,  n.  n.  <>.  S.  3  Anm  1.  Praepuöitivua  war  1207  Kanzler  der 
Pariser  tJntversitAt  (Ilnlaeua  III.  p.  70  ). 

1  Vgl  Albertus  Magnus  am  Schluß  der  Auiu.  1  citiertan  Stelle. 
Kbeoso  Thomas  Aqu.,  II  Smt.  d.  ä7  q.  2  a.  2:  quam  (sc.  opinjoncm)  ad 
praesens  oulli  uel  pauci  tenent,  qaja  propinquiastma  est  erruri  duplici.  DeoD. 
wie  Aegidius  Coloonn  II  Senf.  d.  37  q.  1  a.  3  dazu  sagt:  ?0Ht«riure8  exi- 
steDtea  super  humeros  priomm  longiua  uidcnt  quam  priores. 

*}  Anselm,  Dr  com-ortlia  praffcleHtiae  etc.  cum  Ultero  urititrui  q.  1  a.  7. 
Beitrage  II,  (1.     BaoamkAr.  Sigor  von  BrAbanl.  12 


l78  impoasibilia  Sigeri  de  Brabftntia. 

entspringe,   habe  dagegen   seinen  Grund   nicht   in  Gott    als   der 
ersten  Ursaclie,  sondern  allein  in  der  Kreatur  ^). 

Stimmen  in  dieser  Grundauffassung,  trotz  einzelner  Modi- 
fikationen im  Ausdruck,  fast  alle  Denker  jener  Zeit  überein  -), 
so  ist  der  in  unserer  Schrift  bekämpfte  Gegner  anderer  An- 
sicht. Anstatt  sich  zu  bemühen,  die  darin  liegenden  Schwierig- 
keiten zu  lösen,  stellt  unser  »Sophist"  frischweg  den  Satz  auf: 
Unter  den  menschlichen  Handlungen  giebt  es  keine 
schlechte  Handlung,  so  daß  wegen  dieser  Schlechtigkeit 
jene  Handlung  verhindert  oder  einer  wegen  derselben 
bestraft  werden  müßte  (21,  4—6). 

Der  erste  Grund,  der  dafür  angeführt  wird,  ist  der,  daß 
alle  menschlichen  Handlungen  aus  der  von  dem  weisesten  Welt- 
regierer  gesetzten  Ordnung  hervorgehen,  also  weder  verhindert, 
noch  bestraft  werden  dürfen,  zmnal  durch  eine  Strafe,  welche 
jener  oberste  Regierer  selbst  bestimmt  haben  sollte  ßl,  7 — 13). 

Der  zweite  geht  aus  von  dem  Gedanken,  daß  alles  Übel 
nur  relativ  sei.  Wie  im  Staate  eine  Anordnung  für  die  Brol- 
bäcker  z.  B.  nachteilig,  für  die  Gesamtheit  aber  heilsam  sein 
könne,  so  habe  jede  menschliche  Handlung,  wenn  sie  auch  für 
irgendwelche  Einzelne  übel  sei,  doch  im  Hinblick  auf  das  Ganze 
ihr  Gutes.  Der  Mensch  dürfe  also  wegen  derselben  nicht  be- 
straft werden  (21,  14—20). 

Der  dritte  Beweis  variiert  den  ersten.  Entweder  sind  alle 
menschlichen  Handlungen  vom  obersten  Weltregierer  begründet; 
dann  aber  kann  er  für  keine  derselben  eine  Bestrafung  angeord- 
net haben.  Oder  er  hat  für  einige  menschlichen  Handlungen 
Strafe  angeordnet;  dann  aber  sind  nicht  alle  menschlichen  Hand- 
lungen durch  seine  Weltordnung  begründet  (21,  2t — 24). 


')  Alexander  Halens.,  SnmniaU  q.  100  membr.  3  a.  6  §.  3.  Albertus 
Magnus  (außer  der  S.  177  Anm.  1  citierten  Stelle)  Siimmu  theol.  I  tract.  20 
q.79  part.3.  Bonaventura,  llSent.  d  37  a.  1  q.  1  (vgl  a.  1  q.1-3).  EM. 
a.  2  q.  1;  d.34  a.  1  q.  2.  Thomas  Aquino,  \lSent.  d.37  q.  1  a.2;  q.  2  a.  2. 
Ebd.  Quaeitt.  disp.  de  Mnio  q.  3  a.  2.  Summa  theol.  1.  11»©  q.  109  a.  2  ad  2; 
Cont.  gettt.m  c.  66.67.89.90.162.  Aegidius  Rom.,  H  .SV«/,  d.  37  q.  1  a.  3. 
Richardus  a  Mediauilla,  II  Sent.  d.  87  a.  3  q.  1.  Duns  Scotus,  11  Sent. 
d.  37  q.  1  u.  2;  Hepoti.  II  d.  37  q.  2.    Heinrich  von  Gent,  Qnodl.  XIV,  q.  1. 

')  Vgl.  auch  Maimonides,  Führer,  III  c.  10,  wo  freilich  nicht  vom 
moralischen,  sondern  vom  physischen  Übel  die  Rede  ist. 


Inhalt,  philosopliiegeschichtlirhe  Si(>Uung  und  Verfasser  der  Sclirift.     179 

Beruhen  diese  drei  bezw.  zwei  Gründe  auf  einem  tlieolo- 
gischen  Fatalismus^  so  stützt  sich  der  foIf?ende  auf  eiuen 
psychologischen  Determinismus.  Keine  Wirkung,  so  wird 
unter  Berufung'  auf  Aviccnna')  au^^efCihrt,  kommt  zustande^ 
auiäer  'durch  eine  Ursache,  hinsichtlich  derer  das  Sein  der 
Wirkung  nol wendig  ist.  Denn  eine  Ursache,  bei  der  etwas 
sowohl  sein,  als  nichtsein  kann,  würde  dasselbe  nicht  zum  Sein 
determinieren.  Was  der  Mensch  also  wiil  und  Ihul,  will  und 
thut  er  mil  Notwendigkeit.  Für  das.  was  einer  aber  mit  Not- 
wendigkeit will  oder  thut,  darf  er  we*ler  bestraft  werden,  noch 
hat  die  Strafe  hierbei  irgendwelchen  Nutzen  (2  t,  24—22,  3). 

Bereits  De  Wulf-)  hat  darauf  hingewiesen,  daö  die  hier 
entwickelten  Anschauungen  sich  fast  wörtlich  unter  den  iä70 
Dezember  10  von  Stephan  Tempier  censurierten  dreizehn 
Sätzen'*)  wiederfinden;  und  die  von  ihm  gegebenen  Nachweise 
lassen  sich  noch  stark  vermehren,  wenn  wir  auch  die  1277 
MSrz  7  verworfenen  2  lU  Sätze')  heranziehen.  Schon  nnter  den 
Sätzen  des  Jahres  1270  begegnen  uns  die  beiden,  daß  der 
Wille  des  Menschen  mit  Notwendigkeit  will  oder  wählt '•},  und 
dali  der  „freie  Wille"  (das  Uherum  urhitnutn)  ein  passives,  kein 
aktives  Vermögen  ist,  und  daü  er  mit  Notwendigkeit  von  dem 
iusten-egenden  Objekt  (dem  apf)etihik)  bewegt  wird'*). 


I 


M  Siehe  S.  21  Anm.  2. 

')  De  Wulf,  Iii>*toire  rif.  In  phitm.  iftvi.  dann  /w  i^iiitt-Baa,  p,  277. 

'j  Denifle,  Outriul.  nniuerH.  Pttrix,  I,  p.  486  f.   Siebe  oben  S.  lOTi  ff. 

*)  Denifle.  n    n.  ().  S.  543  ff. 

')  Proji.  3:  Qnod  uoluntas  hominie  ex  necossitat«  ault  u«l  eljgit  (De- 
nifle. S.  487). 

')  Pi'oii.  9:  QiiO(]  liberum  arhitrium  esi  püUintiu  paatiiuu,  nun  uctlua; 
et  qaod  neceaaitate  mouelur  ab  ai>i>etibili.  —  Wenn  /V-o^.  12  dieser  Thesen 
die  ^öttliohe  Providenz  leugru-t,  indem  liott  die  Erkenntnis  des  Individael- 
ien  {fi-np.  10:  averroiatiach).  überhaupt  die  Erkenntnis  einea  von  ibrn  ver- 
schiedenen Objektea  (Projt.  11,  —  aucb  Prop.  3  der  Sftüte  von  1277  —  nach 
AriBtot  Mftnph.  XH  9,  p.  1074  b  21  ff.)  abgesprüchen  wird,  so  stellt  ^ 
nicht  mit  dem  bottui  prottisor  unseres  .Sophisten*  im  Widerspruch,  denn 
bei  diesem  bonnn  pronimr  bandelt  es  sieb  um  allgemeine  Anordnungen, 
nicht  um  die  speziellen  und  individuellen  der  Prnvidenz.  Und  wenn  p,  *2l, 
21—24  auch  auf  dieses  Judivjduelle  und  Spezielle  gehen  BoUte,  so  stellt 
JHner  Beweisgang  sich  als  Antinomie  dar. 

12' 


1^  Imposaibilja  Sigcri  de  Brahantia. 

Der  hier  ausgesprochene  psychologische  Determinis- 
mus   kehrt    wieder   in  den  Fropositionen  von  1S77.     Der  WilJe 

wird  stets  durch  das  stnrker«!  Motiv  liesliiiimt ')-  Die  Affeklionen 
üben  eine  zwingende  Gewalt  aui*  den  Menschen  aus  ■);  die  Vor- 
stellung bestimmt  das  Wollen  des  Menschen  eben  so  wie  das 
Begehren  des  Tieres ") ;  so  lange  die  Disposition  —  die  Affektion 
oder  die  Vnrsteihnig  —  })li'ibt.  bleibt  aurh  das  Wollen  *).  Der 
Wille,  der.  wie  die  Materie,  aus  sich  weder  zu  dem  einem,  noch 
XU  dem  anderen  determiniert  ist,  wird  von  dem  Objekte  des  Be- 
gehrens so  bestimmt,  wie  die  Materie  von  dem  Agens '^). 

Auch  der  fatalistische  Gedanke,  der  alles  Geschehen, 
auch  das  des  Mensclien,  in  einen  nötigenden  allgemeinen  Welt- 
zusamnierdiang  verkettet  sein  laut  und  —  mit  den  alten  Mega- 
rikem  ^  —  nichts  als  möglich  zulfiit,  außer  was  wirklich  ist  % 
tritt  uns  in  jenen  Sätzen  entgegen.  Zinneist  zwar  ^vird  diese 
üitalistische  Gebundenheit   aus   dem  Ein/Iuli  der  Gestirne  "*),   des 


')  Prof.  164:  <^ui>d  humo  in  omuibuH  actionibus  stus  8«qaitar  appeti- 
tum,  ei  Kempfr  nmiorem.  h'tijt.  208.  Qaod  duobuK  bonta  proposittA,  qaod 
foriius  est,  fortiiis  inouet.     Vgl.  /Vap.  134. 

*)  }St>p.  136:  <iuo^  homo  agens  ex  passione  coaeto  agit. 

")  I^'oß).  159:  Quod  uolantas  bumiuia  tiecesaitatnr  per  saain  oognitio- 
nem,  sicut  appoLitua  bniti.     Vgl.  I'rop.  Iö8.  IBä.  173. 

*)  I'rnp.  isr.  Quoll  iioluntaic  existcnto  in  tali  dispositione  in  qua  nata 
pst  moueri,  f>t  nianento  sie  dtHiiosito  quod  nutuni  est  nioueri,  inipoaaibUe  est 
uoluntalcm  n«n  nelle.  Ih-np.  1*29:  Quod  uoluntas,  monontc  paasiooe  et  »cieo- 
tia  partictilari  in  acta,  iion  potest  agcre  contra  eam. 

")  h-t'p.  135:  Quod  QoluntaH  secundnm  ae  est  indvtenninat«  ad  oppo- 
Sita  sicut  niaitiria;  det«nniuatur  uutt^m  ab  appetibili  eicut  roateria  ab  ageat«'. 
Vgl.  h-op.  1H0:  Quod  nulluni  agena  est  ad  utninüibet,  Immo  detcnninatar. 
Ähnlich  h'op.  128. 

'■)  Vgl.  Zeller.  IttHosopkie  iier  Gntchcn.  8-  Aufl.  II.  1.  S.  220.  280 f. 

')  }*iop.  21:  Quod  nihil  fit  a  casu,  aed  omnia  de  neccuwitAte  enat. 
et  quae  oon  erunt,  impoaaibile  est  esse;  et  quod  nihil  fit  contingenter,  coasi- 
derand»  oninea  raosa». 

')  /Vo/j.  183:  Quod  uoluntAS  et  intellecttts  non  tnonentur  io  acta  per 
se,  sed  per  caosam  senipiteniani,  scilicet  corpora  caelestia.  Vgl.  l^-op.  182. 
143.  161.  162.  19Ö.  207;  auch  2ü9,  wenn  dort  unter  dem  motor  primns,  wie 
der  Zusatz  dos  Stephan  Tempier  nahelegt,  der  Fixstemhimmel  Twatanden 
wird  (diese  Deutung  giebc  offenbar  auch  Raymundus  Lullus  als  mA^ieb 
zu.  weno  er  —  nach  Ciid  Monac.  10497  —  zn  der  These  bemerkt:  Et  aic 
uemm  dieia,  ai  int<?lligis  de  primo  motore  qui  est  deus).  Ebenso  .«ichon  unter 
den  1270  verworfenen  Sätzen  f*rop.  4:  Quod  omnia  quae  hie  in  inferioriboa 
aguntnr  Mibsunt  necesaitati  corporum  caeleatiuni. 


Inhalt,  phüosopbiegeschichtlicfae  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     181 

Klimas  u.  s.  w.  ^)  erklärt.  Aber  daneben  tritt  doch,  wenigstens 
in  hypothetischer  Form,  der  Fatalismus  auch  in  specifisch  theo- 
logischer Fassung  auf:  Ein  Vorauswissen  des  künftigen  Kontin- 
genten seitens  der  ersten  Ursache  ist  unmöglich,  da  das  gött- 
liche Vorauswissen  die  nötigende  Ursache  des  Vorausgewuß- 
ten ist  2). 

Auch  einzelne  mehr  nebengeordnete  Gedanken  finden  unter 
den  Thesen  von  1277  ihr  Analogen.  So  fast  wörtlich  der  Satz, 
daß  nur  eine  nötigende  Ursache,  die  kein  Sein  oder  Nicht- 
sein zuläßt,  die  Wirkung  herbeiführt  ^).  Und  wenn  unser  Autor 
von  der  Bestrafung  menschlicher  Willenshandlungen  nichts 
wissen  will,  so  fehlt  auch  daför  unter  jenen  Sätzen  wenigstens 
ein  Anklang  nicht  *). 

So  hat  sich  uns  auch  hier  nicht  der  Verfasser  unserer 
Schrift,  sondern  der  von  ihm  bekämpfte  „Sophist*  als  Sigerus 
personatus  enthüllt.  Hören  wir,  was  unser  Autor  demselben 
entgegnet. 

Unter  den  menschlichen  Handlungen,  ist  seine  These,  giebt 
es  solche,  die  schlechtweg  dem  menschÜchen  Geschlechte  übel 
(mali)  sind,  die  deshalb  verhindert  werden  müssen  und  für 
welche  dem  Thäter  Strafe  zukommt;  imd  diese  Strafe  ist  von 
dem  obersten  Regierer  der  Welt  verordnet,   da  es  auf  seine 


')  Pfop.  142:  Quod  ex  diuersitate  loconun  acquiruntur  necessitates 
eaentuum. 

')  iVo/>.  42:  Quod  cansa  prima  non  habet  scientiam  futurorum  contin- 
gentium  ,  .  .  Tertia  (ratio)  est  ordo  caosae  ad  causatum;  praescientia  enfm 
diuina  est  causa  necessaria  praescitorum.  Quarta  est  ordo  scientiae  ad  sei- 
tum;  quamuis  enim  scientia  non  sit  causa  sciti,  ex  quo  tarnen  scitur,  deter- 
minatur  ad  alteram  partem  contradictionis;  et  hoc  magis  in  scientia  diuina 
quam  nostra. 

'*)  Mit  21,  27  ff.:  Nnllns  effectos  euenit  nisi  a  causa,  respectu  cuius 
säum  esse  neceaaarium  est  .  .  .  causa  enim,  ex  qua  res  potest  esse  et 
non  esse,  non  determinat  rem  ad  e^e.  Vgl.  Pi-op.  128:  Quod  illud  quod 
de  sni  natura  non  est  determinatum  ad  esse  uel  non  esse,  non  deternii- 
natar  nisi  per  aliquid  quod  est  necessarium  respectu  sui. 

*)  Prop.  158:  Quod  post  conclusionem  factam  de  aliquo  faciendo  uolun- 
tas  non  manet  libera;  et  quod  poenae  non  adhibentur  a  lege,  nisi  ad  igno- 
rantiae  correptionem,  et  ut  correptio  sit  aliis  principium  cognitionia. 


ItfS  ImposAibilia  Sigeri  de  Britbaufci«. 

Anordnung   zumckgehl,    wenn    die   Gesetzgeber    die   Ül^ieltliäter 
(m(äon)  bestrafen  (32»  4—81. 

So  interessant  auch  die  Begründung  ist,  so  lehrreich  ihre 
Vei-gleicliung  mit  früheren  und  späteren  Lösungsversuchen  jenes 
wichtigen  Problems»  von  denen  die  zeitgenössischen  oben  (S.  177  f.( 
wenigstens  kurz  angedeutet  vvurtlen,  uuch  sein  würde,  so  kann 
ich  doch  hier  we<ler  in  eine  m'diere  iiuellengcschichÜiche  Beleuch- 
tung derselben,  noch  in  eine  sachliche  Wünligung  der  nicht  ganz 
belriedigenden  Theorie  eintreten,  da  dieses  zu  weit  führen  würde. 
Ich  beschränke  mich  dalier  auf  eine  kurze  Skizzierung. 

Der  Unterscliied  der  guten  und  cler  üblen  Handlungen  er- 
giebt  sich  aus  dein  Verhältnis  zur  richtig  ui-teilenden  Vernunft 
(rerta  ratio).  Gut  ist  das  Vfrnunflgem;"iße,  übel  das  Vernunft- 
widrige (^:f,  9—1 1). 

Zwar  muß  auch  die  für  den  Monschen  üble  Handlung  auf 
die  ersle  Ursache  zurückgeführt  werden,  aber  nicht  hinsicht- 
lieh dessen,  was  mangelhaft*)  in  ihr  ist.  Dieser  Mangel 
(defectus)  in  der  Handlung  geht  hervor  aus  einem  Mangel  der 
Vernunft,  die  ihre  vernüntlige  Entscheidung  nicht  durchsetzt; 
dieser  letztere  Mangel  aber  aus  dem  accidentellen  Zusanimen- 
treflen  nitl  einem  Agens,  z.  ß.  einem  sinnlich  angenelimen  Ob- 
jekte, das  die  Vernunft  zur  Sinnlichkeit  hei-abfallen  fdeficei-e)  lAfil. 
Das  Agens,  seine  Wirkung  und  sein  Zusammentreffen  mit  der  Ver- 
nunft geht  aus  der  von  der  ersten  Ursache  gesetzten  Ordnmag 
her^'or,  nicht  aber  das  Fehlen  {tiefecfuH)  der  Vernunft  iü,  13 — -3)^). 

Die  rechte  menschliche  Vernunft  hat  die  menschlichen 
Handtungen  zu  dem  hinzuordnen,  was  für  den  Menschen  gut 
ist,  nicht  was  für  andere  Naturwesen,  die  dem  menschlichen 
Handeln  nicht  imterslehen,  gut  ist.  Darum  kann  —  und  dies 
ist  der  Giiindgedanke  unseres  Autors  —  etwas  für  den  Men- 
schen ein  Übeles  sein,  was  vom  Standpunkt  des  Universums 
BUS  dies  nicht  ist  (23,  24— 2:J,  i). 

Da  die  menschUche  Vernunft  die  mensclilichen  Handlungen 
auf  das  Gute  im  richten  hat,  hierfür  aber  die  Bestrafung  der 
Übertrelongen  ein  geeignetes  Mittel  ist,  so  ist  die  Einsetzung 
von  Strafen  für  die  menschliche  Vernunft  Erfordernis  (33, 5—10). 


')  StAtt  ig£Ctu»  S.  22  Z.  14  ist  drfeettu  n  Bchrellwn. 

•')  Vgl.  damit  z.  B.  Albertus  Magaus,  S.  tMcot.  I  tr.  20  q.  79  p.  S 


Inhalt,  philosopfaiegeschichtliche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.    183 

Obwohl  also  auch  die  üblen  Thaten  auf  die  Ordnung  des 
obersten  Weltregierers  zurückgehen  —  nicht  freilich  hinsicht- 
lich dessen,  was  mangelhaft  in  ihnen  ist,  da  dies  vielmehr  aus 
dem  Mangel  der  menschlichen  Vernunft  und  des  menschlichen 
Willens  hervorgeht  — ,  so  ist  nichtsdestoweniger  auch  die  Be- 
strafung jener  Thaten  vom  obersten  Princip  angeordnet.  Beides 
schließt  sich  darum  nicht  aus,  weil  es  in  verschiedener  Beziehung 
steht.  Bei  dem  Ersten  ist  das  Wohl  des  ganzen  Universums, 
bei  dem  Zweiten  das  für  den  Menschen  Gute  Gesichtspunkt. 
Der  menschliche  Gesetzgeber  hat  nur  das  Wohl  des  Menschen 
ins  Auge  zu  fassen;  unter  die  Ordnung  des  ersten  Princips  da- 
gegen fallen  viele  unter  einander  entgegengesetzte  Ordnungen 
(23,  11—24,  5). 

Damit  sind  der  dritte  und  erste  Einwand  gelöst  (24,6—14). 

Wenn  aber  der  zweite  meint,  solche  Handlungen,  die  nur 
von  einem  besondem  Gesichtspunkte  aus  übel  seien,  dürften 
überhaupt  nicht  bestraft  werden,  so  ist  zu  erwidern,  dafä  bei 
einer  menschlichen  Handlung  für  die  Frage  ihres  moralischen 
Charakters  und  ihrer  Strafwürdigkeit  eben  die  Beziehung  auf  das 
Menschengeschlecht  inbetracht  kommt  (24,  15—20). 

Eingehend  wird  der  vierte,  auf  die  Wirkungsweise  der  Ur- 
sache gestützte  Beweis  behandelt.  Ein  dreifaches  Notwendiges 
(necessarium)  wird  unterschieden.  Das  erste  ist  das  des  äu&eren 
Zwanges  oder  der  Gewalt  {coadionis),  welches  beim  freien  Wollen 
nicht  stattfinden  kann  und  die  Bestrafung  ausschließen  würde. 
Das  zweite  Hegt  vor,  wenn  einer  aus  einer  Ursache,  die  nicht 
behindert  werden  kann,  etwas  will  und  thut.  Auch  bei  einer 
derartigen  Notwendigkeit  —  es  ist  die  durch  innere  Determi- 
mination  gemeint  —  könnte  von  einer  Bestrafung  nicht  die 
Rede  sein.  Die  dritte  Art  des  Notwendigen  hajaen  wir  dann, 
wenn  die  Wirkung  aus  einer  Ursache  hervorgeht,  die  zwar  ihrer 
Natur  nach  behindert  werden  kann,  aus  der  aber  dann,  wann 
sie  in  der  Disposition  sich  befindet,  in  welcher  die  Wirkung  aus 
ihr  hervorgeht,  und  wenn  sie  eben  nicht  behindert  ist,  die  Wir- 
kung mit  Notwendigkeit  hervorgeht.  So  ist  —  nach  Avicenna  — 
jede  Wirkung  in  Bezug  auf  ihre  Ursache  eine  notwendige  Wir- 
kung (24,  21—  25,8). 


IM  ImposribilU  .Sigeri  de  BrabauotU. 

Die  beiden  letzten  Arten  des  Notwendigen  sind  scharf  von 
elimiider  zu  untf^rscheiden.  Zum  Beispiel  führt  sowohl  die  Zusam- 
inr^nnetzung  des  Organismus  aus  Gegensätzen,  wie  der  Genuß 
von  etwa«  Glühendem  den  Tod  herbei.  Aber  während  jene 
ZuHumrrHfngesetztheit  des  Organismus  ihrer  Natur  nach  an 
ihrur  Wirkung  nicht  behindert  werden  kann  und  dalier  als 
Notwendiges  der  zweiten  Art  schließlich  immer  den  Tod 
herbeiführt,  kann  die  Wirkung  jenes  Glühenden  durch  Gegen- 
miltel  behindert  werden.  Dasselbe  fuhrt  daher,  obwohl  es  un- 
behindert eine  notwendig  wirkende  Ursache  im  Sinne  des  Not- 
wendigen der  dritten  Art,  ist,  doch  nicht  stets  jene  Wirkung 
herbei  (25,  H— lö). 

Wie  ein  solches  Notwendiges  der  dritten  Art  also  über- 
liaupt  nicht  ausschließt,  daß  das  Eintreten  seiner  Wirksamkeit 
eine  Verhinderung  erfUhrt,  so  wird  speciell  bei  den  mensch- 
lirlien  Handlungen  diese  Art  des  Notwendigen  —  sie  wird 
später*)  das  bedingt  Notwendige  (necessarium  ex  cotidiciom) 
geimnnt  —  die  Behinderung  durcli  Strafe  und  Strafandrohung 
niclit  ausschließen. 

In  der  Disposition,  in  der  jemand  etwas  will  und  thul, 
wird  er  die  Handlung  natürlich  nicht  unterlassen.  Da  verhält 
er  sich  wie  die  Ursache,  aus  der  die  Wirkung  notwendig  her- 
vorgeht. Aber  weil  eben  jene  Disposition  für  den  Betreffenden 
nicht  uiiauniobbar  ist,  weil  er  also  an  sich  nicht  notwendig  zu 
jener  Handlung  detenninieit  ist,  so  ist  die  Behinderung  jener 
Handlung  durch  freundliche  Zurede  und  Strafe  sehr  wohl 
mt^glioh;   an   sich   ist   der  Wille   nicht  notwendig  determiniert 

Darum  sind  diejenigen  uu  Irrtum,  die  deshalb,  wel  die 
rrs;u'he  in  jener  Disposition  zur  Wiritung  notwendig  deter- 
miniert ist,  schlechthin  sagen,  daß  alles  mit  Notwendigkeit  aus 
sdnor  Ursiiche  horvoigoht.  Denn  nicht  schon  in  dem  Falle  sagt 
man  s^'hUvhthin.  die  Wirkung  gehe  mit  Notwendigkeit  von  der 
Trs^iche  aus.  wenn  sie  notwendig  von  ihr  ausigeht  dann,  wann 
sie   von  ihr  ausgt^it.   sondern  erst  dann,  warn  sie  immer  von 


Inhalt,  philosophiegeschicbtUcfae  Stellang  und  Verfasser  der  Schrift.     185 

ihr  ausgeht,  d.  h.  wenn  immer,  wenn  die  Ursache  vorhanden 
ist,   auch  die  Wirkung  eintritt  (25,  22—29). 

Gegen  eine  solche  Unterscheidung  könnte  man  freilich  einen 
Einwand  erheben.  Wenn  die  Ursache  unbehindert  ist,  könnte 
man  sagen,  solle  nach  dem  Gesagten  die  Wirkung  stets  von 
ihr  ausgehen.  Von  der  unbehinderten  Ursache  gehe  also  die 
Wirkung  nicht  nur  notwendig  dann  aus,  wann  sie  von  ihr  aus- 
geht, sondern  sie  gehe  immer  von  ihr  aus.  Die  unbehinderte 
Ursache  (so  werden  wir  den  Einwand  ergänzen)  ist  also  not- 
wendig zu  ihrer  Wirkung  determiniert  (25,  30—33). 

Der  Verfasser  setzt  dem  eine  scharfeinnige  Erwägung  ent- 
gegen, bei  der  allerdings  die  mangelhafte  Textes -Überlieferung 
einige  Unsicherheit  läiat.  Der  Fehler  dieses  Einwandes  (so  glaube 
ich  den  Verfasser  verstehen  zu  sollen)  liegt  darin,  data  hier  das 
Ganze:  „die  unbehittderfe  Ursache*'  als  Ursache  gefaßt  ist.  Keines- 
wegs nämhch  darf  man  das  Unbehindertsein,  d.  h.  die  Abwesen- 
heit eines  Hindernisses,  zur  Ursache  machen.  Diese  Abwesen- 
heit eines  Hindernisses  bewirkt  nichts,  sondern  hebt  nur  das 
Vorhandensein  eines  Hindernisses  auf.  Wenn  wir  daher  das 
Verhältnis  der  Wirkung  zur  Ursache  betrachten,  so  dürfen  wir 
nur  die  Ursache- an  sich  (nicht  die  unbehinderte  Ursache) 
ins  Auge  fassen.  Wir  müssen  uns  fragen,  ob  die  Ursache  an 
sich  {causa  per  se)  die  Wirkung  mit  Notwendigkeit  herbeiführt. 
Wenn  bei  den  menschlichen  Handlungen  deren  Ursache  an 
sich  mit  Notwendigkeit  wirkte,  so  hätten  Strafen  keinen  Sinn. 
Aber  es  verhält  sich  damit  vielmehr,  wie  —  um  auf  das  obige 
Beispiel  zurückzukommen  —  mit  etwas  Glühendem,  das  genossen 
ist.  Obwohl  das  Glühende,  unbehindert,  den  Tod  notwen- 
dig herbeifuhrt,  so  giebt  dennoch  in  diesem  Falle  der  Arzt 
Heilmittel,  damit  dasselbe  eben  verhindert  werde,  jene  Wir- 
kung auszuüben;  denn  an  sich  führt  das  Glühende  nicht  unauf- 
hebbar  den  Tod  herbei.  So  ist  es  auch  mit  den  moralischen 
Heilmitteln,  den  Strafen,  Sie  können  deshalb  angeordnet  wer- 
den, weil  das,  was  Ursache  der  menschlichen  Handlungen  ist, 
zwar  nicht  in  der  Disposition,  in  der  es  als  Ursache  wirkt, 
wohl  aber  als  Ursache  an  sich  betrachtet  an  jener  Wirkung 
gehindert  werden  kann  (26,  1—27). 


186  ImpoaBibilia  Sigeri  de  firabantia. 

Unser  Verfasser  hatte  oben  den  Satz  aufgestellt,  daß  auch 
die  bösen  Handlungen  von  der  ersten  Ursache  geordnet  sind 
(quoä  actus  mali  ordhiati  sunt  a  causa  prima).  Er  hatte  zwar 
schon  oben  alles  gethan,  um  das  Mißverständnis  auszuschließen, 
als  prädestiniere  Gott  den  Menschen  zum  Bösen.  Aber  er  glaubt, 
doch  noch  einmal  gegen  solche  Mißdeutung  sich  verwahren  zu 
sollen.  Was  mangelhaft  (defectiuum)  in  der  menschlichen  Hand- 
lung ist'),  rührt  nicht  her  aus  einem  Mangel  des  ersten  Prin- 
cipes,  sondern  aus  dem  Mangel  des  menschlichen  Willens  und 
der  menschlichen  Vernunft.  Keinen  Mangel,  sondern  vielmehr 
die  Vollkommenheit  und  Universalität  des  göttlichen  Wirkens 
beweist  es,  daß  dasselbe  das  ganze  Reich  des  Wirklichen  her- 
vorgebracht hat,  mag  einiges  von  diesem  dem  Menschen,  der 
wegen  der  Mangelhaftigkeit  seines  Willens  und  seiner  Vernunft 
im  einzelnen  Falle  nicht  die  rechte  Stellung  dazu  nimmt,  auch 
zum  Falle  gereichen  (2G,  28—37,  4). 


Wie  eine  Kriegserklärung  an  alle  Logik,  ja  an  alle  Philo- 
sophie erscheint  der  letzte  Satz  unseres  Sophisten:  Es  ist  mög- 
lich, daß  etwas  zugleich  sei  und  nicht  sei,  und  daß  kon- 
tradiktorisch Entgegengesetztes  von  einander  oder  von 
demselben  Dritten  in  Wahrheit  ausgesagt  werde  (27,  6—9). 
In  der  That  die  formellste  Leugnung  des  Principes  des  Wider- 
spruchs. Und  damit  nichts  fehlt,  dies  sowohl  in  seiner  meta- 
physischen, wie  in  seiner  logischen  Form. 

Wer  in  der  Begründung  freilich  sonderlich  Beachtenswertes, 
etwa  einen  mittelalterlichen  Hegel,  zu  finden  erwartet,  wird  schwer 
enttäuscht  sein.  Wie  ein  rechter  Jiomo  disjmtax  hat  unser  «So- 
phist"  aus  dem  Aristoteles  alles  zusammengesucht,  was  den 
normalen  Menschen  ärgern  kann,  ohne  das  Problem  selbst  auch 
nur  im  geringsten  zu  fördern. 


')  Der  technische  Sinn  der  Wörter  defectiia,  dtfectimis,  defieert  darf 
hier,  wie  im  Frfiheren,  als  bekannt  vorausgesetzt  werden.  Die  von  mir  ge> 
braachten  deutschen  Ausdrücke  wollen  natürlich  gleichfalls  im  Sinne  der 
lateinischen  verstanden  sein,  deren  Übersetzung  sie  sind. 


Inhalt,   philosophiegeachichtliclie  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     1S7 

Wenn  einer  etwas  glaubt,  und  man  kann  es  nicht  wider- 
legen, so  ist  das  wahr.  Denn  was  ohne  Widerlegung  als  falsch 
einleuchtet,  das  kann  einer  überhaupt  nicht  glauben.  Nun  glaubt 
aber  thatsächlich,  wie  man  aus  der  Ethik  des  Aristoteles') 
sieht,  der  Unenthaltsame  kontradiktorisch  Entgegengesetztes:  die 
allgemeine  Regel  des  Sittengesetzes,  daÜ  jene  Art  von  Hand- 
lungen nicht  erlaubt  sei,  und  den  besonderen  Satz,  daß  seine 
Handlung  dies  dennoch  sei.  Widerlegen  aber  kann  man  ihn 
nicht,  da  —  wieder  nach  Aristoteles  ~  das  Princip  des  Wider- 
spruclis  nicht  bewiesen  werden  kann,  vielmehr  der  Versuch,  es 
zu  beweisen,  zu  einer  petitio  principii  führt  (27,  10—23). 

Ein  weiteres  Ai^ment  wird  —  abermals  nach  Aristoteles, 
und  zwar  nach  einer  Aporie  desselben  —  dem  kontingent  Zukünf- 
tigen entnommen.  Daß  ein  Seekrieg  morgen  stattfinden  werde, 
ist  nicht  wahr,  weil  es  dann  unmöglich  wäre,  daß  er  nicht  statt- 
fönde^)  —  und  es  ist  doch  bloß  ein  kontingent  Zukünftiges,  um 
das  es  sich  handelt  — .  Also  ist  es  falsch,  daß  der  Seekrieg 
stattfinden  wird.  Aber  ebenso  kann  ich  umgekehrt  argumen- 
tiren:  es  ist  nicht  wahr,  daß  der  Seekrieg  nicht  morgen  statt- 
finden wird.  Denn  dann  wäre  es  notwendig,  daß  er  nicht 
stattfinden  wird.  Also  ist  es  falsch,  daß  er  nicht  stattfinden 
wird.  Also  wahr,  daß  er  stattfinden  wird.  Mithin  sind  die 
kontradiktorisch  entgegengesetzten  Behauptungen,  daß  der  See- 
krieg morgen  stattfinden  wird,  und  daß  er  nicht  stattfinden 
wird,  zugleich  wahr  (27,  24—28,  6). 

Diesem  disputatorischen  Unftig  gegenüber  entwickelt  unser 
Autor  zunächst  seine  Auflassung  von  dem  Entwicklungsgange 
des  menschlichen  Erfcennens  und  von  der  Stellung  des  Gesetzes 
des  Widerspruchs  in  ihm.  Seine  Theorie  steht  in  Übereinstim- 
mung mit  Avicenna  und  Thomas  von  Aquino. 

Es  wird  eine  doppelte  Thätigkeit  des  Verstandes  unter- 
schieden, das  (begriffliche)  Vorstellen  (indiuisibiUum  intelligen- 
tia)  und  das  Urteilen  {cotnpositio  uel  diuisio).  In  beidem  giebt 
es  ein  Erstes,  durch  sich  Bekanntes,  einen  durch  sich  bekannten 
Begriff  und  ein  nicht  weiter  beweisbares  Urteil.    Der  erste  Be- 


')  Die  genaueren  Nachweisungen  hierzu,  wie  zum  Folgenden,  s.  in  den 
Textesamnerkungen. 

')  Vgl.  S.  112  Anm.  3  Ende. 


]B8  ImpoaaibilU  8igeri  de  Brabantiii. 

griff  in  der  Entwicklung  der  Erkenntnis  aber  ist,  wie  unser 
Verfasser  mit  Thomas  unter  Berufung  auf  Avicenna  sagt,  der 
des  Seienden.  Mit  diesem  aber  ist  der  des  Nichtseienden 
als  sein  Oepensal^  gegel)en.  Da  es  nun  in  der  Natur  des  Seien- 
den liegt,  daÜ  es  das  Seiende  ist,  oder,  was  dasselbe  ist,  daB 
es  niclit  das  Nichiseiende  ist,  so  ist  das  erste  aus  diesem  Vor- 
stellen sicli  ergebende  Urteil,  daß  das  Seiende  nicht  nichl- 
seiend  sein  kann,  oder,  was  dasselbe  ist,  daß  etwas  nicht  zu- 
gleich sein  und  nichlsein  karui.  Dieses  Urteil  ergiebt  sich  un- 
niiltelbar  aus  dem  Verständnis  der  in  Uim  enthaltenen  Begriffe; 
und  da  die  Begriffe  des  Seienden  und  Nichtseienden  die  erster- 
kaiinten  Hegriffe  sind,  so  ist  also  das  Princip  des  Widerspruchs 
der  Natur  nach  das  erste  Urteil.  Wie  der  Begriff  des  Seienden 
jedem  engeren  Begriff  zugrunde  liegt,  so  erfassen  wir  auch  das 
ailgeuieino  Gesetz  des  Widerspruchs  in  allen  speciellen  Anwen- 
dungen (^H,  7-21),  äO). 

Uiiü  etwas  zugleich  sei  und  nicht  sei,  ist  also  in  Wahrheit 
das  erste  hn2}os!iibi(e  (29,  21  —  25). 

Dem  ersten  Einwände  gegenüber  ist  zu  sagen,  daß  in 
Wahrheit  niemand  kontradiktorisch  Lnlgcgengeselztes  zugleich 
glauben  kann,  falls  er  anders  verstellt,  was  er  sagt.  Der  aus 
Aristoteles  konstruierte  Fall  patit  nicht.  Hier  ist  der  psycho- 
logische Sachverhalt  ein  ganz  anderer.  Der  Unenlhaltsame 
sieht  eben  nicht  oder  heuchlet  nicht,  dali  seine  Handlung  unter 
dii-  allgemeine  Kegel  (j'dlt.  Aus  dem  allgemeinen  Obersatz  aber 
ergiehl  sicIi  noch  kein  Schluß  auf  das  Besondere;  hierfiir  ist 
vielmehr  noch  der  Untersatz  erforderlich,  der  das  Besondere 
dem  Allgemeinen  imterordnct  (ilO.  li — 28).  Durch  eine  AuDsäh- 
tung  der  verschiedenen  Weisen,  in  denen  Bejahung  und  Vernei- 
nung eitiander  entgegengesetzt  sein  können,  wird  dieses  auch 
nadi  der  logischen  Seite  hin  durchgeführt  (30,29—31,5). 

Dorn  zweiten  Einwände  gegenüber  entscheidet  unser  Autor: 
,Daß  der  Seekrieg  morgen  stattiinden  wird,  ist  nicht  wahr"  (3I,6-7|. 

Dies  aus  doppeltem  Grunde.  Was  wahr  ist,  muii  sein. 
Was  wähl  ist,  kann  also  für  die  Zeit,  für  welche  es  wahr  ist, 
nicht  nichtsem.  Wenn  es  wahr  ist,  daü  jemand  läuff,  kann  er 
nicht   für  diese  Zeit   nicht   laufen.    Das  Gleiche  gilt  für  die  zu- 


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Inhalt,  philoBophiegeschichtliche  Stellung  nnd  Verfasser  der  Schrift.     189 

künftige  Zeit.  Wäre  es  wahr,  daß  der  Seekrieg  morgen  slatt- 
.findet,  so  wäre  dies  also  nicht  nur  wahr,  sondern  es  wäre 
auch  das  Gegentheil  unmögÜch  (31,  8—18).  —  Wir  werden 
also,  so  dürfte  wohl  der  Sinn  unsers  Autors  seui,  nicht  sagen 
dürfen:  „Es  ist  wahr,  daß  der  Seekrieg  morgen  stattfindet", 
sondern:  „Es  ist  möglich,  daß  er  dieses  thut". 

Der  zweite  Beweisgang  unterscheidet  im  Anschluß  an 
Aristoteles  die  Behauptung  der  Disjunktion  von  der  Be- 
hauptung der  einzehien  Disjunktionsglieder.  Auch  bei  dem 
Kontingenten  der  Gegenwart  ist  die  Disjunktion  —  z.  B.  daß 
Sokrates  läuft  oder  nicht  läuft  —  notwendig  wahr,  obwohl 
das  einzelne  Glied,  welches  wirklich  zutrifft,  nicht  notwendig 
ist.  Ebenso  bei  dem  Kontingenten  der  Zukunft.  Wahr  ist  es 
darum,  daß  der  Seekrieg  morgen  stattfinden  wird  oder  nicht 
stattfinden  wird.  Das  einzelne  Disjunktionsglied  für  sich  ge- 
nommen {absolute  acceptum)  ist  dagegen  in  diesem  Falle,  wo  es 
sich  um  das  kontingent  Zukünftige  handelt,  nicht  nur  —  wie 
beim  wirklichen  (gegenwärtigen)  Kontingenten  —  nicht  not- 
wendig, sondern  auch  nicht  wahr  (31,  19 — 32,  6). 

Daraus  darf  man  nun  freilich  nicht  eine  Schlinge  drehen 
wollen  und  sagen:  „Also  ist  beides  falsch,  und  es  findet  also 
keines  von  beiden  statt".  Denn  in  einer  Disjunktion  sind  bei 
dem  einzelnen  Gliede  „nicht  wahr"  und  „falsch"  nur  dann  logisch 
identisch,  wenn  es  sich  um  Vergangenes  oder  Gegenwär- 
tiges handelt.  Bei  dem  Zukünftigen  aber  ist  zwar  nicht  bei 
der  Disjunktion  im  Ganzen,  wohl  aber  bei  dem  einzelnen  Dis- 
junktionsgliede  zwischen  „wahr"  und  „falsch"  noch  ein  Mittleres 
(32,  7—23). 


Zum  Schluß  erübrigt  es  noch,  daß  wir  aufgrund  des  Vor- 
stehenden zu  der  Verfasserfrage  bestimmt  Stellung  nehmen 
und  zugleich  versuchen,  die  zerstreuten  Züge,  welche  durch  die 
voraufgehende  Untersuchung  des  Inhaltes  unserer  Schrift  uns  ge- 
boten wurden,  zu  einem  mehr  persönlichen  Bilde  zusammen- 
zufassen. 


lfi*0  tmpossibilia  Sigeri  de  Brafaantia. 

Analyse  und  Quellennachweis  haben  uns  die  schon  oben') 
aus  dem  schriftstellerischen  Charakter  entnommene  Ansicht 
durchaus  bestätigt,  daß  wir  in  der  Schrift  eine  Streitschrift 
vor  uns  haben,  in  welcher  die  Thesen  eines  bestimmten  Gegners 
samt  deren  Begründungen  von  einem  Anderen  widerlegt  werden. 
Die  Meinung,  welche  Gaston  Paris  über  die  Absicht  der  Im- 
pomhiUa  aufstellte,  kann  nicht  mehr  aufrecht  erhalten  werden. 
Nach  ihm  hegt  nämlich  der  Schwerpunkt  der  Schrift,  ihre 
eigentliche  Tendenz,  in  den  Thesen  selbst.  Wenn  der  Verfasser, 
und  dieser  ist  für  ihn  Siger,  auch  jedem  der  Sätze  eine  Wider- 
legung beifügte,  so  mußte  doch  die  ruhige  und  —  wenigstens  an- 
scheinend —  indifferente  Erörterung  entgegengesetzter  Antworten 
auf  diese  Probleme  Verwirrung  unter  die  Geister  bringen  ^).  In 
Wahrheit  ist  der  ganze  Gedankenkreis  des  „Sophisten"  ein  völlig 
verschiedener  von  dem,  welcher  aus  der  Bekämpfung  spricht. 
Das  hat  sich  uns  deutlich  bei  der  Analyse  der  Gründe  erwiesen, 
welche  hier  und  dort  angeführt  werden.  Bei  dem  „Sophisten* 
finden  wir  einzelne,  aus  dem  Aristoteles,  dem  Averroismus  und 
der  neuplatonischen  Litteratur  herbeigesuchte  Gründe;  in  der 
Widerlegung  dagegen  eine  systematische  Entwicklung,  die  zwar 
einmal,  in  einer  rein  physikalischen  Frage,  auf  die  Seite  des 
Averroes  sich  stellt,  sonst  aber  zu  Albert  dem  Großen,  Thomas 
von  Aquino,  vielleicht  auch  zu  dem  Gedankenkreise  Aegid's  — 
natürlich  auch  zu  Aristoteles  —  die  nächsten  Beziehungen  auf- 
weist. Der  „Sophist"  verdankt  also  seine  Existenz  nicht  emer 
litterarischen  Fiktion;  es  sind  vielmehr  zwei  reale  Persönlich- 
keiten, der  „Sophist"  und  sein  Gegner. 

In  welchem  dieser  beiden  haben  wir  den  Sigor  von 
Brabant  zu  suchen?  Das  kann  nach  dem  Vorhergehenden  nicht 
mehr  zwcMfelhaft  sein.  Im  weitesten  Umfange  fanden  wir  ^)  zu 
der  fünften  These,  Avelche  die  Willensfreiheit  leugnet  und  der 
Strafe    die  Berechtigung    abspricht,   sowie   zu   der   Begründung 

'J  S.  47. 

-)  Gaston  Paris  in:  Renie  polititiite  et  lifteraire.  III«  s^r.  T.  11  p.  585: 
Chacune  de  ces  tbf.ses  est,  11  est  vrai,  suivie  de  sa  r^fatation;  mais  qu'on 
jagA  da  trouble  que  pouvait  jeter  dans  les  esprits  la  discossion  tranquille» 
m^thodiqae  et,  en  apparence  au  moins,  indifferente  de  parails  probl^mea. 

")  Siehe  S.  179  ff. 


Inhalt,  phiiosophiegeschicbtlicbe  Stellung  nnd  Verfasser  der  Schrift,    idl 

dieser  These  Pai-alleien  unter  den  Sätzen,  die  1270  und  1277 
von  Stephan  Tempier  vei'worfen  wurden.  Haupturheber  dieser 
Sätze  aber  waren  Boetius  der  Däne  und  Siger  von  Brabant. 
Für  die  „Impossibilia  Sigeri**  kann  natürlich  von  diesen  beiden 
Boetius  nicht  inbetracht  kommen,  sondern  nur  der  zweitgenannte. 
Ebenso  erhielt  die  dritte  These  erst  Zweck  und  Sinn,  wenn  wir 
sie  im  Zusammenhange  mit  dem  1277  kondemnierten  Satze 
von  der  bloßen  Phänomenalität  der  Zeit  betrachteten  ').  Auch  in 
der  ersten  fanden  wir  2)  neuplatonische  Gedanken,  die  sehr  wohl 
zu  dem  neuplatonisch  modificierten,  averroistischen  Aristotelismus 
stimmen,  als  dessen  Vertreter  wir  Siger  kennen^).  Und  wenn 
dies  [einmal  feststeht,  so  werden  wir  auch  solchen  Anklängen 
an  die  Sätze  von  1277  in  der  ersten  These  eine  gewisse  Bedeu- 
tung beilegen  dürfen,  die  an  sich  nicht  viel  beweisen  würden  ^). 
Auch  sie  fügen  sich  jetzt  als  Glied  in  die  Beweiskette  ein. 

Daß  wir  aber  nicht  alle  sechs  Imposstbilia  unter  jenen 
Sätzen  wiederfmden,  darf  uns  nicht  befremden.  Mehrere  sind 
derart ,  daß  sie  in  dem  Kreise ,  in  den  unsere  Schrift  uns 
führt,  schwerlich  von  jemandem  im  Ernste  aufgestellt  wurden. 
So   die  Leugnung  der  Existenz  Gottes  (These  1)   und  der  Gül- 

0  Siehe  S.  150  f. 

=';  Siehe  8.  118  f.    121  f. 

")  Siehe  oben  S.  108  f. 

^)  So  beruhen  die  Einw&nde  p.  2,  12—3, 9  auf  dem  (wie  oben  S.  121  f. 
nachgewiesen,  dem  Liber  de  cnnxia  entnommenen}  Gedanken,  daß  die  Intelli- 
genzen ihrer  Natur  nach  das  Vermögen  zum  Nichtsein  ausschließen  sollen. 
Eben  darum  soll  dann  weiter  Gott  ala  bewirkende  Ursache  ihres  Seins  un- 
nötig sein.  Zum  mindesten  deutliche  Anklänge  daran  begegnen  uns  in  ver- 
schiedenen der  1277  verworfenen  Thesen.  Daß  in  den  Intelligenzen  Sein 
und  Wesen  nicht  verschieden  sei,  sagt  Pi'op,  79:  Quod  substantiae  separatae 
sunt  soa  essentia,  qnia  in  eie  idem  est  quo  est,  et  qimd  est.  Daß  die  In- 
telligenzen nicht  Gott  zar  bewirkenden  Ursache  im  eigentlichen  Sinne  haben, 
behauptet  I^-ojt.  70:  Quod  iatelligentiae  aiue  substantiae  separatae  quas  dicunt 
aetemas  non  habent  proprio  causam  efficientem,  sed  metaphorice,  quia  habent 
consemantem  causam  in  esse;  sed  non  sunt  factae  de  nouo  (d.  h.  in  der 
Zeit  erschaffen),  quia  sie  essent  tranamutabiles ;  vgl.  Ü-op.  45:  Quod  primum 
principium  non  i^t  propria  causa  aeternomm  nisi  metaphorice,  quia  consemat 
ea,  id  est  quia,  nisi  esset,  ea  non  easent.  Nur  hinsichtlich  dessen,  was  in  der 
Potenz  der  Materie  sein  Sein  hat,  aoU  Gott  bewirkende  Ursache  sein: 
Prop.  46.  55. 


Id2  tmpossibUia  Sigeri  de  Brabantia. 

tigkeil  des  Gesetzes  des  Widerspruchs  (These  6),  Auch  bei  den 
andern  ist  es  ja  nicht  ausgeschlossen,  daß  sie  nicht  gerade  der 
vollen  Überzeugung  unsers  Urhebers  entsprechen.  Sie  konnten 
als  disputabel  hingestellt  sein,  ohne  daß  ihr  Urheber  ein 
festes  Bekenntnis  zu  ihnen  auszusprechen  brauchte.  Wen 
dialektischer  Übermut  zu  den  keksten  Behauptungen  führt,  bei 
dem  entspricht  der  Grad  der  positiven  inneren  Überzeugung 
nicht  immer  dem  Maße  der  zur  Schau  getragenen  Sicherheit. 

Auf  eine  solche  Auffassung  dürfte  auch  die  Schilderung 
führen,  welche  Stephan  Tempier  in  seinem  Einleitungsbriefe 
von  dem  Urheber  jener  1277  März  7  verworfenen  Sätze  giebt. 
Einige  Artisten  sollen,  über  den  Rahmen  ihrer  Fakultät  hinausge- 
hend, irrtümliche  und  frivole  Sätze  behandeln  und  in  Disputatio- 
nen als  solche  hinstellen,  über  die  man  verschiedener  Meinung 
sein  könne  (qrntsi  dubifMles)  •).  Und  im  weitern  Verlaufe  jenes 
Briefes  heißt  es,  daß  niemand  jene  Sätze  fürder  als  Wahrheit 
lehren  (dogmatizare)^  verteidigen  (defendere)  oder  irgendwie  zu- 
lassen (sustinere)  solle  ^).  Auch  hier  scheint,  wenn  ich  die  Stelle 
recht  verstehe,  der  ernsthaften,  überzeugten  Annahme  jener 
Sätze  eine  mehr  disputatorische  Vertretung  zur  Seite  gestellt 
zu  sein.  Durch  die  in  diesem  Schreiben  gleichfalls  berührte  aver- 
roistische  Lehre  von  einer  doppelten  Wahrheit")  erklärt  es  sich, 
wie  eine  solche  Unsicherheit  in  die  Gedankenwelt  eindringen  konnte. 

Zugleich  giebt  uns  dieser  Brief  des  Pariser  Bischofes  einen 
Fingerzeig,  wie  wir  den  Ursprung  der  Schrift  uns  zu  denken 
haben.  Das  Ganze  ist,  wie  schon  oben  hervorgehoben  wurde  ^), 
schwerlich  der  litterarische  Bericht  über  eine  wirklich  stattge- 
fundene Disputation.  Denn  obwohl  der  „Sophist"  —  also  Siger 
—  in  der  Versammlung  der  Pariser  Magister  auftreten  soll,  von 


')  Deniflo,  Chaiiul.  I.  p.  543:  Nonnulli  Parisius  atadentes  in  artibos 
propriae  facaltatis  limites  excedentes  quosdam  manifeBtos  et  execrabiles  er- 
roreB,  immo  potiua  uanitates  et  insanias  falsas  .  .  .  quasi  dubitabiles  in  scho* 
lis  tractare  et  disputare  praesnmunt  .  .  . 

'-')  A.  a.  0.:  ...  excommunicantes  omnes  illos  qui  dictoa  errores  ael 
aliquem  ex  illis  dogmatizauerint  aut  defendere  aeu  sustinere  praesumpserint 
quoqno  modo. 

")  Siehe  oben  S.  106.  109. 

*)  Siebe  oben  S.  48. 


Inhalt,  pbüüsophiegeschichtliche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift.     19S 

der  die  Einleitungsworte  sprechen,  so  dreht  sich  doch  alles  um 
die  Widerlegung  jener  Sätze.  Diese  Widerlegung  trägt  aber 
einen  durchaus  einheitlichen  Charakter.  Wir  hätten  also  eine 
Disputation  blo&  zweier  Persönlichkeilen  —  eine  im  wirklichen 
Leben  jener  Zeit  gewiü  nicht  vorgekommene  Einrichtung.  Aber 
neben  den  Disputationen  spricht  Bischof  Stephan  auch  von  Ab- 
handlungen in  den  Schulen  1).  An  die  Lehrvorträge  Siger's 
würde  ich  daher,  wie  schon  oben  ^)  bemerkt,  am  ersten  denken 
als  an  die  Quelle,  aus  der  unser  Autor  jene  Thesen  und  deren 
Begründung  geschöpft  hat,  wenn  nicht  vielleicht  eine  uns  nicht 
näher  bekannte  Schrift  Siger's  ihm  vorlag.  Indeik  glaube  ich 
nunmehr  das  Erstero  als  das  Wahrscheinlichere  hinstellen  zu 
können.  Solche  extravagante  Sätze  wie  den  ersten  und  den 
letzten,  hat  auch  ein  eigenartiger  Denker,  wie  Siger,  wohl  schwer- 
lich in  einer  Schrift  veröflentlicht. 

Aber  wer  ist  der  Verfasser  der  Im/MJSsibUia  selbst?  Das 
wird  sich  schwerlich  mit  Sicherheit  ausmachen  lassen.  Es  wurde 
gezeigt,  daß  er  Albertus  Magnus  und  Thomas  von  Aquino 
voraussetzt,  auch  mit  Aegidius  von  Oolonna  verglichen  wer- 
den kann.  In  einem  nicht  unwichtigen  Punkte,  der  Frage  nacli 
der  Natur  der  Gotleserkenntnis,  fanden  wir  ihn  im  Gegensatz 
zu  Thomas  von  Aquino  auf  der  Seite  Albert's  stehen.  Das 
muß  uns  wenigstens  zur  Zeit  genügen. 

Wenn  wir  nun  zuletzt  nach  den  Zügen  fragen,  die  unsere 
Schrift  für  ein  Bild  Siger's  liefert,  sowie  nach  dem  Charakter 
seines  litterarischen  Widersachers,  so  brauchen  wir  nur  schon 
Gesagtes  zusammenzustellen. 

Von  dem  specifischen  Averroismus  Siger's  giebt  unsere 
Schrift  keine  sonderlich  hervorstechenden  Belege.  Wohl  aber 
zeigt  sie  uns,  wie  das  auch  für  die  arabischen  Aristoteliker 
charakteristisch  ist,  in  großer  Zahl  neuplatonische,  auf  den  Liber 
de  causis  oder  verwandte  Litteratur  zurückgehende  Gedanken. 
Dazu  tritt  eine  unter  den  Lateinern  gerade  den  averroistisch  Ge- 
richteten eigene  Abhängigkeit  von  Aristoteles  entgegen,  welche 


')  Vgl.  S.  106  Anm.  2. 
')  S.  48. 

Bdtrli;«  II,  9,    B««Dmkor,  Si^r  von  Bnbut  13 


194  Imposaibilia 

Aristotelische  Beweise  auch  da  festhält,  wo  sie  zu  den  religiösen 
Üherzeugungen  in  Widerspruch  treten. 

Als  Denker  kann  derSiger  unserer  Schrift  auf  sonderliche 
Tiefe  keinen  Anspruch  erheben.  Mancher  wird  durch  das  Bild 
enttäuscht  sein,  das  die  vorstehende  Publikation  von  ihm  bietet. 
Die  Probleme  von  neuen  Seiten  anzufassen,  die  Fragestellung 
zu  vertiefen,  und  so,  wenn  er  sie  selbst  nicht  fand,  einer  zu- 
künftigen vollkonunneren  Lösung  wegeröffhend  vorzuarbeiten, 
das  ist  nicht  die  Sache  dieses  Siger.  Mit  hier  und  dort  zusam- 
mengetragenen Argumenten  unterstüzt  er  seine  überraschenden 
Thesen,  die  mehr  wie  ein  kecker  Vorstoß,  denn  als  das  Ergeb- 
nis systematischen  Durchdenkens  erscheinen.  Er  ist  kühn  im 
Behaupten  und  voll  spitzfindigen  Scharfsinns  im  Begründen;  in 
den  Kern  der  Probleme  dringt  er  nicht  ein.  Wahrer  Tiefsinn 
ist  ihm  nicht  zu  eigen,  wie  ihm  denn  auch  die  rechte  Festigkeit 
zu  felilen  scheint,  die  stets  das  Ziel  klar  festhält  und  nur  Voll- 
bedachtes aufstellt,  diesem  aber  getreu  bleibt. 

Im  Gegensalz  zu  ihm  steht  in  manchem  Betracht  der  Ver- 
fasser der  Schrift  selbst.  Zwar  ist  er  gelegentlich,  namentlich 
bei  der  Behandlung  des  vierten  Satzes  über  den  Fall  des  Schwe- 
ren, ein  wenig  breiter  als  nötig  und  unterscheidet  sich  hier 
nicht  immer  zu  seinem  Vorteil  von  der  Knappheit  seines  Geg- 
ners. Aber  was  er  sagt,  ist  stets  um  der  Sache  willen  gesprochen. 
Bloße  Disputiersuchl  liegt  ihm  fern.  Dabei  ist  er  im  allgemeinen 
klar  in  seinen  Unterscheidungen,  scharf  in  seinen  Beweisgängen. 
Obwohl  er  sich  ferner  mit  der  zeitgenössischen  Litteratur,  spe- 
ciell  mit  Albertus  Magnus  und  Thomas  von  Aquino,  auf 
das  mannigfachste  berührt,  ist  er  doch  nicht  einfach  ein 
Abschreiber.  Er  faßt  stets  die  Frage  scharf  ins  Auge  und  ge- 
staltet aus  der  jedesmaligen  Situation  heraus  in  folgerechtem 
Gange  die  Darlegung  seiner  Ansicht.  Nicht  so  interessant,  wie 
Siger,  ist  er  gediegener  als  dieser. 

Beide  zusammengehalten  aber  veranschauhchen  uns  die 
beiden  Hauptrichtungen  des  Aristotelismus  der  damaligen  Zeit. 
Bei  der  engen  Beziehung  unseres  Autors  zu  Albert  dem  Großen 
können  wir  den  Gegensatz  in  die  Worte  fassen:  Hie  Siger,  hie 
Albert;   hie   arabischer,  hie   christlicher  Aristotelismus. 


Sigeri  de  Brabantia. 


195 


Namensverzeiclmis  \ 


Adlboch  117. 

Aegidius  Colonna  (Romanus)  KM!.  138. 

139.  140,  143.  IfÄ  KW.  177  178.  Uß. 
Acgidius  von  Gent  75. 
Alanus  de  Insulis  4!>.  117.  120.  12». 
Alberte  von  Rheim!;  60.  til.  115. 
Alberic  von  Troisfontaines  M. 
Albertus  Magnus  16.  17.  18.  4fl.  72. 92. 

i»7.  108.  lat.  HO.  111.  112.  \\4.  124. 

138.  140.  143.  V&.  154.  157.  158.  HW. 

163.  1G4.  165  172.  173.  177.  178. 182. 

190.  193.  194. 
Albrecht  II.  von  Österreich  Ol. 
Alexander  IV.  (Papst)  98. 
Alexander  von  Aphrodisias  130. 
Alexander  von  Haies  46.  178. 
Alighieri,  s.  Dante. 
Alighieri.  Petrus  54.  78. 
AI  Eindi  9. 

Andreas  von  Orvieto  71.  83. 
Angelus  de  Clarino  100. 
Anselro  von  Canterbury  117.  119.  135. 

177 
Appel  87. 
Aristoteles  2.  4.  9.   11.    12.  13.  15.  17. 

27.  31.  49.   54.   72.   73.  74.  93.  97. 

106.  111.  113.  116. 118.  128.129. 131. 

132.  133.  140.  141, 145. 146.  I4a  149. 

150.  151.  153.  158.  159. 160.166. 167. 

168.  172.    173.    179.   187.   188.   189. 

190.  193. 
Augusün  119. 124. 145.160. 165. 176. 177- 


Avempace  49.  174. 

Avencebrol  {ihn  Gebirol)  122.  124. 

Averroes    13.    15.    16.    18.  19.  29.  49. 

HKJ.    108.    109.    110.   114.    118.    12;S. 

13f).  159.  1G\  160.  172. 175. 100.  193, 
Avicenna  5.    13.  21.  28.  4».  123.  124. 

132.  134.  179.  183.  187.  188. 
Baeumker  42.  47.  143.  14li.  im. 
Balduin  von  Konstantinopel  74. 
Bardeuhewer  28.  121.  1.'4.  177 
Barloli  .'»2.  53.  90. 
Baumgnrten  110. 
ßaumgartner  118. 
Beda  51. 

Benvenuto  Ramhaldi  von  lniula.55.  83. 
Bergmann  52.  74. 
Berner  von  Nivelles  G5.  «Ö.  67.  68.69. 

93.  104. 
Bethroann  89. 

Boeraccio  51.. ^2.  PseudoBoccaccio 56. 
Boethius  4.  51.  133.  136.  160. 
Boetius  der  Däne  47.  107.  109. 151. 191. 
Bonaventura    Ol.    92.    98—101.    124. 

la**— 138.   178. 
Bongars  71.  72.  73. 
BDnifa2  VIII.  (Papst)  84.  89.  90.  105. 
Boucherie  86.  87. 
BonUric  71.  72. 
Brie,   Simon  von   (Papst  Martin  IV.), 

s.  Simon  von  Brie. 
Brown  62. 
Budinszky  75. 


')  Die  im  Texte  der  ImposaibiHa  vorkommenden  Autoren    sind  schon 
S.  38  verzeichnet. 

13* 


196 


Impossihilia 


Bulaeus,  s.  Du  Boulay. 

Buti  54. 

Cary  54. 

Castels  53.  65.  78—83.  84.  8G-87.  90. 

93.  112. 
Gausis,  Über  d«  ^8.  121.  122.123.124. 

125.  127.  130.  142.  143. 165. 178. 191. 

193, 
Chalelain  40.  57.  60. 
Gbristofori  57. 
Chronicon  Colmariense  56. 
Cicero  145. 
Cipollu  53.  r>4.   57.  66.  67.  69.  76.  78. 

90-105.  110.  113.  114.  127.  128,  131. 

134.  135.  138. 
Clarinus  de  Sedeloco  68. 
Clemens  IV.  (Papst)  89.  90.  105. 
Complutenses  158.  1'9. 
Correns  122.  124. 
D'Ancona  72.  90. 
Dante  Alighieri  49.  50-Ki.  65.  70.  71. 

74.  77.  79.  82.  84.  85.  86.  90.  92.  93. 

96,  97.  98—101.   109-113.  140. 
David  von  Dinan  140. 
Deimel  62. 
Delisle  40.  41.  65.   67.  68.  76—77.  78. 

90.  102.  103.  105. 
Denine  40.  41.  53.  57—64.  6i».  98.  99. 

106.    107.    UJ8-109.    112.   115.   147. 

151.  179.  192. 
De  Wulf  78.  90.  179. 
Dietmar  der  Setzer  fi6. 
Digard  105. 
Dionysius  Pseudo-Areopagita  51.  160. 

165.  177. 
Dominikus  91. 
Dorez  105. 
Dubois  (De  Bosco\   Pierre  72.  73.  74. 

82.  86.  93.  96.  97.  109.  111.  114. 115. 
Du  Boulay  57-62.  70.  177. 
Duchesne  71.  105. 
Duns  Scotus  124.  168.  178. 
Durandus  158.  159.  163.    177. 
Durante  65.  79.  80.  87.  88.  89.  93.  95. 

105.  111—113.  U4. 
Duval   (De  Valle),    Simon  64.   65.  68. 

78.  82.  90.  112.  114. 
fechard  64-70.  76.  78.  92.  93.  94.  102. 

Ut4.  113. 
Ehrle  99.  100. 
Erdniann,  B.  75. 


Erdmann,  J.  H.  75. 

Fanfan  i  54. 

Faucon  105. 

Feldner  120. 

Fiore,  ed.  Castets,  65.  78- -80.  93.  94. 

Francisque-Hichel  80. 

Franz  von  Assisi  91. 

Freudenthal  130. 

Oamerius  von  Rochefort  47. 

Gaspary  52.  53   79. 

Gebirol,  ihn,  s.  Avencebrol. 

Gellius  145. 

Gerhard  von  Abbeville  63. 

Gerhard  von  Boi^o  San  UoDoino    99. 

Gerhard  von  Cremona  124. 

Godefroy  87. 

Gottfried   von   Fontaines    40.   41.    4& 

50.  66.  70.  106. 
Gratian  51. 

Gregor  X.  (Papst)  89.  90.  105. 
Gregor  von  Himini  164. 
Guido  ^angebl.  de  Valdebona)  50. 
Guillanme  de  Lorris,  s.  Lorris. 
Guiraud  105. 
Gundissalinus  (Gundisaivi),  DominikuSf 

125.  143. 
HaarbHlcker  132. 
Haupt  56. 
Hauröau  21.  26.  41.  42.  45.  49.  50.  75. 

76.  106  - 108. 
Havel  83. 
Hegel.  C.  54. 
Hegel,  G.  W.  F.  184. 
Heinrich  120. 

Heinrich  von  Gent  146.  178. 
Heinrich  Pistoux»  s.  Pistoux. 
Heinze  75.  76. 

H6m^r6  (Hemeraeus)  (».  94.  102. 
Hertling  143. 
Hettinger  76.  HO. 
Himmelsstern  90. 
Hume  147. 

Ida,  Gemahlin  Pipin's  von  Landen  65. 
Isidor  von  Sevilla  51. 
Jacopo  della  Lana,  s.  Lana. 
Jaillot  53. 

Jehan  de  Heung,  s.  Heung. 
Jeiler  62.  100.  176.  177. 
Joachim  von  Fiore    98—101.  110.  113. 
Johann,  König  von  Sachsen,  s.  Pbila- 

lethes. 


Sii,'eri  de  Brabantia. 


197 


Johannes  Honachus  (Lemoine)  40. 

Johannes  von  Panna  100. 

Johannes  Parricida  94. 

Johnnnes  Peckham.  s.  Peckham. 

Johannes  von  Salisbury  Uf). 

Jordan  105. 

Jourdain  57.  140. 

Kant  147.  I.M. 

Karl  I.  von  Anjou  87. 

Kervyn    de    Leltcnhove    74 — 7ü.    76. 

lir>.  116. 
Kilwardby,  Robert  112. 
Kraus,  Fr.  X.  53.  101. 
l.abbe  99—100. 
Lajard  67. 
Lalemandet  168. 
Lana,  Jacopo  della,  54. 
Langlois  62.  71.  72.  73.  79.  97.  105. 
Irf  Clerc  42.  45.  52.  56.  63.70-74.  75. 

76,  77.  78.  91.  92.  104.  105.  113. 
Lemoine,  s.  Johannes  Monachus. 
Leo  XUL  (Papstj  105. 
Lorris,  Guillaume  de,  62.  79. 
Lubin  52.  55.  7Ö. 
Lucas  (Evang.  Luc.)  87. 
Ludwig  IX.  von  Frankreich  75. 
LuUus,  Raymundus,  47.  lOÜ— 107. 
Maimonides  130.  131.  132.  178. 
Mandonnet  47.  109.  165. 
Uanente  90. 
Mansi  88.  99.  100. 
Maria  von  Champagne  74. 
Harteau  79.  80. 
Martin  IV.  (Papst)   57.  84.  8ü   87—88. 

90.  105.    S.  Simon  von  Brie. 
Martin  von  Troppau  89. 
Matteo  d'Aquasparta  101. 
Meung,  Jehan  de,  62.  79. 
Michael  Palaeolt^us  88. 
Milanest  51. 
Mueller,  M.  J.,  109. 
Mnnk  130.  131.  132. 
Nagy  9.  149. 
Nannucci  54. 
Negroni  55. 
Newton  167. 
Nikolaus  IV.   (Papst)  4t).    iU.   S8-8J). 

90.  105, 
Nikolaus  von  Amiens  50. 
Nikolaus  von  Autrecourt  146.  147. 
Origenes  142. 


Orosius  51. 

Ottimo,  r  (Kommentar  zur  Divina 
Commedia)  .')4. 

Ozanam  52.  70. 

Paris,  Gaston,  53.  66.  78.  82.  h3— »5. 
90.  93.  97.  105.  111.  190. 

Peckham  93. 

Pesch  159.  1.53.  155. 

Peter  HL  von  Aragonien  87. 

Petit-Radel  62.  69.  76.  94.  102. 

Petrus  Alighieri,  s.  Alighieri. 

Petrus  von  Alvemia  115. 

Petrus  de  Bosco,  s.  Dubois. 

Petrus  Lombardus  51.  99.  177. 

Petrus  deVineip,  s.  Pietro  delleVigne. 

Phiialethes  (König  Johann  von  Sach- 
sen) 51.  76. 

Pliiiippus  a  SS.  TriniUte  159. 

Picavet  146. 

Pierre  Dubois,  s.  Dubois. 

Pietro  delle  Vigne  111. 

Pipin  von  Landen  65. 

Pistoux,  Heinrich  70. 

Potlhast  72.  84.  88.  89.  lOö. 

Prantl  151. 

Praepositivus  177. 

Proklus  121.  122.  142. 

Promis  55. 

Quetif  64.  68.  92. 

Raymundus  LuUus,  s.  LuUus. 

Haynaldus  88. 

Reginald,  Bischof  von  Paris  98. 

Renan  56.  71.  72. 

Renier  90. 

Richard  von  Middletown  (de  Media- 
uiltn)  178. 

Richard  von  St.  Viktor  51. 

Riezler  72. 

Robert  Kilwardby,  s.  Kilwardby. 

Robert  von  Sorbonne  68.  69.  70.  76. 
94.  102. 

Roethe  56. 

Rose,  Roman  de  la,  62.  79-80.  82. 
114. 

Ruaeus  142. 

Rutinus  142. 

Saint-Martin,  Vivien  65. 

Salomon  51, 

Sbaralea  89. 

Scarabelli  54. 

ScarUzzini  52.  54.  75.  76.  83,  90.  V.O. 


198 


ImpoBsibilia 


Schanistani  132. 

Scheffer-Boichoi-st  5*2.^78. 

Schulte,  Fr.  von,  72. 

Scott,  Walter  77. 

Scotus,  Duns,  s.  Duds. 

Sextus  Empiricus  146. 

Sezer  56. 

Sigebert  vonlGemblours  54. 

Siger  von  Brabant  48  u.  s.  w. 

Siger  von  Courtrai   68..  69.  70.  74.  76. 

77.  78.184., Dl.  94.   95.  96.  10*2.:iü3. 

104.  110.  113. 
Siger  von  Gull^hem  75.  76.  115. 
Simon  von'.Brabant  ö8.  94.  103. 
Simon  von  Brie  57— 62.J  84.  87.   115. 

S.  Martin  IV. 
Simon  Duval  (de  Vulle),  s.  Duval. 
Spinoza  120.  151. 
Stefano  Talice  da  Ricnldone  fiT). 
Stephan  Tempier  47.93.  105-10».  112. 

114.  150.  177.  187.  191.  192    193. 
Stöckl  75.  76. 
Suarez  159. 

Suger  von  St.  Denis  54. 
Talice,  a   Stefano  Talice. 
Tempier,  s.  Stephan  Tempier. 
Thoco,  s.  Tocco. 
Thomas  105. 
Thomas  von  Aquino    17.    IH.    46.  49. 

50.  51.  63.  Ö5.  66.  68.  69.  70.  71.  72. 

73.  76,  78.  85.  91.  92.  93.  94.  96.  97. 

98.  100.  102.  lai.  104.  im.  108.  109. 

110,  111.112.  114  117.  119.  120.  124. 

127.  128.  129.131.  1:^2.  134.  135. 136. 


137.  13«.  14a  142. 143.  153.  154.  IS). 

15«.  157.  158.  159.  im.  161.  162.  163! 

165.  167.  173. 174.  176.  177.  178. 187. 

188. 190.  193.  194. 
Thomas  von  Strafiburg  138. 
Tocco  63.  64.  91.  92.  98. 
Tomas^o  54. 
Torri  M. 

Vbertino  von  Gasale  101. 
Ueberweg  75.  76. 
Uiban  IV.  (Papst)  S9.  90.  105. 
Tasqnez  135.  139. 
Vernon  51.  54.  Ö6. 
Villani  51.  52.  95. 
Vincenz  von  Beauvais  99. 
Vitello,  8.  Witelo. 
Von  der  Hagen  56. 
Wailly  72. 
Waulers  77, 
Wegele  52. 
Weiland  88.  89. 
Werner  139.  164. 

Wilhelm  von  Auvergne  (Paris)  49,99. 
Wilhelm  von  Auxerre  59. 
Wilhelm  von  Hoerbeke  129. 
Wilhelm  von  Saint- Amour  62—64.79. 

80.  81.  85.  91.  93.  98.  99.  lll.  113. 
Wilhelm  von  Toul  58. 
Witelo  tVitello)  129. 
Witte  51.  52.  76.  HO. 
Wolflf  119. 

Zeller  133.  142.  155.  180. 
Zeno  der  Eleat  169. 


Sigeri  de  Brabantia.  199 


Verbessenmgen  und  Ergänzungen. 

8  2*2  Z.  14.  Statt  effectus  der  Handschrift  ist  defeetua  zu  schreiben.  Vgl. 
S.  182  Anm.  1. 

8.  35  b  Z.  2.    Hinter  caum  ist  ein  Komma  zu  setzen. 

8.  47  Z.  4  von  unten.  Statt  Monnr.  tat.  UHiKt  lies  Monac  Int.  10497  (vgl. 
8.  180  Anm.  8). 

S.  63.  Die  Angabe  Tocco's  wird  bestfttigt  durch  Cod.  Paris..  Bibl.  de  TAr- 
senal  n.  r)32,  der  unter  der  Rubrik:  De  orroribus  quos  sanctus  Thomas 
destruxit  (fol.  39)  auch  entbfilt:  De  errore  Gwühelmi  de  Sancto  Amore, 
Sigeri  et  eomm  sequancium  {mU'/)  Vgl.  Cntahyue  des  mamtHrnts 
dr.  la  hibUoflirque  de  rAraenal,  par  Henry  Martin.  T.  I.  Paris  1885. 
p.  888. 

S.  113  Z.  13.     Stett  Siger'r  lies  Süfer's. 


äUO  Iinpu»8ihiliu  Sigeri  de  Brabantia. 


Inhaltsverzeichnis . 


8«it« 

Impossibilia  Higeri  de  Brabantia.     Tt:ft 1 

VurzeichniH  der  in  don  Impossibilia  Sigeri  ungeftlhrten  Autoren    ...  38 

Wort-  und  Sachregister 34 

I.   Die  Handschrift 40 

11.    Chnraktor  und  Abfassungszeit  dor  Impossibilia  Sigeri 46 

III.  Zur  Biographie  Siger'»  von  Brabant 49 

Leben 49 

Schriften 114 

IV.  Inhalt,  pliilusopliiogeschichtliche  Stellung  und  Verfasser  der  Schrift  116 

Erste  Those 117 

Zweit*  The«e 144 

Dritte  These 14& 

Vierte  Tht^se 165 

KUnft«  These 176 

Sediste  These 186 

Verfiirjserfrug«' 189 

l'iTSonPiivi'rzeifhni» 195 

VerbeHät-rungcii  und  Krgiinzuiigen        199 


Itriag  der  Aschendorffsclien  Buchhandlung.    MOnster  Li. 

Beiträge  zir  C 

Ulllt        I ...       -r 

Band  I. 

Hrrt  I. 

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C'Untci 


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Beiträge  rnr  G  der  Pti 

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Ktifninkfr.   o, 

uimI    Dr.  (ii'orp  i  ii'iii.  um  Inimii;;, 

der  ^nivc■r^it.ll    Miinrlipn,     BäihI   II. 

ucn  I. 

Dr.  XaUliliUi  Bjnunirarltirr:  Uir  tj-kmntnl'lnhn- tl«  Wilhelm  vho  Ainpr 
Mfloi»l.T  IH»3.    I'f.^:  Ml; 

II  ««n  *i 

Dr.   il:i       -  Vfl 


^..iirift     V.,i,    .K..  r».-id 


Heft  3. 

Kflikrit    (I- 

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liullll     VUU     i'iiii«    t  AuboiMliOf  iio  iltiltiti^UiUUUi  cMiUn^v.      dd\ 
IH1*7.     Piftis;  Mk.  Tmm. 

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Ur.  M.  H«umrurtU('rt  Dir  JUiWc):<()|itii«'  de»  AUitui»  tl9,1m>'; 

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CleiUfji     ■ 


i.iii.ii^-    rii'|-.iii-j;i-j:t-i>.-n    u;ni    ni*--|<[>K  iii  II.      iHKUcti  ■ 


Beiträge  zur  Geschichte  der  Philosophie  des  Miitelaiiers.     u>x\t\ 

und    riittTsiU-iiiingi^n       ilfraub^io^if'Jjifi    ^  '"l    Iki-     rii.m-,«- 
ßiienniker,   o.  n,    Hmressor  mi  der   ' 
und   Dr.  iits^tf;  Fraih.  von  Ilrrtlin^K.    "   "    t  mr-^^ui  .m 
iler  l'nivoraität  MutkJilmi.     ßaiul  III, 

(I  iimkrr:  U  iiL-ln%.  |.tt)«r  ilu  InCblltgcnllij.    /»m  MJNrti  M4tB 


Demo;  • 


AriiTnune,  Molu^iliV'iU-a,  rM,  iücutst»  Itaeooil.