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l\TERSnHlMJE.\.
DR. CLEMENS BAEÜMKER,
O. Ö. PR0FK88UR AN PER I'NIVEHSITÄT BRESLAU,
ua. GKOR« FllEIII. VON HERTLINO,
O. ö. PHOFESSOtt AN DER UNIVERSITÄT MÜNCITEN.
ZWEITER BAND.
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aiVirSTEK lft9H.
OBUCK LXD VEHLAG DER ASCHENDOBFFSOHEN BUCHHANDLUNK.
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TEXTE IM) [l\TERSl('HllKJEi\.
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VON
DR. CLEMENS BAEUMKER,
O. Ö, PROFESSOR AX DEn UNIVERSITÄT BRESLAU.
UND
DR. GEORG FREIII. VON IIKRTLING,
O. ö. PROFESSOR AN 1»ER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
ZWEITER BAND.
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9IÜIVSTEK 180H.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHEXÜORFFSCHEN lUJCilHAXDLUNCJ.
282103
I, Matthias Baumgartner: Die Erkenntnisiehre des Wilhelm von
Auvergne.
II. Max Doctor: Die Philosophie des Josef (Ihn) Zaddik» nach
ihren Quellen, insbesondere nach ihren Beziehungen zu den
Lauteren Brüdern und zu Gabirol untersucht.
III. Georg BClow: Des Dominicus Gundissalinus Schrift Von
der Unsterblichkeit der Seele, herausgegeben und philosophie-
geschichtlich untersucht. Nebst einem Anhange, enthaltend
die Abhandlung des Wilhelm von Paris (Auvergne) De im-
mortalitatc animae.
IV. M. Baumgartner: Die Pliilosophie des Alanus de Insulis, im
Zusammenhange mit den Anschauungen des 12. Jahrhun-
derts dargestellt.
V. Albino Nagy: Die philosophischen Abhandlungen des Ja*qüb
ben Ishaq Al-Kindl. Zum ersten male herausgegeben.
VI. Clemens Baeumker: Die Impossibilia des Siger von Brabant,
eine philosophische Streitschrift aus dem XIII. Jahrhundert.
Zum ersten male vollständig herausgegeben und besprochen.
BEITRAGE ZUR GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE
wm m wmmumm.
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. CLEMENS BAEÜMKER,
0. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU,
UND
DR OEOUO FREIH. VON HERTLING,
0. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
BAND IL HEFT 1.
DR. MATTHIAS BAUMGARTNEB, DIE i:BKElir9rTlVISI.EHBE
DES WILHELH VON AVTERGNE.
DRUCK UND VERLAG DER ÄSfJHENDORFFSCHEN BUCHHANDLUNG.
DIE ERKEMTMSLEHRE
DES
WILHELM VOH AUVERÖHE.
DARGESTELLT
VON
DR. MATTHIAS BAUMOARTNER.
MtNSTBR 1898.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSGHEN BUCHHANDLUNG.
Vorrede.
Die folgende Untersuchung befaßt sich mit der Aufgabe,
den Forlgang des mittelalterlichen Denkens an der Hand eines
bestimmten Autors und an einem speziellen Problem aufzuzei-
gen. Wilhelm von Auvergne steht in der Mitte jener Zeit,
in welcher die christliche Wissenschaft zur Bildung und Philo-
sophie der Araber Stellung nehmen mußte. Es galt, das Neue
aufzufassen, es zu begreifen und zu prüfen; es galt aber eben-
sosehr, die altererbten Gedanken früherer Jahrhunderte, seit
Augustinus, nicht preiszugeben. Das Alte mit dem Neuen in
Einklang zu setzen, Aristoteles oder Aviconna mit Augustin in
Harmonie zu finden, das ist das leitende Bestreben Wilhelms.
Überall, auch dort, wo ein Kompromiß eingegangen wird, ge-
winnen noch die alten Anschauungen die Oberhand. Das mußte
aber auch der naturgemäße Gang sein. Die bisherige Wissen-
schall konnte nicht urplötzlich aristotelisch werden. Das war
Sache von Jahr/.ehiilon und Werk einer jüngeren Generation.
Dieses Ringen der von Augustinus sich herdatierenden Ge-
danken mit den aristotelisch-arabischen Anschauungen auf dem
Gebiete der Erkenntnislehrc soll in den folgenden Seiten zur
Darstellung kommen.
Wenn auch die Leistung hinter dem Wollen zurückgeblie-
ben ist, so wagen wir es doch, unseren bescheidenen , Beitrag
zur Geschichte der Philosophie des Mittelalters* der Öffentlich-
keit zu übergeben.
vni
formen. Die äufiere Slonenwelt 44. Die Ansicht Piatos 45. Die fälschliche
Lehre des Aristoteles 46—47. Theorie der Zeitgenossen Wilhehns 47—49.
Seine Kiitik eines zweifachen Intellektes ; der intellectus materialis das einzige
erkennende Vermögen 49—53. Nähere Bestimmung des intellectus materialis.
Verschieden vom »orc rXtxöe, von einem blofi pa^iven Vermögen, ist er Prin-
zip der Erkenntnis. Einfluß Augustins 0.3—55. Schwierigkeiten, Modifikation
des augustinischen Gedankens ^—57. Analogie mit Leibniz 57. Verhältnis
von Intellekt und Sinn, mangelhafte Kenntnis des Aristoleles r)S— 60. RQck-
blick 60.
Was erkennt der Intellekt von der malerieilen Welt? Die Eigenschaf-
ten 62. Die Substanzen. Erste Erkeniitnisart 62- 65. Zweite Erkenntnis-
weise, die Abstraktion; Erklärung derselben durch die zeitgenössischen Peri-
patetiker. Kritik Wilhelms. Seine eigene Auffassung 65—69- Polemik gegen
des Aristoteles Lehre vom Allgemeinen 69-71. Wilhelms Stellung im Streite
Ober die Universalien, seine eigentümliche, gemäßigt realistische Richtung
71—77. Dritte Erkenntnisart des Intellektes. Erklärung der Operationen des
Schliefiens and der reproduktiven Thäligkeit des Gedächtnisses aus habitus.
Einfluß Avicennas 77-84.
2. Erkenntnis der Seele, der obersten Wahrheiten und ihres
Grundes, der Gottheit 84-100.
Das geistige Wahrnehmungsvermögen, seine Objekte 84. Beziehungen
zu Augustin 85. Gewißheit und Evidenz der Bewußtsei nsthatsnchen 85 — 86,
Ihre Verwertung zum Beweise der Existenz der Seele, ihrer Unkörperlichkeit,
Unteilbarkeit und Einfachheit 86—89. Unterschied der .Seelenlehre Wilhelms
von der Psychologie der späteren Scholastik 89.
Die obersten Wahrheiten des Erkennens und Handelns 90. Ihre Not-
wendigkeit und Evidenz 91. Ihr Ursprung nicht aus der Sinnenwelt, sondern
aus der Gottheit, durch direkte Einwirkung des Schöpfers 92—%. Erklärung
der prophetischen Erleuchtung, der Visionen und pathologischer Fälle 96.
Einfluß Augustins und Avicennas 97. Die Franziskanerschule und der Onto-
logismus 98. Rationeller Gottesbeweis in ontologischer Formulirung 98—100.
(
iVuhelm war geboren») zu Aurillac in der Äiivergne, wo-
her er auch den einen seiner Beinamen erhielt. Das JahrseinerGeburt
und seine Abstammung sind unbekannt. Auch über seine Lehrer
und seine Jugendbildung*) wird nichts Zuverlässiges berichtet. Nur
soviel enthalten die Angaben übereinstimmend, dass Wilhelm fnih-
zeitig seine Vaterstadt verliess, um in Paris den Studien zu ob-
liegen. Seine Fortschritte und die Überlegenheit seines Geistes
verschafften ihm bald einen Lehrstuhl in den Artes und später
in der Theologie. Mit dem Jahre 1228 eröffnete sich ihm eine
neue Sphäre der Thätigkeit. Der bisherige Lehrer an der Uni-
versität bestieg den ßischofsstuhl von Paris, weshalb er auch
Wilhelm von Paris genannt wird. Von nun an finden wir
seinen Namen mit allen wichtigen Ereignissen verknüpft, welche
die Universität und das wissenschaftliche Leben der folgenden
zwei Jahrzehnte betrafen oder mit den kirchlichen und öffent-
lichen Verhältnissen im Zusammenhange standen. Hatte Wil-
helm als Lehrer durch seine Wissenschaft geglänzt, so erwies er
sich auf dem ßischofsstuhl nicht minder als Mann der That und
des praktischen Lebens. Er starb am 30. März 1249 ') und er-
hielt in der Abtei St. Victor seine letzte Ruhestätte.
*) Far die Biographie Wilhelms rgl. Du Boulay, Historia Universi-
tatis Parisiensis, Paris 16(>6, Tom. III, p. 123 und 213; Histoire littäraire de
la France, Tom. XVIII, p. 357 ff. No6l Valois, Guillaume d'Auvergne, 6v6que
de Paris (1228—1249), sa vie et ses ouvrages, Paris 1880.
») HaurÄau tNouvelle Biographie Generale, Paris 1858, Tom. 22, p. 687)
vermutet, daß er in der Schule von St. Victor seine Bildung empfangen habe.
Ein gewisser mystischer Zug in seinen Schriften tcOnnte wirklich darauf hin*
weisen; doch ist wohl eher an die Schule von Notre-Dame als Bildung^tätte
zu denken, da zu SL Victor nur ein Hausstudium bestand, das zudem in der
Zeit, als Wilhelm seine Studien vollendete, stark im Verfall war; vgl. H. De-
nifle, Die Universitfiten des Mittelalters bis 1400. Bd. I. Berlin 1885, S. 673.
') DuBouIay, a. a. O.S. 213 und andere, wiejourdain, Werner, ha-
ben das Jahr 1248. Nach Histoire litt. a. a. 0. S. 361 stammt die abwei-
chende Angabe daher, daß im letztern Fall das Jahr erst mit Ostern begonnen
wird, welches damals auf den 4. April fiel.
1
. Wilfiefm Ton Auvergne sieht im Anfange jener merkwürdi-
gen,'*/ür die mittelalterliche Wissenschaft so bedeutsam gewor-
'.dsjteh Bewegung, welche die Philosophie des Aristoteles in den
Gedankenkreis der christlichen Schulen einführte. Seine zahl-
reichen Werke lassen deutlich den Beginn eines neuen geistigen
Lebens mit neuen, bisher nicht gekannten Fragen und Problemen
erkennen, in mehreren Gesamtausgaben^) erschienen, repräsen-
tieren sie ein achtungswertes Maß von Geisteskraft, welche die
meisten der Zeilgenossen überragte. Unserem Zwecke ent-
sprechend schließen wir die rein theologischen Schriften von un-
serer Betrachtung aus und beschränken uns auf die Angabe und
kurze Charakteristik der vorwiegend philosophischen Weike des
mittelallerhchen Scholastikers.
Als erste derartige Schrift muß „De trinitate*') bezeich-
net werden. Sie enthält trotz ihres theologischen Titels
in den ersten 13 Kapiteln die philosophische Gottesiehre, den
Beweis für die Existenz Gottes, die Ableitung der göttlichen At-
tribute und die Lehre vom Ursprünge der Dinge aus Gott. Der
übrige Teil beschäftigt sich mit Spekulationen über die Triniläl,
wobei jedoch manche Bemerkungen über das menschliche Er-
kennen eingeflochten werden. »De Irinilate* bildet den ersten
Teil des ,Magisterium sapientiale ac divinale" oder »der ersten
Philosophie", =») Bezeichnungen , welche eine offenbare Nachbil-
dung der betreffenden durch die Araber überlieferten aristote-
lischen Termini verniten.
Ihre Fortsetzung fmdet diese erste Philosophie in einem
zweiten Teil durch das große, später abgefaßte Werk »De Uni-
verso".*) Es ist schwer, eine Ireflende, enggefußte Charakte-
>) JJie Früheste Au^abe wurde 1496 zu Nürnberg veranstaltet, eine
zweite löUl zu Venediig. Die letzte, trotz aller Verbesserungen und Ergän-
zungen noch sehr mangelhafte, Ausgabe ei-schien zu Orleans 1674 in zwei
Folio-Bänden. Der zweite enthält als Supplement die von dem Kanonikus
ßlaise Leferon in der Bibliothek zu Chartres damals neu aufgefundenen
Tractate (de trinitate, de anima, de poenitentia und de collatione et singu-
Inritate beneßciorum). Unseren Cilaten liegt die Ausgabe vom Jahre 1674 zu
(i runde.
') Opp. omn. II , Suppl. p. 1— 64.
") Pratffatio ad Suiiplenientuin p. 1.
*,i Op|i. oinm. F, p. 50.1—1074,
3__
ristik von dieser eigentömÜchen Schrift zu geben, welcher kaum
eine andere ähnliche an die Seite gestellt werden kann. Sie ist
kein Sentenzenbuch im Sinne jener des zwölften Jahrhunderts;
sie ist aber auch keine theologische Summe nach Art der scho-
lastischen Werke der nächsten Zeit, wie Rousselot meint.')
Ein großer Gedanke leitete Wilhelm bei Abfassung dieses Wer-
kes. Er wollte die Weltanschauung seiner Zeit durch philoso-
phische Beweisführung begründen. ,De Universo" sollte den
Absichten des Verfassers gemäß von dem Seienden ') handeln
von dem Seienden, insofern es ein zusammengehöriges, wohlge-
gliedertes Ganzes bildet, also die Gesamtheit der geschöpflichen
Dinge und ihre allgemeinsten Beziehungen umfaßt. Die Stellung
der Aufgabe in dieser Formulierung ist jedenfalls neu, und es
scheint fast, als ob Wilhelm jenen Gedanken des Aristoteles ver-
wertet hätte, wo dieser als den Gegenstand der Metaphysik das
Seiende als solches bezeichnet. Ein auszeichnendes Merkmal
muß femer auch in der Forderung einer streng wissenschaft-
lichen Begründung erblickt werden, wie nicht minder in der ein-
gehenden Berücksichtigung aller bis dahin bekannt gewordenen
philosophischen Systeme. Gerade in letzter Hinsicht verdient
Wilhelms Werk besondere Beachtung.
Außer Gott und der Welt fällt noch ein anderer Gegenstand
in den Kreis der ersten Philosophie, nämlich die Wissenschaft
von der Seele. Die Einsicht in die Unzulänglichkeil 3) der bis-
herigen Resultate in der Seelenlehre veranlaßt Wilhelm zur Ab-
fassung eines eigenen Traktates *) über dieses Thema. „De
anima" steht in den wesentlichen Punkten vollständig auf dem
Boden der psychologischen Lehren der auguslinischen Vorzeit.
■) Dictionnaire des sciences philosophiques, Paris IS-ir», Tom. II, p. 612.
Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, IV, S. .'Jlfi, hat hienlber
entschieden richtiger geurteilt.
') De (Jn. I. prooemium: Scientia de universo est scientia de ipso per
modum quo est Universum Ii. e. de his, quae sunt, et per inodum islumvide-
licet inquantum est Universum; et tioc numinabo et numerabo et prosequar
imiuisitione perscrutata per vias probationum et declarationuin.
") De Un. II. p. III. c. 3, p. 10l8 (2). Die eingeklammerte Ziffer be-
zeichnet die Columne der betrefTenden Seite.
*) Opp. omn. II, p. <*'>— 228.
1*
Aber deutlich zeigt sich auch auf diesem Gebiete der Einfluß
einer fremden Philosophie. *) Probleme werden aufgegriffen,
welche der aristotelischen Seelenlehre angehören.
Einen eigenartigen Charakter trägt die kleine Abhandlung
„De immortalitate animae", *) welche als eine Art von Er-
gänzung zu der Schrift „über die Seele" angesehen werden muß
und eine Reihe von Beweisen für die Unsterblichkeit der Seele
enthält. Wie schon von anderer Seite hervorgehoben ist,") und
wie ich auf Grund einer mir zur Verfügung stehenden Abschrift
aus der Handschrift 16613 der Pariser Nationalbibliothek be-
stätigen kann, bietet nämlich Wilhelm's Schrift nichts, als die
Überarbeitung der gleichnamigen Schrift des Archidiakons von
Toledo, Dominikus Gundisalvi, *) welche ihrerseits eine hie
und da erweiterte freie Übersetzung einer verlorenen Schrift des
Avencebroi (Ibn Gebirol) darstellen dürfte.*) Trotz dieses
Verhältnisses wird es indes gestattet sein, Wilhelm's Schrift ,de
immorialitate", deren Echtheit noch kürzlich durch Valois *) dar-
gethan wurde, als Beleg für die eigenen Anschauungen des Au-
vergners zu benutzen ; denn derselbe hat eben durch diese Über-
arbeitung die fremden Ansichten als von ihm selbst recipierle
bezeugt. Übrigens ist in der folgenden Darstellung die Schrift
über die Unsterblichkeit nur in sekundärer Weise als Quelle
herangezogen worden.
Dies sind im einzelnen die Schriften, in welchen Wilhelm
*) Die Vermulung Werners (Willielms Verhältnis zu den Piatonikern
«les 12. Jahrhunderts, Wien 1873, S. 40), daß Wilhelm aus einer gleichnamigen
Schrift Avencebrols geschöpft habe, hält Guttmann (Revue des etudes juives,
Tom. Will, p. 253, Anm. 8) Tür unbegründet
') Opp. omn. I, 329-336. Vgl. Supplem., Ende der Vorrede.
*) A. Loewenthal, Pseudo- Aristoteles ober die Seele. Berlin 1891, S.
.58-62. 119.
*) Ober Dominicus Gundisalvi vgl. Paul Gorrens, die dem Boethios
f&lschlich zugeschriebene Abhandlung des Dominicus Gundisalvi de unitate,
Münster iHfU , in IM. t. der »Beiträge zur Gesch. d. Pbilos. des Mittelalters,
hrsg. von Gl. Baeumker', S. 31 tV. , woselbst auch die weitere Litteratur an-
gegeben ist. — Den Anfang der Schrift Gundisalvis De immortalitate animae
drurkt A. Jourdaiu, Recherches crltiques sur IVige et l'origine des tra-
tlucliuns latines d'Aristote, ed. 2, Paris 1H43, S. iT)*) f., ab.
'^) Luewenthal a. a. O.
•' Valiii? 0. a O. S. Uu.
Tomehmlich seine philosophischen Anschauungen niedergelegt
hat. Ein gewisser Plan in der Anordnung der Reihenfolge läül
sich nicht verkennen. Was die christliche Wissenschaft der
ersten Hälfte des Mittelalters über Gott, über die Welt und die
Seele gedacht, das finden wir hier zusammengefaßt vor uns.
Aber bereits kommen allenthalben neue, fremde Gedankenele-
mente zur Gellung, Die aristotelische Philosophie »md ihre Ver-
wendung durch die christlichen Denker steht bei Wilhelm in
ihrem ersten Stadium. Der Pariser Universitätslehrer des be-
gonnenen dreizehnten Jahrhunderts kennt die sämtlichen Schrif-
ten des Aristoteles teils in griechisch-lateinischen, teils in ara-
bisch-lateinischen Übersetzungen; >) er hat Kenntnis von einer An-
zahl arabi scher Philosophen;') er benützt den Moses Maimoni-
des und den Avencebrol,*) den er wegen des christlichen An-
strichs seiner Lehre vom „Worte* Gottes für einen Bekenner des
Christentums hält; *) er entlehnt endlich manchen Gedanken dem
,Liber decausis"*) und anderen mystischen Schriften, worunter
besonders jene des „Ägyptischen* Philosophen Mercurius**) er-
wähnt werden. Aristoteles selbst gilt zwar als der Urheber ')
des peripatetischen Lehrsystems und als ein Mann, der in der
Ergründung der Naturdinge und in jeglicher Wissenschaft Groües
») Jourdain a. a. O. S. 289.
») Jourdain a. a. 0. S. 298 f. Valois a. a. 0. S. 'iOr. f.
^) Guttinann, Revue des eludes juives Tom. XVll!. p. 243 ff Üers.,
Die Fliilosuphie des Salornon ibn Gabirol ( Avicebron], Göttingen 1889, S. 54 IT.
*j De Un. I. p. I. c. 2«, p.621 (2). Vgl. Guttmann a. a. O. S. .55.
^) Wenn Wilhelm dieses Buch citiert, su geschieht es mit dem Aus-
druck ^difit philosophus". De Un. II. p. 1. c. 39, p. 839 (1). De an. VII. 6,
p. 211 (2).
') Drei Böcher schreibt Wilhelm diesem Autor zu: liber de deu deorum
(de anima, prologus, p. H5, de leg. p. H6 (2), de vü. et pect:, p. 268 (1), de
Un. L p. lU. C.21, p.787, ebd. U. p. III. c. 122. p.l0r)0(2), mit dem der Asklepius
des Apulejus gemeint ist (vgl. das wörtliche Citat de leg. c. 23, p. «ü (2j
aus Apulej. Ascl. c. 23—24; 27-28; ed. Goldbacher p. 45, 18—19; 46, 9—11;
12—13; 13-15; p. M, 16—24; y9, 15—20; s. auch unten S. 21, Anm. ti), und
mit dem der über de verboperfectos. lugos telios (de un. I.p. I. c.2ü, p.621)
identisch sein dürfte; ferner liber de captionibus animalium et ferurum
(de Un. II. p. II. c. 76, p. 03u ^ l), aus dem er seine nicht gar seltenen Bemerkungen
über die instinktiven Tbätigkeiten im Tierreich genommen haben mag; endlich
liber Septem plnnelaruni (De Un. 11. p. IL c. 37, p.881 (2J; ebd. c. 100, p. 953).
^} De Un. II. p. l. c. 45, p. 843 (1).
geleistet habe, allein er tritt nicht in jenem Grade in den Vor-
dergrund, wie dies bei den späteren Scholastikern der Fall war.
Mit welchem Maßstäbe Wilhelm noch den griechischen Philo-
sophen bemÜJt, dafür zeugt die tadelnde Bemerkung, daß Aristo-
teles nicht, wie es sich für einen solchen Mann geziemt hätte,
die Bücher der Hebräer und der Magier gelesen habe *) Dieses
Urteil unseres Scholastikers verrät nicht blos den der ganzen
Zeit eigentümlichen Mangel an geschichtlichem Verständnis; es
zeigt auch, wie wenig M^ilhelm von dem Geiste der aristotelischen
Philosophie selbst in sich aufgenommen hatte. Bei aller freund-
lichen Stellungnahme zu Aristoteles, welchem man in richtig er-
kannten Meinungen folgen solle, •) beschränkt sich die Ver^ver-
tung der aristotelischen Philosophie in den Werken Wilhelms
auf ein fragmentarisches Herausgreifen einzelner Sätze und Ge-
danken, ohne das System in seinen Grundbegriffen zu erfassen.
Von einer Paraphrasirung oder Konimentirung eines aristoteli-
schen Textes findet sich keine Spur. So erscheint die Arbeit
unseres Autors mehr als Stückwerk, und sein unmethodisches
Verfahren konnte keinen durchschlagenden Einfluß auf die Um-
gestaltung des Lehrgehaltes selbst gewinnen.
Von dem soeben dargelegten Gesichtspunkt aus läßt sich
nun vielleicht mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Schluß ziehen
auf die Abfassungszeit der in Frage stehenden Werke. Jour-
dain=*) behauptet, Wilhelm habe um das Jahr 12J0 geschrieben.
Hätte aber unser Scholastiker wirklich um jene Zeit, zu welcher
auch Alexander von Haies ^) an seiner „Summa universae Iheo-
logiae" arbeitete, seine Bücher abgefaßt, so wären sie inhaltlich
und methodisch anders ausgefallen. Sie müßten unseres Krach-
tens in Bezug auf philosophischen Fortschritt eine ungleich
größere Ähnlichkeit mit dem genannten Werke aufzuweisen ha-
ben. Der Einwand, welcher gegen die frühere Abfassung der
fraglichen Schritten aus dem bekannten Bücherverbot vorn Jahre
») De Un. II. p. I. c. 45, p 843 {l).
') De an. II. 1'2, p. 82 (2): sie suscipienduä est, id est sustinendus (Ari-
stoteles) in eis omnibus, in quibus recte sensisse invenitur.
") Jourdain a. a. 0. S. 211.
*) Endres, Des Alexander von Haies Leben und psychologische Lehre,
1888. S, l«.
1210') und dessen wicderliolter Erneuerung entnommen werden
könnte, vermag eine derartige Annahme kaum zu entkrätlen.
Denn sosehr man auch über die Auslegung und die Verbindlich-
keit *) jener Censuren verschiedener Meinung sein kann, soviel
muß jedenfalls zugegeben werden, daß eine vorsichtig den Wahr-
heilsgehalt prüfende Beschäftigung und eine dementsprechende
schriftliche Verwertung niemals und hinsichtlich keines aristote-
lischen Textes untersagt sein konnte. Sonst hätte es unmöglich
zu der von der kirchlichen Autorität angestrebten Reinigung
jener physischen und metaphysischen Schriften und zu deren
Einbürgerung in den christlichen Schulen kommen können. Daß
Wilhelm seine Werke früher niederschrieb, alsJourdain annahm,
dafür spricht femer auch die energische Stellungnahme gegen
die manichäischen Irrtümer der Katharer. hi den ersten ^) Ka-
piteln von ,De Universo" sucht er in der ausführlichsten Weise
den Hauptsatz*) dieser Sekte, die Annahme eines guten und eines
bösen Prinzipes, zu widerlegen. Aus dieser eingehenden Polemik
sowie aus einer am Anfang derselben gemachten Bemerkung,
welche die Irrlehren der Katharer als noch höchst gefähriich
darstellt *) und von dem Vorgehen der kirchlichen und weltlichen
Autorität als von gegenwärtig sich abspielenden Ereignissen zu
sprechen scheint, läßt sich schließen, daß die Zeit, in der Wilhelm
seine Feder führte, jenen Wirren nicht gar zu ferne stehen kann^-
Nun fällt aber der letzte Kreuzzug gegen die Irrlehrer im süd-
lichen Frankreich in das Jahr 1213«). Damit hatte die Bewe-
') Bardenhewer, die pseudoftristotelische Schrift Ober das reine Gute,
Freiburg 1882, S. 212 flF.
') Schneid, Aristoteles in der Scholastik, Eichstädt 1875, S. 2) tl.
") De Un. I. p. I. c. 2—11.
*) De Un. I. p. I. c. 2, p. 594 (.2): Hie ergo seductor (Manes) et falsi-
loquenü 'gegen fasiloquens des Textes) posuit duo esse principia, duos esse
deos, et iiominavjt alterum deum lucis etdeum benignutii, alterum vero deum
tenebrarum et deum malignura.
^) De Un. I. p. I. c. 2, p. 594 (1): cuepit error iste fere cum ipsa lege
Christianorum fuitque et est adhuc non solum perniciosissimus, sed etiam
pestilentissimus: quapropter ipsum etiam gladio et igne persequi et extermi-
nare usque hodie i'irens Christianorum) non dcsistit.
'i Itrück, Lehrliui-h der Kirchen^eschichte, Mains Ibt^l. S. ö2J f.
8 _
gung ihren Höhepunkt erreicht und die Gefahr, welche Wilhelm
andeutet, war, wenn auch nicht ganz abgewendet, doch bedeu-
tend herabgemindert. Bringt man also die angeführten Äußerun-
gen mit den geschichtlichen Thatsachen in Verbindung, so er-
giebt sich, dafi unser Autor wenigstens „De Universo* um das
Jahr 1213 begonnen haben konnte. Eine ähnliche, hinsichtlich
der Zeitangabe aber weniger bestimmt lautende Bemerkung, ^)
die ebenfalls von einer Verfolgung der Katharer redet, deutet
darauf, daß auch „de anima" zu einer Zeit geschrieben sei, wo
die Irrlehre noch offene Anhänger fand, also nicht gar zu lange
nach den vorhin genannten Kriegen. Da nun „de trinitate", wie
schon früher erwähnt, vor den beiden letzten Schriften abgefaßt
wurde, so dürfte Wilhelm seine philosophischen Werke kurz vor
1213 begonnen und dieselben in den zwanziger Jahren, noch vor
seiner Erhebung auf den bischöflichen Stuhl, vollendet haben. *)
Hiermit findet dann auch die oben besprochene geringwertige
Ausbeutung speziell der aristotelischen Philosophie in den genann-
ten Werken ihre Erklärung.
Was schießlich die Beachtung anlangt, welche unser Au-
tor bisher in der Geschichte der Philosophie gefunden hat, so
biingt französischerseits weitaus den besten und gründlichsten
Bericht die Histoire litteraire. ') Nach Angabe der Biogra-
phie folgen von jedem einzelnen Werke kurze Skizzen. Jour-
dain*) untersuchte, wie aus dem Vorhergehenden ersichtlich,
den Ursprung und die Art der von Wilhelm benutzten aristote-
lischen Texte und stellt die sonstigen bei Wilhelm cilierten Auto-
ren zusammen. Die Angaben Hauröau's*) über die Schrift
,De Universo" sind im ganzen Wiederholungen aus der Histoire lit-
teraire. Seine eigenen ErÖi-terungen beziehen sich vorwiegend
') De an. VII. 8, p. 124 (2): Quidam veroerronei, quos gens Christiano-
rum Don immerito gladio et igne prosequitur, posuerunt eas animas) esse
daemones Incarceratos.
') Die gleiche Ansicht vertritl auch Valois a. a. 0. S. 238, Anm. 1.
■) Histoire litt^raire de la France, Tom. XVIII, p. 3f)7 ff Kleinere Ar-
tikel bringen Dictionnaire des sciences philoi^phiques, Paris 1815, Tom. II, p.
612; NüUveUe Biographie Gönörale, Paris 1858, Tora. XXII, p, K87 IT.
*) Jourdain, a. a. 0. S. 289 und 298—299
^} Haureau, De la pbilosophie scolastique, Paris 1850, Tom. I. p. 432
IT. Histoire de la pbilusophie scolastique, Paris 1872 tT.T. II. 1| P- 142—170.
Äiif die Erkenntnislehrc. Unrichtig ist es indes, wenn der fran-
zösische Geschichtsschreiber der scholastischen Philosophie in
der Speculation des mittelalterlichen Denkers einen kühnen
Idealismus nach dem Muster von Joh. G ottlieb Fichte erblickt.
Die Arbeit von Valois^) trägt einen vorwiegend Uterarhisto-
nschen Charakter. Von den Deutschen hat, neben Tiede-
mann, ») Stöckl") versucht, eine Gesamtdarstellung von Wilhelms
Philosophie zu geben. Werner verÖflFentlichte eine eigene Ab-
handlung^) über dessen psychologische Lehren und behandelte
in einer besonderen Schrift ^) seine Beziehungen zu den Platoni-
keni des 12. Jahrhunderts und zu den Lehren der Araber und
Avencebrols. Neuestens hat noch Guttmann^) das Verhältnis
Wilhelms zur jüdischen Philosophie hervorgehoben.
Nach diesen einleitenden Bemerkungen über die Schriften
des nachmaligen Bischofs von Paris und deren Stellung in der
Entwickelung des mittelalterlichen Denkens können wir zu un-
serem eigentlichen Gegenstande übergehen. Als Thema der
folgenden Abhandlung sollen die erkenntnistheoretischen
Lehren aus dem Gedankensloffe Wilhelms herausgegriffen und
im Zusammenhang zur Darstellung gebracht werden.') — Keiner
der früheren Scholastiker verfolgte die Vorgänge des Erkenntnis-
lebens mit solchem Interesse wie Wilhelm. Er war der erste
unter den christlichen Denkern des Mittelalters, welcher mit voller
Bestinuntheit die Frage nach der Entstehung des Wissens sich
'i S. oben S. 1, Anni. I.
^j Tiedemann, Geist der spekulativen Philosophie, Marbui^ 17!>\ IV,
S. AU ff.
') Stockt, Ueschiclite der Philosophie des Hittelalters, Mainz 18t>5,
II, S. 326 ff.
*) Werner, die Psychologie des Withehn von Äuvergne, Wien 1873
(auch Sitzungsb. d. phil bist. Klasse d. kk. Akademie d. Wiss. B. 73, S-25T IT.).
*) Werner, Wilhelms von Auvei^ne Verhältnis zu den Platonikerii
des 12, Jahrhunderts. Wien 1873 (Sitzungsberichte der phil. hisL Klasse d.
kk. Akad. d. Wiss., B. 71, S. 119 IT.).
^) G u 1 1 ni a n n , die Philosophie des Salomon ihn Gabirol (Avencebroi),
Göltingen 188!l, S. '>4 fl", und schon li-üher in: Revue des ötu<Ies juives,
Paris, Tom. XVIII. p. 243 tT.
■i Hiiuräau, Werner und Valois haben in ihren kurz vorhin an-
gerührten Werken bereits einigermaßen die Erkenntnistheorie berücksichtigt,
»her eine eingehende Behandlung dieses Gegenstandes ist bei ihnen niclil zu
finden.
10
stellte und eine Erklärung der Erkenntnisthatsachen zu geben
versuchte. Wie kam aber Wilhelm dazu, diese Frage überhaupt
aufzuwerfen, nachdem es Jahrhunderle lang nicht mehr der Fall
gewesen ?
Die nächste Veranlassung hiezu bot ihm die Bekanntschaft
mit den arabischen Philosophen. Die christliche Spekulation
war mit den Arabern zunächst nicht auf dem theoretischen Ge-
biete der Ontologie zusammengetroffen — dieses blieb einer späteren
Zeit vorbehalten — , sondern in Fragen über die Entstehung und
Dauer der Welt, über die Natur der rein immateriellen Substanzen
und der menschlichen Seelen. Fast die gesamte Polemik Wil-
helms in »De Universo" und „De anima" gruppiert sich um die
genannten Punkte. Aber gerade die Bekämpfung jener Lehren,
welche die arabischen Peripatetiker unter Nachwirkung des Neu-
platonismus hinsichtlich der rein geistigen Wesen, der Intelli-
genzen, und bezüglich der menschlichen Seelen ausgebildet hat-
ten, machte von Seite der christlichen Denker ein allseitiges und
tieferes Eingehen auf die Vorgänge des Erkennens notwendig.
Denn nach der Meinung der Araber») erzeugen die zehn Intelli-
genzen lediglich durch einen Erkenntnisakt in absteigender Reihe
die eine die nächstfolgende nebst der entsprechenden Sphäre
und der dazu gehörigen Himmelssecle, bis herab zum letzten
Gliede der Entwickelung, zur gesamten irdischen Körperwelt.
Die Psychologie sodann war zum gröläten Teil aufgegangen in
einer phantastischen Erklärung der menschlichen Erkenntnispro-
cesse durch ein oder mehrere außerhalb der Seele stehende,
geistige Wesen. *) Sollten diese Lehren eine Widerlegung finden,
so konnte dies nur geschehen durch eine ernsthafte Berücksich-
tigung der Erkenntnisthätigkeiten selbst. Hiebei vermochten
die Werke des Aristoteles die besten Dienste zu leisten. Allein
erst allmählich gelang es den Vertretern der christlichen Wissen-
schaft, den ächten Aristoteles von dem unächten zu scheiden
und von dorther die Waffen gegen die Araber zu holen.
') Vgl. Werner, Wiltielms Verhältnis zu den Piatonikern des 12.
JahrlmnderU, S. 26 u. 27.
'} Ober diese Theorien der arabischen Philosophen vgl. aucli F r.
Brentano, Die Psychologie des Aristoteles, insbesondere seine Lehre vom
Fof%- noti^tixö(, Mainz 1867, S 8 — 23.
11
Wilhelm nun führt noch größtenteils mit den alten Mit-
teln, welche ihm die Psychologie der früheren Jahrhunderte an
die Hand gab, den Kampf. Nur einige Gedanken von Wert ent-
nimmt er dem Aristoteles. Was wir früher gesagt, trifft beson-
ders bei der Erkenntnislehre zu; sie ist im Vergleich zu den
l^istungen der Blütezeit, wo Albertus Magnus und Thomas von
Aquin die Gedanken des Stagiriten in erkenntnistheoretischen
Dingen mit Meisterschaft wiedergeben, nur ein Stückwerk zu
nennen. Seine Behandlung der Erkenntnisfragen entbehrt jeder
einheitlichen Darstellung, und die betreifenden Erörterungen
finden sich an den verschiedensten Stellen zerstreut. Er kennt
noch nicht den Weg, welcher durch Aristoteles schon vorge-
zeichnet war. Dies darf aber sicherlich als sein Verdienst in
Anspruch genommen werden, dalä er die zu seiner Zeit auftau-
chenden Erkenntnisfragen aufgegriffen und in Fluß gebracht hat.
Soviel zur vorläufigen Orientierung über die Motive, welche Wil-
helm zu seinen erkenntnistheoretischen Erörterungen hindrängten,
und über die Art und Weise, wie er die einschlägigen Fragen
zu lösen suchte.
In Anlehnung an Aristoteles nimmt unser Autor die alte
Scheidung des Erkenntnisgebietes in eine sinnliche und eine geistige
Thätigkeit auf. Wir haben demgemäß zu handeln von der sinn-
lichen und von der intellektiven Erkenntnis. Den genann-
ten Abschnitten lassen wir in einem ersten Teil eine knappe
Darlegung jener Punkte aus der Psychologie vorangehen,
welche der Erkenntnislehre zur näheren Beleuchtung dienen
können.
J.
Psychologische Vorfragen.
Der angehende Kenner des Aristoteles leitet seine Abhand-
lung „de anima" ein mit erläuternden Bemerkungen zur aristo-
telischen Definition*) von der Seele. Er entnimmt dieselbe
*) De an. I. 1, p. t>5: Anima igitur est, prout definit Aristoteles, ,per-
fecliu corporis physici organici potentia vitam habentis,"
12_
einer aus dem Griechischen stammenden lateinischen Übersetzung. ')
Wenn aber Wilhelm diese berühmte Formel des Aristoteles an
die Spitze seiner psychologischen Erörterungen stellt, so ver-
hehlt er nicht, daß er mit einem gewissen Selbstbewußtsein und
mit dem Gefühl*) der geistigen Selbständigkeil dieser Definition
und ihrem Autor gegenüberstehe. Zwar nimmt er, dem Zuge
der Zeit folgend, die neuen Termini in die Psychologie auf, ohne
aber den charakteristischen Sinn, welchen sie im Systeme des
Stagirilen haben, damit zu verbinden. Mit der wünschenswer-
testen Klarheit tritt sein eigentlicher Standpunkt hervor in einer
fast unmittelbar nach jenen Erörterungen sich findenden Be-
stimmung*) der menschlichen Seele, welche vollständig, wie er
selbst zugiebt, im Geiste der früheren, in der ersten Hälfte des
Mittelalters gebräuchlichen Definitionen gehalten ist.*^
Wilhelm kommt es bei der Entwickelung seiner psycholo-
gischen Ansichten vor allem auf die Feststellung der Substan-
zialität, Unteilbarkeit und Einfachheil des Seelenwesens
an. Die Seele ist ihm eine völlig einfache, imnialerielle, leben-
dige Substanz, weiche nach ihrem ganzen Sein und den Eigen-
schaften dieses Seins im direkten Gegensatz zum Körper steht. *)
Leib und Seele sind beide völlig selbständige, in ihrem Sein
von einander unabhängige SubsUinzen. Es braucht kaum der
Erwähnung, daß dieser SeelenbegrifT von dem aristotelischen
grundverschieden ist und auf Augustinus zurückgeht.
*) Werner, Die Psychologie des Wilhelm von Auvergne, S, S, hat
unrichtig: aus einer arabisch -lateinischen Ül>erselzung; vgl- Jourdain,
Recherches eritiques, S. "290—292.
^) De an. 1. 1, p. 65: Non intret autem in animum tuum, quod ^o
velim uti sermonibus Aristotelis taniquani authenticis ad probationem eorum,
quae dicturus sum.
') De an. I. 3, p. 67 (1) : Nemo autem locutus est de aninia humana,
qui iUam non intelligat per hanc rationem seu descriptionem et qui eam non
nominet „substantiam viventem.incorpoream, intelligentem et scientem per se
et proprie, totumque hominem, hoc est omnia interiora hominis et exteriora,
i-egentem."
*) Vgl. hierüber die Schrift Werners: Der Entwicklungsgang der
mittelalterlichen Psychologie von Alkuin bis zu Albertus Magnus, Wien ltS7(>.
') De an. Vi. 13, p. 83 (2): Quod autem ita ab inviceni discrepanles
sint subslantia spiritualis et substantia corpuralis et earuni utrarumque dis-
pofiitiones, ut praedixi, eiemplo uno manifestum est.
13
Mit vollster Deutlichkeit kommt nun diese Abweichung *da
zur Geltung, wo es sich um das Verhältnis von Leib und
Seele handelt. Aristoteles hatte die Begriffe von Materie und
Form, in welchen er der ursprünglichen Ableitung gemäg die
realen Bestandteile 1) aller körperlichen Dinge erblickte, auch auf
das biologische Gebiet übertragen. Als Form des Körpers ') aber
erscheint bei ihm die zugleich als vegetative fungierende sen-
sitive Seele. Der vovq ist mit dem Körper in keiner Weise
vcnnischt*) und dem Sein nach von ihm völlig unabhängig.
Beide jedoch, der vovg und die ohne den Körper nicht existenz-
fähige sensitive Seele, sind im Menschen zur substanziellen Ein-
heit*) verbunden. Keiner der Scholastiker hat sich den ari-
stotelischen SeelenbegrifT in dem dargelegten Sinne zu eigen
gemacht. Um so weniger vennochte Wilhelm in die Bedeutung
desselben einzudringen. Er wendet zwar auf Leib und Seele'*)
die Termini Materie und Form an, er spricht femer von der Ver-
bindung'^) beider als einer Verbindung zwischen Materie und
Form; allein trotz dieser aristotelisch klingenden Ausdrücke hält
er die platonisch-augustinische Auffassung vom Verhältnis der
Seele zum Leibe fest. Der Leib ist für die Seele nichts anderes,
als was das Haus ist für den Bewohner, das Pferd für den Rei-
ter, das Werkzeug für den Handwerker.*^) Dazu mengt er noch
das den Arabern entlehnte Bild einer Lichtquelle, eines äußeren
') G. von HertHng, Materie und Form und die Definition der Seele
hei Aristoteles. Bonn 1871, S. 2« f.
') von Hertling a. a. 0. S. 150.
') von Hertling a. n. O. S. 151— ir>r». Zeller, Philosophie der Grie-
chen, 3. Aufl., II b, s. ms ff.
') von Hertling a. a. 0, S. 144 ff. Fr. Brentano, Die Psjxhologie
des Aristoteles, Mainz imi, S. 117, Anm. 21. Zeller, a.a.O. S. 567. 5i)2ff.
^) De an. I. 2, p. 66 (2) : Quoniam autem dicit Aristoteles in libro de
anima, quoniam corpus quidem materia est, anima vero forma.
*') De an. 1. 2, p. 66 (2) : Propter hoc humanilas non est anima sola,
sed anima est perfectio ipsius eor|>oris, perfectio inquam essentialis, quae et
])ars illius est et cum materia prima componit et constituit iUud. Wilhelm
wendet sich hier gegen die Theologen des 12. Jahrhunderts, welche den Be-
griff des Menschen in dem Begriff der Seele aufgehen Hessen, ohne den Kör-
per zu berücksichtigen ; vgl. Werner, Tsycliologie Wilhelms, S. 24 f.
0 De an. V. 9, p. 1'25 (2).
1^
Einflusses, welcher von der Seele aus dem Leibe zuströmt und
von diesem, wie von einem Gefäße, aufgenommen wird. >) Dar-
aus ergiebt sich zur Genüge, daß bei Wilhelm von einer sub-
stantiellen Einheit zwisclien Leib und Seele im Sinne des Ari-
stoteles keine Kede sein kann. Die Seele ist ja nach ihm gar
nicht Seinsprinzip des Körpers und kann es nicht sein, weil der
letztere als eine selbständige Substanz gedacht wird; sie darf
nur als Wirkursache der sämtlichen am Körper zur Erschei-
nung kommenden Thätigkeiten angesehen werden. Ihre Ver-
bindung mit dem Leibe ist eine Verbindung der Kraft nach,
per contactum virtutis, wie Thomas von Aquin sich ausdrückte.
Der Körper, ein rein materielles, an sich zu jeder Bewegung
unfähiges Gebilde, bleibt das Werkzeug ihrer Bethätigung, und
eine Wechselwirkung zwischen beiden kann nicht stattfinden.
Nur ein wirkendes») und thätiges Prinzip giebt es im Menschen:
die Substanz der vernünftigen Seele.
Diese Ausführungen deuten bereits an, welche Stellung
Wilhelm gegenüber den aristotelischen Seelenteilen einnimmt.
Auch in diesem Punkte derPsycliologie des Aristoteles finden wir
unsern Scholastiker historisch noch nicht ausreichend unterrichtet.
Nach seinem Berichte *>) hätten nämlich Aristoteles und die Araber
drei Seelen im Menschen angenommen , eine vegetative, eine
sensitive und eine vernünftige. Eingehend setzt er nun die
Gründe auseinander, die zu einer solchen Annahme hingeführt
hätten. Es sei das Prinzip gewesen, aus den spezifischen Unter-
schieden *) der Thätigkeiten ebensoviele, real verschiedene, Ur-
') De an. V. 24, p. 152 (IJ : Quoniam illa duo (anima et corpus) sunt
sicut dans vitam et recipiens, sicut illuminans et illuminatum, sicut agens et
patiens, sicut influens et influentiam recipiens.
*) De an. V. 8, p. 124 (1): declaratum est tibi per omnia haec, animam
rationalem sive humanam esse substantiam activam et agentem in semet
ipsam el in corpus,
■) De an. IV. 1, p. 104 (1): Gonveniens est nunc ut aggrediar . .
destruere errorem eorum, qui scilicet senserunt illam non esse unam nee in
homine esse animam unicam, sed plures, numero tres, scilicet vegetabilem,
sensitivam et rationalem. Vgl. de an. VI. 5, p. 162 (1).
*) De an IV. 1, p. 105 (1): Cum igitur tres illae species operationum
inveniantur in homine, necesse est principia et causas earum inveniri in
•Ol lern : liaer autein sunt Ires aniniae.
__15
Sachen in den Lebewesen zu folgern. Dieses Argument, und
damit die ganze Lehre, bestreitet Wilhelm auf das entschiedenste.
Wollte man so schließen, so gäbe es nicht bloss drei Seelen,
sondern nach der Zahl der im Menschen sich findenden Thätig-
keiten mindestens fünfzehn. ^) Dieser Sclilul^ aber und seine
Voraussetzung sind falsch. Alle diese ThätigkeJten müssen auf
ein einziges Prinzip *) zurückgeführt werden, auf die vernünftige
Seele, welche auch die Ursache der vegetativen und sensitiven
Funktionen sei. Wir sehen, wie Wilhehn alle im Körper
sich vollziehenden Thätigkeiten der immateriellen, geistigen Seele
zuschreibt und dadurch die sensitive Seele des Aristoteles einfach
umgeht. Hierin sind ihm die späteren Scholastiker gefolgt.
Auch Thomas von Aquino z. B. hat nicht den vollen aristotelischen
Seelenbegriff aufgenommen; auch er sieht die intellektuelle
Seele") als Form des Körpers, und damit als Subjekt des sensi-
tiven and vegativen Lebens an.
Doch findet sich zwischen Wilhelm und den Peripatetikern der
Blütezeit noch ein bedeutsamer Unterschied. Durch die, wenn
auch unrichtig verstandene, aristotelische Lehre von den Teilen
der Seele war die Frage nach dem Verhältnis der spezifisch
verschiedenen Thätigkeiten zunächst zur Seelenzahl angeregt
worden. Aber dieselbe Frage fährte weiter. Schon zu den
Zeiten Wilhelms maclite sich das Bestreben geltend, zur Er-
klärung der einzelnen Kraftgebiete zwar nicht mehrere Seelen,
aber unter sich und von der Seelensubstanz real verschie-
dene K r ä f te oder Polen zen anzunehmen. Alexander von
Haies *) vertrat zuerst diesen Standpunkt, welcher so ziemlich
') De an IV. 3, p. 108 (1, 2).
') De an. IV. 3, p. 107 (2) : Declaratur igitur tibi per hanc viam, quod
anima una numero est perficiens hunc hominera sive hoc animal rationale,
et eadem est perficiens aoinial et vegetabile sive vivens. Ebd. p 107 (1):
aninia rationalis sufficit regere ac vivißeare plenissime corpus, cui advenerit.
') Stock 1, GeschUhte der Philosophie des Mittelalters, II, S. 610.
Siehe Aber die Behandlung dieses anthropologischen Problems durch Alber-
tus Magnus: Frhr. v. Hertling, Albertus Magnus, Köln 1880, S. lir>— IIH.
*) E D d r e s , Des Alexander v. Hiiles Lehen und j)sycho!i)gische Lehre
Ifi88, S. 48.
16
allgemeine Anerkennung fand ') bis zum Wiederaufleben des
Nominaiismus durch Wilhelm von Occam. Die Teile der Seele,
weiche Aristoteles unterschied, um die Verschiedenheit ihrer
Thätigkeiten zu bezeichnen und abzugrenzen, waren jetzt zu
realen Potenzen geworden, als deren Subjekt die einfache, im-
materielle Seelensubstanz galt. Gegenüber derartigen Versuchen
nun zeigt sich Wilhelm als einen ausgesprochenen Anhänger
der von Augustinus sich herleitenden, durch das ganze Mittel-
alter bis zu ihm herab forterhaltenen Traditionen.') Mit aus-
drücklicher Berufung') auf die berühmteren und weiseren der
christlichen Lehrer nimmt er Stellung gegen die Auffassang der
Seele als einer bloßen Summe,*) eines bloßen „Bündels-* natür-
licher Kräfte. Nicht minder bekämpft er dann die Meinung,
welche im Seelenwesen eine reale Scheidung zwischen Substanz
und deren Vermögen oder Potenzen vollzog. ^) Ausführlich wird
dargelegt, daß die Kräfte der Seele nicht als verschieden von
ihr aufgefaßt werden dürfen, vielmehr mit ihrem Wesen iden-
tisch seien und mit demselben zusammenfallen. Sie bezeichnen
sämtlich die eine, unteilbare Seele, insofern sie in verschiede-
ner Weise thstig ist.*) Nur die Wirkungsweisen sind verschie-
den, nicht aber das wirkende Prinzip. Es giebt also keine von
der Substanz real verschiedene Kräfte oder Potenzen in der
Seele. Jede Teilbarkeit muß von ihr ausgeschlossen werden.'
Der Folgenmgen, welche sich aus dieser Auffassung vom
*) Ausser Richard von Middletowa, welcher von Endres a. a. 0. ange-
führt wird, ist auch Heinrich von Gent (Stock!, a. a. 0, S.753f.) ein Gegner
dieser Lehre.
») Werner, Psychologie Wilhelms, S. 11 ff.
') De an. III. 8, p. 92 (2) : aliqui enini ex maicribus et sapientiorihus
theologorum legis Christianorum hoc dixerunt et scripserunt, sicut apparere
tibi potest ex inspectione librorum illorum, asserentes expresse, quia anima
humana et una est et unum est
*) De an. III. 1, p. 87 (2): aggrediar destruere errorem quorundam, qui
putaverunt eam conipositam esse ex viribus sive potentiis suis naturalibus.
^) De an. III. 2, p. 88 (1): Dicunt enim potentias animae qualitates na-
turales esse in ea, quibus omatur ac perficitur essentia sive substantia illius.
*j De an. III. tJ, p. 92 (1).- lain igitur feci te scire per hoc, qnod po-
tentia apud animam hnmanam nihil est aliud quam ipsa anima in eis, quae
(iperalur yter p«sentiuiu suant.
17
Tf^rhilllnis (ier Seele zu ihren KiAfteii ergab-n, ist sidi Willieliii
wohl bewuUt. Die vernünftige, iiiiiiiaterietle Seele nämlich
niiifi als das einzige, unmittelbare Subjekt aller TliAtig-
kciten betrachtet werden. Deswegen äintl auch die vegetativen
und sensitiven Funktionen geistiger M und unvergüngllcher Na-
tur und bestehen fort, wenn auch der Körper untergeht. ') Nur
ihre Bethntigung, nicht ihr Sein, hängt vom Leibe ab. So sehr
atier auch Wilhehii in diesem Punkte die Anschauungen der
früheren Jalirhunderte verteidigt, so macht sich doch, nur nach
einer anderen Seite hin, fremder Einduü merklich gellend. Un-
ser Autor verweist uns auf Hlalo') und deasen Schrift über die
l-nsterblichkeil der Seele. Der letzlere habe gelehrt, dali die
Seele in einem unmittelbaren Zusammenhange mit der Quelle
des Lebens stehe, wodurch ihr ununterbrochen und dauernd
der Strom des Lebens zuflieläe. Wir haben hier eine indirekt
wohl auf Aveiicebrol zurückgehende*), Wilhelm durch Domi-
nikus Gundisalvi vermittelte, Umformung jenes Argumentes
vor uns, welches Plato im Phaedo für die Unsterblichkeil der
Seele aus deren Teilnahme an der Idee des Lebens lührl Jene
Lcbeusquelle ist der Schöpfer, welcher der Seele inmier gegenwärtig
bleibt und durch unaufhörliche Kinslrömung dieselbe bis üum
ÜbertUeäen antüllt, sudafi sie auch ihrerseits zu einer Quelle
') Oe an. V. b, p. 120 (2): virtus vero tfresgibilix et virtus visibil» non
minus e«l ipt^a unliiia liumana e^aentialiler quani inlellecliva.
») De an. V. ^i. p. 149 (t
*) De immortalit. anim.. Tom. I, p. 'ftÄt (!): Hae enim animiie sie
reverleotes ab ^xterioribus ad m ip^a.t. sirul dicit Pl»t{i in Hbro de inimor-
laltUle aiiimae. indubitanter sentiunt seorsutn se esse a reg'ione mortis,
el agi]o»:uiit rontinuitatem suam et c-oniunrttonein ad forUeni vilae. el nihil
to»t tnterponibile sibt et fuDli vitae, 4juod tluxum vilae super illaä impedtat
el arertat. — Die Slelle ist Gundi^alvis Schritt de immortalitate animae ent-
nommen ivgl. oben S. 4), in der atier die Verweittuni; auf Plaiu r>eblt.
*} ftLebeDstjueile" j^t bekaiintticli autb der Titel vun Aveucebrors
Hauptwerk , Avencebrolis llbn tiebiroll Föns ritae. Ex radicibus r;iri<iini5.
Aniplnnianii, Colunibino primum edidil Clemens BHeuruker, in Bd. I. der
Beiträge zur Gesch. d. Philui<. d. MiUelalters: v^l. besonders tr. V. c. 13 gegen
nde: D. Quis est fructua i|uem eonsequemur ex hoc studio? M. F.vasio mortis
et appltcatio ad originem |= funtcni] vitae;; und Dominikus (rundisalvi, der
MtlfdiTselKrr dieses Werkes, ist zugleich der Verfasser oder Übersetzer der
aller WahrsrheinlJchkeit UHcb Klc^ichrails uul Avencebrol zurQckgehenden
Schrill, welche Wilhehii hier ausschreibt-
18
von Leben wird, welches sie teils in sich selbst ausfließen läfät
in den höheren Thätigkeiten des Erkennens und Wollens, teils
aber in den Körper und die körperlichen Organe hinausströmt
als vegetatives Leben, als die Kräfte der körperlichen Bewegung
und der sinnlichen Funktionen. ') In dieser eigentümlichen
Weise betrachtet Wilhelm die Seelenthätigkeiten als Ausflüsse
aus deren Wesen, die aber in letzter Instanz Ausflüsse der Gott-
heit selbst sind. Ganz ähnlich denkt sich unser Scholastiker
die Wirksamkeil der übrigen Kreaturen. Sie erscheinen als
Durchgangspunkte der einen göttlichen Ursache, aus welcher
auch alles Sein bei der Schöpfung ausgeflossen ist.*)
Der Gedanke eines unmittelbaren Zusammenhanges der
Seele mit der Gottheit kehrt bei Wilhelm in anderer Formulie-
rung und in einem etwas anderen Sinne wieder. Unser Schola-
stiker gebraucht nfimlich mehr als einmal die W^endung, die
Seele stehe im Horizont, an der Grenze zweier Welten. •)
Er war aber nicht der erste und nicht der letzte, welcher diesen
Satz dem durch Gerbard von Cremona in den Jahren 1167—1187
aus dem Arabischen übersetzten „Liber de causis* entnahm.*)
Dieses Buch ist ein Auszug aus der aTotxfiotaig OtoXoytxti des
Neuplatonikers Proklus und von einem arabischen Autor, ver-
mutlich um das 10. Jahrhundert, aus einer arabischen Über-
setzung des neuplatonischen Werkes hergestellt. -'>) Bei Alanus
von Lille (1202 f) findet sich die Schrift zum erstenmal be-
nutzt. ^) Von da an haben neben den Werken des Aristoteles
nicht viele Bücher in der philosophischen Lilteratur des Mittel-
') De an. V. 24, p. 152 (IJ: . . . ipsae aniinae humanae fontcs vilae
sunt et praesentia creatoris in ipsis implentis eas usque ad redundantiäm
antedictam. De an. VI. 4. p. Ihii v2): animam huraanam fontem esse veris-
simum Titalium influentiarum, quae sunt vila, seosus et rnotus.
») De an. V. 2, p. 113 (I). De Irin. V, p. 6 (1).
') De an. VII. 6, p. 211 (2): ponendum est, animam humanam velut
in Horizonte duorum mundorum naturaliter esse constitutäm et ordinatam.
Vgl. De an. VI. 33, p. 193 (1). De Un. II. p. III. c. 20, p. 1056 (I); c. 21.
p. 1057 (l).
*) Bardenhewer, Die pseudo-aristotelische Schrift üb«r das reine
Gute, Freiburg i. B. 1882, S. U«.
') Bardenhewer, a. a. 0. S. 37 und 51.
*) Bardenhewer, a. a. 0. S. 205 ff.
19
alters eine so einflußreiche Rolle gespielt wie der »Liber de cau-
sis' ') Von sämtlichen bedeutenden Scholastikern citiert und
oft in überraschender Weise zu Beweisführungen benutzt^ er-
streckt es seine Wirkungen bis ins 17. Jahrhundert herab. •)
Es kann also nicht auffallen, wenn auch Wilhelm auf die Leh-
ren dieser Schrift Rücksicht nimmt. Am meisten Zugkraft übte
auf dessen Denkweise jener Gedanke, welcher der Seele die
Stellung zwischen Ewigkeit und Zeit^) zuweist. Abgesehen von
dessen Verwertung bei metaphysischen Erörterungen über Zeit
und Ewigkeit kommt derselbe zu vollster Geltung in der Psycho-
logie und speciell in der Erkenntnislehre.
Wilhelm mußte seine eigenen Anschauungen mit jenem
Satze verwandt finden. Er dachte sich ja, wie zuvor hervorge-
hoben worden, die Seele nach ihrem Sein und ihren Thätig-
keilen in unmittelbarer Verbindung mit Gott, *) er nahm die
Möglichkeit einer direkten Erkenntnis jenes Zusatnmenhanges an,
er huldigte dem augustinischen Gedanken von der unmittelbaren
Gegenwart der ewigen Wahrheit*) in der Seele, wie wir später zei-
gen werden. Nichts anderes als diese Überzeugung des christ-
lichen Denkei-s schien in der fraglichen Stelle ausgesprucheii
zu sein. Man brauchte nur statt der bloßen Zeitbestimmungen die
Objekte zu setzen, von welchen diese gelten, nämlich Gott und
die sinnlichen Dinge, dann kam dem so ergänzten Gedanken des
Liber de causis sogar die Bedeutung einer christlichen^) Wahr-
') Diese Bezeichnung findet sich zum ersten Mal bei Alexander von
Haies. Bardeuhewer a. a. 0. S. 20ö.
«) Bardenhewer a. a. O. S. 205-302.
^) Bardenhewer a. a. 0. S. 165, § 2: esse autem quod est posl
aeternitatem et supra tempus est anima, quoniam est in orizonte aeternitatis
inferius et supra tempus.
*) Siehe oben S. 17, Anm. 3.
*) De Un. II. p. 111. c. 2i), p. lOM (2) : quia sapiens et sanctus isLe ip-
»m lucem interiorem, ex qua emicant irradiationes hulusmodi, vocatsieter-
Dam veri taten I.
*) De an. VII. Vi, p. 211 (2): Secundum doctrinam autem Christianoruni,
quam necesse est per omnia et in omnibus esse verissimam et ab omni
faLsitate et errore depuratissiniam, ponendum est animam humanam velut in
hnrizonte duorum mundonim naturaliter esse constitatam et ordinataiii.
2»
hoil zu, welche sich mit Stollen ans der Bibel belogen ließ. *)
Auf dieser Grundlage nun, welche über jeden trrlum erhaben
ist,*) sucht Wilhelm das Ideal der menschlichen Erkenntnis zu
schildern. AU Theologe nämlich beschäftigt er sich mit beson-
derer Vorliebe mit dem Krki:^ntitniszustand des Menschen vor
der Sünde. I»ie Seele steht kndl ihrcH ursprünj^lichen, bei der
Schöpfung ihr verliehenen Adels ira Horizont zweier Welten. *)
Die eine ist die geistige Welt, die ewige Wahrheit, der Schöpfer,
und die rein immateriellen seeligen Oi^ister, die andere die sinn-
liche, irdische Körperwelt.*) Iin Besitze der höchsten Freiheit
vermag die intellektive Kraft nach eigenem Belieben mit größter
Leichlitfkeii sich bald dem einen, bald dem anderen Erkenntnis-
gebiele zuzuwenden.'') Gott der Schöpfer und die immateriellen
Substanzen werden durcli ein unmittelbares geistiges Schauen
und Betrachten erkannt ") Die Kenntnis der sinnlichen Welt
schöjit^ die Seele aus einer inneren Lichtfülle mit vollster Klar-
heit und Deutlichkeit ohne der Sinne zu bedürfen.*) Diese letz-
teren erscheinen in jenem Zustand der ursprünglichen Gesund-
heit, Reinheit und Preihcil als bloßes Beiwerk, welches für diis
7usUindekommen der t^rkennliiis selbst unnötig ist.*^) Wilhelm
fühlte das Mißliche, welches in einer solchen Loslösung der sinu-
») De an. VH. ti, p. 211 (2); 212 (l).
») Vgl. S. lit, Änm. tj.
^1 De Uli. II. (I. III. c. 21, I«. KITi? il): ift"i damit tibi per ea, quae
pi-aecesseruDl. Status naturalis anixriae, i|UO posita «st ip?a nobililale ^luecreM-
tionis in horizoiite dtioruni nuindoium. V^fl. De an VI. '.VA. p. Il>3 11) unten.
*i De nn. VII, fi. p. all läl: El, siUer jtiundoruiii est ei inanUus («nsil*i-
liuni, cui cuDiunclissima est per corpus: alter vero crealor ipse e^ft in semel
ipso. Vgl. De Va. II. p. III. c. 21, p. lOÖT (I, 2).
") De an. VI. 3B, p. 19:-t ilj: Ex i|Uij appai-et ipitam (animani) esse
tauii|uani in horizante cortimuni duorum munduruni natufaliter ordinatain seu
cunstituljtui ei in libera ipsius voluntute naturaliter esse positum, utri
istorum niundoruin duunim se accommodel veJ applicet.
•'I De an V. Ifi. p. 1118 (2): sie esse n virtule intellertiva per jpsa in-
Lelligibitia quemadmodum est eognitio sensibilium a virtutibus sensitivis i>er
ßensibilia. Vgl. De an. V. 14. p. VM (1).
''] De «n. V. 17, p, J4'i (1.2): (Juod si ipiisilixerit. quin, pustquaiii vis
inlellecltva tantae luniinusitatis e»sel in animaboa humanis, ul el universalia
el partiL-uluria sive sensibilia rognosci per eain |)Ossint . . .
') De an. V. 17, p. 142 (1).
21
liehen Fanklionen von dem Erkenntnisorganismus lag. Dahi^r
bemerkt er, die Sinne hätten ihre Bedeutung darin, da.s bereits
durch inlelk>ktuetlc Anschauung Erkannte auch noch auf dem
Wege der sinnlichen Erfahrung zu bestätigen >) oder die Herr-
lichkeit des Schftpfeis auch aus der Sinnenwelt zn erkennen*)
oder endlich die Redürfiüsse des eigenen und des gesellsehafl-
Hclien Lebens zu befriedigen.»)
Es mag vielleicht nicfil uninteressant sein, wie der Scho-
lastiker des 13. Jahrhunderts diese rein theologischen Ausfüh-
rungen an einen aus dem J^iber de causis" entnommenen und
bn christlichen Sinne gedeuteten und ergänzten Gedanken an-
knüpft; allein philosophisch vermögen sie keinen Wert zu bean-
spruchen, liöchslens könnte man in der Durchführung schwache
Reminiszenzen an platonische Lehren erblicken. Ihr Ausgangs-
punkt war ein Uieologischer, die Lehre von der Vollkomtnenheit
auch der natürlichen Knlfte des Menschen vor der tiünde. In
historischer Beziehung jedoch bekunden sie aufs deutlichste den
Zusammenhang Wilhelms mit der Denkrichtung des zwülften
Jahrhunderts. Hugo von St. Viktor *) und Peter der Lombarde •"•)
betiandelten den gleichen Gegenstand in ähnlicher Weise. Auch
in einem anderen Punkte stimmt Wilhelm niil den genann-
ten Theologen überein, wobei sich allerdings der Einfluß platoni-
sierender Autoren, besonders der dem Merkurius Trismegistus
zugeschriebenen Schrift pde deo deorum"*) — es ist der A.sclepius
des Apulejus— bemerklich macht. Wie jene, so will auch erden
jetzigen, erfahrungsmäßigott Erkenntniszustand aus dem SiindcnfaJl
ableiten. Er kann nicht oll y^nug wiederholen,') duti die Seek'
') L)e an. V. 17, p. 143 (1): nihil tarnen probibet eidem posse placerc.
ut aliter res sensibiles rognoseat ei de eis experiatur.
*) De an. V. 18, p. 143 ^l).
•) De an. V. 18, p. 143 1,2).
^) Stockt, Geschichte der Philosophie «les MilLelalters, Mainz 1861,
I, S. 3ja
«} StOckl ii.a. 0. 5. 409.
*) De Un. IL p. III. r. 20, p. Iü56 :2). De an. VI. 3:1, p. 1!»3 ^2). Ober
die SchriR de deo detiruiu vjfl. oJieu S. 5 Anni il. Wilhelm hat an beiden
oben cilierten Stellen Apulej. Asclep. c. 12. p. M, \l—U (Joldbachpr iquarc
aniinam obturlo, ut iihiul, dt-liiiol coltn) im Sinn.
') Am eiogeheniJHten Ufimndell er diesR UieologiscUe Lehre 'le an.
p. 1/7-133.
22
durch die Sünde von der Höhe ihrer ursprunglichen, bei der
Schöpfung ihr mitgegebenen Lichtfülle, herabgestürzt wurde.»)
Zwar war dieselbe aus ihrer Stellung im Horizont der geistigen
und sinnlichen Welt nicht hinausgedrängt, sie behält auch nach
der Sünde ihr Doppelgesicht») bei, vermöge dessen sie sich den
höheren geistigen und körperlichen Dingen je nach Belieben zu-
wenden kann. Allein in der Erkenntnisweise dieser beiden Wel-
ten ist eine vollständige Änderung eingetreten. Während früher
der Intellekt sich mit vollster Freiheit und Leichtigkeit zur Schau-
ung des Schöpfers emporheben konnte, gelingt es jetzt nur mehr
wenigen und erst nach vieler Mühe durch Ascese unter dem
Einfluß der göttlichen Gnade.') Der Zug zum Sinnlichen hält
die Seele niedergebeugt zur Erde, und die Bilder der Sinnendinge
erschweren ihr Aufsteigen zur immateriellen Welt der Geister.*)
Bezüglich der materiellen Einzelndinge hingegen erlitt die intel-
lektive Kraft der Seele eine völlige Verdunkelung. Des ihr eigen-
tümlichen Lichtes, durch welches sie in sich selbst ohne Mitwir-
kung der Sinne die irdische Welt erfaßte, wurde sie vollständig
beraubt, in dem jetzigen Zustande des Elendes und des Ver-
derbnisses muß der Intellekt betteln gehen bei den Sinnen und
*) De an. V. 19, p. 144 (1): Ex bis igitnr apparet tibi, quam ileiectn
et depressa sit ab altitudine luminosilatis et nobilitatis suae nRturalis virtus
intellectiva sive anima humana quantum ad illam.
') De immort. an., Tom. I, p. 334 (2): Manifestum est, virlutem istam
nobilem esse duarum facierum, quarum altera illuminatur a rebus .«lublimi-
bus et altera illuminabiljs est ab inferioribos corpoialibus et sensibilihus, et
eadem virtus est et eadem facies Wilhelm konnte diesen Ausdruck dem
Avicenna entnehmen, bei dem derselbe freilich einen anderen Sinn hat
Nach Haneberg („Zur Erkenntnislehre des IbnSina und Albertus Magnus*,
Abhandl. d. pbilos.-pbilutog. Klasse d. kgl. bayrischen Akademie der Wissen-
schaften, Bd. XI. S. 199 f.) verstand Avicenna darunter die beiden verschiede-
nen Vermögen der theoretischen und praktischen Vernunft. Vgt. übrigens
auch Avencebrol, Föns vitae, lll. c. 37, p. 165, ti 16 ed. Baeumker, wo
zwar nicht der Ausdruck ,duae facies", im übrigen aber der ganze Gedanke
Wilhelms sich genau findet, und dazu die wettern Nach Weisungen, welche
Guttmann a. a. 0. S. 148, Anm. 2, giebL
») De Un. II. p. III. c. 20, p. 1054 (l, 2.)
*) De an. VI. 33, p. 193 (2): Verum originalis corruptionis depressio
alligatam eam detinet corpori et incurvatam ad mundum sensibilium qaousque
ut ad mundum inteihgibilium levare se non possit nisi adiuta ve) visitatione
ab altissimo, ut audivisti, vel aliis occasionibus. Vgl. De Uu. 11. p. IM. c. 2li,
p. l()5b (1); c. 21, p. 1057 (2j.
2S
kann nur mehr durch deren Unterstützung und Vermittelung zur
Erkenntnis der Einzelndinge gelangen.*)
So kommt Wilhelm endlich an der Hand der christlichen
Lehren auf den Boden der Erfahrung, des erfahrungsinäßigen
Erkennens. Bei all diesen Erörterungen hatte er seine Vorgänger
gehabt an den Theologen des 12. Jahrhunderts. Was ihn aber
von diesen Männern scheidet, das sind seine Betrachlungen über
die Entstehung und die Ursachen der thatsächhchen Erkennt-
nisTorgänge. Trotz der Mangelhaftigkeit und des unmelhodischen
Verfahrens bei diesen Untersuchungen sehen wir doch das mit--
telalterliche Denken um einen bedeutenden Schritt nach vor-
wärts gerückt. Die hervorragendsten Autoren der heidnischen
und christlichen Philosophie, Plato, Aristoteles und Augustin,
und ihre erkenntnistheoretischen Lehren werden von Wilhelm
bereits in den Kreis der Erörterung gezogen.
Ein Anknüpfungspunkt an Aristoteles fand sich in der so-
eben dargelegten Abhängigkeit des Intellektes von der sinnlichen
Erkenntnis. Dieser Gedanke bildet ja ein wichtiges Element in
der aristotelischen Erkenntnislehre. Wieweit sich Wilhelm den-
selben zu eigen gemacht, werden die späteren Ausführungen
zeigen. Vorerst ist es unsere Aufgabe, die Lehren Wilhelms
über das sinnliche Erkennen zur Darstellung zu bringen.
IL
Die Erkenntnis dureli die Sinne.
Wenn Siebeck ") bemerkt, bei Wilhelm vonAuvergne werde
der Sinnesthätigkeit nur vorübergehend gedacht, so ist das
insofern richtig, als unser Scholastiker die hieher gehörigen Fra-
'} De an. V. 18, p. 143 (2): Nunc autein, hoc est tempore miseriae et
romiplionis praesentis, necesse habent animae humanae mendicare a rebus
sensibilibus per sensus cognitiones eoruni sensibiles propter obtenebrationes
Tirtutis intellectiTae , quae ad exteriora particularia et sensibilia penitus
caeca est et ad itla omnino non attingens nisi sensibus adiuta et aliquatenus
illaminala.
*) Sieber k, Geschichte der Psychologie, l. Teil, 2. Abt., Gotlia
1884, S. 40j. Vgl. Werner, Psychologie des Wilhelm v. Auvergne, S. 42,
d«in Siebeck folgt.
u
gen nirgends in zusammenhängender, systematischer Weise zur
Besprechung bringt. Allein trotzdem finden nicht unwesenlliche
Punkte dieser Seite des Erkennens erwähnenswerte Berücksich-
tigung, hii einzelnen beziehen sich diese Bemerkungen auf die
sinnhchen Kräfte und deren Organe und auf eine Art Analyse
der Akte des Erkennens. Der EinAuß aristotelischer Gedan-
ken Iritl hiebei sehr deutlich hervor.
Wie früher dargelegt, faßt Wilhelm die Seelenkräfte nicht
als reale, von der Seelensubstanz verschiedene Potenzen auf.
sondern als die Seele selbst, insofern sie thätig ist. Auch die
sinnlichen Kraft e werden mit ihr identisch ({enommeii und
als bloüe Thütigkeilsilußerungen gedacht. Nicht der beseelte
Leib, wie bei Aristoteles, sondern die geistige Substanz der Seele
gilt als das Subjekt der sinnlichen Vermögen , sodaß die
Akte der lelzleren von der Seele allein mit Ausschluß jedes
körperlichen Faktors vollzogen werden, wie unser Scholastiker
im bewuüten fiegensalz zu Aristoteles ausdrücklicli hervorhebt. ')
Was charakterisiert nun aber die sinnlichen Kräfte als
solclieV Einzig ihre Beziehung zum Körper und den kör-
perlichen Organen. Diese nind die physischen Vorbedingimgen,
die unterstützenden Mittel und Werkzeuge für die Thätigkeil
der Seele in ihren sinnlichen Funktionen.*) Was nun das nä-
here Verhüllnis der letzleren zu den Organen angeht, so greift
Wilhelm hier auf Aristoteles zurück. Damit nämlich die Seele
in Thätigkeit treten, oder, nach aristotelischer Terminologie, die
Potenz in den Akt übei-geheu ») kann, ist von Suite der Organe
') Dp hh. III, 11, p. 102 (1): I|M>ae eniin npenttionee'. ()ua« Hunt |»er
corpus, ut Odteiwum esl titti in praecetlentittus, ipi<ius animae humanae ve-
riBBime ac propriissime sunt, sieut est loqui, disputare et etiam. quaniquam
indi^netur Aristoleles, texere el aeilifieare. V^l. de an. II. U, p. 81 (ä).
Arist. de an. I. 4. 4U6 b II.
') De an. V. 2^, p. 149 (1): Qu<m1 s\ (\uis dixerit, quia quan-
tum ad r'ires inferiores, ex quibu.s sunt o|ieraüoneb huiusmodi, neresse est
animam humanam indigere corpore el membris corporalibus, verum utifpie
dicit, si ifila iudigentia est sühimmodo quantum ad opcratioDcs huiusmodi
peni^'cndas.
*) De un. V. 23, j>. Ml* l'2): Caura Liulcrn in hoc esl, quoniuni putcntia
liuiusniodi non exil in aiiiini |*er se i[>suin 8<diun iinmo riecej^^surluiM liiil>vl
in«rlrumealuii) ritlendi.
I
25
eine gewisse Beschaffenheit erforderlich, welche die MitLf hfill
zwischen zu slarken und zu scliwacheii Reizen der äußeren Ein-
drücke. Die ersleren vernichten die Organe durch ihre Heflig-
keit und machen so eine seelische Bethütigung unmöglich , die
letzteren dagegen liegen nach modernem Sprachgebrauche unter-
halb der Ueizschwelle und reichen infolge ihrer Schwäche nicht
hin, eine Thätigkeit der Seele auszulösen. ')
In dieser Abhängigkeit von kiirperlichcn Organen findet
nun Wilhelm den Grund für die Teilung und Mehrzahl der
sinnlichen Kräfte. Die Kindrücke der Au&endinge wei-
sen unter sich eine groüe Verschiedenheit, ja sogar Gegensätz-
lichkeit auf, sodaü es uninügliclj ist, ein einziges körperliches
Organ zu conslruieren, welches sie alle aufzunehmen im Stande
Ware. Es müssen daher mehrere Organe vorhanden sefn, welche,
entsprechend den äuiäeren Eindrücken, verschieden gebaut sind.
Daraus ergiebt sich nun eine Mehrheit von sinnlichen
Kräften und eine Beschränkung jeder einzelnen auf einen be-
slimnilen Kreis von Erkermtni.sobjeklen. Diesen Umstünden ist
es zuzuschreiben, daü der Gesichtssinn nicht aufnahnisfilhig ist
lür Töne und das Gehör keine Karben wahrzunehmen vermag,
daÜ überhaupt jeder von den fünf Sinnen auf eine [leihe be-
stimmter, nur ihm eigenliimlicher Objekte beschränkt erscheint.*)
Dieser Versuch Wilhelms, die Ihalsächliche Mehrheit der Organe
und sinnlichen Kräfte zu erklären, steht den entsprechenden Kr-
ürterungen des Arisloteles*) noch fem; denn dieser will ja
die Künfzahl der Sinne aus der Verwandtschaft der Organe mil
den Klemenlen, aus welchen sie bestehen, herleiten. Unser Sclio-
lostiker ward viehuehr zu seinen Betrachtungen durch den Ge-
gens;tt/ angeregt, welchen er zwischen der so vielfach geh*ilten
sinnlichen Erkenntnis und dem intellektiven Krkeimen ^) :cu tlnden
glaubte, da das letztere auf alle Objekte ohne bestimmte Grenze sich
«) O« aa. VL 4, p. IGO (l). Vgl ArisL de an. II. 12, 4Ä4 a 28.
"j De Un. U. p. IL c. 2-1, p. «67 (1, 2).
*) Arist. de au. UI. 1. 424 b 2*J — 425 h 12.
•) De Un. II. p. II. c. 24. p. 867 (I): tjuomodo cum tarn mulUi sinl
Ifeiiera el itpeci«§ intellii^ibilium, nou lijversata est et in mullo» ranm>s divisa
virtuä iiitellecltvu, resj)oii(ie<i litii in Ihm-, quia n*>ti Oji-urUL huc ticri iici" ufiam
poluil piopLet* uhi<lra(-ti(iiiL>iii el iirnpliLutlMietu virtulis iuLelleclivae.
26
erstreckt, und sich innerhalb desselben keine verschiedenen Kräfte
unterscheiden lassen.
Neben den fünf äußeren Sinnen kennt Wilhelm auch
innere Sinne. Hier scheint er, wie auch Alexander von
Haies*) und Thomas von Aquin,*) dem Avicenna zu folgen. Ari-
stoteles nämlich hatte nur einen einzigen inneren Sinn angenom-
men, den Centralsinn, und den Sitz desselben in das Herz ver-
legt.^) Dieses war das Subjekt aller hieher gehöriger Thälig-
keilen, der Phantasie- und Gedächtnisvorstellungen. Abweichend
hievon unterschied dagegen Avicenna neben den äußeren empfin-
denden Vermögen noch fünf innere Sinne, welche er sich an
einzelnen Teilen des Gehirnes lokalisiert dachte.*) In ähnlicher
Weise zählt Wilhelm vier innere Sinne auf, welche die Vorder-,
Mittel- und Hinterzelle des Kopfes zu ihren Organen haben,*)
nämlich den Gemeinsinn, die Einbildungskraft oder Phantasie, *)
dann das sinnliche Gedächtnis und endlich die sinnliche Ur-
teilskraft. 0
Genauere Erörterungen über die spezifischen Funktionen
dieser inneren Sinne oder über etwaige Gesetze derselben finden
sich bei Wilhelm nicht. Nur über ihr Verhältnis zu den
äußeren Sinnen sucht er sich kurz Rechenschaft zu geben. Wie
Aristoteles, nimmt auch er inhaltlich keinen wesentlichen Unter-
schied an zwischen den Sinnesempfindungen einerseits und den
*) Endres, Des Alexander v.- Haies Leben und psychologische Lehre,
S. 58.
*) StOckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters, II, S. 637.
'] Baeumker, Des Aristoteles Lehre von den äußeren und inneren
Sinnes vermögen, Leipzig 1877, S. 84 f.
*) Stockt, a. a. 0. S. 36 ff. Siebeck, Gesch. der Psychologie, I. 2,
S. 431. Landauer, Die Psychologie des Ibn Sina, in: Zeitschr. der deut-
schen mnrgenl. Gesellsch., Bd. XXVI, S. 3*19 f.
^) De an. VII. 15, p. 211 (2): Phantasmata igitur, quae extra aniraam
sunt videlicet in quacumque ex tribus cellulis humaiii capitis. Vgl De an.
V. 5, p. 119 U).
") Avicenna trennte die blos reproduzierende Kraft der .Phantasie' von
dtr mehr produktiven «Imagination*, welche durch Verbindung und Tren-
nung der Vorstellungen relativ neue Bilder schafft. Stockt, a. a. O.
U, S. 37.
'j De an. IV. 3, p. 1()H ^1): videlicet sensum communem, imaginativam,
aestimalivani, ralioeinativ^ni, reiiieniorativam. Vgl. De an. V. 9, p. 124 (2).
27
Phantasievorstellungen und Gedächtnisbiidern andererseits.') Die
letzteren sind nur Überbleibsel der ersteren, zurückgelegte
und aufgehäufte Sinnesinhalte. *) Der Gemeinsinn entnimmt
seinen StofT den einzelnen äußeren Sinnen« die Einbildungskraft
dem Gemeinsinn, und das Gedächtnis giebt beim Erinnerungsakt
das wieder, was in ihm niedergelegt und aufgespeichert Ist.^)
So entstammt das ganze Material der inneren Sinne der Bethä-
tigung der äußeren. Diese sind gleichsam die Boten, die überall
umhergehen und, was außen in den Sinnendingen geschieht, mel-
den, während jene die Aufzeichnungen der äußeren Vorgänge
festhalten*) und unmittelbar dem Intellekte darbieten. Phantasie
und Gedächtnis werden mit einem Buch verglichen, aus welchem
der Intellekt von der Sinnenwelt Kenntnis nimmt *)
Über einen unbedeutenden Anfang auf dem Gebiete des
Vorslellungslebens sind wohl diese Erörterungen kaum hinaus-
gekommen. Der biJdliclie Ausdruck hat das Übergewicht über
das begriffliche Denken. Doch ist der Gedankengang unseres
Scholastikers klar. Der sinnliche Erkenntnisproceß verläuft nach
seiner Vorstellungsweise in der Abstufung graduell verschiedener
Vermögen von außen nach innen, um dem Intellekte das Material
der Außenwelt zu liefern. Primäre Quelle und Anfang desselben
bilden die Sinnesempfindungen. Welches ist nun deren Wesen
und nach welchem Gesetze werden dieselben erklärt?
') De legibus, Tom. I. c. 27, p. 88 (1): non distinguimus a sensu ea,
quae in sensu relinquuntur, videlicet imaginationem et memoriam; ista enim
?ii1entur esse sensus repositi et thesaurizali. Wir berQcksielitigen, wie hier,
auch sonst noch manchmal die mehr theologischen Werke, wenn e^i zur
Vervollständigung der Anschauungen Wilhelms notwendig erscheint.
«) De Un. il. p. III. r. 21, p. 1067 (1): sed re vera (intellectus) legit in
imaginatione et memoria reliquias impressionum, quae relinquuntur in eis ex
impressionibus, quae fiunt in sensibus a rebus sensibilibus.
') De Virtutibus, Tom. 1. c 9, p. 120 (2): nihil enim jwtest sensus
communis . . . nisi prout reeepit a particularibus et imaginatio simpliciter
nisi prout reeepit a sensu communi . . . Manifestum autem magis est in
memoria, quae non reddit reminiscendo nisi quae apud ipsam reposita vel
thesaurizata sunt
*) De Virt, Tom. I. c. i», p. 122 (Ij.
*) De Un. 11. p. III. e. 21, p. lOJ (I): Propter quod imaginatio liujus-
modi et memoria sunt virluli iutellcctiväe quasi libri, in quihus legit res
sensibiles.
S8
Wilhelm slellt einen allgonieinen, für dk* KnUlehung jeder
Krkennlriis gültigen Salz auf, den iiäniliciipii, welcher iiucl* von
den spfileren Scholastikern als das Grund-Axiom der Erkeniil-
nislehre anifesehen wnnlf*, Kr fnhrl denselben unrnitlelbar auf
diu Bücher des Arisloteles*) zurück und ^iebt ihm die Forrmi-
lierung: Jede Erkenntnis ist eine gewisse Veräluilichung der er-
kennenden Kriifl oder des erkennenden Teiles mit den erkannten
Gegenständen." *)
Die Sinneserkennttiis erscheint als eine Verflhnlichung
der Sinne mit den erkannten Sinnendingen. ^) Im Zusannaen-
luirig damit wird das Wahrnehmen als ein Leiden*) be-
zeichnet und von den Sinnen behauplel, daü sie der Mügliclikelt
nach die sinnlichen Formen enthalten.*) Wo findet nun jene
Verähnlichung staLL und Jenes Leiden? In dem beseelten Organ,
dieses als einheilliches Subjekt gedacht, wie Aristoteles lehrte,
oder lediglich in dem materiellen, rein physischen Gebilde, Organ
genannt, wie Augustin*') annahm? Wilhelm läßt hierüber keinen
Zweifel. Ein beseeltes Organ, das der Träger sinnlicher Empfin-
dungen wäre, kennt er nicht. Wie schon erwähnt, ist nach ihm
das Subjekt der Empfinduni? die Seele allein, die Organe da-
gegen bilden bloü die Vorbedingungen für die ßetheiligung der-
selben. Nun vermag ein geistiges Princip wie die Seele
') De retributioniliuä sanctorum, Tora. I.. p. :^I7 (Ij: Jan» auLem de-
rlanituin est in lihro de seusu et sensalo el I» aliis IJbris d«; hm- quml vifliii
ni>n est nisi Jiäsiniilalio viilenlis ... et ad liiinc inndum se baliel eliatn de
alüa »en^ihua, iromo generaüter de DninU}Us apjirehensionihus. Thomas von
.^quin dagegen verweist hei lUesein Axiom auf den T^iber de chunis; v|;I.
Bardenhewer. a. u- O. S. Äi'».
') De L'n. V. p. 1. t*. 14^ p. 821 (2!: omnis cuynilin noftra assimilatio
qiiaedani est ad ipsa cognila secundum cam viin vel partem, per quam
cognosruntnr
') De l'n. II. p. L r, 14, p, 821 (2): ut si per sensus cotmoscuntur,
assimilatio erit sensu»; ad ilta, tit evident est in tarlti et viiiu el in oinnibus
sensibu:«.
•1 De an. 1 f», p. 7u (2): Quare si scntire pati est, eril in eodeni, in
quo el polenlia sentiendi.
*1 De an. III. 4, p. 207 (2h Sensus enim ... est potenlla batiens for-
ttiiLH sensiliile» sive siniilitudinc^: euiiini.
■) AI Srliniiil, Ki Icennlnislelire, F'reibufb' i l^r \m\ I, S. ^l :181.
I
_ 29
nichts Materielles, keine körperliche Wirkung, in sich aufzuneh-
inen, wie auch andererseits die körperlichen Dinge nur wieder
auf einen Körper wirken können.*) Daraus ergibt sich mit Not-
wendigkeit, daß sich die Einwirkungen der Sinnendinge und die
bei der sinnlichen Erkenntnis stattfindende Verähnlichung, welche
auch ein Leiden genannt wird, nur auf die körperlichen Organe
erstrecken. In dem Organe eines jeden einzelnen Sinnes muß
ein Bild des wahrgenommenen Gegenstandes eingeprägt werden.*)
Das Auge wird weiß beim Sehen der weißen Farbe, es nimmt
Licht auf beim Wahrnehmen des Leuchtenden.*) Ferner ist
klar, daß diese Bilder in den Organen rein körperlicher
Natur sind und nichts Psychisches an sich haben. ^) Was Wil-
helm „ Leiden" nennt, das erweist sich als Aufnahme einer phy-
sischen, in das Organ übergehenden Qualität, wie der Farbe,
des Lichtes, der Wärme, ^) und der oben erwähnte Begriff der
«Möglichkeit" bedeutet nichts anderes als die körperliche Be-
schaffenheit der Organe, durch welche sie föhig werden, jene
materiellen Wirkungen in sich aufzunehmen, wie ein Spiegel
durch seine Glätte die Bilder der Gegenstände aufnimmt.*) Die
■j De an. V. 5, p. 1!9 (2): curpus enim agens in corpu.s per fornias
sensibiles.
') De Un. II. p. I. c. 24, p. 821 (2): in organu enim uniuscuius<|ue sen-
»us necessc est imprlmi similHudinem eius, quod per ipsum sensibiliter
cugnos<-itur seu sentitur. Vgl. de an. I. 5, p. 70 (2).
') De retrib. sant-L, Tom. I. p. ai7 (I): Si sit visio albi, erit assimi-
latiu ulbi et uculi et albatio uculi, sie visiu lueidi illuminatio oculi.
*) De an. V. 5, p. 119 (2): cum illae subslantiae sensibiles) non turant
niüi |)er formas sensibiles nee iniprimant iinpressiones, quae veniant usque
n*i aninias nosti-as.
'■•) De an. I. 5, p. 70 (2): queniadmudum passio vel inipressio, quae est
a lucido Tel colorato in bumore crystallino, qui est in oculo, indubitanter sit
recipere. Vgl. ebend. S. ß9 (2).
*) De an. V, 5, p. 120 (2): si viitus intellectiva non esset in corpore
bumano nisi quemadmodum receptibililas formai-uni visibilium aut quemad-
modum in speculo politio et tersio. De an. II. 2, p. 74 (2): Kt haec causa,
prupter quam instrumenta omnia sensuum creata sunt in dispositionibus ap-
tis ad receptiones impressionum a rebus sensibilibus. Vgl. De Un. II. p. II,
c. 6U, p. U22 <l).
30
Pupille des Auges muß farblos sein, das Organ des Geschmackes
selbst ohne Geschmack. *)
Es liegt auf der Hand, daß die eben dargelegte Auffassung
Wilhelms von der sinnlichen Erkenntnis, wenn er dieselbe eine
Verähnlichung mit den erkannten Objekten nennt, mit dem (Ge-
dankengang des Aristoteles sich noch kaum vergleichen läfit.
Es fehlt jedes Verständnis der für die aristotelische Em-
pündungslehre entscheidenden Begriffe „des beseelten Organs",
«des Leidens*, „der Möglichkeit " Diese sämtlichen Bestim-
mungen des Slagiriten werden von unserem Scholastiker ledig-
lich auf die materiellen Organe bezogen. Wir erblicken hierin
nur die Konsequenz seiner eigenen Ansicht vom Verhältnis der
Seele zum Leibe, demzufolge die erstere als ein geistiges, körper-
lichen Einwirkungen unzugängliches Princip erscheint, sodaß die
äußeren Gegenstände nur auf den Körper und dessen Organe
einzuwirken vermögen, ohne die Seele selbst zu beeinflussen.
Dazu kommt aber noch, daß schon den späteren Peripatetikern,
wie auch den arabischen Philosophen, von welchen ja Wilhelm
die aristotelischen Lehren empfing, die tiefere Auffassung des
sinnlichen Erkennens als einer immanenten Thätigkeit des be-
seelten Organs und des Erkenntnisbildes als einer immateriellen,
stofflosen Form abhanden gekommen war. An die Stelle der
letzteren setzte man rein körperliche Bilder. *)
Mit der Einprägung eines materiellen Bildes im Sinnesorgan
hält aber Wilhelm den Vorgang der sinnlichen Erkenntnis noch
keineswegs für abgeschlossen. Das körperlicheBild ist nur die
unerläßliche Bedingung für den eigentlichen Empfindungsakt,
welcher rein psychischer Natur ist und von der Seele allein
vollzogen wird.*) Den psychischen Charakter der Sinneser-
kenntnis hebt Wilhelm hervor in seiner Polemik gegen Alexan-
') De an. U- 2, p. 7-J (1. 2).
') Siebeck, Geschichte der Psychologie, I. 2, S. 432.
') De an. I. 5, p. 69 (2): In ipso sentire duo intelligit omnis intelligens,
videlicet receptiuneia tormae sensibilis in oi^ano sensus et cognitionein a'ive
'udicium, (jucd jier illam fit tamquam per signuni.
3^
der Aphrodisiensis. *) Unser Scholastiker sieht in dem be-
rühmten Commentator des Aristoteles einen Philosophen von
hervorragender Bedeutung und nicht geringem Ansehen.*) Die
Autorität und der Name dieses Mannes scheinen von gewaltiger
Zugkraft gewesen zu sein ; denn nur so begreifl sich der feine
Spott gegenüber schnellgläubigen und unselbständigen Nachbe-
tern,") sowie die eingehende Beachtung, welche Wilhelm Ale-
xanders Lehre vom Wesen und Ursprung der menschlichen Seele
widmet.*) Er habe gelehrt,*) die menschliche Seele sei nur die
Harmonie der körperlichen Elemente und sie verdanke infolge
dessen ihren Ursprung einer möglichst günstigen Verbindung
derselben, eine Meinung, wie sie ähnlich von PhÜolaus vertreten
worden sei. Damit schienen nun, abgesehen von der Leug-
nung der Unsterblichkeit der Seele, auch die Thatsachen der sinn-
lichen Wahrnehmung wie des geistigen Erkennens zu bloßen
körperlichen Eigenschaften oder physischen Vorgängen herab-
zusinken. Dieser materialistischen Deutung der Empfmdung
gegenüber betont Wilhelm, dafädie Aufnahme^higkeit des Auges
und die wirkliche Aufnahme der sinnlichen Bilder in demselben
noch keineswegs für das Zustandekommen des Sehaktes genüge. *^)
Bis zu den Zeiten Alexanders sei es nicht bezweifelt worden,
daß zum materiellen Eindruck im Sinnesorgane die Erkenntnis
der Sache selbst und die Beurteilung derselben hinzukommen
müsse.') Nur jenes Princip ist in Wahrheit sehend, welches die
*; Wilhelm kennt den Interpreten des Aristoteles nicht aus dessen ei-
genen Schriften (De an. V. 4, p. 117 {!): iuxta Aristotelem, cuius libros expo-
suiäse Alexander dicitur), sondern durch Vermittlung der Araber, nach Jour-
tidin (Rechercbes critiques S. 297), des Averroes.
'J De an. V. 3, p. UO (2).
•) De an. V. 3, p. 116 (2i.
*} De an. p. 114—121.
^) l'e an. V. 3, p. 114 (2): eam(aniniam} oriri et esse ex contemperantia
eleiiienturum, ac si diceret ex bonitate complexionis tamquam ex consonan-
tissima coniunctione ipsorum.
*) De an. V 5, p. I20 (2): quapi'opter quemadiiiodum receptibilitas for-
maruni visibilium non facit oculum potentem videre sive aptuni vel idoneuin
ad Tidendum . . .
^} De an. V. 6,p. 121 (1): Amplius, non fuit dubitatuni usque ad tempora
lata, quin actus videndi in duobus consistat vel saltem iUa .... requirat,
3S
Farben erfaßt und lietiierkl, über dieselben urteilt und dieselben
von einander miterscheidt'l.') l)i*_' genannten Thäti((keiten aber
können keinem Oi^an, niclit einmal den rorzügHchsten kör-
[lerlicheii Teilen, den Nerven oder gc'slartigeii StolTen, zuerkannt
werden ;=*) sie setzen vielmelir eine innere, hühere Kraft, ein votn
Körper verschiedenes, geistiges Princip, die Seele vorau?. *}
WillieliM unterscheidet also scharf und entschieden einen
doppellen Fnklor, einen iiliysi^chen und einen psychischen.
Der fc^rnplituJutigsvürgaiig niuU nacli seiner wesentlichen Seite
als eine Thütigkeit der geistigen Seele betrachtet werden, als
ein Auffassen, Bemerken uiitl Beurteilen*) der Auüendinj^e oder
ihrcf (Jualifälen, wie Farbe» Tigur u. s. w., und /.war ilurch Ver-
niiltlung und auf Veranlassung der in den üi-ganen Jibgijpraglen
ntaleHelten Bilder. '•) Die Erkenntnis bezieht sich direkt auf die
auÜereii (legeiistände selbst, nicht auf ihre körperlichen Ein-
drücke in den Organen,") welch letztere nur die veran-
lassende Ursache für die erkennende und urteilende ThiUig-
keit der Seele sind. Die körperlichen Bilder selbst treten nicht
I
I
videliret impressionem sive reccptionem passioiijs, quae sil in <hu1d vtsilnli,
el cognilionern sive iudicationeiiL, per qunm co^noscitur res rpsa vlBibills et
iudicnLur de eu. iiualis coloris aut Kgurae sit. Vgl.de «n. f. &, |i.»i9 (2); 70(2).
') De an. V. *'i, p. 121 (2}: Quwl euiin culorea apprehendit vel percipit
9| de eis iudicat eosque ob invicera diiudicat et diseernit. Uuc proprie ai:
vere iic aointa videiis est.
^) De aii. 1. •% p. 7n r2\: Verum neitin ndtiuc eu us4|ue deliravit, ut
diceret. nervuiii vel spiritum visihileiu aÜ'fuid fu^noscere vel de aliquo iudi-
Ciire. Cber die feinen körperlichen SlutTe ;spiriUis), welche die VerniitUer*
>o)le ijpielen mußten zwiüchen dem Körper und der Seele, bemerkt Wilheliti,
»r kenne nur den Namen, eine Schrift liiei-Ölipr sei nicht auf ihn gekommen,
und die Untersuchung über dieselben kuimue den Ärzten zu. De an. VI. 35,
p. IWö (2).
') Ue an. V. li, p. 121 i2): lam denlaraluni est tibi per hoe, ([uia ne-
((ue ui-uluä videl iieque eiutt est videre neque alicuiua, (|üud in eu äit, »ed nnt
inlerioris el äubülioris virlulis al ipäi uculu doniinaiiU'$siiue iinperaati:^
*) Vgl. Anni. 1.
*) De uD. I. ü. p- ii*') {2): cugnilioneni sive Judicium . i|Uod pt;r illitin
(fonnam senaibilein« Ht tami|uain per signutii.
") De relriU sancl., Toni. 1.. p. 318 (I): quia iinpiessiu, quae lil la
ociüo a re visa, non videlur, »ed magis rc», a qua iniprete>a vaX.
33
in unser Bewußtsein, und ihre Existenz ergiebt sich erst aus einer
^fens angestellten Betrachtung 0
Der ganz augustinische Charakter dieser Ausführungen,
sowie ihr Abstand von der peripatetischen Lehre der späteren
Scholastiker in diesem Punkte läM sich nicht verläugnen. Wil-
bdm kennt keine geistartigen, stofflosen Formen, welche durch
£e Einwirkung der Außendinge erzeugt werden. So kann
Ton einer Behandlung der Erkenntnislehre auf aristotelischer
Grundlage bei ihm noch keine Rede sein.
Die noch übrigen Bemerkungen unseres Autors beziehen
sich auf die Gewißheit, welche der Sinneserkenntnis zukommt.
Dem Gesichtssinn ist es nicht freigestellt, zu urteilen, daß das
Weifie anders sei als weiß,') und der Tastsinn kann nicht an-
ders urteilen als nach der Beschaffenheit der Eindrücke, welche
sein Organ empfängt. Diese sind die imtrüglichen Zeugen ") der
iufioen Dinge. Wenigstens hat dies Geltung bei allen den ein-
xdnen Sinnen eigentümlichen Objekten. Hier giebt es keine
Täuschung, mag sie sich auch vielfältig finden bei der Wahr-
nehmung der sämtlichen Sinnen gemeinsamen Verhältnisinhalte,
wie Zahl oder Größe.*) Allein in diesen Fällen verbessert die
höhere Kraft des Verstandes die Irrtümer der Sinne. '^) Indem so
Wlhelm die bezüglichen Lehren des Aristoteles wiederholt, vertritt
w auch dessen realistische Ansicht, daß die Sinne uns zwingen.
') Ebd.r Disi forte quis de eis considerationem perse fecerii, quemad-
modam et dos sie loquentes facimus.
*) De virtutibus, T. I, c. 9, p. 120 (2): noa enim liberam est visui,
hidicare albam allerius modi esse qaam album neque tactui de firigido Tel
alido aut de quocunque aliorum sensatorum suonim aliter iudicare quam
IKont ab eo recipit aut patltur.
*) Ebd.: Est enim passio, quae imprimitur sensui asensato, generaliter
vi tMtä testificans a sensato, quäle sit
^} De an. IIL 7, p. 93 (2): Nun enim omnis apprehensio sensibilis falsa
Vfli mokdax est, qaeroadmodum dicit Aristoteles, quoniam sensus circa pro-
iria Kimta neque errat neque mentitur, ut lactus non errat circa calidum
Mit frigidnm , verum circa primum et magnum et maius et minus
frequento- errat nobisque mentitur.
*) Ebd.: Necesse igitur est occurrere vim seu virtutem aliquam, quae
poMt et invenire et cognoscere errores et mendacia sensuum .... Et hoc
crt, qnod vocamns vim seu virtutem rationabilem.
3
u
eine ftnfiere WeU toq sinnlicben and einzeiDen Dingen anzo-
nefameDt und zwar mit jenen Beschaffenheiten ausgestattet, wie
sie ron den Sinnen erkannt werden. ^) Das Gebiet der letzteren
alKT entreckt sich nur auf die äufieren, materietten Eigenscliaf-
tpn der Sinnendinge. Hier bleibt das annliche Erkennen stehen.
In da^ innere, immaterielle Wesen auch der sinnhcfaen Gegen-
stände Terroag es nicht mehr einzudringen.'} Dies ist bereits
Autigabe einer höheren, von den sinnlichen Kräften verschiede-
nen, organiosen Seelenkraft, nämlich des intell^tes.
in.
Die Erkeutus des faiteDektca.
Wie bei der sinnlichen Erkenntnis, so bringt Wilhelm mehr
noch auf dem Gebiete des geistigen Erkennens sane psy-
chologische Ansicht von der völligen Einfachheit des See-
lenwesens zur Geltung. Ist die Seele unteill>ar, so muß auch
der höheren Erkenntniskraft Unteilbarkeit zukommen.*) So
werden die sämtlichen Funktionen des höheren Erkennens, die
Bildung abstrakter Begriffe, das aus Voraussetzungen durch
Kchlu^verfahren abgeleitete Wissen, das unmittelbare Erfassen
der obersten Grundsätze, auf eine einzige, mit der Seelensubstanz
selbst zusammenfallende Erkenntniskraft zurückgeführt, welche
von unserem Scholastiker fast durchgehends mit dem Namen
«Intellekt" bezeichnet wird. Die auch noch späterhin festge-
haltenen Unterschiede von „ratio" und »intellectus***) drücken
') De Un. II. p. L c. U, p. 821 (2): quemadmodom sensibilia et par-
ticnUuria necesse est esse non solam simpliciter. sed etiam esse ea, qaae sen-
tiantur.
*) De an. V. 18, p. 143 (2): Quapropter manifestum est, sensnm forüt
Stare vel sistere in varietate huiusmodi (sensibilium accidentium), non etiam
substantiarum intima penetrare. Vgl. De Un I!. p. III, p. 1067 (1).
') De an. VII. 10, p. 217 (1): cum iam declaratum tibi sit animam ho-
manam impartibilem esse; quanto fortius igitor impartibilem esse necesse est
virtutem cognoscitivam ipsius nobilem.
*) De virtutihus Tom. I, c. 1, p. 108 (1): nee est differentia inier vim
intellcctivam et vim ratiocinativam; una enim prorsus vis est animae humanae
apprehensiva nobilis sublimium reruni. In eodem enim prorsus generatur
Hcientin ronclusionum, in quo est scientia vel intellectus principiorum, et ni-
85
W
^
nnr zwei vepscliiedene Erkennlnisweisen eines und desselben
Subjektes aus. Das Gleiche ßill auch von den theologischen Un-
lerschcidungcn der „synderesis* und der „conscienlia.**)
Beide dürfen nicht als getrennte Vermögen betrachtet werden,
sondern nur als verschiedene Funktionen derselben intellektiyen
Krafl. Insofern diese die sittlichen Normen dew Naturgesetzes
infolge unmittelbarer göttlicher Kinstrahlung irrtumslos erkennt,
heißt sie .sjnderesis\») insofern sie aber moralische Urteile fallt
bei einzelnen Handlungen .conscientia." >*) Wenn die heiligen
und weisen Lehrer die .synderesis* den höheren Teil des Kr-
kennlnisverniögens nennen, so ist damit nicht eine Scheidung
innerhalb der Seele selbst gemeint, sondern jene wollten nur die
Uichlung des Intellektes auf die großen, geistigen Güter anzei-
gen.') in ähnlicher Weise werden ferner die von Avicenna
herübergenommenen Kinteilungen eines intelleclus theori-
ciis oder speeuUtivus und eines intellectus practicus'')
nicht als verschiedene Seelenvermügen aufgefaßt, von denen das
erslere sich ausschhetilich mit den göttlichen und hinimtischen,
das letztere mit den menschlichen und irdischen Dingen besclmf-
ligi».*) Es handelt sich hiebei um verschiedene Objekte und
k
hil (fTohihel in eadem axütna faumana secundum eandem rim esse duas qua*
tilale» eiu&detn speciei. \^\> he l'ti. II. p. IL u. 11^, p. i>Ob (l,i.
'i V^\. Werner, Die Tsjchülo^ie des Wilhelm v. Auvei-gne, S. *l:i ff,
Wübelm Dennt als diejenigen, welche zum erslenmal den Ausdruck ,syride-
reeis' gebrauchten, ganz unbeslicnuit .einige von den hervorragenden cliriHl-
Ueben LehTtTn' oder in anderer Wendung «jene weisen und hciliifen Lehrer."
Cber den Unjprung dieses BegrilTes siehe u. a. Kndres, Alexander v. Haies,
S. Hl.
^) De an. VII. 13, p. 22(> i2): synderesis nunquain crrans et aunquam
cesana a cüntradiclionc el rebellione mnloruin non pütest esse vel did in
anim« bumana nWt splendor iate legis naturalis aul sin iulellectiva inquan-
tnin splendet lumJne huins legis, seil, naturalis.
') De an. VII. 14, p. 221 (2): Amplius, i[uid est contin conscientiain
propriam agervV et intendu cunlrarium eius, quud »uil. vvl cnüit, vel opi-
nalur agendum, facere; nihil igitur aliud est cunscientia ijuain scientia vel
craluliLas vel üpinio.
V De an. VII. 13, p. 219 (1).
») De an. VII. 10, p. 21«. 217.
*} Ue an. VU. 10, p. 21G (2i; cl haue inibecillitalem ineinini lue au
diaso eliain bis verbis, videltccl ijUüniant alia est vis iiUelleiitiva quue divinjs ac
3»
36
Arten des Erkennens, während das erkennende Vermögen nur
eines ist, der Intellekt. Was die Erklärung anlangt, welche Wil-
helm selbst von diesen Ausdrücken giebt, so bezieht sich der
theoretische Intellekt auf die jeder Wissenschaft eigentümlichen
Gesetze, während der intellectus practicus nur ein auf die Er-
fahrung einzelner Fälle gegründetes Wissen ist. *) Wilhelm denkt
hier offenbar an die Ausführungen des Aristoteles in dem ersten
Kapitel des ersten Buches seiner Metaphysik, wo die Unterschiede
zwischen dem theoretischen und dem bloß empirischen Wissen
dargelegt sind. Andererseits weist unser Scholastiker auf die Be-
deutung der in Rede stehenden Termini nach christlichem Sprach-
gebrauch hin, wonach der praktische Intellekt die Beziehung
des Denkens zum sittlichen Handeln bezeichnet, während der in-
tellectus theoricus die Betrachtung der göttlichen Dinge zum Ge-
genstande hat. Die christliche Tugendlehre verwertet diese
Ausdrücke in der Einteilung der Tugenden in theoretische und
praktische.*) Wenn Wilhelm endlich noch eine dritte Art von
Intellekt, den intellectus adeptus erwähnt, so geschieht es,
wie in den vorhingenannten Fällen in der Absicht, die Auffas-
sung desselben als einer eigenen Seelenkraft abzuweisen. Der
Terminus selbst stammt von Avicenna, welcher denselben sei-
nerseits dem Alexander Aphrodisiensis entnimmt und damit
die vierte und oberste Entwickelungsstufe des Intellektes, seine
unmittelbare Verbindung mit der thätigen Intelligenz bezeichnet. ^)
coelestibus se intermittit sotummodo, alia quae de rebus humaDis et terrenis.
Man darf wohl diese Stelle Wilhelms mit jenem Satze des Avicenna in Zu-
sammenhang bringen, wo der letztere von der Seele sagt, dafi sie zwei Ant-
litze habe: ein Angesicht gegen den KOrper hin und ein Antlitz gef^en die
hohen Principien (der Intelligenz) hin gewendet, worunter Avicenna die prak-
tische und die theoretische Vernunft versteht Haneberg, Erkenntnislehre
von Ibn Sina, S. 199 f. Siehe oben S. 22 Anm. 2.
*) De an. VII. 10, p. 217 (1): intellectus theoricus intellectus est sive
scientia intellectiva aut intellectualis theorematum uniuscuiusque doctrinae
vel diaciplinae Sic et intellectus practicus scientia est proprie, quae
aequiritur per experientiam operum.
■) De an. VII. 10, p. 217 (I, 2).
•) Haneberg, Erkenntnislehre von Ibn Sina, S. 204— 20G. Avicenna
hat auch noch die Bezeichnungen intellectus accommodatus seu ac
qnlsilus fflr den vovc intxt^ios des Alexander.
37
Wilhelm dagegen versteht unter dem intelleclus adeptus die Re-
flexion auf die eigene Erkenntnisthäligkeit,*) welche nach dem
Zeugnisse des Themistius durch eine feste Richtimg des Intel-
lektes auf die inneren Akte und durch Gewöhnung an das Gei-
stige erworben werden müsse.")
Wie aus alledem zu ersehen ist, steht der christliche Scho-
lastiker nicht gerade unfreundlich den fremden Ausdrücken ge-
genüber, wiewohl er wenig Lust und Geschick zeigt, sich
auf die damit bezeichneten Gedanken näher einzulassen, was in
durchgreifender Weise erst durch Albertus Magnus geschah.^)
Wilhelm sah seine Aufgabe vornehmlich darin, dem immer stär-
ker hervortretenden Bestreben entgegen zu Wirken, mit den ver-
schiedenen Termini eine Mehrheit von erkennenden Kräften in
die Seele einzuführen.*) Das erkennende Vermögen ist nur ein
einziges und einfaches, der Intellekt.
Man kann nun fragen, wie unterscheidet sich die in-
te tlektive Kraft von den sinnlichen Erkenntnisvermögen?
Wilhelm kennt, wie auch die gesamte spätere Scholastik, einen
Unterschied beider in doppelter Beziehung, mit Rücksicht auf
ihre Belhätigung und bezüglich der Objekte, auf welche
beide gerichtet sind. Der Intellekt gehört zu den höheren
Kräften*) der Seele, welche den Adel derselben und ihren Vor-
') De an. VII. 11, p. 217 (2): intellectus iste est, quo ipsa anima hu-
mana intelligit se esse intelligentem.
') De an. YII. 11, p. 218 (1): anima bumana non intelligit intellectum
suum ei intelligere, donec fixus atque tirmatus sit in eo intellectus, sicut
(licit Themistius, expositor Aristotelis supra librum posteriorum eiusdem.
Nee aliud intelligu tixum vel firmatum esse intellectum quam acquisitum et
assuetum rebus intelligibilibus tamquam earum assuefactione circa eas fir-
matum et delatum.
') Haneberg, Erkenntnislebre von Ihn Sina, S. 209 f.
*) De an. YII. 1, p. 203 (1): Ubi primum perscrutandum erit de na-
tura intellectus et de operationibus eius, utrum una an plures sint, . . .
deinde quid est ipse intellectus materialis, quid intellectus adeptus, quid in-
tellectus tbeoricus, quid intellectus practicus.
^) De an. VI. 9, p. 165 (2): cum aliae vires sint in ea (anima) princi-
{tales, et, ut ita dicatur, ipsae (?) praecipuum ac nobilissimum sui esse scire
potuerunt et debuerunt
38
rang vor den unvemünfligen Tieren begründen. ») Gegenüber
den sinnlichen Kräften, welche sich nur durch ein körperliches
Organ, belhäügen können, zeigt sich die inlellektive Kraft als
völlig unabhängig vom Körper und von einem körperlichen
Organ, und ihre Thätigkeiten vollzieht die Seele in sich selbst
und duR-h sich selbst ohne Bellülfe des Körpers.*) Gerade die-
sem Punkt, der völligen Unkörperlichkeit des Intellektes, schenkt
Wilhelm eine bpKondere Aufmerkwaiiikeil, freilich zunächst, um
Argumente für die ün.'^lerblichkeit der Seele zu gewinnen. Die
Organlosigkeit des höheren Erkennens schien ihm die wertvollsle
und brauchbarste Prämisse für den Unslerblichkeilsbeweis des
menschlichen Individuums abzugeben. Darum zieht er, wenn
auch mit einigen Umgestaltungen, jene Erwägungen heran,
welche Aristoteles und unter den arabischen Peripatetikern be-
sonders Avicenna") für die Geistigkeit und Unabhängigkeit des
höheren Erkenntnisvermögens vom Leibe ins Feld führen. Der
Sinn erleidet beim Wahrnehmungsakte eine physische Verände-
rung. Das Organ des Tastsinnes wird warm, die Feuchtigkeit
im Auge leuchtend,*) Ganz entgegengesetzt verhält sich der
Intellekt. Von den intelligiblcn Objekten geht nichts auf ihn über,
wie das Warme und Leuchtende auf das sinnliche Organ. Der
Intellekt leidet nicht von den geistigen Objekten , wie der
JSinn von den körperlichen Eindrücken.^) In ihm findet sich
') Ebd.: Et hoc est quod dicitar praecipuum ac nobilissimuni, ifuoscilicel
Iiraecellit iinitnalmH irnitionalihus. Es ist jener Teil der Seele, welchen die
Ausleger des Arisloteles und dessen Anh5nger für tinsterblirlt liiellen. Ebd.
') De an. V. 22, p. 147 (2): Anima vero nostra subliniiores atque prae-
cipuas vires su&a el operitliünei< habet seorsim a corpore, hoc est non alliga*
las corpori, . . . sed libere at(|ue expcdile absque adiulorio et luinisterio cor-
poris et per illas uperatur vires^ videlicet el liuiusmodi üperationes pt^ragit et
pcrticit. Vgl, De an. II. II, p. 82(1) acire el inlelligere totaliler in anima
sunt, ila videlicet quod nihil »ui hatieaul In corpore.
') StöckI, Geschichte der Philosophie des Mittelalters, 11, S. 40.
*) De immnrU an., Tora. I, p. 335 (2): sensus non applicatu-t sensalis
ahsque assimilalione nti ut taclus calido absque calcfacLioae etvisua lucido
absque illuminaiione.
*) Ebd.: Intelteclus aulem e contrario se habet in hoc. Com eniui in*
Lelligit aliquid, non denominatur ah eo, qiiod inlelÜgit; nihil enira est de
inlelligibilil'us apud inteUectum nisi Ibrls ip&a inldlectio, ut insensibustsen*
39
nichts als die Thüligkeil des Erkeiinens, und diese vollzieht sich,
ohne die Qualilälen der iniclligiblen Gegenstände in sich auf-
ziuiehinen.*) Ferner wird der Sinn durch allzu heftige äußere
Einwirkungen zerstört, während da5 umgekehrte Verhältnis beim
Intellekt sich zeigt. Je mächtiger die geistigen Eindi*ücke sind
und je öfter sie erfolgen, desto mehr steigert sich die Fähigkeil
der inlellekliven Krafl, was seinen Gruiid nur in der Unab-
hängigkeit der letzteren von jedem körperlichen Organ haben
kann.') Einen weiteren, unangreifbaren Stützpunkt soll die An-
sicht von der Unkörperlichkeit des Intellektes durch den Hin-
weis auf die Vorgänge der Ekstase und Prophetie erhallen.*')
Diese steilen einerseits den höchsten Grad intellektiver Thätigkeit
dar, andererseits bedingen sie eine vöUige LoslÖsung des Geistes
von dem Körper und den Sinnen. In den genannten Erschei-
nungen müssen wir eine Unabhängigkeit des [nlellektes aner-
kennen, welche jeden Einfluß des Körpers ausschliefit und die
völligste Unkörperlichkeit des liöheren Erkenntnisvermögens
darthut.
So sucht Wilhelm mit Herbeizit-hung einer bunten Mischung
von aristotelischen und christlichen Elementen die Geistigkeit
dos Intellektes zu beweisen. Wie aber der letztere durch die
Art seiner Bethätigung unabhängig vom Körper sich als ein von
den Sinnen verschiedenes Vermögen erweist, so sind auch die
Objekte der intellektiven Kraft ganz anderer Natur als die der
s1>)ilihu«P) ipsii «tenaitio. et sie inanirestum est intetlectum impaasibilein ab
mtelligi hili aut JnU'lligibilibus.
*) Der Aui^ugspunkt dieser ßeweisfülirung dürfte die aristulelisdie
Stdle sein, ArwL de an. Ul. i, 429 a 24: <fto avdt ninix^ai rvXoyuv avtöp
IM «w|ia*r Mow: tu ydp Sw y^-/rotto. x *l'^XIf^i V ^tQt*öc, Vgl- Brcntaoo
die Psychologie des Aristoteles, Mainz IWi7, S. 120, Ann». 4.
'/ l>e iminorU an., Tom. I, p. ;w;H2): visus destmitur ab excedentibua
harmnniani suam, hoc est a vehementer visibilibus; e conU'ario uutciii hahet
se in inlellcctu, quoniatn inlcllectus nun habet partem determinalam in cor-
pore, quae sit in>>truinentuni ipäiu«, et confortatur et invulescit ex vehemen-
ter inleÜigibilibiis. Vgl. ebd. p. 33n(2). Brentano, a. a. 0. S, l'iG n. 8.
'J iJe an. V. 22, p. lil{2}: Manitestiiw autcni est hoc in operationibus
i]uae vocantur exstasis et ntpliu; in bis enim manifeäte cet^al omnis operalio
corporis et inlendo onme adminiculum curporis .... Evjdentissiuium insu-
pcr est boc in iUumiualiuiiibub et revelatiuaibu:! prupbeücif.
I
40
Sinne. Die letzteren erkennen nur die sinnenßilligen Eigenschaf-
ten ') der materiellen Dinge, der Intellekt aber dringt bis zu den
übersinnlichen Substanzen dieser körperlichen Dinge vor. Er er-
faßt femer die geistig e Seele und ihre Thätigkeiten, und endlich
kommt ihm zu die Erkenntnis der geistigen Welt, die Erkennt-
nis Gottes und der in der göttlichen Wesenheit begründeten
obersten Wahrheiten oder Principien.
Damit sind nun auch die Gegenstände bezeichnet, mit de-
nen unsere Darstellung der Erkenntnislehre Wilhelms in ihrem
weiteren Verlaufe sich noch näher befassen muß.
1. Das intellektive Erkennen der sinnlichen Äoftenwelt.
Wenn es sich um die geistige Erkenntnis der äussern, ma-
teriellen Dinge handelt, so stellt Wilhelm die Frage, wie ein
Wissen hievon in die Seele gelangen könne, welches die Ursa-
chen und Bedingungen seien, die eine derartige Erkenntnis mög-
lich machen *). Damit setzt er sich nun in entschiedenen Ge-
gensatz zur platonischen Wiedererin nerungstheorie, welche
er energisch bekämpft. Nach dem christlich gefärbten Berichte,
welchen unser Autor von der Lehre Piatos giebt, wird die
menschliche Seele mit einer Fülle aktueller, fertiger Erkenntnisse
geschaffen *). Infolge der Einsenkung der Seele in den Körper
aber liegen dieselben schlummernd und begraben in ihr') und wer-
den erst durch Übung und Unterricht aufgedeckt und enthüllt *).
>) De an. VII. 1, p. 203(2): sensus non attingit ipsas substantias renini
buiusmodi, sed solas dispositiones earum sensibiles. Vgl. S. 34^ Anm. 2.
') De an. V. 3, p. 116 (2): Quae autem causa sit scientiae et qualiter
scientiae veniant in animas nostras vel acquirantur ab eis, faciam te scire in
sequentibus. Vgl. de an. VIL 1, p. 203 (1).
') De an. VII. 4, p. 208 (1): Plato vero e contrario (posuit), videlicet
creatam illain esse in perfectione et plenitudine scientiarura.
*) De rirtutibus, Tom. I. c. 9, p. 119 (1): Secundum Platonem vero
completi, verum quasi sepulti in terra corporis et obscurati nebulosilate
materiae.
') De an. V. 9, p. 124 (1): nisi forte quis dicat, quod scientiae sive
sapientiae sopitae et sepultae sunt in eis iuxta sententiam Piatonis, postmo-
dum autem procedente aetate deteguntur et revelantur studiis, exercitationi-
bu8 et doctrinis.
41
Schon Aristoteles habe in seiner Metaphysik eine, wenn auch
nicht ganz ausreichende, Widerlegung versucht; <) er habe, wie
Macrobius erzähle, darauf aufmerksam gemacht, 4a£ ^s dieser
Ansicht zufolge kein eigentliches Erkennen und Lernen mehr
gäbe, sondern nur elneWiederinnerung.*) Wilhelm selbst bemerkt*)
gegen Plato und die mittelalterlichen Platoniker, d^ss ihre Lehre
im Widerspruche stehe mit dem richtig gefassten Verhältnis von
Leib und Seele. Der Leib dürfe nicht als Grab der Seele ange-
sehen werden und die von ihnen behauptete Behinderung der
intellektiven Kraft nicht als eine Strafe für frühere, auf irgend einem
Gestirn begangene Sündenschulden.*) Die Seele wisse weder von
Schuld noch von Strafe. Das eigene Bewusstsein ferner bestä-
tige uns, dass wir vor der Sinneserfahrung und vor allem Un-
terricht kein Wissen besitzen, dass dasselbe erst neu in uns er-
zeugt werden müsse. Trüge die Seele wirklich fertige Erkennt-
nisse in sich, so müsste ihr wenigstens eine Spur davon bewusst
werden^), denn nichts erkennt sie klarer als sich selbst und was
in ihr ist, ihre eigenen Zustände.
Es giebtalso keineangeborenen,fertigenErkenntnisse.
Aristoteles behält Recht, wenn er behauptet, dass die Menschen
zwar nach ihrem natürlichen Sein, ihren Wesenabestalidteilen
und deren Kräften, vollkommen geschaffen werden, dass sich aber
die letzteren erst zu der ihnen eigenen Vollendung entwickeln
') De virlut, Tom. I., c. 9, p. 119 (1); Licet autem opinatus sit Aristo-
teles Piatonis sententiam destruxisse in libro metapbysicorum . . . ., multas
tarnen quaestiones et determinationes difHciles pro et contra se reliquit.
*) De vitiis etpeccatis.Tom. I., c.5, p. 271 (2): Unde, sicut nari-at Ma-
crobius, et Aristoteles animas nostras posse aliquid discere negavit; non enim,
ioqnit, discunt^ quae a natura habebant, sed magis reminiscuntur seu recor-
dantur eonun. Wilhelm schApfl also, wie es scheint, seine Kenntnis der
Einwände des Aristoteles nicht aus direkter Quelle.
■) De Univ. 11, p. III. c. 19, p. 1051 f.
*) Eingehend beschäftigt sich Wilhelm mit der Präexistenzlehre, mit
der Lehre von der Seelen Wanderung und dem AufenthaU der Seelen auf den
Gestirnen De Un. I. p. IL c. 13—15. p. 701—707. De an. V. 9, p. 124 f.
*) Das letzte Argument findet sich bei Aristoteles, AnalyL post II. 19,
99b 20; Metaph. L 9, 993a 1. Vgl. Zeller, Die Philosophie der Griechen,
3. Aufl., 11 b, S. 189.
42
müssen >). Seit dem Sündenfalle wenigstens tritt die Seele leer
von allem Wissen ins Dasein, wie eine unbeschriebene Tafel,
wie ein Spiegel, in dem noch kein Bild reflektiert worden ist*).
Die Erkenntnisse müssen von der erkennenden Kraft völlig neu
erzeugt werden.
Im bewussten Gegensalz zu den Platonikem des Mittelal-
alters stellt sich der Scholastiker des begonnenen dreizehnten
Jahrhunderts auf die Seite des Aristoteles. Die Seele trägt das
Wissen nicht schon in sich, sondern sie muss es erst erwerben.
Nun begreift sich auch die oben gestellte Frage nach der Art
und Weise, wie die Seele in den Besitz des Wissens gelangen
könne. Wie schon früher erwähnt, hat Wilhelm den Grundge-
danken der aristo leli sehen Erkenntnislehre aufgenommen, dass
jede Erkenntnis durch eine Verähnlichung des Erkennenden mit
dem Erkannten zu stände komme '). Dieses allgemeine Gesetz
findet Anwendung wie auf die sinnliche, so auch auf die geistige
Erkenntnis. *) Das intellektuelle Erkennen ist somit bedingt
durch ein Erkenntnisbild, und zwar nicht mehr durch ein sinn-
liches, sondern ein von diesem gänzlich vei-schiedenes, intellek-
tuelles Erkenntnisbild*), dessen Subjektkein materielles Organ,
sondern die geistige Seele selbst ist. Zwei wesentlich verschie-
^) De virlutibus, Tom. I. c. 9, p. 124 (1): £t quidem secundum Aristo-
telem creantur homines perFecti prima perfectione , quae est naturae,
quo«! est dicere perfectione maleriae et formae, hoc est anima et corpore,
potentiis et viribus; perfectibiles sunt autem secunda perfectione. Wir haben
hier die aristotelische Unterscheidung des bloäen Seins von der ThäUgkeit
dieses Seins, der ersten und zweiten Energie, des actus primus und secundus
der Späteren.
•) De virtulibus, Tom. I. c. 5, p. 114 (1): Similitudo vero, qua utitur
Aristoteles in rebus istis de tabula non scripta et de speculo, in quo nondum
reluxit formae alicuius apparitio, intentionem eius satis exponunt . . . ., quam
opinatus est (animam) creatam esse vacuam a scientÜs . . . ., veramtamen
receptibilem earum.
") S. Seite 28.
*) De Un. n. p. II. c. 3, p. 1018 (1): Cum igitur uognitio actualis ....
non sit in intellectu nostro nisi Signum rei cognitae in effectu relucens in
ipso intellectu nostro.
'') De an. VII. 6, p. 211 (1): necesse est apud intellectum intelligentem
esse signa intelligibiüa seu formas antedictas.
48
Vermögen entsprochen auch zwei wesentlich verschie-
Erkenntnismiltel. Wilhelm wül sich hiebei auf Aristote-
les stützen, demzufolge ohne Phantasma eine geistige Er-
tennlnis unmöglich sei *). Es zeigt sicli über sofort, dass unser
Scholastiker jene wichtige aristotelisdie Stelle giinzllrli missver-
steht. Aristoteles bezeichnet nämlich damit die iiütxvendige und
uribeilingte Abhängigkeit des Intellektes umt des Denkens von
der sinnlichen Erkenntnis, während Wilhelm den Satz aus dem
Zusammenhange loslöst und pkantasma^ olVenbar wegen des tia-
mit verbundenen hUei/igere (vo^tv), als geistige Erkeimtnisform
pimmt •), so dass er den Gedanken erhält, ein geistiges Erken-
nen werde nur durch ein inleUektuelles Erkennlnismiltel ermög-
licht In ganz frappanter Weise triHl hier zu, was wir eingangs
betncrklen, dass Wilhelm nur allzusehr sich auf ein fragmenta-
nsches Herausgreifen einzelner, häufig irnssverslandener, arislo-
lehscher Sätze unJ Termini beschränke.
Soll also eine intellektivc Erkenntnis der äusseren Dinge
stattlinden, so muss ein geistiges Bild derselben in unserem In-
leUektc erzeugt wertlen. Soviel slr^ht unserem Scholastiker fest.
Wie, durch welche Ursachen kommt tmn diese, unerlüssliche
Vorbedingung, ein derartiges intelligibles ßrld von den materiellen
Einzelndingen, in dem Intellekt zuslandcV Diese Fragestellung
.stammt von Aristoteles, und sc})on er hatte die Schwierigkeit
iner befriedigendi-n Antwort gefühlt. Er versuclite die Lö-sung,
indem er die psychischen Erscheinungen des Erkennens nach
IAmilogte der in der Auöenwelt sich firulenden Vorgänge dos
Werdens und Entstehens dachte. *) Er nahnr nüniiich zur Er-
') De an. VII. 9, p. 'JV* (1); «juu*! ilixJt Aristoteles tn sermnne suo,
videlicct quod iinpossibilcesl intelligi sino phantasinate; oiter, uni die genuue
Obenetwng der aristgtelischen Stelle xu geben. De an VU. <(. p. 211 (1):
Don est possibilc aiiimam inIclUKcre ^ine pliHiitasnmte. Ariftt. «It; an, III. 7^
431a !•>: «f»* ov^tnvtt rvr! UP*r (fmnäOftatuf ij fi^'-j^^.
^P *) De &a. VtL ti, p. 211 (I): non est possibile animam inlellipere sine
phmliLsniate, et inteodu sine signo vel furma inlelligibili. \^\. De l^ii. tl.
p. 1 c H p. S21 (2).
^ft ^ ArisL de an. IIL 5, 430 a 10: 'Eir*i itäamp n äxiiaji rjj fvttt itti
fi ti fxit Pä^ txäarm fitn (fftfto cf» ö Ttärm ttvpäftti ixtiTa), fte^v Sr lö aFitop
44_
klärung jener mtelligiblen Formen in der Seele einen doppelten
Intellekt an, einemoi'e, der alles wird, und einen vovc, der alles
wirkt. Dunkel waren schon diese Ausdrücke, aber die Schwierig-
keit wurde noch erhöht durch die Prädikate, welche der Stagirite
den beiden, die Erkenntnis bedingenden Faktoren gab. Die
mannigfachsten und teilweise sehr abstruse Erklärungsversuche
knüpften sich im Laufe der Jahrhunderte an jene Scheidung
eines möglichen und eines wirkenden Verstandes, von den Schü-
lern des Aristoteles, Theophrast und Eudemus, angefangen bis
in die jüngste Zeit herab, auf Trendelenburg, Zeller und Brentano. *)
Wir zogen die Lehre des Aristoteles heran, um den Punkt
aufzuweisen, in welchem die späteren Gommentatoren, wie auch
die arabischen Peripatetiker, und, von letzteren veranlaßt, ebenso
Wilhelm auf dem Gebiete der Erkenntnislehre einsetzten. Sehen
wir nun zu, wie unser Scholastiker das Problem der Entsteh-
ung der geistigen Erkenntnisformen zu lösen bestrebt ist
Das zunächst liegende Agens, welches als Ursache jener
intellektuellen Bilder angesehen werden könnte, scheint die äuß ere
Sinnenwelt selbst zu sein. Allein die körperlichen Dinge erzeu-
gen nur materielle Formen in den Sinnesorganen, auf die gei-
stige Substanz der Seele vermögen sie nicht zu wirken *). Diese
ist körperlichen Eindrücken gegenüber, wie wir schon bei der Sin-
neserkenntnis hervorgehoben haben, nicht leidensfähig. Aristoteles')
IV Tp ^XW vna(>jffiv raorac tat ^lafopde * xai eartv 6 fitv roiovrof vovc tiä nawxa
yiypia'Sai, 6 fff tiÜ nävia noitiw, mc l'itt rtf, otov to gnag ' rponaw ydf xiwa xai ro
fwe Tiotfi iä iwäfitt QVXa j^pöl/inra irt^/tia jr^öfiara,
*) Brentano, Die Psychologie des Aristoteles. In dem ersten Ab-
schnitt gieht der Verfasser einen Überblick über die sämtlichen bedeu-
tenderen im Laufe der Zeit hervorgetretenen Meinungen von dem vovs
^) De an. V. 7, p. 122 (1): Quia igitur a rebus exterioribus sensibilibus
non est possibile ipsam (scientiani) gigni vet ßeri in anima humana, cum
ultra formas nihil gignatur vel fiat in illa ab eisdem, necesse est ab alio
agente illam fieri in eadem.
■) De Un. IL p. II. c. 74, p. 928 (1): et in hoc concordare videtur
Aristoteles, ubi dicit quia inteltectus non patitur a formis materialibus seu
corporalihus quemadmodum sensus; intelligentes enim calidum non calefimns,
et tamen sentientes calidum calefimus. Die bezügliche Stelle, welche Wilhelm
im Auge bat, kann wohl keine andere sein, als De an. III. 4, 429 a 24— 2ti,
45
und die hervorragendsten christlichen Lehrer ^ stimmen darin
überein, daß der Intellekt keine sinnliche Qualität in sich auf-
nehme, daß er beim Gedanken oder beim Begriff der Wärme
nicht warm werde, wie das Sinnesorgan bei der Wahrnehmung
des Warmen. Als ein Leiden im Sinne der Aufnahme einer
physischen Einwirkung kann das intellektivc Erkennen niclit be-
trachtet werden.
Einen anderen Weg nun hat nach Wilhelms Ansicht Plato •)
eingeschlagen. Dieser nahm zur Erklärung der intellektuellen
Erkenntnisformen eine von der sinnlichen verschiedene Welt all-
gemeiner, ewiger und unveränderlicher geistiger Substanzen an,
welche nach Art der Sinnendinge auf die Seele einwirken und im
Intellekte ihr Bild einprägen sollen. Ausdrücklich bemerkt Wilhelm,
über die Motive ') der platonischen Ideen, der urbildlichen oder
geistigen Welt*), besitze er keinen historischen Bericht, er sehe
sich daher nur auf Vermutungen angewiesen. Seiner Meinung ^)
nach sei es aber die erwähnte Überlegung gewesen, welche Plato
wo Aristoteles, von der Geistigkeit des vove handelnd, sagt: äiö ovAi nt^ux^at
tvXoyov artow rtü Uiöftart ' notoc rtc yäp av yr/poiro, ^ iffv^foc y #/p,«(*V, V *«*'
of/a9ow Ti et^ Sanf^ t<S aia&%Tir.w, Vgl. S. 39, Anm. 1.
M De Un. II. p. IL, c. fiö, p. 914 (2): sensus recipiendo calnrem sive
passionem ex calido calidus fit, quod <lico quantum ad instrumentum tactus,
intellectus vcro intelligendo calorem non fit calidus nee intelligendo colorem
coloratus, quare vel non recipit, ut dixi, quemadmodum sensus, vel omnino
Don recipit, quemadmodum quidam de sapientibus Chnstianorum dixit.
Wilhelm drückt sich immer in der angegebenen Weise aus, ohne einen be-
stimmten Autor zu nennen. Einmal. Dean. VII. 9, p.2l5 (2), spricht er in der
Mehrzahl „einige (gewisse) von den christlichen Lehrern". Unzweifelhaft ist
damit, worauf wir bald noch kommen werden, die I^ehre Augustins gemeint.
Siebe unten S. 54 f.
') De Un. 11. p. I. c. 14, p. 821 (2). Fast das ganze 14. Kapitel be-
schäftigt sich mit der platonischen Ideenlehre.
') Ebd.: quae fuerunt rationes vel probationes Piatonis, non pervenit
ad me. Ponam igitur rationes, quas vel habuisse videtur vel habere potuisset.
*) Ebd.: positio Piatonis de formis sive de mundo specierum, qui et
mundus archelypus et mundus principalium formarum et mundus specierum
et mundus intelligibilis sive intelligihilium dicilur.
") Daran dachte Wilhelm ofTcnhar nicht, wie sich Piatos Theorie von
aoerschafienen Ideen (siehe S. 40j mit der ihm hier zugeschriebenen Ent-
stehung der intellektuellen Formen zusammenreimen lasse.
46
zur Aufstellung seiner Ideenwelt grefuhri hAtte. Unser Scholasli-
ker ist nbcr woil enUernt, die platonische Lclire für riclilig zu
halten; denn die Universalien nis solche besitzen keine objektive
Existenz und infolge dessen auch kein Wirken"), wie beidos die
pintonisdie HypoÜiese voraussetze. *) Ebenso hnbe auch Aristo-
teles die Annahme Platos nicht gebilligt und hierdurch veran-
laßt ■) eine andere Theorie über die Entstehung der Erkennlnis-
bilder aufgestellt.
Die letzteren haben nach der Lehre des Stagiriten
ihre Ursache in einem von der Seele getrennten, rein immateriel-
len Wesen, derlhätigen Intelligenz, welche die Schüpforin der
menschlichen Seelen ist und in der Slufenreihe der Intelligenzen
die zehnte oder unterste Stelle einnimmt. Diese ^intelligenlia
agens" gilt als die Trägerin der Ideen, der intelligiblen Formen,
welche sämtlich in ihr pr^existieren. Wie eine geistige Sonne
strahlt sie dieselben hinein, labt sie dieselben hineinllielien in den
materiellen Intellekt. *) Wilhehn teilt hier fälschlich die Lehren des
Avicenna^J und des ^Liber de causis"«) dem Aristoteles zu,
brinjrt aber damit jene Stelle des achten Aristoteles in Verbin-
dung, an der dieser den wirkenden rorc mit dem Lichte vergleicht.^)
>] De an. VIT. 6, p. 211 (1h uotverealia aufpm vel agere vd pati dod
viJetur esse possiLile.
■) Auf diese hier herHlirten Erßrlerunijen, wck-lie im Sinne Piatos
gehalten siuü und keine.<iwetfs die Ansicht Wilhelms wieilciYehen sollen,
slQtzl mh Haurvau, De k pliilosopbie sculastique, Paris 1850, Tom, I,
p. 444, 44H, wenn er unseren Scliolasliker zu einem extremen Reiili^ten stem-
pelt. Auch Oherweg, Grundriü der Geschichte der Philosophie, Bd. II,
7. Aufl., Berlin 188«, S. 226 beurteilt Wilhelm nach dem Inhalte jenes Ka-
pitels und sieht in ihm einen strengen Platunlker und Vertreter der
Ideeulehre.
■) De Un. II. p. I. c. 14, p. 821 (2): Causa autem, (|uae co&git ipsum
(Aristotelem) haue inlelligeutiam iMjnerc, Tuit |H)sitio PUtuuis de formis sive
de mnndü gpecierum. Vgl. De Un. U. p. 111. c. 20. p. ]0.%3 (2).
•) De an. VII. 5, p. aiO {1); B, p. 211 (2).
•) Brentanu, a. a. 0. S. 8-14.
*) Wo Wilhelm die Erkenn Inisweise der »intelligentia agens' besprichtf
bezieh l er ^<irh auf den Sut^ des „Liber decuusis' : omnls intelttgentia picna est
formis; De an. VII. (K p. 'itl (2j. Vgl. Kardeuhewer a. a. O. S. 17». g 9.
'> Vgl S. 43, Anni. 3.
47
^
Von der für aristotelLscli gehaltenen Intelligenz behauptet er
nämlich auch, da& sie die in dem tnideriellen Intellekt nur der
Möglichkeil nach enthaltenen intelligibleii Formen durch ihre
Thäligkeit verwirkliche, wie dän Licht die bloli poten/Jell vor-
htindenen Kurben in die Wirklichkeit überführe. ') Williehü er-
kennt ganz gut den Unterschied beider Ansichten, ihre Unverein-
barkeil, und will daher in der Lehre des Aristoteles ") einen Wi-
derspruch finden. Auffallend ist aber, daü dieser Zwiespalt ihm
nicht klarer wurde und ihn zur richtigen Kenntnis des Sachver-
haltes führte. Er bemerkt ferner, daü Aristoteles nur für die über-
sinnlichen Wahrheilen eine Inteliipen/. angenommen habe, die
Kenntnis der körperlichen Dinge aber durch Abstraktion aus
den Sinnen herleite, *) wahrend er ein andermal wieder schreibt,
weder in den zweiten Analytiken noch in der Physik werde die
Erfassung der Prinzipien von einer InlelliKunz abhängig gemacliL *)
So macht sith der Mangel an Kritik und einer genaueren Kennt-
nis der einzelnen Autoren bei Wilhelm sehr fühlbar, und über
die damit notwendig verbundene Unklarheit vermochte unser
Scholastiker nicht hinauszukommen. Was sodann die Gründe
anlangt, welche gegen die (hätige Intelligenz ins Feld geführt
werden, so übergehen wir die.^ellwjn, *) da sie so ziemlich ohne
lnteres,<*e sind, zmn Teil üIht mit Ai^gumenlen zusannnen(all«m,
■welche gegen eine andere Meinung vorgebracht werden, die wir
nun besprechen wollen.
Bei den Zeitgenossen W^ühehns scheint eine Theorie
vielfache Vertretung gefunden zu haben, die, ganz abweichend
von den phantastischen Spekulationen der Araber, sich mehr an
den aristoteüschen Text anzuschlieben sachte und bereit in
jene Baimen einlenkte, welche die Scholastiker der Blutezeit be-
traten. Während Alexander Aphrodisicnsis, Avicenna und
Averroßs ein von der Seele verschiedenes, inuaaterlelles Prinzip,
•j D« Un. II. p. 1. c U. iJ. K21 (1, 2j.
*) U« Ln. U. p. l. c. 1«. p. «22 (2).
•) De an. Vll. 0. p. 211 vi). l>e Cn. II p. L c. KJ. p. 822 (2).
•) De an. Vll. .^ p. 210 (I).
*) Werner, Wilhelms V**HiäUiiis zu .Ku l'latnnikcm, S. 30 f. bat
drntelben liemusgehoberi : v^L 1'** l'n, 11. p. I. c. Irt, p. Hä2 f.;
tl. p. II. c. 3, p. lUlS (2J.
i_
4fl
oder, wie der letzlere, zwei unter einander und von der Seele ge-
trennte geistige Substanzen*) annahmen, glaubten diese christ-
lichen Peripatetiker die menschliche Erkenninisthätigkeit aus
der Seele allein, ohno Zuhilfenahme einer Äußeren Intelligenz,
erklären zu müssen. Sie unterschieden daher in der Seele selbst als
deren Teile oder Kräfte einen zweifachen Intellekt, einen ,intel-
lectus nialerialis'* und einen »intelleclus agens*. Das Erken-
nen *) vollzieht sich in einer Thätigkeit und in einem Lei-
den. Dementsprechend muJä es einen materiellen '') Intellekt
geben, welcher die geistigen Erkenntnisformen in sich aufninuul,
und einen thäligen Intellekt, *) welcher dieselben bewirkt oder
hei*vorruft d. h. aus dem materiellen Intellekt, in welchem sie
bereits der Möglichkeit nach vorhanden sind; in die Wirklichkeit
überltihrt. Beide Intellekte verhalten sich zu einander, wie die
Farben und das Sonnenlicht, welches die ersteren aus ihrem
PolenzÄUstand in die Wirklichkeil herausführt, zu wirklich sicht-
baren Farben macht. '^) Lediglich wegen dieser Ähnlichkeil mit
der Materie, welche ja alle Formen, für welche sie empfänglich
ist, der Möglichkeit nach in sich trägt, hat der materielle Intel-
lekt seinen Xamcn,") im übrigen aber ist er ebensogut ein Teil
der geistigen Seele wie der inlellectus agens.
Wir haben hier wohl den pfsli-n Versuch vor uns, welcher
Christi ich etseit» unternommen wurde, um iletiKrkeimlnisprozeü
') Brentano, a. a. O. S. 14-^23.
•) Do an. VII. 3, p. 205 (I): openitloDcm posuernnt ialelleclus. quae
est inlelligenlia, tiuuhus perlici, actione scilicct el passione seu reneplione.
*} Kbd : Et propter tioc posuenint intellectuni materialetn laniquam
rcceplivnm »eu receptiliilein passionum, qunc sunt üi^na intellectus, per iguue
intellerlus appreti<^ndit inleUigibilia.
*) EIhI-: PusuerunL etinm huiusiQgdi pa-ssione» seu rccepliunes intel-
lectui agenti, cuius op^raLio est cdui-cre signa antedirtu, ((uac putcntlatitor
sunt in intelleclu [iialenall, in actum seu eflTectum essendi, el propler hoc
vocaverunt ijwum inlellectuin agentem.
*) Ebd.: quem ad in od um lux iiradiatioae sua educit colores de potentia
in actum eai^endi, sie intellectus agens formas inielligibiles, quae potentia
eranl in lnlelle<-tu materialt.
'} Ebd. p. 2<K'>i2): Atiuni vero propter simililwlinem qunadam, quam
ipsum * ^ ad roaterlam npinati sunt, mnterinlcm dlxerunL
49
im direkten Anschluß an die aristotelische Stelle^) zu erklären,
von welcher alle derartigen Spekulationen ausgegangen waren.
Wie bei Aristoteles, werden die beiden Intellekte in die Seele ver-
legt; die weiteren Ausführungen freilich unterscheiden sich noch be-
deutend von denen des Stagiriten, wie ebenso von jenen des Tho-
mas von Aquin. Der thätige Intellekt wirkt unmittelbar auf den
materiellen, der sensitive Faktor dagegen, die Phantasmen, werden,
wenigstens nach dem Referate Wilhelms, gar nicht berücksichtigt.
Doch scheint es die Ansicht dieser Philosophen gewesen zu
sein, daß der thätige Intellekt nicht selbst ein erkennendes, son-
dern ein die Erkenntnis nur bewirkendes Prinzip sei, welches bei
gegebenen Phantasmen im materiellen Intellekt durch seine
Thätigkeit die intelligiblen Bilder hervorruft.
. Wilhelm macht nun auch gegen diese Ansicht die schwer-
sten Bedenken geltend. Er will die Vertreter») derselben, wie-
wohl sie ihm selbst in der Kenntnis des Aristoteles entschieden
überlegen waren, aus leicht begreiflichen Gründen nicht als
Peripatetiker anerkennen; habe ja Aristoteles den „intellectus
agens" als eine von der Seele getrennte Substanz angesehen. =)
Er tadelt ferner die kritiklose Annahme dieser Aufstellungen von
Seiten vieler*) und fordert vor allem Rechenschaft darüber, ob
ein materieller und thätiger Verstand sich auch aus dem Wesen
der Seele erweisen lasse und mit der Würde des intellekti-
ven Vermögens und dem Begriff eines thätigen Intel-
lektes verträglich sei.
Die Träumerei *) eines zweifachen Intellektes in der Seele
stehe offenbar mit der Einfachheit des Seelenwesens im Wider-
') Arist. de an. III 5, 430 a 10—17; vgl. oben S. 45, Anm. 3,
*) De an. VII. 3, p. 205 (1): Dicam igitur imprimis, quod fuerunt phi-
losopbi et alü poat eos, sequaces Aristotelis, ut eis vtdetur.
■) De an. VII. 5, p. 216 (1): Nee Aristoteles, quem sequi se credunt in
errore isto, hoc umquam posuit vel cogitavit, verum intelligentiam agentem
separatam et spoliatam posuit Vgl S. 46, 47.
*) De an. VII. 3, p. 206 (2): Et quoniam multi deglutiunt positiones
istas absque uUa investigatione diacursionis et perscrulalionis recipien-
tes illas.
•) De an. VII. 4, p. 207 (2): Amplius, unde somnium istud, videlicet ut
Tb intellectira duplex sit sive duas partes habeat. . . .
4
50
Spruch. In der Seele giebt es keine real unterschiedenen Kräfle,
keine realen Teile. *) Ferner liege hierin eine Unvollkomraenheit
des intellektuellen Erkennens gegenüber dem sinnlichen. Die
Sinneserkenntnis komme zustande ohne einen «sensus agens",
lediglich durch das sinnliche Vermögen und die äußeren Ob-
jekte. *) Infolge dessen können auch bei der intellektiven Er-
kenntnis wegen der allseitigen Analogie ') zwischen dem ma-
teriellen Intellekt und dem Sinne nicht mehr als zwei Faktoren
notwendig sein, nämlich der materielle Intellekt und die intelli-
giblen Objekte. *) Die Einführung eines „intellectus agens" sei
ungerechtfertigt und bedeute die Herabwürdigung der intellekti-
ven Kraft. Ein weiteres Argument entnimmt Wilhelm dem Be-
griff eines Uuitigen Verstandes. Nehme man nämlich den Aus-
druck „intellectus agens" im eigentlichen Sinne, ^) so könne
diirunler mir ein aktuell erkennendes Prinzip verstanden werden,
welches seine Erkenntnis in einem ewigen, unaufhörlichen Akt
aus sich selbst schöpft. ^) Damit sei aber der Standpunkt Pia-
los unvermeidlich, einerlei, ob man den thätigen Intellekt mit der
Seele identifiziert oder als eine Kraft derselben ansieht oder als
') De an. VII. 3, p. 205 (2): Quod f;i intelligant istos duos intellectus
partes (luasdam animae humanae esse, non oportet, ut repetam tibi ea, quae
in pruecedentiltus audivisti, in quibus declaraium est tibi dedaratione suffi-
cieiiti anitnam humanam esse impartibilem. Vgl. S. 16.
•) De an. VII. 4, p 207 (2).
') Gemeint ist die Stelle, Arist. de an. III 4, 429 a 16: xai nfioUf
t'x**"* MOntQ x6 aiai}ijjtx6v Ttpoi tä ata&^TÖ, ovr«»? röv vovv npcif xa poi^b, welche
bei Wilhelm De an. VII. 4, p. 207(2) folgendenden Wortlaut hat: Sensus enim
ad inoduin intellectus malerialis est potentia habens formas sensibiles ....
quemadmodum intellectus inaterialis potentia tantum est habens formas in-
telligibiles sive similitudines.
*J Es darf aber hiebet nicht an eine Einwirkung nach Art der Sinnen-
dinge gedacht werden ; vgl. S. 45.
•) De an. Vll. 3, p. 206 (1): Amplius cum sit verae rationis et veri
nominis intellectus agens, non erit recipiens aHunde.
*) Ebd.: Intellectus huiusmodi cum sit intelllgens per semelipsum
solum, esset intelligens omnia intelligibilia, et hoc iiilelligere continuo,
sempiterno.
51
angeborenen Habitus auffaßt. ^) In keinem Falle kann mehr von
einer Erwerbung des Wissens die Rede sein. Ferner erscheint
es bei dieser Voraussetzung unbegreiflich, weshalb wir beim
Lernen soviel Mühe aufwenden müssen.*) Auch die Thalsachen
der Unterbrechung ^) in unserem Erkenntnisleben sowie des dis-
fcursiven Denkens*) bleiben unerklärt. In einem einzigen und
ununterbrochenem Akte müiste uns unser gesamter Erkenntnis-
inhalt vermittelt sein.*) Steht so die Annahme eines ,intel-
lectus agens" mit aller Erfahrung im schroffsten Wider-
spruch, so wäre es überflüssig und eine reine Fiktion, *) die
Kenntnis der Prinzipien und des daraus abgeleiteten Wissens
einem thätigen Intellekt zuzuschreiben. ') Die obersten Wahr-
heiten entwickeln sich von selbst in dem materiellen Intellekt, *)
und mit ihnen sind auch ihre unmittelbaren Folgerungen gege-
ben, sodalä auch zur Erklärung des systematischen Wissens ein
thätlger Intellekt nicht gefordert werden kann. Niemand, der sich
eine Wissenschaft aneignen will, bekümmert sich um denselben,
und die ganze Unterrichtsmethode spricht dagegen, indem hierbei
lediglich auf die Kenntnis der Prinzipien und die logische Schu-
lung gesehen wird. *)
Wir haben hier die hauptsächlichsten Gründe herausge-
hoben, welche Wilhelm gegen den „intellectus agens" vorzubringen
*) Etxl. p. 206 (2j: et hoc sive intellectus agens sit pars animae hu-
manae sive ipsa anima humana sive habitus aliquis, ut praeaudivisti. Unter
faabitus wird der Zustand fertiger Erkenntnis verstanden,
»} De an. Vll. 4, p. 208 (2).
■} De an. VII. 4, p. 208 (1).
*j Ebd. p. 208 (2).
^) De an. VII. 4, p. 208 (2): et semper una irradiatiune omnes illas
simul Intelligi (necesse est), intelUgi inquani actu, cum formae illae actu
simul sint in intellectu materiali.
*) De an. Vli. 4, p. 209 (2): figmentum igitur est tantum et vanissima
positio intellectus agentis.
V De an. VU. 4, p. 209 (2).
'j Über die unmittelbare Erkenntnis der Prinzipien siehe weiter unten.
*; De an. VII. r>, p. 210 (I, 2): Ämplius non alia de causa quaenintur
principia et causae et elementa, nisi quia arbitrantur homines se scire posse
per hoc solum res, quarum scientiam inquinint, inlellectum veru agentem
Dec requirunt nee curant, sed nee etiam cogitant. Vgl. De an. Vit. 4,
p. 209 (2).
4*
52
weiß. Mit Ausnahme der zwei ersten setzen sie sämtlich vor-
aus, daß der thätige Verstand als ein aktuell erkennendes
Prinzip gefaßt wird, wobei es unserem Scholastiker gleichgül-
tig erscheint, ob dasselbe von der Seele getrennt oder als eine
Kraft derselben angesehen wird. Speziell die letzten Bemerkun-
gen haben die Lehre Ävicennas im Auge, daß die er-
sten Prinzipien ohne jede äußere Veranlassung und Vorbereitung
von der thätigen Intelligenz eingegossen werden. ^) Wir werden
später sehen, wie Wilhelm trotz seiner Polemik im Grunde doch
die gleiche Ansicht vertritt, nur daß er die Mitteilung der ober-
sten Sätze nicht mehr einem geschöpflichen Wesen, sondern un-
mittelbar der Gottheit zuschreibt.
Wenn aber dem intellectus agens keine eigene Erkenntnis
zugeschrieben wird, wie es höchst wahrscheinlich von Seite der
angegriffenen christlichen Peripatetiker der Fall war, was läßt
sich dann noch gegen denselben einwenden? Hier macht nun Wil-
helm den Schluß, daß in diesem Falle nur ein einziges erken-
nendes Vermögen in der Seele anerkannt werden müsse, näm-
lich der , intellectus raaterialis".") Da ferner das Erkennen von
dem Wesen der Seele unabtrennbar ist, so folgt, daß der ma-
terielle Intellekt der Seele wesentlich angehört. Diese besitzt
lediglich den „intellectus materialis" und sie schließt ihrem Wesen
nach, wie jeden anderen, den thätigen Intellekt aus.»)
So kommt der Scholastiker am Anfang des dreizehnten
Jahrhunderts zu dem nämlichen Resultat, welches etwa hundert
Jahre später die Begründer der Nominalistenschule, Wilhelm
Durandus*) und Wilhelm vonOkkam*), der Ihomistischen
Erkenntnislehre entgegensetzten. Die Motive allerdings waren
') Slöckl, Geschichte der Philosophie des Mittelalters, II, S. 44.
') De an. VII. 3, p. 206 (2): Quod si dixerit ipsum intellectum agentem
non esse intelligentem per semetipsum sive in se, tunc necesse habet dicere
nihil intelligere vel esse intelligens in anima humana nisi intellectum
materialem.
') De an. VII. 3, p. 206 (2): Manifestum igitur est ipsi (animae), quod
cwwDtia 8ua non est nisi intellectus materialis, et propter hoc intellectus
ftgeos sive formalis nee ipsa essentia eius est nee de ipsa.
*) StöckU a. a. 0. S. 978,
•) Stöckl. a. a. 0. S. 993.
53
auf beiden Seiten sehr verschieden. Zur Zeit als die Scholastik
bereits den Höhepunkt ihrer Blüte überschritten hatte, ließen die
genannten Philosophen infolge ihrer Polemik gegen die intelli-
giblen Spezies jene Unterscheidung fallen, während Wilhelm mit
vollster Überzeugung an den geistigen Erkenntnisformen fest-
hielt und in ihrer Erklärung das Hauptproblem des Erkennens
sieht. Was ihn zur Läugnung eines thätigen Verslandes veran-
lagte, das waren zum Teil die falschen, aller Erfahrung zuwider-
laufenden Aufstellungen der Araber und vornehmlich seine An-
sicht von der völligen Einfachheit des Seelenwesens.
Fragen wir nun weiter, wie unser Scholastiker das einzige
bei der intellektiven Erkenntnis in Betracht kommende seelische
Vermögen, welches er materiellen Intellekt nennt, des Näheren
bestimmt. Der „intellectus materialis" Wilhelms ist nicht, wie
der materielle Intellekt (vovg vlixöc) des Alexander Aphrodi-
siensis*), die aus der günstigen Mischung der körperlichen Ele-
mente *) im Menschen resultierende Aufnahmsfähigkeit für die
intelligiblen Formen, sodaß er nichts weiter als eine physische
Eigenschaft wäre, die vom Körper unabtrennbar mit demselben
zu Grunde geht. ^) Nach dieser Voraussetzung müßten die Akte
des Erkennens und Wissens rein körperlicher Natur sein. Un-
teilbare Thätigkeiten aber, wie die genannten Vorgänge, können
unmöglich einem teilbaren Subjekt, wie der Körper ist, angehö-
ren. *) Der materielle Intellekt setzt ein geistiges, vom Leibe
wesentlich verschiedenes Prinzip voraus.
') De an. V. 5, p. 119 (1): Porro quantum apparere polest ex sermone
huiusmodi, intellectus, quem ponunt in hoinine eironei isti, non videtur
esse nisi aptitudo recipiendi formas intelligibiles, et hanc vocanl intelligen*
Uam materialem.
') Ebd.: sie in corpore humane ex contemperantia saepe nominata
in praecedentibus est idon€itas recipiendi formas intelUgibiles.
•) Ebd.
*) De an. V. 5, p. 119 (1): lam autem feci te scire in praecedentibus,
quoiiiam intelligere non est dispositio, quae possit esse in corpore, cum in-
teltigere imparlibile sit, corpus autem partibile etiam in inönitum, sicut iam
declarant Aristoteles in auditu suo et mnlti alii. Ebenso wie Wilhelm haben
auch Spätere, besonders Albertus Magnus, den materiellen Intellekt
Alexanders energisch bekämpft; vgl. Bach, Des Albertus Magnus Verhältnis zur
54
Der immateriellen Seelensubstanz angehörend, darf er je-
doch nicht, wie Avicenna gethan, als ein bloß passives Vermö-
gen derselben betrachtet werden, welches keine andere Aufgabe
hätte, als die von der intelligentla agens stammenden, fertigen
Erkenntnisformen in sich aufzunehmen, ') ohne bei deren Zu-
standekommen in irgend einer Weise mitzuwirken. Die von
Aristoteles and den Peripatetikem gebrauchten Bilder einer un-
beschriebenen Tafel, eines leeren Papier- oder Pergamentstückes
sind sämtlich unzulrefTend. *) Die menschliche Seele verhält sich
beim Erkenntnisakt nicht rein aufnehmend, im Gegenteil, sie ist
als thätige Substanz Prinzip des Erkennens und erzeugt selbst
aus eigener Kraft in sich die Erkenntnisformen. ')
Wir finden hier Wilhelm in einem Punkt angelangt, wo er
nicht nur in direkten Gegensatz zu den Arabern tritt, indem er
die Erkenntnis als ein Produkt der Seele auffaßt, sondern wo
er auch auf den von ihm bekämpften thätigen Intellekt, jetzt
allerdings in einem ganz anderen Sinne, wieder zurückzugreifen
scheint. Es war das Moment der Thätigkeit von Seite des er-
kennenden Subjektes, welches er zur Erklärung des Erkennens
für unentbehrlich hält, ein Gedanke, der ja auch dem intelleclus
agens, insoweit derselbe als ein seelisches Vermögen verstanden
wird, zu Grunde liegt. Wilhelm ging nun hierbei nicht von
Aristoteles, sondern von dem Satze Augustins*) aus, welcher
Erkenntnislehre der Griechen, Lateiner, Araber und Juden, Wien 1881,
S. 44 ff.
') De an. V. 7, p. 122 (1): Quod si dixerit illam (scientiam) fieri ah
intelligentia agente, quae est ülutninatrix, ut ponunl, animarum nostrarum
tunc necesse habent concedere illam esse passionem, quae imprimitur
ab intelligentia huiusmodt.
*) De an. VII. 9, p. 216 (2): nihil amplius ad inscriptionem suam po-
tens nisi quod Charta vel pei'gamena aut tabula rasa. Vgl. Arist de an.
III 4, 430 a, 1—2.
■) De an. V. 8, p. 124 (1): declaratum est tibi per omnia haec, animam
rationalem sive humanam esse substanliam acttTam et agentem in semet-
ipsam, similiter generatiram scientiarurn et generantem eas apud se et intra
semetipsam nee non et generantem formas intelligibiles in semetipsa. Vgl.
De an. V. 6, p. 121 (2): Similiter non est recipiens tantum . . . ., sed eliam
aclrix et effectrix earum apud senietij>sam in semetipsa.
*) De gen. ad. litt, XII. c. IG, n. 35: eandem ejus imaginem non corpus
in spiritu, sed ipse spiritus in se ipso facit celeritate niirabili. Vgl. S. 45, Anm. 1.
55
sich auf das Millelalter fortgeerbt hatte und auch in dem die psy-
chologischen Resultate von Augustin bis ins zwölfte Jahrhundert
herab zusammenfassenden Buche „De spiritu et anima" vertre-
ten wird, 1) daß nämlich der Intellekt, angeregt von den Sinnen,
in sich selbst mit wunderbarer Schnelligkeit die geistigen For-
men bilde. *) Doch vermag sich der mittelalterliche Scholastiker
nicht unbedingt der Meinung des christlichen Lehrers anzu-
schließen. Sie erschien ihm nicht frei von mannigfachen Bedenken.
Wie sollte es nämlich möglich sein, daß eine absolut einfache
Kraft, wie der Intellekt, sich zugleich thätig und leidend ver-
halte, die geistigen Formen zugleich erzeuge und aufnehme?')
Entweder verwickele man sich in einen Widerspruch, da das-
selbe Prinzip nicht zugleich wirken und leiden kann, *) oder
man sehe sich zu der als falsch erwiesenen Aufstellung eines
thätigen Intellektes genötigt, welcher die intelligiblen Bilder an-
geboren in sich trage und in den materiellen Intellekt hinein-
strahle. *)
Um diesen Schwierigkeiten zu entgehen und die Einfachheit
des Intellektes zu wahren, versucht Wilhelm, eine Modifikation
des augustinischen Gedankens vorzunehmen. Augustin näm-
lich hatte es unbestimmt gelassen, wie die Thätigkeit des Intel-
') De spiritu et anima, c. 24 (Migne, Patrol. Ser. lat. Tom 40, p. 7!)8):
Non enim corpora visa illas imagines in spiritu faciunt, .... sed ipse Spi-
ritus in se ipso ccleritate mirahlli. Wie ersichtlich, ist der Satz wOrLlich
aas Augustin entnommen. Cber die Sammelscbrift De spiritu et anima,
deren Charakter und Verfasser, vgl. Werner, Der Entwicklungsgang der
mittelaltertichen Psychologie, Wien 1878. S. 41 f.
') De Call. p. II. c. 65, p. 914 [2): El fuit sermo eins, quia intellectus
excitatus per sensum mira agilitate format sibi in se ipso formas inteltigibi-
les. Vgl. De an. VII 9, p. 215 (2). 216 (b.
") De Un. II. p. III. c. 3, p. 1018 (2): Qualiter enim in semetipso rerum
intelligibilium species formare possit ipsemet, quis declarare suftlciat?
*) Ebd.: cum tam impartibile agere in semetipsum non videatur esse
possibile. Neque enim aliquid circa idem agens et patiens posse esse
Tidetur . . .
'} De an. VII. 9, p. 215 (2): Qualiter autem aget vel dabit, quod non
est apud animam sive quod non habet? Si autem habet, redimus et ego et
tu ad errorem de intellectu agente vel ad errorem Plalonis de perfectione
atUmae humanae in ipsa creatione sua.
56
lekles bei der Bildung der geistigen Formen zu denken sei.
Wilhelm will nun die Art derselben genauer bestimmen, indem
er den aristotelischen Begriff der „Möglichkeit" damit in
Verbindung bringt. Der Intellekt trägt der Potenz nach
die intelligiblen Formen in sich, *) das heißt im Sinne Wilhelms,
er besitzt die Kraft und Fähigkeit, aus sich heraus, an seiner
eigenen Substanz *) die entsprechenden Formen zu erzeugen und
sich selbst durch eigene Thätigkeit mit den Dingen zu verähn-
lichen. ') Wilhelm verweist zur Veranschaulichung auf den Ge-
staltungs- und Entwickelungsprozeß beim Samenkorn und beim
Ei, sowie, freilich etwas trivial, auf die bekannten Eigenschaften
des Chamäleon und des Affen. *) Der Erkenntnisvorgang stellt
sich also dar als ein von innen heraus sich vollziehendes
Auswirken^) des Erkenntnisbildes, als eine Selbstverähn-
lichung der Seele mit den Dingen, und in diesem Sinne als
ein Übergang aus der Potenz in den Akt.
Auf solche Weise schien das Bedenken gehoben, welches
der Theorie Augustins nach Wilhelms Ansicht noch anhaftete.
Der Widerspruch, daß die einfache intellektive Kraft oder die
mit ihr identische Seele sich zugleich thätig und leidend verhal-
ten solle, war durch die Vorstellung einerSelbstverähnlichung
beseitigt. Die beiden Momente des Leidens und der Thätigkeit^
welche die aristotelische Philosophie und im Anschluß an sie
die Meister der Scholastik in die Erkenntnislehre einführten,
suchte Wilhelm mit der Einfachheit des Seelenwesens zu ver-
einbaren und sie mit Rücksicht darauf umzugestalten. Dadurch,
daß die Seele aus sich und an sich die Erkenntnisbilder erzeugt
und eben damit im gleichen Akte aufnimmt, glaubte er es be-
') De an. VII. 4, p. 207 (2): quemadmodum intellectus materialis po-
lentia tantum est habens formas intelligibiles sive similitudines.
') De an. V. 8, p. 124 (l): simiiiter (animam humanam) generativam
scientiarum et generantem eas apud se et intra semetipsam necnon et gene-
rantem formas intelligibiles in semetipsa. Vgl. S. &i, Anni. 3.
^) De an. VII. 9, p. 215 (2): sie virtus inlellectiva nata est rebus sie
applicata se assimilare similitudinesque vel slgna earum assumere.
*) Ebd.
^) De trinitate, c. 15, p. 21 (1): intellectus noster id est vis inteUectiva
vis est generativa ei vetut matrix quaedam scientiae rel sapientiae.
57
greiflich machen zu können, daß dasselbe Prinzip Ort und Ur-
sache der intelligiblen Formen sei. *) Was also der Scholastiker
des anfangenden 13. Jahrhunderts mit dem Namen „intellectus
materialis" benannte, das war die geistige Substanz der Seele
selbst, insofern sie die Fähigkeit besitzt, die äußeren Dinge auf
deren Veranlassung, wie wir gleich ausführen werden, geistig in
sich nachzubilden und so ihre Formen aufzunehmen. ') So
kommen bei dieser Fassung des materiellen Intellektes in eigen-
tümlicher Weise der aristotelische Gedanke der Möglichkeit und
der auguslinische der Thätigkeit zur Geltung.
Man ist versucht, eine Analogie dieser Lehre des mittel-
alterlichen Denkers in der neueren Philosophie, bei Leibniz, zu
finden. Trotz aller Verschiedenheit läßt sich eine gewisse Ähn-
lichkeit beider in der Auffassung des Erkennens nicht ableugnen.
Nach Wilhelm, wie nach Leibniz, trägt die absolut einfache Seele
die Erkenntnisbilder der Anlage nach, oder, wie bei letzterem,
unbewußt in sich; sie besitzt die Fähigkeit, das Streben, diesel-
ben zu verwirklichen durch eine von innen heraus sich voll-
ziehende Ent Wickelung. In der weiteren Frage allerdings, ob
das Erkennen völlig ein bloß durch das Subjekt bedingter Pro-
zeß sei und nicht einmal eine äußere Veranlassung fordere, zei-
gen die Ansichten der beiden Männer wieder tiefgreifende Unter-
schiede. Leibniz hält jedes Wirken der Dinge auf einander für
unmöglich, während Wilhelm zwar eine Wirksamkeit im Sinne
der Übertragung physischer Qualitäten von Seite des Körper-
lichen auf das Geistige leugnet, aber das Erslere doch als eine
veranlassende Ursache für die Bethätigung des Geistes gelten
lassen wUI. Auf diese Weise gewinnt dann der Scliolastiker den
Zusammenhang des Denkens mit der Sinneserkenntnis.
Wie wir wissen, kommt beim Erkenntnisakt nur ein ein-
') De virtutibus, Tom. I. c. 1, p. 108 (l): Ipsa enim vis intellectiya
sire apprebensiva nobilis non solum subiectum est et locus scientiaruin, sed
et fons redundaas ac generativus. Vgl. die aristoteliscbe Stelle, ArisU de an.
III 4, 429 a 27; Kai iv d^ oi Xiyovrte f%v i/tJ/iJp iivai ronow tidwv, nX-^v ort ovte
oA^ äXX' 17 vin/Tix^, oixe ivtiXt^tia aXXa ^wäftn td etdij.
'j De trinitate, c. 26, p. 34 (1): fontalis aut gravidus et facundus Intel-
lectus est tantum fontalis, antequam pariat intellectum, quem velut in utero
gestat, et hlc est intellectus, qui debuit vocari materialis.
58 _
ziger geistiger Faktor in Frage, nämlich der materielle Intellekt.
Dieser hat sich als ein seelisches Vermögen erwiesen, welches
aus sich selbst die Erkennlnisformen schafft. Jedes bloße Ver-
mögen aber bedarf, um in die entsprechende Thätigkeit über-
gehen zu können, einer Veranlassung, eines Anstoßes. So auch
die inlelleklive Potenz, i) Welches sind nun die Ursachen, die
den Intellekt zu der ihm eigentümlichen Thätigkeit bewegen?
Wilhelm antwortet mit Augustin, die Sinne*), und genauer
die Phantasie- und Gedächtnisvorstellungen ■) Die leiseste
derartige Anregung genügt, um die Thätigkeit der intellektiven
Kraft auszulösen und dieselbe zu veranlassen, die Gegenstände,
deren Sinnenbilder ihr vorschweben, geistig in sich nachzubil-
den. *) So hängt die intellektuelle Erkenntnis allerdings von
den Sinnenbildern ab, aber diese verhalten sich in keiner Weise
als mitbestimmende Faktoren. Ihre ganze Bedeutung für den
intellektiven Erkenntnisprozeß beschränkt sich darauf, zur Be-
thaligung des Intellektes den Anstoß zu geben. Das reicht hin,
um das entsprechende intelligible Bild in dem Spiegel des In-
tellektes zur Erscheinung zu bringen. ^)
Es liegt auf der Hand, daß diese Anschauung unseres Scho-
lastikers von der aristotelischen in dem bezüglichen Punkte
wesentlich abweicht. Dies hängt zusammen mit der eigentüm-
•) De an. VII. 8, p. 214 (1): virtus intellectiva ex eoquod est virtiis in-
tellectiva, potentia est intelligendi tantum non polens per semetipsam exire
in actum intelligendi, sed indiget, ut saepe audivisli, eductore et ad-
iutüre alio.
') De triniUte, c. 26, p. 34 (I): formae sensibiles agunt prius in ani-
main per organa sensuum, ut formetur in ea intellectus in effectu. Vgl. De
Irin. c. 15, p. 21 (1). De Un. II. p. II. c. 74, p. 927 (2): sensit hoc idera de
vi intellectiva nostra unus ex nobilioribus sapientibus Ghristianorum dicens
in sermone suo, (juia passionibus sensuum quasi pulsatur seu excitatur in-
tellectus . . .
') De Un. II. p. III. c. 21, p. 1057 (1): imaginatio huiusmodi et me-
moria sunt virtuti intellectivae quasi libri, in quihus legit res sensibiles.
*) De Un. U. p. III. c. 3, p. 1018 (2): intellectus mira velocitate alque
agilitate format apud semetipsuni designationes, quas a rebus non recipit,
sed tevissime commotus exilissinieque excitatus ah illis res ipsas sibi ipsi
exhibet et praesentat et earum species ipse sibi ipsi in semetipso format.
") De an. Vil. 8, p. 214 (2).
liehen Fassang des erkennenden Vertnögens. Wenn dasselbe
allein, aus sich heraus, die Erkcnnlnisronnen erzeugen soll, dann
kann den Sinnenbildern kein anderer Einfluü mehr zukommen,
als WilheUn denselben wirklich zuteiil. Von diesem Slnndpunkl aus
konnte ihm unmöglich die Lehre des Aristoteles klar werden,
dati das tntelligible in den Phantasmen auf den Intellekt wirke
und ihn so denkend mache: ^) denn das geistige Bild, durch
welches wir zum Erkennen gelang(?n, wird nach seiner eben
dargelegten Ansicht nicht aus der Sinnesvorslelhmg, sondern aus
dem hdellekt herans erzeugt, tline Abstraktion aus den Phan-
tasmen im Sinne des Aristoteles läßt sich nach seinen Vor-
aussetzungen gar nicht denken. So erklärt es sich, daß Wil-
helm bei seiner miingolhatten Kenntnis des griechischen Phi-
losophen die Lehren desselben im Sinne Augustins aus-
zudeuten sucht. Die liefgreifenden Unterschiede beider sind
ihm noch völlig entgangen. An den aristotelischen Gedan-
ken von der Leidenslosigkeit des Intellektes {vor; d7a^r,c) an-
knüpfend und sich auf demselben stützend, behauptet er, auch
Aristoteles habe die Wirksamkeit 4ler SinnenbÜder auf den In-
tellekt beim Zustandekommen der Erkenntnis als eine Anregung
bezeichnet. •) Dieser veranlassende Eintluti der Sinne sei ein
Leiden anderer Art, als es bei den Naturdingen stattfinde. •) Im
Akte des geistigen Erkonnens gehe nicht eine physische Qiiaü-
tÄl von den Dingen auf den Intellekt über. Wir würden zwar
warm bei der Wahrnehniimg des Warmen, aber nicht beim be-
riflTIichen Denken der Wärme.*) Ks besitzt also das geistige
jild in uns keine wahre Ähnlichkeit mit der äuljeren physischen
fänne. ■■*) Zur Mögliclikeit der Erkenntnis werde diese auch
>) Brenlu.00, Die Psychologie des Aristoleles, S. 144).
*; De L'n. It p. IL c. 75, p. 928 i^): neijuc Aristoteles intellectum vo-
lit ease pRSsihilem a formi» materialibus, lirct per cas excitetur, passionibiu,
qoas iniprimunt in organa aemum.
^^L *) Ebd.: el est longe alter modus agendi et patieadi, et huiusmodi
^HpdUtiones nctioncs aut passioncs diccndac jiunt alio modo, (juam audiveris
^^■i naturalibus de actiunibiiä et {>asHtunibus corporuni inricem naluraliler
^HgeaLium.
^P ') Vgl. S. i&, Anm. L De «n. VII. 9, p. 216 (1).
^^ ') [)e an. VII. Ü, p. 21fi il): iiignum caloris, rjuod in virtutc intellectiva
est, procul dubio nüa est similitiulo caloris verc ac pruprie.
t
i_
60
nicht gefordert. Man denke nur an die Namen, *) Ziffern, Buch-
staben, welche trotz der Unähnlichkeit mit dem durch sie Be-
zeichneten eine Erkenntnis gestatten. Der Grund, warum bei
der Einwiikung der Sinncnbilder auf den Intellekt keine Ver-
ähnlichung, kein Leiden im gewöhnlichen Sinne, wie zwischen
zwei körperliclien Dingen, stattfindet, liegt teils in der weiten
Entfernung der sinnlichen Gegenstände von dem Intellekt, teils
in der geistigen Beschaffenheit der Seele, welche jede materielle
Einwirkung ausschließt.*)
In derartigen höchst mangelhaften und der historischen
Gründlichkeit entbehrenden Erörterungen setzt sich der Scho-
lastiker am Anfang des 13. Jahrhunderts mit Aristoteles
auseinander. Die wichtigsten Bestimmungen über das Verhftll-
nis von Intellekt und Sinn, wie es der Stagirite darlegt, bleiben
Wilhelm teils unbekannt, teils unverständlich. ^) Die Thatsache,
daß in diesem entscheidenden Punkte der Erkenntnislehre unser
Autor Augustin und Aristoteles in vollster Übereinstim-
mung findet, kennzeichnet 'genugsam den geringen Stand sei-
ner aristotelischen Kenntnisse.
Blicken wir jetzt kurz zurück. Wilhelm hatte die Frage
aufgeworfen, auf welche Weise und durch welche Faktoren die
intelligiblen Formen der körperlichen Dinge in unserem Intellekte
entstehen. *) Wir kennen nun die Antwort. Die Erkenntnis der
materiellen Objekte fordert eine doppelte Ursache, ein geistiges
Vermögen, den materiellen Intellekt, und die sinnlichen Ein-
drücke der äußeren Dinge, welche das erstere zu seiner Thälig-
keit veranlassen. Der Akt des Erkennens sodann muß als ein
Wirken, als eine Selbstverähnlichung der Seele mit den
Gegenständen aufgefaßt werden. Damit glaubte Wilhelm das
*) De an. VII. 8, p. 215 (1): Debes autem scire hie, quod non est
necesse, ut omnia signa reruni simililudines earum sint sicut expresse vides
in nominibus rerum et signis litteraniin . . ., similiter inter figunis numero-
rum et numeros.
') De Un. II. p. II. c. 65, p. 914 (1): Isla igitur diversitas propter
elongationem rerum sensibilium a virtute JntellectiTa partim est, partim vero
propter spiritualitatem virtutis intellectivae, quae prohibet eam a receptione
formarum materialium et passionum similium illis. Vgl. De an. VII. 9, p. 216 (1)
') Vgl. hierzu S. 43, Anni. 1.
*) Vgl. S. 40, 43.
61
Problem gelöst zu haben, welches, bedingt durch das Bekannt-
werden der arabischen Philosophie, zunächst an ihn herantrat,
nämlich die geistigen Erkenntnisfonnen nicht, wie die Araber, aus
einer von der Seele getrennten, immateriellen Intelligenz, son-
dern aus dieser selbst im Zusammenhang mit der Außenwelt zu
erklären. Der Ausgangspunkt, von welchem aus Wilhelm diese
Lösung unternimmt, war aber noch nicht Aristoteles, sondern
Augustinus.
Das Hervortreten der intelligiblen Formen im Spiegel des
Intellektes bildet das wichtigste Element im Erkenntnisakt, so-
dafi Wilhelm stets Wissen und Denken mit jenen Ausdrücken
definirL ') Allein die Erkenntnis selbst erstreckt sich nicht auf
diese Formen, sondern auf die äußeren Gegenstände. Diespe-
cies intelligibiles *) sind, wie die sinnlichen Formen '), blofie Er-
kenntnismittel, durchweiche die Seele zu den Dingen fortgezo-
gen wird, mit ihnen in geistige Verbindung tritt and sie so er-
kennt *) So wird sie selbst ein Buch ^) von allen jenen Din-
gen, mit denen sie sich in der genannten Weise verbunden hat.
Man wird nun fragen, welches die Gegenstände sind, die wir
vermittelst der intelligiblen Formen erkennen. Nachdem darge-
legt worden, wie wir zur Erkenntnis der körperlichen Dinge ge-
langen, wird es sich darum handehi, zu zeigen, was der Intellekt
von der materiellen Welt zu erkennen vermag.
Das nächste Objekt, welches von der Phantasie und dem
Gedächtnis dem Intellekt dargeboten wird, sind die sinnlichen
') De an. Vif. 8, p. 214 (2): Scientiam autem in efTectu non intelligo
nisi forma» intelligibiles sive signa intellectualia resuttantia in eflectu et
aetu apparentia in speculo virtulis intelleutivae. Vgl. De Un. I. p. I. c. 20, p. 013.
') De retributionibus sanctorum, Tom. I, p. 318 (1): quia non ipsae
(formae intelligibiles) .... intelliguntur, sed magis res, quarum sigillationes
et similitudines sunt
•) Vgl. S. 32.
*J De an. VII. 8, p. 213 (2): virtus intellectiva nostra nata est, per
Signa rapi ad res et applicari illis per illa. Ebd., 9, p. 215 (2): excitatio
huiusmodi applicat illain rebus atque coniungit coniunctione spiriluali.
'} De an. VII. 9, p. 215 (2): nata est naturaliter, ul efficiatur liber in
eflectu sibi ipsi remm, quibus sie coniungitur.
62
Eigenschaften oder Accidenzien der körperlichen Dinge. ')
Wilhelm unterscheidet nämHch bei jedem Dinge Substanz und
Accidenz. Er versteht unter Substanz nicht, wie Aristote-
les, das concrete, in die Erscheinung tretende Einzelnding, sondern
er befaßt darunter den hinter den Accidenzien stehenden, den
Sinnen nicht mehr zugänglichen Träger derselben. *) Die so be-
stimmte Substanz heißt dann auch das Innere der Dinge, ») der
Grund der Accidenzien, *) während die letzteren als Außenseite *)
des Dinges, als Kleid und Umhüllung«) bezeichnet werden.
Diese Außenseite nun, die sinnlichen Qualitäten und Quantitäten,
sind CS zunächst, welche der Intellekt auf immaterielle Weise
erkennt, indem er, wie früher dargethan worden, veranlaßt durch
die sinnliche Wahrnehmung z. B. der Farbe, der Kälte, ein geistiges
Bild derselben in sich erzeugt, aber nicht selbst farbig oder kalt
wird, wie der Sinn. •) Mehr weiß Wilhelm von der intellek-
tuellen Erkenntnis der Accidenzien nicht zu sagen, insbesondere
scheint ihm der begriflfliche und allgemeine Charakter derselben
entgangen zu sein.
Bei den äußerlichen Eigenschaften aber bleibt der Intellekt
nicht stehen, wie der Sinn. Dieser vermag die Hülle der sinnen-
fulligen Accidenzien nicht zu durchbrechen und die Substanz zu
erreichen, ^) der Intellekt jedoch dringt aus eigener Kraft, wenn
') De Un. II. p. III. c. 21, p. 1057 (1): revera legit (intellectus) in
itnaginatione et memoria reliquias Impression um, quae relinquuntur in eis
ex Impression ibuH, quae tiunt in sensibus a rebus sensibilibas.
■) De au. VII. 1, p. 203 (2): substantia, quae sustinet totam Ulam va-
rietateni sensibilium accidentium.
'J De Un. II. p. 11. c 15, p. 858 (2): Intellectus igitur videt interiora
omnia, huc est ipsa substantialia remm ipsasque substanlias earum.
*) De Un. 11. p. III. c. 21, p. 1057 (2): intellectus aulein sua vIrtute
intrat ad ea, quae subsunt et causas eorum.
^) KbU.: p. 1057 (1): Stat igitur sensus foris in formis sensibilibus.
^) De an. III. 12, p. 103 (1): NuUi intelligenti dubium est, quin acci-
dentium sensibilium circumvestitio velut quaedam vestis sit substantiae sen*
sibilis sustinentis et porlantis iliam.
', Vgl. S. 58, 51).
*') De an. VII. I, p. 203: sensus nihil inlegritatum percipit, quod est
dit-ere, nullam substantiam inlegre percipit . . ., sed usque ad proximum ve-
nit, quasi non Valens penetrare circumvestionem illam sensibilium acci-
dentium.
63
Hbur
■5:
auch hierzu durch die Sinne angerejft, in das Innere der Dinge
vor, zu den Substanzen und Gründen der sinnlichen Krst^hei-
mgen. ^) Fragt man nun genauer nach der Art und Weiset,
"wie der Intellekt zur Erkennlnin jener überHJnnlichen, unter der
Hülle der Accidenzien verborgenen*) Substanzen gelange, so giebt
Wilhelm eine zweifache Antwort, die einen doppelten, von
rerschiedenen Seilen kommenden Einfluß auf unseren Scholasti-
ter verrät. An erster Stelle antwortet er mit dem Citate eines
Autors, dessen Namen er niemals nennt. Er bezeichnel densel-
Hben bald als »quidam phllosophusLatinorum',") bald als irpbilo-
^fcophus italicus",*) unter dem wir mit höchster Wahrscheinlielikeit
^feoc'thius vermuten dürfuii.^) Einer von den bedeulenden-n i*)iilü-
^pwphen derLi^leinernämlicb lehre, dali die V'ernunfl (ratio) durch eine
Erwügung, durch ein Urteil die Substanzen erkenne, daü sie aus
^^en sinnlichen Qualitäten die Existenz derselben erschließe.''')
^V ») De ün. II. p. 111. c. -2 \ p. 1067 (2): intellectus aulem sua virlute
ialr»t ad ea, i|uae sulaunt et ciiusas eunini, (|aod ipsa nnminntio .tnliis* in-
iieat. Intelleclus enim (|uasi iiilus vq\ inlra legens ilicilur evidenter, sen^us
ero exteriua solumniodo aunlial, Jat aulem üccaaiunem, iil praetUxt, inUtl-
ledui, ut inleriora fwr hvc iolelli^at.
') Da na. V. 16, p. 11;^ (2): Ex quo manifestum est \irLulcm intcUecti-
vam siTC rationem oon videre vel eugnuiicere Hiihstanliai; .sentiitMliuiii nisi
taniquam sub opcrinienlo et iiujie varietatis aiiledictae.
»1 De Un. II. p. II. c. lö. p. 858 (2); De an. V. 18, p. 14.» (2).
*) De an. VH. I, p. äU3 (2j; De Un. \. p. II I. c. 2<*. p. »W (1).
^) Die Deitnition der i^peciest welche Wilhelm auf den genannten
liilusuphen zurückrührt, btimnit nümlich würUicb Qherein müder in den Schrif-
I dcM Ho 1' tili u:4 sich tfndendvn. Siehe unten S. 74, Anm 'Jund-S.7j, Anui. 3.
Ä'ire Gilberlus Forrelauus, bei welcticra sieh eboiifulls der frugliehe
ku&dmrk .similitudo subsLantiatis" findet (Prantl, Geschichte der Lugjk im
Ibendlande. l^ipzjg ISGl. IL, S. 220) gemeint, so häUe »ich Wilhelm un-
naglich der ül>cn augerührlen Ausdrücke betlienen können. Für gänzlich
ibegründel halten wir die Ansicht .lourilains (Rechtrches iriliques. S. 297
Wilbelm habe unter „pbiloäuphus Ualicus" einen in Italien Icben-
eo Zeitgenossen verstanden,
•) De an- V. IW. p. \4S (2): Senaus enhn, sicut ait unus ex maioribus
ophis Lalinorum, nihil inlegritatis percipit^ sed us<jue ad proximum
renit, ratio vero quaedam subpsse perpcndit et inldligit. id est aubslantiain
plDbesse varietuLi .scnsibiliuni accidenUum. Uc an. VII. 1, p. 2()3 (2); De Uq.
p. a c. 15. p. 858 (2); II. p. I«. c. 21, p. 1057 (1). Wir glauben di«
64
Die Sinne übermitteln sowohl von den sinnlichen wie von den
geistigen, mit einem Körper verbundenen Substanzen nur eine
Summe von Eigenschaften. Hierdurch aber ist der Intellekt
in den Stand gesetzt, das eigentliche, substanzielle Ding, das
übersinnliche Einzelnwesen, zu erfassen, indem er für den dar-
gebotenen Komplex von Accidenzien den individuellen Träger
fordert oder erschließt. *) Auf diesem Wege einer Art von
Schlußverfahren erkennt also der Intellekt die dem Sinne nicht
mehr erreichbaren Einzelnsubstanzen, z. B. den Sokrates, den
Plato, und unterscheidet dieselben von einander. Trotzdem aber
unsere intellektive Erkenntnis der körperlichen Einzelndinge eine
mittelbare, bloß erschlossene ist, so erkennt der Intellekt doch
die individuellen Substanzen hinter den Accidenzien mit völliger
Klarheit und Deutlichkeit, *) sodaß wir, obwohl wir nur die
Accidenzien wahrnehmen können, ") die Substanzen selbst zu
sehen glauben.
Das istdieersteErkenntnisart des Intellektes, welcher durch
einen Schluß die Einzeldinge, d. h. im Sinne Wilhelms die un-
ter den Accidenzien verhüllten Substanzen, in ihrer Individualität
erfaßt. Nach seiner Auffassung nämlich beruht der Unterschied
der Individuen innerhalb einer Art nicht in den Accidenzien,
sondern lediglich in dem hinter diesem liegenden Träger, in der
Substanz. *) So sieht er sich zu der eigentümlichen Ansicht
Spuren dieses Citates in einer Stelle der Consolatio philosophiae des BoSthius
zu finden, 1. V., pros. 4, v. 80 ed. Peiper: Sensus enim figuram in subiecta
materia constitutam (intuetur), imaginatio vero solam sine materia ludicat
figuram, ratio vero hanc quoquc transcendit speciemque ipsam, quae singu-
laribus inest, universal! consideratione perpendü.
*) De an. VII. 7, p. 213: Primum sensu, qui substantias sensibiles et
intellectuales corporibus iunctas adducit ad intellectura . . . ., sed intellectus
per semetipsum substantias illas subesse varietatibus sensibilium accidenlium
perpendit.
') De an. III. 12, p. 102 (3) : Cum intueris in Socrate sive circa ipsum
omnes sensibiles dispositiones ipsius et clare vides et perfecte, dico te clare
ac perfecta videre Socratem.
") Ebd. p. 103 (1).
*) De Un. 11. p. IL c. IT), p. 858 (2)i quoniam in substantüs suis dif-
ferunt omnia creata, sive sint sensibilia sive inlelligibilia, omniaque singu-
laria. — De Un. I, p. III. c. 29, p. 801 (2): Neque boinines neque aliae res
«s
I
^
^
^
hingedrängt, daß das Einzelnding den Sinnen bloß nach seiner
Au&enseile, nach seinen sinnlichen Qualitäten, zujffinylich sei,
während es als diese bestimmte individuelle Substanz, z. B.
als Sükrnles, erst mittelbar durch den Intellekt auf derri he-
ztichnelen Wege erkannt werden könne.
An diese Erfassung der Substan/.en nach ihrer individuellen
Seile reiht Wilhelm eine zweite Erkennlnisweisc dersel-
ben, nämlich die abstraklive oder A Il^cmein erkenn t-
nis.') Hatte er bei der Erkenntnis der hidividuen auf eine
von christlieber Seite ül>erlieferte Quelle sich gestützt, mag
nnn dieselbe die genannte Schrift des Boethius sell>3t gewesen
sein, oder die fragliche Stelle sich als Cital in einem uns unbe-
kannten Autor gefunden haben, so knüpft unser Scholastiker
die Erörterungen über die Abstriiktion nn Aristoteles jin
Dieser vertrete mizweifelhatt die Lehre, dril3 die intellektive Kraft
die Sinnendinge ,per spoliaLioneta vel denudationem" zu er-
kennen vennöge. *) Der hitellekl beraube utul entkleide die
sinnlichen Formen ihrer üiiizoln<.'n, iniÜviduellen IlL-sliininungen
und mache sie so /.u intelligibten liildern, /.ii /eichen der geisti-
gen Objekte. ■) — Allein mit dieser ErklArung der aristotelischen
Abstraktion, wie sie von den chrislUchen Peripatetikern und den
Zeitgenossen Wilhelms gegeben wurde, vernmchte steh dieser
nicht zu befreunden.*) Hören wir seine Gründe, Auch er gieht
die Thatsache des abstraktiven Krkennens zu, daU es abstrakte
intelligible Formen in uns gel>e; er betreuet jedoch rlie oben be-
namerantor secuoüuni accIiJentio aeque dicuntur unus el ulius aut uaum
et aliud.
*) D« an. Vit. 7, p. 313 (I): Secundus iiio<lus est per abstraclionem.
I ') De [jn. 11. p. I. c. 16, p. 823 (2): Ex sermonibus aulem AriBlotelia
eTid«iitef Kpparel. ipsura Anstotelem sensisse virtulem noäU'am inleticctjvam
e( ftb inferiori, hoc est a parle seo^ihiliuiD, per spoliationem vel denudationein
, . . . esM Uluminabilem.
') 0« Un. IL p. I. c. H, p. 823 (I). Qaod ai dtxeht, quia formas, quae
imprimtinlur a »erisibihbus, 9|Kiliat intelleetu» et denuJal a condicionibua
particularibus, et hoc modo facil eas fonnas inlelligibile» el signa rerum in-
lellifibiliam.
*) KIhI.: I.ieet i^itiir nnmlum approhem fu^rmonem isluin Arislnlelia
d opjaionem. quia tumen luties legilur in Itbris etus et aliuruiii, qui «um
wcDÜ Bunl. el hoc tarn crebro sonat in labüä quorundam. . . .
&
hauptete Gntstehungsweise derselben, die Wirksamkeit des In-
tellektes auf die Sinnenbilder und die dadurch hervorgebrachte
Veränderung an denselben, ihre Vergeistigang. Entsländen die
intelligiblen Formen durch eine Loslösung der individuellen Be-
stimmungen, mit denen die sinnlichen Bilder behaftet erscheinen,
so wäre die hierdurch erzeugte Form gar nicht intelligibel, son-
dern nur das übrig gebliebene Stück, der Rest eines Sinnenbil-
des. Die geistige Kraft müMe also der ihr eigentümlichen £r-
kenntnisfomi entbehren und bei den sinnlichen Bildern betteln.
Die Natur hätte wahrhaftig für den Intellekt schlecht gesorgt ^
Wie sollte es femer die intellektive Kraft in ihrer Macht haben,
von den Sinnenformen etwas hinwegzunehmen, durch Ablösung
der einzelnen Merkmale eine Veränderung derselben zu bewir-
ken? *) Ginige Jahrhunderte später hat der Jesuit Suarez
(t 1617) in ähnlicher Weise sich gegen eine Umwandlung und
Vergeistigung der Phantasiebilder ^) ausgesprochen und, wenn
auch unbewu&t, im Gegensatz zu Thomas von Aquin eine
Theorie des abslraktiven Erkennens entwickelt, die der Haupt-
sache nach mit den Anschauungen unseres Scholastikers über-
einstimmt.
Wilhelm war weit entfernt, die oben dargelegte Ansicht
seiner Zeitgenossen mehr dem Gedanken des Aristoteles anzu-
passen; dazu reichten seine Kenntnisse nicht hin, und anderer-
seits bildete die Art und Weise, wie er das Verhältnis von In-
tellekt und Sinn bestimmte, *) eine unübersteigbare Kluft. Nach
ihm sind, genau wie bei Suarez, die intelligiblen Formen das
Produkt der Intel lektivenThätigkeit allein. Dieser Satz wird
*) Ebd.: Imprimis sequitur eum, caturam neglexisse virtntem intellecti-
vani in nobis et multo studiosius curasse virtutes sensibiles quam ipsam,
cum ipsis tantam cui)iam signorum propriorum et ea imprimentium provi-
derit, virtutem vcro inteUectivam in ea paupertate constitueril, ut a signis
sensibilibus mendicare uecesse habeat signa sibi necessaria et non nisi de
reliquiis eorum eidem consultum sit.
') Ebd.: deinde quid est isla spoliatio vel denudatio? habetne in po-
testate virtus iDtellectiva, aliqua aholere vel abradere de signis sensibilibus?
et quae sunt huiusmodi vestimenta, quae detrahit ab eis?
■) Brontano, Die Psychologie des Aristoteles, S. 36 t
*) Vgl. s, r>7 f.
67
maßgebend, wenn er seine eigene Erlclärung des abstrahierenden
Erkennens den Aristotelikern seiner Zeit gegenüber stellt. Schon
in der Definition tritt seine abweichende Ansicht deutlich her-
vor. Er bestimmt die Abstraktion als Beraubung (privalio),
als das Unvermögen des Intellektes, die individuellen Merk-
male der Einzelndinge zu erfassen. ^) Die Phantasie- und Ge-
dächtnisformen bilden die notwendige Voraussetzung für
das abstrakte Denken, aber diese ei-fahren keinerlei Beeinflus-
sung von Seiten der intellektiven Kraft,') keinerlei Beleuch-
tung und Vergeistigung, wie Albertus Magnus") im engen
Anschluß an Aristoteles lehrte. Andererseits kommt ihnen aber
auch keine mitwirkende, das intelligible Bild miterzeugende
Bedeutung zu, wie Thomas von Aquin *) annahm. Alle
derartigen Theorien der Späteren liegen Wilhelm fem. Die
Stnnenbilder bleiben völlig unverändert, sie bieten die bloße
Veranlassung für die Bethätigung des Intellektes. *) Dieser
erzeugt aus sich heraus, durch seine eigene Thätigkeit, das
intelligible Bild. ^) In der Abstraktion sieht also Wilhelm
lediglich einen Akt des Intellektes. Die intellektive Kraft
vermag aber das Einzelnding, dessen sinnliche Form durch die
Phantasie festgehalten wird, nicht nach allen seinen einzelnen,
individuellen Bestimmungen in sich nachzubilden, sondern nur
nach seinen allgemeinen Merkmalen, die es mit allen Individuen
*) De an. VII. 7, p. 213 (1): et iam declaratum est tibi, quid sit ab»-
trartio seu spoliatio aut denudatio; haec enim non töt nisi privatio apprehen-
sionis formaniin individuantium sive iadiTiduaUum. Oe Un. IL p. II. c. 7,
p. 8öO (2): per spoliationem et abstractionem particularium seu singularium
conditionum.
") De Un. II. p. I c. 15, p. 822 (1): virtus intellectiva nostra nihil
detrahil, nihil toUit rel minuit omnino de signis sensibilibus, sed magis ei
detrabitur.
") von Hertling, Albertus Magnus, Köln 1880, S. 122.
*) Schmid, Erkenntnialehre, I, S.412.
^) De an. VH. 7, p. 213 (2): .. .formarum ad phantasiam sive imagina-
lionem a sensibibus venientium, ex quibus non est dubilandum, quin intel-
lectus occasionaliter inscribatur formis abstractioribus et naturae suae con-
gToenticribtts.
•) Vgl S. 56, 58 t
6*
derselben Art teilt. ^) Die intelligible Form entbehrt der singu-
lären, die Individuen unterscheidenden Bestimmungen und sie
repräsentiert infolge dessen nicht das Ginzelnding, sondern die
GaUung oder Art Wilhehn setzt den Vorgang der Abstraktion
in Vergleich *) zu dem Verhalten des Gesichtssinnes (gegenüber
den Gegenständen in geringerer oder größerer Entfernung. In
der Nähe empfängt das Auge ein deutlich bestimmtes, indivi-
duelles Bild, z. B. das des Herkules. Alh^n bei zunehmender
EiilfcTiunig wird dasselbe iinnier unbesliuimler, sodaß schlieUlich
nur mehr die Figur eines Menschen ohne die Eigentümlichkei-
ten des Individuums erkennbar bleibt. Genau so verhalt sich
nun der Intellekt zu den Einzelndingen» d. i. zu den hinter den
Accidenzien stehenden Substanzen, die ja das eigentümliche Ob-
jekt desselben ausmachen. Infolge der ihm während dieses Le-
bens anhaftenden Kurzsich ligkeit (brevitas)*) bringt er diis
Einzeliiwcsen nur undentlii-li und unbestinmiL in einem allen In-
dividuen gemeinsamen Bilde der Gattung oder Art zum Aus-
druck. Er vermag keine entsprechende intelligible Form zu erzeu-
gen, wenigstens für die Zeit unseres irdischen*) Daseins; nur auf
dem Wege eines Schlusses, wie wir bereits dargeihnn, konmit die
inlellüklive Erkenntnis der Einzelnwesen als solcher zustande.
In dieser originellen, ihm allein eigenKimlichen Weise sucht
') De Ua. IL p. L c. Ib, p. 82ä i,l): quoniaM^ [um atllut^it ipsa (rirtua
inleÜectiva) sjgna huiusiDoiii loUiMter, sed quniji purtetii lantuni enrum, nee
ipsia [»crveniunt ml cnm lum integrilate seu totalitale siia.
') De an. VU. 7, p. 213 (*i): iKisui tibi exemplum de hoc in iinatrine
Herculis eidem similliiiia et intendo quae clare videnti et e proximo inspi-
cienli non nisi Hercutem repraesenlaro possei, Si autem elongaretur ab illa,
pfo modo elongaliotiis imminuerelur apprehensio forniaruni huiusmoili, donec
veniret ad hoc, ut imago illa non repraesentsret ei nisi hominem va^^um.
De ün. iL p. I. c 15, p. 822 (1).
"} De Un. I[. \t. l. c. 15, p. 822 [1): et lianc esse inlentionem spolia*
lionis ac denudationis praedictae, suilicet brevitalern intellertus, per quam
attingerc aou polest conditiones parlirulares, quibus sigua illa appropriantur
siguatis suis particularibus.
*) Ebd.: et lata brevitas est intelleclos noslri, dum est blc ia corpore.
De ün. L p. IIL c. 2i', p. 802 (Ii: In statu vero huiusmodi lam tenebrosae
miseriae non illuminatur ad ca uuineranda et di^linguenda nisi per ipsus
accidftntium Tarietate«.
69
Wilhelm die Entstehung der allgemeinen Begriffe und den
Prozeß des begrifflichen Denkens /u erläutern. Mit dem Ge-
, danken, Uaü der Intellekt die inloUigiblen Formen aus sich
^Hselbst bilde, der, wie schon erwähnt, hei Suarez wiederkehrt,
^Vverbindet unser S*'holastiker den anJeren, der intellektiven Kraft
^KhaAe für die Dauer dieses Lebens eine gewisse Schwäche
^Hoder Kürze (brevitas) an, vermöge derer sie nift' unvollendete,
P unbestimmte Bilder der Einzelndinge zu schatten imstande sei.
I Dadurch aber erhjllt die allgenieine, begriffliche Erkenntnis den
Charakter des Unvollkommenen, des Unvollendeten^), und
Wilhehn tritt in schrotTslen Gegensatz zu Aristoteles und der ge-
samten Scholastik, die in der allgemeinen Erkenntnis das eigent-
ümliche Wissen erblicken,
^f Von diesem Punkt der Unvollkommenheit des begriff-
lichen Erkennens ans polfmisierl er gegen die Lehre des Ari-
stoteles und der Aristoteliker, *) data der Intellekt nur das
Allgenieine, aber nicht das Einzelne /.u erkennen vermöge.
Freilich bekunden seine Argumente ein völliges Mit^verständnis
Edeü Slagiriten, Er gicbt zu, da& wir jetzt in allgemeinen Be-
griffen die Dinge denken ; allein dieses Verfahren ist nichts Ur-
sprüngliches, Natürliches, sondern eine Folge der Sünde,*) die
vor derselben nicht vorhanden war und im Zustand der Ver-
berrlichung in Wegfall konunt. Wäre der Intellekt von Natur
aus*) behindert, das Einzelne zu erfassen, und die allgemeine
0 De Uo. II. p. n. c 15, p. 8';9 (3): InteJlcctus igitur nüster in bis
teaebris et in bac rleprcssione, in quH sumu« hie, non disLinguil ad nudum
Socrat«in a Phtlone in specie hoinn. De un. V. 17, p- 141 (2): ItL-et co-
|Soecer«l homineui secundam quod homo, quod est dicere cognitione univer-
sali, prohibitus tarnen e&set a rera et propria cognitione Sucratis, si naturaü
imposi^ibilitale probibitus esset a co^niliune uniu^cuiusque pai-tirularis sive
•iotfularis.
*) De an. V. 17, p. Itl (1): . . . virtus intellecUTa itnpoteus sil ad
eo^OMftndu scnsüiilia particularia et quu^i rueca »it ad videnda visibilia,
f|uefmadinoduin sensit Aristotele-s et 5ei|uaceK eius.
') De Un. IL p. II c. 1 .\ p. 858 (2) ; Hoc autem non putes me dicere de intel-
ledu in corpore i{uodaininudo demerso atque sepuUo et originali nostra cor*
roptione obscurato ])tiantasiisque depres-so, sed de intellectu [ut C'tiri»tianorum
Vtar sermone) giorillcalo. Wtlbelin spraeb im Vifriiusi^ehenden von der voU-
kommeneti Erfassung iter Indlriduen unmittelbar durch den IntellekL
*) De ao. V. 17, p. Ul (2): Dicu igitur quod impossibilitas isU sive
i
70 _
Erkenntnis im Wesen des intelJektiven Erkennens begründet,
dann müßte den immateriellen Substanzen und dem Schöpfer,
da ihnen im höchsten Grade die intellektuelle Erkenntnis eigen ^)
ist, jegliches Wissen um die Einzelndinge abgesprochen wer-
den. *) Dem menschlichen Intellekte ^) bliebe bei der genannten
Voraussetzung seine höchste Bethätigung, die unmittelbare
Schauung Gottes, für immer versagt, denn die Gottheit ist ein
Einzelnwesen im vollkommensten Sinne dieses Wortes. Bezüg-
lich der sinnlichen Einzelndinge sodann würden wir in einem
fortwährenden Irrtum leben wegen der häufig vorkommenden
Sinnestäuschungen.*) Aber auch abgesehen von den falschen
Consequenzen, die sich aus der Annahme einer ausschließlichen
Aligemeinheit der intellektiven Erkenntnis ergeben, steht dieselbe
mit aller Erfahrung im Widerspruch. Thatsächlich läßt sich
eine Erkenntnis des Einzelnen durch den Intellekt aufweisen.
Jede geistige Substanz erkennt ihr eigenes, individuelles „Ich*,
sie erfaßt die einzelnen Akte ihres Denkens und Gefühlslebens. ^)
Wir besitzen thatsächlich ein Wissen, ®) z. B. die Wissenschaft
der Arithmetik, wir stellen Erörterungen an und führen Beweise
durch, lauter Vorgänge und Gegenstände, die etwas Einzelnes
darstellen. 7) Jede Wissenschaft ist nämlich ein geistiges Einzel-
profaibitio naturalis, qua non est possibilis virtuti intellectivae cognitio par-
ticularium, aut hoc est ei per se naturaliter, et intendo per hoc quod est vir-
tus intellectiva, aut aliunde.
*) Ebd.: Quapropter caecitas ista est et magis et maior in nobilibus et
abstractis substantiis naturaliter, quanto sublimiores erunt, et propter hoc
maxime in creatore.
') De an. VII. 1, p. 204 (1).
°) Ebd. p. 203(2): erronei isti auferunt intellectui Operationen! , propter
quam potissimum creatus est. Haec autem est visio lucidissima et imme-
diata creatoris ....
*) Ebd. p. 204 (1).
") De an. V. 17, p. 141 (2): Atnplius secundum hoc nuUa substantia
intelligens intelligeret seipsam, cum omnis substantia intelligens singularis
Sit et individua. De an. VIL 1, p. 204 (1): eodem modo se habet de opinio-
nibus, duhitationihus, ignorantiis, similiter de gaudiis et doloribus.
"j De an. VII. 1, p. 204 (1): Scientia quaecunque, quae est in anima
humana, cognoscitur ab illa.
''} Ebd.: Quid erunt disputationes, collocutiones, demonstratioues et
aliae probationes, cum unumquodque eorum particulare sit.
_ 71
nes. *) Demnach scheint es Wilhelm festzustehen, da&. auf gei-
stigem Gebiete eine Einzelnerkenntnis sich findet. *) Wie aber
auch die sinnlichen Einzelndinge von dem Intellekt nicht bloß
durch ein allgemeines Bild, sondern in ihrer Individualität erfaßt
werden, haben wir bereits gezeigt.*)
Man wird den Ausführungen unseres Scholastikers, die teils
in dessen eigenen Voraussetzungen ihren Grund haben, zumeist
aber in der totalen Unkenntnis der aristotelischen Lehren wur-
zeln, kaum einen besonderen Wert beimessen können. Von der
hohen Bedeutung der allgemeinen Begriffe für die gesamte wis-
senschaftliche Erkenntnis hat Wilhelm keine Ahnung. Inte-
ressant bleibt aber hierbei, dal^ sich bei ihm der Gegensatz zu
den Peripatetikem in einer entschiedenen Betonung der indivi-
duellen Erkenntnis geltend macht. Diese Hervorhebung des In-
dividuums gegenüber dem Allgemeinen als Erkenntnisobjekt tritt
noch deutlicher hervor, wenn wir fragen, welche Stellung Wil-
helm in dem Streite über die Uni versalien einnimmt. Steht
er auf Seite der Realisten, oder muß er den Nominalisten
zugezählt werden?
Wir haben schon früher Wilhelm als einen Gegner der
platonischen Ideenwelt im Sinne selbständiger, von den Dingen
verschiedener, immaterieller Substanzen kennen gelernt *) Dazu
kommt, dalä unser Scholastiker an der Selbständigkeit und Sub-
stanzialität der Ideen nicht consequent festgehalten hat. An
anderen Stellen faßt er dieselben in ganz bestimmter, unzwei-
deutiger Weise nach dem Vorgange „der christlichen Lehrer und
der besten Kenner der platonischen Philosophie," ^) wie er sich
>) Ebd.: scientia enim omnis spirituale particulore est
') Ebd.: dubilari Don potest, Tirtutem intellectlTam particularia saltem
spiritualia apprebendere pusse,
•) VgL S. 64 f.
') Vgl. S. 45 f.
") De Un. II. p. I. c 39, p. 839 (2): Hunc igitur deum ac dei filium
artem dei omnipotentis plenam rationum viventium sapientes et doctores
Christianorum nominant, rationes viventes intelligentes ipsas species vel
ideas, quas Plato posuit secundum intentionem et opinionem ipsorum, qui
in parte ista de Piatone et eins pbilosopttia bene et laudabiliter opinati sunt
7a
ausdrückt, als die ewigen Gedanken im Geiste des Schöpfers.*)
Aber auch bei dieäcr, dem echten platonisclteri Standpunkt nicht
mehr entsprechenden Auffassung, die schon an sich eine extrem
rrnlistische Ansicht über die Universalien unmöglich macht, wendet
sich Wilhelm noch ausdrücklich gegen die seiner Meinung nach im
Tiniaeus vorgetragene Lehre, daß unsere Begriffe nicht die Wesen-
heit dersinnentalligen Dinge, sondern eine bloße Ähnlichkeit dersel-
ben mit den Gedanken des Schöpfers bezeichnen sollen.*) Würde
den liegriffcn nichts Wirkliches imd Wesenhaftes in den Dingen
der Sinnenwell entsprechen, so müöte die letztere zu einer Sub-
stanz- und wesenlosen Scheinwelt herabsinken, '^) von der keine
Erkenntnis möglich wäre, weil auch nichts mit W"ahrheil von
ihr ausgesagt werden könnte. *) Es sind wohl auseinander zu
halten, die Welt der göttlichen Gedanken, welche, von den
Sinnendingen völlig verschieden, nur deren Ideen und Urbilder dar-
stellen, und die Gattungen und Arten, die von den Einzelndin-
gen ausgesagt werden und deren Wesen und Substanz bezeicli-
nen. Die Ideen existieren außerhalb der Dinge im Geiste Gottes
ewig und unveränderlich, *) während die Gattungen und Arten
nur in und mit den Einzelnwesen ihre Existenz haben. *)
*) Oe Un. II. |i. I c 3ö, p. 830 (2): De ideis tgitur sive formis extcrio-
ribus, quae in iiiente creatoria aetemaliter sunt, intellexit (Plato) sermo*
aes suos.
*) Ebd. p. 836 (1): contradicH huic sermoni ipsemet Plato evidenter
in libro sua quem nominavit Tiiiiueurn dicens, ({uia non hoc, quod est apud
DOS, terra e«t, i^ (orreum, aec i(^nis verus est, qui apud tios est, sed igneum.
EM. c. 3i!, p 837 (1): erravit evidenlßr, quod nomina terraL- et igni>; et alia
siinilia dixil non praedicari secundum veritatem de cur}M:iribus, quae sunt
apud Du$, neqiie per esüeatiam, sed per siaiililudinem taalum.
*) Ebd c. 34, p. 835 (2): Necesse i{(itur hahet tandem venire ad hoc,
ut neque vcre substantia sit ncc essentialiter, sed ncque aliquid aliud. Quare
neque vere neque essentlaliter aliquid eril.
*) Ebd.: nihil igitur praedicatur apud nos, hoc est in mundo isLo, rel
potesl praedicari in quid.
') De lln. H- p. I. c.3.% p. 836 (2): De ideis igitur sive formis exlerio-
ribus, quac in menle creatoris aeternaliler .«unt, intellexit (Platü) seimones
fluos. De trinitate, c. 9, p 13 (2).
") De Un. £1. p. I. u. 35, p. 896 [2}: de a|i«ciebus, quae de indtvidui.<i
vel singularibus in e4> quod quid praedicaatur. Ilias enim esse necesse est
78
to
Durch die Unterscheidung von Ideen und Begriffen im
dargelegten Sinne beseitigt Wilhelm die Schwierijfkeiten, die der
platonischen Lehre auch dann noch anzuhaften schienen, nach-
dem man die Ideen als Gedanken Gottes gefaßt hatte. Man
mußte zu letzterer Umdeutung noch einen neuen, Plalo fremden,
aber sehr wichtigen Gedunken fügen, dali die Ein/elndiTige für
sich allein und an sich ein wahrhaftes und eigentliches Sein
besitzen, zu welchem die Ideen nur im Verhältnis eines blotsen
Urbildes stehen. Mit einem Wort, den Sinnendingen mußte die
Substanzialität zurückgegeben werden. Das Ihal Wilhelm
in ganz entschiedener Weise und setzte sich damit in Gegensatz
nicht nur zu dem Heali-snms Piatos, sondern auch zu den extre-
men Ansichten der mittelaiterlichen Realisten, welchen, wie Wil-
helm von Champeaux,*) die Einzelndinge nur mehr als ver-
schiedene Accidenzien einer allgemeinen Substanz galten. Wil-
helm kennt keine allgemeinen Wesenheilen im Siime selb.slfin-
diger Substanzen, weder jenseits der Dinge, noch in den.selben.
Aber auch die aristotelische Fassung des Universale, welche
seil Albertus Magnus-) so ziemlich die herrschende wurde, ist
ihm nicht eigen. Nach Aristoteles und den Scholastikern der
Blölezoil*) wird das Allgemeine durch die Materie zum Indivi-
duum bestimmt, es existiert also individualisiert in den Einzeln-
dingen. Bei Wilhelm dagegen zeigt sich ein ganz anderer Ge-
dankengang, der lebhaft an Gilbert de la Porree erinnert.
Wie schon früher erwähnt, unterscheidet er sinnenlallige Eigen-
schaften und die hinter diesen stehenden Substanzen. *) In den
el in singularibus Buis et cum singularihut;. Utii enini Socrates est, necesse
«st esse hominem, et ubi homu e.tl, ncc-csse <»l esse aliquem hominem.
Damit hatte der chriß' liehe Scholastiker jene Einteilung iler Univorsalien
in universalia ante rem, in re und posl rem, iler ^ai-ho nach wenig-
stens, Vollzügen, wenn sich auch die von den Arubern aufgestellte Korniel
bd ihm nicht AndeL Vf^l. Prantl, Geach. d. Lo{(ik. [II, S. 7G,
■) Uanräau. Hist. de la phil. scoL t. p. 3-Jü fT.
■) von Hertling, Albertus Magnus, Köln 1880, S. 74 f.
*) wenigstens nach Thomas von Aquin und den Thoraisten,
wihrend allerdings Albertus Magnus in den Accidenzien und Scntus
and die Scotisten in einer eigenen individualisierenden Form den Grund
der individuelleo Unterschiede erblickten. Vgl von Herlling a. a, (). S. 103 f.
•) Vgl. 3. 62.
L
74
letzteren allein, nicht aber in den Accidenzien, nihl der indivi-
duello llnterscliied ') dci' üinge. Die Substanzen sind ihrem
BegrifTe nach individuell, Individuen. Von einem Allgemeinen
im Sinne des Arisloleles Ifiläl sich bei Wilhelm keine Spur ent-
decken; er kennt nur EitiKrkeniitnisobjekt, das Individuum.
Schärfer hfiile imser ScholHHÜker seine Stellung gegen den Rea-
lismus nicht zum Ausdruck bringen können, und diese starke
Betonung des Individuellen scheint fast eine Schwenkung auf
die Seite des Nominalismus zu verraten.
Ist Wilhelm Nominalist? Bedeuten ihm die allgemeinen
Begriffe der Gattungen und Arten bloße Namen, die nichts Wirk-
liches von den Dingfni aussagen? Dagegegen spricht die Defini-
tion der species, welche er wörtlich den Schriften des Boüthius
entnimmt. ') Der Ärtbegriff wird von dem Wesen der Einzeln-
dinge ausgesagt; er ist also kein leeres Wort, sondern bringt
das Wesentliche in den l>ingen zum Ausdruck. Letztei*es liegt
aber für Wilhelm in den hinler den Accidenzien stehenden, indi-
viduellen Substanzen. Diese machen im Gegensatz und mit
Atifjschlula der Eigenschaften das wahre und eigentliche Sein,
1) De i'tt. II. p. II. c. 15, p. SfiS {2): quoniam in substaiitüs suis dif-
feninl omnia crenU, sive sint sensibilia sire intelligibifia, omniaque singu-
hiria, videt (inteUectus) difTerentia« eariini esseiiliules, per qiins nuUa ejirum
est atia. De Un H. p. I. c. II, p. 8l9 (2): iam enlm didicisli in logicis,
quoniaiii accidenlales tlifTcrenliae non faciunt aJiud, sod alteratum solum.
Vgl. 64, Aam. 4. Den SaU des ßoethius (vgl PrantI, a. a. O..
I, S. 685, Arnn. 91J: sola accidentium varielas facil differentiam nuniero»
auf welchen sich die Vertreter der entgetren gesetzten Lehre stützten,
sucht Wilhehn in eeinem Sinne auszudeuten. Der italische oder latei-
nische Phdosuph {sermo cuiusdaiu ex llalicis philosophis, quidam ex
Lalinis philosophis, vgl. S. 63) habe die Accidenzien nicht als den
realen Grund der Individoaülät betrachtet, sondern er habe nur sagen
wüU?n , daß diesellien uns während dieses Erdcnlel>ens die Erkenntnis
der Individuen auf dem We^e des Srhluäses vermitteln, dal< sie also bloQe
Erkenntnisprinzipien für unser geschwächtes Denken wären. Vgl De Un. I.
p. lU. c. 1>9, p. 802 (I); De Un. II. p. I. f. U, p- 819 (1).
') De Un. II- p, 1. c. 35, p. 836 [l)i species, quaa dicinms praedicari de
pluribus dinerenlihus numero in eo, quud quid est. Vgl. Bopthi omnia
Opera, Ha»et (l&7r>;. Com. in Porphyrium a se Iranslatum, Lib. HI. p. Öö:i
species est, quod de pluribus et difTereiilibus nutnero iii eo quod i^uid prae- j
dicalur. Vgl S. 1b, Anm. 3.
75
— V
das Wesen der Dinge aus. >) Auf sie bezieht sich demnach der
Ällgemeinbegriff und zwar bezeichnet er eine größere oder ge-
ringere Ähnlichkeit mehrerer Individuen. Der Gattungsbegriff
drückt eine teilweise«) Übereinstimmung und Ähnlichkeit der-
selben aus, während der Begriff der Art ihre völlige Wesens-
äbnlichkeit in sich schlielst, ') alles das erschöpft, was die Indi-
viduen Gemeinsames haben können, weshalb derselbe nach sei-
nem vollen Inhalt von jedem Individuum gilt ^) und das ganze
Sein desselben bezeichnet.^) Das begriffliche Denken hat also
*) Ebd.: Veritas enim uniuscuiusque rei non est nisi vel snbstantia vel
esseotia sivc esse ipsius. Et hoc est, qnod ratio sive definitio explicat. Hoc
autem est residuum a tota circumvestione accidentium,
') De Un. IL p. IL c. 15. p. 859 (1): Quae vero genere tantummodo
unum Tel idem sunt, non totaliter nee integre, sed secundum partem sub-
stantiaram suarum tantoni similia sunt . . . Quemadmodum homo et equus
secnndum ea substantialia sua, quae habent in genere suo, qnod est animal,
similia sunt, secundum autem ea substantialia sua, quae post genus sunt, dis-
similia.
■) De Un. 1. p. IIL c. 29, p. 802 ^1): Ipsemet (quidam ex Italiris phi-
losophis) dixit, quia speci^ est substantialis similitndo individuorum, et debes
intelligere, quod dixi substantialis, hoc est secnndum totam substantiam.
VgL De Un. IL p. IL c. 15, p. 859 (1). Die Stelle bei BoSthius lautet
(Boethi onmia opera, Basel (L575), Com in Porphyrium a se translatum, Lib. I,
p. LG): nihilque aliud species esse pulanda est nisi cogitatio collecta ex indi-
vidnoruni dissimihum numero substantiali similitudine: genus rero cogitatio
collecta ex specierum similitudine.
*) De Un, IL p. IL c. 12, p. 855 (2): Et ratio eius seu diffinitio totali-
ter est in unoquoque illorum (individuorum). In diesem Sinne muß auch
der Satz Früherer verstanden werden, daß die species das allen Individuen
GemeiD»ame sei. (Et iam fuerunt aliqui dicentes speciem unamquamque esse
uniTersitatem individuorum suorum). Nur der logische Begriff der Art findet
sich in allen Individuen verwirklicht und sei ihnen so gemeinsam, aber der
Ausdruck universitas dürfe nicht als eine allgemeine Substanz gedeutet wer-
den, zu welcher sich die Individuen als bloße Accidenzien verhielten.
•) De Un. IL p. I. c. 35, p. B'M (1): Huiusmodi species totum est esse
individuorum; quidquid enira habet Socrales praeter hominem (hoc est prae-
ter ea ex quibus est homo), accidit eidem, id vero quod habet residuum ab
accidentibus, est totum esse ipsius, quare totum esse ipsius est ipsa species
videlicet haec species homo. Der Artbegriff bringt im Gegensatz zur Gattung
das ganze Sein des Individuums zum Ausdruck, soweit dasselbe über-
haupt begrifflich erfaßbar ist VgL S. 67 f.
76
die unter den Accidenzien verborgenen individuellen Substan-
zen zum Gegenstände, insofern dieselben nach dem Grade ihrer
Ähnlichkeit erkannt und zur Einheit des Begriffes zusanimengefafit
weiden. *) Haben mehrere Kirizi-Inilingt.' nur eine teilweise sub-
stHn/.ielie Ähnlichkeit, sind sie ahor in den übrigen Bestimnningen
ihres Wesens einander unAhnlich, wie Mensch und Pferd, so
werden sie mit demselben Gattungsbegriff gedacht; mit demsel-
ben Artbegriff jedoch dann, wenn die sämtlichen in der Defini-
tion angegebenen Merkmale ihres Wesens die gleichen sind,
z. B. Sokrates und Plato. *) Über die Ähnlichkeil der Einzeln-
wesen hinaus zur individuellen Unterscheidung derselben führt
die begriffliche Erkenntnis nicht. Wir vermögen durch den
Begriff nicht zum Individuum zu gelangen. Das letztere ist uns,
wenigstens für dieses Leben, nur indirekt, durch den Schlulä aus
den Arcidenzien, erreichhai*. ') So sehr also Wilhelm das Indi-
viduum als 4las allein Wirkliche in den Vordergrund rückt, so
erscheinen doch bei ihm die allgemeinen Begriffe nicht als Na-
men oder Produkte unseres Denkens ohne jede reale Bedeu-
tung, sondern sie besitzen ihren Grund, ihr Fundament, wie
Thomas von Aquin sagte, in den Dingen, \^'eil diese Stufen
der Ähnlichkeit aufzuweisen haben, faßt unser Denken dieselben
zur begrüTlichen Einheit der Gattung und Art zusammen.
Nach diesen Darlegungen dürfte es nicht mehr schwer sein,
die Stellung Wilhelms in der Univeraalienfrage zu bestimmen.
Es ist — wie schon Valois hervorhebt*) — ganz falsch, den-
selben mit Haurf'iiu zu den Realisten der extremsten Rich-
tung zu rechnen und ihn mit Wilhelm von Chamiieaux auf eine
Stufe zu stellen. *) Die Citale, auf welche der französische Ge-
9chich(sächreiber der scholastischen Philosophie sein Urleil grün-
det, haben sämtlich einen ganz andern Sinn, als ihnen der ge-
') De Un. I. p. III. c. 2f*, p. 8(12 (1): non enim in specic distingiilnius
indiritlua, aei) iiia^is unimus siinilitudine csaeiitiali omainiodo, quac est eis
in specie.
') De Un. n. p. II. c. 15, p. 859 (1).
") Ebd. Kerner De On. I. p. III. c. 29, p. 802 (l). Vgl. S 63 f.
*) Valuis, a. a. O. S. 243 ff.
*) Haur^au, De la Philosophie scolasUqiie, I. p. 447— 455. Hiat. de la
phil scol. II a, p. 147-169. Vgl. oben S. 46, Amn. 2.
nannte Autor unterlegt. Die wichtigsten Stellen sodann, welche
für die Auffassung des Universale enlscheidend sind, werden von
ihm gar nicht beriickuichligl. <) Wie aber einem extremen Rea-
lismus, so steht Willielm iiucli dem Nominalisnius fern. Er muü
vielmehr unter die Voitreter der geniAtiii:len realistischen Rich-
tung eingereiht werden. l'Yeilich nimmt er hier eine ganz eigen-
tümliche {Stellung ein. Obwohl er von Boethius ausgeht, zeigt
sich doch sofort ein scharfer Gegensatz. Unser Scholastiker be-
trachtet näuilicli niclil, wie jener, die Accidenzien als Grund der
individuellen Unterschiode, sondern die unter den Eigenschnftcti
verborgt-n gedachlnn Substanzen selbst. Jede Substanz ist als
solctie individuell und bedarf keines weiteren individuierenden
Prinzipes. Dadurch nun erliült seine Universatienlehre den ihr
eigenen Charakter. Die hinler den Accidenzien stehende Sub-
stanz, welche das Individuum ausmacht, gilt als eigentümliches
Objekt des geistigen lOrkenneas. Die allgemeinen ßegritfe bezie-
hen sich zwar auf diese individuellen Substanzen, aber sie brin-
gen dieselben nur unvollstAndig, nach dem Grade ihrer gegen-
seitigen größeren oder geringeren Ähnlichkeit, zum Ausdruck,
vermögen sie aber nieuials nach ihrer Individualiliil zu erfassen.
Die begrifTliche Erkenntnis muLi ihre Krgfinzung linden in einfiii
Srhlufiverfahreii. Heide Krkeimlnisweisen wurzt-lii si:filiel.»licli
in einer Schwächung der intollecliven Krall durch die Sünde,
welche eine vollständig klare und unmittelbare Erfassung der
Individuen für die Dauer dieses Erdenlebens unmöglich tnachL
Schlulsfolgerung aus den Acciden/ien und BegriffsbiU
düng, das waren die beiden Mittet, durch welche derltdellekl nach
Wiibelms Ansicht zur Erkenntnis der kör])erlichen Dinge ge-
langt Der Scholastiker spricht jedoch noch von einer drilten
Erkenntnisart,*) von einem „modus per connexionem sive per
colligationem". Willielms Ausführungen in diesem Punkte ent-
behren selu" der Klarheit, und es ist schwer, seine Meinung hier-
*) Audi Prantl (GföU'hichle der Laf^il im Abendlanrle, III. ä. 7t*) ^iud
die BeziehuDgen Wilhelms zu BiH>lbius entKaiigen, wcftlialb er ebenfalls irr-
lOmlieh Wilhelm zu den extremon UralisLrri zählt.
*) Ue an. VII. 7, p, 213 ['2): Terhii« tiiodus est per connexionem sive
per coUigatioDeni.
78
über festzuateüen. Was er im Auge hatte, das waren die kom-
plizierteren Vorgänge des Krkenolnislebens. Er zieht vornehm-
lich zwei Thatsuchen heran, nämlich die Bildung von Schlüssen
aus gegebenen PrAniissen oder die Auffindung des Mittelbegriffes, *)
wo wir also von einer Erkenntnis zur andern Ibrtschreilen, von
der Ursache zur Wirkung und umgekehrt, *) und die andere Er-
scheinung, daU wir ganze Reihen von Erkenntnissen, und zwar
der verschiedenslen Art, willkiirllch in uns erzeugen können. *)
In letzterem Kall handelt es sich um die Fähigkeit des Ge-
dächtnisses und um die Reproduktion von Gedächtnisvorslel-
lungen.
Wir dürfen jedoch kein näheres Eingehen auf die Natur
oder Gesetze jener Vorgänge von Seite Williehns erwarten.
Was ihn zur Betrachlung derselben führt, das ist lediglich die
Frage, wie die auch in den genannten EäJlen zur Erkenntnis not-
wendigen intelligiblen Formen in dem Intellekt erzeugt werden. *)
Wir hoben es nämlich weder mit der Erkenntnis der Einzeln-
dinge aus ihren Accidenzien zu thun, wobei überhaupt kein
intelligibles Bild entstehen kann,'^} noch mit der Abstraktion all-
gemeiner BegrifTe auf Veranlassung von sinnlichen Vorstellungen
bin, sondern es ist eine ganz neue Art des Erkennens, welche
infolgedessen auch eine neue Erklärung für die Entstehungs-
weise der intelligiblen Formen verlangt. Dai^ Eigentümliche der
letzteren Erkenntnisart Liegt darin, datj der Intellekt Erkenntnisse
aufweist, die nicht mehr durcli die Gegenwart und den veran-
lassenden Einfluü der äuüeren Objekte") bedingt sind, die also
■) lie an. VII. B, p. 213 (2): Et hnec est causa radicatis . . . inrenlio-
nis metliorum syllogisticorum el (lenionsLrativorum.
') Ebii.: Habet autem istud admirationem Qon inodicani, vitlelicel qua-
liter acientia causae inducit scientinm efiTectus aut e conveiso.
'} De BD. Vit. 8, p. 214 (3): Et propter hüc iuxta velle suum nunc gt'
neral unain scientiam in efTeclu nunc aliam.
*) De an, VII. H, p. 215 (l): QuuesLiunem autem liab«l, uLrutn causa
per semetipsam absque ullü alio, viilelJcet vel tjiinilitu<]ine vel ^i^nu (|uocuni-
que. ostenJere sufSciat efTectuni suum et introducere in virlutem inteUccti-
vam. V^\. Aam. 2.
») Vgl. S. H fi7 f.
•) De an. Vll. 8, p. 214 (1): virtu» inlellectiva ex eo quod est virtua
inleUectiva potenüa est intelligendi lantuni, non patens per sennetipeam exire
79__
durch die intellektive Kraft allein, ohne Beihulfe von außen, er-
zeugt werden. Wie lassen sich nun die Thätigkeiten des
Schlie&ens und die Reproduktion beliebiger Erkennt-
nisse erklären?
Wilhelm verweist darauf, daß alle Dinge, welche in der
Wirklichkeit mit einander verbunden sind, auf Grund dieser Ver-
bindung auch mit einander zur Erkenntnis kommen müssen.
Die Erkenntnis des einen zieht die Erfassung des andern nach
sich. Wer also die Ursache erkennt, dem kann die Wirkung
nicht unbekannt bleiben. ^) Allein dieser veranlassende Faktor,
wenn wir so sagen dürfen, reicht zur Erklärung der fraglichen
Vorgänge noch nicht hin. Wie soll nämlich eine Ursache,
welche mit der Wirkung gar keine Ähnlichkeit besitzt, z. B. bei
dem Schluß aus der Stellung der Erde zwischen Sonne und
Mond auf die Verfinsterung des letzteren, •) die intelligible Form
ihrer Wirkung in den Intellekt einführen? Dies wird nur da-
durch ermöglicht, daß die intellektive Kraft selbst die Fertig-
keit») besitzt, von dem einen zum andern fortzuschreiten, bei
der geistigen Erfassung der Ursache aus sich heraus sofort das
intelligible Bild der Wirkung zu erzeugen. Diese Fertigkeit des
Intellektes nennt Wilhelm „habitus". Er nimmt diesen Begrifi*
aus dem ethischen Gebiet *), und zwar aus der Definition, welche
ia actum iDteUigendi, sed indiget, ut saepe audivisti, eductore et adiutore alio.
Per babitum vero efScitur non sülum potens, sed etiam prompt! ssima expe-
ditissimaque ad actus intelligendi.
') De an. VII. 8, p. 215 (\): omnes res propter coUigationes et conco-
mitantias antedictas riaesunt aliaead alias, et intus ducunt aliae ad alias vir-
tutem intellectivam iuxta modos quos audivisti, sicut causa introducit eflec-
lum ad illam et elTectus ad causam ; et de aliis concomitantibus se sive con-
nexis ad invicem siniiliter se habet. De an. VII. 8, p, 313 (2): per unum
coUigatorum ad invicem naia est rapi et npplicari aliis, si multa sunt, et
alii, si unum solum est.
') De an. VII. 8, p. 213 (2): Tu autem vides, quam diversarum for-
marum sint interpositio terrae inter solem et lunam et prohibitio seu pri-
Tatio luminis a luna. Das Beispiel bei Aristoteles: Analyt. poster. II. c. Ifl.
*) De an. VII. 8, p. 214 (1): Et ad hunc modum se habet de virtute
nostra intellectiva, cum promptissima fuerit ad unum coUigatorum perpen-
dendum ex alio seu per aliud.
*) De ao. VII. 8, p. 214 (1): Attende diligenter, quod dixi tibi de hahitu
haiusmodi, videlicet qnia est sicut mos. lam enim didicisti alibi, quod.
80
Avicenna von den Sitten (mores) giebU Ganz im Sinne
des arabischen Autors wird die Bedeutung desselben in sei-
ner Anwendung auf den Intellekt bestimmt Durch diese Fer-
tigkeit nämlich erscheint die intellektive Kraft zu ihrer Bethäti-
I gung, zur Erzeugung der intelligiblen Formen, aofs höchste ge-
steigert und vorbereitet ^) Wilhehn bedient sich zur Ver-
anschaulichung der mannigfachsten Bilder. Er vergldcht diesen
Zustand der erkennenden Kraft mit einer übeiströmenden Quelle
(fons inundantissimus) *), mit einem Spiegel, der aus sich selbst
seine Bilder schafft (speculum speciosum), •) mit der Zeugung
des Sohnes aus dem Vater*) und endlich mit den instinktiven
[. Thätigkeiten und Kunstfertigkeiten der Tiere, welche der Scho-
*: lastiker aus Vorstellungen ableitet, die sich durch eme Art in-
*; neren, vom Schöpfer angelegten Mechanismus mit Notwendig-
j keit entwickeln. Die Spinne nimmt nur den Stoß auf die Fäden
ihres Netzes wahr. Die Formen der Mücke, der Beute, der
Speise werden aber lediglich von der Einbildungskraft erzeugt.^)
Wie kommt nun die Seele in den Besitz dieser Fertigkei-
ten, die auch mehrere sein können, je nach der 21ahl und Ver-
schiedenheit der Gegenstände, auf welche sie sich beziehen?')
Wilhelm kennt einen doppelten Weg. Solche «habitus' stammen
mores sunt hahttus, ex quibus sine praemeditatione est freqaentia operum
ut ait Avicenn.1. Vgl. de virtutibus, Tom. I., c. 9, p. 117 (1).
*) Ebd. p. 21^ (1): in habilu enim huiusmodi sunt non solam potenüa
quaÜeumque, sed potentia promptissima atque plenissima et ad generaliunem
istam paratJssima. De an. III. 6, p. 91 (2): Secundo (potentia) propinquitas,
id est privatio eiongationis ab esse vel fieri, iuxta sermonem Avicennae.
Vgl. S. 78, Anm. 6.
"^ 'J De an. VII. 8, p. 214 (1).
k ») Ebd.
j. *) Ebd. p. 214 (2). Diese Parallele wird insbesondere in „De trinitale*
vielfach durchgeführt.
\ ') De an. V. 7, p, 122 (2): Ego vero dedi tibi exemplum super hoc in
i aranea, quae ex concussione nnius fili telae snae seu retiacnli imaginatur
1 casum muscae et praedam sive escam sibi esse illam .... unde veniunt
I (illae formae) in imaginationem araneae, nisi ab ipsa virtute imaginativa
ipsius sive arte, quam creator indidit animae ipsius araneae? De an. VII. 8,
p. 213 (2i. De Un. II. p. II. c. 75, p. 926 (I).
•) De an. VII. 8, p. 214 (2): Sic vis intellectiva, habeas mullos habilus
penrs se vel apud se, extrahit in eOectum sive in actum ^scientias actuales.
dl
nAtnlicli teils aus unmittelbarer göttlicher Kinwirkung, wie
dies bei der prophetischen und conlemplaliven Erkenntnis heiliger
Männer der Fall ist (habitus infusus), teils aber werden sie
durch eigene Erfahrung, durch Unterricht und philosophische
Forschung erworhen. ') Wie Aristoteles*) sage, beginne unser
Erki^nnen bei den Sinnen und gelange erst durch Gedächlnls-
bilder und Erfahrungen zur Vollkommenheit des Wissens.
In dieser eigentümlichen Ausrüstung der inlellektiven Kraft
glaubt Wilhelm das Mittel entdeckt zu haben, um die Tliätigkei-
ten des Urteilens und Schließen^ erklären zu können, Dui-ch
die erworbenen Fertigkeiten oder „habiliis" ist der Intellekt in den
Stand gesel/t, von einer Erkenntnis zur andern forlzu^^ohcn, wie
^solches bei der Abknliuig der Folgerungen aus d^n Prinzipien
lallfindel. Die Kenntnis der obersten Wahrheilen und der
logischen Gesetze genügt, damit der Intellekt die in den Prinzi-
pien enthaltenen Folgerungen erkenne, d. ii. mit Leichtigkeit
die letzteren entsprechenden intelligiblen l'ormen erzeuge. ')
In gleicher Weise beruht auch die Geschicklichkeit in der Auffin-
dung des Mittelbegriffes,*) was Aristoteles mit ,sollertia''*)be-
Kmr
\ ■) De aiu VII. 9, p. 2It) (2)- possibjle est, ut funles isÜ iJe inumlulione
prirni ac universali«i fontü venUnt atqiie scateant, sicut appareut in äi-ioiilLiP,
quae per rerelalionem dei allissimi sunt, qimles sunt scientiae contemplalivae
et prophelici spleadore». N'ihilotninus auteni et aliiimte, videliceL
4oHriniä et invr^siii^tiontbus philosophiois, repletur vis intelteoliva, ila ut
iatur fuDtes multi sive scaturigineo scientiarum actoalium. Vgl. De tri-
Iwtolc c. l\ p- 21 (11.
») Ebd. : Accidil et hoc de memoriis et experimentis iuxta acr-
mkoem Aristotelu in suo tit>ro metaphysicorum. De Vn. 11. p. U. c. ül,
8IM (2): Tu tainen 6c\e, quia a sensu spirituali vel corporuli iDcipivitteü
ieotine per memorias et experimentu perveniunt ad perfectioaem nrtja et
itiae. Vgl Arist.. MeL l 2. UöÜ a 27 — 981 a H
^ De an. VII. 4, p. 30*J i2i: Mnnirestuin autRiii e^t, quia cum S]rllo|p*
;ira complexione onliaatu fuerint el aplala t-oiielusionibus suis in-
iCODl conclusioaes io inteilecLum luaterialem, et sie sunt causae conctusio*
num. Vgl. S. 79, Aonu 1 und 3.
•) De an. VII. 8, p. 215 (1): Debes ctiam hie reminisci de virtute
qwe vocatur ingeniuin sivc ingeniosilas, ex qua est raoilitas inventionis
meiliorum ad probaliones.
') Oe au. V. 7, p. 122 (2): Hoc aulem evidcntisi*imum eal In dispnsi-
lione vel tiabilu, quem Aristoteles vocat sollerüam in libro iK^slerioruni ; vocat
6
82
zeichnet habe, und die Genialität bei Erfindungen*) auf einem
derartigen „habitus" des Intellektes und der hierdurch ermöglich-
ten Erzeugung der notwendigen intelligiblen Bilder. *) Wie die
genannten Thätigkeiten des logischen Schlu^verfahrens, denkt
sich Wilhelm auch die Gedächtnisbüder durch eine Art »habitus'
bedingt. Allerdings tinde sich zwischen beiden ein Unterschied.
Durch die Fertigkeiten des Wissens nämlich (habitus scientiales)
werden stets neue Erkenntnisse erzeugt, während aus dem „habi-
tus" des Gedächtnisses, wie aus einem Behälter, nur die alten,
dort hinterlegten Bilder hervorgehen.^) Die Mannigfaltigkeit*)
unseres Erkenntnislebens endlich und die Thatsache, daß wir
nicht immer und stets das Gleiche denken, haben ihren Grund
in dem Einfluli des AVillens und der Aufmerksamkeit auf die
»habitus* des Wissens. Wegen der Abhängigkeit der intellektiven
Kraft und ihrer Fertigkeiten vom Willen und der Aufmerksam-
keit, ist es diesem möglich, bald diese, bald jene Gedankenreihe
hervorzurufen, sich jedem beliebigen Erkenntnisobjekt zuzuwen-
den. *) Eine völlig die Erkenntnis aufhebende Wirkung übt der
Schlaf. Nur manchmal finden Ausströmungen (emanationes)
aus jenen » habitus* statt , worin die Träume ihre Wurzel
haben. «)
namque soUertiam promptitudinem inveniendi medium. Vgl. Arist, Anal,
poster. I. c. 34.
^) De an. VII. 8, p. 215 (1); ingeniosos enim dicimus qai faciles
seu prompti sunt ad excogitanda vel facienda nova opera.
') Wilhelm stellt diese seine Ansicht einem ungenannten Aristoteliker
entgegen, welcher das ingenium für eine Seile des Gedächtnisses erklärte
(bonitas memoriae pars est bonitatis ingenii). De an. VII. B, p. 215 (l).
■') De an. VII. 8, p. 21ö (1): Vetera qnidem quantum ad thesaarum
memoriae, nova vero quantum ad scientias actuales. Ebd. p. 216 (2).
*) De an. VII. 8, p. ^14 (2): voluntarium est ac liberum virtuli intel-
Icctivae, generationes istas facere in semet ipsa, cum impraegnata fuerit habitu
vel habittbus huiusmodi. Vgl. S. 78, Anm. 3.
*) Ebd.: Tres igitur causae sunt evidentes ostensae tibi, per quas Don
sunt continuae generationes istae scientiarum «ctualium sive apparitiones
in speculo virtutis intellectivae, videlicet soninus. et attentio sive occupatio
eins circa alia; tertio imperium voluntatis, cul omnino subdita est virtus
intellecliva.
") Ebd.: nain etiam in sumno fiunt cinanaLiones huiusmodi tam-
quam somnia.
63
Es bleibt noch die Frage übrig, wie denn Wilhelm zu die-
ftn eigentümlichen Erörterungen gekommen sein mag. Die Antwort
fiierauf liepl in den Beziehungen des ScholastilcLTs zuAvicennn.
Der arabische Philosoph hatte behauptet, data nicht blüÜ! bei der
iU)slrakti\vn Thätigkeit, ■) sondern auch bei den Kiinktionen des
SchlieiJiMis die intelli^ibleii Küinieri aus der thillippri Intelligenz
_ein(Ut'üen. Ferner leugnete er die Möghchkeit und Existenz
inlellektiven Gedächtnisses. *) Gegenüber diesen Aufölel-
suchte Williehn, wie früher die Bildung abstrakter Be-
so die logisclien Operationen aus der inteliektrven Ki*afl
selbst abzuleiten. Freilich vermochte er sich hierbei nicht dem
Unflusse Avicennas zu entziehen; denn er betrachtet die genann-
Thiitigkeiten unter dernjjelben Gesichtspunkt, wie der Araber.
Eiandelt sicli lediglich um die Kiilstehutig der in telligihlen
Formen. Nur darin weicht er von Avicenna ab, dafä diesel-
ben Er/A'ugnisse des hilellektes selbst sind, sofern dieser eine
^JVrtigkeit hierzu sich erworben hat, 0er letztere Begriff des
^Umbitus* al)er ist schon bei dent Araber vorhanden, und zwar in
^Heiner Anwendung auf daa F^rkenntnisgebiet, nur bedeutet er
^^ort noch kein produktives Vennögen, sondern die Fertigkeit
des Inlellekles, sich mil der Intelligonlia agens in Verbindung
zu setzen.*) Was das intellektive Gedächtnis anlangt, so hält
Wilhelm an der Existenz eines solchen fe.*it, bestimmt es
Kber genau, wie Avicenna das körperliche Gedächtnis, als einen
^hülter (tiiesaurus), in welchem die intelligibleu Formen hin-
terlegt sind. *)
So unverslAndlich an sich die Ausführungen des Schola-
stikers erscheinen, so begreillich werden sie, wemi man ihren
I
') Vgl. S. 46 f.
■ «] Stockt. Gescliichlü <ler Phitusophie des MiUelalters, II, 8-4* ff.
Krenlaoo, Psychologie des Aristoteles, S. 8— II.
*j tirtiQtaDo, a. a. 0. S. 10. Anm. 35; S. 12, Anm. 33.
*) Ob nun Wilheini an eine Aurbewnlirunt; fertiger Formen denkt oder
l^^n eine Dispoeltinn, diosellteii zu erzeugen, das lil£tt sich nidit mit (>e*
BtU f^ti^tellen. Die S. S'2 erwflhote tJnttTBrlieidung vnn den ,li»bi-
iiif sciealialcs*. welche Erkenntnisse im eitrenlUclicn Sinne erzeugen, scheint
ii* pr^i.r^' ■^(•lir walirürheiulicli ui maclion.
6*
84
Zusammenhang mit der arabischen Philosophie ins Auge fa&t.
Sie bieten einen interessanten Beleg, wie und mit welchem Er-
folge die Scholastik ohne Aristoteles den Arabern auf philoso-
phischem Gebiete zu begegnen suchte.
Wir haben im Bisherigen die Erkenntnisweisen des Intel-
lektes gegenüber den körperlichen Dingen der Außenwelt
aufgezeigt, die Erkenntnis der Einzelndinge durch einen Schluß
aus ihren Accidenzien auf die Substanz, die Abstraktion allge-
meiner Begriffe, und endlich den schwachen Versuch, die Opera-
tionen der Logik und des Gedächtnisses begreiflich zu machen.
Mit der Kenntnis der materiellen Dinge jedoch sind die Gegen-
stände des Intellektes noch keineswegs erschöpft. Er richtet
sich auch auf die geistige Welt, zunächst auf die Seele
und deren Thätigkeiten.
2. Erkenntuis der Seele, der obersten Wahrheiten und
ihres Grandes, der Gottheit.
Neben dem körperlichen giebt es ein geistiges Wahrneh-
mungsvermögen, ein geistiges Sehvermögen; ') neben der sinn-
lichen Wahrnehmung eine innere, geistige. Die Objekte dersel-
ben sind die Thatsachen unseres Bewußtseins, die eigene
Existenz, ■) die Akte unseres Vorsteliungs- und Gefühlslebens,
die Zustände und Äußerungen unserer Seele.
Wilhelm greift hier auf die von Auguslin'') zum erstenmal
entwickelten Gedanken zurück. Dieser große Denker hatte dem
*) De Un. II. p. II. c. 13, p. 856 (2): Est enim sensus non solum cor-
poralis, sed etiam spiritualis. De an. VII. 5, p. 210 (2): sie non est possibile
TJsui nostro spirituali, qui est intellecius. Vgl. S. 8!, Anm. 2.
') De an. III. 13, p. 104 (2): mens humana nulto modo ignorare polest
videlicet se esse, se vivere, sc gaudere, se tristari et huiusmodi. De Un. 11.
p. II. c. 13, p. 856 (2): dicit unusquisque hominuiii , se sentire gau-
dium suum et dolorem suum celerasque huiusmodi passiones. Et inLendo
dolorem spiritualem et gaudium in huc loco, et non corporales. Similiter
dicunt homines comniuniter, se seniire scientias suas et dubitationes et
ignorantias.
') De an. III. 13, p. 104 (2): dicit unus ex nobilibus theologis gentis
Christianorum, {|uaedam, inquam, sunt quae mens humana nullo modo igno-
rare potest. Vgl. die vorige Anmerkung.
85
Gebiete der inneren Erfahrung eine besondere Beachtung ge-
schenkt, um gegenüber der Skepsis der neueren Akademie
Thatsachen aufzuzeigen, die nicht mehr bezweifelt werden kön-
nen. *) Nach Augustin blieb in der ersten Hälfte des Mittel-
alters die Aufmerksamkeit der christlichen Denker stets auf jene
inneren Vorgänge des Seelenlebens gerichtet, wie z. B. die ausführ-
liche Bezugnahme*) auf dieselben in dem schon früher erwähn-
ten, im zwölften Jahrhundert von Alcher von Clairvaux zusam-
mengeschriebenen Buche ,De spiritu et anima* beweist. Allein
die erkenntnistheoretische Bedeutung, welche diese Thatsachen
bei Augustin gefunden hatten, war ganz außer Acht gekom-
men. Wilhelm von Auvergne war wiederum der erste, wie es
scheint, welcher nach der erwähnten Beziehung hin die Akte
des Selbstbewußtseins zu verwerten suchte. Die gleiche Ten-
denz verfolgten später Pierre d'Ailly ') und Campanella,*) bis
endlich Descartes die Evidenz der inneren Wahrnehmung zum
Ausgangspunkt seines ganzen philosophischen Systemes machte.
Zwischen dem mittelalterlichen Scholastiker und dem Begründer
der neueren Philosophie liegt nun allerdings ein weiter Weg.
Aber trotzdem bieten beide Männer manche interessante Be-
rührungspunkte.
Den Thalsachen unseres Bewußtseins muß der höchste
Grad von Gewißheit zuerkannt werden.^) Jeder erkennt mit
Notwendigkeit die Akte des eigenen Denkens und Wissens, des
ßejahens und Vemeinens. ^) Unkenntnis kann hier nicht statt-
') Storz, Die Philosophie des lieiligen Augustinus, Freibui^ 1892.
S. 30-40.
') De spiritu et anima, e. 32, Migne, Tom. 40, p. 802 (1). Vgl. S. 55,
Ämn. 1.
') Überweg, Grundriß der Geschichte der Philosophie, Bd. II, 7. Aufl.,
Berlin 188(i, S. 266.
*) Oberweg a. a. O., Bd. 111, 7. Aufl., Berlin 1888, S. 42.
') De Un. II. p. II, c. 41, p. 885 (1): Ob eandem etiam causam habitus
et dispositiones atque passiones, quae sunt essentialiter apud animas nostras,
sunt apud eas in ultimitate cognitionis, quoniam non per Signa aut alta me-
dia cognoscuDtur, sed ipsa suae praesentia verilatis.
•) De an. I. 3, p.66 (2): Procul dubio homo non est, qui non intelligit
nee seit, quid sit affirmare vel negare, nee intelligit repugnantiam affirma-
8fi
finden. ') Zwar besitzen wir auch von den körperlichen Eigen-
schaften der Außenwelt eine sichere Kenntnis, •) allein die Evi-
denz der inneren Wahrnehmung vermag die äußere nicht zu
erreichen. *) Die Garantie für jene hohe Sicherheit liegt darin,
daß die Äußerungen der Seele unmittelbar und durch sich er-
kannt werden. *) Aus dem Geiste entspringend, sind sie ihrer
Wirklichkeit nach der erkennenden Kraft gegenwärtig, *) bedür-
fen also nicht erst eines die Erkenntnis vermilleinden Bildes,
wie solches bei den Außendingen der Fall ist. Immer aber ist
das unmittelbare Erkennen gewisser, als das durch ein Zeichen
vermittelte. ^)
Auf diese unleugbaren, mit vollster Evidenz sich aufdrän-
genden Thatsachen des inneren Bewußtseins gründet nun der
Scholastiker dieDa riegungen seinerPsyehologie, soweit sie die
Existenz und das Wesen der Seele betreffen. Gleich in den
ersten Kapiteln von „De anima"') sucht er die Existenz einer
substanziellen Seele ihren Leugnern gegenüber darzuthun. Er
geht hierbei aus von den unmittelbar evidenten Akten des Er-
kennens. Sie bilden die eine Prämisse. Als die andere betrachtet er
allgemein einleuchtende Axiome. Hauptsächlich sind es zwei solcher
Sätze, auf welche er seinen Beweis stützen will. Der eine lau-
tet: Erkennen kann nur in einer erkennenden Substanz sein,")
tionis et negationis, neque seil quid sit inletligere vel scire. Vgl. etx]. p.ti7 (1).
De an. III. 12, p. 103 (2).
*) De an. I. 4, p. 68 (2): non enim possibile est intelligentem aliquid,
quidquid illud sit, ignorare se intelligere illud. Vgl. S. 81, Anm. 2.
») De an. III. 12, p. 102 (1).
') Ebd. p. 103 ('?): quapropter inconiparabiliter maior veriorque ac
certior cognitio est unicutque homini de spiritualibus dispositionibus animae
suae, quam sit eidem de corporalibus dispositionibus cuiuscumque bominis
alterius.
*) Ebd.: Et hoc est, quoniara sunt nota per seraet ipsa, illa autem
nun nisi per signa impressionum, quae sunt in organis sensus.
*) Vgl. S. 85, Anm. 5.
") De an. III. 12, p. 102 (2).
0 De an. I. 3, 4; Itl. 12, 13.
") De an. I. 4, p. 68 (2); Seit autem indubilanter et intelligit, intelligere
non esse nisi in intelligente.
87
oder: Keine Äccidenzien ohne Substanz, 0 der andere: Was er-
kennt, muß auch existieren.*) Wie die Substanzen der körper-
lichen Einzelndinge aus ihren Äccidenzien erschlossen werden, ^)
so kann auch die Substanz der Seele lediglich auf dem Wege des
logischen Schlussverfahrens erkannt werden. Dasselbe besitzt aber
die höchste Evidenz, da auch seine Voraussetzungen unanfecht-
bar sind. Keine Erkenntnis ist deshalb so gewiß und so klar
als die Erkenntnis der eigenen Seele, *) obwohl unmittelbar nur
die geistigen Thätigkeiten und Zustände in unser Bewußtsein
treten. Wir sagen zwar^ wie bei den sinnlichen Dingen, daß
wir die Seele selbst sehen, was wir aber geistig wahrnehmen,
'^t nichts anderes als deren Thätigkeiten und Äußerungen. *)
Den Schluß aus ihnen hält Wilhelm für so zwingend, daß
kein Mensch in Unkenntnis über seine Seele bleiben könne. ')
Wenn dennoch viele von ihr nichts zu wissen scheinen, ja sie
sogar zu leugnen wagen, so muß dies dahin verstanden werden,
daß sie keine klare, von jeder sinnlichen Beimischung freie Vor-
stellung von der Seele sich zu bilden vermögen, daß sie aber
') De an. III. 12, p. 102 (2): necesse est, ut (dispositiones) inluenti
haec faciunt claram Tisionem intellectibilem plenamque notitiam ac certilu-
dinem indubilaUiin de suhiecto , cuius sunt, quod evidenter indicant et
ostendunt.
*) De an. I. 4, p. 68 (2): cum impossibile sit eam ignorare, quod intel-
ligit esse, nee posslbile sit vel non ens intelligere vel intelltgens non esse.
») Vgl. S. 64.
*) De an. III. 12, p. 102 (L): ut nil tibi de ea tarn certa, tarn clara
tamque copiosa cognitio, ut nihil cerlius te cognoscere, nihil clarius te videre
quam ipsant animam necesse habeas confiteri.
^i Ebd. p. 103 (2): cum clare ac perfecte vides totam intelligibilium
di^ositionum Tarietalem in anima tua . . . ., necesse habea confiteri, te per-
fecte ac clare videre animam tuam, visione videlicet intellectuali. Ebd.
!>. 103 (1): Quomodo igitur (non?) sirailiter visio accidentiuni spiritualium
na dispusitioDum animae humanae vii>io ipsius substantiae non habebitur
et reputabitur et non dicetur?
*) Ebd. p. 203 (2): Declaratum est etiam tibi, quod nuUus bomo per-
iDittitur ignorare animam suam, cum tot et tanta ac talia de ipsa cognoscere
necesse babeat propter ipsaro suae praesentiam veritatis. Vgl. De an. 1. 4
p. 68 a. 2).
88
die Existenz eines, wenn auch unklar vorgestellten, Seölenwesens
unmöglich in Abrede stellen können. ')
Aus der inneren Wahrnehmung leitet dann Wilhelm auch
die wesentlichsten Bestimmungen der psychischen Substanz ab,
ihre Unkörperlichkeit, Unteilbarkeit und Einfachheit.
Durch unmittelbare Beobachtung erkennen wir mit höchster
Evidenz, data die Thätigkeiten des Erkennens nicht dem Körper
angehören.*) Der Scholastiker entnimmt hier einen Gedanken dem
Araber Avicenna. Denken wir uns einen Menschen, der keinen
Sinn benutzt und noch keinen gebraucht hat, so kann derselbe doch
ohne Zweifel denken und erkennen. Er hat ein Bewulstsein von
diesen Akten und seiner eigenen Existenz. Er wird es vernei-
nen, einen Körper zu haben, jedoch bejahen, d&ü er existiere.
Er unterscheidet also sein eigenes Sein von dem Körper und ei-
faüt dasselbe ohne jenen. *)
In ähnlicher Weise wird durch ein inneres Zeugnis*) die
Unteilbarkeit der Seele festgestellt. Das Selbstbewußtsein zeigt
uns, daii beim Denkakt die Seele als Ganzes beteiligt ist und
sich kein Teil in ihr unterscheiden läßt, der nicht erkennen
würde. *) Die begriflliche Erkenntnis sodann, durch welche der
allgemeine Begriff eines Dinges gewonnen wird, vollzieht sich
momentan. Dies kann aber nur von Seite eines unteilbaren
Vermögens und in einem unteilbaren Akte geschehen.^) Daraus
') De an. UI. 13, p. 103 (2): Quapropter quaestionem habet non im-
merilo, quam ob causam multi homines non solum ignorare videntur ani-
mas suas, sed etiam negare audeant eas esse. Ebd. p. 104 (2): difficile valdc
est aniinahus nostris semet ipsas vere ac pure seorsum a phantasiis sensibili-
bus cogitare, quamquam .... impossibile sit eidem, veritatem vel essentiam
suam ignorare.
*) De an. I. 4, p. 68 (2): Certissimum autem habet, se totum non in-
telligere i. e. neque corpus suum neque partem corporis sui.
') De an. II. 13, p. 82 (2), 83 (1).
*) De an. IL 10, p. 80 (1): facerem te scire testlmoniis uniuscuiusque
animae intelligentis incorporeitatem et impartibilitatem ipsia^.
^) Ebd.
") Ebd. p. 80 (2): Inlelligere est actus subitaneus et perficitur in in-
stanti, et hoc unusquisque interius sentit apud se et in se. Cum enim in-
telligit anima tua hominem. in universali, intelliglt eum totum simul, non
partem ipsius post partem. Ebd. 11, p. 81 (1, 2).
89
ergiebt sich die Unteilbarkeit des Subjektes, dem beide ange-
hören, nämlich der Seele.
Auf demselben Wege will Wilhelm endlich die absolute
Einfachheit des Seelen wesens darthun,sodai&auchdieUnter-
Scheidung mehrerer Kräfte innerhalb desselben ausgeschlossen
bleibt.^) Die unbestreitbare Thatsache nämlich, daß wir die
Akte unseres Denkens, Wollens und Strcbens, wie über-
haupt des gesamten Seelenlebens, stets auf ein und dasselbe
.Ich" beziehen, bezeugt auf das gewisseste die völlige Einheit-
lichkeit dieses «Ich", welches für unseren Scholastiker mit der
Seelensubstanz unmittelbar zusammenfällt. Aus der thatsäch-
lichen Einheit des Bewußtseins ergiebt sich ihm sofort die Ein-
fachheit der Seele selbst. •)
So geht Wilhelm sowohl bei dem Beweise des Daseins
einer substanziellen Seele als bei der Ableitung ihrer wesent-
lichsten Eigenschaften stets von demselben Punkt, den unmit-
telbar evidenten Thatsachen des Bewußtseins, aus. Man
wird zugeben müssen, daß kein anderer Scholastiker, weder vor
Wilhelm noch unmittelbar nach ihm, auf die innere Wahrneh-
mung ein so großes Gewicht gelegt und sie zur Begründung
psychologischer Lehren verwertet hat. Gerade hiedurch unter-
scheidet sich in charakteristischer Weise seine Seelen-
lehre von der auf aristotelischen Begriffen und Beweisen
aufgebauten Psychologie der späteren Scholastik. Er
kannte die aristotelischen Argumente für die Geistigkeit des Intel-
lektes, allein er benutzt dieselben nicht, wo es sich darum handelt,
die Substanz der Seele und d^ren Bestimmungen zu erweisen.
Nur bei der Lehre von derUnsterblichkeit in dem Traktat „De immor-
lalitate animae" zieht er sie heran, wie wir bereits früher bemerkten.*)
') Vgl. zu den hier ^^ebenen Darlegungen oben S. 12—16.
') De an. lU. 10, p. 98 (2): ipsa tarnen anima una est, qua intelügit,
mit atque desiderat, et hoc omnis anima humana sentit in semet ipsa, co-
gnoscit certissime atque teatificatur, nee possibile est ei, ut mentiatur super
boc. Absque enim ulla dubitatione constantissime asserit apud semet ipsam
et in se ipsa: Ego sum quae intelligo, quae scio, quae cognosco, quae volu,
quae appeto, quae desidero Ego, inquam, una et iiidirisa manens
per omnia ha«c
■) Vgl. S. 4 und 38.
90
Die innere Wahrnehmung Termittelt uns die Kenntnis von
Thatsachen, Akten und Zuständen. Sie erstreckt sich aber auch
auf Gesetze, ^) auf dieobersten und höchsten Wahrheilen
der Erkenntnis. Bis jetzt sei es bei dfn Philosophen niemals
bezweifelt worden, daß die auf Beweise gegründeten Wissenschaf-
ten aus letzten und obersten Prinzipien a's Ursachen oder Ele-
menten abgeleitet werden; denn jede Wissenschaft setzt nach
dem Ausspruche des Aristoteles ein schon bestehendes Wissen
voraus. *) Diese letzten und obersten Sätze nun scheidet Wil-
helm in die Regeln des theoietischen Erkennens und die Nor-
men des sittlichen Handelns.*) Zu den ersteren rechnet er die
Gesetze der l^ogik oder, um seine Worte zu gebrauchen,*) die
beiden obersten Prinzipien der Philosophie, den Sat'. des Wider-
spruches und den des ausgeschlossenen Dritten, dann die Sätze
der Mathematik, z. B. das Ganze ist gröläer als sein Teil. ^) Unter
den Normen der Ethik oder des sittlichen Verhaltens begreift er
den Inhalt und die Summe des unmittelbar von Gott eingestrahl-
ten moralischen Naturgesetzes. ^)
Die letzten Voraussetzungen des Wissens, die alian Men-
') Üe an. VII. .''), p.'ilO (2); sie non est possibile visui noslro spinluali,
((ui est intellectus, non admittere veritatein principiorum inlra se.
') De an. VII, r>, p. 2t0 (t): non est dubitalum apud philosophos ad-
hur, quoninm srientiae demonslralivac seu doctn'nales sunt ex principiis et
per principia seu causas et eleinenta et quin cognitiones conclusionum sint
ex cugnitionihus eorum iuxta eermunem Aristotetis, quem dixil: Omnis
docLrina et omnis disciplina ex praeexistenli til cognitione. Vgl. ArisL Anal.
post. I. 1. Anf : nSna fft*taaxaki'a xai näaa ftä&iiatc diaroT^txr, ix npovHaf
][ovai}( yiyvtrat yraiattüg.
') De an. VII. 6, p. 211 (2): hie autem sunt omnes regulae veritatis,
regulae inquam primae ac per se notae, siiniliter ac regulae lionestatis.
*) Üe an. I, 3, p. 67 (I): Quapropter duo ista principia prima philoso-
pbiae, quaesunt: Non de eodem affirmatio et negalio, et: De eodem afiirmatio
vel negatio, indubitanter ignorat. De an. VII. 6, p. 211 (1).
^) De an. V. 15, p. 137 (1): bleut apparet evidenter in quibusdam
principiis scientiarum doctrinalium .... similiter: Onine totum est maius
sua parte.
*) De an. VII. 13, p. 220 (2): ex lege natural), quae regulas bonestatis
ntinet. Vgl. S. 35, Anni. 3.
91
schon gemeiDsamen Denkinhalle oder Axiome,^) drängen sich
der intellekliven Kraft mit der gleichen Notwendigkeit und mit
derselben Evidenz auf, wie die Akte unseres Seelenlebens. So-
wenig wie diesen, vermag sich der Intellekt oder das innere
Wahrnehmungsvermögen der Erkenntnis der Prinzipien zu ver-
schließen. *) Ihre Unkenntnis ist unmöglich. ') Sie besitzen
aber auch den höchst möglichen Grad von Gcwiläheit,*) welche
das Gt-genteil und jeden Zweifel ausschließt, weshalb Aristoteles
sagt, die Vernunft könne den Prinzipien innerlich nicht wider-
sprechen.*) Der Grund für diese notwendige und einleuchtende
Erkenntnis der obersten Sätze ist, wie bei den Thatsachen des
Bewußtseins "), in ihrer engen Verbindung mit der intellektiven
Kraft zu suchen. Aus dem Innern der Seele, wie wir bald
sehen werden, ihren Ursprung nehmend, stehen sie derselben
unmittelbar nahe ') und bedürfen, um erkannt zu werden, keiner
*) De an. VII. 4, p. 20f> (2): Amplius principia seientiaruin, quae »unl
nota per semet ipsa etvocantur maximae propositiunes, dignitaleä et commu-
Des animanim conceptiones.
") De an. VII. Ti, p. 2L0 (2): neque possibile est, ut claudat se vtsuR
huiusmodi vel repeüat a se et intrare in semet ipsum prohibeat lumina ista.
Vgl. S. 90, Anm. 1.
') Vgl. vorige S. Anm. 4. Ebd.: Qu»e ignoranlia cadere non polest in
substantiam aliquam intelligentem.
*) De Un. II. p. n. c. 41, p. 88 J (t): Et baec est causa, propter quam
maxiine cognoscuntur primae impressiones, quoniam absque niedio coniunctae
sunt virtuti noslrae intellettivae.
*) De an. V. 15, p. 137 (I, i): proplerquod dicit Aristoteles, quod non
«st eis (principüs) contradicere ad interius ratiunem, tamquam adeo oceupent
(principia) Tjm inlellectivani, ut contrariuni adinittere non possit, sed etiam
neque opinionem aut dutiitalionem aut ignorantiam alicuius totius. De
an. Vit. ö, p. 210 (2): hoc est quod Aristoteles intellexit in sermone suo,
quo dixit, quod principiis non est contradicere ad interius rationi. Die
Stelle ist eine freie Wiedergabe des aristotelischen Gedankens, daß der vovs
.sich nie täusche, daß er seinen Gegenstand nur habe oder nicht habe, aber
nie auf falsche Art habe." Zeller, Philosophie der Griechen, II. 2, 3. Aufl.,
S. 236 und 190.
') Vgl. S. 86, Anm. 4.
'} De Un. 11. p. II. c. 49, p. 891 (1): Causa autem in hoc est propin-
quitas huiusmodi (huius?) rerum ad eam (animam), ex qua per semetipsas se
iogerunt et imprimunt in eandem, quemadmodum et passiones quae sunt
92
weiteren Vermitlelung mehr. Wie Lichter, die in sich selbst
Leuchtkraft besitzen, sind sie dem Intellekt durch sich selbst
bekannt, *) Denn nichts erkennt die Seele klarer und deutlicher als
ihre eigenen Akte, und was unmittelbar in ihr sich findet, »)
Wie wir sehen, siellt der Scholastiker die Prinzipien, was
ihre Notwendigkeit und Evidenz anlangt, mit den Akten des Be-
wußtseins auf die gleiche Stufe. Ähnliches IriflEl nun auch zu
bei der Antwort auf die Erage nach dem Ursprung dieser ober-
sten Wahrheiten. Die Prinzipien werden nicht, wie die allgemei-
nen Begriffe, durch Abstraktion aus der Sinnenwell gewonnen.
Sie treten vielmehr dem Intellekt als Urteile gegenüber,') ohne
irgend eine Beihilfe der Sinne oder der sinnlichen Erfahrung
nötig zu haben. *) Sie bezeichnen nämhch keine wirklichen
Dinge, keine Realitäten, sondern abstrakte Wahrheiten, Gesetze
des Denkens, die unabhängig von der Existenz der Dinge Gel-
tung haben. ^) Der Satz des Widerspruchs und des ausgeschlos-
senen Dritten ist und bleibt wahr, wenn auch kein Ding exi-
apud animam .... ignorare non est ei possibile propter praesentiam veri-
talis ipsarum. Vgl, De aii. III. 12, p. 102 (2).
') De an. VII. 5, p. 210 (2): principia scienüarum et doctrinarum,
quae per semetipsa nota sunt, lumina sunt perseipsa lumine seu cognitione
illuininantia eandeni (animam).
•) De Un. II, p, III. c. 19, p. 1052 (l): Cum nusquam clarius videat
vel videre possit anima huniana quam in semet ipsa et in eis, quae apud
ipsaro sunt.
') De an. VII. 5, p 210 (2): Et quonram principia haec non sunt nisi
res in abstractione universali et coinpositione, circa quam est veritas, circa
eontrarium vero falsitas, necesse est ipsas esse urdinatas atque compositas
in compositione iudicativa sive enunciatione; hoc enim modo ordlnata lumina
sunt coram posita visui spirituali.
*) De an. VII. 15, p. 221 (2): ... quaedam scientiae desuper, täcilicet ex
irradiatione primi luminis, animabus humanis infundantur; de quibus mani-
festum est, quod nihil ad eas de corporibus.
") Ue an. VII. Ö, p. 211: quare verae sunt quaedam negationes, quae
quoniam pure negationes sunt, manifestum est eas non esse, tamen aelerna-
liter verae sunt. . . . Nee veritas eius requirit existentiam vel hominis vel
asini. Vgl, De Un. I. p. III. c. 26, p. 795. Wilhelm führt hier die verechie-
denen Bedeutungen von »veriias' auf. Die logische Wahrheit wird narh
Ävicenna defiairt als „die Uebereinstimmung des Urteils mit den beurteil-
ten Dingen". (Sexta vero intentio veri et veritatis ... et hoc, ait Ävicenna,
est adaequatio orationis et renun.)
&3
stiert. *) Infolge dessen können die Axiome auch nicht aus den
Sinnendingen ihren Ursprung haben. Unser Bewußtsein findet
dieselben in der Form von fertigen Urleilen in unserem Inneren
vor. Wie kommen sie aber in die Seele,») wenn sie ohne
Bethätigung der Sinne und ohne Mitwirkung der äuüeren Dinge
in uns entstehen?
Die Prinzipien stehen in unmittelbarer Nähe der intellekti-
ven Kraft, fallen aber nicht mit dem Wesen der Seele oder
deren Äußernngen zusammen. Sie werden deshalb durch sich
selbst erkannt; aber diese Erkenntnis geschieht nur durch intel-
ligible Formen, welche die Bestandteile und Begriffe dieser ober-
sten Urteile ausmachen. Die Frage lautet nun bestimmter da-
hin, durch welche Ursache jene intelligiblen Formen dem In-
tellekte eingeprägt werden.») Von den Prinzipien selbst, wie
Plato gemeint zu haben scheint, können sie nicht kommen; <)
denn diese sind Universalien und besitzen keine reale Existenz
und keinerlei Wirksamkeit.*) Aber auch der Versuch des Ari-
stoteles, welcher sie als Ausströmungen aus der thätigen In-
telligenz bezeichnet haben soll, muß als ein mißlungener ange-
sehen werden. •) Wilhelm kennt nur eine einzige ausreichende
Lösung, welche die christliche Lehre an die Hand giebt. ')
Die Prinzipien und ihre Bestandteile, die allgemeinsten Begriffe
oder die intelligiblen Formen, haben ihren letzten Grund in
der Gottheit. Die Erkenntnis der obersten Wahrheilen wird
mit -dem höchsten Objekt des menschlichen Erkennens, mit
Gott dem Schöpfer, in Verbindung gebracht.
'J De an. Vll. 6, p. 211 (I).
*) Ebd.: Habet autem Iquaeslionem de principüs his, uhi sint et quis
ea ila abstraxit vel ordinavit.
*) De an. VII. 6, p. 211 (1): et propter huc merito quaerilur, unde illa
sigoa seu formae venerunt in intellectum. Et eodem modo se habet de in*
teilectione principiorum scientiarum.
^J Ebd. p. 311 (2): Et quoniam ab universalibus non esl possibile hoc
fieri, iuita quod videtur Plato sensisse. Vgl. S. 45 f.
•) Ebd. p. 211 (1, 2).
•) Ebd p 211 (2); vgl. S. 46.
*) Ebd. p. 211 (2).
94
Wir haben schon früher erwähnt»») daß Wilhelm, indirekt
beeinfluläl durch Avencehrol und nach dem Vorgange Au-
gustins, einen unmittelbaren Zusammenhang der Seele
mit Gott annimmt, daii er diesen Gedanken in die dem
, Über de causis* entlehnte Formel kleidet , die Seele siehe
im Horizonte zweier Welten, auf der Grenze der sinnlichen und
der geistigen Well, welche der Schöpfer selbst, die ewige Wahr-
heit ist. Durch die Sünde wurde dieses Verhältnis zwischen
Gott und dem Menschengeist zwar getrübt, aber nicht völlig
aufgehoben. *) Daher liegt auch nach dem Sündenfalle während
i dieses Erdenlebens zwischen unserem Geiste und der ewigen
i W^ahrheit, dem inneren Lichte, nichts in der Mitte. *) Kraft natür-
' lieber Ordnung ist der Schöpfer in unseren Seelen gegenwärtig
und mit ihnen aufs engste verbunden, unmittelbar hingestellt
vor die menschliche Erkenntniskrafl. •*) Als Urbild und Spiegel-
i bild •'') trägt er die geschaffene Well geistig in sich. Seine We-
[ senheil enthält die Gründe und Ideen aller Dinge. «) Hier in
I Gott dem Schöpfer, dem Buche des Lebens, der Schrift der
B Wahrheit, ') haben die obersten Gesetze des Denkens und die
1 Normen des sittlichen Handelns ihr Fundament. *) Hier liegen
g verborgen alle Getieimnisse, welche nur durch Gnade und Offen-
%
'1 Vgl. S. 17 ff.
') Vgl. S. 21.
') De Un. U. p. III. c. 20, p. 1053 ^2)^ He luce aulem, quae super ani-
mas Dostras est iiniiiediate et cui quimlum a<] vires suas nohiles animae
cuniunctissimae sunt, dicit unus ex supicntissiniis Christianoruni. quia lux
illa ereutor est henedictus, his verbis inter mentem nostram et lucem interio-
rern, quae deus est, nihil esse medium inlelligens. Vgl. S. 19, Anin. 5.
*) De an. VII. (!, p. 211 (21: Hoc igitur (speculum), ut praedixi, con-
iunclissiniunn est et praesentissimum naturaliterque coram positum intellecti-
hus tiumunix.
^) Ebd.: Kst igitur (Teator ueteina veritas et aeteinum exemplar luci-
dissiiiiiie exprossioiiis et expressivae reprueseiilationis et speculum, ut prae-
dixi. inumlissinuiin alque purissimum univcräitatis (universalis?) apparitionis.
") De trinititte, c. 9, p. 13 (2): quoniam apud eum sunt rationes et
ido;ie exeinplares omnium non inipresisae vel infusae . . . ., sed essentialiter.
'j Kl»l.: nt per lioc dicilur (prima sapienlia) Über vibie, scriptum
vcriiatis.
^ Do iiii VII. (■), [I. Jll (2): hie aulem sunt omnes regulae veritalis,
logubio in(|uaii) primae ac per se notiie, similiter ac regulae honestatis.
95
barung kund werden. ') Damit hat unser Scholastiker im eng-
sten Anschluß an Augustinus, wie die Ursache aller Dinge,
so auch die Ursache der durch sich evidenten Wahrheiten aufge-
zeigt. Von dort her allein also können sie unserem Intellekte
zukommen. Aber auf welchem Wege? Geschieht es durch un-
mittelbare Schauung der göttlichen Wesenheit oder müssen
wir hiebei an eine direkte Ginwirkung des Schöpfers auf
unsere intellektive Kraft denken?
Einzelne Äußerungen Wilhelms scheinen die erste Auffas-
sung zu bestätigen, wonach dor Schöpfer das naturgemäße und
eigentämliche Buch des Intellektes wäre, aus welchem dieser
jene Prinzipien und Regeln unmittelbar herauslesen würde. *)
Allein demgegenüber betont der Scholastiker ausdrücklich, daß
die bloße Gegenwart des göttlichen Wesens zu einer tliatsäch-
lichen Erkenntnis desselben noch nicht genüge, daß hierzu eine
besondere Wirksamkeit, eine vom göttlichen Willen abhängige
Erleuchtung notwendig sei,*) durch welche das entsprechende
geistige Bild dem Intellekt eingeprägt werde.*) Was hier von
der göttlichen Wesenheit selbst gesagt ist, das gilt umsomehr
von den in ihr enthaltenen Prinzipien und deren allgemeinsten
Begriffen. Sie werden nicht durch direkte Schauung des
Schöpfers und in demselben erkannt, sondern durch göttliche
Wirksamkeit, durch göttliche Einstrahlung in unseren Seelen
hervorgerufen. Gott prägt die intelligiblen Formen jener höch-
sten Begriffe, welche den Axiomen zur Voraussetzung und
Grundlage dienen, durch unmittelbare, natürliche Thätigkeit der
Seele ein. ■'») Aus dem Inneren der Seele kommend, treten sie
») Ebd.
*) Ebd.: ex eo igilur tamquam ex libro vivo et speculo Ibrinifico legit
per semet ii*suin duo illa genera regularum atque principiorum et propter hör
Creator ipse über est naturalis et proprlus intellectus huinani.
■) De retrib. sanct., Tom. I, p. 318 (1): quare non sola illa est^ontialis
propinquitas facit eum (crealorem) nobis viäibilerii , sed volunlaria eius
illuxio.
*) Ebd.: non praesentia ei<NenLiaIis aut propinquitaA perficit eogniliunem,
sei] impressio similitudinlä aut i^igjllalio aniinarum nostraruin.
*) De an. VlI. 6, p. 211 (2): üb illo igilur Hunt impre.s»ione!<, de qtiibus
agitur, et inscriptiones signorum antedictorum in virtute noslra inlellcetiva.
ohne Unterricht, aber auch ohne Offenbarung ira eigenllichen Sinne,
in unser Bewutitsein, gleiclisam als wären sie, wie Wilhehn mit
Bezugnahme auf Augiistin sirh ausilrüokl, uns angeboren und
von Natur aus njilgegeben. 0 Sie bilden die ersten Kindrücke,
die ersten Inhalte, welche sich auf eine rein intelllgihle Er-
kenntnis beziehen. Ohne weitere Ableitung werden sie in sich
selbst und durch sich setbst erkannt und begründen die Mög-
lichkeit jeder wissenschalllichen Erkenntnis. *) Über den Zeit-
punkt ihres Auftauchens im Intellekte und im Bewußtsein spricht
sich Wilhelm nicht aus. Er begnügt sich, dieselben als prima
inlelligibilia ") zu bezeichnen. Jedenfalls nu"issen wir dieselben
bL'stlzen, wenn sich unser Denken zur Fälligkeit des Schließens
entwickelt hat.
hl glciiitier Weise, wie die Erkenntnis der Prinzipien, erklärt
sich der mittelalterliche Scholiisliker auch die Vorgänge der pro -
piietischen Erleuchtung und Offenbarung, die mystische
Schauung der Visionen. *) Der »Schöpfer ist hiebei das wirk-
same Agens, indem er die entsprechenden intelligiblen Forniün
nach seinem Willen nnd Wohlgefallen der intellektiven Kraft
des Menschen einprägt.*) Selbst nuftallende Erscheinungen in
rein pathologischen Fflllen, wie bei Irrsinnigen, Hallucinationen
') De virtulihus, Tom. 1. r. 9, p. I2l (II: Tertio naturales dicuntur per
&oln naLui-ali», liüc esl absque <loclrina eL revelatioiie ucqulüiUe; unde et
propter Luc Daluniles nobis et inlerilum innatae dtcunlur, quin inlerdutn
nun 11 furi!> nubis advenire, .seil nmgis ab inluü, hoc est ex inUinis natura*
liuni, uiiät-i et proilire, pmptfi' qiioddicit Augu&tinua: (Juia innata sunt noLJs
amor boni et nulio veri, inteHii^enB «innnta*. hnc est: ab intus sive ab intitnis
noslris naluralibuti nata. De an. V. Ib, p. 137 (1^: per semet ipsos emm
aniinae humanae (primae iniprcsüicMtE^s) s« ulTerunl et tiiirerunL, ac si tnnatae
vel naluraliler inditiie eisdeni esseiil.
') De an. V. tri, p. 137 (1): lani autein nu^t!, quae sunt et cuiusmudi
iiDpreäjiiones primae in virtuLe inleltectiva animarum noslranim. Hae aulem
sunt, de quibus mm upürlel, ut aliae iHlns praecedant, quae ipaas inlroducant
in aniinani huiiiunatn.
■) De an. VU. 6, p. 211 [2).
*) Ebd.
*) Ebd. p. 212 il): Creatoris igitur Iheneplacilo liberrlmum est de seipso
fat-ere quidquid facere poaset de llbru quem praedtxi.
9?
von Fieberkranken, außerordentliche Träume, ^) wo überall die
natürliche Erklärung den Dienst zu versagen schien, wurden auf
eine derartige unmittelbare, göttliche Einwirkung und Einstrah-
lung zurückgeführt.
So glaubte Wilhelm in den obersten Wahrheiten desDen-
kens und Handelns, in den Gegenständen der prophetischen
Schauung, wie in den genannten pathologischen Fällen Er-
kenntnisse aufgezeigt zu haben, die nicht mehr der Sinnenwelt ent-
stammen, die aber auch nicht Akte oder Vorgänge des eigenen
Seelenlebens zum Ausdruck bringen, obwohl sie aus dem Innern
der Seele heraus uns zum Bewußtsein kommen « die vielmehr in
einem direkten göttlichen Einflüsse ihre Ursache haben. Fra-
gen wir nach den Motiven, welche Wilhelm zu einer derartigen
Lehre führten, so liegen sie auch hier großenteils in seiner Be-
kanntschaft mit der Philosophie Avicennas. Durch den Araber
angeregt, suchte sich der chrislliche Scholastiker Rechenschaft
zu geben einerseits über den Ursprutig der obersten Prinzipien
andererseits über die Art und Weise der prophetischen Erkennt-
nis. Zwei Iheorien fand Wilhelm bereits vor, die Augustins
und der christlichen Theologen und die Avicennas selbst, welche
er fälschlich für die Lehre des Aristoteles«) hielt. Beide hatten
große Ähnlichkeit mit einander, wie sie auch auf dieselbe Quelle,
den Neuplatonismus, zurückweisen. Nach beiden wurden die
fraglichen Erkenntnisse unmittelbar aus einem höheren , über
der Seele stehenden Wesen abgeleitet; nach August in aus der
Gottheit, nach Avicenna aus der „Intelligentia agens". Selbstver-
ständlich lehnt Wilhelm die Annahme einer thätigen Intelligenz
ab und bleibt in den Fußstapfen Augustins stehen. Der allge-
genwärtige Schöpfer ist jenes, die rein intelligible Erkenntnis be-
wirkenden Agens. Von Avicenna nimmt er jedoch den Gedan-
ken auf, daß die göttliche Wirksamkeit in der Einprägung der
zur Erkenntnis notwendigen intelligibien Formen bestehe.
Wenn Wilhelm von Auvergne, der an der Schwelle des
*) De ün. n. p. in, p. 1063 (2): videmus huiusmodi revelationes fierj
itque irradiationes ia fiiriosis et in graviter aegrotantibus et in vehementer
Umentibos et in somniantibua. De an. VI. 33, p. 103 (i).
•) Vgl. S. 46.
7
_98
dreizehnlen Jahrhunderts steht, die an ihn herangetretene Frage
nach dem Ursprung der Prinzipien noch im Sinne Augustins zu
beantworten suchte, so werden wir sagen müssen, da£ die Lö-
sung bei seiner Unkenntnis des Aristoteles und in Anbetracht
der herrschenden Anschauungen seiner Zeit vielleicht eine
naturgemäläe und die allein mögliche war. Aber es ist eine be-
merkenswerte Thatsache, daß dieser Gedanke einer unmittel-
baren Erkenntnis der Prinzipien aus der Gottheit auch dann
noch nicht verschwinden wollte, als die Kenntnis und das Stu-
dium des Aristoteles in hoher Blüte stand. Es war die Fran-
ziskanerschule mit Alexander von Haies an der Spitze, ') wo
diese auf Augustinus basirende Ansicht ihre Vertreter fand.
Auüerhalb derselben hatte Heinrich von Gent') die gleiche
Meinung verfochten. Der spätere Ontologismus dehnte dann
die während des Mittelalters auf die obersten Wahrheilen be-
schränkt gebliebene Erkenntnisweise auf die sämtlichen Objekte
des geistigen Erkennens aus.
Neben der Lehre einer unmittelbaren Gegenwart des
Schöpfers in unseren Seelen sucht Wilhelm auch durch ratio-
nelles Beweisverfahren das Dasein Gottes festzustellen. Das
aristotelische Argument für die Existenz eines unbewegten Be-
wegers ist ihm noch völlig unbekannt. Auch zu dem teleolo-
gischen Beweise linden sich nur ganz unbedeutende Ansätze. ')
Seine Argumentation bewegt sich, wie die des Anselm von Gan-
te rbury, in reinen Begriffen. Während aber der letztere im Mo-
nologium von dem Begriff des höchsten Gutes ausgeht im Pros-
logium von dem des denkbar höchsten Seienden, stützt sich Wil-
helm auf die verschiedenen Aussageweisen des Seins. Wie
nämlich das Prädikat „gut* von etwas ausgesagt wird, *) was an sich
und durch sich gut ist, was die substanzielleGüte selbst ist, und an-
dererseits von etwas, was die Güte nur als Eigenschaft, durch
■) Eodres, a. a. 0. S. 70, 75 f.
') Schmid, Erkenntnislehre, II. S. 387.
^) De trinilate, c. 13, p. 17 (1). De an. V. 14, p. 136 (1).
*) De trin. c. I, p. 1 ^2): Sic et bonum essentialiter dicitur, eo quod
eins esscntia ipsa bonita-s est, qua dicitur bonuni, aliud vero participatione
in habende vel participando bonitalem, quae ipsa essentia participantis non
e.«l adhuc.
99
Teilnahme besitzt, so verhält es sich auch bei der Aussage desSeins.^)
Das Prädikat des Seins oder der Existenz wird ausgesagt von
etwas, was an sich und durch sich existiert, was seiner Wesen-
heit nach die Existenz in sich schließt; es wird aber auch prä-
diciert von etwas, welches die Existenz von einem anderen em-
pfangt, sie nur durch Teilnahme inne hat. Die zweite Prädika-
tionsweise setzt aber die erste notwendig voraus. Würde näm-
lich das Sein von allem nur durch Teilnahme ausgesagt, hätten
wir nur den Begriff eines zufälligen, von einem andern stammen-
den Seins, so könnle unser Denken hiebei niemals an eine
Grenze kommen *) Es würde niemals einen festen Punkt fin-
den; denn der Begriff des Seins, welches nur durch ein anderes
ist, fordert mit Notwendigkeit, zum Begriff eines durch sich und
an sich Seienden fortzugehen. ") Wir sind also genötigt, das
Sein auch in der ersten Bedeutung auszusagen, wo es etwas
bezeichnet, das durch sich und aus sich existiert. Die Prädika-
lion dos Seins in dem eben angegebenen Sinne führt uns also
auf ein Seiendes, welches seiner Wesenheit nach die Existenz in
sich schließt, dessen Nichtsein eine Unmöglichkeit ist,*) das als
ein Nichtseiendes gar nicht gedacht werden kann.
Wir finden hier jene Unterscheidung von essentia und
existentia verwertet, welche auch bei den späteren Scholastikern
eine grolae Rolle spielt. Wilhelm seinerseits beruft sich hiefür auf
Boethius und dessen Schrift „de hebdomadibus". *) Aus dem
M Ebd.: AH hunc modum et ens, cuius essentia est ei esse, et cuius
essentiam praetiicamuB, cum dicimus „est", ita ut ipsuni et eius esse, quod
assignamus cum dicimus „est", siiit i-es una per omnem niodum- Aliud vero
dicilur partirtpatione, in habendo srilicet, quod nullo modo est idem cum
essentia ipsius iiubstantiae entis.
*) Ebd. p. 2 (l): Si enim (ens) secundum pdrlicipationem diceretur de
nooquoque, nuUus subesset intellectus eidem, eu quodnunquam finiretur . .
quare necesRe est, ut ens de quodam dicatur secundum essentiam, ut ßniatur
intentio et inlellectus ipsius.
') Ebd. C.2, p. 3 (1} Quare necessitas intellipendi ponere cogit, videlt-
cet quod .esf de quodam dicitur secundum essentiam et de qundatn nnn
secundum essentiam.
*) De Irin. c. 2, p. 3 (2): quare manifestum est quoddam esse, quod
non solum impossihile est non esse, sed etiam intelligi non esse.
' De trin. c 1, p. I (2): De hoc er^o lei^is in libru de bebdomadibus
1*
loO
Begriff eines durch sich seienden Wesens sodann wird die wirk-
liche Existenz desselben unmittelbar gefolgert. So zeigt es sich,
dafi unser Scholastiker, wie in vielen anderen Punkten, auch in
der Frage, wie der Intellekt zur Erkenntnis Gottes gelangt, noch
jene Bahnen geht, welche der ersten Hälfte des Mittelalters
eigen waren. Mit der Lehre Augustins von der unmittelbaren
Gegenwart der ewigen Wahrheit in unseren Seelen verbindet er
eine Beweisführung, die ganz an das ontologische Argument
eines Anselm von Canterbury anklingt.
Am Schlüsse unserer Abhandlung können wir mit mehr
Recht wiederholen, was wir Eingangs gesagt haben, daß Wil-
helms Arbeit auf philosophischem Gebiete ein unvollkommenes
Stückwerk darstellt. Seine Kenntnis der aristotelischen Philo-
sophie ist eine ganz minimale. In allen von ihm berührten
Fragen der Erkenntnislehre tritt dieser Mangel und die an Augu-
stin sich anlehnende Erkenntnisrichtung deutlich zu Tage.
Wenn er ohne jeglichen Einfluß auf die späteren Scholastiker
bUeb, so trug daran nicht bloß die Mangelhaftigkeit seiner Lehr-
meinungen die Schuld, ein guter Teil ist auch auf die geringe
Gewandtheit seines Stiles zu setzen. In beiden Beziehungen er-
weist sich der Abstand Wilhelms von dem Fürsten der Schola-
stik, Thomas von Aquin, als ein ganz gewaltiger, und auch nur
ein flüchtiger Vergleich zwischen beiden Männern läßt den
grüßen Fortschritt erkennen, welchen das mittelalterliche Den-
ken an der Hand des Aristoteles binnen wenigen Jahrzehnten
aufzuweisen hat.
Boetbi (vgl. Bo^tb. De hebdom. sive Quomodo substantiae in eo quod siat
bonae sint cum non sint substantialia bona, p. 169, 43—44 Peiper), quoniam
onme esne simplex est (mit dem Texte des Bo^thius ist est zu streichen)
eüse suum et id quod est unum habet.
Verzeichnis der Eigennamen.
Alanus ron Lille IB
Alexander Apbrodisiensis 31,
47, 53
Alexander von Haies G, 15
26. 98
Albertus Magnus 11. r>3, G7, 73
Anselm tod Canlerbury 98
Apulejus ö, 2t
Aristoteles 2. 4, r>, G, 7 u. fi.
Augustinus 12, 23, 28, 45. 54 f..
84, 97
ATencebrol 4. 5, 17. 22
AverroÄs 31, 47
Avicenua 22, 26, 36, 38, 46 f.,
8«t, 83, 92, 97
Bach 53
Baeumker 26
Banlenhewer 7
Bo4>lhius 63, 74 f., 99
Brentano 10
Brück 7
Canipanella 85
Correns 4
Descartes 86
Du Boutay 1
Durandus, s. Wilhelm Uuran-
dos
Endres 6
Eudenuis 44
Gerhard von Cremona 11
Gilbert de la Porree 03, 73
Gundisalvi, Dominikus 4, 17
Guttmann 4. 5
Haneberg 2iJ, 'Sit
Haureau 1, 8, 7<!
Heinrich von Gent 16, 98
V. Hertling 13, 15
Hugo V. St. Viktor 21
Jüurdain 1, 4
Katbarer 7
Landauer 2ij
Leftron, Blaise 2
Leibniz r>7
Ltber de causis f). 18, 40
Mwenthal 4
Haimonides 5
Hanes 7
Occam, s. Wilhelm von Occam
Petrus Lombardus 21
Philolaus 31
Pierre d'Ailly &^)
Plato 17, 23, 40, 45, 71 f.
Pranll ö3
Proklus 18
102
Richard von Hiddletown 16
Rousselol 3
Schmid. Alois 28
Schneid 7
Scolus 73
Siebeck '23
Slöckl 9
Slorz 85
Suarez (Ui
Themistius 37
TheophrRst 44
Thomas von Aquin 11, 15. 26.
28, 66, 67, 73, 100
Tiedemann 3. 9
Trendelenburg 44
Oberweg 46
Valois 1, 9. 76
Werner 1, 4, 9
Wilhelm von Ghanipaux 7:*, 76
Wilhelm I>urandus r>2
Wilhelm von Occam 16, 52
Zeller 13
[i
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE
TEXTE OD IXTERSI'CHIINGEN.
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. CLEMENS BAEUMEER, .
O. Ö. PHOFESSOB AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU.
UND
DK. GKORG FllEIH. VON HERTLING,
O. 0. PH0FKS80R AN PER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
BAND II. HEFT IL
DR. 91 AX DOCTOR, DIE PHILOSOPHIE DES JOSEF (IBN) ZADDIK.
NACH IHREN QUELLEN, INSBESONDERE NACH IHREN BE-
ZIEHUNGEN ZU DEN LAUTEREN BRÜDERN UND ZU GABIROL
UNTERSUCHT.
-^i/OfSftVC
nf Si'iSTfiK 1895.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSGHEN BUCHHANDLUNG.
2)iEf:
HILOSOPHIE
DES JOSEF (IBN) ZADDIK,
NACH IHREN PLLEN,
INSBESONDERE NACH IHREN BEZIEHUNGEN ZU
DEN LAUTEREN BRÜDERN UND ZU GABIRÖL
UNTERSUCHT
VON
DR. MAX DOCTOR.
-v^>;f-4;3W>V'^-
nt^rSTER 1895.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSCIIEN BUCHHANÜLU^
J
!l
SEINEN TEUREN ELTERN
IN LIEBE Ulm DAMBAfiKEIT
UND
HERRN PROFESSOR DR. CLEMENS BAEÜMKER
IN VEREHRUNG
GEWIDMET
VOM VERFASSER.
A
INHALTSANGABE.
§. 1. Leben und Werke I
g. 2. Litteratur 3
g. 3. Zweck, Charakter und Ausgangspunkt des Mikrokosmos 7
§. 4. Die Quellen des Mikrokosmos 10
a) Ungenannte Philosophen 10
b) Hit Namen genannte Philosophen .... 14
§. ül Josefs Beziehungen zu den lauteren BrOdem und zu Salomo
ibn Gabirol IG
§. 6. Erkenntnistheorie 21
§. 7. Psychologie ä8
a) Die vegetabilische Sei'lc 'M
b) Die animalische Seele 32
c) Die rationale Seele l^fi
d) Die WcItReele 39
§. 8. Naturphilosophie. Materie unil Furm , Substanz uml
Accidens 40
§. 9. Die Lehre vom göttlichen Willen 47
§. 10. Emanation und Hittelsubstanzeii 50
8-1.
Leben und Werke.
Rabbi Josef ben Jakob (ihn) Zaddik^) lebte zu Gordova.
Seine Geburtszeit ist nicht genau bekannt'); hingegen wissen
wir, da& er im Jahre 1149 gestorben ist. Im Jahre 1138 wurde
er zum Richter (pn) von Cordova ernannt; dieses Amt verwal-
tete er bis zu seinem Tode in Gemeinschnft mit Rabbi Maimun,
dem Vater des grofien Maimonides.
Sonst ist uns über seine Lebensschicksale nichts überliefert
worden.
Bei seinen Zeitgenossen erfreute er sich wegen seiner her-
vorragenden Geisteseigenschaften großer Berühmtheit.
Seine Bedeutung als Talmudist geht schon daraus hervor,
da£ er zum geistlichen Oberhaupte einer so ansehnlichen Ge-
meinde , wie es Cordova war , gemacht wurde. Seine ju-
ristische resp. talmudische Gelehrsamkeit wird übrigens auch
besonders, namentlich von seinem Landsmann Mose ihn Esra, ")
hervorgehoben. Gleichwohl hat Josef kein talmudisches Werk
verfaßt.
Audi der Historiograph Abraham ihn Daud (geb. um lilO,
'] Arabisch Abu Omar. Steinschneider im Catalog der hebräischen
Handschriften der Bodleyana p. 1542 hält Zaddik (der Gerechte) für einen
Beinamen und nicht für den Namen des Vaters.
') JeUinek p. VI der Einleitung zum Mikrokosmos setzt sein Geburts-
jahr in das 7. Jahrzehnt des 11. Jahrh. Er folgert es aus dem Umstand, (taß
Josef ein Schüler des R. Isak ben Baruch (1015—1094) genannt winl. Abra-
ham ihn Daad im Sefer hakkabala zählt ihn unter den Zeitgenossen des R.
Isak auf. Diese Notiz dürfte aber nicht zutreffend &ein, da Josef bedeutend
später als R. Isak lebte.
■) Vgl. Wolüas: Bibliotheca hebraica UI. No. im,
Doetur, Josef ibn Zaddik. X
gest. 1180) spricht rühmend von Joset Er nennt ihn ^einen
gro^n Gelehrten, Dichter und gottesrürchtigen Mann** »).
Das poetische Talent Josefs preist in begeisterten Worten
der Dichter Charisi (um 1218) »).
Von Josefs weltlichen Gedichten ist uns nur ein einziges
erhalten geblieben. Es ist ein Huldigungsgedicht an den be-
rühmten Dichter Juda halleTi, der auf seiner Pilgerfahrt in's
heilige Land auch Cordora berührte und Ton Josef, als dem
geistlichen Oberhaupte, mit diesem Gedichte begrüfit wurde *).
Josef ward aber nicht blofi als weltlicher Dichter geschätzt ;
auch seine synagogalen Poesien erfreuten sich grosser Beliebt-
heit. Indes sind nur sehr wenige auf uns gekommen *).
Seine Berühmtheit aber verdankt Josef besonders seiner
Thätiglceit auf philosophischem Gebiet. Er verfafite eine Logik
in arabischer Sprache (Alojun we'l Mudsakerat), von der uns
aber nichts näheres bekannt ist, und die auch noch nicht aufge-
funden worden ist*).
1) Wolfius ). c III. p. 84» b. und Sefer hakkabala von Abr. iba Daud,
ed. Amsterdam, p. 47 b.
*j ,Wenn R. Josef ben Zaddik seinen Dichtergeist Iftfit walten.
Dann muß des Wissens Meer sich spalten.
Und können Högel und Felsen Stand nicht halten.
Die Gewalt seiner Worte
Entnlckt Berge ihrem Orte
Und verwandelt Gallenschleim
In Honigseim.
Und niQfiten auch die Sftnger all' verzagen
Und ihren Blick beschämt zu Boden schlagen,
So dürfte Zaddik doch es wagen,
Sein Haupt frei emporzutragen/
Vgl. Kämpf: Nichtandalusische Poesie andalnsischer Dichter. Prag
1858, Bd. I, S. 13.
') Es findet sich im Divan des Juda hallevi; vgl. B'thulath bath J'hnda
von Luzatto. Prag 1840. p. 58, übersetzt von Geiger: Divan des GastUiera
Abu'l Hassan Juda hallevi. Breslau 1851. S. 87, und von Kämpf a. a. O.
S. 27.% Daselbst findet sich auch die Antwort Juda hallevi's, der dem Josef
außerordentliches Lob spendet- Siehe auch Sachs: Religiöse Poesie dw
Juden in Spanien. Berlin 1845. S. 289.
*) Zum: Zur Geschichte der synagogalen Poesie, S. 216 kann nar
einiges von ihm nachweisen.
*) Er verweist auf sie p. <i des Mikrokosmos.
Sein Hauptwerk aber ist der Mikrokosmos. Aus der
eigentümlichen Sprache geht mit ziemlicher Sicherheit hervor,
daü er ursprünglich arabisch geschrieben wurde. Wir besitzen
eine hebräische Übersetzung des Werkes durch Mose *) (der
Name des Vaters ist in der Hamburger Handschrift nicht ge-
nannt)
Der hebräische Titel wird verschieden citiert; nämlich:
Handschriften sind folgende vorhanden:
fn Oxford r ßodleyana Uri 78 (defekt).
Oppenheim 1170. fO].
Michael 575 (Gopie des Hamburger Codex).
In Hamburg: Stadtbibliothek 53 b. [H].
In München: 65. [M].
In Parma: De Rossi 1174. [P].
§2.
Litteratnr.
Im Mittelalter scheint der Mikrokosmos wenig studiert
worden zu sein; wenigstens finden wir ihn nur sehr selten
citiert. In neuerer Zeit wurde ihm mehr Interesse zugewendet,
wovon eine ziemhch umfangreiche Litteratur über dies Werk
und seinen Verfasser Zeugnis ablegt. Die gesamte Philo-
sophie Josefs ist noch wenig behandelt worden, während ein-
0 Jellinek folgert aus dem Namen Mose, der sich im Schlu&gedichl
des cod. H findet, den berühmten Übersetzer Mose ibn Tibbon, ohne dies je-
doch ausreichend belegen zu kOnnen.
Steinschneider ~ a. a. 0. — weist diese Ansiebt entschieden zurück;
ebenso Reifinann im »Magazin fQr die Wissenschaft des Judentums". Berlin
1878. V, S. 35. Dort wird erklärt: „Der Name Mose am Schluß des Ge-
dichtchens bezeichnet gewiß den Schüler, für den er die Schrift verfaßt
haben mag (wie er im Anfange der Schrift näher erklärt) und für den er
betet, daß (nach der biblischen Stelle im Exodus 17, 12) die schweren Hände
Moses gestärkt werden roOgen."
Steinschneider: Hebräische Übersetzungen des Mittelalters. Berlin 1893.
S. 409 hält Nachnni hamaarabi fflr den Übersetzer und bringt für die An-
sieht einige Belege.
1*
zelne Partien derselben eingehenden Untersuchungen unterzogen
worden sind.
Kurze Nachrichten über Josef erhalten wir durch Mai-
nionides In sßinem Briefe an den berühmten Übersetzer Samuel
ibn Tibbon. Dort beißt es ^): »Was das Buch Mikrokosmos
belriffl, das R. Josef hazaddik verfaßt hat, so habe ich es nicht
gesehen, doch ich kannte den Mann und seinen Vortrag und
habe seinen hohen Werl und den Wert seines Buches er-
kannt, in dem er doch unzweifelhaft der Methode der lauteren
Brüder*) gefolgt ist."
In knappen Worten berichtet uns Abraham ibn Üaud in
seinem ,.Sefer liakkabala" *) über die Anilszeit und die Persön-
lichkeit Josefs. Eine geletrentliche Noli/ fmdel sich auch in
Zakutü's „Sefer Jochasin" ■*).
Abgesehen von /erstreuten lllnweisungen auf Josef von
seilen einiger jüdischer Schriftsteller aus dem 12— Hten Jahr-
liunderl^), die den Mikrokosmos /um Teil benulxL haben, ist
liieniut die hebräische Litteratur über unsern Aulor erschöpft.
Die erste und einzige Ausgabe *) des Mikrokosmos wurde
von Jellinek besorgt; derselben gehl eine lilterar-historische Ein-
leitung voran. Nach einigen Bemerkinigun über die Bedeutung
*) Sefer p'er hador p. iJ8 b. = Kobez II. p. 28 b. col. 2. und Cod. 92.
111. des BresUuer jQd.-theol. Seminars.
') Durch ein MißverslAndnid des Dhersetxers der urspnlnglich arabisch
(resi'hrietmiieu Briefe des Maimonides wurde Josef zu den Anttiroponiorpliisten
gc7^hU, denn ki diesem Briefe beiül es: er folgt unzwetfelhaA der Methode der
Q>"1ji5P^ ^"^t^D ^~ ■'^'t-ributisten). Geiger hat aus der Lesart des Cod. it'J.
111. dc<i Hre^lauer SemiDora Duclifpiwiesen, duü an dieser Stelle ron den lau-
leren UrQdern die Rede ist
Ober dieses Mißverständnis und seine Folgen vgl. Kaufmann: Geschichte
der Attributenlebre in iter jüd. Keligions-Phllosophie. Gotha 1877. 8. 33ö.
Anni. 2M.
■) Siehe oben S. l.
*) ed. Kilipowslci. landen und Edinburg 18.^7. p- '-Ütt. h. Ks ist ein
AnszuK »US Mose ibn B»ra's ^Srbrift der Unterredung und Krinnerung", worin
Über die Träger der jüdisch-spanischen Litteratur nusfflhrlieh berichtet wird.
Vgl. Grfitz: Gcsdiichle der Juden. Bd. VI. Note l.
'') p. Vltl n. des Mikrokosmos.
") Der Mi]ux>ko9mop. Gin Beitrag zur Religions-Philosophic und Ethik.
I^ipzig 18r4. Diese Edition wimmelt von Üruck- und Schreibfehlern, so
Jtwur, daß eine ßenulzong deraelbeo in dieser Korm die grAfiten Schwierig-
der jüdischen Litteratur in Spanien, wird darin über das Leben
und die Schriften des Autors, über die Zeugnisse späterer Schrift-
steller über ihn, über den Begriff des Mil^rokosmos, die reli-
giösen Zustände der Juden zur damaligen Zeit, über den Cha-
rakter des Werkes, die Übersetzung und über die Handschriften,
meist in aphoristischer Form, gehandelt.
Vieles ergänzte B. Beer in seiner eingehenden Kecension *),
worin er zunächst ausführlich über die Entwickelung des Be-
griffes „Mikrokosmos" und in einer gedrängten Inhaltsangabe
über das Werk selbst spricht.
Bibliographische Notizen über den Mikrokosmos finden wir
in Wolfius: Bibliotheca hebraica*); femer bei De Hossi: Dizio-
nario Storico (Historisches Wörterbuch der jüdischen Schrift-
steller) *), außerdem auch noch in Steinschneider's *) und Neu-
bauer's^) Catalog der hebräischen Handschriften der Bodleyana
und in der hebr. Bibliographie von Fürst ').
Kurze Biographien und Inhaltsskizzen geben : Steinschneider
in Ersch und Gruber's Realencyclopaedie ^); Beer in: Philo-
sophie und philosophische Schriftsteller der Juden ^); Kämpf:
Nichtandalusische Poesie andalusischer Dichter^); Jost: Ge-
schichte des Judentums und seiner Sekten'^); Grätz: Geschichte
der Juden •>).
keiten bereitet. Eine Vergleichung mit dem Hamburger Codei, aus dem diese
Au^abe stammt, ergab zahlreiche Eutstellungen im Druck; Fortfall ganzer
Zeilen durch Horooioteleuten kommt sehr häufig vor.
Aach die p. XVH ff. angeführten Varianten nach cod. H sind mit
geringer Sorgfalt und Zuverlässigkeit zusammengestellt
Nach vieler Höhe gelang es mir, eine CoUation nach dem Oxforder
codex Oppenheim 117U zu erhalten. Viele Lesarten, die H aufweist, werden
durch O bestätigt; ganz bedeutend ist die Anzahl der besseren Lesarten.
>) Frankers Monatsschrift. Leipzig 1854. Bd. IH. S. 159 ff. und 197 ff.
bie Recension ist auch als Sonderabdruck erschienen.
*) Hamburg 1815-33. Bd. lU. 849. b.
>J CberseUt von Hamberger. Bautzen 1839. S. 33.
*) Berlin 1852-60. p. 1542 ff.
») Na 1331; fol. 97 und 474.
•) Bd. nr. S. 354.
T Bd. 31; S. 103 ff.
«) Leipzig 1852. S. 70.
•) S. le*.
*•) Leipzig 1858. Bd. H. S. 84.
") Bd. Vr. S. 1^ ff. Leipzig 1861.
über Josef, sein Werk, die Manuskripte, die Übersetzung und
deren Äulorschafl *), sowie über die Litteratur über unsem Autor
handelt Steinschneider in seinem neuesten gelehrten Werk „Die
hebräischen Übersetzungen des Mittelalters' *).
Die Autorschaft Josefs suchte Weinsberg zu bestreiten ;
ein Versuch, der als durchaus mißglückt zu t>ezeichnen ist').
Eine Analyse des Mikrokosmos giebt M. Eisler im jüdischen
Centralblatt *) in gedrängter Form und in sehr populärer Weise
Die Eigentümlichkeiten der Philosophie Josefs treten nicht klar
genug hervor; außerdem mangelt der Darstellung jegliche histo-
risch-kritische Grundlage.
Soweit die Litteratur, welche über Josef selbst und sein
AWrk im allgemeinen handelt. Von den Schriften, in denen ein-
zelne Materien bearbeitet werden, seien die folgenden genannt*).
Eine ausführliche und gründliche Behandlung der Attri-
butenlehre giebt uns Kaufmann'). Der Teil, welcher über die
Atlribulenlehre im Mikrokosmos handelt — zugleich wegen der
') Vgl. Magazio für die Wissenschafl des Jndeothunts V, S. STi.
'; Berlin ISKl S. 407 ff.
') Ein angeblich im 12. Jahrb. von Jos. ihn Zadib verfaßtes philo-
sophisches System nach seiner Echtheil untersucht Breslau 1888. Vgl. dazu
Kraküuer's Rerension -in Kahiner's Jüdischem Litteraturblatt Magdebui^
188!». No. 18, 19 u. 2i).
*) Herausgegeben von Grünwatd; 1887. VI. Jahrg. Heft I S. 153 (bei
Steinschneider „Hehr. Übersetzungen" a. a. O. nicht ganz richtig citiert) und
Augusthefl S. 24.
*) Wir sehen hierbei von der poetischen ThAtigkeit Josefs ab; vgl,
Sachs: Die religiöse Poesie der Juden S. 289. Zuoz : Zur Geschichte der
synagogalen Poesie S. 210 Kämpf a. a. 0.
•) Geschichte der Attributenlehre in der jüdischen Religions-Philo-
sophie des Mittelalters. Gotha 1877. S. 255— .*J;J7. Manches, was H richtig
liest, was im Druck aber corrumpiert ist, wird emendiert und findet dann
seine Bestätigung durch H; p. 47, 11 hat H die allerdings in die Augen
springende Lesart ^nnÖH t '"^rner liest p. 48, 6. v. u. H wie O, welch
letztere Lesart Kaufmann annimmt. Die p. 47, 14 durch Homoiotelenton ver-
derbte Stelle liest H ebenfalls wie 0.
Einzelne Richtigstellungen nebst anderen recht wertvollen Notizen
über den Mikr. Knden sich in den Itecensiorien über die „Attrihutenlehre'.
" ' ^röll: Jahrbücher für jüdische Geschichte u. Litteratur. IV. S. 137; 146 fr.
zin a. a. 0. S. 52.
schiechten Beschaffenheit des Textes der schwierigste — , ist
vielleicht der beste des trefflichen Buches.
Das Ethische im Mikrokosmos wird von Rosin: Ethik des
Maimonides % klar und übersichtlich dargestellt.
Über die Bibelexegese im Mikrokosmos schrieb Bacher : Die
Bibelexegese der jüdischen Religions-Philosophen *).
Die Willensfreiheit behandelte Knoller: Problem der
V^illensfreiheit in der jüdischen Religions-Philosophie »).
Die Prophetie erwähnt Sandler: Problem der Prophetie
in der jüdischen Beligions-Philosophie *).
Kurze Hinweisungen auf unseren Autor linden sich: in
der Zeitschrift .Orient** ^) (daselbst ist das betreffende Kapitel des
Mikrokosmos «über Gottes Selbstgenügsamkeit" zum ersten Male
abgedruckt und behandelt); femer in der hebräischen Zeitschrift
Kerem chemed, wo von Jellinek selbst einige Konjekturen vorge-
schlagen werden'), und bei Schmiedl: Studien über jüdische,
insonders jüd.-arabische Religionsphilosophie , bezüglich der Psy-
chologie des Mikrokosmos^).
Auch Überweg -Heinze: Grundriß der Geschichte der Phi-
losophie, erwähnt Josef*).
Zw«ek, Charakter and Ans^^an^^pnokt des Mikrokosmos.
Bei der Abfassung seines Werkes hatte Josef namentlich
seine Zeitgenossen im Auge, die er als unwissend, indifferent
und leidenschaftlich schildert ^). Durch eine leichte Methode,
durch populäre Darstellung sie zur Erkenntnis der höchsten
1) Jahresbericht des jad.-theol. Seminars. Breslau 1876; S. 17 u. ISi
Vgl. die Reeension in der Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesell-
schaft 1676. S. 364 ff. und Brüll a. a. 0. S. 153.
*) Jahresbericht der Landes Rabbiner-Schule Budapest. 1892. S. IK)— 105.
»! Dissertation. Breslau 1884. S. 50—53.
*) DisserUtiori. Breslau 1891. S. 46 f.
*) Herausgegeben ron FQrst. Jahrg. 1&49. S. 283. (Litterat urblatt.]
•) Bd. VUI. S. 93 n. 97.
T) Wien 1869. S. 145 u. sonst.
■) 7. Aufl. S. 216. Einzelne Notizen giebt auch noch Kaufmann in
seinen Werken: «Die Spuren Al-Batlajüais in der jfid. Rel.- Philosophie. Buda-
pest 1880. S. 34.'' und „Die Sinne. Beiträge zur Geschichte der Physiologie
und Psychologie im Mittelalter". Budapest 1884.
^' p. I., 9. p. 43, 2—.'); p. 74.
8
Wahrheit zu erheben, das ist der Zweck der Schrift. Ihn hat
er dadurch am besten zu erreichen gesucht, dafä er seine Philo-
sopheme nicht in trockener, rein theoretischer Weise darstellt '),
sondern in großen Zügen einen Abriß der gesamten Zeitphilo-
sophie auf neuplatonischer Grundlage giebt, ohne sich jedoch
streng an ein philosophisches System zu halten und dessen An-
wendung auf die mosaische Religion durchzuführen.
Das AVerk ist, abgesehen davon, daß die meisten damals
gangbaren Philosopheme darin wiedergefunden werden •), auch
darum interessant, weil es zu den ersten der jüdisch-arabischen
Epoche und, wie die „Emunoth w'deoth*' Saadja's, zu den-
jenigen rabbanitischen Büchern geliört, welche die Ansichten eines
Karäers ') einer Erörterung würdigen.
Es zeigt auch deutlich den Übei-gang vom jüdischen Ka-
lam *) — den Saadja besonders zur Blüte gebracht hat — zum
jüdischen Aristotelismus ^), der im Maimonides seinen Haupt-
vertreter gefunden hat.
Ebensowenig wie Josef«) einen Gegensatz zwischen Wis-
sen und Glauben kennt ^), indem er sagt: .Wir sollen nach
*) In der Darstellung befleißigt er sich der knappsten und karresten
Form, da eine lange und tiefsinnige Discussion den Anfänger — denn für einen
solchen ist das Buch bestimmt — nur mit Abneigung gegen die Philosophie
erfüllen würde (p. 2, 20). Oft unterbricht er den Gang der Erörterung durch
den Hinweis auf die beabsichtigte Kürze.
') Der damaligen Sitte gemäß werden die Urheber derselben nicht
namentlich genannt.
'i Josef Albassir und dessen Schrift Mansuri. Mikr. p. 43, 31 und
ll). 11; vgl. Frankl : Ein mutazillti scher Kal.im S. 8 und 9.
« *) Die Mutakallimun haben sich die Aufgabe gestellt, die Dogmen
der geoffenbarten Religion gegen die Doctrinen der PhiloMphie ^u vertei-
digen. Ihre Wisseubchafl, die im 2. Jahrhundert der Hedschra blühte, hieß
der Kalara (arab. Q}^^^^}^ 0*?^! hebräisch I^IH nDDTI» ^*^ Wissen-
schaft des Wortes — oder auch Logik).'
Über die Bedeutung und den Sinn dieser Ausdrücke bestanden schon
bei den älteren arabischen Schriftstellern verschiedene Erklärungen. Vgl.
Weil : Historisch-kri tische Kinleitung in den Koran S. llß und Scbmiedl
Studien S. 136 ff.
'•) Ebenso Saadja: Emunoth ed. Leipzig. S. 7. Maimonides: Moreh !,;>).
"^ Vgl. Schmiedl a. a. O. S. 261 ff.: Was hat den Aristotelismus in
der jfld. Heligions-Philosophie so populär gemacht V
^) Seit Maimonides wütete ein heißer Kampf über die Stellung des
Wissens zum Glauben,
Gotteserkenntnis streben und foi*schen, das ist fromm; daß wir
aber nicht alles erkennen können, liegt an der Beschränktheit
unseres Oeistes" ^), ebensowenig läfät er die Ansicht gelten, daß
die höchste Erkenntnis sich nicht mit naiv-inniger Frömmig-
keit vereinigen könne, sagt er doch: , Jeder wahrhaft Vernünftige
mulj wahrhaft gläubig sein; denn die Erkenntnis führt zu Gott
und seinen Geboten; der wahrhaft Fromme ist aber auch wahr-
haft vernünftig, — denn nur durch die höchste Vernunftthätlg-
keil kann er zur echten Frömmigkeit gelangen' *).
Der Mikrokosmos ist durchaus kein geschlossenes System
neuer Gedanken; das wollte Josef auch gar nicht schaffen. Es
ist aber auch kein buntes, zusammenhangloses Gemisch, sondern
überall zeigt sich der Eklekticismus eines mit Wahl und Prüfung
verfahrenden Denkers. Die Gedanken, die er aus einer Quelle
schöpft, entkleidet er der ihnen eigentümlichen Färbung, löst
sie aus ihrer Verbindung, um sie dann selbständig zu verar-
beiten und ihnen eine solche Fassung zu geben, dafi sie als sein
Eigentum erkannt werden.
Bei den einzelnen Beispielen wird dies im folgenden noch
begründet und zugleich dargethan werden, mit welch kritischer
Dichtung er bei der Benutzung seiner Quellen verfahren ist.
Mit grofiem Geschick wußte er denjenigen Ansichten aus-
acuweichen, die eine Inconsequenz in seiner Philosophie oder in
seiner religiösen Überzeugung hätten herbeiführen können. Auch
in der Ausscheidung des Vorgefundenen zeigt er sich als her-
"vorragender Denker ■).
Zum Mittelpunkte seiner Philosophie macht Josef die Lehre
Tom Mikrokosmos, nach dem er auch sein Werk benennt.
In welcher Weise er hierbei verfahrt, wie er den Gedanken
verwertet und für seine Philosophie nutzbar macht, wird noch
im folgenden beleuchtet werden.
Bevor wir uns zu unserer eigentlichen Untersuchung wen-
den, erachten wir es noch für notwendig, die Quellen des Mikro-
kosmos einer Betrachtung zu unterziehen.
») p. 8 etc. p. 47.
•) p. 67 und sonst. Cber Josefs Ansicht von den Attributen Gottes
siehe Kaufmann: Attributenlebre S. 255 IT.
*) Das Urteil von Grätz ä. u. 0. S. 127, der ihn als mittelmäßigen
Denker bezeichnet, ist denn doch etwas zu hart.
10
Die Qnellen des Mikrokosmos.
Bei der Untersuchung der Quellen für die Philosophie
Josefs ergiebt sich, dals er namentlich von der Philosophie der
Griechen nicht unbedeutende Kenntnisse gehabt haben muß.
Abgesehen nämlich von der heiligen Schrift, die er als
Quelle insofern benutzt, als er deren Aussprüche zum Belege seiner
philosophischen Ansichten mit großem Geschicke verwendet *),
finden wir, daß Josef die Lebrmeinungen vieler alten Philo-
sophen gekannt und benutzt hat.
Allerdings lä&t sich nicht immer ermitteln, welcher Philo-
soph gerade mit der oder jener Andeutung gemeint sei, zumal
sich auch nicht annehmen läHt, daß Josef aus den Originalwer-
ken geschöpft habe. Seine Kenntnisse dürfte er vielmehr den
arabischen Bearbeitungen der griechischen Philosophie zu ver-
danken haben. Dadurch ist manche Unsicherheit inbezug auf
die Feststellung des Autors einer philosophischen Idee entstanden.
Wir gehen in diesem Abschnitt nur auf diejenigen Autoren
ein, die Josef ausdMcklich citiert, und verweisen inbelreif der
übrigen Quellen auf die nachfolgende Erörterung.
Zunächst wollen wir die nicht namentlich genannten Phi-
losophen anführen und — soweit dies möglich ist — ihre Na-
men ermitteln.
a> Unirenaniite Philosophen.
Bei der Erwähnung**) der platonischen Ideenlehre werden ,die
alten Philosophen" (D''31Ö"lpn D^ÖDnn) und bei der Lehre von
der Unerfaßbarkeit des Wesens und der Eigenschaften Gottes *)
die „Mehrzahl der Alten* (D^SIOTpH yH) angeführt.
Unter diesem Namen f= oi jiaXatoi, oi dQxaioi) waren viele
Äußerungen der alten griechischen Philosophen bei den Arabern
verbreitet.
So werden tmter gleichem Namen bei Schahrastani *) An-
sichten des Soerates und Xenophanes •'■) vorgetragen,
') Vgl. Bacher: Bibelexegese S. 98 ff.
'') Mikrokosmos p. W z. 18.
') p. '»T) Z. 18.
*) Übersetzung von Haarbrücker H S. 11],
*i Das. II, S. 130. Über Hie Unerrafibarkeit des gölüicben Wesens
11
über Gottes Unerkennbarkeit äußerte sich ^) »einer der Phi-
losophen- (a^DDm p nnx).
Unter »Philosoph" xar' Hoxrjv (^'uh^SH) ist meist Ari-
stoteles zu verstehen. So z. B. folgt Josef *) dem Aristoteles «),
wenn er von den Sinnen sagt, daß sie nur das Einzelne wahr-
nehmen, dafi sie nur die an der Substanz auftretenden Eigen-
schaften, die Accidentien — nicht die Substanz selbst — zeigen. *)
An einer Stelle sagt der Philosoph: „Alles, dem Voll-
kommenheit auf einmal gegeben wurde, ist unvergänglich, da
bei ihm Anfang und Ende zusammenfallen" ^).
Wenn femer Josef*) hinsichtlich der Elemente dem „Phi-
losophen*' die Lehre zuschreibt, daß das Vergehen und die Ver-
änderung nur ihnen in ihren Teilen zukomme, so läßt sich auch
hierfür Entsprechendes bei Aristoteles nachweisen. Derselbe
lehrt ausdrücklich ^), daß zwar einzelne Teile des einen Ele-
mentes in das andere Element sich wandeln, daß aber die Ge-
samtmenge (6 Tiäg Synog) bei einem jeden Elemente die gleiche bleibe.
Die Definition der Seele*) ist dem Aristoteles *) wörtlich
entlehnt.
äoftert sich auch der neuplatonische gliber de causis'. Vgl. Bardenhewer:
Die pseudo-aristotelische Schrift Über das reine Gute, bekannt unter dem
Namen Liber de causis. Freiburg i. Br. 1882 S. *i>U ff. Haneberg: Sitzungs-
berichte der k. bayr. Akademie i8aS I, S. 378 ff. und S. 381. Näheres siehe:
Kauftnann: AUributenlehre S. 324 Anm. 186 und Rosin: Ethik des Maimonides
96 Amn. 2.
*J p. 47 z. 5. Siehe dazu Kaufmann a. a, 0. S. 277 Anra. 75, der ähn-
liche Äußerungen bei Hose ibn Esra nachweist.
») p. 4 Z. 12.
*) Vgl. Zeller, Philosophie der Griechen Jt * 2 S. 198.
*) Siehe Kaufmann: Die Sinne S. 54.
») p. 17 Z. 7;
*) Mikrokosmos p. 17. Z. 25.
*) Meteorologie 2, 3 p. 358 b 29.
•) p. 36 Z. 22.
•) de anima U "l, 412 b 4 : *^vx^ eaitv ivjeUxfia ^ rtgtörij rnofioiog
tffotxov ogyavtxoij Cct"?*' 'X^yrog dvvdfiei.
Ebenso lautet es bei Josef: '»y^t^ ^jh D^DHD D^V *^TW tS^33n
roD nvn bvD 'Sd-
Wir finden diese Definition wörtlich bei fast allen jüdischen Religionsphilo-
sophen vor. Z. B. lautet sie bei Saadja ly^J^ Ü^^ niÜSblC^ f'^''
Gattmann : Die Religionsphilosophie des Saadja S. 195 Anm. 3, ferner i^»
12
In der Lehre über die Sphären ^) führt er den ;,AristoteIes
und seine Schrift «de coelo* (ü^piyni D^DtC^H T3DS tllDlVön)
ausdrücklich an.
Dagegen ist jedenfalls unter dem „Philosophen" >), der da
sagt: „Ich begehre das Wasser und ich enthalte mich des-
selben, je nach dem größten Nutzen" — Sokrates zu verstehen •).
In der sog. „Theologie des Aristoteles" *) findet sich ein
Anklang an den Ausspruch des .Philosophen": Sterbet durch
Euren Willen und lebet durch Eure Natur.*)
Vielleicht wird auch in einer anderen pseudo-aristotelischen,
von neuplatonischen Ideen erfüllten Schrift dem Aristoteles die
Lehre zugeschrieben ^) , daß die negativen Attribute Gottes
wahrer sind als die positiven.
Häufig finden wir auch im Mikrokosmos „die Philosophen"
(D^öTDtb^Sn) citiert; so z. B. heißt es von ihnen ^), daß sie die
Philosophie als Selbsterkenntnis definieren. Die Autoren dieser
Lehre sind die dem Plotin folgenden lauteren Brüder*).
Sie lehren auch ®), daß nur den zwei niederen Stufen der
Seele eine Abhängigkeit vom Temperament zukomme.
Daß nur der Prophet ^^) die Ursache der Ursachen erken-
nen könne, ist ebenfalls eine ihrer Lehren.
Kusari des Juda halevi V. l^: »^y;j i^j ^VDD Dtfi'iV mD*?^' IS^SÜTI
f^^^ niTI^ G®°^" **** lautet die Definition auch bei Abraham ihn Daud:
Emana rama ed. Weil p. 21 Z. 10.
') p. 10 Z. 29.
') p. 37 Z. 1.
') Etwas Ähnliches siebe bei Steinschneider: Pseudepigraph Ische
Literatur S. 44.
*) Übersetzt von Dieterici. Leipzig 188.'J. S. 8.
^J Mikrok. p. 41 Z. 17.
"=) p. 5(> Z. 1«. Vgl. Kaufmann : Attributenlehre S. 330. Anm. ll»8.
Über die Geschichte dieser Lehre siehe näheres in dessen Theologie des
Bachja S. 77 Anm. 2.
') p. 2 Z. 14.
") Vgl, Dieterici: Anthropologie S. I.
») Ebd. S. 58 u. 59 uud Mikrok. p. 19 Z. 20,
*°) p. 20 Z. 26. Auch bei Mose ihn Esra und bei Bachja sind unter
D'SnDlb^Sn *^^^ lauteren Brüder zu verstehen. Vgl. Kaufhiaun: Theologie
des Bacbja S. 18 Anm. 1.
18
Dafi der Körper Substanz 0 sei, ist eine so geläufige Lehre,
dafi Josef als deren Autor nur schlechthin die „Philosophen'
angiebt.
Platonisch gefärbt ist die Lehre von den vier Eigenschaf-
ten, welche zur Glückseligkeit führen *). Josef leitet sie auch
aus der heiligen Schrift ') her.
Die Lehre von den drei kosmischen Bewegungen') »von,
zum und um den Mittelpunkt" ist aristotelisch. '')
In seinen Ansichten über die intelligibele Welt ^) folgt Josef
vollkommen den Neuplatonikern.
Bei der Erörterung der Lehre vom Willen ') erklärt Josef,
er wolle sich kurz fassen, da diese Frage von den „Philosophen" *)
schon vielfach untersucht worden sei.
Auf Ibn Sina (Avicenna) ^) ist vielleicht der Ausspruch zu
beziehen, daß Gott notwendig existierend ist, die Geschöpfe
aber nur möglich seien.
Unter den „Philosophen" p. 9 sind die Peripateliker zu
verstehen. "*)
') p. 10 Z. 9.
*) p. 88 Z. II.
*) &phaDJa 2, 3.
*) p. 15 Z. 26. •
*) de coelo T, 3.
•) p. 39 Z. 17 fL
') H. p. 51 Z. 29. Vgl. S. 14 u. 47 fT. dieser Arbeit
*) Vgl. Schahrastani (HaarbrQcker ][, S. 127), wo die Lehre des Thaies
und des Empedociea vom Willen ^ai^estellt wird.
Es ist eine ganz merkwürdige Obereinstimmung, wenn es a. a. O.
heifit: Die Lehre des Piaton und Aristoteles ist an sich dieselbe und im ein-
zelnen ein verschlossenes Ding. Josef sagt nämlich p. 51: 1^"T3 JTJ ^3^
■) p. 42 Z. 19. Vgl. Schahrastani abers. von Haarbr. II. S. 252 und Kanf-
mann : Attribntenlehre S. 333 Anm. 204.
") Herr Professor Kaufmann, an den ich mich wegen Erklärung die-
ser verderbten Stelle wandte, hatte die GQte mir mitzuteilen, „dafi der Passus
dareb Vergleich mit Abraham ibn Daud's Emuna ramap.ll etwas an Klarheit
gewinnen dflrfte. Die Frage bezieht sich auf den Gebrauch des Wortes
0^ für Körper und die Einzeldinge (Q^^^^X) '"* Gegensatz zu den Gat-
tungen. Ideen, die allein den Namen Substanz verdienen." Die Lesarten der
verschiedenen Codices divergieren an dieser Stelle indessen derart, dafi eine
einleochtende ErUftruDg uns vorläufig noch unmöglich ist.
14
Abgesehen von den bis jetzt besprochenen Philosophen
(D^3iDlV^3n)i kommt derselbe Ausdruck sogleich im Anfang des
Mikrokosmos noch einmal in etwas bestimmterer Fassung vor;
offenbar sind daselbst ') mit cmmon ü^äTDlVöTI die lauteren
Brüder gemeint. *)
b) Mit Namen genannt« Philosophen.
Auf Empedocles (D^bp"l?3) verweist Josef ausdrücklich
jeden, der sich mit der Lehre vom göttlichen Willen be-
fassen wolle ■).
Von der Lehre des Empedocles hat uns nur Schahrastani *)
einiges überliefert. Unter dem Namen des Empedocles müssen
aber bei den Arabern einige Schriften verbreitet gewesen sein,
deren Unechtheit selbstverständlich ist*).
Von seiner Lehre über den Willen, auf die übrigens auch
Falaqera im Vorwort zu seiner Übersetzung ausgewählter Stel-
len aus Gabirors „ Lebensquelle " verweist, ist uns sonst nichts
bekannt ^).
Von Piaton (TU0Kb9K) ') ^^^^ ^*6 aus Diogenes Laertius ^)
bekannte Anekdote vom geistigen Schauen erzählt
Auch als Verfasser eines Gebetes in seinen vofnot (D'DID^i»
D^Hn^JD) wird er von Josef genannt »).
Der Philosoph Piaton (pDxVöX ClTDlVöT') **at nach
Josef ^*>) gelehrt: Die Kenntnis dreier Dinge ist dem Volke förder-
lich: 1. Gott ist der Schöpfer des AM's, unter seinem Schutz
') Mikrokosmos p. 2 Z. 2.
*) Vgl- ReifmaQD in Berliner*s Magazin V S. 35.
») Mikrok. p. 52.
*) Haarbrücker S. 91. Vgl. auch S. 127. Siehe aach Kauftnann: Attri-
butenlehre S. 309 Anm. 153; Guttmann: Philosophie Gabirols S. 25 Anm. 2;
33; 34; 43 Anm. 9; 50. Vgl auch weiter unten S. 48 f.
') Vgl. Wenrich: De auctorum Graecorum versionibns et commentariis
Syriacis, Arabicis Armeniacis, Persicisque commentatio. Leipzig 1S42. p. 91.
") Hunk: Hälanges de philosophie jaive et arabe. Paris 1859. p. 3.
») p. 35 Z. 26.
») VI, 53.
») p. 51 Z. 22. Näheres siehe bei Kaufmann a. a. 0. S. 302 Anm. 138;
bei Guttmann a. a. 0. S. 34 und bei Steinschneider: Zur pseudepigraphischen
Litteratur S. 51 ff.
") p. 63 Z. 4.
16
und Gebot steht alles; 2. es ist ihm nichts verborgen, 3. Gott
hat an guten Thaten mehr Wohlgefallen als an Opfern.
Aristoteles wird ebenfalls und zwar als Verfasser derTopik
Op^DIÜ "1SSD3 IDOnx) citiert^); an dieser Stelle wird zugleich
ein Passus ausdrücklich als der Topik wörtlich entnommen
bezeichnet, der aber schwerlich in derselben zu finden sein
dürfte *) : „wer das, was er mit gesunden Sinnen wahrgenommen
hat, leugnet, ist wert, da& man ihn ins Gefängnis sperre und
ihn geißele*.
Aristoteles wird auch als Urheber der Lehre über
die «allgemeui verbreiteten Ansichten" genannt (t« Mo^a •=
Von Claudius Galenus *) (Diy^3) wird erwähnt, daß er die
Ansicht vertreten habe, die Pflanzenseele sei ein göttliches Ver-
mögen ^).
Bemo'kenswert ist auch die Erwähnung ^) des syrischen
Gnostikers Bardesanes ({XV*1)- Dieser lehre nämlich: „Von
einem Dinge können nicht zwei Gegensätze hervorgehen. Der
Schöpfer der guten Dinge ist darum bis ins Unendliche der
Schöpfer des Guten und des Lichtes, der Schöpfer der schlech-
ten Dinge der unaufhörliche Schöpfer der Finsternis und des
Schlechten und keiner von Beiden hat etwas hervorgebracht,
von dem nicht der andre das Gegenteil hervorgebracht hätte."
Schließlich werden auch noch die Mutakallimun (D^n^TOH)
hin und wieder citiert. Er bekämpft ihre Ansicht, daß die Seele
ein Accidens und der Körper Substanz ') oder eine Summe von
Substanzen sei ^).
Gegen den mu'tazilitischen Earäer Abu Jakub Josef al Basir
und dessen Lehren in seinem Buche Manzuri polemisiert er, wie
») p. 5 Z. 19.
') Aach Kautinann in seiner Schrift: .Die Sinne* S. 55 Anin. 52 veri-
fiziert diese Änfierung nicht
•) P. 5.
*) Er war Ärat und Philosoph und lebte von 131—200 n. Chr. Bei
den Arabern war er unter dem Namen Gallanus bekannt.
*) p. 25 Z. 30.
•) p. 49 Z. 20.
») P. 33 Z. 31.
•) p. 35 Z. 10.
Kaufhiann nachweist, ungemein heftig und scharisinnig *). Trotz
dieser Polemik aber entlehnt er doch — was bei seinem ent-
gegengesetzten religiösen Standpunkte recht merkwürdig ist —
manches Argument seiner Beweisführung dem Kalam ') und
und stimmt sogar') bei der Lehre vom göttlichen WiUen mit
Älbasir überein.
Josefs Beriehnngen zn den lanteren BrftderB
nnd zu äalomo ibu Oabirol.
Josef steht vollkommen unter dem Einflufi der zu seiner
Zeit im arabischen Orient allgemein herrschenden Lehret, die
im wesentlichen eine Verschmelzung von neuplatonischen und
neupythagoreischen Philosophemen, unter Aufnahme einiger Ari-
stotelischer Begriffe, repräsentiert. Als Hauptvertreter dieser. Rich-
tung kennen wir, soweit die uns erhaltene Litteratur in Betracht
kommt, die lauteren Brüder und Gabirol. Eine direkte Abhängigkeil
Josefs von ihnen bleibt trotz vieler inhaltlicher Übereinstimmungen
ungewiß; indes wenn wir Josefs Stellung zu jener Richtung darlegen
wollen, können wir uns nur an Gabirol und die lauteren Brüder, als
die noch vorhandenen Vertreter, halten. Offenbar hat Josef als eigent-
licheQuellen Schriften, wie die des Pseudo-Empedocles — die er aus-
drücklich erwähnt*) — und solche des Pseudo-Aristoteles benätzt.
Wenn nun eine Übereinstimmung der Lehren Josefo mit
denen Gabirols und der I. Brüder sehr häufig erkennbar ist, so
mul3 man zunächst annehmen, daß sie aus derselben Quelle ge-
schöpft haben.
Belehrend ist hierfür eine Stelle im fonsvitae des Gabirol*),
») p. 4*) Z. 30 und p. 46 Z. 11 ff. Vgl. Kaufmann 259 ff.
») p, 47. Kaufmann S. 280.
') p. 51 Z. 32 und Kaufmann 303 Anm. 142.
*) In religifteen Dingen folgt er namentlich Saadja und Bachja. Kauf-
mann: AUributenlehre p. 284 Anm. 04 weist nach, dafi ein Teil des Be-
weises hinsichtlich der Schöpfung ~ wie ihn Josef giebt — von Saadja
stamme; siehe auch ebd. p. 318 Anm. 174 und sonst. Kauftnann vermutet
auch ferner S. 'JHö Anm. 96, daß die AusfOhrungen Josefs Ober den Beweis
der Einheit Gottes mit Rücksicht auf die ausführliche Darstellung bei Bachja
(Herzenspflichlen I, 9} so knapp gefaßt worden seien.
'') Mikrokoi^mos p. 52.
'') eü. Baeumker, p. U32 8.
mit welcher der Mikrokosmos eine auffallende Übereinstimmung
aufweist, so daß sich jedem der Gedanke an unmittelbare Ent-
lehnung aufdrängen wird ^). Gleichwohl aber zeigt e i n Ausdruck
deutlich, dafi an dieser Stelle nicht notwendig an eine solche
gedacht werden mufi. Der in Betracht kommende Passus lautet
nämlich: .Et propter hoc dicitur, quod apprehensio substan-
tiarum secundärum et accidentium secundorum non est nisi
per scientiam primarum substantiarum et primorum acciden-
tium.* Hier wird also durch das .dicitur" auf eine von Gabirol
benutzte Quelle hingewiesen; und eben diese konnte auch dem
Verfasser des Mikrokosmos vorliegen *).
In einer ziemlich bedeutenden Anzahl von Fällen erscheint
es aber gleichwohl wahrscheinlich, daß eine direkte Abhängig-
keit von Gabirol oder von den lauteren Brüdern vorliegt. Be-
achtenswert ist namentlich eine Menge wörtlicher Überein-
stimmungen'), die mitunter so schlagend sind, daß hin und
wieder der schwer lesbare Text des Mikrokosmos dadurch eine
einleuchtende Erklärung findet
Interessant ist es ferner hierbei, daß Gabirol offenbar eben-
falls die 1. Brüder benützt bat und besonders in naturwissen-
schaftlichen Anschauungen fast ganz unter ihrem Einfluß steht *).
Übrigens hat auf Josefs Beziehungen zu den 1. Brüdern
bereits Maimonides ausdrücklich hingewiesen ^) imd in neuerer
Zeit Steinschneider aufmerksam gemacht ^) ; ebenso Kaufmann '').
Dieser^) und Guttmann^) haben auch durch Gegenüberstellung
') Siehe S. 25 dieser Arbeit.
*) Möglich, wenngleich wenig wahrscheinlich, bleibt freilich die An-
nahme, dftfi Gabirol anf seine eigenen AusfOhrungen p. 3ö, 22—36, ti zurflck-
rerweist
*) Auf dieselben wird an dem betr. Ort unserer Arbeit hingewiesen.
*) Vgl Gnttmann a. a. 0. S. 35 fT. und Haneberg's Abhandlung „Ober
Gabirors Verhfiltnis zu der Encyclopfidie der 1. Brüder"* in den Sitzungsbe-
richten der k. bayrischen Akademie der Wissenschaften 1866 S. 89 ff.
*} In seinem Briefe an Samuel ibn Tibbon; siehe oben S. -1 Anm. 1.
*) Jewish Literalure. London 1857. p. 98.
') An vielen Stellen der „Attribulenlehre^
*) Das. S. 310 Anm. 156 und in «Spuren Al-Batlajftsi's' S. 34 und 35.
*) a. a. 0. S. 42 u. 43 Anm. 1.
Dontor, Jowf ibn Zaddlk. *2
18
einzelner Stellen^ die im folgenden noch vermehrt werden, eine
Anzahl Übereinstimmungen mit Gabirol dargethan.
Die Encyclopädie der lauteren Brüder') ist uns durch Die-
terici's sorgfältige Übersetzung <) bekannt.
Gabirol's Lebensquelle (M'kor chajini) ist ursprünglich ara-
bisch geschrieben. Josef hat ofTenbar das arabische Original
benutzt, da er den übrigens trefflichen Auszug Falaqera's schon
aus chronologischen Gründen nicht gekannt haben kann. Das
Original ist bis jetzt noch nicht gefunden worden.
In jüngster Zeit hat Clemens Baeumker die aus dem
arabischen Original stammende lateinische Übersetzung des
Johannes Hispanus und Dominicus Gundisalvi herausgegeben ').
Manche Übereinstimmungen, die aus Falaqera's Auszug nicht
ersichtlich sind, sind dadurch klar zu Tage getreten. Wir
eitleren stets nach der Baeumker'schen Ausgabe.
Wir gehen nunmehr zu unserer eigentlichen Aufgabe über
und erforschen das Verhältnis Josefs zu den 1. Brüdern und zu
Gabirol *), indem wir die philosophischen ^) Ansichten Josefs nach
den einzelnen Materien geordnet betrachten.
Schon den Grundgedanken und den Ausgangspunkt seiner
Philosophie: ^Der Mensch ist eine Welt im Kleinen: er reprä-
sentiert in seinem Körper und dessen Teilen die gesamte ma-
terielle Schöpfung und in seiner vernünftigen Seele die ganze
geistige Welt" (p. 2, 12 u. p. 41,20) hat er jedenfalls zunfichst
von den 1. Brüdern und von Gabirol übernommen.
') Die Encyclopädie ist nach Stoflen geordnet und umfaßt alle Ob-
jekte des Wissens, wie sie die Araber im zehnten Jahrhundert beherrschten.
Sie ist zu einem abgerundeten Ganzen vereinigt, um durch sie eine Waffe
gegen die alle sittliche und geistige Bildung unterdnlckende muhammedanische
Orthodoxie zu gewinnen. Schon im 11. Jahrb. wurden diese Abhandlungen
nach Spanien verpflanzt, dort au&erordentlich verbreitet und beliebt und
von hier zum Gemeingut der damaligen gebildeten Welt des Orients gemacht
^) Die Encyclopädie umfaßt in dieser Übersetzung folgende Bände:
1. Streit zwischen Mensch und Tier, 1858; 2. Propädeutik, 1865; 3. Logik
und Psychologie, 18*»; 4. Anthropologie, 1871; ö. Weltseele. 1872; 6. Natur-
anschauung, 1876.
") Beiträge zur Geschichte der Philosophie des Hittelalters Bd. I,
Heft 2—4. Münster 1895.
*) Über Gabirol, seine Quellen und seine Philosophie ist zu ver-
gleichen Guttmann a. a. 0., der alles erschöpfend dargestellt hat.
') Wir sehen hierbei von den theologischen und ethischen Ansichten ab.
Freilich ist der Gedanke vom Mikrokosmos von ihnen keines-
wegs zum ersten Male ausgesprochen worden. Sehen wir von
Anklängen bei Anaxiraenes i) ab, so finden' wir ihn der Sache
nach zunächst bei Plato *), welcher sagt, daß einzelne Körperteile
des Menschen dem Muster des Weltalls nachgebildet seien, und
daß der ganze menschliche Organismus höheren geistigen Zwecken
entspreche. Aristoteles stellt ausdrücklich den Mikrokosmos dem
Makrokosmos gegenüber % Einen ähnlichen Gedanken drückt er
aus *)j wenn er ausführt, dafi im Menschen, im Vergleich 7.u den
Tieren, sich die Natur in ihrer höchsten Vollkommenheil zeigt.
Von den Stoikern *) und Neuplatonikem wurde der Gedanke
aufgenommen und gelangte von ihnen dann zu den Arabern,
Ton denen er ausführlich — namentlich von den 1. Brüdern ")
— behandelt wurde.
Ihrer Darstellung folgt Josef zwar nicht in allen Punkten,
aber doch so, daß eine Benutzung offenbar wird. Er ist nicht
so weitschweifig wie die 1. Brüder und sucht auch nicht die Ana-
logien in der fast lächerlichen Weise der spitzfindigen Araber
auf. Wo er mit ihnen nicht übereinstimmt, folgt er meist dem
Jezirabuche ^).
>) A^tius PlaciU I, 3, 6. (Diels: Doxographi p. 278, 12). Vgl. Baeumker:
Problem d. tfaterie, S. 15.
*) Timaeus p. 4i— 47.
■) Physik VIII 2. p. 2r»2 b 24-26: e! d'h Cwoj tovto dwajor
ytriadai, li xotXvei to avro avfißrjvai xai xara ro .tSc ; ei yog ev /uXQ<ii
xAfft^t xai Sr fuyAXtp.
*) da historia animal. IX 9, p. 588 a 18 fT.
*) VgL Stein: Psyctiologie der Stoa. Bit. I. Anhang: Mikro- un<l
Makrokosmos der Stoa.
*) Anthropologie S. 4t fT.: Der Mensch als' Hikrokosmos. Weltseele
S. 27 ff. Natar-Anschanang, S. 24 ff.
Zur Zeit Josefs scheint der Gedanke vom Mikrokosmos sehr gel&ufig
gewesen m sein. Auch Ton einem christlichen Zeitgenossen, Bernhard Sil-
Tcstris, haben wir ein ähnliches Werk; vgl. Bemardi Silvestrisdemundiuniverai-
tate libri duu, sive megacosmos et microcosmus; hrsg. von ßarach u. Wrobel
Innsbruck 187(i. Dieses Werk hat aber offenbar seinen Grundgedanken nicht
unmittelbar erhalten, sondern baut den Gedanken(rang des Platonischen Timaeus
weiter aus. Vgl. Windelband: Geschichte der Philosophie. Freiburg 18i*2,
S. 216. Über den Mikrokosmos im Judentum vgl. FranJcel's Monatsschrift
a. a. 0. und Guttmann a. a. 0. S. 117. Anm. 3.
') Es ist ein mystisches Buch ,über die Wellschöpfnng", dessen Auto-
2*
Josef sagU): «Es giebl nichts in der Welt, das nicht sein
Analogon im Menschen fände. [Cr gleicht zunächst der Körper-
weit; in ihm linden sich die vier Klemenle vor, er besitzt deren
Eigenlümlichkeit, denn er gehl von Hitze /.ur Kälte, von Feuch-
tigkeit zur Trockenheit über. Er besitzt die Natur der Minerale,
Pflanzen und Tiere; er entsteht und vergehl, wie die Minerale,
wächst, ernährt sich und pflanzt sich fori, wie die Pflanzen,
er hat Empfindung und Leben, wie die Tiere. Er hat Ähnlich-
keit mit den Eigentümlichkeiten der Dinge; er gleicht an auf-
rechter Gestalt der Terebinthe; sein Haar gleicht den Gräsern
und Kräutern , die Adern und Arterien den Flüssen und Ka-
nälen» die Knochen den Bergen •). Er hat ferner die charakteri-
slischen Eigenschallen der Tiere; er ist tapfer wie der Löwe,
furchlsam wie der Hase, geduldig wie das Lamm, listig wie
der Fuchs" *).
Alle diese Analoga finden sich bereits bei den I. Brüdern^);
dagegen hat Josef bei der Vergleichung des Kopfes mit der
Himnielssphäre, der Zähne mil den Tagen des Sonnenmonats,
der zwölf OtTnungen des Körpers mit den 12 Monaten "^j —
nach dem Jezirabuch Perek 4; Misehna 4 — andere Beispiele
angeführt *).
Josef nimmt mil den lauleren Brüdern zwar auch sieben
schaffende Kräfte an^), läßt aber aus guten Gründen den Vergleich
mit den sieben Wandelsternen fort, durch welche die Entschei-
dungen des Himmels über das Seiende slaltfinden *), wie er denn
überhaupt ilen Gestirnen keinebestimniende Macht einräumen kann.
Bei üabirol findet sich der Gedanke vom Mikrokosmos,
wenn auch nur kurz, so doch durchaus beslinmit ausge-
sprochen^): mundus minor exemplum e^t maioris mundi ordinc.
nicht bekannt ist. Vgl. CasteDi: Einleitung znmrammentar des S;ibntai Don3lo
zum Sefer .Iczira. Floienz IB80.
•)
p. 18 u. 19.
■)
p.2i
■l
p. 19.
')
Anthropologie, S. 51 ; 58; b&.
*)
p. 24.
')
Vgl. Anthropologie S. 48 ft
k 'J
p. ZT).
1 ■»
Antbrupologie S. 4ä.
1 •)
fün-*- vilac p. 77 Z. 24.
21
Wir wollen nunmehr unsere Untersuchung mit der Ver-
gleiehung der erkenntnistheoretischen Sätze beginnen; diese
stets streng von der Psychologie zu scheiden, war bei der Ver-
wandtschaft der beiden Gebiete nicht immer durchführbar.
Erkenntnistheorie.
Als Fundamentalsatz seiner Lehre von der Erkenntnis stellt
Josef den folgenden auf: , All es Wissen beruht auf dem Grunde
der Selbsterkenntnis; wer sich selbst erkennt, erkennt alles;
(erst) wer sich selbst erkennt, kann etwas außer ihm Liegendes
erkennen" »)•
Fast in gleicher Weise haben sich die 1. Brüder geäußert *) :
„Wenn jemand die Erkenntnis der Dinge zu haben behauptet,
jedoch sich selbst nicht kennt, so gleicht er dem, welcher andre
Dährt, doch selbst hungert u. s. w. Der Mensch mula in diesen
Dingen erst bei sich beginnen und dann zu den andern
übergehen*.
Wie die Vorlage Josefs erscheinen die Worte Gabirol's;
„Quod autem de scientia magis necessarium est scire, hoc est,
ut sciat se ipsum, ut per hoc videlicet sciat alia, quae sunt
praeter ipsum, quia eius essentia est comprehendens omnia et
penetrans* etc. •).
Auch in bezug auf das Mittel zur Erkenntnis sind Ähn-
lichkeiten vorhanden. Das Mittel zur Erkenntnis ist nämlich
für Josef*) die menschliche Seele selbst; dadurch daß dieselbe
einen Gegenstand geistig umfaßt, erkennt sie ihn, begreift sein
Wesen und wird dadurch der geistige Ort des erkannten Dinges.
») p. 2 Z. 10. p. 20 Z. 14 etc.
') Anthropologie, S. 1 u. 46. Logik, S. 17.
») f. V. p. 4 Z. 3. Vgl. Guttmann a. a. 0. p. 67. Anm. Der Hinweis
auf Ploün'8 Enneaden (ed. H. F. Müller. Berlin 1878-80) IV. 4, 2 ist aber
nicht ganz zutreffend, da an dieser Stelle nicht von der yfvzv, sondern vom
rove im Gegensatz zur it>vx^ die Rede sein kann, dem die v'^'ZV ^i*^ti freilich
zuwendeL Vgl. daselbst weiter unten Xexxeov im fih> etc., und die sogenannte
.Theologie des Aristoteles", (flbersetzl von Dieterici), Leipzig 1893. p. 18.
*) p. 7 Z. 5 ff.
22
Der Sache nach dasselbe lehren die 1. Briider. Die Seele
ist nach ihnen gleichsam ein »geistiges Buch" mit den Können
des Gewußten, ohne daß diese sich, wie es im Stoffe geschieht,
drängten *). Aber die besondere Wendung, welche der (Jedanko
bei Josef nimmt, findet aus den I. Brüdern doch nicht seine Er-
klärung ; weder vom geistigen Ort noch vom Umfassen des
Gegenstandes ist bei ihnen die Hede.
Von der Ansicht derer (gemeint sind ohne Frage die Pla-
loniker), welche die Seele als Ort der Ideen (to-t«»: fldihv) be-
zeichnen, berichtet schon Aristoteles tmd giebl dieser Ansicht
wenigstens teilweise, mit einer gewissen Correctur, seine Zu-
stimmung 'J. Doch ist der Ausdruck „geistiger Ort" auch ihm
völlig fremd.
Wohl aber findet sich derselbe bei Gabirol. Kür diesen
ist der -geistige Ort' im Gegensalz zu dem körperlichen ein
Kundamentalsatz seiner Lehre, auf den fr an /.ahlreichen Stellen
zu sprechen kommt ^).
E3}en80 ist die Deutung des Erkennens als eines Unifassens
durch die Seele eine dem Gabirol durchaus geläutige Wendung*).
Gabirol gelangt zu der Annahme eines geistigen Ortes
durch seine Spekulation über den SubstanzbcgiifT; denn, wenn
man die Substanz, welche kein Körper ist, als den Ort für den
Körper bezeichnet, so ist jede Sub.slnn/. der geistige Ort für
die Substanz, welche von ihr gelragen wird^l.
Josef hat dem von den I. Brüdern nur erst angetleuteten, von
Gabirol aufgenommenen und für seine Philosophie fruchtbar ge-
machten Gedanken einen Platz in seiner Philosophie einge-
räumt, ohne auf seine Durchführung tiefer einzugehen.
Wir konunen nunmehr zu der Erklärung, die Josef von dem
Erkennlnisprozefi giebl. Er sagt nämlich: Es giebl eine zwiefache
Erkenntnis , eine sinnliche und eine Vernunfterkenntnis. Die
') Wellseele S. 48.
') de aniina III 4, p. 43!) u '21.
•) p. 29 Z. 18; p. 49.17. IM.4 u. 7. 156.2, 2!ll.»> u. 1!J. 207^ 814,9.
*) Z. B. fons Titae p 7 Z. 9 : quiä eoienlia scienli» est compreh«insio ad
rem «cilam. p. 11,19: Si tu bene nosti certitudjnem e»i§«ntiae nntmae et
imafrinaeti eius comprehenäionejn circa oraniR etc.
•j f. V. p. 291. 6 u. 19.
23
sinnliche Erkenntnis erstreckt sich nur — wie der Philosoph
sagt *) — auf die Accidentien der Dinge resp. auf die einzelnen
Individuen, nicht auf die Gattungen *) ; diese werden nur von
der Seele d. h. von der Vernunft erfaßt. Mithin erfaßt die
Vernunfterkenntnis das Wahre ") und Wesentliche, die sinnliche
Erkenntnis das Zufällige und Wechselnde.
Der Erkenntnisprozeß vollzieht sich auf folgende Weise:
Der Gesichtssinn erfaßt die Farbe und die Gestalt eines Dinges.
Die Vorstellungskraft, die ihren Sitz im Vorderhirn hat, em-
pfilngt dadurch ein analoges Bild, wie sie es ja auch ohne reales
Objekt *) sich vorstellen kann. Nun bringt die Vorstellungskraft
(TP^ffl HD) das Bild der Denkkrafl zu (rotSTlDn TO — ^^'
kanntlich eine Funktion der vernünftigen Seele — ); die Seele be-
trachtet vermöge ihrer Natur das Ding und seinen Sinn und
erfaßt das Geistige von ihm. Dies ist die Erkenntnis.
Daß Josef bei dieser Erörterung, die bei der Unsicherheil
des Textes nicht durchaus klar wird, den 1. Brüdern gefolgt ist,
geht bis zur Evidenz aus einer Vergleichung der bezüglichen
Stellen *) hervor:
.Bringt die Vorstellungskraft — welche ihren Sitz im Vor-
derhini hat «) — das Bild des sinnlich Wahrgenommenen, nach-
dem sie dasselbe von den Sinneskräften erhalten, der Denkkraft
zu, und entweicht dann das sinnlich-Wahrgenommene der Be-
zeugung durch den Sinn, so bleibt das Bild nur in den Ge-
danken, in geistiger Form gebildet."
„Gelangen die Grundzüge des sinnlich Wahrgenommenen
') Aristoteles. Vgl. Zeller: Philosophie der Griechen II'. 2; S. 198.
'1 Diese Stelle p. 4 gehört zu den verderbtesten des Werkes. 0 ent-
hält enthält einige Lesarten, die den Text zum Teil noch unlesbarer machen.
z. B. z. 12: D^tcr^xn p i:^x i£^yr\ ny-ro ^d- 2- »■'''= xims? dvddi
Dn>mD^x ro- z. i«: ntjim D':ii:in. ^- ^'^- «t«" "invö c^^xr
liest o: ^xfy^ HrxtT. Z- 2<): iniD^x TO «**tt «inunn.
Aus den zahlreicben Varianten, die sich noch vermehren lassen, er
bellt die Schwierigkeit des Texten.
•) Es ist nach Ü. Z. 14. nHDN ^" 1^^°.
*) Wir folgen der Lesart 0. Z. 16. H^^^ n3^}<t£^-
>) Weltseele S. 47.
*) Anthropologie S. 35. und 38.
24
zur Subslaii/. der Seele, so ist die erste Tbat der Deiikkrafl, daß
sie dieselben beti-achtel, um ihren Sinn, ihr Wieviel u. y, w. zu
erkennen."
Die Darstellung des Erkennlnisvorganges, wie sie die I.Brüder
geben, ist auch Gabirol nicht unbekannt. Erläßt dieselbe, ohne ihr
jedoch völlig beizustimmen, vom i>chüler entwickeln *) : »Der
Erkenntnisprozeß vollzieht sich in der Weise, da£ die in der
körperlichen Substanz subsislierenden sinnlichen Formen und
Accidentien zuerst durch die Sinneswahrnehniung und dann
durch die Vorstellungskraft hindurchgehen und erst, nachdem
sie in diesen beiden Stationen gewissermaßen verdünnt und ver-
feinert worden sind, sich der Seele einprägen und von iltr er-
faüit werden."
(fabirol huldigt vielmelu- seinerseits bei der Erklärung der
menschlichen Erkenntnis einer durchaus intellectualistischen Auf-
fassungsweise und steht hierbei auf Platonischem *) resp. neu-
platonischem Standpunkt.
Durch Zusammenfassung der zerstreuten Stellen im funs
vitae gelangt man zu folgender Lehre:
Die Seele besitzt Wissen, weit sie ein Teil der Weltseelc
ist. Das Wissen ist intellectuell, es erstreckt sirh auf die allge-
meinen Begriffe, auf die sog. secundären Substanzen und Acci-
dentien. Durch Verbindung der Seele mit dem Leibe geht die-
ses Wissen nicht etwa ganz verloren, sondern es schlummert in
der Seele potentieU. Durch die Wahrnehmung und Erkenntnis
*) p. 164. 8.
*) Der UrspruiH; dieser Theorie beruht uuf Plato's Lehre vuii der
Wiedererinneruog. Vgt. Zeller UM. S. 707. Bei Aristoteles rieht sirh durch
die Lehre von der Erkenntnis eine Unklarheit hindurch; denn einereeiU
bestreitet Aristoteles^ die M^>glirhkeit eines angeborenen Wiifsens und behftu(>-
let, alle unsere Hegriffe entspringen aus der Wahrnehmung; andererseits
spricht er von einem unmittelbaren Erkennen derjenigen Wahrheiten, von
denen alle anderen iibhangen und läfit »lle Erkenntnisse, die wir im Lauf
untres Lebens gewinnen, der Anlage nach Ton Anfang in der Seeie liegen.
Siehe Zeller II" 2. S. 193 f)'. Die Neuplaloniker, he^-onders Plotin, legen auf
ilie Erfahrung - bei dieser Lehre — wenig Wert. Haber steht ihnen dos
unmittelbare Weissen; die Seele fOr ^ich ist auT die hlußc Reflexion he*
schränkt; die Prinzipien eines höheren Wissens kann sie nur vom iwV ent-
lehnen. Der menschliche entlehnt sie dem göUlichen vovi, von dem er nur
wenig unterschieden isl, dessen Teil er TielmeUr ist. Zeller TU' 2. S. 600 f.
25
der sinnlichen Dinge, der primären Substanzen und Accidentien,
wird das Wissen von den secundären Substanzen und Acci-
dentien geweckt, es wird aus der Möglichkeit zur Wirklichkeit
gebracht ')
Josef ist auch dieser Lehre zum Teil gefolgt; er spricht von
secundären und primären Substanzen, wie von ganz bekannten
Duigen, obwohl nur an einer einzigen Stelle des Buches*) deutlich
davon die Hede ist. Dort heißt es: „Der Hauptgrund des sittlichen
Handelns liegt in der Wissenschaft (nODn)i denn ihretwegen
wurde der Mensch geschaffen ') und deswegen wurden ihm die
ersten Accidentien und die ersten Substanzen freigegeben (zum
Erkennen, TVttl)) um sich von ihnen auf die zweiten Substanzen
belehrend hinweisen zu lassen*); alles, was vom ersten zum
zweiten aufsteigt, das föllt dem Menschen schwer und ist ihm
wegen seiner Subtilität^) dunkel; was aber vom zweiten zum
ersten geht, dessen Dasein ist ihm offenbar wegen der Grobheit
(raiV) ^^^ Klarheit des Dinges."
Wir sehen deutlich aus dieser Stelle, dag Josef ein An-
hänger der Lehre vom intellektuellen Wissen gewesen ist, ohne
') Gnttmann p. 88 ff, hat wegen allzugrofier Kflrze die Lehre Oabinils
nicfat klar genug dargestellt.
') p. 64. Er erwähnt sie auch, wie aus den Varianten von 0. hervor-
geht, p. 9 Z. 1 V. unten u. p. 10 Z. !l.
*) Vgl. f. vitae p. (>, Z. 13: scientia, propter quam creatus est homu,
u. a. anderen Orten.
*) VgL f. T. p. 332,8: Et propter hoc dicitur quod apprebensio sub-
stantiarum secundarum et accidenlium secundorum non est nisi per scien-
tiam primarum substantiarum et primorum accidentium (siehe oben p. 17
dieser Arbeit).
Die Lehre von den ersten und zweiten Substanzen fnetTtrm xai
iwtteai ovaitu) stammt von Aristoteles, der unter der ^ersten Substanz" das
Indivtdnnni, unter der „zweiten Substanz^ den allgemeinen Begriff verstand.
Indem man die „zweiten Substanzen* mit den durch die Wieder-
erinnerai^ zu erkennenden platonischen Ideen identificierte, entstand die be-
handelte Formel.
') VgL f. V. p. 204 Z. 3: Similiter, quo magis peuetraverit inteUectus
id, quod est post substantiam, quae sustinet praedicamenta, scilicet substan-
tias spirituales, donec perveniat ad materiam primam, quae est contm sub-
stantiam, obscurius fiet ei eifse et occultius propter suam subtilitatem ; et e
contrario, quo magis redierit a materia et exierit ad propinquiorem ex sub-
stantiis, decUrabitur ei^e et manifestabitur propter suam crassitudinem.
ae
jedoch auch der Lehre vom empirisclieu Wissen, wie wir aus
der vorangegangenen Erörterung erselien liaben, seine Zustim-
mung zu versagen.
Auch den 1. Brüdern ist übrigens die Annahme von primAren
und secundären Substanzen vielleicht nicht ganz fremd gewesen;
wenigstens Itönnen wir einen Anklang an diese Lehre hei ihnen
finden. Sie sagen nämlich: Offenbar und klar sind die Sub-
stanzen der Körper und deren Accidentien; verborgen und ge-
heim sind die Substanzen der Seele und ihre Zustände. OlTen-
bar und klar sind die Dinge dieser Weil. Verborgen und dem
Verstände der meisten verhüllt sind die Dinge der andern Welt:
Gott bestimmte, dafi das Offenbare, Klare auf das Verborgene,
Geheime hinweise*).
Des weiteren untersucht Gabirol die Frage, oh zum 7u-
standekoumtoii der lOrkenntnis ^ein MiLtel" nötig sei. Bei der
sinnlichen Waliinehmung ist ein solches nötig, bei der Erfassung
der intelligiblen Substanzen aber nicht ; denn inbezug auf die
sinnlichen Dinge ist die Seele nichtwissend; die Substanz der
Seele kann an sich, d. h. ohne Vermitlelung der Sinneswcrk-
zeuge, nicht die Formen der sinnlichen Dinge erfassen. Nur
durch Vermittelung der Sinneswerkzeuge kann sich die Seele
die Formen der sinnlichen Dinge aneignen, so dats sie dann in
AVirklichkeit dieselben besitzt.
Die Form der Seele kann alle Formen in sich aufnehmen,
weil sie allen Formen ähnlich ist: zur Erfassung der geistigen
Formen bedarf es keiner Vemiittelung, denn ihr Wissen besitzt
ja bereits die Seele *).
Unverkennbar isl die Ähnlichkeit, welche zwischen dieser
Ausführung Gabirol's und ei/ier Stelle im Mikrokosmos besteht^}.
Dort heilet es nAnilich: .At}er die geistigen Dinge erfatit
die rationale Seele durch ihr Wesen, ohne ii-gend welche Ver-
miltelnng eines anderen (n^i Q'i^ ^y a**3»X xVd)' ^^'^'' s>e ihnen
*) Propädeutik S. 69. Hier wird dies« Lehre iti ZusHmmenbang mit
astrologischen Spielereien gebrächt.
*) r. V. p. 14«, 16tt u. 170 und Gultmann a. a. 0. S. H9, wo indM
die ßrArteruDK nii;ht recht klar ist. — Die <^uelle für diese Lehre ist riel"
leicht Aristoteles de animt UI 43» b. 30 f.
») p. 5 Z. 8 ft
27
hinsichtlich ihrer geistigen Beschaffenheit und ihrer Subtililät
ähnlich ist."
Dies wären etwa die bemerkenswertesten Sätze Josefs hin-
sichtlich des Erkennens, soweit diese Theorien in irgend einer
Beziehung zu Gabirol and zu den 1. Brüdern stehen.
Es erübrigt nur noch, die Ansichten Josefs und Gabirols
hinsichtlich der Gotteserkenntnis zu vergleichen, wobei sich einige
schlagende Übereinstimmungen ergeben.
Im Mikrokosmos ') heißt es: „Die Auffassung von der Er-
kenntnis der ersten Substanz ist nicht unmöglich, aber auch nicht
von jeder Seite (T^ hoti) niöglich «). Möglich ist nämlich von
dieser Erkenntnis allein die Beschreibung der Attribute und
der von ihnen ausgehenden Handlungen; die Erkenntnis der von
allen Thätigkeiten abstrahierten (ersten) Substanz ist uns versagt."
Diese Stelle ist der parallelen im fons vitae so ähnlich,
daß die Vermutung gerechtfertigt erscheint, Josef habe die
.Lebensquelle" vor sich gehabt und diesen Passus wörtlich in
sein Werk aufgenommen.
Er lautet im fons vitae ^):
D. Est via ad attingendum scientiam essentiac primae?
M Hoc scire non est impossibile nee ex omni parte
possibile.
D. Quid igitur ex bis est possibile et quid impossibile?
M. Ex bis hoc est impossibile, scilicet scire essentiam
essentiae primae absque his facturis quae ab ea gene-
ratae sunt, possibile autem hoc est, scilicet scire eam,
sed nonnisi ex suis operibus, quae ab ea generata
sunt *).
») p. 47 Z. 11-15.
*) Kaufmann: Attributeolehre, S. 278 hat diese Stelle, welche durch
Vergleichung rnit der analogen im f. v. ganz klar wii-d, infolge der gehäuf-
ten Negationen nicht richtig übersetzt; er sagt nämlich: Die Auffassung von
der ersten Substanz zu erlangen, ist völlig unmöglich; möglich istetc. ..-
Auf diesen Irrtum K.'s ist bereits aufmerksam gemacht worden ; vgl. Brüll,
a. a. 0. p. 146. Die hebräische Obersetzung Falaqera's ist an dieser Stelle,
(I S 5) nicht so ausfQhrlich. — Im Übrigen ist oben Kaufmann's Obersetzung
wiedergegeben.
') p. « Z. 1«.
•) Vgl. auch Mikr. p. 47.15 ff. u. 53,29 ff. mit f. v. p. 301, 18 ff.
28
Auch hinsichtlich des Zwecks jeglichen Erkennens ist Josef
ein treuer Anhänger Gabirol's. Josef sagt nämlich >) : ^Der Zweck
jeglichen Studiums, jeglicher Erkenntnis ist, zur Glückselig-
keit zu gelangen; zwei Wege führen zu ihr: Gotteserkenntnis
und Erfüllung seines Willens'*. Ebenso lautet es bei Gabirol*):
iD. Quomodo pertingemus ad hoc (applicationem animae cum
mundo altiore)? M. Scientia et opere, quia per scientiam et
operationem conjungitur anima saeculo altiori".
Auch die weitere Ausführung Gabirol's •) : «et ontnino sci-
entia et operatio liberant animam a captivitate naturae et pur
gant eam a suis tenebris et obscuritate" ist Josef nicht unbe-
kannt; er giebt sie so wieder, dafi sie fast wie ein Citat er-
scheint'): „Wissen und That brechen erst das Joch der den
Menschen sonst beherrschenden Natur*. ^)
8.7.
Psyehologfe.
Die Seele, das geheimnisvolle Prinzip des Lebens in uns,
dieses große und jedem Denkenden sich aufdrängende Problem,
wird auch von Josef behandelt und zu lösen gesucht. Er geht
aber hierbei mehr auf das Ph) siologische, als auf das Psycho-
logische ein, ganz im Sinne der 1. Brüder, die ihm auch in der
Seelenlehre Muster und Beispiel sind.
») p. 1 Z. 12.
') p. 4 Z. 26. Man erkennt hieraus, da£ Gabirol auf religiösem reap.
jQüischem Standpunkt steht, der nicht bloß Erkennen Gottes, sondern auch
Erfflilung des göttlichen Willens, religiöses Handeln, fordert (Im Allgemei-
nen spricht Gabirol im f. v. so wenig von seiner Religion, dafi man aus sei-
nem Werke dieselbe nicht erkennen kann).
Bemerkenswert ist auch die Äußerung der 1. Br., von denen sich
eigentlich mehr eine quietistische Beschaulichkeit als höchste Gottesver-
ehmng vermuten ließe. Weltseele, p. 134. heißt es: «Das erhabenste Glflck
aber erreichen die, so Gott nahe stehen. Ihr Glflck aber besteht in 3 Eigen-
schaften: 1. daß sie ihren Herrn erkennen, 2. daß sie mit der Sorge ihrer
Seele ihm zustreben, 3. daß sie sein Wohlwollen im Handel und Wandel
erstreben.
") p. ö Z. 2.
*) p. H3 letzte Zeile.
*; -Auf diese Übereinstimmung ist bereits in der hebr. Zeitschrift
J'schurun Hd. II, deutscher Teil. S. AT aufmerksam gemacht worden.
29
So spricht er ausführlich bei der Erörterung über die ve*
gelative Seele (p. 25) über Erzeugung und Bildung des Men-
schen^); bei der Behandlung der animalischen Seele redet
er vom Herzen, vom Gehirn und von der Atmung, wobei er
namentlich betont, da£ jede Bewegung der Brust willkürlich
sei '). Er unterscheidet zwischen activen und passiven Kräften der
animalischen Seele. Die activen sind die Bewegungen der Brust,
die passiven die Affeete , welche er an dieser Stelle erörtert *).
Gleichzeitig definiert er auch die Lust und Unlust: „Lust"
ist das, was uns in unseren natürlichen Zustand versetzt, nach-
dem wir in einem unnatürlichen gewesen sind , »Unlust" das,
was uns aus dem natürlichen in einen unnatürlichen Zustand
versetzt.
Erst nachdem Josef über Leben und Tod, Schlaf und Er-
wachen — im Anschluß an die 1. Brüder — gesprochen hat,
behandelt er die rationale Seele.
Jm Allgemeinen steht Josef in der Psychologie auf Aristo-
telischem Standpunkt.
Josef erklärt die Seele als eine Substanr. '); mit besonderer
Schärfe bekämpft er im Sinne der 1. Brüder die Ansicht der
Mutakallimun, welche die Seele für ein Accidens ^) und ein Tem-
perament (3tD Mischung) halten.
Die L Brüder«) sagen von der Seele aus, sie sei eine ein-
fache, geistige, der Kraft nach wissende, die Vortrefiflichkeit der
Vernunft zeitlos annehmende Substanz.
Den 1. Brüdern dürfte Gabirol gefolgt sein. Wir finden
zwar nirgends eine wörtliche Wiedergabe dieser Lehre, aber
dennoch sagt er von der Seele dieselben Bestimmungen aus.
Die Seele ist eine Substanz, die nicht sinnlich ^), sondern
geistig ^), nicht ausgedehnt ^), sondern einfach '^) ist.
») Vgl. Anthropologie. S. 64 flf.
«) p.29.
*) Daselbst
*) p. 36 Z. 9 V. n.; p. 37 Z. 3 v. u.
*) cfr. Haimonides: Höre n'buchim 1, 71, Praemisse 5 und 6. Schon
Saadja widerlegt diese Theorie, sogar durch einen kelam istischen Satz.
Tgl. Schmiedl : Stadien. S. 137.
«) Weltseele. S. 25.
') Vgl p. 25 Z. Ift.
•) p. 147.10. — •) p. 196,16. — '«) p. Ui;i»; 132,15 u. sonst.
30
Es ist ganz naturlich, dafi Gabirol — im Sinne seiner Phi-
losophie — von der Seele annimmt, dafi sie aus Materie und
Form zusammengesetzt sei ').
Bei Josef flndet sich dieser Satz nicht vor.
In Obereinstimmung mit der Philosophie seiner Zeit unter-
scheidet Josef eine dreifache Seele: Die vegetabilische, die ani-
malische und die rationale Seele. Entsprechend der neupla-
tonischen Ansicht redet er von den drei Seelen bald im Sinne
der Einzelseele, bald im Sinne der Weltseele.
Die TegetaUllsehe 8e«le,
hebräisch nnOWI tS'Sii auch H^TlHp „Wachstum veranlassende
Seele". Ihr Sitz befindet sich in der Leber*). Ihre Kräfte sind
das Emährungs-, Wachs- und Bildungsvermögen. Das Emäh-
rungsvermögen hat vier Kräfte: das Anziehungs-, Festhaltungs-,
Verdauungs- und Ausscheidevermögen. Diese Kräfte muü man
sich in enger Verbindung mit einander und ohne Möglichkeit
gegenseitiger Stellvertretung denken. Sie sind geistige Kräfte
und haben ihre Quelle in den Weltkräften (nTVlDTI HITO uni-
versale Kräfte), die in der Oberwelt sind*).
Der vegetabilischen Seele ist das Begehren zu eigen');
dem Range nach steht sie unter der animalischen Seele.
Eine Vergleichung mit den Lehren der 1. Brüder'^) beweist
deutlich, data Josef inbe/^ug auf die rein physiologische Bedeutung
der vegetabilischen Seele mit ihnen fibereinstimmt.
Was die 7 Kräfte der veg. Seele anbelangt, welche die 1.
Brüder anführen % so scheidet er deutlich zwischen den 3 letz-
ten und den 4 ersten. Er schreibt dem Emährungsvermögen
0 f. V. p. 212 z. n.
*) Nach Plato im Unterleib überhaupt
") p. 2f>. Inbetreff der Einteilung der Seelenkrftfte in der jüd. Reli-
gionsphilosophie vgl. Rosin: Ethik des Haimonides, S. 46, Anni.; Josef ist indes
hier nicht mit behandelt.
*) Bei Plato ist die unterste Stufe ebenfalls das BegehningsvennOgen.
Aristoteles dagegen (de anima II, 2 fl. und eth. Nie. I, 13) schreibt das Beehren
der animalischen Seele zu. Die I. Brüder folgen Ptato. Vgl. Logilc. S. 118.
'-} Weltseele. S. 20 IT. Anthropol. S. 4,13, 67 u. Logik. S. 118.
*) Daselbst.
die 4 Kräfte zu, welche von den l. Brüdern zuerst angeführt
werden i).
Dem Ausdruck „Teüseele* begegnen wir nicht bei Josef,
obwohl er auch mit den I. Brüdern übereinstimmt, indem
er die geistigen Kräfte der veget. Seele von der himmlischen
Allseele, d. h. von den Kräften der Allseele, ausgehen täfit. *)
Über den Sitz der veg. Seele verlautet bei den 1. Brüdern
nichts; ihr Rangverhältnis geht aus der ganzen Gruppierung
hervor.
Bei Gabirol finden wir fast dieselben Lehren hinsichtlich
der anima vegetabilis sive crescibilis ^). Wenn er auch nicht
ihre sieben Thätigkeilen besonders hervorhebt, so gruppiert er
sie doch ebenfalls. Gr sagt: Actiones animae vegetabilis sunt
vegetare et generare *). Vorher '*) hat er aber bereits geäußert:
Nonne es tu videns in vegetabilibus motum Crescendi et alendi
et generandi ?
Unter generare gruppiert er : reiinere et mutare, unter vege-
tare: attrahere et pulsare %
Diese Kräfte können, da die von ihnen ausgehenden Wir-
kungen gleichartig sind, nicht verschiedenen Substanzen ange-
hören, sondern es muß Eine Substanz sein, welche vermittelst
verschiedener Kräfte alle diese Wirkungen hervorbringt. Die
particuläre Substanz Ist demnach auf die universelle Substanz
zurückzuführen. Es müssen mithin die 3 particulären Seelen
ihren Grund in 3 universellen Seelen, und die particuläre In-
telligenz muß ihren Grund in einer universellen Intelligen?, haben.
Die Ähnlichkeit zwischen dieser Ansicht und der \m Voran-
gegangenen besprochenen ist unverkennbar, sie erscheint nur
in der Färbung der Philosophie Gabirors. Bei Josef tritt diese
') Vgl. Abrab. ibn Daod (Emuna rama I, 6 — deutsch S. 25), der sie
ebenso gruppiert
VtT Ursprung dieser Lehre iat vielleicht auf Hippokrates zurückzu-
fBhren, dessen Aussprflcbe Schahrastani , Haarbr. II, 149 mitteilt. Vgl.
Rosin: Ethik des Maim. S. 4B Anm. und Guttmann: Saadja. S. 23. Anm. 2.
') Hikrokosmos p. 25 und Antbropol. S. 66.
■) f. V. p. 183,20 u. 22.
*) 184,17.
") 181,14.
*) p. 184 u. IS&. Auch von einer festhaltenden Kraft spricht Gabirol
p. 185,18.
>2
Lelire nicht so scharf hervor. Die Bewegung, welche Gabirol
als neues Moment anführt und die die Aufgabe hat, zum Ersatz
für die aufgelösten Teile neue Teile der Materie heranzuziehen
und dieselben an die einzelnen Teile des Körpers unzuschlieüen,
übergeht Josef. Er verfahrt hierbei durchaus consequent. denn
auch bei der Lehre vom Wüten berücksichtigt er niclit die Be-
wegung, welche in der Philosophie Gabirol's eine große Rolle spielt.
In einem Punkte widerspricht Josef der Lehre des Gabirol.
Bei diesem heißt es nämlich ^) : anima autem vegetabilis coniun-
gilur essentiae corporum, quia convenit eis in crassilndine.
Josef dagegen äußert sich «): „Die vegetalive Seele ist in dieser
Welt nur im menschlichen Körper*), auf den sie ihre Krall
ausstWiml; denn sie ist, wenn wir sie mit dem groben, mensch-
lichen*) Körper vergleichen, subtil; ohne Trftger kann sie eben
so wenig bestehen , wie etwa das Feuer ohne Lud nnd
Nahrung.'
Die Schwierigkeit, sich die Verbindung zweier so ungleich-
artiger Dinge, wie Körper und vegetative Seele zu denken, liat Josef
nicht hervorgehoben'; er baut auf dieser Lehre weiter, ohne
irgendwo anzugeben, wie man sich eigentlich diese Verbindung
sorznstellen habe.
Das Verhältnis der vegetativen Seele zur Natur, das Gabirol
betont*): ,iactio naturae est minus perfecta, quam actio auimae
vegelabilis", und das auch die I. Brüder berücksichtigen, wird
von Josef nicht in den Kreis der Erörterung hineingezogen. Der
Grund wird bei der Besprechung der Intelligenz angegeben
werden.
Betrachten wir nunmehr Josefs Ansicliten über
Die ■nimallNohe Heele,
hehr, m^nn C^33i auch als Vital -Seele zu übersetzen tTSU
») p. 188^1.
') p. ti unten.
') D. I). daß sie nictit :tuß«rhutl} eines Körpers lieslelit.
•) Lies p. 23. Z. L 1Ö^J<^.
■) p. IbT),!!.
■) P, 31.
36
Die animalische Seele hat ihren Sitz im Herzen >), sie haf-
tet an dem reinen, roten Herzblut; deswegen sehen wir im
Herzen zwei Kammern — in der einen ist der Geist, in der
zweiten das Blut. Ans diesem Grunde finden wir nach dem
Tode in der einen geronnenes Blut, die zweite aber leer; der
Tod tritt nur dann ein, wenn die Mischung (des Blutes) im Her-
zen schlecht ist oder das Herz einen großen Fehler hat *).
Der vitale Geist, welcher kraft der vitalen Seele im Herzen
ist, bewirkt die Bewegung und Empfindung ^) ; Bewegung und
Empfindung, d. h. das Leben, wird somit durch die vitale Seele
veranlaßt*). Die vitale Seele verbindet sich mit dem Körper,
wenn die Glieder, die Gestalt und der Bau des Embryos vollen-
det ist ; da die vitale Seele nun äußerst fein, der Körper aber an
und für sich tot und plump ist, so kann sie sich nur mit einem
Körper verbinden, in dem bereits eine vegetabilische Seele ist.
Darum wird die vitale Seele von dem vitalen Geist ge-
tragen, welcher eine von ihren Kräften ist. Der vitale Geist
wiederum wird von dem reinen Blut der Arterien getragen. In
jeder Arterie sind zwei Häutchen ") ; in dem einen dadurch ent-
stehenden Teile ist der Geist, in dem andern das Blut. Dies
ist flüssig, der Geist luftförmig und beweglicher als das Blut;
würde es den Geist hindern, den ganzen Körper zu durch-
dringen, so träte sofort der Tod ein ^).
Die Seele ist nicht das Leben, sondern nur die Ursache
desselben ^). Dem Bange nach steht die vitale Seele unter der
rationalen^), welche sich erst durch die vitale Seele mit der
vegetabilischen Seele verbindet ^). Die rationale Seele zieht die
vitale nach sich und strömt auf sie das Dasein aus '°).
>) Platonisch.
•) P-27.
•) p. 28,15.
*) p. 30,3.
*) Die Ausdrncksweise ist nicht ganz correkt, denn durch zwei HSut-
eben entstünden in der Arterie 3 Teile. 0 hat Abrigens die Worte ^J^S
Qi^~)^ nicht, die TJellt-icht zur Erklärung hinzugefügt sind.
■) P. 27.
^ p.31.
") ibid.
•) p. 30.
") p. 31. Gelegentlich erwähnt Josef, daß die Sinne zur i >
Docior, Joaet' ibn Zaddik ^
84
Die Behandlung der animalischen Seele läßt infolge der
fortwährenden Verschmelzung physiologischer und psychologischer
Vorgänge an Klarheit vieles zu wünschen übrig. Die Kürze der
Ausführung und die Unsicherheit des Textes niacheu eine ge-
naue Erklärung fast unmöglich.
Bei den 1. Brüdern ist die Lehre von der animalischen
Seele vollkommen in den Hintei*grund getreten. Sie wird nur
gelegentlich ganz kurz erwähnt. Nur einen einzigen Satz scheint
Josef von ihnen angenommen zu haben: ') »Ist der Bau des
Körpers in der von Gott bestimmten Zeit vollendet, so über-
trügt ihn die Tierseele von dort in die Weite dieser Welt."
Wie sich die Seele mit dem Körper verbinde, haben die
1. Brüder jedenfalls nicht als Problem aufgefaßt, sie constatieren
nur die Thatsache der Verbindung beider.
Gabirol benutzt die animalische Seele (anima sensibills,
senliens, animalis) , um sie gleichsam als Baustein dem Ge-
bäude seines Systems einzufügen. Ihre Tiiätigkeil sind sinnliche
fimpfmdung und wülkürlii^hc Bewegung^); im Hange steht sie
höher als die vegetabilische Seele.
Soweit folgt Josef durchaus dem Gabirol. Charakteristisch
aber ist es, dali er ein^n Punkt der dortigen Ausführung sich
nicht zu eigen macht. Gabirol nämlich verwendet an der von
Josef — wie es scheint - benutzten Stelle die vitale Seele als
Beweis für seine Lehre vom Medium.
Er sagt nämlich: »Der erste Schöpfer ist der Anfang der
Dinge, und der Anfang der Dinge ist getrennt vom letzten der-
selben ; die Substanz, welche die 9 Kategorien trägt, ist al>er
das letzte der Dinge — mithin ist der erste Schöpfer getrennt
von der Substanz, welche die 9 Kategorien trägt. Wir nelmien
nun diesen Schlutd als Vordersatz und sagen: Der erste Schöpfer
ist getrennt von der Substanz, welche die 9 Kategorien trägt;
zwischen zwei Dingen, die von . einander gelrennt sind, d. h.
zwischen denen eine Trennung Btattfindet« muß es aber ein
Seele geboren p. 37; vgl, Kaufmann: Die Sinne p. .5ä Anm. Aach die AfTecle,
wie Zorn, sind der Seele eigen, siehe oben; bei den I. Brüdern führt die
aniin. Seele Glters ilen Xatnen , Zornseele*. Es findet bei diesen AusfSh-
rungcn eine Verschmelzung t'Jatonifcher und Aristolelischer Psychuluifie slatL
') WelUeele 2.').
•) f. V. p. 180^
_35
Mittleres geben, da sie ohne ein solches ein Ding und nicht ge-
trennt wären. Mithin muta es zwischen dem ersten Schöpfer
und der Substanz, weiche die 9 Kategorien trägt, ein Mitt-
leres *) geben".
„Giebt es denn aber ein Mittleres zwischen der Seele und
dem Körper, die doch auch von einander getrennt sind ? Ge-
wiß giebt es ein Mittleres auch zwischen diesen beiden, nämlich
den Lebensgeist (spiritus oder Spiritus animalis *); hebräisch
'nn rm'); ohne diesen wäre auch eine Verbindung zwischen
beiden nicht möglich. So muß es also auch zwischen Gott und
der Substanz der Kategorien ein Mittleres geben.
Sicherlich mit Absicht hat Josef auch bei Benutzung dieser
Stelle*) jede Erwähnung vom Mittleren unterlassen; denn wir
finden die Ausscheidung der Lehre des , Mittleren*' mit Conse-
quenz in der Philosophie Josefs durchgeführt.
Vielleicht that er dies, weil es sich mit seiner religiösen
Oberzeugung nicht vereinigte, zwischen Gott und der Welt ein
Mittelwesen anzunehmen, da ja ein allmächtiger Gott dess?lben
nicht bedarf*).
Gabirol spricht nicht von einer Verbindung der rationalen
Seele mit der vegetabilischen durch die vitale Seele, wie es
Josef thut Für Gabirol ist die vitale Seele nur Mittel zwischen Seele
und Körper '). Josef aber ging noch auf die Frage ein, wie die
vitale Seele sich mit dem Körper verbinde. Die Antwort lautet:
*) f. V. p. 75 und Onttmann. a. a. 0. S. 116 (siehe auch Anm. ', wo
darauf hingewiesen wird, daB auch der Kalam diesen Lehrsatz hat).
") f. V. p. 194,4.
') Noch prägnanter ist der Ausdruck in dem hebr. Auszuge Fala-
qera's, M'kor chajiin IH, 3 ^y^J^H mit '"^^ „Mitlelgeist" für die vi-
tale Seele bedeutet.
*) p. 194, wo eine fast wörtliche Obereinstimmung mit Mikrokosmos
p. 30 vorbanden ist Wie Gabirol, erklärt übrigens ancb Juda ballevi (Kusari
II, 26) den Zusammenhang zwischen Leib und Seele. Vgl. Schmiedl: Stu-
dien. 8. 145 und Anm. 1; siehe aucb Kaufmann : Theologie S. 26. Anm. 5.
•) Vgl. weiter unten S. 50 ff.
*) Guttmunn — S. 116. Anm. 2. — identifiziert die vitale Seele mit
dem Lebensgeist; diese Ansicht mufi dahin berichtigt werden, daß der
Ldwn^eist eine Function der vitalen Seele ist, wie es auch Josef p. 27, Z. 13
«Uftrt
8*
»Durch die vegetabilische Seele, weiche dem Körper am nächstettj
sieht'. Zu dieser Ansicht hat ihn der Umstand gezwungen, da
er der Lehre von der vitalen Seele als einem Medium zwischen
Körper und Seele ausweichen wollte — oder weil er der Lehre
Gabirol's, daß die animalische Seele sich mit den ihr an Fein-
heit gleichenden Formen der Körper verbindet und diese ihrer
körperlichen Konn entkleidet, während die vegetabilische Seele
sich vermittelst der Nähe und Continuität mit dem Wesen der
Körper selbst verbindet, weil sie diesen an Grobheil gleich ist*),
nicht zustimmen wallte.
Die ntioniil« Seele.
Am ausführlichsten behandolt Josef in der Psychologie die
Lehre von der rationalen Seele *). Sie soll im folgenden wieder-
gegeben werden.
Die rationale Seele ist die oberste Gattung der Seelen.
Die Vernunft wird — obwohl sie selbstsländige Substanz ist und
die Seele thätig unterstützt — Seele genannt, weil die rationale
Seele mit der Vernunft im Stoffe übereinstimmt; deshalb wird
die rationale Seele nadi erlangter Vollkuinntenhcit selbst Ver-
nunft ^). Aus diesem Grunde wird auch die rationale Seele po-
tentielle Vernunft genannt. Es l)esteht /.wischen ümen nur ein
Banguntcrschied. Die intelligible Welt steht zwar nicht örtlich
höher; sie hat aber doch einen größeren Vorzug, denn ihre Ma-
terie ist das reint' Licht und der lautere Strahl *).
In der Intelligenz ist keine Unvernunft, da sie aus Gottes
Alhnaclil unmittelbar hervorgehl. Gott verlieh ihr Unendlichkeit
und Vollkommenheit ^). Wurde der Schöpfer des Alls einen
') Gottmann S. Uj6.
*) Mikrokosmos p. .^ It
*) Gaitz ätinlicli heifil es im T. v. p. HlO: Similiter anima rationali«,
desiderat formas inleUigibiles. hoc est, ijuia aninrn particularis, dum vockt
inlellcctufi primus, est in (suoj principio sicut hyle receptrix forniae; Md
cum receperit formam intelligentiae universalis, i|uae est inlellectus tertius, et
fiieril intelligeDtia, tiinc erit facilis ad agcndum et vocabitur iotellectus secnndus.
*) Vgl. WelUwele S. 24 und Guttmann: Gabirol S. 48. Anui. 7.
*) Siehe weiter uoten 9. 50.
37
Augenblick aufhören *), über seine Geschöpfe seine Güte zu er-
gießen, so würde alles in das früliere Nichts zurückkehren.
Ist nun die Seele denkend geworden, dann kehrt sie zur
Vernunft zurück *). Die Vernunft erleuchtet die Seele, strömt auf
sie ihr Licht aus.
Die rationale Seele ist eine geistige Substat)z, sie hat auch
geistige Accidentien, z. B. Erkenntnis, Wohlwollen, Güte, Red-
lichkeit und ähnliche Eigenschaften; sie werden mit der Seele
mitgeschaffen. Thorheit, Unredlichkeit und Bosheit sind keine
Gegensätze, sondern lediglich Negationen ») (ein Fehlen), wie Blind-
heit z. B. Fehlen des Gesichtes ist. Gott schafltt nichts Mangel-
haftes und findet an ihm keinen Gefallen; das Böse entsteht,
weil die Empfänglichkeit zum Guten und Vollkommenen zu
gering war.
Erkenntnis, Gerechtigkeit, Hoffnung und Demut sind die
Eigenschaften, welche zur Glückseligkeit führen *).
Die rationale Seele ist erkennend und forschend; sie hat
die Fähigkeit, Begriffe zu bilden, allgemeine Regeln zu finden,
Vordersätze aufzustellen und Schlüsse zu ziehen. Die rationale
Seele ist der Grund, daiä uns Gebote gegeben wurden ; um ihret-
willen werden wir belohnt oder bestraft.
Die Vernunft ist in der Seele potentiell vorhanden; durch
flei&ige Übung und Studium wird sie wirkend. Wäre die Ver-
nunft in der Seele weder potentiell noch in Wirklichkeit, so
könnte sie überhaupt keine Wissenschaft erlangen. Dadurch
aber, da£ sie potentiell vorhanden ist, ist dies möglich; dadurch,
da& sie wirkend ist, ist dies notwendig. Von vornherein ist die
Vernunft deswegen in der Seele nicht wirkend, weU sie dann
*) Vgl Weltseele S. 93 , wo ein ganz ähnlicher Gedanke ausge*
gesprochen wird.
*) Die Ansichten Plotin's IV, 4, (Zeller: Philos. der Griechen ' HI b,
S. 610): Nicht blofi der Nus. sondern auch die Seele vereinigt sich mit
Gott; und (das. S. 613): die Seele wird in der Anschauung der Gottheit nicht
allein mit sich selbst eins, indem der Gegensatz des vov? und der ipvxn ver-
schwindet, sondern auch mit jener — sind vielleicht die Quelle für Josef
gewesen.
*) Auch bei Plotin ist das Böse die Negation des Guten: djiovaut dya&ov;
TgL Zeller • III b, S. 548.
*) Vgl. Bacher: Die Bibelexegese S. 102. Anm. 8.
88
der Seele gleich wäre und Übung und Studium überflüssig machte.
Diese sind aber notwendig, damit der Mensch den Weg zum
Guten wähle und sich vom Weg zum Bösen entferne. Darum
heiiJtdic rationale Seele auch ^Erkeuntiiisseele" (XÜMn^tS^SS-) ').
Auch diese Ausführungen finden bei den I. Brüdern *| und
bei riabirol mehr oder minder schlagende Analogien.
Mit Gabirol stimmt Josef in der Ansicht überein, daß die
Intelligenz aus dem Schöpfer hervorge}ie, dalä die rationale Seele
und die Intelligenz von gleichem Stoff seien *), daß die Intelli-
genz von vollendeter Vollkommenheit ist und höher sieht als
die rationale Seele.
Liegt in dieser Übereinslimniung, da sie eine allgemein
netiplutonische Ansicht betrifTl. nichts sonderlich Charakleristisches,
so ist dagegen hinsichtlich eines anderen Punktes die bis ins
einzelne des Ausdrucks gehende Cbereinslimmimg um so bedeut-
samer: die Art, wie Gabirol und Josef über die Entwickelung
der rationalen Seele zum Intellekt sprechen *).
Zu bemerken ist übrigens, dalj der Ureprung dieser Lehre
bei Alexander von Aphrodisias zu suchen ist Er lehrt, im
Gegensatz zu Aristoteles, daß der (mögliche) vovq (hebr. ^^^J?)
nicht von der übrigen Seele getrennt ist, sondern ursprünglich
nur eine Anlage — voi'g t'//xos ««< ffroix6(; — ist. Durch
Übung und Gebrauch w^ird er zur wirklichen Denkihätigkeit:
vot'c hiixTijTOQ oder i'orc xaO' ^itv *).
Wie bei Gabirol die Psychologie überhaupt in den Hinter-
grund tritt und wie er sie nur gelegentlich als Argument für
seine Philosophie anwendet, so geschieht dies auch hinsichtlich
*) Mikrokosmos, p. 39. ot>en.
') Wcllfl«Ie S. 13: (Die Vernunft und Seele stimmen im Stoff Qberein).
denn sie sind beide geistige Substanzen. Die Vernunft steht höher als die
S«ele; sie emanierte vom Schfipfer. hat Bestand, iät vollendet, vüllkommea.
Auf die Seele schütlet sie den Krguü des Guten und Cberfluß Tom Schöpfer.
Hinsichtlich der potentiellen unO wirklichen Denktbütigkeil siehe Logik S. 70.
") Bei Gabirol heifit es: Die von der Intelligenz und von der rationalen
Seele ausgebenden Wirkungen gehören derselben Gullung au.
') Siebe S. 3^ Anm. 3 dieser Arbeit.
*) Vgl. Zeller" III a. S. 706. Plolin ging auf Grund dieser Lehre von
der bylischen Vernunft weiter und erklärte den Geist för die Form der nur
ftl-i Mi'ntlicbkeil vorhandenen Seele. Zeller' lU b, S. &10 fT. Vgl. Uosin; Ethik
d. Haimonides S. 51.
89
der Lehre von der rationalen Seele. Seine Lehre steht im eng-
sten Zusammenhang und Einklang mit seiner ganzen Philosophie.
Was er von der rationalen Seele lehrt, soll nur beweisen, daß
durch sie sein System bestätigt wird, und umgekehrt durch
sein System sie die wahre Erklärung findet.
Josef scheint indessen nicht in allen Stücken der Lehre
Gabirol's von der rationalen Seele beizustimmen. Das geht
daraus hervor, daß er durchweg die Lehre von dem Gattungs-
begriff der Bewegung *) ausgeschieden hat, in welchem alle Wir-
kungen der Seelen übereinkommen*); auch von der Ansicht, daß
die Seelen infolge ihrer Wirkungen in dem Verhältnis von Ur-
sache und Folge stehen, finden wir bei Josef kein Wort.
d.
Die Weltseele.
Die 1. Brüder haben der Lehre von der Weltseele einen
hervorragenden Platz in ihrer Philosophie eingeräumt und sogar
einen umfangreichen Teil ihrer Abhandlungen nach der Welt-
seele benannt.
Auch in der Philosophie Gabirol's erfahrt die universelle
Seele eine eingehendere Behandlung.
Josef hat ihrer Erörterung so wenig Worte gewidmet, daß man
die Beziehungen zwischen seiner Lehre und der der 1. Brüder und
Gabirol's nicht gut untersuchen kann. Er bemerkt ausdrücklich*),
daß er über diesen Gegenstand nur sehr wenig sprechen wolle,
da eine Erörterung zu schwierig sei, abgesehen davon, daß die
Philosophen vielfach irrige Ansichten hierüber hätten, und auch
die alten Philosophen davon gehandelt hätten.
Josef lehrt*): „Nach Analogie unserer Seele denken wir
uns eine Weltseele (H'^^pn C^SSH); wir nehmen an, daß die
Weltseele gleichfalls als ein rein geistiges Wesen ^), weder Kör-
per ist noch einen Körper erfüllt noch unter die Zeil fällt.
*) Vgl. auch weiter UDlen S. 47 ff.
») Vgl. Guttmann. a. a. O. S. irü ff.
') p. 39. Z. 17 u. 18.
*) p. 39.
») Dasselbe sagt Plotin. Vgl. ZeUer ^ III b, S. 538- Vgl. Weltseele S. 24.
40
Hiernach giebt es also auch eine geistige Tollkommenere Welt,
neben der sinnlichen und mangelhaften, in der wir auf Erden
leben *).
Da jedes Einzelwesen zu einer Art, jede Art zu einer Gat-
tung gehört, so ist auch die menschliche Seele ein Einzelwesen,
welches zu einer Art — zur Weltseele — gehört*).
Woher kommt nun eine Vielheit von Seelen , wenn
man leugnet, daß die einzelnen Seelen in dem einzelnen
Körper wie in einem Baume weilen? Die Verschieden-
heit und Vielheit entsteht durch die verschiedene Disposition
der Individuen. Geföße, die man dem Sonnenlicht aussetzt, er-
fahren je nach ihrer Durchsichtigkeit und Lage eine verschie-
dene Einwirkung, und so ist es auch mit dem Individuum. Da-
durch, daß der Organismus, den sich diese Seele unterworfen
hat, von anderen verschieden ist, ist auch die Einwirkung eine
verschiedene, welche die AHseele in ihrer Besonderheit ausübt *).
Naturphilosophie.
Haterle and Form, Snbstunz und Aceldens.
Gabirol hat der Erklärung von Materie und Form ein gan-
zes Werk gewidmet. Viele Gedanken finden sich bereits bei den
Neuplatonikern und den ihnen folgenden I. Brüdern; aber Ga-
birol ging in kühnem Denken weit über seine Vorgänger hinaus.
Materie und Form macht er zum Mittelpunkte eines ganzen
Systems ; sie sind die Wurzeln des Baumes, der als Frucht Lö-
sung aller Probleme zeitigen soll. Aber leider vermochte er es
nicht, eines der Grundprobleme seines Systems — die Entstehung
der Materie — wirklich befriedigend und im Einklang mit sei-
nem theistischen Standpunkte zu lösen; und so steht der stolze
Bau auf wankender Grundlage.
') Von einer doppelten Weltseele im Sinne Plotin's spricht Josef nicht.
Vgl. Zeller das. S. 540.
') Einen ähnlichen Gedanken hat auch Gabirol (r. v. p. 180, 29) aus-
gesprochen: ,Es müssen die drei particulären Seelen ihren Grund in drei
universellen Seelen (und die purticuläre Intelligenz muß ihren Grund in einer
universellen Intelligenz) haben."
^ Eine Ähnlichkeit mit der I<ehre Plotin's (Zeller das. S. M2) ist un-
verkennbar.
41
Mit Vorsicht und Bedacht benutzt Josef die Lehren Gabi-
rol's. Jn wenig Worten —auch die 1. Brüder handeln nur kurz
über Materie und Form — bietet er seine Meinung dar; er gehl
nicht, auf die Enlwickelung der Gedanken ein, er benützt nur
die Resultate; so zwar, daß erst durch die Vergleichung mit
dem trefflichen Texte des fons vitae manche Stelle eine ein-
leuchtende Erklärung findet.
Josef lehrt ^): Alle Dinge, produzierte und natürliche, haben
Materie und Form '). Die Materie ist das Substrat für ein Ding,
sie ist das Höhere, die Form das niedere; beide stehen in gegen-
seitiger Beziehung.
• Diesen Rangunterschied will Josef allerdings nur (^DX)
bei geistigen Dingen angewendet wissen; von ihrem Verhältnis
bei sinnlichen Dingen sagt er nichts Genaueres. Wir können wohl
daraus schließen, daß er wie Aristoteles '), bei diesen die Form
für das Höhere und die Materie für das Niedere ansieht.
Bei den I. Brüdern finden wir nichts von diesem Rang-
unterschied.
Gabirol wurde gezwungen, darauf einzugehen, als er sich
vor die Frage nach der Entstehung der Materie gestellt sah.
Hier erklärt er : die Materie ist vom ersten Wesen geschaffen, und
die Form ist von der Eigenschaft des ersten Wesens geschaffen *).
*) p. 7. Der ganze Passus ist sehr verderbt.
') Vgl. Naturanschauung S. 1. u. f. v. p. 17.
•) Vgl. Zeller Ml b. S. 318.
*) Gttttmaon S. SßtJ findet einen Widerspruch zwischen dieser Ansicht
und den AusfQhningen des vierten Traktates, wo die Materie ofTenbar im
Vergleich mit der Form als etwas Niedrigeres und Untei^eordneteres zu be-
trachten ist ; denn da Gabirol sagt — so meint Guttmann — , die Entstehung
der Materie sei auf das erste Wesen zu rilckzu führen, so sei damit die Su-
periorität der Materie zugestanden.
In der That ist jedoch hierin kein Wiederspruch zu tiaden; denn wenn
vir annehmen, daß Gabirol die l.'ehren des Proklus gekannt habe, so wird
ihm schwerlich der Satz entgangen sein, daß das, was vun der höheren Ur-
sache kommt, tiefer reiche (vgl. Zeller ' III b. S. 791 und S09j. Die Materie
kann daher gerade deshalb, weil sie von dem ersten Wesen geschatTen ist,
das Niedere sein. Gabirol geht daher durchaus Ic^isch vor^ wenn er die
Haterie als das Niedere von Gott erschaffen sein läßt. — Wenn so dieser von
Guttmann behauptete nfichste Widerspruch in GabiroFs Lehre auch nicht an-
erkannt werden kann, so muß andererseits zugegeben werden, und wurde
schon oben (S. 40) hervorgehoben, daß die tiefere Grundlage von GabiroPs
Doctor, Joief ibn Zaddik. 3
42
Aus diesem Ausspruch *) und den Ausführungen des vier-
ten Traktates gehl hervor, daß die Materie das Niedrigere, die
Form das Höhere ist.
Von diesem Hungunterschied bei geistigen Dingen spricht
auch Gabirot an vielen Stellen *).
Wir haben aus dem Vorangehenden gesehen, wie Josef*)
auch die bei diesem in den Vordergrund tretende Lehre , daß
geistige Dinge — ebenso wie körperliche Dinge — Materie und
Form haben (natürlich rein geistiger Art), übernommen Imt.
Plotin hat vor allem diese Lehre von der peisligen Materie
entwickelt, nachdem schon IMalo ein materielles l'riMxip in der
Idealwelt angenommen *) und Aristoteles die Vorstellung einer
»intelligiblen Materie" fvhj rot^n}} im Mathematischen und in
den Begriffen eingeführt hatte. Die Neupyttiagoreer bildeten
die Platonische l^ehre weiter durcli und nach ihnen nahm sie
Plotin aufM, dem sie Gabirol vielleicht entlehnt hat.
Aucti den I. BnJdorn scheint sie nicht unbekannt gewesen
zu sein. Bei ihnen heiüt es niinilich "): , Alles Vorhandene, es
sei geistig oder sinnlich faßbar, besteht In Substanzen oder Acci-
dentien, oder es ist ans beiden zusammengesetzt; in Formen
oder Materien, oder es ist aus beiden /usammengefügt.
Was die Definition von Substanz und Matorie anlangt, so
ist die Übereinstimmung zwischen Josef und Gabirol durchaus
einleuchtend.
Josef sagt nämlich^): „Der Unterschied zwischen Substanz
System, iler BegritT der Emanation, weder un sich voUkoratuen klar gefa&l
noch mit dem soostigen theistisc-hen Standpunkte des Philosophen in vollen
Einklang (gebracht ist
■) t V. p. 24,8 II, p. 2a^,2t».
») p. 24.7. p. 230,'J6; 231,ß; p. 2-29.23; 33014. 7.
n P. 7.
*) Vgl. Zeller MI a. S. 810 u. Baeamker: bas Problen\ der Materie
in der grioch. Philosophie. Mflnsler 1K90. S. 198 (T.
') VgL 2U dieser Ausführung Correns in Baeumtcer's Beiträgen Bd. I,
Heft 1 S. i& u. Anm.
•) Vgl. Lngik u. Psychologie p. S. 15. a't, 174; Weltseele 44 u. 45.
') p. !>. Wie Josef sich zu der Frage stellt, ob die Materie nari» An-
nahme der Form für sich allein .^Substanz' hei&t, oder mit der Form
zusammen, läßt sich nicht mit Gewißheit entscheiden. Gabirol lehrte p.
298,34; p. .%0,1; p- Itil,20 (übrigens lauter Stellen, die bei Faiaqera fehlen),
dafi die Materie nach Annahme der Form für sich allein .Substanz**
43
um
PH
und Materie besteht darin, da& die Materie potentielle Substanz
da sie, bevor sie Form annahm, bereits Materie war. Ihr
Dasein war also potentiell. Hai sie aber Form angenommen,
so wird sie Substanz — ihr Dasein ist wirklich.
Auch die 1. Brüder sagen dasselbe^ wenn sie lehren '): Die
Philosophen bezeichnen mit dem Ausdruck Materie eine jede
Form annehmende Substanz.
Daß Josef seine Unterscheidung fast wörtlich entlehnt hat,
zeigt folgende Stelle'): „Distinctio nominum, substantiae scilicet
et materiae, haec est, quod nomen materiae illi soli congruit,
quod parat um est recipere formam quam nondum recepit;
nomen vero substantiae illi materiae congruit, quac iam aliquam
formam recepit et per ipsam formam facta est substantia
proprio'.
Gabirol (Hhrt fort: „Nomen, quod convenientius est susti-
nenti formam niundi est materia vel hyle, quia nos non consi-
deramus illam nisi exspotiatam forma n>undi quae sustinetur in
illa; et quia sie accipimus illam in nostra intelligentia, u1 parata
est recipere forma»» niundi, tunc conveniens est, ut vocetur
materia* ^).
Einen ähnlichen Gedanken drückt Josef mit den Worten
aus *): »Obwohl es in Wirklichkeit keine Materie ohne Foi*m giebt,
äo können wir doch in der Vorstellung die Form abstrahieren
und die Materie übrig lassen — weil sie früher ist als die
Form — , ein natürliches Vorhergehen".
Nach Gabirol können Materie und Form realiter nicht ge-
trennt sein; insofern kann die Materie weder vor der Form
noch die Form vor der Materie existieren '*). Indes ist auch
für t^abirol die Materie als ,genus generalissinium" dem Ge-
danken nach das erste.
heifte (eine Lehre, die dem stoischen um) Pliiloni&cheii Sprachgebrauch am
oftchslen stellt; vgl. Uaeumker a. b. O. S. 33»! (T. 383). Dies *cheinl auch
die Axuicbt Josefs zu sein; denn er sagt p. H^'J: .Die Haierie ist das fdr
rieh Bestehende, die Form das an einem anderen Bestehende*.
^L ■) Naturanschauung p. 1. u. LoKik p. 6.
■ *) f. V. p. A2,2i) ff. Vgl. GuttmauD S. 228 und S. -J25 Anm. 3. Siebe
»Mh t f. p. 2tK».20.
•) p. 43.
*) P.9.
*) Vgl GuUmann S. 287: f. v. p. 314,18.
f:.'/* 'r*:^^ri ihr'rr fc'^rzir ar.l Zugamni^nhar^l-asigiet: n^ir schwer
ver-sUr*dii'^h U*: Da.-; -S'\ih*-.rat d-rr Tier El'*mier.:e ist die erste
Materie, ■w^i':ri<t dit form öer Körp^rifohteit annimri^: zzjid sub-
Bfanzie.ier Körper -arirdf.
Wai; Joäef däxnit .^a^ec vrllL wird erst klar, wenn mau diese
Worte mi-. f. t. I.cap- I*-j Ter^'eich'. wo gleichsam ihr •Jcmm^ectar zu
finden Ut. Gabirol sa^. riamlich ^ : .Die Elemecte. ob^.^h als solche
von einaj.d*;r Ters<:hieden. kommen doch darin mit einander übereiny
dab -iie Körper «ind: mithin ist der Körper die ihnen geaieinsanie
>ub*ranz, welche den Formen »ier einzelnen Elemente als Sub-
Ätr».t. zu Gmnde lif^rt. Dieser Körper Ut jeiioch selber eine
Stifth^jhnz. deren Eigenschaft oder Form die Quantität ist, so
fUiU f\fi-i Substrat, des Körpers sioh zu der ijuantität als der tod
ihni ;:fr*ra(ff;nen P'orm in gle.oher Weise verhält, wie der Körper
jielber nich zu den von ihm getragenen Formen der Elemente
verhält. In dieser Weise sub*iistiert immer eine Substanz in der
andern, bis wir zuletzt zu einer ersten .Substanz gelangen, die
flas .Substrat für alle zwischen ihr und den sinnlich wahrnehm-
baren Fornif;n liegenden Substanzen ist; dies aber ist die eiste,
univt-rselle Materie.*
bie Stelle ist charakteristisch für die Art und Weise,
in der Josef die Philosophie Gabirot's benutzt. In dem Gedanken-
gange Gabirol's schien ihm manchem nicht annehmbar, z. B. die
Subsistonz einer Substanz in der anderen; er schied es daher
nun und behielt nur das Resultat bei, das er dann wie ein
Axiom wiedßrgiebt.
Was nuri dir; Einteilung der Materie betrifTl, so zeigen sich
gewisse Ähnlichkeiten zwischen den Ansichten Josefs und der
L Bruder
Diese lehren*): Die Materie zerfallt in 4 Arten: Werk-
iiialeriü, Naturmaterie, Allmaterie, Urmaterie.
Josef spricht zwar nirgends direkt von einer Einteilung,
er hebt abcr*> die künstliche ptSrjJDn) und die natürliche ('y^üTl)
Materie besonders hervor.
7. Z. 17.
ZeUer MI b. 8. 3l>3.
m Onllmann S. 77.
srAnwhiiuung 2; Weltseele 7.
f
4S
Von einer Ällmaterie ist zwar bei Josef keine Rede; wir
finden jedoch p. 17 Z. 17, wo er den Gegensatz der Form für
den Grund der Verwandlung der Elemente ineinander hält,
den Satz: .Im Wesen der allgemeinen Substanz ist keine Ver-
änderung und Verschiedenheit* ')•
Vergleicht man damit den Ausspruch der I. Brüder*): „Die
Ällmaterie ist der absolute Körper, aus dem die Gesamtheit der
Welt, nftmlich die Himmelssphären, die Sterne, die Elemente
und alles Seiende stammt; denn sie alle sind Körper und ihre
Verschiedenheit rührt nur von ihren verschiedenen Formen her*
— so dürfte sich die Vermutung rechtfertigen, data bei Josef an
dieser Stelle das Wort D-^y (Substanz) im Sinne von Töin (Materie)
aufzufassen ist (wie otfokt im Sinne von vXrj bei den Stoikern
und Philo), so dafi auch Josef eine Allmaterie angenommen hätte.
Gabirol faßt diese Einteilung schärfer und fügt sie geschickt
seinem System ein*). Er findet im Bereich der sinnlich-wahr-
nehmbaren Dinge vier Arten von Materie und vier Arten von
Form: 1. die besondere künstliche Materie, 2. die besondere
natürhche Materie, 3. die allgemeine natürliche Materie, welche
dem Prozeß des Entstehens und Vergehens unterliegt, und 4. die
Materie der Himmelssphären. Jeder dieser Materien entspricht
aber eine Form, die von ihr getragen wird.
Der Fortschritt in der Lehre Gabirol's ist klar ; denn bei
bei den 1. Brüdern verlautet nocli nichts von den den vier Arten
der Materie entsprechenden Formen.
Josef hat diese Lehre nicht angenommen, auch die Vor-
stellimg von einer Materie der Sphären scheint ihm fremd ge-
blieben zu sein, obgleich sonst eine Übereinstimmung in der
Lehre über die Sphären unleugbar ist.
Josef erklärt nämlich'): Obwohl der Körper der Sphären
*) Der Text des Mikrokosmos ist durch die Nachlässigkeit des Ko-
pisten auch an dieser Stelle corrumpiert. H liest Z. 17 statt *nDXl ^^
Wort Yi^y, eine Lesart, die auch durch 0 und H bestätigt wird. Für Q^^3
üMt o DTjryn-
') Naturanschaunng p. 2.
") f. T. p. 21. Vgl. Guttmann S. 78.
*) Mikrokosmos p. 10. Dasselbe sagt auch Plotio. Vgl. Zeller * III b.
S. 566.
46
sich hinsichtlich der Form und Materie von den anderen Kör-
pern unterscheidet, ist er doch ein Körper, aber er ist vermöge
seiner Beschaffenheit weder vergänglich, noch verändert er seine
Natur, wie sie Gott geschaffen hat*).
Auch die der geistigen und körperlichen Materie vorauf-
gehende Urmaterie als Substrat der allgemeinen Form, eine für
Uabirol höchst charakteristische Lehre, dürfte Josef fremd sein.
Die Kürze der Ausfuhrungen und die mehr populäre Dar-
stellungsweise Josefs machen es begreiflich, da& er kaum
einer Hauptfrage der Philosophie Gabirol's hinsichtlich der Ma-
terie und Form näher getreten ist. Wie sich Materie und Form
verbinden, wie sie im Wissen Gottes für sich existieren, wie
sie begrenzt sind — alles dies berührt er mit keinem Worte.
Aber er konnte es auch nicht thun, denn er bleibt überall
seinem Prin/.ip, knapp und kurz zu schreiben, treu; außerdem
wurde ja auch der Anfänger, für welchen das Buch geschrie-
ben ist, in dieser Form unmöglich die tiefsinnigen Aus-
führungen Gabirol's verstehen.
Die Lebre vom göttlichen Willen ^).
Die Frage vom göttlichen Willen scheint Josef außerordent-
lich beschäftigt zu haben, wenn er auch bierin sehr zurück-
haltend ist. Die Ansichten der Philosophen, die sich hierüber*
äußerten, genügten ihm nicht. ^)
Er befaßte sich zunächst mit folgendem Dilemma: Hat
Gott von Ewigkeit her gewollt, so hat er von Unendlichkeit an
geschaffen; (denn so wie Gott will, schafft er); daraus folgt
Ewigkeit der Welt.
*} p. 17. Z. 7. Die Unvergänglichkeit schreibt er dem Umstände zu,
daß Gott ihnen auf einmal Vollendung g^eben hat; daher sage der Philo-
soph, daß i^ie unvei^änglich seien, denn ihr Anfang und ihr Ende fielen zu-
sammen.
Josef schreibt den Sphären auch (p. II) die höchste Gotteserkenntnis
zu. Plotin a. a. 0. erkennt ihnen jedoch kein Wissen zu.
') .Mikrokosmos p. b\ und 52. Vgl. die ausführliche Erörterung bei
Kaufmann : Attributenlehre S. 303 ff.
') p. 57.
47
Nehmen wir aber an, er habe geschaffen, nachdem er ein-
mal nicht geschaffen, dann muß der Wille dazu neuerdings in
ihm entstanden sein, und wir haben dann Geschaffenheit in sein
Wesen hineingetragen.
Mit Willen hat offenbar doch Gott geschaffen, weil er doch
nicht schaffen würde, was er nicht will.
Dies Dilemma aber: Ewigkeit des Geschaffenen oder Ge-
schaffenlieit des Ewigen — lä&t sich folgendermaßen lösen.
Gott schafft zeitlos. So lange es keine geschaffene Welt,
keine Sphären resp. deren Umläufe gab — denn Zeit ist die
Anzahl der Umläufe, welche die große Sphäre in ihren einzel-
nen Teilen zurücklegt — , kann von Zeit nicht die Rede sein.
Ewigkeit der Welt resp. des Geschaffenen können wir somit
nicht annehmen. Ebensowenig aber kann man nach dieser Er-
klärung sagen: Gott habe geschaffen, nachdem, d.h. in der Zeit,
nach der er nicht geschaffen. Daß in Gott der Wille zur Welt-
schöpfung einmal gleichsam erwacht sei, können wir nicht an-
nehmen ; vielmehr müssen wir der Ansicht sein, daß der Wille
von Ewigkeit her in Gott besteht und zu seinem ewigen Wesen
gehört. So wenig es vor der Schöpfung ein Früher oder
Später gab, ebenso giebt es zwischen Gott und dem Ge-
schaffenen weder Zeit noch Raum, weder Verhältnis noch Zu-
sammenhang oder Unterschied oder irgend eine Beziehung.
Die Welt ist also nicht mit der Zeit, sondern die Zeit mit der
Well entstanden i).
Wenn nun aber Gott die Welt mit dem Willen geschaffen
hat, warum wird da die Ansicht der Mutakallimun, daß Gott
die Welt mit einem geschaffenen Willen hervorgebracht hat,
erst bestritten ? Die Antwort lautet: Ein geschaffener Wille ist
nicht anzunehmen, denn anstatt den Willen hätte Gott ja gleich
die Schöpfung hervorbringen können.
Geschaffenheit des Willens anzunehmen, hieße ferner Ge-
schaffenheit in das göttliche Wesen hineinbringen.
Der Wille ist als mit Gott gleich ewig anzunehmen; er ist
nicht außer ihm, sondern fällt mit ihm durchaus zusammen.
Er ist nichts anderes als Gott selbst, ohne doch darum in das
göttliche Wesen Veränderlichkeit zu bringen.
'} Vgl. WeltSMle 148 u. Kaufmann a. a. 0. S. 3U7 Anni. 149.
48
Dies ist in aller Kürze die Lehre Josefe vom göttlichen
WUlen.
Beer >) meint, daß diese Ausführung « wahrscheinlich' gegen
Gabirol gerichtet sei — während sie thatsächlich gegen die Mu-
takallimun polemisiert.
Kaufmann*) bemerkt bereits gegen Beer, da& Josef sich
viel mehr zu GabiroVs Lehre vom Willen bekannt zu haben
scheine. Auch diese Ansicht ist nur teilweise richtig.
So viel steht fest, dafi Gabirol und Josef aus derselben
Quelle — nAmlich aus dem Pseudo - Empedocles *) — geschöpft
haben.
Josef verweist auf ihn ausdrücklich (p. 52 Z. 26), und Fala-
qera nennt ihn ebenfalls als Quelle des Gabirol *).
Hein äu^rlich besteht zwischen der Lehre Gabirol's und der
Josefs die Übereinstimmung, da& sie den Willen ein „Geheimnis*
nennen ^).
Gabirol erklärt den Willen folgendermaßen : Der Wille ist,
wenn man von seinem Wirken absieht, mit dem ersten Wesen
identisch, verschieden vom ersten Wesen ist er nur, wenn man
ihn in Verbindung mit seinem Wirken, d. h. der Verbindung
von Materie und Form, betrachtet und zwar deshalb, weil er
dann beim Beginn der Schöpfung eine Begrenzung erfahren hat *).
Der Wille durchdringt alles ohne Bewegung und wirkt alles
ohne Zeit wegen seiner großen Kraft und Einheit ').
0 Frankers Monatsschrift Bd. 3. S. 200.
») a. ä. 0. S. 310. Anm. 156.
') Von Empedocles überliefert uns Schahrastani (Obersetrang von
Haarbrücker II, S. 91) : ,.Er behauptete, dafi der Schöpfer die Formen her-
vorgebracht habe, nicht nach Art eines entstandenen Willens, sondern der.
artig, daß er lediglich Ursache sei, indem er das Wissen und der Wille sei,*
d. h. also daB der Wille mit ihm eins sei. Femer das. S. 127, wo eine An-
sicht von Thaies und Empedocles berichtet wird: „Die Form des Willens ist
bei dem Hervorbringenden da, ehe er hervorbringe.'
*) Vgl. Munk: Mölanges p. 3,1.
^) f. V. p. 46,13 magnum secretum und p. 47,4 secretnm voluntatis;
Mikrokosmos p. Ö2 Z. 25 n^ "HD-
•) M'kor chajim V. §. 59. f. v. V. c. 37.
') f. V. p. 219,&
49
Josef hebt ans dieser Erörterung zwei Punkte besonders
heraus. ^Gott hat die Welt mit seinem Willen zeitlos ge-
schaffen; der Wille ist mit Gott identisch — ganz wie Gabirol
eitlärt »).
Wenn aber Gabirol den Willen als ein Mittleres zwischen
Gott und der dem Willen entströmten Form bezeichnet*), so
kann dies Josef deshalb nicht annehmen, weil er. von seinem
orthodoxen Standpunkt aus ein .Mittleres" nicht rechtfer-
tigen kann.
Für Josef ist es auch belanglos, daß der Wille ohne Be-
wegung alles durchdringt und zuletzt noch zur Bewegung wird;
er scheidet diese Ansicht aus, wie wir denn überhaupt finden,
dafi er das Prinzip der Bewegung — auf das Gabirol so
großes Gewicht legt — conseqnent aus seiner Philosophie ver-
bannt hat.
Vielleicht will Josef diese Verschiedenheit seiner Meinung
begründen, wenn er sagt ') : ,Der Wille föllt mit Gott durchaus
(IV bSD ^on jeder Seite, d. h. sei es, daß wir ihn an sich,
oder als wirkendes Prinzip betrachten) zusammen, er ist keines-
wegs etwas anderes als Gott" Und ferner*): «Zwischen Gott
und dem Geschaffenen giebt es weder Zeit noch Raum, noch
irgend ein Verhältnis'.
§10.
Emanation und Mittelsnbstansen.
In der neuplatonischen Philosophie ^) hat die Lehre von
der Emanation eine ganz hervorragende Bedeutung. Auch von
den Arabern, z. B. von Alfarabi «) und ihn Sina'), wurde sie
frdhzeitig angenommen. Bei den I. BrüdeiTi spielte sie eine
wichtige Rolle — alle ihre Schriften handeln von ihr.
') Wir erOrtern die Lehre Gabirors nttr, soweit sie fClr den Ver-
glueh mit Josefs Mikrokosmos in betracht kommt.
*) Siehe Guttmann S. 196 und S. 252.
') Mikrokosmos p. 52.
*) ebdas.
•) TgL ZeUer "HI b. S. ft06 flF.
*) Ritter : Geschichte der christ. Philosophie S. 8.
0 Du. S. 23, 33.
50
Auch bei den spanischen Juden muß diese Lehre sehr ver-
breitel gewesen sein. Die AK und Weise, wie Gabu'ol ohne
DarlcKun^ und Begründung sie als bekannt voraussctztf recht-
fertigt die Ansicht Munk's *), data diese Lohre eine ausgedehnte
Verbreitung in Spanien gefunden liat.
Josef stellt sich zur Emanation sehr zurückhaltend; aus
den wenigen Andeutungen, die wir im Mikrokosmos finden,
könnte man eher schließen, daß er dieser Lehre seine Zustim-
mung nur sehr bedingt giebt.
Nur an zwei *) Stellen, die aber in enger Beziehung zu
einander stehen, spricht er von einer Emanation. »Die Ver-
nunft geht aus der Schöpferschaft Gottes unmittelbar hervor.
Die Substanz ihrer Welt isfc das reine Licht und der laulere
Strahl. Gott verlieh der Vernutdl Unendlichkeit und Voll-
kommenheit. Würde er einen Äugenblick aufhören, seine Güte
auf die Well ausströmen zu lassen (jJ^aüH*?)» so sänke sie in
ihr Nichts zurück."
Es ist consequent von Josef gedacht, wenn er die Ema-
nation bei der Vernunft nunmehr still stehen lößt; denn die I.
Brüder lassen von der Vernunft einen Erguß auf die Allseele ')
und von dieser auf die Urmaterie ausgehen. Da Josef nämlich eine
Urmaterie nirgends erwähnl, mithin auch wohl nicht gelehrt
hat *)f so konnte er füglich die Emanation nicht bei ihr enden
lassen. Sie steht daher schon bei der V^ernunll still.
Jedenfalls ersehen wir daraus, data Josef wohl die Lehre
von der Emanation gekannt, indes wenig benutzt hat Ich be-
merke, daß ich das Wort Emanation hier in dem weiteren
Sinne gebrauche, in dem es auch eine Emanation „der Kraft
nach" — wie bei den Neuplatonikern allgemein — bedeutet
Was Josefs Ansicht hinsichtlich der sog. Miltelsubstanzen
anlangt, so l&IH sich aus den wenigen Stellen deutlich
erkennen, daß er ein entschiedener Gegner der Annahme der-
selben ist.
Bei der Behandlung der animalischen Seele haben wir be-
reits darauf hingewiesen , daß er dieselbe als ein Mitlleresj
') Melanges 2tX).
') p. 37 u. -10.
■) Welt^eete S. 24.
*) S. S. 46.
51
zwischen Seele und Leib — wie es Gabirol thut — nicht er-
wähnt *).
Nur an einer Stelle *) giebt er seinen Standpunkt klar zu
erkennen. Die zweimalige, kurz auf einander folgende Wieder-
holung des Ausdrucks (niy^K ^^3 ohne Mitlelsubstanzen)
scheint eine Polemik gegen Gabirol zu sein, der ja auf die
Annahme der Mittelsubstanzen so außerordentlich viel Ge-
wicht legt •).
Josef sagt nämlich : Weil der Schöpfer die intelligible
Welt ohne Miltelsubstanzen geschaffen hat und ihr Vollkommen-
heit auf einmal gegeben hat und auf sie das wahre Licht ohne
>littel ausströmen läfit, darum trifft sie keine Veränderung
und kein Mangel ; sie hat auch kein Bedürfen , wie z. B.
der Körper, der des Raumes, der Zeit und aller Accidentien
bedarf.«
Josef begründet seinen Standpunkt nicht; jedoch läßt
sich wohl annehmen, daß er aus religiösen Gründen einer
Annahme von Mittelsubstanzen seine Zustimmung versagt habe,
da eine solche möglicherweise einen Zweifel an der Allmacht
Gottes aufkommen lassen konnte.
') Siehe auch »Die Lehre vom Willen".
■; p. 40.
') Im driUen Tractate führt Gabirol eine Unmenge Beweise für die-
selben an. Auch die I. Brüder kennen die Mittelsubstanzen. Vgl Weltseele
p. 26 und sonst
Namen-Register.
Abraham ibn Daud S. 1. 2, 4. 12. 13,31.
Abu Jakub Josef al Bassir S. 15.
Ahn Omar S. 1.
Alfarabi S. 49.
Anaiimenes S. 19,
Aristoteles S. 11, 15, 19, 22, 23, 24, 25,
26, 90, 38. 41, 42.
Psendo-Aristoteles S. 12, 16.
Avicenna s. Ibn Sina.
Bächer S. 7, 10, 37.
Bac^ja S. 12-, 16.
Baenmker, S. 16, 18, 19, 42, 43.
Barach S. 19.
^rdenhewer S. 11.
Bardesanes S. 15.
Beer S. 5, 48.
Bernhard SUrestris S. 19.
Brüll S. G, 27.
Gaatelli S. 20.
Gharisi S. 2.
Gorrens S. 42.
Diels S. 19.
Dieterici S. 12, 18, 21.
Diogenes Laertius S. 14.
Duminicus Gundisalvt S. 18.
Eisler S. 6.
Ersch und Gruber S. 5.
Empedocies (Pseudo-) S. 13, 14, 16, 48.
Falaqera S. 14, 18. 27, 35, 42. 48.
FilipowslEi S. 4.
Frankers (Honatäschrift) S. 5, 19, 4a
Frankl S. 8.
Fürst S. 5, 7.
Oabirol S. 16 fif.
Galenus (Gallanus) S. 15.
Geiger S. 2, 4.
Grätz S. 5, 9.
Guttraann S. 11, 14. 17, 18, 19, 21, 25,
26, 31. a^), 36, 39, 41. 43, 44, 45, 49.
Haarbrücker S. 10, 13, 14, 31, 48.
Hamberger S. 5.
Haneberg S. 11. 17.
Hippocrates S. 31.
Ibn Sina (Avicenna) S. 13, 49.
Isak ben Baruch S. 1.
JeUinek S. 1, 3, 4, 7.
Johannes Hispanus S. 18.
Josef Albassir S. 8
Jost S. 5.
Juda hallevi S. 2, 12. 35.
K&mpf S. 2, 5.
Kaufmann S. 4. 6, 7, 9, 11, 12, 14, 15,
16, 17, 26, 27, 34, 35, 46, 47, 48.
KnoUer S. 7.
Krakauer S. 6.
Lautere Brüder S. 14 ff.
HaimonidesS.1,4,8, 11, 17,29, 30,31.39.
Maimnn S. 1.
Mose ibn Esra S. 1, 10. 12.
Malier S. 21.
Munk S. 14, 48, 50.
Mutakallimun S. 8, 15. 47.
Nachum hamaarabi S. 3.
Neubauer S. 5.
Peripatetiker S. la
Plato S. 14, 19, 24, 30, 42.
Plotin 8.12,21.24,37,38,39,40.42,45.46.
Procius S. 41.
hahmer S. 6.
Reiftnann S. 3, 14.
Ritter S. 49.
Hosin S. 7. 11, 30, 31, 39.
De Rossi S. 5.
Saadja S. 8. 11. 16, 29, 31.
Sabatai Donolo S. 20.
Sachs S. 2, 6.
Samuel ibn Tibbon S. 4, 17.
'Sandler S. 7.
Schahrastani S. 10. 13, 14, 4a
Schmiedl S. 7, 8. 29. 35.
Socrates S. 10, 12.
Stein S. 19.
Steinschneider S. 1. 3, 5. 6. 12, 14, 17.
Thaies S. 13, 48.
Oberweg-Heinxe S. 7.
Weinsberg S. 6.
Wenrich S. 14.
Wrobel S. 19.
Windeiband S. 19.
Wolfius S. 1, 2, 5.
Xenopbanes S. 10.
Zakuto S. 4.
ZeUer S. 11, 23, 24, 37, 38, 39, 40, 41.
42, 44. 45, 49.
Zunz S. 2. 6.
DES
SOMIiriCUS GOSISSALIirüS
SCHRIFT
TON DER MTEBilUCHKEIT DER SEELE.
HERAUSGEGEBEN
UND PHILOSOPHIEGESCHICHTLIGH UNTERSUCHT
VOK
DR GEORG BÜLOW.
NEBST EINEM ANHÄNGE, ENTHALTEND DIE ABHANDLUNG DES
WILHELM VON PARIS (AUVERGNE) DE IMMORTALITATE ANIMAE.
-«-NÄI>^«WAfe=^C>--=^
HÜHrSTKR 1897.
DRÜCK CND VERLAG DER ASCHENDOBFFSCHBN BUCHHANDLUNG.
HEBB« PROFESSOR DR. CLEMENS BAEÜMEER
IN
YEREHRÜNß UND DAHKBARKEIT
ZUGEEIGNET.
Inhaltsangabe.
■ Gnndissalinus „De imtnortalttaU antmae" (Texl^. S. 1—38.
Appendix. Gnilelmus Parisiensis „De immortalitate ammae" (Text) 39— Gl.
Gonigenda S. 62.
I. TextesgiuBdlage. 63-83.
Beschreibung der Handschriften: P 63—65; M 65—67; C 68— 70; N 10—
71 ; // 72—75. Ausgaben Wilhelm 's 75 f. Tex tum Stellung Wilhelm's 7G f.
Wertung der Handschriften 11—83.
n. Die Antorfrage. 84—107.
Litteraturangabe 84—86. Leben des Dominicus 86 f. Leben des Wilhelm
87 f. Beziehung zwischen Dominicus' und Wilhelm's Schriften ,Ue
immortalitate antmae" 88— f>9. Dominicus ist Autor der älteren Schrift
99—103. Des Dominicus Schrift geht auf arabische Vorlage zurück
102 - 107.
UI. Der philosophlsehe Gedankeugang und die plillosophlegesehlehiUehe
Stellung der Sehrift. 107-143.
Litleratur 107 f. Einleitung 108—109. Äußere (praktische) GrOnde fQr die
Unsterblichkeit der Seele 110-112. Innere Gründe 112—139. Schluß 140
Rückblick 140—141. Philosopfaiegescbichtliche Stellung und Kritik der
Schrift 141-143.
Verzeichnis der Eigennamen 144—145.
Berichtigungen 146.
GUNDISSALINUS
DE IMMORTALITATE ANIMAE.
Nosse debes ex aliis, cfiiod quatuor mociis humaiüs consu-
ilitur erroribus. Et priino quidi^m sensu pt-r expericntiain, so
indo pocnii pt*r ledern, ti^tio pliiti)S(ii>hi!i per pmbationem, *
quarto diuinitus por prophetiaui tA i*:ui*liilion(']ii. In (juo ap-
paret, quam noxiuii» et quam pf^rnicioÄUin dfiiina honitas repu-
Uuerit erroreiii aniiuanuii Iniftiariiiruiii cirra se ipsas^ el maxiiuo
]lam, qui est de inimorlalitale natural] itlariim, quoniaui destniit
fundanientum hourslaln t-l rcIiKionis lolius. Quid enim resiat ui
diflidontibiis de iinniortalitato sua aniniabiis, cum nulla sit t^s
spes uiUif alU-rius el iiU'O nulla olftineiidui^ ucnur feHt-ilalis lidu-
^Kda, idsi nninium ptostilutlo uitioninir' E( ipsa bonestas quid
aliud eis quam dementia reputabilur? Dum enim se uidenl frau-
dari praesenlibus el alia non cxspoclanl, iiullo modo eis suaderi i*
poterit, quod aliud sit bouestuliä persuasio quam itnperilorum de-
t
Codices: /': Pariaintis hHAiothecae nationafis tat. ItiGl'S, s. Xl/f. —
Jf: Farinnu^ bihtioütrrar nationalU tat. I4i*8lj, ». XJJI. — X: Pariainits
hHAwlheeat nationalis hl. 14887, au XIV. - C\ Carnotenai» hitliotheeae
puUirae 1^1, k. XJ V.
1 — ii GuDdissalJDUS de imniortaJilale anlmae I' ile immorlalitale ani*
mae (om Gundissalinus) ^V om MC 3 quodj ijuia M ^—4 consuliter N
ö per prol>aUonem] per reprobalionein C om y 6 Jiumaiiarum aniiiiuruni
iN 9 ilUram) illatum CN 10 quod CN Pott reatal adä, de CH
11 difSdeDÜbus om P lacuna hiante nullaj in iUa CN eis om CN
12 ideo om CN obtüncodae Af fidui^ia om I'X 13 nisi] ubi /'
14 enim oni P uident se M Ir» aliam I'C eis om CN IH füteriüs
C aliud sil ONI CN imperitoruml impemlorum P
El«itrare U. IL BUlow, aandiMsUiiii«. 1
ft GundiBsalinuä
ceptio, et ipsa luudabiliiim monim professio deceptonim delira-
mentum. Ex quo rerum hunianaruni intolerabilis perturbatio»
uitao oinnimoda confusio pt — t^xlreniüin nialorum omnium —
creatoris exhonoratio necessario consequuntur. Morito ijfitiir
5 lam noxio errori tot medicamenta opposuit diuina miseratio, iil
lex per poenas inedeatur contmnacibus et philosopliia per pro-
brttionos ignorantibus et prophetia pi^r reudationem diuiimin
auctoritati-ni ueiierari uoleritibus; sensus quoquc t'xperiri ru])ien-
tibus, non solum testimonio accepto a resurg^nlibus et ab altera
lü uita nMieimtibuSf seil ab Ipsis aniinabus suis se ipsas et a cor-
pore et ab uliis abstrahere nnlentibus et ad semetipsas se col-
ligeritibus. Hae enim indubitanter sitnliunt se nihil habere cum
morte et seorsum se esse a regtone mortis; agnoscunt etiaiu
continniUilern suam ad fonlein uitae el niliil esse interponibilc
LS slbi el foiiti uitac, quod nnxutii tiila«' .stip<T iUiis iiiipedial et
auertal. Sed isla expericutta aiiiinabus in serisibilia effusis utqne
dispcrsis et in corporibus propriis inearceratis est impossibilis.
QuaUter autem huic errori philosophia probationibus occurral,
docere in praesenti t4*ntplahiiiuis.
«0 Et iuin iiosti ex doctrina iogices, quod Syllogismus non est
demonstratio, nisi cum fuerit ex propriis. Transcendentia enim
et cxtranea cum aptsita fuerint conclusiüiii , cuius cerli-
tiido nobis quaeritur, aplata inquam coinplexionc et ordinatione
syllogiätica, non tacient nobis scienliam detnousti-atiuam.
2 inlollerubills PCN 3 conressio P extremiirnl exterminum C
4 creatorum ex honestale <'S necessario om PCX runsci|uiliir X
h lam] causa /' apposult P li et philosophial philueopltiaque CN
7 ignorantihus om Jlf 8 autliürilatein P uenerarij honorari N quo-
que] quu PX 9 a om 5f II abstratfere N ualcnlibus A/ et om X
seniet] se CN 13 regiune] reclione C el(Hiti| el AT 14 essej est P
lf> fonle N uitae otn M quudjcum quo«tC'jV ßuxuiii| fiuxjt P ui-
lae om P 16 in sen»iliittaj in isla sensUnWa. /* in sensibilibus CX 17 e(
om CX 18 Qualiter] Quomoüo M aulem] ad C ergo M IH pruesen*
Übus CX aO EIJ Nunc V Aul X ex] de CX logitae VX non om
PN 21 cunij causa (' ex] qund /* Trascencia C enimj cui P
22 uptala) appUta /' fuerit P conctuKioiiem CX cuius om X 23 no-
bis quaehtur uptata om CX aptata] applata P urdinatinaej online P
34 raciant VX laciunt P
\
»
I
be immortalitate nnima«. fi
Huiusinodi lamen syllogisniis iniperitia et Hefectus el cognoscen-
dae quoquo modo uoriüitis auiditas cogit. nos esse conleiitos.
Propter quod iusUtiam creiitoris el Judicium futiinun radi-
cem probationis immortaliUtis aiiima«? humaiiae non nos priini
sed ante nos nlii posueninl , si quiiU-m, si anima huniana |K)sts
uitani istam non uiuerrt, uane liic et fruslra doo scruirotur, cum
in uita isla dei cultus el religio pfuriinurn siii (orriioriluin habeal
et afllictioiieni, el post uitam istain nullü sil lutura eius reniunt?-
ralio, quia ncquo uita est aninuu* hujuanac post uitain isUni.
Secunduni hoc utilius eliani esset aninia*' hunianae nei^are deum lo
omnino et omni uauitati el uolupluli se prostituere, quam sancte
ac iuste uiuore et crealorem dt'bila lionoriläci-tilia ot deuolione
colere. Si enini curat deus cullores el ueneratores suos, ubi
eius potentia, cum nee in uita isla propter hoc Sit eis nisi de*
leriuä , nee in alia sit eis melius , cum alia non sil futura 15
post istam'^ Si autem non curat, ubi sapientia eius aut boni-
tas? Aut enim ignorai'e, aut non amarf uidebitur amalores
Buos et ueneratores: quorum tilterum destruit vhi^ sapientiam,
altenmi uero bonitatem. Ilaec est igilur i-adix, per quam coiiali
sumus aliquando oslendere animae bumanae uitam esse post m
iätam.
Alia radix erat nobis ipsa dei iuslilia, qua [losita neccsse
est futurum esse iudicium, quoniam in hac uita iiec mali reci-
piunl, quod morenlur. nee honi, quia el maus hie bene est et
bonis male. Vbi ergo iuslilia dei, cum ulriquo contraria uierilis es
suis recipiant in hac uita^ si post uttatii istam non est iudiciurn,
quod utique non est, si non uita est post istam?
l sillogifimorum CN 2 quuque A'C tiioüü om t'.V 3 pf>ict
qumi odH |innia radU quoü CN iualilia CN 7 cuUus dei CN et
CN 8 el onlr afnirtinnetn am CA" 8— J> uiUm . . . posl om C
Mit uita M luimanitm /' uitnrii uitam t' istam uitai» .V \y\ poat uti-
lius add est V eliam om (.'X 1 1 uülunlatj el uunitiiti /' uanitute et uanit^ti N
12 acl et CN honorificia i* LT enim] ei /' ante curat add non CN
II cam) est P necl uero /' antf sil add non N 15 nee] oatarae P
Bkdius sit eia CN l(J aut] ac CN '2f) bumanae om CN 24 elj nee N
Äi— 2r» bunis hie inale el malis bene (omiasa est; CA' 'i5 uterque CN
96 istam uitam CN uitam om M noiij ncc M "27 si . . . istam] post istam
uitam si uita est alia idresl noni CN
1 ♦
t GunHiBsalinufl
Tertia autem radice ad id ipsutn utl solebatnus, qnae isla
est Omnis iuslitia exit in iudiciinn. quam nee ignoranHa meri-
toruni neo. dilTurwItas iiliqua anl inipossihilil:i.s relribiilionis pro-
hihol. luslitiarn auleiii diuniani aliquo istonnii prohÜM^ri uel
Ä irnpediri imposäibile est. In iudieiuni igitur illani exire necesse
est. Et in iiac nita non exit, ut assensn dictorun» exeniplomm
accipimus. Exibit !|;jHiir posi hanc; et ita eril una nila post baiic.
Ilac etiam quarta radice «ti consueiiinms, bac uidelicct,
qiiia sapieiilissiiiitis ac beni^nissimus deus abquid melius protiidit
'*• electis suis quam nita isla habeat, cuni ipsa sapientia duce
quicquid habet uita isla et ipsani eliam uitam conteninant; qiia
propter sapienles maxinie iniic^nirentur erronei et ipsa sapientia
duce deceptissimi, cum totinn bnmini sniim hie ronlemiierent et
abiccrent; soli uero raali sapienter hie uiuerenl et caute agerent,
^^ cnm soli bonum snum bir qnaererent. Rcslat igitur, ul
aliquid melius quam habeat uita isla elcx'tis suis et cultoribns
deus pronideril ; et hoc tmw in uita ista, quoniam nihil melius
est in uita ista, quam habeat uita isla. In alia igitur; et
ita est uita praeter istam, sattem aniniabus bonorum. Quare et
2*" animabus maloruni, qnoniam si nihil deterius praepaniuil detts
aniniabus uiidonnii, ipiaiti ]iabeat uita isla, luric noti soUun im-
pune mali sunt, sed etiam tiono suo mali 9Dnl, et ex malitiu
sua est eis melius; quod diuinae bonitatis aequitas quabter
sustinebit?
» Nunc aulom ex propriis inmiortublatem eius astruere
temptabinius.
1 autem] etiam üf 1 — 2 est ista CN G ut] nisi C asensu M
7 accepimua CN una om M H ciintiueuimus] eoaHUflmnii P solemu« CN
10 habeat uita isla /' 10 — 13 cum . . . sapientes] aat iH.m; si nua: eriro
per sapiffliliaiii ipüBtii decepU sunt et f'.V 1^ inuenientur /* iftsa la-
pienlia] ipsa (om sapientia) /' sapientia {otn ipsa) CN \S cumj est }'
bonuiti suüm hir] suuin om P hie om CNM 14 alnccrenl] abicierent /'
etj uel CA' 15 soli om P hie om CA' IG ista uita CN electis)
ctericis P 17 quoniaro] quoram P 18 aha] aliqua /' 19 animarum
bonarum CN IH— Ät <Juare , . • malomtn om CN 20 quoniamj quaiv
CN si om CN poet deu» add el CN 22 utiainj esse N 2ä «ttj
ex N quod] quam N 25 Nunc] Que /' eius ihm CA*
De imnKirtaliUlte animae.
1
I
Prinntin igilnr ordiiiäbUiuiü- radices, quas u philusophis ac-
cepiiniis. Quaniiii utia haec est.
Oninia sulistantia, cuius opei-atio non |>endet ex corpore,
nee eiufi essenÜa pendel ex coi-pore. Liberiorem enim a cor-
pore Decesee eäi esse essentiani quam operalioncni cuiuscunquc &
siibstantiac. ijma ergo opernlio ajuinae humaiiae, id est eius
quod esl in anirna huiiiana siibtitLssinium ac nobillssimuni, sci-
licel quo brutis anteoelliinus , noii pendtt ex corpore, sicul est
operalio uirlulis ititellectiuae» inanileslum 4'st, (|U(xl eins ess^ntia
non peridel ex airpore. Est igitur äeparabtll^ a i-orpnre ualura- lo
Uter el uiueus praeter corpus ac sine corpore.
Aniptius, tuxta eandeni rationeui. Oninis uirtus, cuius
operatio impedilur a corpore, eius esse uel essetitia non peiidet
ex corpore. Palam aulem est uirlutem iiitellectLuain huiusiiiodi
ess«, quia, quanto magis coipori se miscuerit aut iinnii?rscrit| i&
taiilo eius intelligere erit obscurius, obtusius et tiiwlius et erro-
ribus adinixlius; quaiito uaiem a corpore aniplius se elon^auerit
el ahstraxerit, tanto erit acutius, claritis, uclocius et ab errori-
bus Uberiuä. Elonj^atiotieui aiitem spiritualetii, noa corporaleni,
hie accipimus, el approximalioiiern siniililer, i{iiin_t est sollicitudo 20
el auior corporis et eonun, quae <torporis sunt; de quibu-s iiia-
lüresluiii esl, quod unmergunt et obscuranl intellectuin, contraiia
uero liberant et clarificaai ipsuui; et isla sunt sicut praesentia
uirporls el atUclus eius afaul iiilellcctum. EMsenlia i^ilur in-
tellectus non pendet ex corpore, cum eius operatio propriu im- £&
pcdialur ab illo et per illud.
iVinpUus. Si essentia intellectus peridet ex corpore, debet,
ul confortatio sequalur c(inforl;i1i4>iiciii et ilohililatio dehililalio-
nem. Nos autem c contrai'io tutuiu uidentus, quia debilitaüo
ä est om CA*" 4 enim om CN 5 esse om P (i ergo] igilur M
7 pOMt tiuuiana ndd esi P 7—8 sctliceLj id est /' 8 autecciliiiiuä] unle-
loUimus CN !(► exj a CW 11 nc] aut CJi 12 riiLionem] nitiiccm M
13 pendet] depenilet C^i 14 ex] a P Ki intelligere] intellectus CN etj
aat C 17 ainpliusj niagu CN 32 intellertumj inleltecttbus CS 24 at*
lactus] actus r atlractus CA^ 2'1— 25 intellectus] intellecLuatisCiV 25 pen-
det] dependet Vy l>6 ab] ex C et om C 27 ex] a CS dehetl se-
quitur in maryine M 2M seiiuaturj runsequalur P post »equalur aJd
ad .V 28—21) debililatiuuem] debilitaüo Clf 28 paut debllitalio udd
■d Jf 29 nidemus totum CN
1
6 ^^^^^P Gan<ljssalinus
cori^oris est in senectute et uigor uirtutis intellectiuac tunc
maxiinuSf et inlelleclus ex omnibus modis suis tiinc fortissitiius:; ex
quo manifeste apparet uirtulem intellectiuam in seneclule iuue-
nescere.
ü AiiipliuB. Oinne mortale sua ipsa duralione paulaÜm de-
bililaiur et defic!it, donec deuejiiat ad defeclum ultüuuni, qui est
mors. Virtus autem intellecliua sua ipsa <liiralione proticil et
inualesctt, ul quanto fiiprit diuiumior et antiquior, lanlo sil ex
omnibus modis suJs fortior. Virtus igilur intellecliua inmiortalis
10 est, et ipsam non solum non posse senescere duratione aut de-
leclui approximare , immo de duratione ipsa eam iuuenesoere
et a defectu et mnrle ampliiis olonfrari manifestum est. In quo
simul apparel. [Iiiiei*sitas ititt^r uirtiitem anirriiilein cl uirtntein in-
tellecliuain, tiuoniam uirlus animalis, tanquam pendens ex cor-
ift pore , sequitur disfjositiones illius — scilicet quia eo conforlato
conforlatur et uigorato ui^oratur et debilitato debilitalur et de-.
Ücionte deficit, In qimnlum est uirtus animalis, et cessant ope-1
rationes eius animales ex tolo — , uirlus autem intellecliua e con-
trario se habet ad coipus in hoc. Si quis autem obieceril,
ari quod uirlus inlpllectiua impedilur et debilitatur, cum imppdilur
et dcbiiilatui* corpus , sicul in aegrolantibus , ul in frenetiois.
nianiacis ei melancholicis et quolihet alio modo menle alienalis:
respondenius, quia aliud est impedimentum et laesio, aliud oc-
cupatio. Non enini ditlinus , quod uisus uel andilus exlerior
s& laedat uel impediat inlelleclum ; sed occupal iiienlem humanaiu
re uera, ut hora illa non uacel intellecliuae operaüoni, quia per
1 luoc OM /' tj suis om CN A iputus duration« /* duratione ipsa C.
Cf, 22, t3; 2H, 2S (J defficil C deueniaLj uftniel CN uenial M deffectum
C 9 Virlus intellecliua 'iplur t* 10 possej posstbile P solum N
aul] et N 10—11 defectui a[iproxJmare immoj decrepmaxi||Iinimo (una
Uttera eram) f U aproxiriiare C immo) sed cofr ex immo M eam]
ipsam CNJ^ 12 a defectui a deSectu C ad cfectum M est manitestum
CN 13 simul| similis PNM Ifi ef> om P 1(> conforlatur om PCN auf«
nigoralo aää eo CN debilitato om P 16-17 dofHciente derßcil C 17 el
om CN 17—18 eius operaliones CN 2tt <|uodi c)uia NM 90—21 cum
impedttur et debililntur om VN 21 corpnsl per corpus CN post aein^'
lantibus aiid in rnarffim uidemus U utj sicul /' 22 maniacis] daemo*
niacis PCM 23 quia] quod P est aliud CN 36 non om P iu-
cet illa bora CN quia] qua MCN
De immorUliUte aniinae.
I
uisum uel auditum ad forinseca particularia Irahitur, sicul est
el in iabonintihus huiusmodi passioiiibus. Passiones eiiiin htiius-
modi sunt sicut soninia (ixa üI adliaerenlia propter infectiones
iuseparabiles aut non faciU' separabiles. Quemadmoduni igitur*
somnia inenlein teneiit uel anirnarn circa pliunla.sniaLa occupalam &
ol alligatain , sie tstae atienationes ; essetitiam uem iiirtiitis in-
tcllectiuac non laedunt omnino. sed eius Operationen! , quemad-
rnodum occupatio . inipediunt. Et hoc apparet , quia liberata
perfecte et sanata uirtulc aiiliuiili et expurgata penitus infectiorie
huiusmodi uirLus intellecliun , tanquain in essentia sua nihil i*>
passa laesionis. ad proprias operatiories rcuoiiitur, el in bis ipsis
Itirbalionibus et alienationibus ad diuinationes et diuinas reue-
lationes quodarn tiiodo aeliil a corpore soluta el expedila
enunpit. (^ertum autein est. quia diuinatio et [-euelalio for-
liäsiinae ac nobilissiniae operaliones uirlutis inlellectiuae sunt, ir.
dum est in corpore; et ad illas maxime inualescit niaximis ini-
pedimenlis et laesionibus corporis, Kt haec est causa, pro[)ter
quam illuininatio seu reuelatio propbt*taHs uix aduenit, nisi cum
magna debilitatione corporis, sicul est exiasis; et inde est quod ex-
tasiin raptum usus nominal. ManifeHtnni igitur est ex bis, quod *)
nobilissimu operatio ac fortissinia uirtuüs iiitcllectiuae, quae pro-
phetia uel i'euelalio est, tunc maxime uiget, cum corpus inlir-
mlssimum est, sicut in extasi et raptu palam est. Haec antem
inaximu eius separatio a corpore, dum est in corpore. In oin-
iiinioüa igitur sepurulione a corpore, quae mors est, onmiuiudo 8.'>
uigel.
Amplius. In omnimoda sui coniunclione ad corpus, quae
est omnimmla sollicitudo eins atl ipsum et omnimodus amor,
P
2 3 buiu^iiiodi eoim C enim om X 3 Hxi VN 4 non) st P
igitarj enim VN 5 — G occupulaiu et alligataiBJ occupatiua et alligutiua
NM 6 uero om i' 7 scd] socunduin CN operalione /' R Et]
ei CN quia] i[u<k1 N \0 sua om F II in om CN his] hon C
13 turbalionitiusj perlurbalionibu<:t C'.V 13 uelul om CA' a cor-
pore om CX ante soluta ndä ad modicum M 14 ante erumpit add et N
qaiaj quod CN el| aut V 17 liaecj hoc .V est om /' U* magna]
maxiina P el inde est quod] tantum quod P post quod add in
CN yu est igitur CN 23 pont uel tuld diuina Af 21 ciusj est M
Inl Et ^ 2!) eät mors CN oninjniuile CN 26 ui^et in mar-
fimt M 27 conianclione sui F corpora /' tJ8 soliciiudo P
8
Gundimalntoa
omnimodo absorbetur intellectiuae iiirtutis propria operatio. Ä
conirariis igilur in onTnimoda separalione sui a corpore omni-
moHo ronforUbitur el reuigorabitur eins operatio. El hai*c se-
pnralin in niorte (?sl, uel poiius mors ipsa. Impossibile autern
■'' «sl uigorari operationeni uirintis mm laesione essenliae ipKJUB.
Non taedilur ergt» uUo mo<io essenlia nirtutis intellecliuae ex
morle corporis. Huius aulein indicia manifesta sunt in rapln
uel extasi uel soinno et a^griludinibus , quae alicnatrones ope-
rantur, ut dixinnis, et in uii-initalo mortis, ubi plerunuinr dini-
II) nationes et uisiones (*l fiilurorum |irapdicliones factas non du-
bilamus. Rede autem philosophanlium et ueritalem perscrulari
qtiaerentium est non soluin principia et radices demonslrationum
ponere, sed etiain indicia et signa adicere.
Atia etiam radix apud ptiitosophos inuenitur, haec scilicet.
IS Omnis subslanlia, cuius forma non est corruptihilis , in-
rorruptibilis est. El omnis substanlia intellipens est huiusmodi,
qnoniam solae fonnaf^ materialfs rorruptibiles sunt; nuüam au-
tem formamm materialium habet ut suam^ Id est naturalem uel
essenlialern, quaecunque substanlia intelligens. El hoc esU quo-
20 niam omTiinm hiiiasmodi siilisl;uitia rf)rriiamni riimihludiiieB recipit;
queniadinodnm ocuhis nulhnn hal>ei coloreni in ea parte sui,
ubi omninni colorum similitudines recipit, et gusliis nulbim
saporem, ubi onmium saporum similitudines recipit, Alio-
qu'm n^'c iste, ni'c ille siiorum sensatoruin similituduies re-
25 ciperet nee ab Ulis esset passibilis, cum albuni ab albo passi-
bUe non sit nee similitudinem eius ullo modo ualeat recipere.
1 operatio propria P 2 oinnimoda . . . coipore om CX sui
separalione M 3 reui^urRbilurj recneuiiirabilur /* 4—5 est autem P
5 poMt i\mus add cuius est uirtus CK Ö uUo] duHo N 7 indicia] iudi-
cia C sunt manifesta P 8 uel— uel] et— et CNM 9 ubi) ut /*
plßnimquej liiterai- quae in C äepirtae »unl , Ugi non possuttt; plurimnrii -V
10 et (pogt uisiones) om M praedicationes VON U Recte auLem] Et rerte /'
philosophantium) prophetantium IX'K et om M 12 quaercntiumj uo-
lentiura t'N 13 adicere] atlducere CX U inuenitur] iuljentur C 15cor*
ruptitiilia non est CN lü— 16 est incorruplibilis JV 18 materialium] na-
turalium P \{) intetligens bubstantia CN 20 substanlia addidt ex
Gudeimo; om PMCN 22 omnium om CX 23 omnium sapoiem A' 24 sensa-
torum suonim CA* 24— Sff» recipit C 26 ullo] nullo CA" ualeat] ualet P
De immortabtate antmae.
9
I
I
I
Si emm tHam reciperet , duae albodiiies innenirenhir in eadem
siiperticie, cum impressio albe<linis in albuiii iiou possei esse
iiisi albedo. Quia igitiir sota fnniia nialerialls est corniplibitiH,
et illani non polest habere nalumlt^i» aul esaentialern subslanÜa
inUtlißens , inanifesliim oai substaDtiain intelligentem iiicorrupti- 5
bilem esse, cum eius fomia essentialis incorruptibiüs sit. Et
hoc quidem ipai tanquain certo et probato utuntur, quia oiiuieni
penerationein et corruptionem oninenrniue contHfrtum contrario-
nun in nialerla et cina materiani es50 cerlissimurn est. et qiioniani
in imniateTialibus non est contrarletas et idco neque connictiis ; 10
propter quofi nee genemtio nee cornipiio , qiioniuni geniiTalio
et forruptio ex conllielu ?unt ubiqui^ Lontrarioruüi inuirmi apen-
tiuni et patientium; et quia aclioniw huiusmodf oniiics vi pas-
siones per contactnm sunt, contactum autcm in soUs matoria-
libus et in solis corporibus esse necossc est i*
(JnoH si quis quaerat de aninm animali siue Ivrulaü . an
iminaterialis fomia ipi^'i >il, oportet rcspondere, quod materialinni
fonnaruin duao sunt nianenes: una, quae totaliter innititur et
iortnnbit materiae suae et non regit nee suätinet eani nllo
modo . sed sustinetur ab ea, et haec est forma proprio corpora- 20
lis; aba, cui potius iiinitilur sua niaterJa et sustinutur et re^ilur
ab ea* Venuntanien non est operatio buius formae nisi in
maicria sua et per eam; et ideo apparet eius esnentiani pen-
dere ex materia sua» cum oitinis eius operatio ex illa pendeat»
I Si eaim] Sod cum P 2 impressin] impressioni P in albis /*
poaset) poäsil 3/ posf [wssel ndd ülbcdo N 3 albeilo mn N solum
furma P forma sola C -i—o sultstantia inlelligens om P 0 El]
Ex /* 7 quidam JV ipai) ipKi /'. Dicit pfiilosophos quos supru
p. 9, J4 tamämmrot M certissimum est am A/ 10 immaterialibiis] in*
uturaUbus /* oeque] non C^ tl qaoil] boc 6'^ necjnc<]Uo/' necj
et /' neque CN quuniam] quae CN 11—12 generatio et norruptJo om CN
13 qniaj quoniarn Cti buiuHtnoJij eiusmudi C II sunt per conlructurn
'V cunt per cuatnu-tum cootactum C 15 esse] est N 16 Qaod si
aliquis P Quia si qnis C nnimali] nnimalJs CS siue] an CN
17 iminiiteriiUis] matenalis ilf poftt oportet add eos M quud] quia M
17— IH formarum inaterialium P lö totaliler] lotali Jf innititurj
irmnittitur VN U» nee] neque CNM 20 est om CN corporalis] cor-
pori immittilnr CN 21 inuililur om CN 22 pc»t formae add primae CN
tS ttta materia P essenlta PAf
i
10 Gundissalinus
ei ouni eius essenlia extra materiam suam esset oliosa et inu-
tilis. Hoc igitur modo forma materialis est anima bnitalis et
»♦'ifclubilis , lioc (*l ex maleria stia peiidoiis el quanltim aH
esse et (|uaiiluiii nd o])erari. Et est (iesüiicliorie suae materiae
.-. (lestructibilis, quem ad modum liquor, qui seruatur in uase, de-
slructione uasis desti*uitur. et igiiis in ligiiis; licet islae similitu-
dines mnltnni dissimiles siiit oi, propter qtiod indiicunlnr.
Anima eliam liiiiusniuiJi nun est receplibilis foniiarnni nia-
' terialium omniitm , quoniam noti est receplibilis uniuersalium, et
10 forte f)riiprie luni nisi senstbiliuni. Aeslimatiua enim uirtus,
quae procul dubio in Iiniui^modi anima est, forte propric nul-
lani nisi scn.sibilem rocipäl. ..Proprie*' diximus , quia nulluni
proprium uidetur acstimabiie brutis nisi sensibilc nocumenlum
aul commodun) , circa quae duo uirtus aestiinatiua bnilorum
I» maxime uersalur.
Sed qualiter cerluin faciunt, quod in immaterialibus non
sit immaterialis corniptii». cum passiones et dotores inirnaleriales
inuenianlur apud ea , sicul ira , inuidia , odiuin , erubescenlia,
quae onmia non solum passiones sunt et dolores , sed etiam
£0 tormenta grauissima? Si autem apud illa inueniuntur dolores
ei lormentvi, quoniodo non defeclus et nioi-s? Qualiter enim
erit dolor et tormeniuni sine laesione? Si aulera laesio ibi est,
erit et ucnire ad deffcluni , quoniam causa , quae maffis dolere
faciet, ma^iis laedel. Quia i^Hlur quanlumlibel coniingit causam
2ä doloris augeri , fiiiiia aiiieni uidelur ad paiiendum omnis uirlus,
quae laesibüis est: erit igilur uenire ad extremum laesionis;
hoc autem est defectus et mors.
In quo dicinius, quia dolor aequiuoce dicitur. Alio enim
modo dolore dicilur uiilneraius, alio modo damnificatus; et al-
I oeioea «sset M 2 i^lturl ergo ' JV 3 ttnte boc add et CN
4 operari} oiiera 7* est] cum i'f'N 6 islae] illae Sf 1 dissiroules C
10 non nisi] non om PCS nee Cluil. 1 1 in otu CN Vi pfftprifi) proprium /' 16 in
immaterialÜhus] in nintcrialibus 1*<'N 17 iminaterialisl intiterialis CN IH ea]
eam *'N inuidia ow P 11» rt«^' eladdse*]MrN seil | et CA' eliam
om /Y'A' 20 itlHl illam CN inueniantur PCN 21 enim] aulom PMCN
23 causa) eam M magis om C 24 quanluni licet P '2t> eal laesibüis]
CN 27 defectus] defTectus C 28 diximus C quia| quod C ae-
quiuoce] ao(]uiLate N enim om y 29 dicitur Untere /' doctrine dicilur C
damniücatusj dapnifii-atus J' dampnificaius CNM
De immorUlitAte animae.
I
I
erius uiodi longe est unitas ucl unio inter amaloreni et anm-
luni, ulterius rnodi inter partes contiiiui. Si aulein unitas acqui-
uoca siue ligatio. crit et diuisio aiHiniuaca. Qunlicns eniin iille-
niin oiiposiloriiin diritur, t<ttiitis rl rt'lit|uiiin dici ru-cfsso osl,
Siniililer et laesio uoquiuoce liiiic i-t ituir iliriliir; et altera es- ä
senlialis, et altera non. Altera enira in essen tia sua laeditur,
altera non, sed , ut usunliler dicitm\ in ro sua forinseca. Et
inde est, quod, quomaiimfHtniii ipsa rei huiusinodi laesio uel
dcslruclio non allingit esseriÜani possessoris, sie nee dolor liiiius-
Diodi essentialLs ; et ideo nee laesionem nee defecturn essenlialem n»
inducil. Nos autem in sequciitibus i'aciemus sciri , quia niilla
affectio seu passio huiusmodi defectionein essontialem per se iii-
ducere potost. Qnod idtn) dicimus, 4|uia niliil proiiilict in ariiiita
anrmali passioiieni huiusuioili adeo ui-heiiicriltini llcri , iil luiie
scquatur mors corporis et ex tronsequeiiti delVctio ariiiuae bru- •-•
talis; quod et de humana similitor aceideret, si eius essonlia ex
essentia sui corporis dependerel. Nunc erpo in tautuni lioc sit
deterniiiiatum . donec ad illa, quae diximus, ueniamus.
Et haec quidcm fcrc omnia a philosophis aecepimus, ab Ari-
slolele scilieet et sequacibus i'ius. Radires autoin el probat iones -m
Platnnis praeterimns, (luoiiiiuii tHx: [iilrrn inlelli[j:entibMsdc ininior-
talitate animarum nustranan faeiunl, et oinnibuK animarum specie-
bus coinnmnes sunt, ita ut etiani in aniniani brutalem et uegetabi-
lem exlendantur , de quibus nianifostuni, quod earUm esse post
cor|)ora et extra eorporu dtiosuin esset et uiuniuo inulile. Orime a*»
autem oÜosiun et iimtile non suluui iiiutililer quaeritur, sed
P 2 — 3 siue ligalio acquiuoca CK i dicitur om CN A aequiuoce]
equitale N S laesio om C'JV fl posseüsoris] püssessioniü M 10 lae-
sioD« iV defectui N 11 quia] qund P 1^ seu] uel P 13 quin]
rquod CJV 15 curpuris mors C et om CN U\ posi simllUer add cau-
sam quam |>onrt seruiendi in omnibus Refpialiä est; in omnihus uidelicet si-
niililer CN; qwie uerba fftotoMie inatar anlea in margiuf- positn tu fextum iV-
rqmm apparel 17 sui corporis dm (' dependeret] deppendiiret N
■il om l* sil hoc M 10 omnla ferc P philosuptiis] phisicis M
20 ■eiiuAAibusj sequentihus 1*CN oiu^j suis CS el om L'X 21 praelp-
I rimusl posterius /' 22 umnlbus] umnium CN 23 sunt addidi «x Ouil.
24 exteudantuij extendat el CA'' poat manifestum add est CN esse
«anun CN 25 essetj esM PCN 26 et] est CN pott inutile add
füCN
*
12
Gundissaiinas
etiam rtispondiose, quoniam cum dispendio et iactnra temporis,
quo res iitiles quaereiidae sunt.
Rfdoanms auloni et dirainns, quod niillii.s moliis nalurae nalu-
ralilor fnislra est aut uane; et qiiia oniiie, quodnatunUiterniouetur,
r. non est nalurali impossibililat*' proliibituiii a fine, ad quem moiie-
tur — alioqiiin fnistra et iiann mdiirn^ur in illum — . Dieamus eLiam,
qnia ninliisalii sunt rorftoralcs, alii spiiiliialts; nlquia limorestlupa
spiiituaiis vi spes insoculio spiritualis; et bis attcslantur nioUis cor-
dis, qui sirnt contractio et extensio, et motus corporis sensibile^,
ii> qui sunt fuga corporalis et inseculio corporalis. Et si quis
dicerp iioliicrit , qiiiMl nriinis motus est rorpuralis. qiioiiiani
inotus t»st exitus de pulHitia ad actum luntiimus et uon subitiis,
ul alt Aristoteles, et haec detinitio non congruit, nisi motui coi^
porali: honio erroneus et inibocillis est, impediens semet ipsunk
IS diUTi rrnmi iieritalem iic^rlitril et contentionc Htitriosa nomiuiim
se innniiiit. Nos auti-m uon inleiulinius liic per motum nlsi
dispositionem , quae per se uia est ucqulieiidi illiquid ; et ratio
haec conuenit eis omnibus, quue noniinauinius. Timor enim
phT SP uia est acquirendi fuasionem, el desideriuni uia est se-
20 rundum se acquirendi desiderattun. Simililer fuifa , siue sit
üptritualis siue eurporalis , uia est per se acquirendi elTii^ium
sioe euasionem ; et iiisee.utio similiter uia est acquirendi assri-n-
lionem. El quoniam acquinintor spirituatia ut eorporalia, ne-
cesse est, ul simililer. inxta quod ei.^ congruit , sint uiae ac-
23 quirendi ea acipiisifionihus suis; quae uiae cessant eis acquishis,
quemadmodura in acquisilione corporalium.
2 quo res] quaesttonea A' anU sunt add Don N 3 RedeauiusJ
Rflspondeamiiü i'f.'S iiulc^ni om l'K nmtii«:) nvotlus /* nutur»e| Der
Cif 4 est ü»f /' quiiij <|tio<l f'A' &innaturali HJN impossibilitatej
imssibiltUile N pogt ad tidd flnem NC 7 quiaj quod CN atue
spirituales add sunl CS esl om CN 8 spes om I*cy insefullo fioseca-
lum C.\j spiriliialii^ et om f !♦ extensio] axtencio -V sensibilis CN
M qotMl (iMÜ. i[u»miani /W'.V 12 niife motus add timnis i' continaus
oui M J-'J et om /* II est om VM 1') reruin om t'N litigiosa om CN
nominum] omnium /' Iti pont inuotuit add in tnartfime guae dicuntur igno'
rat M autetn] eniin M Itf nuiiiinamusil'X lil po»t uia esl add ptr «e
CN aoi|uirendi est /* 'äii sjt om AJ '21 anttt curporalis add sit MN
est uia C'iY 2i et om M 24 quoiij quoqu« CN anU uiae ndä eis CN
25 acquisitonbus AT iaquistLionlbus CA*
De immortaHUte animae.
13
I
Reuertamur autem ad id , in quo eramus , et dicaiiius,
quia ütnnis fuga naturalis est ad euasionem naturaliter possibi-
lem, et omnis msecuüo similiter; et omne iiaiiiraliter desideratuiii
est naturaliter acquiri pussihile. Alioqniii naliira l'rustra indi-
dis^t liuiUHmodi deüideriiim , qiioniain utiiisuiii esset et (*r- fi
raneum , cum esset iri non-finfni , iiiiiao in \d, qtiod impossi-
essel esse finem; et ita natura erraret in hin, quae per se
TiaturaJiter tantum operatur, quoniani omnis niotus et oninis
inteiitio in nori-liiieni en-or est.
His igitur duabus i*adicibus positis considercmiis propria lu
desideiia animae humanae, secunduni quod liuinana est, hoc
est secumium id. quod Iml>et nohil<\ el quo exrt'Hit anlmatn bru-
talem. El uideinus, (puHi desidiiriian l'hI v\ ucrai' fl ititegrae
itati.s et fuga uerae mist>riae, lioc est tinior illius et odlum.
Vide aoteni, ne motus animae aninialis et animaium, (\\iav stul- la
titia innaturali et adut-nticia iam obbnidieninl . coj<iles . cum ilo
eoÜK naturalibus ijispositionitiiis aniniar lamiaiiae siM-uiiduii) id.
quod bal>et nobUins ulipn* Kubtiniius, hie intondamus. Quaeri-
mus ergo, an sii huic nol>ili parti propria fcliritas, an non.
Cum enim pars animalis sua paudia, suas litMTlab*s, snas socu- s«
ritates suamque oppositani oninimodo miseriam liabwit , aut
ptrs illa nobilis liabet simililrr o^mKruenteni sibi niiseriam et
feliritatem , aut non. Si non , ergo non orunt spirtiualia et no-
biUa pjiudia ceteraque bona subljniia. Et bor non nisi pucrilis
ruditas et brutatis irrationalilas possunt debrare . quoniam »
1 id] illatl U 2—3 pr.f«ibile P 4 est] ^t CA' Alioquin] AlilerCA'
nalara om P 4—5 iD{1i()isset| indlssct P uidissct C h ante huiusmodi
«all r«bas M n errüneuml caruncum M u\] ilhid t^ 7 ita] iilcn N
nalara] nuluniliti^r CN in om CS !■ nnii in liiiein CN III i-onHiile-
reniusj iimsiderdbimus CN 10- 11 »lesideria propria /' II po.ff i|uod
add nnims CN t2 id] illud C habet om /* \^ uidfimusj uidt'liinius
CN Ifi autem no motus| an ne molus /* anitrmnjml aninmlium V?f
untf quae add brulaliuni CN \G .idueiiUcia] inaduenticia /* iam]
animani CN ubrulueroDt /' obruerunl CA' 17 disf>esitionibu<< nnlu-
ralibu» CA" IM hii'| huius /' li» an huic sil noblli jiarti CA' an
Ril huic jiarti nulüli P 20 suas] «ua>H|uc ^SN ^- 21 securltates]
•eruilutefl PCN 2! omnimodol nmnino CN habeat] habeant N
»ut] iil PCN 24 g^iudia om P pueriiis] principalis CA' 25 antr irra-
Lioiialitas adil ratiunalitas {Unea infm duciaj N deÜrureJ deliberare I'CN
Ad uocem delirare cf. p. 29, B deliratin
14 ^^^^^ Gundissalinus
maioribus A nobilioribus ina^is congruil esse quam minoribus
et igiiol)ilioribi]s, i;t spiriltiiilibus quam «irporalibus. Erit oliam
seeuudum ho*: inist^'a tatitum pars ista nobiüor t^i iiullo morlo
beatificabilis . quonJani niiUa uirtus bi_'atificabilis aut perfectibilis
& nisi ex proprüs. Huic autem sccunilum hoc non sunt bona
propria , qiioiiiam tioii sunt spiritualiu ot nobilitatem eius dü-
ct^titia. R\ oiH atiti^tn, (|uar aiiitiiali p:ir1i rnu^'riinnl, inipr)SHibile
est aliam uirttitem felicitari , quüniam noquH ^'autüum sine div
iicia est nisi in coniU'nii'iilibup, noqne quics nisi in (ine con-
w uenienii, no(|ui' porlbctio ex alirnis, <'um pt-rfcctio t?onim tantum,
qu!u* poli'iilialitrr siinl apml pt-rfc* Übilein , acqnisitin sit. Hoc
etiam contra sensuni ot oxpiTienliuni nostrani est , quoniam de
corporalibus orLiditi et sapientes non t'^udent neque ex eis feli-
citari se onmino existinianl , innno pntius ca dedinant, ronteni-
tf^ nunt, iit nilia, 4't t^j^riuiit, nt iioxia el snae felicitatis inipediliiia.
Veinm i|ii(»tiiain de isfis pliilosoplii rnorales noü expediuenint,
et a sensu accepimiis potius ista* quae Ijona uocant insipionter
insipientes amatores, possessorcs suos miseros cfficere aut mi-
scrian» eoruni angepe: noJunius immorari diiitius in dedaratione
BD huiusmodi , hao una declaratione , quanlum ad instans propo-
sitiiKi pei'tinet, contenti, uidelicet quia possessores reruni isla-
mm eorporaliuin aut atiiant eas . aut non amant. Si non. pa-
laiii, quia oneri et aniiclinni sunt eis et nnlli K«'*iidio; et Ha nou
soluDi non addunt telieitati uoriiiii , sed detrabunt. Si uero
•ih ajiiant ua, per aniorenx i^itur eis imiti et alligati sunt, et propter
1 niaioribus] iminorUIibus /' 2 ignobllibus CN 3 pars ista
tontum P 4 heßHflt'abilis) umficabilis CN quoniain .... beatiflcahilis
Ol» CN 5 Haec J'CN nonj nisi t'N l) — ö propria bona CN 8 eal
0m P aliam) aliquam l*CN slue] neiju« /' sine N ii nisi Id) in Don
PCX nisi (ftoat quics) om P in perPw-ti«! perfecte CK alienJH] ulJis CN
perfecto N 10—11 quao tatUum CN II perfectibilc CN 1*2 nostram]
mBRnam CN est om P 13— U se reticitari M H cxtimant (' aesti-
manl P 15 elTuifiuDl CN 18 incipienles i'S nntt p(;»»e«sore.s adH
et M VJ nalimus P uoiumus N 20 (luanluni om P quam lameii N
21 quial quod CN 21 — 22 Istarum rftrum /* 22 Si non} Si uero CN
23 quia] quuniam CN »uerij oornl PCN et {ante adlictionl) om CN
34 non om PC 25 iglturj ergo CN «is] bic CN unitij omni CN
alligati] afflicti P
t>e immoiialitate animae. 1&
hoc oneri passionuni , quibus illa subiacent , obnoxii. Ainaiis
enim et aiiiatiun uecessario propter istam ainoris imioneiu sie
se habcnl , quoiiiain mnali) ipso patieritp nec(^ssario coiiipalitur
oinans, s\ passio liuiusiitodi m\ ipsuni per iippfrlionsioneiii pi>r-
ueneriL Haue aulem conununioneni. passionuni s^^iücet, ipsiiiu't a
arimtorcs reruin huiusmodi usu sermonutii suorum tristiäsiiiiu
confitentur, dicontes se dfstmctos . adnihilatos , deKrandiiiatos,
uaslalus, exustos, inirninutos, cum res eorurn aliquiti horuiii pas-
sae fiK'riitl. Palarn i^itur est, quoniani ivs hiiiusuiodi tut inist>riis
uiiiatores suos subiciunt , quo! passionibus ipsuc nbnoxiac suiil. lu
Si auleiu ^udia et alia coinntoda , qnae ipsi ab illis spciairt,
tot et tanta esscnl. quol el quanla isla incoiniiioda: tantmti aei-
dcrent felicitati , quantuni iiiiscriae, et e contrario. Idvui i^rilur
, ac si noii nddiTuttir (|uantut)i ad utruinque. ('um i^lur
plura et maicra sint incomtnodii , palam esT , qiioniam ntiseriae is
tantum siiripliciter addunt , et non felicitati. Maniteätiini etiain.
quoniarii appliöitio ad intVriora et igimbiliora ticsccnsio est et
di^pressiOf non eleuatio ; i^t qiioniani per modum anioris est, qui
esil subiectio sponianca et seruitus. ut ipsa sit deterioj-aÜo
eonim , quao sie applicantur ignobilioiibiis et inferioribus se. ao
Onini:^ enini admixlio eIon((atio est ab altero extremorum; e!
ideo adniixtio ista spirituali.s, (piac non nisi ainor est . eloii^Mtio
est indubitanter a nobüitate et boiülale pt appropinqiiatiti ad
uUiunuii uilitalis et depressionis et ita miseriae.
Et quoiiiani de bis alias loculi sunius et saepius loqueniur, pona- a
nius ea^quae recipit oumis sanus intelleclus.et dicanius, qiioniani, cum
sensus habeat seiisata sua et conuenienlia sua,quonuit coiituuctione
1 liOL'l t/m Cy onerij enim /' unmiCN 2enim]eum/' 3 quo*
Diani] quandu CS eompatitur) palilur f'N U uuteni] difiiiius /.' 5—6 ip-
«emet anialor C ipsemet Ainntorum N ii tristisäiina f^ Irititöliiio Jf
7 Je^randiaatos] degfntli**" /' dt'gntliaatos M denrädit''* L' de^raiiilates N,
Voaibuium deyniiuliDare a uoee grandis i. e, magnus tleriuatunt utitfnificnt
rem aliquam maKiiitudine sua priuare »iuf itiinttrem ro^dilere H exuslos om
i'N exuiiya V S* est om VN II coinnuHia] uriiuiiiioda /^ I^-IH ad-
d«real| additoro P 14 adderenlur M Ifi matoraj miDora P aint)
sDOl CN 10 pa»t eliani add citt J/ 17 discessio N et om lY IBqao-
num) quaotum P qui| quae CN Ut ante ul aild in marg, manu» 2
mcesBe est if 22 udiiiixtiü om .V est om C'jV elutigatione N
95 loqnatnur P loqulmur M 26—27 cum sensasj consensus VN sensos
cum P 27 babealj habet CN cotLiuDclioneJ cogniüoDe PCN
illiiminalnr, perficiUir, delectatur, et generaliler omnis uirhis ani-
maliSf simüiter iiecesse est , ut uirius ista spiritualis nobilis ha-
beai apprehensibilia sua et conueiiionlia nobilia, quorum appre-
hensione ilJuniinetur, perticiatur, cicleclelur. Si enint ijfnobilio-
5 ribus jialumliter de huiusniodi pnouisum est , quanto magis no-
biliora non neglexit natura? Nun igitur absque Uluminatiuis ei
perfK:tiuis et deleclatiuis rolirta sunt.
Änipliiis. (.)inm> nobile inagis natuni est applicari nobilibus
quam i^n()bilihu.s. Quod si haec utiius non est nata applicari
Hinisi i(?nobilibus istis lemporalibiis vi raducis, omnino non eril
nobilis, quoniam nihil est cn-alurn proplpr ifriiobitius aul uiJiua
se. Cerluni auloni est, quod omnia haet- uiliora sunt et i^nio-
biUora. Non est ej^o propter haec; et ideo non erit nata per-
fici per ea.
l^ Aiiipliui«. Quod es! nolnliiis, *>t fiiis p*»rf('('tio nobilior; el
quod sublinüus , et eins pürlmtio subliniior; et quod ripirituale,
et eius perfectio spiritualis ; et quod seorsuni a eorporo , et eius
perfectio erit seoi-suni a corpore. Clum itritur ista uirtus e4 in-
eorporalis et seorsuin sit a eorpoi-e, ila scilicet, ul eius operatio
a; nee sit per f«rpus uer pendens ex (u>rpore : similiter eius per-
fecUo nee erit per corpus nee peudens ex corpore; quare
eius perfectio erit abstraela a corpore et non ex corpore nee
per corpus nee pendens oinriino ex <*orpore.
Atnplius. Eius pjopria operatio in scparatione a tor^wre
u et non ex coi-pore inualescil , sicut appai*et in raptu el extasi.
Inualescentia autem operationis , si ultima est , perfectio est
ipsius uirtutis; si autem non est uttinia , appropinquatio est ad
1 el om ('S .1 nobilia) sua C om N cfuorurn| quoniam S
4— r> i^noliiliorilms| iununiliiUhus P ignnbilibiis Cli *i non om P ne-
glexil] ncgligit 6W illuminaliuJ5<] itlumiDaUs (?A* 7 et delectaliuis relicta
suntl relicta sunt el delecLali sunt P et ilelectuti sunt et delecUiliuis relicla
CN 8 Oinne] Esse PCN natuin om CN »jipllrari est iV 10 teinpori-
buB ^ anU oiunino adä el CJi 13 ergti] ijrilur (*yM lmec| hoc C
15 quoiljquoque .V nobiliuse-st CN est o»i .V tfJ et (tiii/« eius) om CNM
17 a corpore seorsum CS et adäidi ex Ouil. Ift erit om CN a norpore
om N 19—20 eius operatio cIu»j om P ante similiter add et C
80—81 et corpore om MN 21 erit per sn-iftsi ex. Guil.; Nil per P, om
(praeter MN) C ante quare add nee per corpus PMCN; om fiuil. 22 tt
DOO] oec CN nee] ucl P 34 in separatione] ex op«niUone M 2n et
non ex corpore om CA'Jf :27 est apprupioquatio Cff
I
irap<
^H poss
m.
I
I
t)e immortaiitate animie. if
perfeclionem. Quare manifestum , quoiiiam separatio a corpore
aut approximat cam perfeclioni, aut inducit in ipsaiii perfoctio
nem : et ila uita est ei non soliiin seorsum a corpore, sed eiiani
perfeclio, quae est gloria uniuscuiusquo uirtntis : ultima, si ipsa
perfectio ultima est, minor et alterius ordinis, si pcrfecliü minor 5
quam ultima ftieril. — Qiiod autem supra inceplmus, prosequa-
miir nunc.
Dicamus ei*go , quod huic uirtuti nohdi est naturale desi-
rierium sibi congruentis et propriae relicitatis et naturalis fuga
soae infelicilatis et miseriae . hoc est naturale odiuin el timor 10
naturalis. Quia i^tur iiiliil Tnistra , niliit olioi^e de liis, quue
naturalia sunt , fruslra uuteni et otiose sunt isli malus , si
impossibilis est naturaliter ista euasio a miseria » et si im-
possibilis assecutio felicitatis huiusniodi: necesse iKilur est
euasionem a sua miseria et asseetiiionem suae felirilatis i&
possibilem huie uirtuti nuhili. Haee autptn si pereimis
non hierit , non erit teliciliis neque a miseria uera im-
manitas. Quicquid enim est morti obuoxium, beatum non
est, imnio eo ipso miserum, quo*l »?xtremai' miseriae; obnoxium.
Perennitas autem non pot(!ät esse pars fi^lieitalis istius, quoniam so
Impossibile est *luo contraria communicare in parle. Sed ne-
que effectus polest esse huiusniodi fehcitatis uerae ac nohilis.
quoniam, si hoc esset, non permanerel cum rontrariu ilMus.
hoc est cum opposita miseria. Necesse igitur est , ut ipsa sit
dispositio, quae requiritur esse in subiecto huiusniodi fL4icilalis, Ja
quoniam nee sequilur eam ut effectus ipsius , nee est de ea ul
pars, nee eomitatur eam comitantia essentiali sine eolligalione
2 eani| ca ({^uod Ugendum cauaa) P perfectiont) perfecUo-
Dcm CS 4 ante perfectio add setiipcr ('S .'» si] setl PCN
6 npra) ef. p. 13 aqq. ij — 7 nunc pro»equanmr CA' persequamur
onoe P S ergo| i^ilur S quod] quja ht 10 «uaej siue
CS lioc| siniiliter CS est addidi ; om PMCN 14 ert igitur
NM U'i |Kis»ibileni| possibile /' 17 uera) natume P om CS 18 bea«
toni| bonuin /■* Ut e<> ot» CS iiwo] ipsiim PCS poul Ipso add esl
CS 2\ est VW itf 23 permanel M 21— 2& disposiUu »iL M 2ü quae|
qni S reqniriturl raiuirit P esse om CS in tiuiusmoUi felicitatis
nbiecto P 2G ea] ipsa CA' 27 commitlentia C eomitentia S
Beitrags IL a. Balow. OnodiMiiliaos. 2
16
<äandissalinn8
correlaiiua — tunc enim impossibile esset, eam esse cuni opposita
niisoria ; necessario autem est cum itia • ; quare ofMsrtet eam esse
dispositionom prnecetlenlein , quasi malerialeni , quam requirit
praeesse in subitflo ret'eptibili felicitalis islius ipsa felicilas.
5 Subiertuni enim oontrariae dispositionis , id est mortale, non
potest esse receplibile huiusmodi felicitatis.
Amplius. Vita uirtulis inlcllccliuae et uiuere eius in
effeclu nou est nisi ipsum inlclligere in effectu; et hoc non est
ei per corpus nee pendens ex corpore. Suuni igilur uiuere in-
1(1 lell(!ctus in effeelu non est pendens ex corpore, qiiia potius de
Casu corporis erigitur et de debililatione confortatur et de de-
feclionc eius perficilur, sicul apparet in exlasi et raplu. Vita
igitur sua est huic iiirluli nobili — immo uilae suae perfeclio —
praeter corpus et seorsuin a corpore.
iR Amplius. Iste raplus et ista applicatio ad nobilia intelÜ-
pbilia aut est uiolftitus aut iiolunlarius Iiuic uirtuti. aut natu-
ratis atii casualis. Et casualein quideni esse impossit)ile est,
qunniaTTi istud est potissuna ac nobilissima eius perfectio, dum
est in coq)ori\ et qim niiixitiie illuütratuT ac repitur genus Ini-
Ä) mauuni. Hcuelationes enim diuinae ac propheliae maxime or-
dinant uitam hunnanam, et omnis ors et saplentia cedit eis atquc
siibicitur. Casui igitur cederet omnis ars et sapientia. Si uero
naturalis est , secessio igitur a corpore et applicatio ad res no-
biles iiicorporales est naturalis huic uirtuti nobili. Nihil autem
25 naturale est noxium aut mnriiferum ei, cui est naturale, immo
salubre et adiutiuum. Seorsurii igitur fieri a corpore salulifenmi
est et adiutiuum ist! uirtuti. Idem uero accidit, si uolmitarium
1 enim] aulcm /' 2 necessario] necesse P camj eum P ilU
om P oportell apparet C wse om C 4 po»t ip«a add enim C
7 et uiuere eius om P 8 pfTeduni f non . . . effecUi om P 11— lOSu
um . . . corpore om CN lü quia] quoniam CN quin P 11 corporis
casu CN erigatur P de (anie delillitatione)] a CN om P de {itntr
defectione)! om CN 13 perfecle P l't applicatur CA' IG p04il aui add
est/' 17 Ei ca^^ualcm quidetn C9se] Ibisse casuiik quidem PCN 18 istud}
illud M \i* maxime om ''N illustralurj illuri'inatur I'C äl et [anU
sapientia)] ac P po^i et add omnis CN 22 uero om P 23 secessioj
ceaaio C corpore) corde P 3ü aut ... et om P naturale est M
26 *< ^ adiutoiiuju P 2ti ligilurj ergu M
be imnmrtiiHUte ftnimne.
1^
I
iMliiralis uoluntalis aut ordinatuo. Oniiie eiiirii, iitinil ex atteni-
(ra huiusmodi uolunlatuni i^st , indubitanU^r utile est uolenti.
Violenliini uoro esse non polest , quo generatilor oou»que ad-
iuuutur uirlus haer, illusiratur alque periicitur. Onme enim
iliolentiini iinpetJitiuum est et noxiiitti rtatiirae, ciii iiiolontnni est. s
AniplJus. Manifestuin est iiirlnlerii isluiii nobileiii aiit e^st^*
daarum facierum , quoruin altem ilUiriiiiiabili« est desuper . a
rebus seiÜret nobilibus. inf*orporalihiis, scilird spolintin a materia
et ab appendiriis ipsius, altera illiiiiLiiiabilts a paHc iiiferiori,
uidelicet corporalium et sensibiliuni; aut («dein est iiirtus et n>
eadem faeies» sed liberum habeiis uertere se , in quam paiietii
uoluerit, et illuminari siue pin]?i sine inseribi, a quibus uolnerit.
Ad utnnulibet autein se iiertat, aii hinten siinni et perIV'cliorieni
snain se uertit. Sed a su|>eriori esl nobilinr eins perfedio et lu-
iiien nobilius. Quauto ergo magis ad illud se nerleril ilüque me »
conitnixerit, lanto amplius peiilcietur et illuniinabitur eopiosius.
(iertnin autem esl, quiwl pirfeelio el illiiniiimlio eloriKant a iion-
ne et perficiunt et illuslranl ipsum ess<*. fU>nuersio i|?it«r ad
ea, quae supra ipsam sunt, pcrlicil et illustrat nirtutem istani
nobilem. Manifestum autem est, quoniam ipsa separat a eop- so
pore et a eorponilibns et (tmiini(fil spiritnatibns sjHiliatis et a
corpore separatis. Palam igitur debet esse, ifiiiii nirtns isla no-
bilis non soluni non pondet ex coriKire, sed etian] obscumtur et
impeditur ab ipso et applicatione sui ad illiid.
Auiplius. Cum aliquid fuerit iiehenienter sensibite, eertum »
1 onlinaUel ordfnato C 1—2 ex allerulraj exallu-ralur CN 2 ao-
lunUtani) uoluntarium CN est om CS :1 quoj quod C'N t^eiiernliler|
naturnliter S 4 ha«) hoc C hic N f» esl om CS est ntolentuin /*
Bmaleriajmahcia iV ii^LhnmCN 10 ei (anu •w\m\tii]ium)om VNM uirtus
eai CAT 11 eademJeasC'iV 13 autem] an PCN 13- 14 uerlm ail luinen suum
e( [perrecjtioDem suam se fiiertit] a manu 1 in mnryinf addita, sed glutinaton»
mtlro »rt, i/uar Miicii inettmi, derisa .i\tnt M W uerUl] uerlat f.'JV sed]
si PCN nobilior est P 15 ad illud] illuc CN uerleritj uertit PS
iÜique »e| atque se illique P 1«» coniuaxit P pcrfirielui] perfl^'.itur P
el| om i* eopifttus CS 17 est et» M perfeclio] perfecta P et om
P eloDgantl elongat P Ifl esse) se P perficiat P iUuslrat P
19 ipsam I ipsa P sunt om P istamj illam C'N 2ii est autem P esl
om N 21 a am CNM et poat spoliatis om N 22 igitur] autem CN quia]
qaunUm CiV isla om C'JV Mi ei] a N '24 ab] ex M illud] Uluc N
»
Gasdnaalinns
csl, quia post sensationwn suam relinquil sensum debiliorem ad
alia seiilienda ; cum auleni alifjutd fuerit uehementer intelligibile,
e contrario se liabf'l, quoniam relinquil inteUectum fortiorem
ad alia intfUigefida. Cuius autem applicatio uel coiiiuncüo
t adiuuat Operationen) , necesse est , ut maior applicatio uel con-
iunctio magiä adiuuet ülam, nisi ftierii operaUo niedietatem Ha-
bens aut harmoniam, quales sunt operationes senäuum. Has
enin» niaior applicatio ad seosibilia. uol ad magb sensibilta aut
laedit aut destruit omnino. E contrario autcfn se habet in
10 intellectu , quia applicatio eius seu coniunctio ad uehemenlcr
intelligilHÜa adiuuat et perficit eius Operationen!. St'd ruins
applicatio maior aut fortior adiuuat aut i>erficil Operationen!,
impofiäibile est, ut laedat aut destruat essentiam uirtutis, cuius
uperaliorieni naluralitcr adiuuat et perficit, luipossibile igitur
15 est lacdi «fssi'ntiani uirtutis istius nobilis ex applicatione sua
ad uelienienler intelligibilia nuda, spoliata, separata, inmio neoesse
est eam ex eonim coniunctione adiuuari, et tanto amplius adiu-
uari , quanto fuerit eius ad illa fortior coniunctio. Certum au-
tem est, quia liniusniodi coniunctio, scilicet fortissinia , separat
M omnino et rapit a senslbilibu^ et a corpore; et ideo manifestum
est, quia id, quod turtutem istam saluat naturaliter et perlldt,
separat eani a corpore. Separatio igitiu* a corpore sequela est
salutis L-l p<*rfectionis ipsius, non causa uel occaäio destructionis
illius aut etiaiii iaesionis.
rv Atnplius. Manifestum est uirtuteni istam non habere in-
slnmientum operalionis suae in i-orpore. Licet auterri ex lae-
sione nicdiuc cellulac capitis operatio uiriulis istius impediri
aut destnii uideatur omnino , tameu uiauifestum est eam eius
I
1 sensationefnl om P hicuna hiante 2 alia] aliqua P 4 aliaj aJi-
qutt r Ctiiue) Kius P 0 adiunat P 7 setiHuuin om P 8 maiorl
minor P uel ... . ticu»ibilia am CN 9—11 autem . . , iateUigibi*
lia om C 0 auloin) qni P in (m X 10 inleUedus N u iu-
wal C ruiusf eius f 1*2 nmiorl minor P 13 eel] esse S cuius]
'•in» P lf> iiliusj illius /* Id nuda om P lacuna hiante 17 con-
itione] rogfiitione P IH fueril om P eius om CM pott fortior
fuerit /' SO oniiiinu] oinnes C t)CDsitiililius| sensibus PCS
ilMi om CS 27 islius uiriulis M 'JH eamj taiu P
Üe immorlaliLate unim&e.
91
IUI
lerationeiii sohim inde aut impodiri aul dcstnii, quac illi deor-
sum est, hoc est a parte sensibilimn. Est cnin> uelul alter
liber eius descriplio fonnanirii sensihilium , quem libruin ofTfrt
uel exhibet eideni iinaiKniialiua. Has i^iUir rutn abstraliere et
spoliart* a condit-ionibiis partii-ularibus non potucril propler per- b
lurbaliüiifiii aul lafsioiifui lurdiar cellulat; , in quam trauseunt
uirtute iiuagmatiua , licet spoUaÜores et abstracliores , prohi-
tiir uirlus ista nobilis ab aspeciu et leclione oaruni; et tioc
est , quoniain media cellula , quae per uirtulem iniaginaliuani
debebat uelut liber quidarii (>ius fiori per huiusmodl, quam di- lo
ximus, inscriplionem » laesione infectionis uel uulneris non est
idonea inscribi ab imagrinatiua uirtute. Quapropter prohibebitur
uirtus ista a leclione, quam faceret in libro huiusinodi, boc est«
ii-oKibebilur ab inteihM.tu ei ratiocinatioiitr stnisibilium, quae per
1 uiani nön ueniebant ad illain. Se<l numquid proliibf^bitur \f>
"ab ilkuninalione sua, quae desuper est illi , et a leotione sua in
libro suo nobiliori et ab irradiaiäone , quae est illi siue a luce
iHnia siue a luminilius mediis luininatis, (|uae uocantur angelj
ctiy Certum est, quod wm; et hoc euidentcr apparel in
melancholids aegris, qui licet prohibiti siiit ralitHuiari de sensi- 20
bilibus istis, tarnen de sublirnibus iiuilta uident intoi*dum et fu-
tura praedicunt quasi diuinautes. In boc ergo apparet ablalum
libnim ralionis rtiscriptuni a sensibilibus, libruni uero su-
perioreni nobilem inlerduni eis esse expositum hI aperlum. Non
Im conlinuus uidelur esse cum ratione uel inleliiiftnitia noslra, ss
pHthi
Hpiian
ab
libr
^prii
Hbn
*
1 aut om CN 2 a] ex N 4 eiderni tdeiti /' f» pntueriL) (wle-
I C 5—6 p«rlurbationein| larbationem P Ü quem P 7 spolialio-
abttracÜoresj spoliatorcs cl abstractorcs /VA' 7—8 proliibetur] pro-
lur M 8 ftost et add a C^' 10 *juanij quem/' 10— 11 di-
clmtis C 11 iuscriptiuneml iiis|>cctloncm C'.V inscriptiune P infectio-
imperrectionis CX 12 idoneus PCN ali) uel iV 13 ii^u om CN
ionej loruiione P 14 ante prohtbeliitur add quod P pruhibelur CK
aliam) aliuni iV ueniebat CX numqui*)] nunquam N pro-
hibctur N 16 lUumiDationcl illa rationo CX dcsuperj super /' et
CX lecUonej locuUone P l'J /ttisi non add est CX 3() qui| quae
2t tumea| cum X et mterdum CX 22 diuinantesl djuinationes
ergoj igilur C enim X Hi apertumj aptum /'
22
Gundtfssalinos
scd quaridnque applicari ialelligeiitiam Uli — aul illuni intellertiuae
uirtuU nostrjie — , quandixjue uero longe fieri ab illo. Cuius rei
quid causae sit, alias disputandnin et declarandum est. Ex quo
nmjiifcstum est, quoniam . si illius partis corporis huniani de-
5 striictiü lioH destruit aul oxslinguil uiilulem isUuu, illius iuquam
partis, per quam uirtus ista et iii qua maxinie uigere uidetur, id est
mediae cellulae capitis destruciio: quanto minus destructio residui,
Si eiiiiti tniK- maxitno uigt 1 v'ms opi>nitio iiobilior, cuiit ista pars
laesa aul drslnicia est, sctuikIuiii quod adiuuabat uirlulem istain —
10 quod manifestum est in praedicto exemplo melancholicorum ; qui
enim alias omnino nihil diuinant, arrepti morbo isto diuinaiil — :
manifestum igiiur est lunc suhliinius et nobilius lüuere uiiiulerii
Istam, cum el sua ipsa portio corporis mortua est. Nihil igitur
ei deperit ex morte residui, quaiituni ad essendi necessitalcrn
i-*^ et nobilloreni operationein suam.
Ampliu.s. Üniiiis essentia eo naturalilor Icndpns et ibi so-
luni naturaliler quiesfons , quo non uttinj^l cori'uptio uel mors,
naturaliter est incorruptibilis et immortalis. Onine enini , quod
naUiraliter, id est nalurali motu, pctitur, naturale est pelenÜ.
») Si ißitiir uerum esl^ quod uirtus ista naturali motu suo, qui est
f'uga scu desideriuin , huiusmodi locuni ueE stalum petat , quo
nee attingit corruptio neque mors: huiusmodi uel locus uel slatus
est ei natiuulis el naturaliter dcbilus; el propter tioc necessario
et oitines dispositiones naturales illi loco uel statui , quare in-
2A corruptibilitas el inunortalitas ; et ila naturaliter immunis est a
morte et a corrupttone. Verbi gratia ignis in loco suo naturali,
qui est concauitas caeli lunaris , incorruptibilis esset , proplerea
*
1 quandcqne] quaado AI JntelUgentiara Uli] Uli, una liuera anttf
gileTü post eram, i. e. itlliä (inlelligcnliuni). omis»o illi Jtf Uli {vmiaso inLelli-
^ntiam) PCN "2 illo] ipso /' 3 quid) quidem yt'N 4 — b ilestrui:üo
noDJ deälructiunero S 6 istal iUa CN id est) et P 8 cum] esl P
)l alias] aliquas V VI e«l igitur iV 13 corporis portio CN 16 ibi]
aibi 2s 17—18 mors . . . et om C 18 iDcorrupübitis] incorporaliit F in-
corporalis uel incorruptibilis ü , quae UrMo orta tat ex «ijK» iiicorLi> ami*ü;uü
et] nel S *JI) Si igitur| dictum C isla uirtus f qui] quae N 22 nee
aUiagit] om 1' rtpntio dccem titterarum non expteto oeque) nee CM
23 naturalis] naturaliter i'NM 24 statui] statu P 2& ita] eUam P
36 a curruptione el morte P 27 qui] quae C propterea] propter hoc NM
De immortaliUle animae.
23
I
I
I
uidelicct, quin ad locum illum nullo modo attingeret corrtiptio.
cum incorruptibiliUis esset de eondicionibus el consequeii-
tibus loci iUius. Verum ibi est , quantuiii est de condieione
loci, et generabilis et corruplibiÜs. Ümnis enirn locus sub coelo
iuiuiri locus eät generationis et corruptionis , quoniam locus est .%
conlUcius et actionis et passionis, ex quibus sunt gcnoratio et
corruptio miiuersiiliter. Quiu ergo locus uel status imiiiateria-
littiii sepiiratoruni spoliatonuii seorsuiri est loiigc a motu et niu-
lationo, quontaiii u niatena ei ab appetidiciis materiae, palain
islam uirtuteni nobilem naturaliter immunem esse a corrupttone lo
et liberam a morte; quemadmodmii omnis essentia, quae natu-
raliter illuc mouetur, ul>i onmia sunt comiplioni suhdita uel
obnoxia, suo ipso motu et iiiL'Unutione el pla^i^a , quam naturali
motu quaeriL se indicat esse corniptioiii nbnoxiam uel subdilam.
Quod si quis dicat , ({uod auima hutuaiia italuralittT mo- i:.
uetur ad corpus, aequiuoce dicit hoc. Nou eniiri mouetur ad
iUud, ul in co quicscal uel ul id) eo perficialur, sed polius, iit
ipeum perficial ipsa coque utatur ad ac(|uirenda5 sibi aliquas
ex perfectionibus suis secundis^ in quo adiuuatur ab instrtitnentis
sensuum et ab ipsis sensibilibiis. Non sie amtem inlelligiituis im
uniniam bumauaiii nioueri in t^uum sursum spiriluale ac nobile,
imruo ut ad locum suae pcrfecliouis ultiniue atque ad stattiin
suuiu nobilissimum. Absit enirn, ut auima humana secuiuliim
islam uirtuteni suam sublimem el ufibÜeni quiestere quaeral in
sensibilibus aut perlici ab eis, quenuuiinoduni aeque e coimerso ts
1 modo] roodonim il attingit C antr corruptio add generalm el
C 2 p«st corruptio adä naturaliter CS cumj si CS cyndicione N
el om CN 3—3 coneequentibuaj . . . tUicnna f» litterarum) sequentibus N
S ibi esl] uM est P adefit C est [pott quantum um M 4 generalis ^
I 6 sunt] ^l FC 7 ergo) igitur ^ 8 longe eal P 9 ab om P post
palam gu/tra iitieum ad^criplum est est M 10 Daloraliltrl natuntli X
13 et {po»t niulu) om CN inclinatione a ttuinu 2 con ex inclusionc M
M quaerilj queritur C corruiitionij corruptioncin f Ift quoü {ante anima))
quia tVV 16 dicit hocj dicitur hinc (' dicilur hoc N 17 eo] lllo dV
IH eoqoe ulalur] co quia vUinur S lü ex] el P suis om P adiuuatur
corr er adiuuuntur M iiJiuuantur P 20 üeDsiliilibusj sensibus /* Non|
i\ec N 21 hutnanam otn P sursum spirituale] sensuiii spirilualeni C
|«c Dobile om C 22 ut om .V 2b nequ«] nee V e conuersoj e^* {quod
' «nr 9oiet e contrario) C'Jf
31
GuDdissalinus
uirtus eius inferior, onimalis scilicet aut terrcnalis, quae est
uirlus eiusdom intima, quaeril quiescere aul perfici in sublimibus,
scilicet spiritualibus separalis aut spoliatis. Non tainen negamus
aliquatcnus adiunari eani quanltim ad aliquain sui perfectionein
s al» ipsis -sonsibilibus et etiani sensibus, quibus utitur ad acqui-
silionern inultarum scientiarum et ad effcctioneni mullanun
operaÜonum.
Arnpliiiü. Oninis uirtus omnino separata a corpore neces-
saricj inconnptfbilis est corrupLione eoqioris et iniraorlalis niorte
10 eiusdein. Siniiliter et omnis uirtus omnino coniimcta corpori et
omnino impressa in corpore necessario morlalis est et corrupti-
biüs morte et conuptione eorporis, Vel dicanius ila ; onmis
uirlus omnino seorsuni et omnino non pendens ex corpore ini-
mortalis et incorruptibilis est morte et corruptione corporis , et
»e contrario omnis uirtus omnino in corpore et onuiino pendens
ex illo necessario morlalis h1 corruptibilis est morte et corruptione
corporis. Quae ipitur eril niediae dispositionis inter pnma ex-
trema , erit mediae dispositionis inter ultima. Exempla liorum
omnium smit angeli simcli ormiino seorsuni et omnino non
so pendenies ex <:orporibus, t?l anima sensibilis et uegelabüis om-
nino iinpressae corporibus et omnino pendentes ex eis. Aninia
uero humana exemplum est medii , quae partim impressa e^t
corpori et partim pendens ex illo , scilicet qiianlum ad uires,
ipins coiiiiiHinicat cum anirna senHii)ili et n^etabili, partim uem
£5 scorsuiti est et abslracla atque non i>endens ex corpore, hoc est
quanlum ad uires suas sublimes et nobUes, quas comnmnicat
cum angelis sanctis sj)oliatis a contrarüs. Igitur et a proportione
1 eius] enim P Urrenalisj bruUlis CN 2 eiusderot eias CV
quaLerilj quaeritur PC sublimibus) sensihilibus G 3 scilicet] sed C
b eliam om P 6 esl om P i*o9t el ntid eliam CN 12 - 11 Vel . .
corpuris om C 13 pogt uirlus add et P ante ex add ei P 14 el (pott
morlali») om N 15 e conlrario] e conuersn N post contrario aätl
omni P 16 post niortalis add est C\V curruptibilisj incorruplibilis P
esl om CN 17— IH inter. . . dispositionis] in margine additu »etl a g(v-
tinatore abvcime aiuit litterae ma {in extrema) et eril et tiunis (i'n dispo-
sitionis) M 18 erit] inier N 18 — 19 Exempla honim omnium] Extrema
in omni hor<i P Exempla ant omnium C Exempla autera omni y in i^unt
om CS angeli sunt M 22 est) ex C SM communical] communica-
ueril C ante partim add el C
I
I
enint aliquoe uires eius mortatcs et iiliquao immorlales; et
hoc est, quod inquiriiiius. Non t^nim cuiilra HHei pielalerii
aut ueritatem est uUuni aul audituiii uul aliquein uliorutn
sensuutn esse morlalem aul extiiiguibilem ; seil ipsani menteni
huiuanam, ut humana est, inoiialei!» esse, hoc uerklicac piae- s
que fidei iiidubilanter conlrariuni est. Quod igitur est in
anhiia liuiiuuia prmcipale ac i)ol>ilisäiiiiuin, oiniiino ininioi-tal« est.
Quod si quis obicial , quod, si i>ars luorlalis aul cor-
ruptibilis, ergo et totuju — qualiler cniin erit dornus incor-
ruptibilis , cuius paries corruptibilis ? — : respondemus in hoc, lo
quia uisus non est conoiptibiüs nisi secunduni hoc, quod habet
corpore; et hoc possumus uowui! adiuloriuiii piLssionuin
idoneilateni instruruentt ad recipietidiis iruiiiutatiunes a
oisibüibus ; uiilus uero iudicandi oiunmo pendel ex essentia
mentis, quae oninino non pendet ex corpore. In anbiia uero i"'
aniniali uisus duabus de causis pendel ex corpore, quo-
niiun el secundutn id , qucnl hal)et a corpore , et secunduni id,
quod habet ab ipsa essentia aniniae iuiiniaüs; el hoc est, quo-
niam ipsa pendet ex corpore. Et huius niodi diuersitatis causa
quonian\ aniina hurnana uires aniinaies habet secunda- *>
, et ideo non pendet ipsa secundmii id, quod habet praeci-
puüui , ab Ulis, iituno e conuerso uires sct:undaria(! peudt^nl ex
princip^dibus , hoc modo sciUcet, quoniain propter illas sunt;
el uniuersahter ueruiii est , quia oinma secundaria el if^no-
bUiora in omni subieclo sunt propter principalia et nobilioro. i^
I moiiales] iramortales Af et . . . immorlales omC 2 inquirimas|
quaerimus C 3 aut] uel C !ilir|ueni] aliijuid M 4 nmriaiem] morla-
lis N sedj secunduni C inentem] mortem C fi huiiiana| humaimm
Cy est] el N om C ante mortat«in adti aut C morlalenij iiiortaiv AI
QeridicaeJ uerae P 7 bumana anima M ac] est C et J^ H quüd]
quia M If ergo] igitur C 10 jtost paries add est C corruplihilis] in-
cornipli bilü C respondem us 1 respundeo /*, om N lacu » a k ia n te
U quia| quod C nijsi . . . hab[el excidit mnrtjine superiorv eUartac Ittrso C
hoc om M 12 passionis C\ U ex| in C 16 aniniali] animalis C
VJ el om F secuadum ... corpore om C idfprius)] idem P ante aiterum
id add hoc C IJ»— 2»t Et huiusniodi diuersitas causa est CK hoc est P hoc
antem «t Jt/. ^»i Hbf um at^ipsit, rj- t^uo I' rt M äenttati gitni, aimfmiuit ad
1. 18: hoc est quoniaiii ipsa pendet 21 habet om VN praecipuum[ principium C
23 e coDuersoJ e conLrurio CNM 23 sunt et om C 2i uerunij nianirestum N
quia] quoniain C 2& subiecto eorr ex substanüa i/ Dobiliora] nubilia P
SR
Gundissalinui
Quantum igitur ad ea, quae uipcs animales habenl ex cor-
pore, in (iintiim pendent ex corpore; qimrituni uero a<i ra-
dices iudieandi, non pendent ex corpore, quia radices ipsae
pcndont ex ossentia aniniao ipsius vieliil radii protensi ex lunii-
■'' nosilate jpsins. Ipsa uero nou debel peiidere ex corpore propter
sua secundaria et i^obtliora , cum Ula , in quantum pendent ex
corpore, non sint ci essentialia» iinnio tanluin sccunduni rudiccs
ludii-andk Contienicnliiis aulcni esl . ul ea , quae principalia
sunt vi riobiliu, Irdhanl ad fortiludiiiem suam secundaria el
Mi ignobilia , quam ut iHa trahant ea e contrario ad inümiitaiein
suani. Et oninino conueniens, ul radii sequantur iucein, el ef-
feclus tjeneraliler caiisaii], non u( trahat illani ad se i*l post >a.
llaec igitur oiimia diciinus, ul esset clarus inlelleclus nosler de
hoc, quod dixiinus, uires auiiuales pendere ex corpore et
ifl corruptibiles iuxla iiitellecluni philosophoruni. Apparet igitur
aniiiKun hnniaiiain jno<liani esse inler aniinas animales et sub-
stanlias angelicas sjioliatas el spiriluales. Et ideo, ut dixinius,
necessario in dispositionibus rnortalilatis el iinriiortalitatis media
est niedialione, quam delerminauinius.
*i Aitiplius. t>iiinc' destnicllbilf non esl deslructibile nisi uno
riiodoruui istoruni : ui<ifiicet aul diui^ione i'onnae suae a niuleria
sua — quod non potcsl esse nisi aut forma nianenle, sicul poni-
nius in honiine , qui inortc , quae est diuisio formae suae a
maleria , id est anitriae a corpore, ita destruitur. quod manet
2& eius forma, hoc (>st miinia ipsa vsecunduiii qnod nos poninius;
2 in . . . corpore om P 4 post animae orfrf humanae CV 5 de-
bel om C jjendet C 6 iti om X 7 sint Guil.; sunl PMCX ei) eis G4
8 conuenietius M quae om V H suam om P Ut trabal P e contrario]
econaerso N 11 Ei om C post omnmo tuld emm C poat canuaniens add
0st .AT sequeotur -V 12 post non a<id e contrario si 6' add e contrario sciü-
cel^ IrabantC'tlraljut ar. efTecius) illa /' 13 igitur] ergo J/ 1 4^«/ uires
0e/<i animne iU animalls/'J/ 15 igitur] ei^ Jf 1(1 esse niediam C'AT 17 di-
cimus A 18 disposilionibu»] ilispulationibus N et immortalilalis om C
in (letermiaamuB N declarauimus P SO Ante Onmc adJ nota quatluor
modos dcstrurtionis ( ', quae tterba ytassae instar in marine antat p<mta
pQstea in trxtum irrepuerunt 21 istoruni niodorum N 21— 22n . . .nisi
om C 22 aut forma manenlej ante formain luanentem C 23 suae om C
25 hoc] id C secundum quodj in eo C
De immurlalitale aniniae.
27
I
I
I
destruitur ül qiiod deslniÜnr diiiisioiu» forinao a rnateria
forma ipsa destructa, quae dt?slrudio proprio uocatui- corrupLio — ;
Äut destruitur diuisionc pailium suaniin intcgraliuni , quem-
aHmodum donius, cum partes eins ah inuicem separantur,
id est ligna et lapidas; aul destruitur destructa suslinenlis *
essenlia; aut dostruitur subtnictionf causae suae» qi^em-
adinodum si dtssipato utre uiniun deficiat aut de^lruatur et cor-
pore dcslructo desiruantur ea, quae in eo sunt, aut soic sublato
di^lniatur dies — hoo est: duolnis modis destruitur aliquiil de-
slrucüone alterius , uidelicet aul quia est ei causa , quemadmo- i"
dum sol praesens diei, aut quia est deferens et sustentans ipsum,
ut matcria fomiae et uas liquonitn ; fjuacdam enitn formae
pendcnt ex malerüs, in quibns sunt, aul t'X subieetis — .
Ouod si quis dixerit, quia est et qniriiiis modus destruclio-
nis. uidelicet proprius defectus , ut Senium et putrefactio: nihil i--
dielt, quia, si senium et putrefactio ad nullum qualuor rriodo-
rum ducerent. nullo utodo dcstruerent. Salua eniin iotiiumliiKie
formae ad maleriam et integrilate atque ciJuiuncUone pürüum,
salua causae praesentia , saJua etiam essentia sustinentis aut
deferentis, necessario salua est res. Gertum autem est, quia»»
Senium diieit ad Hiuisionem aniiriae et corporis, et pidreCuclio
diui-sio est formae a maleria el ib-slnu-lio ipsiüs foniiae. Si
oem dixeril, quia quaedam pereunt sola defectiono, el debUitate
quadani cssentiae suae deMciunt, netesse habet detenninare mo-
dum defectionis. Si onini omne, quod perit , non perit nisi ex ss
debililate essentiae suae, qua scilicet debile est in se el intir-
1 id qnod destrottur am P(* ä forma om PK destnicUo] de-
«Unctione C 3 — i aul . . . c|uema<lmotlutii om P 4 ab iimicem] adin-
uicem C f> el om V Vt-rba aul destruitur deslnicta sustinentis e«sentia
addidi ex UaÜelmu (cf. etiam i\ 10 et 18 et infra p. 33,1); om PMCN
7 «oll ftc A' etom P 7—8 destrualur el corpore ilealructo t/m <' 8 Ue*
itniuDlur C ea) omaia 'V sunt om C ft destruitur '' It aut om C
13 lif|uori y 13 ex om C 15 ut seniuni] ui senum C pulrefactn C
17 ducerentur V destruerentur C Salua[ Salus P Suluatis CN eiiim|
igitur N IH integritatern C '2^) autem om N quia] quoniam C
Stl dncil ad om CN diuiäionem] diuisio ^ 22 et . . . formae om C
23 dixirritj utxerit N quia] quud P quueilaiii om P debtiilatcj delti-
&t»tione C 24 neceesej neves&ario C 25 omue um Cy 2ti debilitate]
debilitalioiM C
GuniliwaliDUS
riium ad poniianenduni : puluni est onuie crealum esse huius-
tiiodi, id est intlrinum ac debile in se et inualidum ad perma-
neiidum, quanlum in eo est. Si igitur scquitur unuinquodque
infuTiiilaiein islaiii, niliU ptTinanobit conmi, quae sunt, cum isti
•^ causa non penuatiendi in oiimibus inuenialur. Nos aulem uide-
mus multa pennancre, et quaoflam aÜis diutias, quaodam uelo-
cius perire. Quae igitur erit causa in hoc, nisi quia propria
iiifinnitas scu dcbilitas nihil eoruiii, quae sunt, per se deslruil,
nisi adiuuetur aliquo modurum , quos nomiiiauinius, aut impe-
1*» dialur conlrariis eorum ?
Kestal igitur nobis inquirenduni , an aliquis dic.lonun mo-
doruni congniere possÜ animao humanae, secundum quod de
ea t)ic inquirinius.
Et de primo quidem modo manifestum est, qiioniam ipsa
IS est pura forma et substanlia inuiiateriata et incotiiposita in se
buiustnodi ronipositionr, quae est ex inateria et forma.
Aut a\ (orte quis bic dical , tjuia est ex materia et
forma: dieimus tanien roniiani eius incorruptibilein esse,
quia non est ei contrarium, per quod corrumpatur, neque
at diiii»>iiuini , per quod diuidatur, neque sustinens , cuius sub-
tratlione destruatur. Forma enirii uirluUs intellectiuae non
potest habere coatrariuni. Si enim baberel contrariiini, non
esset receptibilis ipsius contrai'iac suae nee siiuilitudinis illius,
quemadniodum albedo dod est receptibilis nigredinis neque sinü-
1-2 \talam . . . inliimum om C i2 id est om ^ se et ii]uali|dum
exriäit marginr- suprrioi'e chartaf laeso C elj ac ^ 3 set|uitar ot$t C
unumqwMJque) uniiiiKjuamque N A nihil] uel iV B permanerej uidere C
alia y 7 nisi «m /^ prupriuä A' 8 |>er se om N 9 nunuDamus N
10 ante cuiitrarÜJi add a CS nobis igitur CN 14 quidem] quodani C
quidani Ü modo om N 15 pura] praeuia C immaleriaUj male-
rialiß C incomposita] eomiiosit« C 17 Aul um C est om CN
anUdycimMü add no^CÜ furuia C IHesseorN CM pvatesse add tum PCN
tn (i. ff. tameu) Jtf corrumpanlur P cooperatur C contrarlatur N 19 noque]
nee C diuisiuum] diuiguru N diuidantur P neque sustinens om CS
21 desiruatur] distrajiatur C enim om C inlelletainac uirtutis CJV
22 Si . . . cüntTfirium om C nonj nee CX 23 i|>siu8 om C. Ad uerha
ipsius conlrariae suae {seil. Tormae] cf. 6, '> sua ipsa duraUoae; 22, 13 sua
ipsa portio corporis pogt suae in C a manu altera in margint aääitum
fonnae illius] i.sUus N S*! ueque] nee CN
De immortalitate animae.
Ö9
r
I
litudinis ipsius nigrcdinis; sed ncque etiam alicuius modiaruni.
Quoniam non potest intelligere aliquid, iiist apiid ipsain sit aut
ipsiim aut eius simililitdo: manifestuni ist, qtioniani nun polost
intcHigore contrariiini; quare nw* Imljt'rc, Ornm* ciiiiii, qund est
Uli e i-pgione, inlf^Uigibilc pst ei naturalittT, cum cl itiulto rnai()ra 5
ei sublimiora sint ui intolligibUia. Praclerea istud noii ponit
nisi ipsamet, uidelicet quod habeat contrarium , ot ita ipsamel
poüil quoddam, quod non est ci inlellitfil)ilc. Positio ipilur haoc
dfliratio esl y et ideo ncc contra illatn disputandum ost aiii-
plius; Dec poni etiani potest, quod non potest tntelligi. lo
Amplius. Quernadinoduni uiniis niillani habet contrariam
ei foniiis uLsibilibus, ita intellectus millam ex intelligibilibiis; d
in hoc non oportet nos probationeni aliquani adducere, quonlairi
eadem prorsus ratio in utnsquc. Non est igitur dcstrucÜbilis
per diuisionetn fonnae a matHrla , cum forma eins contrarium is
habere non possit, sed sit ad oiunes Ibrmas int( llifjitiiles, qnein-
adniodum hyle ad omaes uisibil*?s. Qtiare sjiut illa esl in-
comiptlt>iIis corruptione corporali , ita et haec corruptione spiri-
tiiali; et propter hoc multo tbriius corruptione corporali, cum ad
eani propter sui sublimilatem corpivraüs rnrruiftio unii possit a>
attingere. Si enini Iiylen corporum non atlin^it liuiusjimdi cor-
ruptio, nmito minus, quod supra ipsam est. — Vidrlur autem
propter hoc intelleclus inintetligibitis, si se Imhet ad fornias onmes
corporales et spiritualeB in susceptibihtale et se|>arubiMt;ite, quem-
1 «ed om P neque] nee V -l—-\ dii|uiü . . . intelligere
»m C 3 simililudo eiuH AT 3—4 iritL^llii^ere piMesl iV 4 est
itm C 4-f> ilti esl S 5 e rcgione om C ei om C na-
.tnrilit«rl uniuersalitei- M ruin et om (/ et tauten A G sul>li-
Imioral subtiliora ü sint] sunt CN istud] illud P ponit] po-
luit PCS 7 ipsaminel C ita om N H poniL| ponet CS i[urK]-
dam quodj quüd(l»ni /' quiililam M i|Uod (' igitur} ergo CN om P
9 delimtiu] «lecJaralio /Y'. Cf. p. l.t, '^'i pos»unt ilclirare est poni
dispulanduro om CSM 10 nee] uere /' etiam] et /' nonj nee
It bähet om P 12 ita . . . inleUii?ilHlibu» om /' ir> a
C Iß pnasil) [Mitesl S sit) sir PCS 17 hjrle ronUcit Baeurnkfr; jlle
PCSil esl um MCS 17 18 iuforniplihilis) iticorpürales A' 18 cor-
ruptione [ante corponili) or« C l'.l et] est C'.V nttte corruptione add
cormplibilfs C* "20 pml corporalis udU ei .V 21 entinj autem P hyleo]
jlen PM ylero CN attingitj alUngat N 23 ininlelligibitis scripsi: inletli-
Kibdifl PMCS ai om N *J4 et äepurabilitale om C
'te ^^^^B GanHissaliDos
admodum hylc ad corporales. Et hoc quideni multis uisum
est, ul, quomadiiiüduni uisus iimisibilis, et ila de aliis sensibus,
sie intrllectuä inintelUgibilis.
Quod si quis tjuaeral, qualiter (^rgo utsuä corruptibilis est a utäi-
A bilibus fonnis? — respondeinus, quoniam uisus hannonia est, quan-
tuiii ad instrumentum suuin, ei uirius sua ist pro parte in illo ; propttr
qtiod necessc est ilhini deslrui ^leslruclione dlius, in quantum pendet
ab illo. Tnstriimentuni autem iiisus destniitur ab exco<lentibiis hamio-
iiiam suani, hoc est a uehementer uisibiübus. E contrario auleni se
V* habet in intellectu, quoniam intellectus non habet partem deter-
minatani in corpore, quae sit inslnimentum ipsius, et conforta-
tnr et iiiiialescit ex iiflienifuttT iiiiclligibilibus. Forma antnn
intelhgibilis , quae actione sua destnierct intellectuin , qualiter
ageret m ipsum, nisi sindlitudinem suam eideni iniprimendu et
l^ ilhim sibi assimilando ? Hoc autem qiianlo amplius facere pos-
sct , tanto esset intelÜKibilior , et propter hoc tanto ipsius con-
fortatiuum ; et ita per uiani isUim noii solum non dei^truitur,
sed etiani confortatur.
Amplius. Quanlo aliquid est magis intelligibile , tanto est
2ü magis potens agerc in inlclleetinii et magis assimilare eum
sibi, seu magis müre; et hoc est indicium certum uebenientiac
uctionis et fortitudiuis nirtulis agenÜs, scilicct uehementia pas-
sionis, euius perfeclio r'st ultima assiinilatio ad agens. Et ideo,
quanto niaior fuerit assimilatio, tanto erit uehementior actio cl
SS fortior uirtus agens super passiuum. Quare manifesUim est ue-
henientius intelligibilia uehemcntioris et fortioris esse actionis in
intelleclum. Omne autem , quod a uehtunentlus agentibus latnli
1 hylej yle PMS llle C 2 inuisibilisj uisibiiibus iV 3 intelti-
gibilis PClf 4 crgoj igiturC^' est corruplibilis N b est om F ti poit
suum add eni P ei est uirius pro sua parle CN et etil uirtus suh pro
parte tf (juiMl]i{uem C 7 est neeesse CN !l a omC Citiitrario] con-
oerso C autem om C l)— lOse habet in intellectu] sed habet iQlcHcrtutn C
10 quoniam] qui C U post et add luleo C ideo N 13 ileitru^ret] de>
Jilruit CN 14 suam siinilitudinem P 15 asaimilantlo] asaumendo A'
Jfi — 16 possenl C 16 et om CN ipsiusj ipsum N 18 poMt etiam aäd
non deslruilur sed etiaro N 30 cum| cum C 21 unire] uiuere A' et
boc om C 21— 22 uebementiae actionis) vehemnU crmiicciiiis A' 22-23 et
. . . pRssiunis om C 24 maiorj minor P 26 intelligibilia] intelligeoci« N
in om F 11 ^ om C
t)e imniortalitate Bnimite-
St
I
non polest , multo fortiiis a minus et debilius agentibus. Quia
ergo ab intelligibilibus, ({iianluiiicuiiquf^ uelienieiilia sint , conror-
talur uirlus inleH*^ctiua, iioii soUiui non lattlitur, nianilesüini est
a nutlo eam laedt poss^i' pi>r actiunem ; nist furlo tiicat quis,
quoll laesione inslrumenti sui, quemadmodum uisus laefÜ polest »
a non uUibilibiis, sie inti>ll«^ctus a non intc]li^'il)i]ibiif;, Qnod
manifestum est esse falsuni , tum fpiJa inteliectus instruiticnlum
non habet in corpore, lum quia, quod non est intelli|;ibilu, uon
habet fonnam, ncc est forma; oniiiis autoin actio ex forma; et
B ideo inipo.ssibile , ul agal id, qnod non i*st intelÜKibile. iu
QufH\ äi dixerit quis. quia intiJIrctus orunino non est forma nee
habens forniam, et ideo impossibile est ipsnm agere : respondemus,
quia inlellectus in se ipso, in esse suo el in specie sua, forma est.
Quernadniodum huinor crystalliniis aut Spiritus uisibilis in esse
suo fonnatum est , et tarnen ad lucem et colores quodainmodo la
nialeriale: sie et inteUectus ad omiiia intelligibiiia , qaac sunt
Bextra sc. Ncqiie agil, in quanlum est rnateriale, hoc modo, scilicel
Hex flssenlia sua, se<l per fonnam, cum illam fui^rii nenutiis; et
Hest per illam sicut arüfox per siyrilluin , quo foris sigillatur ma-
Hleria arlificiL 3o
^^ Quod autero nequc diuisione partium integralium destructi-
bilis siL, inde manifestum erit, quoniam intollectus ex riecessitate
imparlibilts est. Hoc autem sie cerluni facimus. Si enim par-
libiljs esset, non pateretur tolus siiiml neque a toto simul , sed
Kkparte posl partem , quasi pars intellecti introiret apud intel- ^
] aj el r.V ilel>iliuH] (]et>ililiU8 (' 2 ergo] ii^itarCW inlellrgibi-
libtu] inlelligenLibii» Jf quanluincun({ue] qjantuniqoe V »int] sunt CX
2-3 confortantur jV 3 poit solum add modo P ante est add autem
tCiV 4 cami tani C ante possc u'/rf non /' 5 quod om P laesione]
laesioneiD C.V uisii» in nmrg n mfniu f ,\f fi nou ui^jLiililiusf notii-
rihus C 7 lunit liiinen N 0 nutem) «tut C 10 pont iutpipi-iäihile add
0t Ctf U tlixeril] diceret JV quin ow r\ 13 quia] quod CN
(ante se) om PC 14 Spiritus) species P 15 formaluml fonna Ü
AT et tatite tarnen) om P I« sii;] sil X et] t^ttam C omnia)
17 neque] dcc CN est «m rS IH sed] uut l'M 19 per {ante
rilfilluin)! aul PM 21 iieque a afritndtt manu stiprtt titttnm additnm C
sil II aecuuda manu »upra Uneam addttutn C iude om C erit]
•t /* 'i3 raL-imuH] faciemus P 24 lutusj totaiii C iieqoe) net* C
tt
OundissalioDd
Icctum posl partem, et non totani simu!. Ex hoc autem sequi-
tur continuuin et partibile continue et per partes solumiiiodo
intplligi jx)ssi* et partein hi parte leniporis. totuin in loto, et
inti'lligeiiteiii ouuieni sequi in intelligendo lempus traiisitus syt-
^ lubarum et elementonini seu litterarum, et intelligere in transitu
continuo et non subito ; cuius contrarium unusquisque intelligen-
tium sentit in seniet ipso.
Auiplius. bitellectus sentit se totuni intelligere, quotiens-
cunque iiiti^ligit ; nunquam autem partein sui intelligere et
wparlccn non, ipse testis est, quia totus simul intelligit, non pars
eius Auiv (uiriein. Qiiia erfro Ulud est apud cum et in eo, ei soIi de
lioc crixlendiun e$l. Sicut enim intelligit uiius intellectus, ita et om-
niB — hoc enim naturale est — ; et ideo ideni erit modiu» intelligcndi
apud oiniies, quemadmo«lum modus uidendi apud onines ideni.
1.V Qwoii igitur nwiit intellectus unus apud se de modo inteliigendi, hoc
et OHines inuenire inlelleelus apud se et in se neccsse est. Audire
uuteni continue, seit subito intelligere, omnes intelligenter in hoc
Intemlentes inueniunt. Subito autem intelligere — cunj inlelli-
gi^re non sit. nisi pt»r tmntutationem intellectus — , si inlelloetus
»I pariibilis est t-l eonlinuas. inipossibile est, cum continuunr subito
innimtari iiupossibüe esse iain alibi di^aratuni sit. Restat
igitur intellei'tum impartibilem esse et incontinuum et ideo diui-
sione partium indeslniclibileiii, cum partes huiusmodi mm habt-at.
Ma^ift^stunl igitur est inlellectum onuiibus ntodis de-
in slructionis esse indestruclibilem. Non i-iiim possibile est aliquid
destnii , nisi auf diuisione formae a materia aut diuisione
X anit Ex add Et C autem om PCN 2 et (/toat conlinuum) om P
»itlumuiudo] sublimia C 3 et . . . loto om C teniporis] eorpons iV ante
luluni add qI N A \u om CNü b seu] siue P et om C inteUigerel
inloUeotiue C 6 s« totom om N 9 intelligere] inteltigit P intellecliue '.'
9— tl «l . . . partcm om C II ergo| i^tur f'N iUudl isLud f ei| et
19 est om PM 13 hoc enimj quicuini|ue /' i<li>in om P erit roodas
Ji addiiii ex GuUetmo; om PMCS \lt puitt se add et quod nouit
' hoc om P lü omne '' inuenire iac%tna ttefttrm Utttrarum
t P 17 iDtelligentea Pi.'N post inteUigenter add hoc P
tntti N 18—19 cum intelligere om P 19 nun am NC sit]
li OM C Sit nisi) nisi ml S 20 est [ante et) om P cum om PM<'\
impoasibile add quod CN iam alibi esse C sit] est PS
cuius iV ÄJ- 24 babeant *V 24 est i^Uxtr N 26 aut] in C
. , dioisione om C
D« iiumorliilJUito aiilmne
ä3
■partium inlt'-(fralium aut (Jcslnrctiode deferentis ol susteiitanlis, quos
modos iam remoninius, :iut siihtnu-Hone rausae eflicienüs,
qui est utttiniii^ modus (U'.-jtni«-tioiiis, stilicel qiieinailtiKKUnn de-
struitur ilit*s subtractiune soliy el cürpiis subtruf-tiorio aniiiiai.'.
f Hoc nuteiii in aniiiia hiiiiiana roiitiuj^tTe iiiipossibile est, Mnni- •'
festuiij i->niin Pst, quia rmtura <4»iiliniiu t-äl primae eaiisae aut
eius continun. Qnott Intlr appaitl , ([uia operationr-s primae
«lusae rontimie influunt super naluralia e! super omne, quod
natura praeparauit , sicut sunt esse et uita ; et imposs]l)ile est,
^Kquod praeparatae materiae a natura noti intlual aut uita aut i'^
alia forma a prima causa; el , quoil est maius, semini prat^pa-
ratü aiiiuia jie4't«>sario inluaditur. Hoc i^fitur est manifesluiu
^nndiduiii eontimiitatis siue coiligatiüiiiä naturae ad primani cau-
Hiam. Colliiiratio aiitetii non est nifii ex propinquitate; t?t quae
propiiiqiiiora , eidem iH'cessario colÜKaliora. <Juart' aiiiiua tui- '^
uiaua tauto (•■ collij^Mtior, qiianio ipsu ualurä superior ; tauto
euiin supreiiio propinquior, quanto superior, et i<leo propinquior
quatn natura. Quta itdtur ordinulae sunt influxiones illius sccun-
dum ordim-m propiiKpiitaluni ad ttlani , necrssarin tnaior<>s et
I&iagis contJnuae sunt in ea, quae prupimpiiora sunt primae :o
leausae, quam in remotiora; et si non possunt cessare, quaiilum
kd remotiora, niulto minus in propinquiora. Et ideo tluxus
I 1 ante partium ad<i eius ( JV aulj uel C ante Uestructione add
in C nustentantis] substantis A' 2 reinouiriiusj rememorauimus P.
Diuitionem formae a mutet ia remouU p, 2Njt3 — Hl,20y partes integrales p,
\JJlf~3iJ£3; dettructionem defrrentit ft »usttntantig perqntim Uuiier p€t-
ttnnxit p. 28^ 3 qui| quae AT uUimus] utrum /* destiiictianis)
difllefi cuoimunis I' scllicct om JUCS 4 sublrnitionc (po^t ilieslj sub-
ftionis P fiubstrni'tionc C ^ubtraclionf^ ({wut t^urpus)] Kuli^lraclione C
iinpot»ibile est contiiigere CW^ liest om C'.V qulal ([uiHi /* natura)
Lurnliler C natural] N etil om P 7 conLiDuatione f.V 7—8 caa*
iniae /' II praeparauerit 3f rt, ut > üielitr ex cömpendio, N et {poBt
vm JUS est om (.'.V lo inlluenl JV II fürnu alia C\ a
prima cauf«) apud eain P et om C\' post inuius atl'I ut CS l'J in-
fuoditurj inrundalur MCX est om C manifestum est .V 1.1 in-
diciom 0*1 y poiif iadicium add etil C siuej sino A' Ib eidenn
neceMUirio] nerestario eiilein N uet-essariu ois C ooltitfntidmj culligaatioru
P 16 cülligaliorj coUi^anlior/' 17 |iro[Miu|utür omC 18 quam] qunii-
tam CV influxiünc /' ilhusj istius C lt> maiorcej minores /*
21 in om C
B^itrftg« II- 9. Bulow, OandiMnliDiia. 3
uitae et aliae naturales innuxionos multo fortius in animaiti ra-
tionaloni inc^ssabiles ei continui, quam in natiiram. Palam
igitur est aniinani rationalem isto ultimo modo non posse mori.
QihhI si qiiis dixeril, qiita <;onsi>(|iieiis est 4'X hoe, iit et aniiiia
A sensibilis imiiiortalis et iiulefectibilis si\ , jjus iani res[X)ndiiims
ad haec in liis, qiiae prateeäserunt, ubi dixinius, quofi ipsa pen-
det ex corpore secundiim onincs nires suas; et haec est causa,
propler quam rnoritur (iiode corporis.
Non iivorilur ergo nee deficit ex defertu defluxionis uitae
lu in illani a priino et uniuersali fönte.
lam eiyo priiliibiiiniiis ab aiiitna ralinnali secundum
id, qiiod habet snblinu*, nobile uc (iiuiiuiin, uiiines modos cor-
ruptiouis atque defectus.
Temptennis aiilem et alia uia declnrare immortalilateni
ir. ipsius. Diceiims er^'o , qnia sensus non applitatur sensatis abs-
que asHiiiiiliiliotX' siii ad illa, iit lacliis ralidf» absque calefacliotie
et uisus lucido ubsque illuininatioiie sui; inteUeetu>i iiero e con-
trario se habet in hoc. Cum eniin seiUienles ealidum neces-
sario cnlefiiinuis et sentientes hicidum necessario iliuniinemur,
^MulelligeiiteK biiiK-n ealiduni nuljo mu*\o caleHiiiuSf neqiie ititelli-
gentes coloreni uUo modo coloranair. (JuJa ijfitur mdla est pas-
sio, nisi per applicalionem siue eoniunetioaem agentis ad pa-
tiens, nullaque conuenicnlior eoniundio, nulla uohementior apH
plicatio iiUellectus ad intelligrbilia uel sensibilia, quam inlcllectio
£& ipsa eorum , quemadnioduia et in sensu se habet , quia nuUa
maior aut ueliementior appbcatio eorum ad sensuni , quam ipsa
eoruni senl it io : manU'est um est int ellectum impassibilem esse
1 innuxiünes naturales P "2 po»t continui odä sunt CN 3 jgitur]
ergo C est um CN tslo] in CN modo ulLinio N morij moueri /*
4 Quod] Sed CN ei om C 5 senaibilis] insensibilis N ante immor-
tuHsut/i/uel CN JnJefecliUilis] in(leslruclibiti.sC*J\r sU] sie N re:<pondiiiius]
respondenms P Ö haec] lioc PV praecesserunlj cf.p. 9,lti 8qq.m,14.H4. S5J58qq.
ubij ut C H ex] neque P \\ ergo) igilur M 12 nobile om /' acj
et N om C 14 alio] aliqua P 1& Oicainus ^V quiaj quod P Iti ca-
tefaclione] tali factione N 17 ueroj pro P autem Af 17—18 ae h&bet
fl conü-arto C 18—13 catidum . . . sentventes om C 20 tarnen] enim P
calefiemus A"^ calefacimua C neque] nee C'.Y 3t uUo] nullo CN 23 nul-
laque] nulla P 24—25 ipsa intellectio CA' a'i euruin] earuni PCN
2t) earumj earuni A' 27 scntitio] sensalio C
De immoitnlttutc aniinae.
a->
naturaliter aut saltem illaesibilem a senstbilibus, et ideo inexusr
tibilem et insecabileni.
■ Ainplius. Aliu diuersitas, quam supra diximus, est inter
sensiim et intclloctuiii , quia, (iiiaiih) nliquii fueririt nia^s sensi-
bilia , tanto [»lagiä taedunt soiisutn ; (jumiiIo iiiiti'iii ui.'ht'riieiitiiis 5
inlelligibilia, tanto ma^s deleclant et conforLant intoUectum. Si
ipitur ab his passibilis est iiilflloctus^ iion est nisi conforlabilis
»et dflectabilis ab illi^.
AnipUus. Manifeätuiii est, quia, quanto plura et inaiora
ei pluries intelligit uirtus inteJlectiua , tiinto est ad intelligenduin m
expoditior, capacior et fortior; e contrario antem se habet in
sensu. PaJain ergo , quia non habet Hni?in in operationo sua ;
ultra tineni enini niliil pott'äl ({iiaLruiiqiie nirtiis. Otnnis auleia
uirtus, quae non liabet tincm in opcratioms nou iiabet fineta in
tempore. Virtus ergo iiiU'tU'etiua non habet linem in tempore. 15
Omnis enini uirtiiä infmilae operalionis est infinit) teriiporis; in-
finitu enim operatio non polest perüei in leiiqiore linito. Si
B^rgo Uenim est, quod eins Operation! non slt finis , ultra quem
non extendatur — uerbi gratia, si aliqnpiii numeruni intelleclo-
rum aut aüquani niagiiitudinom eorum Iransire non potcst — , a»
quia igitur nulhis est ei finis buiusniodl : manifestinii est operu-
Hüoni ipsius non esse Hnem; quare multo fortius niHfue uirtuti.
Si autem uirtus intmita est in o|>eratione nalniiililer, multo for-
tius et in duratione . sicut apparet in uii-hite motiua « cui , si
non esset tenninus aut flnis in operatione , hoo est in mo- •*
Biiendo, ntillo modo nee in essondo, nee in durando. Causam
^P 1—8 inexusUbilem] inextinguibileni C neqae exlinguibilem ^V 8 et
om FM 3 Alia] ll!a CS diximusj cf. p. 'M,8 4 magis fuerint CA'
7-8 (ielecUbilis cl confürUibilis M W est om CS *•! «»1 N maioraj
minon. /* 10 pluries] pluren Ü iDtelÜKit in marg. add a manu 8 M
■ Ij quia] quotiintn t* 13 enim] i.] est S 14 ante non add sua C
15 ergo] igilur CS 17 pei-ficij tiniri f'.V 18 ergo] i^iluf (' opcro*
Uopi] operalio C operationis A** sitj est CA' anw ultni uäd uerbi
gratia C quem] quam N 19 exlendilur PCS '. uerbi gmtia Uic om C
211 »orum] illorum CS om P 21 quia om 0 et om S 211—22 ope-
nitioiii] uperalioniä C 2*2 neque] oec MC uirtuti] uirtulta C 23 SI
aatem] nani /* est inflnita S 24 in {poit ül) an» PMS 25 ante Don
atf(/ «tiim P ä6 rausam] cum /'
3 *
86
CuiuJiflsaUnDS
lemiin Tnaiorein esse effectu ex omnibus motJis oeresse est; «I
ideo, si operalio non ßnitur uulunUiter io tempore, neqoe uirtiB^
QiKxl si quis dixerit. qiiia quaelitK't operatto inteUedns, id est
guodlitwt eius md-lli^en*. rmituni est , stfi ipsiini inldügov das
A siiiipliciter infmituiit : Dibil dich , quod »buiet , quia airtns inAcl-
lectiua non est propter hoc intelligere, sed propter inteSecfe
siinplieiter; ei hoc mtelÜtfere esi sicui pars quodaiiunodo
quod e.st intelligere siinplieiter Qijeiiiadnioduin i^tur efsä finila'
si( •seninduiii teiiipus quaelUM't i-aeluniin reuolutio aut quitibet
j„ eoruiii motus, non tauten ideo inotus oaeloruiii (initiis siinplint«^
aut reuolntiones eoniiii siniplicitcr nunierabiles, e\s\ quaelibrt
earuin niunerabUes :^int : sie so liubel et in inlelleetiua uirtute el
eins operatione , qiiae eins operalio potent dici siiiipliriter. Si
enim determinatum haberet uirtus, quae mouel primum caehun
,j seu quodtnmque aliud . quantuni et quoliens moueret . et hoc
detenninatuni haherel rmturaliler: ne<essario finita esset »ecun-
duni teinpus lain ipsa quam t'iu:^ optTatio. QuIa igitur e con-
trario sc habet, necessario utraque iniinita est secunduin lern-
pus. El ideo in uirtute inlellecliua similiter se habere necesse est.
jy- Quod si quis dixerit, quia finis operationis suae est uirtuti
intellectiuae in hice prima , quiu ultra eam non est , quod intel-
Hgat aut noKse (|uaerat : non obuiat ei, quod intendinius, quo-
niani (ineni istuni manifestum est esse infmitum ; et ideo non
ponit o[>erdtioneia uirtutis intellH'tiuae ad hoc terniinatani.
X esse rriAiurem N ex] et in C'.V 2 in om Jtf 3 si qnts . . .
qu(aelibet} neeiäit margint »upetiore ckartae hno C quia] quod A* io-
tellcctuij intellcclu agere id e»l plurihus C id est] ei P omC 4 (quod)lit>et
. . . intelligere exa'dU margine tvptriort eliartae laeso C est fioitum .V
eius inlellnjere P l* (HiiiplicOler . . . Di()iil) txciäit utarg. aup. charta*
lafgo C uirliiK om P <> est om CS 7 quodaminodoj quod modo X
*.\ caeloriiiiij tuloruiii IX' reuotutio om P 10 molus caelorutpl caelorum
ntotus N rolorum inotus C Il~-12 eUi . . . numerabiles om N 12 oa-
iiierabilcs! innumerabiü» C sint] vli C et om 3f in om C 14 cae-
lumj cellurn C 15 seu] te P quodcunque] quo<ique «Y quanlum) qua-
liltrr CM 16 17 »ecundum om V 17 tempusj tempoie C lU ulraque]
utrlus P utraque uirlu» A' infitiita estj Hnila est C finita {om est) JS' est
infinila P 19 tiaberej haberet S 2U uirluti] uirlute S 21 lucej lu-
ceiu A' 21—22 iulellt^U C 22 nosse] uoHce C nun] aut i^ noo ob-
uUt om C 22 -23 quomam] quia C 23 et om P 24 ponit] potuit X
liocj bunc C huc NM
De immorUlitate aniinae.
37
Ex hoceiiainneccsscesi ipsamesseii!iniorlali.'ni. Sienimquios
eius et perrcrtio ultima in ips^i iiita ^ iriiiiu» in ipso fonlf^ uitae
est, ubi noii appropinqiiat mors neqiip defectio iilla: manifestum
Iest menlem huimmam illuc iinluraüter tcndcre et quicscure, »bi
est uilac imlefeclibilis continiiitas et nulla marti viel defcciioni ä
accesäibiliUis , nullis passlonibu.s aut laesionibii» adttus. —
Ad hunc autem finem rI semel peruennril, impossibile osl
illam inde de cetera separari. Qwod indt- manifcKtum csi, qviia
ptT natiiram impossibile est oani ad oppositiirn ijiukUuihiub
B luoueri. Impos-sibile est enim naturaliler illiquid a loco suo na- lo
turali moueri; alioquin nee moueretur ad lUum naturaliler, nee
quiesceret in eo naturaliter; et itu non esscl ni locus naturalis.
Ei accideret enini illud, habere duos opposilos iiujtus nuturaliler,
B et ideo duas opposilas naturas , ciini uriain inipossibile sit in
duos fines moueri aul duos contrarios moius etRcere ; et hoc lä
est . quoniam principimn est per se natura niotus et tpiietis. —
Volunlarie autem al) ipso foule uilae et ^'andti et t'loriae illani
separari, immo ab otiuiinioda plenlludine desiderabiliuni snorum,
quis non uideat esse impossibileV — Violeiiter uero inde abrumpi,
ideo impossibile est , quoniam illiu uiolentia locum habere nou 20
potesl. Cum enini a se ipsa et ab bis . quae inlra ipsam sunt,
»tanquam ab inferno superiori et inferno inferiori erepta totalitcr
in fontem bononim omnimn quodaniniodo mi^rauerit, hoc est,
cum fons iUe totaJiter illam in se ipsum solum rapuerit, hoc
1 hoc om P quies om C 2 et om V ipsa um M 3 neque]
DM C 4 esl om C mentem] uttam C Wlae] illic P 5 nulLi] uUaC
inorti oel derecUuni] mortalis deffeccionum C t> nullisj in Iltis C aditua]
atldtlie C 7 est 01» Jlf 8 inJe de celemj de celero inde X inde'om P
10 enim e»l M suo loco N 10— U aaluraliter moueri PC moueri oa*
taraiiter N 11 alioquin] alio quoniam N 13 in co naturaliter om C
tiaturalisl naturaliter CVV i;t ei om MPX enim] etiam P illud)
istud P 14 unanil unum (' enim P 15 mouerij mouere MPX IG esl
<»nC per se nalura est X 17 gauJü el uilae CX ante et gloriae näd ei
KAudiJ X illam] illa C 16 separarij Sfierari C ab om M lH esse
■mpossibile om PM uiolenier) utolente PC uero] uerura C inde)
uide C lÄl est om CM illic) illa C uiolentia i uioIenLum X 22 au"
periori *m C . ante inferno ndd in C lotaliter] naturaliter PX 23 fönte
P mi(rrantem /' 24 cum om P ipsamj ipsnm PC solum om X
r^aeritj rapiunt P
36 GundisFa'inus De immortrtlilate animae.
est, omnes cogitationes eius, omnes alTectiones in se collegerit
el in se traxerit: totaliter illi uiuet et totaliter ex illo.
Quod exempio naturalis amoris euidenter apparet, ubi mens
amantissimi patris totaliter uiuit üliOf et totaliter cogitationes
s et affectiones omnes et operationes eliam forinsecas amor
rapit in filium , et ex illo totaliter uiuit interius , dum ex
illo totum haurit , quod cogitat et quod gaudet et quod ttmet«
et gcneratiter omnes cogitationes et affectiones suas haurit ex
illo et finaliter refundit in iüum; sie est et in uita beatitudinis,
10 quod mens totaliter in deum rapta et ab onmibus aliis erepta
totum, quod uiuet, ex ipso solo hauriet et totum refiindet et
eructabit in ipsum, quoniam uita in apprehensionibus et af-
fectionibus totaliter consistit.
1 esl om N 2 traxerit] contraxerit N illi uiaetj illnminet P
uiuet C quo(1| qoodam N am P 3 natnralisj nuturaliter CN Post na-
turalis add aut etiam (est C) turpis PMCN, quibua uerbta, cum et a GuiMmo
abahttf neque in eis , quae insequuntur , ad ea respiciatur^ »cholioH conlititri
haud dubium est ubij an utf 5 et om M omnes om P eins M etiam]
etiam sie N et »it C G illo] isto N 8 hauritj anxit P 9 et {pf>$t illo)
om C 9—11 in ... . rerundel om C 11 quod] quoque N 13 Post con*
sistit add Explicit P Amen C.
APPENDIX.
GUILELMUS PARISIENSIS DE IMMORTALITATE
ANIMAE. '
Vw I Nosse autfm debps ex aliis, quiu ijualuur »et qaiitqite modis bumanis
ronsulilur errorihus. frimn quidem sensu per cxppriciiLium. Secundo uero
po«na |>er logem pitnitiunm et ab errofibiis retrnctinam. Tcriio nutrm (ilulo-
Sophia, hoc rsf ppr probationeni utdidum, Quarlo per aactoi'HtJtem fuh
fiignam rt ah nurtorilntr.^ aiiie ab huininf aHclorisahUi ' Iraditaitt. Quinto 5
Qutem adhur altiori mofiv^ scUirel per niam diuinnni ufpott per reuelatioDcm
aul per* proplietinm itW per^ docfnuam hnmediate a dfo trnditnm. IIa»
titim guinqur itiag tfiutti tjuint/uf dhtina ntfdi'eamiufi rt darißctitiita callyria
eo*ttnt' cafritntem crrorum oc Kpirilnalium contnUl uofn'n pietng diiiina.
In quo ^) upparct , quam noxiunt el quam perniciuäuin diuina honitas lo
rvpuUuerit errorem fidti et morum, et" maxinie etTortm illum, qui est de
mortalitate " natural) nnhnarum rationaUum , quoDiam sciliret error iUe de-
struil ruodamcntnin hnnesUli!} el religioniü lolius. Quid enim restal anima-
t<Ud dirKdenlihiir; d« immorlalitate sua , rutu nuüa sit spes uUac allerius äl
ideo nee ait a^a nhlineadae uerae relicitalU Itducia, nisi otrtniuiii prostiLutio 15
uitiomm? El ipsa rtiam honeslas quid aliud eis quam dementia reputabi-
lur? Dum enim se uident Traudari '" praesentibus delrctationib'ia el aliiis
non " exspectant , nullu mudu »uaderi pobril cip , quod aliud ait honestatis
[ ^. t persoasto quam imperitorum " decepllu; et Ipsa professio laudabiüum morura
J?: cod. l'rnrrBensia hibl. reg. 21H6H. — «: ed. princep»^ Xurenbefffae
14Ö6. — f; ed. Venrta 1531, — a: fd. AureUana (Parisinn) 1674. — p: po-
gteriorum rditionum (Vettetae et Aurdianae) congen4fU8. — c: commaniit trium
tditianum con»eH«ufi. — Quae ('Utlefinu» aitt Guudissalini uerbis addidtt, aut
MuU uerbig reddidit, Uttertn qua» Italican dicunt imprnwa Kurtt,
' Incipit trartalus. W. parisiensis de iirirtiurlalitale anime B Incipit
Iractatus {turlheruii parisiensJs de iinmortalitate anime n Incipit tractatus
Guilielini Parisiei). de immurtalilate nnimae. dp. Vnicuni r * iiuclore c
• ouctoriuihiii p * per onf c * per om c ' qua n ^ hac tt hoc p
* tt om p ' GuHdissfilfn. de immorlalitatc, At etiam iUitd de mnrlalitale
c^pticari potrit. '• defraudiiri H " a!ms ex non It " iuqienttoruiu f
^0
Guilelnut Paristenni
rrft d«r«plorum rfeuiamentum '. Kx quibus oritur remm faamanamm into-
Innihjli« |K«Huittiilio, uitde no mvMrm ccinfuiiin et exlremum malorum omnium,
rivtitoriH $%itfctt uiidneiMima rxhunurutio. Mento igilur ' Um nosio nron
1a( iTioiltfdriiffnla i)p|)0»uft üiuinu niJMmtio, al lex p^^r poenns medealtlr*
A t!uiituiiiu''il>iiit el pliiluHuptiia [wr prulmlioitcfn ignurantihus et prophetia p«r
raiiplatliiiiKni nciifttutum ' iliiiinaiii ui^nernri unißiiljhus; sen^us iiuuijue ipmm *
WHimarHHi ifitmortnfituttut oxpftiit uoletitiliUR ", non suluiii testimuniu acceplu
A roNuruiMiUliiiR nt aU ■llcrn uU» redeuntihus, seü etiam (estimonio ace*pto
all iptlii uniniuhu» auis ite ipmi cl ^ a corpore el ab aliis rebus nbstraher«
|(> iiiitoittlliUH*) vt üi\ M-tiK't-ipsuH HO i'uMigentibus. Hac eniiii animae nie reuer-
Itiitr» itlt" r-riffionhuH ad §r ipnm , »irut fUcit I'fato in Uhro de imMurtnli'
tatr anim*t« , imlul'itniitor acnlliint Hcorsdtii se cssp a legione mortis, et
ft^t)i>ttriiitt contliiuitutem sunm rf comunctiomun ad fontem uttae et nihil es»
Inlprpohilitlo litti et fonli uilae , quoi) IIuxuiti ullae super ill«s impediat et
15 aueilul. SchI lata oxpvrtenliii unimnhus. quat in senaus et in sensibilia efTu-
i le »unt atquo " iltaperRao ut in curporihus pruprüs sunt incareeratae . esl
(Jualitrr nulem huic errori philowiphin probationibus " ancfonVafuw
0i i>fif((iMMMi octurrni . dncore in praescntt tcmptabimus. Xam auctoriiatev
to n*Mi HC nttei'it letttttneitH rt ori^inathim mnctorum rt exfierientiua »cripta»
IM 4i«i9fa ttMti iirtj/orii jm^Hte rt in «i/m« (viwmilihH9 , tiwia de fact'ti pth
hf^itt** nh mÜMt inttmiri , iWro *' adponendum kic*^ mon laboramus, quia
•MMI *' miNorMM '■, Ad A{ifO fiyo 9¥Ht nuciuritatr*, rt primo A ristoteti»
V^dlH'tmH»** im «ertiitdo tir ttmmu rtr,** Krurritr« ad ^Haternym diftputntum
pf9 mm<i*rit%ttihm*.
El Um ii»»ti ft ihwlriiui lü^ir««*', «jula sjrllof isoiu« " non est demon-
klmtio, Bt»i tum fuvrit rx prviprii». TranAcendenti« enim el exlranea, cum
•|t(aU "* fXwriQt iitiu-)u»ioiu , ctiius r«rtiludo nobis quaerttnr**, apUU lo*
9^«Mi cvnipIrxH'n« rt onüiwltonr ** Mllofisik«, ncahrMot** Dobis scieotiam
dMMMtmtiuaon. HuiianuHli tam*pn »ytkifismis ** inperitia «t defectos et »• >
««(«KMCttttl» ^ ()UiK)uo uutdit urnUli* attkUlM cof it boq es» rootento«.
ft<Hll ^««A iMltttow CfMiorb M tttdicium ruturam rardkcn pro-
U>l»>to ia—niiWteUi mImm Im—»» dhw ik« priau . svd ule aos alii
j»y«tfiMf«ak« trtfrit /Vtrw» ti^mhttm «mra J»i'w»» —ay— m ■»'■■■ «i
* iami»n4w • «Mdwvtwr v wKkarvMr •
*«M»U«M.t<» "^««K » fwfcabiaiB » ynihanin«a ^
RMft it «kau»«»» *^ M» «NB Jl *■ ■ili'^Mi Bmtm
De irnrnortalitate animie.
!>n uiuorel, uant! hie et fni.«tra deo seriiiretur, cum in uiU isU d«! cullus
religio {iliirimum sui « tormenluTn habeat et afnirlionem , et pQsl uitain
Btati) Dulla sil fulura eius' remuneralio, quta ncquc ulla esi uniniae huma-
■e po?l uiLain isLam^ Sccandum hoc * ergo utilius e^sel animao huinanae
gare dcuiu omtiino nt omni iiRDi(at) el uutuptali ae pfosffrnrre , quam &
RDcte ac iuste uiucie el crefitureiii debita bonuriAcentia nl üeuotione colere.
Si enim curat d^ius cuUores el ueneralores suos, ubi et-go eius potenlia, cum
nee in uila isla proplcr hoc sit eis deterins, qui tum colunt , nee in aUa .sit
eü melius, qui ealunt*, cum alia uiUi oon sit futura post istam aeaundum
trr^rtm, qui dicit tntimam humannm cum corpore moriturami' ifl
Si autem non curul, ubi er^o est sap^entia eius aul bnnilas? Aul enim
ignorare, aut noti amare uidetur amatures »uos eL ueneralores; quoruin alle-
rum dedtruil eius «apientiani , allerum uero bonilatem. Haec* i|;itur * est ra*
dix ad praewns prima, per quam conali sumus allquam ^ aniniäe hunianae
^^ttitara * osletidere esse \h>sI isUim '. 15
^B Alta radix est ipsa dei iuslitta, qua posita necesse est esse futuram
ludicium , quoniam in hac uita nee mal! recipiunl''\ quod merentur, nee
boni, quia scilicef malis hie bene esl et boais male. Vbi ergo ftrt iostitia
dei. cum ulrique, scüket boni et mati, contraria nieritis suis recipiant in
liac uita, »i post uitam islam '* non est futurum gmemlt iudivium , quod so
ullque non esi , futurum, si nun est ulla " pnst istani iiiYitm "V
i^-4 Tertia autem railire ad id ipuuni, aliam aciitcet uUam oatendendam *^t
ulimur. qnae est ista , sciUcet quia omnis iuslitia perfecta exit '* in iudicium,
quam *" iuntHiam nee ignoranlia merilorLitii neque clifücuUas aliqua aut im-
possibilitas '^ rctributionis prohibeL lustitium autem diuinam ahijuo isto- sa
rum '■ prohiberi uel impediri impossibile est. In iudicium igilur "* p^r/Vr/um
atiquando illani exirc necesse est. £t tn hac uita non exit". Kxibit igilur"
^^ost banc.
^B Hac eliam quarta radice *' uti consueuimus ad idcm oatendtaduni,
scüicel" quia sapientissimus et benignissimus üeus a]iquid ** melius prouidil 30
electis suis, quam isla uita liabeat, cum ipsa diuina sapientia duce quicquid
habet uita ieila et ipsam etiani uitam eUcii dei fx consHio ipnius dei con*
lemnanl , sicut pafei Ugentibus runuffeliu et rpisfoian el totum urtus et nouum
temtamentum , übt uijtlur de coulfinptu mundialiuin. Quapropter sapieates
PlBaxime Inuenirentur " errüiiei et ipsa sapienLia duce deoeptisaimi , cum to- 35
ttim bonum suum contemnerent et abicerent; suli uero mali »apienter htc
uiuerent et caute agerent, cum ip^i £<ili bonum suum bic «[uaerercnl. Hcstat
r * stbi p
colunt am p
* eis ^ * istam uitxim B * haec e:
•' ergo It ' f!uitdi»8(tiiH.: aliquando
' nee in alia . . .
" humanau uiljte
animam tt aniniae bumanae animäm uitae 11 " post istam add uilam /t
recipient II " islam uitam li "st non est uila om c ** uitam
«m c " Tertia autem radix sciJicet ad ipsam uitam aliam scilicet uitam
ustendam B Tcrlia autem radice ad ipsam aliam scilicet uilam 05lendeuda,m
'* erit a '" quando H
»" exiit c '* ergo /;
aliud c " inueniuntur n
'* pn8.sihililas li " ii^tarutii B
ergo
" ralion° li '" GurtdiseuHH.i hac uiilelicet
ti
Guilelmu» Pnrisiensis
ergo', nt aliquid' melius, quam babeat uiU isla, electis suis et' cuUoribUfl
dens prouideril'; et hoc* non in iiita isla, quoniam nihil melius est in nita
isla*, quam haheat uita isla'. In alia igitur; et ila" alia esl praeter istam,
saltem animabus bonorum. Qtiare et animabus malorum, quoniam si nihil
!> deterius praeparauit deus animabus malorum, quam habest uita isla, tunc
non solum impune malt sunt, sed etiam ad rommodum miuin mali sunt, quitt
teilicft in uita ista maiii» bonis lempurafibuit iitiiittut' et a multtH mali» tfm-
poralibu» liberantitr procttraitt« forum nequitia. Ergo «i non nt ntia «iM,
melius est maWa pro propfia ntquitia, quod quidem" apud nuUam rationnUtu
10 mentetH susLinebtt ac([uitas diujna.
Nunc autem ex proprüs immurtalilatem eius astruere temptabimus.
Primum igilur ordinabimus radices", qua» a phttosophis acrepimus ", p.s
Quaruni una haec est ".
Umnis »ubstantia, cuius operatio non pendet ex corpore, neque eiu»
IS essentia peadet ex corpore. Liberior cnim dcl>ct esse eäsenlia quam operatio.
Cum ergo operatio animae humanae ** , scÜicet illnd '* . quo brulis antecelli-
mus^ ut est operatio tntellcclns, non pendeat ex corpore, noquo eius essentin.
Est " igitur '" scparabilis " a corpore nnluraliter et uiuens praeter corpus.
Amplius, iuxta eandem rationem. OmnlH uirtus. cuius operatio im*
») petlilur '* a cor|>ore, eius esse uel '" essentia non pendet ex rorpore. Palam
autem est ulrtulem inlellectiuam huiusmodi esse, quia quantu niügid corpori
se '^ miscuerit, tantum etus intelltgere erit obscuiius et tardius et erroribus
admixlius; quanto aulem a corpore phis se " elongaucrit et abstraxerit,
lanlo erit aculius, clarius, uelocius " et ab erroribusHberius. Klongationem "
2<^ autem apirhualem, non corporalem , hie acceplmus, et approximalionem si-
militer, quae est £olli<:itudo et amor corporis et eorum , quae corporis sunt;
de quihus manifestum est, quod imuergunt et obscurnnl inteUectum; con-
traria ueru liberant et clariücant ; et istq», sunt sicul praesenlia ** corporis el
altraclus eius apud intelleclum. Essentia igitur'* intelteclus non de|>«niJel a
30 corpore, cum eius operatio impediatur ab illo " et per illud.
Amplius. Si essentia iatellectus pendet ex corpore, oportet , ut confor-
laUo eeqoatur conrortationcin el debilitatio dehilitationem. Nos autem e
contrario totum uidemus, quia'' debililatio corporis est insenectute, et uigor p. a
niitutia intellecliuae tunc maximus , el" intelleclus ex omnibus suis modis
SS fortissimus; ex quo manifeste ^ apparet uiflulem intellectiuam in senectute
iuuenescere.
Amplius. Omne *^ mortale sua ipsa duratione paulatim debilitatur «t
* ante ergo add hie li ' aliud e ' suis scilicet et // • proui*
dil £ * haec M * isla om H ' illa n iUa malorum p * ista B
' quidam n '* rationes Bp iudices n " accepimus a philosuphis B
" est haec li " humanae om It *' id c " Est tx Gundismhino; om
Be. — Guilelmu» in hoc nrgumento muita in angiittlHm corgit '" ergo B
" fceparandum B " ante impedilur add non p '" esse uel om p ** «e
corpori c *' se plus c " ante uelocius add et // " Longationem Bn
** principia n impedimenta p ** ergo B ** alio » *^ ante quia
add et Bc " est Ä " maaireate om D " *^ Esse B
De ininiortaliüite animoe.
4»
deficit, doncc ueniat ad derei-tum ultimum . qiii est mors. Virlus autem in-
tellecliuu sua ipsa duralione proflcit et inualescit , ut , quonlo fuerit *
diuturnioi et unliquior , tanlo siL ' ex omnlbu« modiit suis ' forlior. Virtus
iftitur* intellecliua immorlaMs est, et jjtsam non solum non posfte senescere
durntione aut 'trtitrwiioni (tppropi}i quarr , immo iuuenescerc el a defcclu et &
morte amplius etongari munifeslum e^t. In quo »imul apparct iliuersilas
inter uirtutein animalem et uirtutem intellectiuam , qtiuniam uirtus animalis,
Unquam |>endens ex corpore, sequILur d'rsposiliones illius — quia eo con-
fortato conforiatur el ui^urato uigoratur cl dcliilitalo debilitatur et deficiente
deficit, el eessant operationes animales ex lote —, uirlus autcrn intellectiua ^^
e contrario se h»l»el Si ({uis autem ubieceril, quia uirtus inlellectiua im*
peditur et debililalur, cum impeditur et* debilitatur corpus, sicul in aegro*
tantibus aut freneticis et melsDcholicis et quolibet aUo modo mente alienatis:
respondemus , quia aliud est iinpedimentuni et laesio , aliud fst occupatio.
Non enim dicimus^, quod uisus uel audilus exterior laedal uet impcdiat in- ^^
tellectum ; sed occupdt mentein hunianam re uem , ul hora illa non uacel
9.7 intellectiuae operalioni, quia per uisom et per auditum ad forinseca particti-
laria ' abstrahitur", Sic est et in lahoranlibus huiusniodi passinutbus.
Passiones * huiu^tmodi sunt sii-ut somnia '" ttxa " , mlhaercnlia propter in-
fectiones inseimrabilea aut non facile fieparahile^. <^)uemndmnduii) igitur " ^
somnia nienlem tenent el alligant circa phanlasniala occupatam ", sie istae
alienationes ; essentiam '* uirtutis intellerliuae non laedunt , sed Operationen!
eius occupalione Impediunl. Et hoc apparel^ quia liberata et expurgata uirtule
Bnimali penitus ab'*^ huiusmndi infectione ulrtus inteliectiua, tanqunm nihil passa
huius laesionis, ad proprias Operationen roucrtitur et in hifi ipsis tnrbalionibus el ^^
alienalionibus ad diuinaliones et diuinas reuelationes quodam modo uelut a
corpore solula et expedita erumpit '^ Cerlum autem est , quia diuinntionäs
forljssitnae ac nobilissimae operationes uirtutis intellectiuae sunt, dum est in
corpore; et ad illas " maxime inualesrit maximis impedimenlis et laesioni-
bus corporum. El hacc est causa, propter quam illuminnlio siue reuelatlo ^
prophetiR uix aducnit, nisi cum mflgna debililale cnqM>riR, sirut est extasis ;
et inde est, quod extasim raptuin usu.s nominal. ManifRatuni ex his , quod
nobilissima operatio ac Torttssima ulrtulia intellecliuae, quae est prophetta
uel reuelatio , lunc '* maxime uiget, cum corpun est infirmisslmum, sicut in
«Stasi uel raptu palam est. Haec autem esi ^* eius maxima separatio ", dum 3S
est in corpore. In omnimoda igitur separntiune a corpore , quae mors est,
omnino uiget.
' fieret W ' fit fi Hai p * suis modis c * ergo B ' ante et
nüd autem n ' diximus p ^ particularis Bn, am p ^ perlrahitur p.
cm n * po$t Passion€8 add siquideni p '" somniis c '■ tixae fi. Post
fixa add ei p " ergo B " occupatum 't '• po^t essentiam add Hund.
ab om n " erumpel c " illas ex Oundissalinu; illa Bc
*' tanc om B el tunc «
diitsalino; operatio Bc
'* Haec autem est om B " separatio ex Gun-
44
Oui]«linus Parisiensia
AniplJus. In * omniitiodii* sui coniunclione, quae * est omnimoda m1-
lir-jtudo eins' ad ipsunt et onininiri(1u.v iimnr, ahi^or^elui' pmpriu operalio'i
u'irtutia intellediuue. A rttnlrario l^rilur in oinniinoüa separatione sui a cor*
pore conrorlabitiir et reuigurabUur. Et haec separatio in morte est, *iel po«t
& ipsam e»f*. ImpossiLilc autem est uigorait operationein uiitutis cum lae-
sione pssptitiae suae. Nim hipdiliir ergo ulla rssenlia ' uirltilis intellccliuae
tj morte corpüris. Huius" auteni iiitlii-ia niaiiifesla sunt in raplu et eil^si
el somno et aegriludinthus, quae operantur aliemitiuijes. ut <lixinms. el* in
uicinitate mortis, ubi picrumque diuinalionea el uistones ei Tuturorum prac-
in ilicliones Tactaif '" mot tlulHlntuus, Hatiunf " auleni philoRupIiunliiini " et
uerilntem scrutari quaerentiuiii est " nun Folum prinripia el radices ponere,
sed etiain indicia et signa " ponere '*.
Alis etinm radix apud pbilosophus inuenilur, haer scilicet.
Omni» sut)slanlia, ciüus foruia non est conuptibjlis, incoiruptihilis e«t.
15 Et omnis subslantia inlelligenü est buiusmodi, quoniam solae itubaUttifiet«^ i»
i^ttibus $uttt formac maleriales, corruplibiles sunt ; nullnni '* autem forma-
rum materialiutii liubet ul suani, id esl natur<ilem uel e'?senlialcm, quaecun-
que sub^tanlia intelUgens. Et boc est, quoniam huiiismorli Bubstnntia "
omnium formnram simililudines reitpil; quemoibnodiim m-ulus nuMuni habet
20 CO I crem in ulla purte sui, uhi ''' ojnnium colortini sirnilitudinf«! recipil, el
gnetus nulluni sa|>ureni, ubi '^ oijinium saporuni simililudineg recipil. Alio-
quin nee l«le, nee ille suorum sensalorum simibludines ** reciperel" neque
ab Ulis e^set passibiFis, cum athum ab atbo passibde non ait, neque similitu-
dinem eius ullu mtnlo ualeal recipere. Si enim illam reciperct, duac albedines** i
is inuenirentur in eadpra superHcie, tum impressio nlboiiinis non posMil" essenisi
albedo. Quia igilur'* suta forma iuat:«riali}< est corruptibilis"', el illam non
polest habere naturalem aul " essentialem *^ subslantia** intelligens. mani-
festum est subslanliara intelligentem incomiplibilem '" esse, cum eius Torma
substantialis incorruplibilis'" sIt. Et hoc" tanquam rcrto et probalo ulunlur,
30 quia omnem generationem et corruplionem omnemque eonifliclum contrario*
rum in materia et circa maleriam " esse "* certis.<^imum esl, quoniam in im*
malerialibus ** non esl conlrarietas et ideo neque confliclns; et propter hoc
neque generalio" neque corruplio , quoniam B<^n<^Tatio el corruplio ex ron-
flictu conlrariorum '^ est ubiquc inuicem agentiuin el patienlium : et quia
' ante In add Sed w mW ^'i p ' pesi omnimoda ifdii cnim Ti
• ante quae add scilicet B * esl u et p ^ operatiune » * OuudiitM-
tinus: uel potius mors ipsa * GundissalinuB: ullo modo essentia ' Huius
raodi p * et om fi '" fictas B *' Gundisjtftlimut: Werle " prophe-
tantiuro^ " est om c ** bigna et indicia B " npurlet p '" nutla m
" post substanlia ndd iiilellectus fic *" nisi /l '" nisi /tn nisi qntid p
•• recipit. AUoquin . . . similitudines om B *' reeipiet p " albedines
Gund.; om Br '" possil c ** ergo " esl cnrruplibilis om Bn ^ au-
lern fi, om p " esse naturalem Bn, om p '" subslantiam p ^ incor-
ponilem Fin ^ incorpnralis/? *' hacc ii •* et circa maleriam om p
" pitsi esse add et Bn ** matcrialibus «
•• contrario /i
'* neque generatio om p
De immorlalilntc aiiimae.
45
actiones huiusitXMJi cmnee et passiones per contaclum sudL ConUclurn
nutem in solis nialerinlihus et in suUs roiTuptibilibus esse neces» est.
Qxiod s\ quis quneml <ie animn anitnali siue ' brutnij, an immaterlnlis *
rurnia et ipKa sit , nporlet reäpon<lere, quia nifiterialiuiD formarum duae sunl
maneries*: nna, quoR lolulUcr iiinJUtur cl inruuibit materiae* soae et noo 5
regit ncque sustinet eam ullo nioJo , sed suslinetur ab ea. et haec est forma
proprio rorpuralis; tilia/cui puliuB intiitilur sua malerJa et sustJnetur el
regilur ah ea. Veruiiilatnen nun est opcratio liuius formue nisi in ma-
p.ioteiia sua et per eam; et ideo apparet, quod eius essentia eitra tnatcnam
suam oliosa ef^-t et inut)[i.f'''^Hoc igilur ' modo forma maleri»]is est aniiiia iv
bruUÜH et uegelaliiia', hör e^t ez maleria sua dependens , et quantuiu ad
fsse et quarituii) nü.upnurl, et cum desliuciione »uae maleriae destruclibilis,
sicut liquor, i,ui nermilur in ua^e, deslruilur de^trut-lione iiasla, et ignis in
Ugnis; licet tsloe dt'-ftiniiles sial inullum sjmiüludines ei*, prupter quod
ioducuntur. is
Animn eliam huiu^mudi nun est ret-efjllbilis rumianim materialium
omnium , qunninin non 4Nt susceptihihs uniuerMaHum et turle propn'e nee
sensil'ilium. Ae^timatiira «niin uiilua , quae prucul dubio in Uuiusmodi
anin.a est, forte propiie nullum nisi sensJbilem recipit. , Proprio * ' diximna
quia nullum prnpiium* uidelur aeslimahüe t>rutiü , nisi sensibile nocumcn- fio
tum aut cuninifHlujh , rircu qüae du4> uirtu» ae^^tiiiiatina brutorunt maxime
uersalur.
Sed qualiter certum' faciunt , quod"* in immaterialibus " non sit im-
inaterialis eorruplio, cuni passioiies et ijnlures imiuateriales inueniaiilur apud
i|*ia *', sirut im, inuidia^ L>diuni, erubesrentiii " rl olia, quae omnia '* noii es
solum pufsioncs et dolores sunt ^ sed ctjam Lürmenla ^rauifsima? Si autem
apud illft "^ inucniiintur dolores et tormenlu, quomodo non defeclus et mors?
(Qualiter uulem'" erit doltti " et tormenttim sine laesjcine? Hi autem latfsio
ibi est, erit uenire ad def^lum", quuniam L-ausa,quae magis dulere faciet ",
magis laedet. Quia igitur"" quantumlibel** conlingif causam doloris au* so
geri, finita autem uidetur ad patiendum omnis uirtus , quae est" laesibilis:
erit igitar*' nenire'^ ad extremum laesionis ; boc autem est defeclus
et mora.
In quo dit-imus , quod dolor aequiuoce dicitur. Vno modo dolere di-
p.ii cilur uutneralus"', aliü'^ modo Jamniüeatus; et allerius motii unitas" est*" 35
inier amatoreni et nmalum, et inler partes continuj. Si autem unitaa
' uel c * immatcriplis Gundistdlinu»; inalerinli» lic ' malerles a
* nalurue U " ergo f{ " ei Hund.; om bc ^ rroprium « " proprie p
*cerlum Gunil.; om Be '* cum B " immaterialibus Qund.; materialibus lic
" ipüBm Hc " et erubescentia a '* quae oumia om n , omnia om p
"■ illaui c *• ttg enim '^ defectus et dolor lic " effeclum n
'• facil B " ergo B »' primum liiet H " rontinget li " est om
Bn ^ ergo B " antt uenire add necesse est /j ** »/i/e uuloeratu^
add uel c '' aut n aot alio p " ueritas B *" est om c
4»;
GuiMmus Parisieash
aequiuoca slue ligatio, erit et* Jiuisio ae<iuiuni'a. (^uulieus enim unum op-
positorum , totiens el allerum neccsse esl dici. Siitiiliter autem el laesio
aequiuoi-« liinc et inde dicitur; et* altera e»sentialis, et altera non. AUcr'
eDtm in esdenlia sua laeditur, alter* non, se«l, ut usualiter ilicitur\ in re
5 suii foriDseca. Et inde esl, quod^, qucmadmudum ipsa rei laesio uel de*
structio nan atlingit essenliam possessorJs, sie licque laesio liuiusmodi; et
ideu ncque dcrecluiii neque taeäionem essentialieer indueit. Noa autom In
sequenlibus raeiemus eciri ^, quia nulla* ufFecliu seu passiu Iiuiu9mu<ji * de-
fecLioncm es.<enlialeni per se inducere potesl. Quod ideo diclmus, quia niliU
10 prohibct in aniinu aniinuli passioiieni huiusmodi adeo ueliementem '" fieri, ut
inde sequatur murs rnrporis el ex consetiuenli derertiu anrmae brutaüs; quod
et de bumana similller accideret, tti eins e^sentia ab essenlia sui corporia
depcnderet. Nunc ergo in tantuni liic sil " dclcrniinatum, dünec ad olia,
quae diximus, ueniamus.
15 £t " liaec fluidem fere umuta a philosoptiisuccepimus, ab Aristotele
el eius sequ;)cibu9. Hadices autem et probatione^ Piatonis praeterimus ",
quiiniam nec- lldetn inlelligentihus de immortnlKate aniniai'uin nostrarum
r»ciunt et omnibu^ spei-iebus anirnarurii runiniunes sunt ", ila uL etiniii '^ in
animani brutalem el in uegetabilern exlendantur, de quifaus manifestuq) '",
fio quiid earuni esi^e post i-orpora et extra corfitira oliusum sit " et tirnnino
iimtile. Unine uult^ni uliuäuiii et inulÜe nun huIuiu inuliliter quaeritur, sed
eliam dispendiosc . quuni;ini cum dii^pendio et taclura lempori.s '", quo resP>>*
utiles quaerendjte sunt.
Hedeamu» autem et Uicamus, quod nullus mulus nalurae naturaliler
25 (rüsira aut ufine est'*: et quia omne, quod mouclur naturaliler, non c^t na-
tural] iinptisüibilitate piohibitum a fine, ad quem inouelur — alioquin rrustra
el uune nioueretur In illum — . Dicamus etiam , quod molus alü sunt cor-
purnle^i, alü spjriluales . et quia limur csV^ fuija spiritunlis*'; et bis alle-
stanlur motus cordis, qai «mnt contraclio et exlcnsTo, el mtftuä corporis sen-
;io»ibiles, qui sunt 1'uga et ins-culio corporalis. "Et »i qui» dicere uulueriU
quod umnis motus curporalJs est, quoniani motus esl exilus de potentia ad
actum conlinuu» et nun subilu»", ut ait Aristoleles, et'-* haec deünitio
non coogruit nisi inotui corpumli: bomo esl** erroneus et tmbedllis
impediens s« ipsum , dum renim ueritatem negligil el conlcnliunc liligiosa
35 nominuin m inuoluit. Nds anlem non intendinius bic per inulum nisi
' et erit n, eril om p »et om p • Altera Guml. * altera Gund.
*■ dicitur Uuud.; dicatur //«; " quod «m lin ^ scire p * nulla om c
" in huiusmodi a ^"> uehen.enler c " sil hie c; hoc sil Ound. »' Gl
om B '■ pnelereamus B '• sunt conimnnes p, sunt om » " eÜam
ut Bc ** est aäd e " alt om c '• diapendio lemporis el iaclura B;
lemporbi om c '• est om « " el i?c *' supple ex Gund.: et spes in-
secutin spiritualis, quae utrlxi ettttm in Gunditcsaiitti codiee F oMis0a auHt
" subilus addidi ex Gundiimatino; om lin; el non subilus otn p " el
/iddidi tJT Gund. ihniuit eliam Gundissalini cod^ P. haec auleui p ** hw-
ino euim Bn; bic est p
i)e inimortalitale animue.
47
dispoüilionem, quae per »e uia est. acquirendi aliquid'; et ratio' baec con-
uenit eis umnibus . quae norolnauimus. Timor enim per se uia est acqui-
rcnJi eua$iünern, et Jesiderium uia est serundum se acquircnJi desideratum.
SimJliter fuga, »iue »pirituuli» slue i'orjtorulis, Uta eai ]>er <fe' acquirendi ef-
fu^ium; et In&erutiu est uia* acquirendi assecutionem ^. Et quaniain acqui- &
ruDlur spirituulia ul corporalia. Deresse esU ul similitcr. iuxta quod eis con-
gruit, sint niae* acquirendi en aequisitionihus suis, quae uiae cessanl elf*
aL-iiuiäiti.'t, siirut in ucquisilioiiu corpornlium.
p.13 Reuertamur aulcin ad id, in quo cranius, et dicainua, quoniam omnis
fuga naturalis est ad euasionem naturiiüter posaihüeni ^ , et umnis inüccutio i<*
simililer; el omoe naturaliter desideratum est* naluraliter acquiri <* possi-
bile '**. Aliuquin natura fruslra indidisset fauiusmodi dcsiderium, quoniam
otiosum essül et enoneuni; et ila natura erraret in lii», quae per ae " et''
naluraliter tantum " uperatur, quoniam omois motus et omnis intentio'' sine
ttue est error. 15
' Ilis igitur'^ duabus radicibus posilis conslderemus '° propria denideria
animae huiiiaiiat:. »ec-unduui üt quod est huniana, et'' liabel nobile etse , iu
quo excellil »nitiKiin LrulakuK El uidemus, quod de»ideriutn est ei uerae
el integrae felteilatis el fuga uer;ie niiseriae, hoc " est timor ilÜus et odium.
Vidc '" ttutem, iie'*' malus nniniae animaÜs el animarum", quae slullitia"»
innalunili et aduenlicia iani oblirutuerunl", cogite», cum'* de 8olis natura*
libus dtsposilionibus nniniao huinanue secundum id, qumi liabol nobilius
atque subltuiju.«, Uic inUndamus. Quaerauius'\ an ^il buic parli nobili'*' fe*
licitos propria. an" non. Cum enim pars animalU »iua gaudia , suas über-
tnles " sunmjue socurildite» ''* sunmque oppositam omnimodo" miserloni äi
habeat", auL^* p.ir8 illa nobili^ habcl simiÜter congi'uent(;m »ibi miseriam el
felicilatcui , aut non. Si nun, ergo nun crunl ^tpiritutilia i;aiuUa (-eteraiiue
bona sublimia. Et boc " non ^ nisi puerilis ruditas el brulaüs irrationa-
p-i*btas'* possunt delirnre, quoniam in maioribus et nobilioribus magis coo-
gruit esse quam in-" minoribus et ignuiiilluribus, el spirilualibuti quatn " cor- so
puralibu.s. Crit ellam secundum hoc "^ miseru^ pani illa*" nobÜior et*' nullü
modo beatificabihs, quia nulla*' uirlus «■.</ beatillcabilis aul perfecUbilis nisi
* aliud c; out B * ratio Qund. : ideo Bc ' per sh; esL ^ * uia
eal ii *" asseculionem Gund.; insecutionem /in inseeutum p * aut uiae B
habennt uias c ' naturaliter po3:äibilem om B * eät am p * acquircre n
'" possibile on\ B " pc 1« adäidi txGuHd. ** ea p '* lanlum fj^GuHd.;
runi B tauien c '* poat rtitentio ttdd et B " ergo B *" coDsideramus B
" elj hoc est secundum id quod (»und. ** hie Jin binc p '* Inde c
""nee p " naturarum B " slulti B " »bbruiuerunt Guud.; obtuauerunt
Bu obduruerunt /* " cum Ound,; autem Bn autein quo<l p '* et quae-
ranius p; Quaeramus ergo Gund. *" nohili om li '* aul c " liber-
tatcs Gurtd. '-' reliiutates B *^ omnimode B omnino p "* bat>et a
" autem B ut n; om p " hir B iu hoc p ** pott nun add est Bn
** irrationabilitas c ** in om n *^ ante quam add magis p " haec c
** miseria/i *** pars illaj perfecta c " enim p ** quia enim non nuUa B
48
Guilelnius Fari^^iensis
ex propriis. Haie antem secandum hoc' non »aal liona propria, quoaiam
nnn sunt »iitritualia ei nobilital«ni' eius derentin. Ex hi» aut«m , quae ani-
mali paiit congruuat, imposKÜHle e!<l nliam' uirlulem relirilah, quoniam
neque gaudium siue* üelicin^ nisi in*^ conuenienlibus, neque quies Disi ia
& nne ronupiiienti-, neque p«rfei:tiu ex alienis, cum perfei-lio eorum tanlum*,
quae" puleritialiter sunt apud perretiibileiii, aequisUio sit. Hoc ettam eonlra
sensum et txpeiientiam noslram e<t . quoniam de corpomlibus erudiÜ** et"
sapientes non t'Qut^^nt neque ex eis 9e felicitari omnino " exislimnnl, immo
{mtius ea d^clinuht, rontemnunt", ut uilia, et fugiuni, ut noxia ** et suae
10 feltcitatis impediliuu.
Yeruui, quoniam de istis philosophi morales nos expediuerunt , et a
sensu accepinius illa. tpiae bomi uoeant insipien^r insiptonle«'^, anialores
et'* poEsessores suos miseros" eftivere aut miseriam eorum augere: nolumus
immorari diuttus in declanttione huiusnioJi, hac'* una decleratione . quan-
15 tum'" ad Instuns proposltum pertinet, conteuti, uidelieet, quia •" poaseasores"
renim^ istarum rorporulium aut amant eas, aut non amant. Si non, pa-
lam, quoniam uneri et afnictioni fiunt eis, nulli gaudio; et ita*^ non soluni
non addunl felicltati eorum, ««d detrahunt. Si ueru amant ca'*, |>er amorem
igilur eis"' uniti** el alligati sunt, et propter hoc oneri" paseionuni, quibusp i5
CO tlln subiacf'nt. obnoxü. Amans eoim el amatum propter istain amons unio-
nem necessario sie se" habeiit, quoniara amalo ipso** patiente necessario
coinpatitur amans . si ad ipsum passio i>cr apprehensiunem peruenerit.
Hanc autem comhiunioncm , paasionum scÜicet, ipsiinel '^ umatured rerum
buiusmodi usu sermonum suorum tristissi*nio " t-onßtentur, dicentes se de-
ss truütus , udnlbilalus , degrandiinitos , uastiilut*, exustos , i-um res honim
alit|uid passae '* fueniiit Palam igilur est", quoiriani res liuismudi tut mi-
serits aniatores snos subiciunt, quot** paitslonibus tpsae obnoxiae sunL Si
autem gaudia et alta commo'la ■* ** *; lanlum adderent felicllali, quantum mi-
seriae" et e conuerso. Idem ergo est, ac si non adderelur, quantum ad
80 Dlnimque. Cum igilur" plura et maiora «Dt incommoda, palam esl»
' bnee r * nobilitati c 'in alium n * »ine tt ^ delitiae p
" in addidi ex Hund,; om Bc "* conueaienlibus lic; corr. ex Gund.
* tum K om r * quo c '* enidili add ex Gnnd,', im Bc " et om B
" omnino Gund.', animo Be '* et eontemnunl B " ut uitia et noxia B
" insipieiites ex Ound.; aisitantes B saptenles c '" amatores esse et B;
" ml-
" qui p
" eas p
** esse p
" posse B
et etiam Gundisstdhii ctd. M f.xhibet; omittuni relüjui
serrimos p '^ nc B '" quam nunc Jhi quantum nunc p
■' pi>«t possessores add sunt Be " rerum om Bn ^ ideo c
** eis ow ;/ " iuncli r " oneri GutttL; umnium Bc
* ipso amato B ** ipsemet m '* (risti^simr n trilissimo p
■• ergo ff ** qiiot] quot et quibus B quos et quot n " f.ficunarx Gun-
Moiiuo explenda est: quaeipei ab illis spenint, tot el tanla essent. quot
quaota ista ini-ommoda : (quae tiertta propter honioteleulon praeter migt'i sunt)
mte miseriae add /'r: ad utrumque. Cum Igilur (ergo rl plura (palam B)
nnaJora stnl incommoda, el inrniiimoda ista adilunt , quae urrha ex e!$
(de in$equuntur hnc Htuttt estto manifestum est *'• ergo B
De immortalitate animae.
4d
quoniani mtseme taulum situpticiter luldunt et non felicitali. filanirestum
etiam , <{uod appticatio ad inferinrii et ignobilia ilesrensio ' eal al depr«s»io.
non eleualio; cL qunniam per modnm amori» est, qui «st subJectio spoa-
Unea. et eeraituB, ut ipsa sit delerioralio eorum quae sie applicantur igno-
bililius et inferioribuü so. Omnis enim admixtio elon^tio est ab aller«» ex- 5
Iremorum '; et ideo admixliü ista'' spiritualis, tjuae nun nm amur est, elon-
giitiu est indubJtanter a nobüitate et bontlate et appropinqualio nd ullimum
uiliteitis et depressiunis * et ita iniseriae\
Et quoniam de his alias locuti sumna et »aepe loqueinar*, ponamus
ea, quae lectpit omnis sanus intollectus, et Hicamus. quoniam sensus habet ' lo
V* i< sensata sua, quornm c-nniunt-tione illuminatur, perKcitur« delectatiii''*, et ge-«
neraliler omnis nirtus animalis: simülter necesse est, ut uirtu» ista spiri*
(ualis babeat approhonsibilia sua" et"' ronuentvntin nobllia", qnorum appre<
henainne illuminetur, [lerftciatur, deJectelür'^ SJ enini ignobilioribujt nalu-
roliter'^ de huiusmodi prouisum est'*, quanto magis nobiliora non negligit ia
natura'^? Nun igilur '" absque illumtnaliuis et '' df>]rH:tatiui5 rclicla sunt*
Amplins. Omne nobile magis natum est appitcari Dobiliuribus quam
ignobilioribu.H '". Quod si hacc uirlus noo est nata appücarl nisi ignobllibus
jstis tenipüralibu9 et eadu^-is, nmnino non erit nobllis*'^, quoniam nihil est
rreatuin propier ignobiliu^ aul uilius ^e. (Vrtuni aiitem est, qu<Ml oinnTa ^
haec uiliora sunt*" el ignobiliora, Noo ergo" est propter haec"; et" ideo
noo erit nata (»erflci per ca.
Amplius. Qund est** nobilius , et eius perfeetio nobtilnr: el quod
sublimiu», et eius perFectio subüniior; et quod npriluale, et ''^ eius perfeetio
»piritualis; et quod seorsum a t-orpore, el eius perfeetio seorsum erit a cor- **
pore.'
ita srilicel, ut*' eius uperatio neque üil per coqms neque pendens
ex corpore: similiter erit eius perfeetio oeque per corpus neijue pendena ex
corpore, quare eius perfeetio erit abslracta a corpore, el non ex corpore
aeque per corpus neque pendens oninino ex corpore.
AmpliuB Bios*" propria opcralio in sftparaltnne a corpiirc el non ex *>
corpore inualescit , i^ii'Ut apparet in raptu et nxtasi. Inuatescentia autem
operalK)nis, si est ultima, e»t perfeetio ipsius uirtutls ; si autem non est
P- )7 ulüma, est apprnpinquatio ad perfeftionern. Quare manifestum e»t, i|uoDiam
separutio a corpore aut approxtinal earn perfectioni , aul inducit in ipsam
peifectionem : et ita nita est ei non aolum seorsum a corpore, »ed etiam ^
' diseensio B • extremo p ' lila e * (Jeprebensioais H * el
illa iniseria ft ' loquamnr u ' rum sonsus habeat Gund. " et de*
ieclatur c ' habeat upprehensibilia sua addidi ex GundissaUno; om Bc
'» et oM p '* conuenientibus nobilibus /> '• illuminetur. perficletur et
delecXeiur B. illuminatur delettetur c »' natura B '* prouidit B, om n
I» natura om B '■ crKu B " el qMüH w Ound.; om lU-. '* ignobi-
. " nobilis Ound.; naturalis Bc *^ sunt om B *' igitur e
JiDU-f ^, . ,,;,:„„ ^ ■* ei om p " est om e »» est B
sf liaec add ignobiliora c
/'*' Js ex Gundhsalino: Cum i
SHpJ^ II ^,, ul add si c " Cuius 13
SH ^ ,r Q Baiuir, aondUsaJinus.
'' ^•"'* . .- Gundhsalino: Cum igitur isU uirtus et incorporahs et seorsum
ß*iU-*^*
JX. & Bfllo*.
fi4) Guiletiitus Parisieosis
|K*rr«cUo, quae est gloria uniuscuiusque uirtults: ullima , sP ipsa p^ecUo
ulliiim eül, niiiinr et altmus ordinis, si perfecüo minor quam oltima fuerit
- ^ii(h) untnii supra incepimuH, nunc pruaequamur.
' Diciunus ergo, quod liuir uirtuti nobili e»l nuLurale desiHerJum sibi
ft cOD^ruentis' «t propriae relicilaliü et naturalis fuga suae infelicitaLis el mi-
Mi-iae, hoc est' naturale odiiim et ^ limor naturalis, (Juia ergo nll frustra.
nit uUuHe dtt his . quae n.iluraliter sunt, frustra aulem et otiose sunt iati
oiuliiit, n\ initHj^.-4ihi)iä est naturaliler' isla euasio. et si impossibilis'^ asse-
cutio feliritalia eins: necessa ei^ c-st euasionem a sua mlseria el asBOCU-
10 tioneiu »uue felli'italiä caac possibilem huic uirtuli uobtU. Haec autem * ai
(tfronnis non fiirril , nun erit relicilas, neque a niiserin uera^ immunitas.
Quicquiü euini mortj olinoxium, beatom " non e!<t, eo ip^^o '" niiserutn, quod
vxtroniae miseriae obnoxium. rereanilas autem non potesl esse pars fe-
lii'ilali»" Istius, quoniam est" impossibÜe dna cantnirta communicare in
ift (»arle. Se«l neque efTet-tus potest esse huiusmodi felieitatis uerae ac nobilia,
quouiHiii. Hl bor esset, non pei(tiianerel) '^ • • • u
, • • • ignobilioru in omni subiecto sunt '* propter priniripalia '" el no- p.t6J
biliora. Quantum igilur " ad ea, quae uiteü nnimales liabeul ex corpoi«, P- **
* * * " quia" radices ipsae*" pendcnt ex esaenlia ipsius animae uelut radii
so proten^i ex lumino^jitate ipt-iu». [psa uero nun dt-bet p^ndere ^x coq>are
pri^pler Hua »eL-unilaria et ignobilitmi, cum illa, in quantuni pendenL ex cor-
pore, non Bint ei essentialia , immo tanluin secundtiiii radices ludicandi.
Conuenientiüs autem est, ul ca. quao principaliora .sunt el nohiliura, Irabanl
ud t'orlitudinem »uant secundaria et ignnbiliom. quam ut illa" Irabant e;i" e
18 contrario " ad infiniiationem ** suain- Et ideo'^ eunueniens «/, ul radü ae-
quantur Iweni, et effectus generaüter causam, non ut "^ Iralial *^ illam ad
«8 et poat se". Haer igilur"' omni» diximus, ut esset clarior iotcllectus
nonter de lioc, quod dicimu»<, uiies «nimales pendere ex lorpore et va&e car-
rnptibiles iuxta inlellectum phtlosophorum '". Apparet ergo anirnum huma-
mt nam metliani esse inter animas animales et sub^tantias an|telicas spolialas
■ sed p ' eongruia ft congruen» c * enl om ti» * est m
» naturalis fi ■ impossibilis esl B ' enim n • n* (». e. natuiOf an
nuturae, ut duHtHiiitatiHi cod. Pf] ti * bouum c '" pMt ip^o adä et p
*' tnfelicitutis ik " est om c '" per /In essenl /> '* (fuiMini texlu»
in prima s^lnba urrhi permuneret (Gutidixäalin. p. 17 v. 23) drsinit , ft ata-
tim ad Ountl. p. 2,% v. 'M. ignobiliora w ctinuniit. Quar omiMa tiunf, ru
IHOf'wfl *^ J***^f* r«/Va /» M-ftU proferuntur. Quam confuaionem, quam ip»i
GmiMmo tnOurutiatH f«t« rir putaurtim , edilor Vrnetua rum non prrspicr-
i«f. $uiB conitctui'in unborum neritm aliquum srd initptam reatituere eonutus
«I '^ sunt om ;i ** pi-incj|ialiura ii ■' ergo It *" Suppie ex Guh'
'imüiino: ia tantnin pcndeut ex corp(jre; quantuni uero ad radices iudi-
andi , noD peudcnt ex corpore , qua* propter homoiHfulon exfidtruttt
' quia om p ^ ipsi B " iuta tt " ea] nobiliora p " e contrario
iund.; y (pro J") H setundo n secundaria p '* tet/. infirmitalem (Gund.)
* Uund.: omnino " ut non // »' Irabant p •'et post ae]sieOuHd.
QtH et fl se Um, om et posl te p * ergo Ii "* philoäophicui» li
De iminortaliUte nninia«.
61
tt'ipMBB^ Kt ide<), ut tlixiinuK, necesäario in dispositionibus mortati-
tatls et iromoilalitatis media est mediatione, c(uam delenniDauimiis.
Aniplius. Destructibile aon deslruitur nisi uno illorum muUorum:
nidelicet aut per diuisionein formue Kuae a muteria sua — quod non potest
esse aisi auL forma manente, stcul punimus in honiiae, qui in niorte, quae ' 5
est diuisio formae a materia, id est animae a L'orpure, ita deslruitur * • * ■,
P- ^ id quod deslruitur* diuisione forma« a maleria, forma ipsa (teslrncta, quae
destnicliu proprie uocalur corruplio ~; aut destruitur diuisioixe partium
suarum intej^riilium , sicut domus, cum partes eius ab innicem sepanintur;
aut destruitur destructa sustinenti«* essentia''; aut deslruitur subtractione lo
cau^ae suae , sicut si dissipHtu utre uinum ileÜcial et corpore deslructo ea,
quae in eo sunt, destruantur", aut sole sublalo destrualur'' dies; et hoc*
duobus modis: aut erit ' ei causa, aut erit deferens, ut maleria formae, U>
qoori uqs.
Quod si quifl dixerit, quia est et qutnlu« modus deslrurtionls , scilicet lA
proprium delertus, ut aenium uel jiiitrefaii:lift: * • • '* mJ " nulliun <|uattiior
modorum ducerent **, nullo modo destruerent ". Salualis enim coniuactione
formae ad maleriam et integritate nlque coniuncltone *^ partium, salua
cau*<ae "^ praewntin , salua etiam eswnlin sustinentis , necessario »«alua est "^
res. Ccrlum autcm est, quod Senium ducit ad diuisionem animae et oor- 9»
pnris, et putrefaclio diuisio est formiie a materia et dei>tructia ipsius formae.
Si uero dixerit. quod quaedam pereunt per defectnm sui'\ necettfie habet d^
termtnare modum defeclionis '^ Si enini '** omne, quod perit, non peril ***
niai ex debilitate essentiae suae, quia" sciticel^' debile est iu se et Inßr-
p. M luum ad pennanendum prrjtf'tuf. pnlani est omne rauaatum " esse huiusmodi Ä5
inflrmnm ac debile etjnualidum ud permancn'ium, quantum in codem est:
Wo«'* igitw^^ n'e^ est, quod" nihil** permanebit eorum , qua« sunt, cum
illa causa non existendi ** in omnibus inueniatur. Nos autem uideroui"
' spiritales n * quod fin ' Suppl* ex Hundt'aitaliHO hure, quae
propttr- homotelriitoH eseiderunt: quod raanet eius forma, hoc ent auiuia ipsa
secundum quod nas poninms; aut destruitur * Vevba id quod destruitur
am p; jtoat destruitur add aut Be ° aut destruitur deslrucla sustinentis
essenlia om li * deslruuntur H ' deslruitur ' Tertii et quarti Modi
dt»tntetionis explicativf t^uae hie addilur, a GuiMmo in vi-lum coftecta ts(, ittt
ut, quo spectet, non faciU diiudicari poasil. Quod eo ircrj/i» accidit cum aerha,
quilius OumliimtUnu» huttf locum exorditur (hoc est duobus modis deKtruitur
aliquid destrurtiune alterius) a GuUtlmo iuepte in iUud et hoc dunbu-S modis
eontraharituf f quod ad ta aoia quae proxima sunt (t. e. ad quarlum inoduM
liestructionigj pfrtinere uidrlur. " exüt fi '" Snpple rx Gundissalinu;
nihil dicit, quia si senlum et putrefactio (hoMoUieutoH) " qui ad /} si ad ;>
*• reducitur // '* destrueretur H '* atque coniunctione Guiid.; ad-
iuDCtione /f coniunctione n et coniunctione ;; " Sftiva causae]salvatione /i
'• et H " Hie nonHulta owisaa ** deiectionis n '• uero p *■* perÜt «
^ OundütB.: qua " si //«, ow p •* Ciundm.: rreatum •* Gundis».: Si
tgitur sequitur unum quodque inlirmilalem istam, nihil etc. *^ ergo B
" sicut B »' quoniiim p, um B " nÜ » *• extendi w; leg. permanendi
«2 Oundita. "* uidebimus r
4 •
fiS Guilelmus Parisiensis
mulla permanere et quaedHrn aliia diulius, quaedam ueloclus pnrire. Quue
igitur erit causa iu huc, nitii quiu prup'nn ilebilitus nihil eoruin, quiie hudL,
per se ilcstruit, nUi adiuuelur uliqua muijoruin , quos noniioauimus , aut
impediaLur contrariis eoruni?
s Hestat ergo aolits inquJrenduin, an altquis dicUirum iiiodonini non*
grnere * possit animae humanai-, secundurii ' quüd tie vu. hU: iiiquirintus.
Et priniu quldeiii tnoilo iiiuiiire^ttiin e>t, qunniam ipsa eM pur» forma
et substaiitia iniiimteriata -'* et incompuüiU in»e* buiusmodi coiiipo»ilii>ne,
qnae ex niateria el fontia est".
10 Aul" forte qiiis hie' dical, qund ex materia et rorma. hlcinins" la-
nien * fortnani eins innuTuptihlleni '" esse ", iiuin non eKl ei auilrariuin, per
quod rorrumpatur, neque diuisiuuni, |>er quod dmjdatur '-', neque susliiiens,
cuiua Aublrai-lione destrualiir. Forma eniin utrtutis intcilecüuue non pulesl
habere conlrarium. * » • ts niai" esset receplibilis formae aua« conlrariae
|S neque'^ sitnililudinis illius. sicul albedo nun esL receplibilis ni^ediiiis neqiie
simililu linift iltiuä, neque rolunttn inediorum. Quuniam mm potesL intelll- ><■ ?*J
gere aliquid , ni&i ifutid ipsamet**' »it , stuf tipud ipsani aul ipsutn aul eiu^
simititudu: patel ", quod non fii '" intel]i(;ere contrarium ; quare nee li;ibere.
Oniiie enini, qaod est e reglone '* illi'", inlelligibile est ei naturaliler, cum
»1 et multo itinirira*' et subliiiiiora sint ei ^' intelligibilia. Traeterea islud non -^
ponil nUi iiLsamcl", quod habeat contrarium. et ila ipsam^l ponit''^ quod'"
non est ei" inlelligibile. I*ositio '" haec tUdaratia iton est, setl deliralio, et
idco non est coaLm islam dispuLandum amplius; neque poni etiam polest,
quod non polest inlelligi.
SS Aiiiptiuä. Sicut uisus Hullaiii habel cunlruriani ex forniis uiaibiUbus,
ila intellectus nullam ex inleJb^Mbilibus ; et in hoc nun oportet nos aliquani
probat ionem adducere, quoniam eadem pronius rnlio rjti in ulrisque Non
est igitur''^ destruclibllis per diuisionem formae a materia, cum forma eius
conlrarium habere non possil, sed sil '" al onmes forniai^ inlelligibiles *•*•'
80 Quare sicut illa " incorriiptüjilis corrupticuie (-»n-ponili, ila et baec " cor*
mpttone spirituaU; • • • "* cum ad eain propler sui subltniitatem curporalis
corruptio non possit atlingere. 8i enim " hylen*" corporum non attirigit
' congme n * licet Bh, om p 'et substantia immaterialaOuiri/.;
et acientia inaleriata fin maleriae immixla Cex conhctura) p * in se
Gutta.; se om lin (std cf. "), tu se om p * est] in se Hh • Al /i
^ om a " ante dicimus add ad quod p ° tum n, om p '" incorrup-
tionem He " esseOund ; com /tiam c '* diuidilur ü ^^ Supplr ex Gmid. r
Si eniui liab€rel contrarium '* Uff. non " uel p " ipsametj ipsam-
que ipsnmctque Ü " ante patet aJd ergo p '•• sit h '" e regionc
Gand. ; raUone ftc '" ita Be " posi maiora add sint li " ante ei
add et He ** om p ^ nisi ipsainct Gund.; ipsam fie " artU ponit
add ei c *" quid c " est ei Gund,; esse lic " poslliuo n po^itiue ;i
*• ergo li "• sie ß "' Supple ejr Ound. : quemadroodum hyle ad omncs
uisibile» " illa Gund,; om He " Ita et haec GuHd.; el ideo ex li el
ideo liic » ita hie p ** Supple ex Gund,; et propter hoc mallo fortia^
comiptione corporatt ^ om B *• yle // ylon «
De JmniortfllitaU animae.
68
1iuiusmix3i corniptio , niuUo minus, quod supra ipsam «st. — Videlui' uutcm
pi'opter hoc intelleclus Jnintelligibilis ', si se habet' tiij foriniis otniies cot-
p* M poraics et gptriLiiales in nusceptihiljtate r>l separahiltUte, sicul ' hyle atl cor-
porales, i7<i inttüfctm ad apiritualcs; et sicut uisuü iouisibilis, sie inlellectuf!
inintelligibilis*. * .%
Quü(] si quis quaerat , «jualiter uisus corruptibilis' esL u uisihilibua:
r«s|]om)emiiK , qnuriinm iii^us tmriiioni» c»{ , iiuKUlutii ad instrumenluin
suum*^: prupter quufJ neces^e e>-l iUuin üeälrui deslructione tllius , in qu^n
tarn pendel nh ilto, Inslrumentutti ' aulent^ uisus desLruitur ab cxrcdenti-
bu» liarrnoniani sxiam , Ihk: e^'t a uelietirnnLer iiisihHibus E contrarir> aufem lo
habet se in intellectu, quoniam inlellectus non habet paitem ileterminiiLam
m corpore, quae äit ins^LrumentuiiL ipsius. et eonfürlatur el inuitlescit ex
uehemenier inte1lit,'rtiilil>us. Forma uulem intelligibills. q.iue actione sua de-
»Irueret* intellec-luAi, qualiter agerel in i|>sum, nisi 5«iini)ituilinem suam eJdem
imprimemb) et itluhi »ibi .isstiriilamlo ? Hoc'' autcin quantu HinptiuH tär4>re 15
poaiet " , lanti» esset intelÜgibiltur , el jmjpler hoc tuoto iiwiuM i-onforU*iua ;
el ila per aiam istam non solam non deätruitur, seü etium conCorlatur
Ampliuä (Juanlo aliquid est niagis intelligibite, lanlo est'' magia
potens'*'' ugere in" intellertuni el niagis asisimilare eum '* sibi , sJue unire
tibi'*; et hoc est imJicium" certurn " ueheiiientiae aclionis el lorliludinis so
uirtiili.s ngentis. .scilicel uetiementia passionis "*, ciiiua perfectio etil ulUma
assimilatio ''^ ad agens. Et ideo quanlo maiov fuerit" a»9imtlalio ", tanto
erit uebementior nclio et forüor^' uiitus agens super passiim ". Quare ma-
nifestum est iiehcmenlius inl^'lhglbilia uehemcntioris et furtioris aclionis
ei^se" in int^-llfftiini *^ ilmue iiuteni . qiioil a ueliersienlliis aKenlihus laedi 2&
p 31 non polesl, mujiu furtjus a tiiinus el debiliu^'* ugentibus. IJuiit ergo n.b in-
telUgibilibus^", quantiimcunque uehementia sunt, confortalur uirtiis Intel-
tellecliua, a nuüo caiii ''' laedi poese ^ per actionem manifestum est'- ; riiai
forte quiä da-al, quod laesionc insluimenli sui , sicut uisus laedi polest^' a
non uisibilibtis, sie inl^lU-i-lus a non iulclli^JbLllbus^'. Ijuot) martifeslum est w
esM '* faI.iUHi. tum (jiiiu inlellectus inslrumentuiii non habet in corpore, tum
qaia, i{uod non est intelligibile, non hat)el fotmam, neque est forma; omniti
auleni actio ex forma: el ideo esl"^ impossibile, ut a>;at id, quod non eal
intelligibile.
' inlelligibili& /i» ' habet om n * post sicut mld enim p * in-
lelligibilis /Sit ' incorruptibilis " "^ ffi« quaedam omium ' instru-
stnimento c ■ aut //c " deslmel n '"* Haec c " potent He
'" om c " polest c om ii '• in om litt " euin a^similare li " si
/? " raHicium Ü '" cerlae p '" pa^^sionls addidi ex Gund.; om Be
'• similalio c *' fuit c " similalio p *' post fortior add el fic
** leg, paüsiuum (<ittnd.) " esse om n, ease aclioni» p '" inlelleclu c
•' debihbus c •* inteUigenLibus m '■' ea<lem p "° |>olest p " ma-
nifestum est om c " attie polest add non Bn ^' a non intelligibilibiisj
ab intelligibilibus Bn "■* esse Gund.; om Bc ^ om e
M GuÜeltnus Fariüieiuis ^ .-
Qnod 81 diierit quis, quod * ioteltectus omaina non est rorma , el ideo
impoMtfaiki est ipauni u^'ere: rettponOemus , (juod iDtellecLus in se ipso,
io etae suo et Id spec'ie sua, forma est. Sicul hiitnor rry^tallinus aul spiri-
lus utsibilia in esse suo rnrniatum^ est, et taiiicn ad lucem et cclureui quo-
t danimudo materiale: er- intellettus ail oiiinin intdligiliilia, quae sunt extra
»e. Neque agil, in quuntum est maleriale, liuc modo, sei licet " ex essenlia
jiaa, aut * |>er tonnaiii, cuiti ilhiiri Fuerit uenatus; et e»t per illam sical arti-
fez MUt " sigilluin, qim fort^ sii^Mllülur'' nialerta ' arliflcü.
Quod autem neque diuisione partium iolegralium *' deslruclitiilis sit.
i*> lade" manifcs^tuni c-.ni , quod ''' inlellectiis ex n<icessitAte cäl *' impartibilis.
Hoc autem sie t'ertuiii rariiiiu». Si enini partihiiLs esuel, non pateretur totus
simul, sed ftars pust partetn, qu:isi pars intellecti introirel" apud intelleelum |.. nz
pusl partem , et non tütum sitnul. Ex hoc sequitur continuam et {urtihile
coDÜDue ei per parte» solummodo intelligi po3«e et partem in parte temporis,
Ift tolam in tolo. et inlelllKt^ati^m sequi '^ in" intelliKendo tempus *' Lraa&ttus
sylUbarum el elementorum , »l intcUigcre '" in transitu continuo'^ et non
subito; cuius conlrarinnv unuKi|uisque intolli^nliuru sentit in se ipsu.
Amplius. Intelleclus sentit ae totum intelligere, quotienscunque in-
telligit, nunquam autem |>artem sui intelligere et partem non '*. Quia ergo
to istud est apud eutn et '^ in eo. ei soli de hoc crodendum est Sicul enim
inlelligil unufi intellecluH, ita et omnis; et ideo idem erit modus inte]l)geu>fi^*
a[iud umnes, sicut mo^lus uidendi *' idem ettt apud omneü". Quod igitur"
nouit intellectus unus" apud su de modu iutelliifcniU , et umnes intelleclus
inuenire apud se nece&st! est. Audire aulem -^ continue, sed" subito ^^ in-
t^ telligei'e , nmncs intelligenter inlendentes *" inueniunl*^ Sed ^ subito in*
telligcre — cum intelligere non sit, nisi pei- immutationeni intellcctus
si" inteüectu!» parliblli» "' est et" conlinuus, tmpo»äibile est, * * cuDtinuum
subito immulari; et hoc alibi declaralum osl*". Hestat igitur " intetiectum
iropartibilem "" esse et incoiilinuum , el ideo diuiöiont; partium" indcstructi-
w bilem*", cum partes eiusmodi^" non habeat.
' quis quod] quia quod litt tjuia p ' ante Tormataro add quid p
• sed /i * Uff. sed, cum Oundiasaiini codicibus CA" ' a»l p; leg. per
" sigillat e ' matcriam p " integrahilium p ^ indej tarnen n, om p
"* anfe quod add ex eo p " om c " Inlmiretj in toto neque li "in-
telligentem sequi] lutelligente enim sc qui ß '* in (iund.; otn Bc
" tempus Ound.; om Hc '• intelligentiae fi ^' continue Uc '" lUc
quardam omi»aa sunt *' om Bc "* eril itiodus intelMgendi om e
" uidendi Qund.; uolendt Hc *' sicul modus uolendi idem est apud omnes um r
" ergo li "* unius c " Audire autem| Quare non c '" scillcel It
" po«r subito add aul B. add est c ''^ ponl intendentes add eliam Bc
(Gvnd.: in hoc intendentes) ** ueniunt /l •** se tr •' pcat si add
Xktro p " parlibilis Gttnd.; parlicularis Bc " ei om Be ** Senteif
(iamm ordo omiMts nonnutiis Gnndiaaalini nerbin aliqwantum pfrturlmtua
t9t "• ei-go B "• poBt irapartibilem add parlicularem Bc ■' jmtt
pertjuin add eai p ■■ indeslruclibilis Bc " eiusmodi om e
De imninrtnlitatc »nimae-
Rß
Muniresluni esl iffitur ' ialelleclum oninihua niodis desIruclioBis esne
indeftrurtibilem. Nun euim post-ihile eM^ alii]iit>l" dt^slrui . nisi diuJsione
'• 1 forniae a mnteria * aul diuiäjune parliuin inlegralluiii aul deslrurliune de-
rerenlis el sustenlanHs. quos mo<Ioa iani reniouimus, aul subLractione rausae
«fficientis, qui^ esl ultimus modus, sicul dt^ätruitur dies subtracliune s6\\b &
et curpiiN sulilracliütie aniiitae. Hoc auLiMn in miinia humaiia cuiUiiigere
iinpossiblle est. Manifestum cnim est, (juia natura* ronliniia ' esl |>rlrmie
cauaae aut eius nmtinuo*. Qu4m1 imle apparet, quod operaLioncü primae
rausae vontinue influuot super naturaÜa et super omne , quod* natura prae-
purauit : et csl '" imjK>ssibilc, quod praeparalä m.-iterjä a natura non in- lo
fluat" aut Ulla'' aut altera lorma a priuia causa; et quod est iiiaiufl'*':
»emini praeparalo '* anima iieces^rin infunditur. Hoc '^ est i^ilur '* mani-
fe5tum '^ indtcium " contrnuitalis siue colltgiitioniä naturae ad primani cau-
8ani. (Mligalio autem non eji^t ntsi ex proprinquitate; et quae prnpinquiora,
cidem necessariu colligatiora ■". (Juantn enim \\}äsi nalurl .nuporior. tan- l&
to supreniu propinquior'**. quam natura "". (Juia igilur ordinatae vunl in-
fluxiODM illius seeundum nnlinem propiniiuilatum ad ips^m ", neceMurio
matores et magis continuae sunt in ca , ({uae prnpinquiora RunI primae
rausae, quam in *■* temotiora; el si non possunt cessare". quantum ad re-
P •* niutinra ■", muUo minus tftntrtltim "' ad '•' propinquioni '". Et ideo fluxus uthie 20
et alJae natumles innuxiunes multo forlius in animani rationalem incessa-
blies et continui. quam in naturam". Palam igitur** est animam rationa-
lem ifllo ultimo modo iion poRse rnori.
Quod si quis dixcrit, quod consequens est ex hoc, ul" anima sensi-
bilis sit ^ immortalis et inderertibilis. noä "* iam respondimus" al haec IS
in bis "", quae praecesscni nl , ulii diximus, <|uwl ipsa pendet secundum
umnes uires suas a. corpore; et haec est causa . prnpler quam morilur moi'te
corporis.
Non morilur ergo neqae deßcit ex defectu dcnuxionis"^ uilae"' in
itlam *• a primo et uniuersali fnnle uilae. 30
Iam ergo pruhibuimu!^ ab anima i-»t)onuli »erundum id , quud habet
sublime, nobile ac diuinum, omnes raodos corruptionis ac defectus. « • •'•
* erg(> B ' om L* ' aliquod e * a. maleriajnmpliusc * quae
a " naluraliter r ' ronlinuus // " rontinualiu 11 ' om^ia quaec
" om c " influalur Bc '- uitam Ji ''* ebl maiusj magis est B
** seniini praeparata rt nam scmipraeparnta p '* Hie n '" ergo //
" medium Bc '* imliciuin dunii ; um Bc "* coIügaLoria fi *" Gun-
äittntini uerba in anijuntum co«git " quam natura um p *- ipsas Bc
** om B ** cessarc Gund.; om Bc ^* remotiora] te Bn propinqulora p
^ om 1} '^ ad| el Bh ** remotiora p =" naluraiiij naturalem uel natu-
.rem lic *" ei^o B " quod // ■* pmt »it aM »ijiiul c " ante nos
add sed Bc ^ respoiiüimus iam B ^* l^tis B " ianuxionis c
■' pM< uilae add suae B " illa « " Ouiletmi lextw hie desinit in uer-
bis Gund. p, 34,13, i^Hae apud Guudiwalinum insr^uunJur, p,60tq.Ugitntur.
56
Goilelmus Parisiensis
I
Amplius. Vita uirtulis iDteHectiuae el uiuere eius in efTeclu non est p- i".'
aisi inlelligere rt«u in efTectu ; et boc non est ei p«r corpus neque pendens
es corpore', quin |H)liai ex rasu corporis ehgitur el üehltiUte ronfurUitur
et derectione eiuä i>erticitar , »icut apparet in exlasj el raptu. Vita igjtur
&«ua huic airtuti Dobili esl — inmo* uilap suae* perfectio ~ praeter corpus
«t Morsum a corpore.
Aniplius. Iste rapliL« et isla applicaüo ad nubüiora et atliora intelligi-
bUta aut est uiolentus aut uoluntarius huic uirtuti aut nalni^is aul casuaJis.
£t casualeo) qnidem esse * iropossibÜe , qaoniam istud est potissima * eius
jo perfeclto, dum e^^t in corpore, et quo" mitxinie' Illustrator ac re^tur genus
bnnuDutn. Keoekiliunea enim diuinae ac proplieliae maj^ime ordinant uttam
huinanani, et omnis ara et otnois* sapientij cedit eis atque subiritar*. Aut
naturalis est applicatio ad res nobiles incürruptibilet« '". Nihil auteni natu-
ral« C6t noxiom aut^ tnorlirerurn ei, cui est nalurale. SeoD^um igitur" fieri
a corpore Mluüferuai est isti uirtuti. (dem arcidil, ei ait uulunlorium ".
Omue enim uolituin indubiUtnter ** utile esl uotenti. Violentum '* ease nun p is
polaet» quo generaliter eousque adJuuatiir uirlos haec '", illustratur atque per-
BciUir. Omae enim uiolealUDi impediliuum " el nuxium esl.
AmpUus. Manifestum est uirtntem iatatn nobilem esse duarum facie-
rum , quarum altera llluitiinHtur a rt^bus sublimibus, et altera illuminubUis
eil ab inferionbu», ciirpumlibus et sensibilibus^ aut"* eadem uirtus est et
eadtfni facies, :ied liberum est ei uertere nc. ad quam pnrlem uoluerit, et
illuminari uel deplugi, a quibus/t'M uoluerit '\ Si ttn(em supenor eat'* no-
bilior eius perfeL-tio et lumen uobilius: quanlo plus ad id se uerlit, tanto
plus et*' copiosiufi illuminatur. r.ertum autem est, quod perrectio illuminat
ipsoiii ease el elou^t a non-eäse. Conuersio igtlur" ad ea quae supra
ipdam sunt"*, perfirit uirtuleiii islani el iUuminal. Patel ergo, quod sepa-
ralur a corpore el a ** eorpuraltbus el roniungil" sr ** spiriluaübus. Palani
igitur '^ dcbet esse, quod nun solum non dependel a corjwre. sed obscuratur
«j et impedilur" eliam applicalione sui ad lllud '*.
Ainpliuü. Cum aliquid fuerit uehementer sensibilc, cerlum est , quod, p. to
poslquam senütur, relinquit scnsum debiliorem ad alia '"' sentienda ; et cum
gliqaid" fuerit ualde Intelligibile , e contrario se habet, quia relinquit intel-
u
ao
"ivar hie omiSBa sunt, etiatn in Gumiitsalini rodicibiuf CN deaunt
itJtiidi r>x üuHflisg. ' suae om p * Et cosualem quidem esse
lut casuale qd' n esse (omiggia rcüquia} B tjuod (omisaia rdiqtiit) p
'nöleflU»»nin H " 1"o ^m p ' post maxinie »itd per hnc/j " omnis
■•«Hrf'**"'"" Codices C'^ ■ eis atque subicitur Gutta.; eis siue
» Ifff. incorporales. — Apud GuiidiMalinum haec et com-
f^ qwe proxime Inntquuntttr, aliquantu f'uirius * ' uel H
tt Uic quoqKte Gundigsiäifi argumentum iit breuiua contrahitur
» |N>lf Violentum add aulem p '• hoc /l hie « '^ inipedi-
«• »Ol t^Htid.; et bc '* noluerit » •" superior est] a superiori
«9t sui^erior esl Bn " et ow p '* ergo // " est c
** coniungitur p *• se omi c " ergo H "" im|)edit n
■• illa p " aliquod p
De immortalitAte animae.
b1
tectum forlioreni ad alia jnlelli|i;eiit)a. * * *■ Impossibile igitur est' laeJi
essenlium ' uirUitis* ifwiiis naliiÜN ex afipliratione »ii;! iid ut!hemenler inlet-
litfibilia , iminu neccsae e»l eatii ex eoruin coniuiicUone u<Jiuiiari , et lanto
amplios adiuuari, quanlo faerit eias ad illa^ fortior toniunctio C^erluin
autem est, qiiia huiusmodi" omiunclio fortissima separat omninn et rapit a ^
sen^ihus et a lor^jore ; et iilen tiianil'eMitiin est, 4]uud ' id " . i|uod uirlutem
ietam saluut naiuraliler et peißcit, separat eam " a corpore. Separatio igi-
tur'" a corpore :4equela e^t i>alutis et perft^ctionis ijMius, non lausa uel oc
CBSJo deütructionls Hlius aul laesionJs.
Ainplius. Manifestum est uirtutein istam iinn habere tmHtrumentum tO
operatiünis suae in rorpore. Licet auteni Ax laoiiionr^ ropdiae tcUulae capitis
operullo uirtutiM isliiis impediri aul omnino deslrui uJdeatur, tarnen mani-
p 81 fesluni est, sotam operatiunem, quae illi est dcorBum, iinpediri, huc e»t ex
parle seDstbilium. Est enim uelut atter Hber eius de^criptto formarutD sun-
sihiliuiM , quem lihnim ofTert ei uel exhibel imii^inatiirn. Hus igiliii' " etim is
ahntraliere et spoliare a condicionibus '* partirulurilms non puterll'^ prnpter
Ittrbationent aul laesionem mediae ccKuluc. in quam tranfteunl " a uirtute
imagJDatiua , licet '^ spoliatioreH et. abstrartiorea '" , prohibebitur uirlus ista
nobilis " ab .ispcctu et lerlione '" e.irurn ; et hitc est, quoniain media eeUula,
quae per uirtutein imii^naliuam debel uelut quidatn ''' über eius lieri |)er 20
hujusnindi, quam dixinui», inscriplionern, per l»e.'^i(>neti) '^ iiJectionis uel uul-
Qeris non est idonea" inscribi ab iniaginatiua uirlute. Quapropler pr<)-
hibetur uirlus iata a lectione"; et sie *' prohibetur ab intellectu et a mtio-
cioatjone** »enMibilium, qune per aliam uiam non ueniebant nd ipsam. Sed
Dumquid prohibetur a leclione"^ suh , quae desuper est illi, et a lectinne äua sK^
in libro suu nobiliori ^' et ab irra(iia*ione , quae inest ei" a iuce prima,
sine a luminihus mediis, quae uocanlnr angeli sancti? Gertum est, quod
non; et hoc euidenter apjmret in nieluacholici» at-gris tt frentthU, qui licet
prohibiti sinl ralioi-inari^^ de sensibilibu*i '^, Lamen de '^ subliinilms multa
uldenl et praedicnnt lulura quasi Ji.uinantei:. In hoc ergo npparel ahlalutn ao
eia librum ratiuois in»cripluin u ^ea^^ibilibu^ '', librum uero äuperiorem no-
bilem inlerdum eis esse expositum et apertum Nun enim continuus uidetur
p.nesse" cum ralione uel intelligenlia nostra. sed quaadoque applicari,
1 Om Gund. p. IM, 4 — 14 t'uius aulern ... et perficiL ' ergo est li
«l ipilur c ' miturutn li ' uirtute B '' uliu c " huiua <• ' om
Ti " illud Ji " om a '" ergo If " ergo /* " condiclionibus n
'" polerunt n " tranKferunl fSn transferl p '*8<:ili»'et r. '^spoÜatores
et abstractores Bc; eorr. «.c dundissalini codt'ce M " nobit» p '" Imo-
stone /y '" quidem n '" per attle laesionem o»i H; pwt laesionem add
aulem B aut « '* idoneuüt Br ; vart. ex (i undijoalitto " a lecLinne|
altior B '* et sicj e" S ^ ab iiiteilei-tu et r3liocinalioDe(rii/f</. ; intelligere
et (et om c) a ratione Bc '* /^//. illuminnttone e,r Gund. '* nobiliore p
" ei om c " ratiooare Bc " sensibus B '" om U •' geiisi*
bu5 Bc '* uidetur esse Gund.; est B esse {omien uidetur) « esse po-
lest/i
58
Guilelmus Parisiensis
auL * illum inlellectiuae uiriuti nostra« , quandoque uero longe Ben ab iUo.
r.u'ius n>i ijuUI cjiutHie a\1, dlspuUntluni ' et rierlarandum est alias'. Ex quo
manifeätum eät, i|uouiam destructio illiu» parliK nun dratruil urrtutum islarii,
itiius imiUiiTD parlis, in qua^ maxime ui^cre uidetur, iü est mediae cellulae
5 capiliü url cerebri. Hoboratur aatem Aoi; pratdü'to exemplo, tjuia frenetici
arrepli niarbo txnic diuinunl rt alio temiwrc non^.
Am|»lius. Omnis essenüa co nalumlher lendens et iht naliiralHer
quiescens, quo non altingil cormplio uul iriurs, e^L naturalitcr incurruptitiilis
et immorialiii. Omnu enitii", quuti Daturatit«r petilur. imluralc est petenli.
10 Si^ isla uirtus natural! desiderio pelat * locum, quo* neque nttingit '* cor-
niptio neque" mors: huiusmodo** locus uel status est ei naturalis et natu-
raliler debilus; quare est iiumunis a morle '" et a '* comiplione. Verbi
gratia ignis in luco suu "" iiiiturali, qui'" est i^oncuuilas i-acli lunariä , est in
curniptibihü '', el ho<: est de conditione loci '". Oninis euim lucus sub caelo I
lA lunari est locus generatlonis et curruptioais , quoDiam est locus cuoflirtus '*.
Ijuia ergo locus uel staius imtnatcrialiuni separatuntm scorsum loiige est'**
a inulu et niutatlune , i|i]oniani a iiiateri» et apjteiifiiciis *' materiau, palain
istarn uirtuletn esse ualurBliter iiiiniuDciii n curruptione et liberani a niurte»
quia omney quod mouetur hie inferiujt^ »ubiaeet eotruptioni**.
SO Quüd t>i quis iticat , ijuod aniiiia liumaim ualuraliter niouetur ati cor-
pus, aequiuoce liicit hör. Nun enmi " muuetur ail aliquid", ul in eo quiescnt,
uel at ab eo pcrticialur, ^d |h>Ilus , ul ipsuni perEiciat ipsa eo(|ue'' utalur
atl acquireiidH» äilii aliquas ex perteclionihus suis secundis, in quo adiuua-
tur** ab iDstiumcntis el ab ipsis senslhus '\ Non sie autem intelligimuä
£& niiimani liunianam luouori in suum sursum an ** nobile , immo ad locani
suae pe^^e1;liunii^ uUiiiiae atque *" ad statuni suum nobiltssimum. Absit enitn
ah anijiia humaua secundutu illaui uirtuteru suatn sublimem '" vX nobilein,
ut quieäcere quaeral in sen^ibilibus*' aut perRci ab eis, sicul oec c coa-
uerso ^^ uirlus " inFerior, animaÜ!« scilicet aut terrenaÜs, qune est uirtus eius I
so inßnia, quaerit" quiescere aut perfici in subltiLiibus"^. Non lamen neganius
aJiquatenus adiuuari ad inquisitiunein quarundam scieuliarum "' et ntullo-
nun operalorum *\ '
' aut om c. Locvn t:orruptu8 e^t, ut ex eis guae tie Uundissalini codi'
cum lecUonibue p. 2'J ad r. / afferuntur eognosci poteat ' poat disputandum
add sie B ■ aliae om r. * quam B * (iundissalini »enlentias in bre-
niu* contrarit Guilelmu», urrbis aliquantutn mntatia " Omne eniin] omne n
el iimne p ' Sed r. Po«l Si (iuttdigiuilinua hubtt igitur ueruni est quthl
" petil c " i|ueru p '" atlingi H atliiigcrc c " siue Hc " liulus
" corruplibilis Bn
ergo p '^ niüte « '* a om Ü " sui n ** qua« «
*" Haec f'uaiua apud GundissaÜnum '" Hie quoque tjuaedam omis«a •■ om
B " appeiuliliune lic " Midtum amputauit " e» im non B " Gund.:
jllud " eoque Ound. eo /^ eu quod c ** &di\ixkaniur (itt dundiiisatiHi eodices
PM\) *' l<9- senaibilibua. cum cod. MCS ** ci B •' uidelioct c
" sublimem suam Ji " sensibilibus (iund.; seoslbus fic " e9* (k <.
e contrario) li ** uirtus esi B; an cum Gundisaalino legendum uirtus eius?
** antt quaerit add non p " Hie quaedam oitiiiua ** quarum tarn scien-
liarum B ** Sententiam dtcttrlattit
De inrntortaliUle aaimac.
£9
Ainplius. Oinnis uirius omnino separata a corpore nec«seario Incor*
niptibilis est corrujjlione cor^wris', t'l e conuerso'. iSrquiiur: i^wnc^ igiliir'
esl media, et est medine dlEpositionis inlcr ista extremn ". Angeli Rancli'^
omnino seorsum et nullo modo dependenles ex corporibus, et anirim uegeU-
tiua el sensiliu.! omnino pemlenles ex corpuiibus '. Anima nutem humana *■
est cxenipium me<lii , <[uac parlim impresso est curporl et pnrliiii pemlens
ex illo, srilicel 4|uantiiin ad uim-s, qua« cuiniiiunical nun »nima Hcn«ibi1i et
uetfetahili , partim ueru »corsuiK est et' abMtrai'la, et tioc est", tjunnluni
communicat com angelis sanciis spulialis'" a'^ conlrariis ". Igilar et a
«A proporlione essenliaH tjuaedam '" uifes eJus martaLeä " el f|uaedam "^ iiiiinor- i^
lales'"; et hoc est ^\ qiiod inqui.siuimiis Nnn enim contra tidei pietHtem
auL ueritalcm est uisum aul auditum aut "* aliquem aliorum sensQum esse
morlalem aut exstingnihileui; sed ipsam rnenlcni humnnam , ut humunam,
«aee morlalem, hoc ueridicae '* piaeque ßdei contrarium indubitanter'" e^t.
Quod igitur*' est in anima*' bumana principale ac noMlissimum , omnino i^
iramorlale est.
Quod 81 quis oliiciat, quud mnrtniis", quin, si par» moiiati» aut cui*-
ruplIbiUs. ergu el Lolum -- qualiler enim dunius erit int-urruplibiliit, ruiut;
(»arjes est corruptibili«? — : responilemus in hoo. quia uisus non est corrup-
libilis nisi secuoduiti b'>i- , quiid hai»et a curpore: et hoc" possumu.s uocare £0
adiulunum passiunum siue iduneilalem instrumenti '^ ad rvripiendas immu*
tation<-s a aistbiühus; uirtus uero iudicandi omnino pendel ex essentia
menlis, quae non |>endens e^t ex corp'>re. In anima ueio animali uisus
dunbus de causJs pendet ex corpore, quoniam e( seciindum M^ quod liabet
üb ipsa^* essenlia animae animalis. et socundum ii|, quod habet acor|torc**; ^
et hoc est, qunniam ipsn pendet ex eorporr». El hoc e*<l", quoniam anima
humana uires aniuiales bal>et secundarias, et ideo non pentlel i(>sa secundum
id, quod" habet praecipuum * ab ilüs , immo*' e j-onuerso " uirlutes *'
aecundariae pendcnt ex principnlibus, hoc mod» scilicet^, quootam propter
illas^; et *" uniuersaliter uerum est, quia omnia secundaria'^ el^ ignobi- so
liora" in omui subiecto • • * «
' OminI p. 24,tl (el immortatifi) — r. 14 ' Omisit p. U,ti>—17
(omnis . . . corporis) " Quaednm c * ergo // ' GuHdia»atini artfu-
meHtum ohtruncauit * (iund.: Kxcmpla horum omnium 8unt Rngcli sancti
" corpore h * est et duiitl.; esi ttn el p '• nm It '" spolialis Uutul ;
om De " a om //« '* *fuutliiaalinum in tiuffustum eoegit '" ({uae fl
" immorUles p '* quae /l '" mortalea p *' om fl '" om H
'■ inctitae c "' iiidubitanler Gnnd. ; indubilabile B ralionabÜiter r
*' ergo li ■* rnenle B *' quwl pars mortalis l^n *• owt B ** in-
strumenti (Utnd.; iutam li iiislam o "" ipsa om c '^ (iuHetmu» »eutrn-
tiarum ot'ftitufm lurbauit , Ha ul u^rha et hoc est quoniam etc. non hnhrnnt^
quo referaHlur '" Cf, quae ad p. 25,19 adnolata sunt ** secundurn id
qood Ound.; sen»ibilc quod H t^ animo quod n sed anima qnne p *^ prae-
cipunm (»und.; principium Bc " immu om Bp " contrario B ■* post
uirtutes add autem Itc ^ pont scilif^t add propter itia c *' ÜU tSe
^ om B •' senbibile If sensibilia r ■" el] sunt p ** igDobilia c
'" Guileimi textua, qualtm nunc habemus, hicd*iinit in ea ip»a uerba ignobiliors
60
GuilelmuB Parisiensis
Teniptemus aulem alia uia declarare immorlalitatern ipsius. Dicemus ' p-K»
enro, quod sensus non appHciitur sensaüs absqtte a$siniilaLionc sui, iit taclus
calido alisiiue calefartione et uisns luiirido absquo iUunitnati(i'ne: intclleclus
uitem e contrario se habet in hoc. Cum entni inteUigit aliqmd , hon deno-
i» minaiur ab ec, quod inttliiffU; nihil €»im ent^ de inteÜi/jibilibiis* ajmd intel~
Uctum , ttisi fortt ipsa xnieUectio , ei *■ in dftmhiltbits i/tsa sf Nsatio ^ Et sie
tnanifeslunt est intellectiim iiitpassibileui esse" ab inlellifibilibus '. p- '*
Amplius. Adhuc"" alia csl" diuersilas, quam i^upra diximus , i|U(k1.
<|uanto fuerint inteUigibiUa ioleUigibitiora , tanto magis delertanl et cuafor-
10 lant intellectura; tt nie impiuvtibf'h's est '*.
Am[4ias. Manir«Ktum est, quod, quanto " maiora et plurie» intelligil
oirlUü inlellectiua, tanto csl ad intcHigenduni expeditior rt capacior el for-
kior; e coiitrHrio auLerii se habet in sensu. Paimn ergo, quod non tiattel
finem in Operation« »ua. Oiimis " uirius ijiflnitae uperationis e&t infinili
IS lempoiis. Ouinis uirtus, " quae non habet finem in operatione, non hat>el
flnem in tempore " ; inßnita enini opvralio non potent perlicl iu tempore.
Si ergu uerum est, quod eius uperalioni non sit finis, ultra quem non ex-
teudalur, * • *"* THrff '" eidem uirtiiti höh est finis in operaiione, wc neque
in MMNff'o", sicut '" apparet in uirtule motiua. cui non est*" flnis ia mo<
CO uendo, 0iV neque in operando * neque in dunindo".
Quod" si quis dixerit. quod quAelibft eius operalio est finita, tiico, p. u
quod, sicut " quaebbet reuolutlo e»t flnila, omnes** infim'lat, et sunt a uir-
tute inftnitae potentiae , sie ^ est in proposito; et sie ipsum intrUigrre sim*
pliciter est iiifiiiilunt.
2ft Quod'" si quis dixerit , qmxl linis riu/i est in luce prima, <iuia ultra
non est, quod inlelligat: non obuial ei, quod intendimus, quuniam tinem
istum adiiuc manifestum e«»t ease inftoitum; et ex hev necesse est ipsam p 37
esse immortaleui' Si enim quies eius et upenitio" ultima*" in ip^a uita.
in oumi »ubieiio (rf. Gundiagalin. p. 25, 24 — ZU), qttibua supra p. 50,17 par-
ticAda e suo hu o trnnspoaUtt incipiebat.
' Dicamus c * om It ^ intelligenlibu» li ' ut /> * Quae a
ii undissalino p. 34,17 — 2fi acute Uigputnta suul , ea ht'c breuius, sed minus
clare reftnmtur * om <■ ' leg. a sensibilibus. Ante intelligibilibus add
intelligibili aul c ** Ad liaec r "est alia B ^'^ Gundisaalini arjfu-
menluM p. 35^ — 8 in breuiua contractum " Totum lüum loeum: quod
quanto fucrint intelli^ibitia . . . Amplius. Manifestum est, qui propter ho-
motttvHton in edilivnibus otuig/iiui ejtt, r.r It restitui '* poM Oiitnis add au-
tem p " post uirtus adä enim p ** (.iuitehnus singulat^m huius argu-
menti quäle est apud (iundissaiinum seutentiarum eum partim omitterel /wir-
tim transponerrt , ratioitum compoitititmem ornnino pertttrbtiuit '^ T/iV
amissa quae apud (iuiidissaliitum p Üö.tlf—Ul leguntur '• ul p " Cf.
Gundis». p. 3:>;i/—23 "* sicutj el sicut Ä et sie c ** leg. cui si non
esset " leg. essendo " om B lacuna hiante, — Quae apud tjundissali-
mtm p. 35t!iG--3*;^ leguntur, OuiMmati praeterit ^ <^ae apud Gundiasa^
linum p. 36,3 — 2tJ explicantur , hie breuissime strinquntur ^ aicul om fi
'* post omnes add aulem p " ante sie add et B " ef. p. 36^ «]{.
*' Gund,-. perfeclio ^^ post ullima add esLj»
De initnortalitale Bnim&e.
til
nnmo in ipao fönte nitae, ubi aon apprupintjunl mors aeque ulla defectio:
manirestum eft menlem humanam illuc ■ naturaliler tendere. ubi est iiiLae
indefecUbins cuntiDuJlaa'. — Ad liunc aolem finem si semel peniencrit, im-
possibile est' illaro Jnde * de cetero seIta^ari^ Impoi^sibile enim est a1ii|uid*
a loco suu naturaliler nioncri; alioquin* hnberet motus oppositus et oppusitas 5
ualura-s'. El In»! e.-*!, qiinniam natura est principhini mnluselquielis. — Vo-
luntarie autem ah ipso fönte uitae et gaudii et gloriae sepArnri, immo ah om-
nimoda pleniludine desiderabitiuni auoruni , ifuis noa uideat esse imp»i>st-
bile?" — Violen(er'*> ideo impossibile est, qaomani liic uiolentia locuin ha-
bere non poteflt. Cam enim a ae ipaa et ah alits. quae infra ipsam sunt, tan- i^
quam ab inferno superiori " et'* infernoinferiori '" erepla lutaliter in roiitein '*
bonorum omniuin quodamniodo migraueril. hoc est, cum fons itle "^' lolall-
p. iH ter '*" illam in se ipsum '^ rapueril, lioc est, omnes ragilaliones eius ft ninnes
eius afTectlones in sc coUegeril:^ tuialiter illi uiuet. Et hoc exemplu naturalis
anioris patet , nhi mens amantissimi patris lotaliter uiuit '* fitin et tntaliter )&
afTectioneü et riigitalione» amor ra[>it In Hlium et ex ilU* Inialiler uiuil in-
terius^ cum ex illo lolum haurit'*, quud cogitat et quml gau<let et qutxl
tiioet; et generaliter omnes cofritationcs et afTectiones baurif" ex illo et
linaliter refun^lil in Ulum; sie et in uita benlitudinis, qiiod mens lolaüter
rapU *' et ah uitmibus nVm erepta lotuni, (|uod uiut't , ex ip»o hoIo hiiuiiet Su
et totum rerunilßl in ipsum et eructabil", qunniam uita tutuliter in appre-
hensionilius et afTeclioDibus consistit*'.
* illic Bn * om p. 37>— 6 et . . . adilus " om c * om ii
• om p. 37,8—10: Qaod . . . moueri * aliquod c ^ om /». 37,tl-~13
* om p. Sltt-i — Jü * esse impossibile? Vintenter Gund.; uiolenter (omisito
ease impossibile) Iln; esse uiolenter p "^ Huml.: Viotenter uero inde ab-
miiipi " interiori p '* post et ndd ab r " post inferiori aiid et su-
periori Ltc " fönte « '" om p '• ftorporaliler Ii "' ipsa It, ip-
sam c '* anilur c '* hal>uerit p '" bnbuerit p " totaliter in deum
rapta fiund. '' adtU in ipsum ex Uund. " /t (fol. 23'^ posi lactthi Al-
chitidii librum de somno et uigilm): fiois de immortalitate anime Wilbelmi
parisiensis.
Corrigenda.
p. 16 adn. rriL fro 3Ü 21 et . . . coqwre U9. 2D~21 simililo' . . . corpore.
p. 19, V. 10 fTO qaia leg. emm eodiee P et Gmüdmo quin.
p. 23, r. 4 pro coelo leg. caela
p. 27, T. 3ß pro qua fortmtm cum Gmütimo Ugemdmm qaia.
I. TEXTESGRUNDLÄGE.
Die vorlk'gcride TextesKeslaltung von Doniinicus fiun-
dissalintis' Sclirift „De immortalitate animae^ stützt sich auf
folgende Handschriften:
P, Paris, Nationalbibtiothok , lat. 1661:J (ehenmis Sorb.
17931), PgmUidschr. von 10^ Bll. klein Quart, Schrift des XIJI.
Jh's. Eine genauere Datierung erniögliclit die fol. I0i2v sich fin-
dende Notix: Iste über esl cülle^ii iwupeniin inaKistronim stii-
denliuni parisius in Uieologia ex legato inai^istri Gcraudi de
abbis iiilla. Dieser Geniuduä ist wähl besLinunt Gerardus
de Abbatis villa, der in seinem am 19. Oktober I::?7I ver-
faiiten Testament ') seine zaidreichen theoloiifisclR'n und phUoso-
phischon Bücher der Bibliothek der Pariser Sorbonne ver-
machte. Zwar steht in unsrer Handschrift die Naineiisforni
Geraiidi; dtH-h ist dies ohne Belaii^f. Denn auch im Necrolo-
giuin Sorbon. ad VI. jd. Noveinb. (Iä7lr'^ lesen wir-): ^übüt
magister Geraudus de Abbatis uilla". Die Korm de Ab-
bis uilla in f ist lediglich eine Abkürzung (ur de Abbatis
uilla ■') , wie ülmlicbe Ccmiiiendien sich ja in den Handschriften
des Mittelalters in zahlloser Menge finden.
/' befand sich also im Besitz des Magisters Gerard us de
') Abgeilruckt bei: DeniHe eL Chatelaln. Cbartolariuin universitatiB
Pariaiensis. bd. 1. (Paris 188») p. -IUI— d3.
*) Nach Denifle a. a. 0. S. 493.
') Dieselbe Nanienslorm finden wir au<-h im CoJ. Par. bil>l. nat. lal.
16G0f>, wo fuL V4r zu lesen ist: ex let^ato inagislri Geraudi de Abbis uilla.
ß4 Guntlissaliuus De iuunortalitale atiimae.
Abbatts i]ill;i uml iiring nach seinem L J. 1271 oder I27ä')
erfolgten Tode in den Besitz der Sorbonne über. Wir können
al?o als Entslelmngszeit von F die ersten ä Drittel des XIII.
.lalirliundfTts ansetzen.
In der Kandschrifl findet sich der Traktat „dr imwnrhtH-
ittff aHhitae"" auf fol. 43 r — to|. 54 v als zweite Schrift. Außer-
dem enthäll der Kodex noch folgende Abhandlungen-): 1. Oun-
dissaJirius de antma ') (fol. 2r •> -42 v ). — 3. Jacobi AJchuini
(Alkeridi) Über de sompno et uigilia (fol. 55 r — 60f). — 4. De
diÖ'erentia Spiritus et aniniae^) (fol. fiOv— 67»). — 5. Alvredi*)
Anglici libiT de- motu rordis (ft>!. r)Sr — 90v). _ 6. De intel-
lectu et intelk'cto secunduni Alpharabiuiii (fol. 90 v — 9(iv). —
7. Alexander de intellectu') (foi. 9Gv^l01). — Unser lYaktal
ist*) mit einer Oberschrill versehen, welche lautet: Gondissa-
linus de imniortalitatt* aniniae'').
Den Anfang der Schrift hat Jourdain in seinen Recherches
critiques sur l'flge et l'origine des IraducHons latines d'Aristote
Paris 1843, p. 45(1 aus /' abgedruckt bis zu der Stelle (am Ende
von fol. 43 V ) , wo der Tcxl In P sehr verderbt ist , bis ex
») Vgl. D«ilifl«a. a, O. S. 493.
') Vgl. auch Bthliollu-quede lY'crnle des chartes rol. XXXI (AnniVe 1870),
Pftris 1H71, p, IM und Hnurt-au: Notires et exlrails de quelquee manusorita
latins de la bihlioUi^qnc Datjonale. Vol. V, Paris \^'i, p. 19& fL
*) Zu einem [rrcjfion Tüil abgedruckt bei A. Loewenthal: Psendo-
Aristoteles ilber die Seele. Berlin 1K91. p. 7!J -KU.
*) Fol. 1* enUiäU eine IntiattsaiiKube des Cudex.
') Verffißt von Costa heu Laca, übersetzt von Johannes Hispa-
aus, herauHgegeheti von Barach in: Bibliotheca philosophorum mediae
aetalis. Bd. II, Innsbruck I87a
") So tnu6 es an Stelle der Lesart von P\ Almedi (fol, BO'), die auch
Bihl. de l'ecole des chartes XXXI, p. 154 beibehalten ist, heificn. Die Schrift
Alfreds ist zum ^O&ereu Teil herausget^eben von Rarach, Bibhotbeca pbi*.
losophorum medlae aetalis lieft II. V^l. auch Hauräau a. a. 0. p. 301 uod
M6mujre» de rAcad^niic deii Inscriplions t. XXVtll, 2c partie p. 317.
') Der Traktftt ist eine Übersetzung eines Stflt-kes von Alexandei
Aphrodiensis de anima II, p. lüf>, lU fl* Suppleiuentum Arislotelicum II,
pars prior, ed. Iro ßruns. Berlin 1Ö87,
*} Ebenso wie de anima.
■) Die Handschrift ist keineswegs, wie Loewenthal a. a. O, S. Öü be-
hHUplet, ,sü uuleserlich, daü man niclib» daraus eutnebintu kann".
I. Textesgnmdlage. (Ui
doctrhta hgires^) (s. o. S. 1—2,20), und aius Jourdain's Schrift
wiederum veröffentlichte dasselbe Stück Menendez Pelayo \n
seiner Historia de los Heterodoxos espaiioles (Madrid 1877)
p. iOO f. ^).
M. Paris, Bibüolh^que Nationale, n. 14988, Pginl., XIII.
Jh. Der Codex bildet mit Nr. 14987 und 14989 ein Ganzes,
eine umfiuigroirhe PrirKaTriniiliaiidschnft in kleinem Kormal, die
aus St. Viktor älanmit, Irühor die Sitfiialiir St. Victor 7SH truff
und erst iTi neuerer Zeil in '.i Bilnde gebunden ^vurde. Sie ent-
hält 57 t Blätter in Klein-Foüo und ist von ebner Hand des XIV.
JahriiunHerts tlunhlaiiffinl pa^riniert. Auf den jetzigen ersten
Band (Nr. I49K7) entmilt fol. 1 — lH:i, auf tlen zweiten (Nr.
I498H) fol. IS4~:^8i und auf den dritten (Nr. 14989) fol. ItSri— 571.
Da.s Manuskript ist aus mehreren ursprünglich gelrennt ge-
wesenen, selbstÄndigen Teilen zusammengefügt worden , die von
vers**hii'<lenen Schrcibeni • und aiis vorsdiiedenen Zeiten — teils
aus dem XII., teil-s aurf dem XIII. Jh. — heri-ühren.
So scheinen die beiden am Anfang des Codex auf fol,
I — 103 «• einschließlich ^) stehenden anonymen Iheologiscrhen
Traktate ^) nach Buctistaboiiform , Zeilenzahl und sonstiger
Schrifleinrichtung ursprünglicli ein Manuskript aus dem XII. Jh.
gebildet zu Iiaben.
') Allerdings nicht ohne eine Reihe von Versehen: vgl. (die Zahlen bei
Texlcilftten sind die Seitenzahlen des vnranstehenden Textes desDominicuä) :
13 quod P (|uidem Jourdain (das Vei^ehen ist entstanden aus itTtüinlicher
Auflösung des nurapendiums qd') — 1,4 errorihus /* moribu^ Joutti. — 1,7
quam . . . quam l' quantum . . . quantum •/. — 1,9 deslruit /' destituit J
— 1,13 omnium /* om ./. — l.Ifi i|uod /' quid J. — i-H omnimoda V nmni-
nioUo J. — 2,3 etiam /' el J. — *J.17 impossibilis /* itnposaibile J. —
*) Pelayo's Text weicht von dem Jourdatn's an vier Stellen ah:
1,9 illaruin Jourd. (mit cod. P) illorum l*d. - 1,11—12 sit eis spes Jourii.
(P) Sit spes iW. — 2.2 inlollerabiliü Jourä. (P) fehlt bfi Fei. - 2.19 tenipla-
bimns Jourd. (P) lentubimus PeL
•) Fol. loa» ist leer.
*) Der erste derselben reicht bis fol. r»3' und beginnt: Omoe quod est.
Bitie dubitatione creator aut crealura est , der zweite, auf fol. M' beginnend,
hebt an mit den Worten: Communis est fldei nostrae confejsaio . sie esse
genus bumiinum in hoc mundo tanquam in aüquo proiei-tuni exiliü.
B«ilrftK« II. 9. Bnlow, OundiaiflUnaH. 5
&& Cmdiilipus De immortaliute anintM-
Auf fol. lOtr— fol. U3ri) fintjet gjch ein Traktat über
die TriniUt, der dem Xill. Jli. enlstafnmt
Mit fol. ! 44 be^nt ein neues Manuskript . das. in kleiner
Schrift des XIU. Jhü. geschrieben , fniher S4*lbstündig war. Cü
reicht bis fol. :HäT, greifl also in den heuti^*n Codex 14988»)
über. Es ist ein MisceUancodex und entiiäJl eine große Anzahl
vers<:hiedenartiger — teils theoloirischer, teils philosophischer —
Abhandlungen ^J.
Auf fol. 144 steht ein Inhaltsverzeichnis*).
Unser Traktat: de immorUilUatt aninunf ßndel sich in
diesem Manuskript, und zwar im heutigen zweiten Bande, auf
fol. :5öir— fol. i.>8v, ist also gleichfalls im XIII. Jh. geschrie-
ben. Er trägt in dem Index den Titel: ^quomtMU toHSnlilto- er-
roribun humanis" , ist aber anonym.
S\\{ fol. :U^ lindel si«h eine Noiiz darüber, daß das Ma-
nuskript nach St. V'iktor gehört: Ute über p.tt nancti uietons
par, u. s. w.
Fol. 343 r — ;J44>' enthält einen anthropologistlieu Traktat*),
fol. 344v Mwd :i45 Exzerpte aus Isidor und Augustin von
gleich.!- Hand (XIII. Jh.).
Kol. :Mü und 347 enthalten kleine NoLizen, fol. 34«— 381
einen ('nnunentar zur Genesis") mit Citaten aus Augustin und
H('da. Das Htilck ist im yjii. Jh. gesehrieben. Fol. 38i2— 384
sind li'fT,
.Vlit fol. 385 r beginnt der heutige dritte Band (Nr. 14989).
In ihm linden sich an erster Stelle auf fol. 385 r — UWv Quae-
slionen über die Genesis-); aul fol, 410 und 411 Excerptc aus
') Pol. 143» ist wieder leer ^lassen.
'j S. 0. die An^be der heuligen BRiideeinteilung nach FoHoTahlen.
"; Fol. 'Hl^~''£A)f , welche eine Abhandlung unter «lern Tilel sermotie
htata rirgine enihalten , bilden wieder ein selbständiges Stück in prftßerer
Srhrifl und Icleinerem Format, aber gleithfalls aus dem Xlll. Jh.
*) DasHellpe zniill niihl weniger als 41 versiljied^t«; Traktate auf, von
•teilen aber U*, ilie.Nr tM) und :j : 41, in dem Manuskript nielil enthalten sind.
'■1 Her AnfiinK desselben lautet: Auima ncc cxlru cr.rpus j>üsita exclu-
ditur n corpore nee inlra corpnä inctudilur , «ed ubinue loLi est , uhi(|ua
InUYm.
•) Beginnend: Notanduni, quia nioyses in liot libro elc,
^ Sip fangen an: fQjUümodo eam potuerit condere riuitatem.
I. 'Textestfrundlaife. 67
ßasilius und Ariibrosiu-: zur Genesis; fol. 41ä cnihfili Citato
aus Augusttn. Die Stücke entstammen sämtlich dem XIII. Jh.
Fol. 413 — 415 sind unbeschrieben.
Ebenfalls aus dvm XIII. .Ib. rührt her der Inhalt von fol.
41(5^457 r: die kleinen Propheten mit Gtniimeiitui*. Etwas
später, im XiD. — XIV. Jh., geschrieben sind die beiden folgen-
den, letzten Stücke unseres Manuskripte: lol. 457 v — 540 v Ge-
schichte des Alten Testaments, Christi (Evangelienharmonie), der
Apostel, und fol. 541'" -5G9 Klagelieder des Jeremias mit Coni-
mentar.
Die beiden letzten BlAtter des Codex, fol. 570 und 57 t sind
leer gelassen.
An :i Stellen macht sich in dem Teil des Manuskripts, der
unsem Traktat enthillt, ofl'enhar die Thfltigkeit einer zweiten
Hand bemerkbar i); b<?i andern Correkturen oder Randbemer-
kirntjen, die teils richtig . teils Gonjekturm sind , ist es zwelfd-
luifl. (ib .sie von erster oder /.weiter Hand lierriiliren •).
Aus diesiMii ('nflex ist bislier noch kein Slück nnsm-r Ab-
hamlluMK verön'entbcht worden. Nur Ilanri^uu fe'iebt In seinen
Notices el extraits de (luihnios rriiinuscriLs latjns, Tome V.
Paris \HiH. S. I!>8 an, daLi er das von ihm aus p abgedruckte
Stfick der Schrift des Dominicus mÜ einigen Abweichungen ^)dtT
Verbess€'rungen gebe» die er zwei anderen Manuskripten, unseren
.1/ und \, entnehme (vgl, Haureau S. :2iX)j. ■')
C. Chartres, n. 'Mi im Kat;dog von 1S40, jetzt n. 377 'J,
Pgml., XIV. Jh., 187 BU. in Foliu zu 2 Coli., von ilenen die
beiden letzten (f. 18ü und 187) am obern Hände rechts bt^
sciiädigt sind •').
') Vgl. oben S. lf>,19 — 23,13 - 36,10.
*) Die fraiflichen Stellen flndea sieb: S. 5,37—6,11.21 — 7,26-12,lG
— 28,0.19.
*i Ober codex M vgl. auch die kurze Notiz in : BtbliuUieque de Parole
des thflrles. XXX« aiini^f Sor. V[. Tome 5. Paris I8«0. S, IH.
*) Vgl- (-itiilo^ue gt-)ifr:Ll ilen manuscriU des biblü)tht-i|ues puliliques
■Ic France. Uepiirlemenls. T. XI (Manuscrils de Cliartrcs), jjar Mm. Omunl.
Mulinier, Houdert' el tJuyccque, ['ans lÜHO. p, XI^V' und 172 f.
■'} Weshalb eine Keilie von Worten iu fol. ISü' cd. b und 186^ col.
u, Miwie iu fol. IHic cul. b (lol. 187* i»l untiewli rieben) nus^efallen hl,
Ö*
du CundiBealinus De immortaliUte animnö.
Die SchriflzftKf sind sehr verblichen, an einer Stelle ist der
Text unlesbar ')• An H Stellen finden sich Correkluren, anschei-
nend von 2. Mand -').
Der Codex cnlhält folgende Schriften : I. Guilelmi Parisien-
sis (siue Aluerni) De anima (foK I— 100^). — 2. Rhetorica di-
uina (fol. 101). :{. De poenilentia (fnl. \VJ). — +. De colla-
tione lioncficionnii (fol. 177).
Dil' AUmiidluDg: ttc iinntortatttaU Haitnac sUlil ;iri IrlzU^T
SU'Wc (fol. IHi— 187). Sie wird in der Hand^ichrifl nicht —
wie Valois: (iuileliiie d'Auvergne, sa vie et ses ouvrages. Paiis
ISSO p. iri7 irrtümlich hi^haiipti^t ') — dem Wilhelm von
Auvergiic zugeschrieben, sondtTu steht nur mit Werken jenes
Autors /.usamnicn, ist aber selbst anonym.
Der AnCanj^ unsert*s Traktales scheint aus der Hiindschrin.
C schon im Jahre 1071- von Le Feron heraus^cjreben worden
zu sein. In seiner Ausgabe des Guilehnus Aluemus nilmüch
(Aureliae et Parisiis l(i7i) vcröllciillichlr dieser (Jelehrte in einem
bt^ondcren Sujiplcmentbarid vier bis dahin noch nicht gedruckte
Schriften') des Auverguers. Er tjiebt in der Praefatio an, die-
selben einem Codex (larnotensis entnommen zu haben, der aus
3 Volumina bestanden liabe. Der dride dieser Fascikel scheint
nun mit unserm cod. /' (Nr. 1177) idenlisch zu sein; vr enthält
wenigstens genau dieselben Schrillen und in dereelben Reihen-
nümlich 35,11 {ni)Bi . . . I]al);el); 28,3 sc . . . iuuali(ituni); 36.3 si quis . . .
qu(aelil>el); 36,4 lquo(iIi}bet . . . intelligere; 3ü,5 (8impliei)ter . . . ni(hil).
') S. o. S. 8,Jf.
■] Vgl. 31,21 neque und 33,23 tut von zweiter Hand über der Linie zu-
gefögl; 28,23 fofmae am Rande beigeschrieben.
*> nnd W8H man auch aus der Angabe Omont's im Catal. g^n^ral des
manuscrils t. XI |>. 172 schließen könnte, wo es heißt: 377 (389): Guitelmi
Aruemensls Parisiensiä episcopi opuscula (<lann Folgen die Titel der in C
enthaltenen Schrilten). Auch Haur^au sagt irrtümlich in seinen Nolices
et exlrails vol. V. p. ^W. daß sich in n. 389 (d. i. jetzt 377) die Abhandlung
des Wilhelm von Auvergne de immortalltale animae vorfinde. Das Nä-
here über diese Frage s. unten S. 84 VC.
*) Es sind die.s; 1. De trinitate. 2. De anima. 3. Der 2. Teil von de
poenitenlia. 4. De cullaliune et sin^lnritate benef^ciorum. Vgl. auch Bauin-
"•«rtner; Die Erkenntnislehre des Wilhelm von Auvergne (Beitr. %. Gesob.
PhilOB. ü. Mittelait. II, Heft L) Münster XbWVi S. 2, Note I.
I. Texlesgrumilaiie.
est
iUl steliL'inli'ii Sclirill 'A
i
r
lolge wie dieser'). Voa (kr Äiilt^Ul steliemK-n Sclinll '/f tmmor-
itilitaU' unimae '\ diuckl Le Feron — da die ganze Schrift ja
schon im Bd. 1. der Auspabe auf p. 332» — 335« publiciert war
in der Praelatio nur einen kleinen Teil a(), von; Nosse de-
les . . .bis: ordinabiiuus radicL>s, qtuis a phitosopiiis accepinius
^(ß. o. Text p. I - "i>ä). Dieses Stück des Textes gleicht dem
Text in C nngernein ; es weist vor allein dieselben Verderb-
nisse , Locken und Interpolationen auf , abgesehen freilieh von
einigen Versehen und gewaltsamen Emendalionen, die Le Fdron
nsn'h der Unsitte der Herausgeber seiner Zeil vorgenonimen
hat j. Man kaiin daher wohl — da von einem Zwillingsbruder
*) s. 0. s. 6a
*) Ditf er wohl aus de[ll!^elben Grunde wie Valois und Omont (■. u,
H. 66 mit Ann). 3) für ein Werk Willielmfi hält, wenn er auch sellM sag^t,
daß der „Tractatus de Immortalitale animae sine inscriplione" sei. Das Nä*
bere Ober diese Frage s. u. S. 81 ff.
') Der Text Le K^ron's weiai. kc^c" ^ folgende Veränderut^^n auf:
L& reprübatiunem C probatioaem Lt Feron — 10 — ü restat de difAdenti-
buB C reatat diffidenlihus /Vf. — 11 immortalitale sna C saa immortalitatc
F4r. — U •{uam dementia reputabitur V repulabitur quam dementia Fcr.
— In aliam C alia Ffr. (Emendalion I) -- 16 poteritis C potent üs F/r.
(Emeud.) — IH quod honestatis persuasio quam C quod honestalis persuasio
aliud non est quam Ffr. — 2,1 laudabUium C laudabilis F^. — 2 rerum
humanaruni intollerabilis C humanarum rerum intolerahilis Kr. — 3 exter-
ininum C extremum Fff. tEmend.) — 4 consequunlur C conse([uitur Ftr. —
tj pbilosophlaque C philosophia F^. — 8 auctoritatem C autborilatem Fh:
— 8—9 cupientibus C uulentibus Ffr. — 15 cum quod t' quod Ffr. (Em.)
— 18 Qnaliter ad C <Jualiler ergo Ffr. (Em.) — 20 non est C non Ffr. —
21 Transccncia C Transcendentia Ffr. — 23 inquam C in quadam Ffr.
(Em.) — 24 syllogisUca non C syllogi^tica consistit non Ffr. (Em.) — 24 fa-
cianl C fat-iunt Ffr. — 3,3 — 1 radicem C ({uam radicem Ffr. (Em.) =— 4 hu-
Hianae r* om Ffr. — 7 cuitu«; dei religio C et religio Ffr. — 8 afni(!lioneni
et afflictiunem Ffr, — 2ä uterque C utrique Ffr. — 26 in hac uita C om
Ffr. — 4,B nisi C sicut Ffr. (Em.) — 6 aesensu C a sensu Ffr. — 16 isla
uita C uita isla Ffr. ~ 17—18 quoniam . . . uita ista (' om Ffr. (Homo-
teleuton!) — 20 tjuare C quare si Ffr. (Em.) — 21 et aaimabun C animabus
Ffr, — Man sieht, daß die Abweichungen. soFem fie nicht geringere Ver-
sehen sind, größtenteils aus Emendalionen bestehen. In der Wort^lclhing
stimmen (.außer 4 Stellen: 1,11— 1,14— 2,2— 4,lii) die beiden Texte über-
ein. Unzweifelhaft aber beweisen die Identität der beiden Codices folgende
Verderbnisse, die beiden gemeinisam sind : 2,4 creatorum ex hune$tate C Ffr,
(crealoris e&honoratio Test) — IH in sensjhilibus C inseostbilibus Ffr. (id
70 GumlisifHiinuB De immoitalitate aniniae.
von <\ der sioli auch in ClmHres befunden lullte, nichts be-
kannt isl — Ulli vollem Recht annehmen , clatÄ der Carnotensis
Le Feron's, aus dem das Stück unseres Traktates abgedruckt
worden, kein anderer als unser C ist.
N Paris. Nulionalltiblinlliek n. I4KS7, XIV. Jh., Pgnil.,
WH Bll. in Folio. Unser Traktat (indel sich fol. 1 *• — fol. 13 r.
AuüiT ihm enthält der Modex noch folgende Schriilen *): i. Cur
drns homo -) (tbl. IHv - fol. 4-^v). - :-!. De liabitudine causa-
rum et inlluxu naturae communis respectu inlerioris--) (fol. 4iv_
fol. 65t)/— 4. De reductione effectuum ^) (fol. 65 v— 8« r). —
5. Meditatione.-^ (fol. 88r_l08r).
Dil» Sclirill (tf^ iinmortah'ttite attimue Lst aniMivtii in .V, w'w
ancli iiaurrau (Notices et t^xtraits, V p. :20n| rithttjr butnerkl,
wilhrend Valois a. a. Ü. p. Iü7 wiederum irrtümlich behauptet,
dati sie dem (iuileliiius Aluernus zugescJirleberi wt>rde '').
sensibilia TMt) — 30 Nunc C F&. (Et) — 20 de C Fir. (ex) - *JU lügicae
r' /-Vr. (logiees) — "JS conclusiunem C Fh. (concluaioni) — 23 n(il)i9 (|iiaeri-
lur aptala om V Frr. (gemeinsame Lflvke!) — 3,1 syllogismorum C Ftr. (syl-
logismis) — '2 (juoque C Frr. (quoquo iiioiloj — A post quod add priiiiA w
ilix ijuoil (' prima ratlix est F/r. (Kemeinsaiiiea Cjusseml) — 8 -9 uita,m . . . posl
fUH C Ft'i: (gemeinsame Lücke.) — 10 etiam om C Frr. (desgl.) — 13 ante curat add
non C Fn\ {^emeim^ume Inlerpolalion) — 20 humanae om C Ffr, — 27 post
islam uitiim si uita est alia C posl istam uitam si aJia uita nun est Ftt\ (si
nun uita est post tstum Text. Das non hat Le F^ron nur hinzugefOgt, um
die lÄsarl von (•', die sonst keinen Sinn liaL, zu emendieren.) — 4,7 acce-
pimuä C A*/r. (accipimus) — 10—12 aut nnn si non; ergo per sapientiam
iälani decepU sunt et C Fh: (dieses unsinnige Glossem gemeinsam!) — ]f)
iininiarum honarum C F^r. fanimabus bonorum) — Ift— 20 Quare . . . tna-
lorum om C F'r. (gemeinsame Lücke!) — 25 eius om C Fi-r. (desgl.).
^) Vgl. auch: nibliolh^que de T^ole des chartes. Sixidme s^rie. Vol.
V. Paris 1869 p. 56,
') Von Wilhelm von Auvergne; s. Guilelmi Atuemi Opera Aurel.
Pt74. Tom. I. p. &55, ed. Veneta (1591) p. 52ri.
') Die Schrift ist verfaÜt von Henricus de Hnssia, wie auf fol.
ttä* zu lesen.
*) Von dem«elbeD.
') Auch in Bibl. de Tccolc des tharic». Sixifrmc sörie V, p. ö6 wini
die Schrift hezeichnel als: Guilelmi t'arij^'ii^nsi» Silier de immurlalilale ani-
iiiae. Der Irrtum beider ist vermutlich iludurclt hervorgerufen . da& der
Handsclaifl vnin eine Tabelltf von ^pälerer Mamt ziigeftlgl ist, auf der die
Schrift bezeichnet ist als: Liber quiduni Guilelmi Pansiensis. In der Hand-
Schrift selbst aber ist der Traktat anonym; er trägt nur die Überbchrifl
idie übrigens auch anscheinend von anderer Hand zugefügt ist) : Tractalus
de immortolitate animae.
I. TexlesgrunrJlagc.
71
Zur DaÜLTUng der Hamlsthrift wird uns in dprsflbon selbst
eine Jlandhabe, ein leriiiinus post quem. Kt?l>'>t<^'"' 1*''* ^n drit-
ter und vii'i-ter Stelle in A* stehentlen Sehrineu ntlndidi: De
hubiiudine rausarurn et inlluxu naiuiae urjij di- n-iluclione el-
fectuuni sind verfatU von Magister Heiirirus llcyiiliucli von
Langenstein oder Henricus de Hassia dein filteren'), der
von i:iHi an in Wien leliHn uni] im .fahre {'Mt"}-} starb. Es er-
giebt sich also als veninitliebu KiilHteliungszr'il von A' frDbeslenfi
der Ausgang des 14. oder das 15. Jahrliumlurl, weU-he Annabiite
durch das Äußere der Hantlsclirift bcslAtigt wird ^).
^) Nio^it £u verwechseln mil Henricu» de Hassia dem jantrerei)*
iler am 1'2. An^g. 1427 äinrb, Hl4 in Heidelberg die Schrifl De f^Iauihus seu
de ronre&iiione verfaule und vermutlich idenlj-ich i*«t mit deni Henricus rie
Ha«s)a , der <nach Toepke: Die Malrikel der Univ. Heidelhei^. lH8i>. I. p.
IN) vom 2:i. Juni— 19. Deüemher IUI Ftektor der ['ntversiräl Heidelberg war
S. u S 74. Vgl. lilier un&ern üheren Henricus de Ha.ssiii Fahriclus: Uibl. iM.
med. eL inlimae aet. et). Klurentiae ]JS'>^, tll, p. ^J6 r Oudni: De scripL
ecclesia*!liris, Lipsiae IT22, lü. p. 12-V2 IT. Olto Hartwig: Henricus de
I^nfrenslein diclus de Hiti^sia. Zwei Untersuchungen über des Leben und
die Schriücn Heinrichs vun Langenstein . Harbui^ 1857. Joseph Aach*
hach: Geschichte der Wiener Universiläl im erclen Jahrhunderte ilu-cs
Bestehens. Wien 18»;"> S. 3CU— 4ÜÜ. F. W. E. Roth: Zur Hibliographie des
Henricus Hemhuche de Haxsia dictum; de Itangenstein. Oenlrdlhlall fQr Biblio-
thekswesen, Beihelt II. Leipzig 188H. Kiieer: Die Cnlslehimi; der cünciliaren
Theorie. Zur Geschichte des Schismas und der kirc;henpoliti»chen Schrifl-
sleller Kunrad von Gelnhausen und Heim ich von Lanifenslein. Supplement-
hefl zur Römischen <Juartalschritt, Freihurg i. Br. 189'^ Üenifle-Chate-
lain, I hartulahum L'niversitatis Farisicnsis, 111, p. i:]3 f. 677 f. und Auclua-
rium, I. an verschiedenen Stellen (s. Index). Wilhelm Preger in: Abhand-
lungen der histonschen Classe der k. Bayerischen Akademie der Wissensch.
X\I 1. .\bt. Milnchen IH!J5. S. 20 T. — Cber den jüngeren Henricus de Hassia
vgl. Hartwig a. a. 0., Anhang S. 1-8,
■J Vgl. Hartwig a. a. 0. S. HG. Aschbach a. a. 0. S. UHK - Die
zwei Schriflen, die in unserm Codex stehen , t)e hahiludine caus. und De re-
ductiune elT. flnden sich bei Fabricius p. 2fib erwähnt. S. auch Oudin
III, p. 12^ f. Aschbtich Qbergehl beide Schriflen, Hartwig die erste,
während er — enl^cegen Oeois: Codices manuscripti theologici bibliothecae
Palatinae Vindobonensis, I, 1207 — die zweite einem Pariser Professor des
vierzehnten Jahrhundorts, HArvillien, zuschreiben m/krhle (a. a. O.Anhang
S, 10-17), was aber dunhaus unbegründet ist. (Auch Roth. a. a O. S. 21
z&h\l. unter Berufung auf Hartwig, diese SchriH. unter den unechten auf.)
■*) Eine weitere Hundschrift. die sich in Dxforil l)ermdet (Merlon col-
\«gc no. 136;, soll mich Valois a. a. O. und Haureau :i. a. O. p. •20l) den
iimgeaibeitelen Text Wilhelro's von .Auvergne enthalten. Indes erscheint mir
diese Angabe li<^chst unsicher, da vtm heiilfU Autoreit (ebenda) dasselbe von
Camotensis 377 ^389), unserm C, irrtümlich ausgesagt wird. Obrigens drückt
sieb aoch Haur^an, der keine der beiden Mss., weder C noch den Oxforder
1
Ti
GttndiMalirius De imuiorlalitate SDimse.
Neben den Hnndschriflen iät als eine füiill4.s wenn aucli
indirekte und sekundäre Quelle füi* die Textkoiistruktion die
Sclirilt tif iminoffiilitftir anhntif iinzusehen . die unter dem Na-
men des Wilhelm von Auvetgne bekannt ist, und die leilig-
lich eine Uniarbeilung der öduifl des (liindissalinus ist ').
Üer Text Wilhehn's, der oben auf S. 38—61 als appendix
abgetlnickl Ist, beruht leider auf ziemlich unbefriedigender
Ciruntllage.
Haureau luid die anderen, welche sich mit der Frage
beschältipten , Ifdireti fdjerliaupt kehie HandsrhriM an. welche
wirklich iU^n Traktat Wilhelms enthielte, limt^n allen standen
nur die sehr mangelhaften Ausgabeti zur XertCiKung. Hand-
sehi-itteu diesem' Werkes seheinen iiheiiiaupt selu' selten zu sein %
Durch Herrn Prolessor Baeumker wunN* iili auf eine
HtiiMisihrill itulinerksam ireniachl v die Freilich erst aus ziemlich
später Zeit slauunt. Es ist dies U = codex Öruxelk'nsis,
eine Papierliantisclirifl der Brüsseler Königlichen Bibliothek unter
n, äiÖSti (ex bibliotheca P. P. C. Lamtuersl. Sie enthält 151
Blätter in KIein-<Juarlformat. Auf tbl. Ir — l^r col. a lindel
sich die Abhandlung de {-oHatitme it /tlitraiiktte iH^ncfidmum von
Guileliiius Parisiensis (Wilhelm von Auvergne). An die-
selbe schlielat sich auf fol. 13r col. a der Traktat de immortnU-
UtU- aitimof. Derselbe trägt die Überschrifl ,Jttcipit ttutciatm \V.
(= Wilhehni) /xiriisietisis de imruortaUtutt ttuiinfte'*. Die Schrift
reicht bis toi. iOr col. b. An sie schlielät sich in derselben
(lülumne, ohne besondere Überschritt, aber durch einen neuen
Abs^it:: und durch größere rote Initiale ausgezeichnet, eine ano-
nyme Abhandlung ik soutno et umonfi. Dieselbe reicht bis lol.
(^odox, in Hilnden gehatit zu habeo, sondern lediglich hier der Angab« von
Valuis zu folgen scheint, sehr roraicbtig aas. Lr sagt (p. 200 MiUe): ,[)eux
copies du traitä pubh^ dans lea ccuvreis de Guillaume d'Auvergne nous sont
judiiiuiies duw les iio" 389 de Cliarlres el 136 du cuUege MertoQ.' So-
dann Rthrt er fort: ,Avec plus de surelö nous cn sigtialons deux du Lraite
de ran-hidiaere dans les no« 148X7 et U9KJS etc," Leider kann ich die Frage
nicht entscheiden, da mir der Oxforder Cudex unzugänglich war.
•) Das Nähere Ober die Frage der Beziehung dieser beiden Schriften
des Dominicua und Wilhelm s. u. S. HA fT.
'} B. Haureau erwiderte Herbst lti9i auf eine Anfrage, daß ihm eine
solche überhaupt nicht bekannt sei.
I Texte&grundUge. 73
ä3rrol. a 'j. Am Ende derselben finden sich uufTiillendcr Weise
die Worte: idf ^ic eul fini» de iminotitiliUitfi aniimtf WiUulmi fm-
{•inirnniit, die eiKontlii.*li an das Ende iinsres TrnkUtes (auf fol.
t^}^ t'ol. b) ^eJu">ron.
Außerdem enlliidl derCIoilex noch lolgende Abhandinngen:
i. S. Bonaventurae Uinerariuni niciitis in deuni (fol. ^li f
(.•ol. b — fol. 'Ab'f col. a). — 5. Anonymer Traklal He gradihus
ascensionis fn deuin (fol. 35v ,o\, a- i'ol. iliv ^ol. b). - Vi. Ano-
nymer nioral theologischer Traklal (Ibl. 1-7 f col. a — I'ol. 1-7 ^ col.
a). — 7. Henricus de llassia: De uisione diuinae essenliae
(fol. 4«r col. a— fol. ÜOv col b). - S. Ein Traktat de seplem
dauibns sacnie scriphirae (fol. (iOv col. h — Inf. (ilr col. b). —
\K Anonymer Traktat do diuinis noMUnibus (fol. ittr col. a). —
10. Jacobiis de Neapoli: De perl'ectionibus specierum (fol. 07^
col. a — fol. 75v col. b). - !1. Henricus de Hassia: De spe-
culo animae (fol. 7.iv col. h — fol. 8lr col. b). - 12. Einp Ab-
bamilnng desselbi^i Hpnricuri de Hassia (fol. S|v col. a —
fol. 8flr). — 13. Hichardus: De qiialtuor gradibiis uioientac
earitalis (Beginnt auf fol. 89»" col. b und hört fol. 90 v col. a
beim dritten GradL* auf; dov .Schlul.i fohlt: fol. ^U ist nnbe-
schrieben). — I4-. Henricu^; He Ha.ssia: De inlluxu causarinn ^)
(fol. üär— fol. I05v col. a). -- *[ö. Derselbe: Do reductione
cffecluum in suas causas (fol. Idö^ col. a — fol. ll^r col. b)-*^).
*) Übrigens findet sich ganz dieselbe .^hliandluuti , und zwar ebenfalls
unmittelbar nach der Schrift de hnmortalilate unimae UiUerdings der de»
Gundissalinus) auch im cod. /'(auf fol. 55'— fol. *)0'). Dort iat dieselbe
in dem auTfo].! befindlichen Index bezeichnet als: «Liber Jncohi alchuinj
de caosis sompni et uigitiiie a magislru G{erardo) Crenionensi de arubico in
lalinum translatus.' Ich vermag eine Erklärung des aufHllligen Zusammen-
steliens dea Traktates de somno et uigilia mit den beiden Schriften de im-
mortalitate aniraae {der des Dominicus in P und der des Guilelmus in H)
nicht zu geben. MÖisrlicher Weise fand sich bereits in dem Manuskripte des
Dominicus, das Wilhelm zu seiner Überarbeitung benutzte, die Abhandlung
de sonmu et uigilia nach der deäCiundissniinas und ist dann samt der Schrift
des Wilhelm in die Vorläufer von (lodex H hinilbergenoiumcn worden.
'J Steht auch in iinserm C>od. .V unter dem Titel du habitudine cau-
sarum et influzu natunie communis respeclu inferioriä. .S. oben S. 70 f.
') Findet sich gleichfalls in X S. oben S. 70 f.
74
Oundissalinus De iramortalitale aoimae.
— IG. Ein physiognoinischer Traktat (fol. Ilfiv coK a— fol,
lUJv). — 17. Cominentar zu t-ineni Traktat de latitudinibus
rormaruiit (Anfaiii^ fol. l-it)V col. b; er schließt fol. 15) v i-ol. a
imvoüemlelj.
Für die Datierung der Handschrift und den Ort ihrtr Ent-
stehung' linden sich in derselben zwei Angaben. Auf fol. f):2 r
eol. a iifiitili<:]i lesen wir arn Ende des anonymen Traktates lie
diuitils iioiiiinibus ') Kolgendt-s: »EL sie est Unis tractatus huius
de diuinis nntninibus, nescio tarnen cuius, scripti per niagistruni
Gerhardum Casterken in studio heydelbergensi." Ebenso
findt't si<-h auf fol. 7ijv vol. li -) die ;1hnliihe Angabe: Explicit
traitiUrts de perfi.'clione spefierimi nmj-dstri Jarobi de neapoli
unbnis fralruin herciiiilaruni saiicti Au^nislini, quetn st-ripsit silii
niagistfr Glierartlux Caslerken in studio lieydclb. Der hier
envühnti* Schreiber di-r Handsehnlt ist wob) sicher ktin anderer
als der Gerardus de Castereuni, welcher im Jahre tili wäh-
rend des Rektorats des Henriius de Hassia-'i an der Uni-
versitüt Heidelberg als »diueö" inskribiert wuifle. Dort er-
warb er sicli in dein Dekanat-sjahr lili 15 die Magi.stei'wüj'de
und bekleidete ini Jahre 14-lW sell)st das Amt eines Dekan ').
Der Codex B ist also in Heidelberg jedenfalls nicht vor 14-14
geschrieben worden. Später nahm vielleicht Gerhard, der
aus der Utrechler Diöcese staninile '), bei seiner Uürkkehr in die
Meiniat das Manuskript niit^ woraus sich der jetzi^'e Anfbewah-
i-ungsort desselben erklären dürfte.
Was den Text unsres Traktates in der Handscbrilt anlangt,
so ist derselbe von keinem hohen Werte. Er enthält eine sehr
groiäe Zahl von Verderbnissen und Lücken; ist al)er demioch
') Olien unter Nr. ^ der Schririen in Ü erw&hnL
'] Am Ende vun Jacobus de Neapoli : De perrectionJbus spücierum ; s.
oten Nr. 10.
'1 ^Des Jöngeren" s. üben S 71 Anm. 1.
*) V|;l. Gualuv Tüpke: Die Matrikel der UniversiUL Heidelberg, 1. p.
IM f. IL 371. 373 f. IIb 7:».
'} Wia: der in der Alutrikcl hei seinem Namen siebende Zusatz xd^uc.
Traiectens.- beweist S. Töpke a. a. 0. UI, 797.
T. Textesgnindlage. TS
an nicht wenig Stellen jfoeignet, die iti den Ausgaben j^t-botenen
Lesarten ricJitig zu stellen ').
Von diesen Ausfraben der Werke Wiihelm's von Au-
verpne sind mir Col^rondc drei bekannt t^ewordon und zug-äng-
lich gewesen-'). .Sie entludten alle dm unseren Traktat.
Die editio prinreps wurde i. J. \4rUiy in Nürnberg
herausjiregeben. !r^ dei-sellien ist der Text von <ir htmiorfalttate
(ttriinof leiliglicli ein Abdruck eines zicinlieb srhiecliten Ma-
nuskripts, ohne Anwendunp irgend welcher bedeutenderen re<*en-
sierenden ThAtigkeit. Das zu Grunde liegende Manuskript ist
jedenfalls nicht unser B. stammt auch wobl nicht aus derselben
Kaniilie. wie die ziemlich zahlreichen AI)weiehungen zeigen.
Die zweite Ausgabe wurde zu Venedig i. J. 15^11 ge-
druckt "). Zu derselben ist, wie aus der Vorrede hervorgeht, fQr
unseren Traktat kerne neue Handsclirifl benutzt *} ; die Text-
änderungon wurden nur auf deni Wege der Konjektur vorge-
uoinuien ^).
Die dritte mir bekannte Ausgabe lietä der Kanonikus Le
F^ron I(i74- zu Orleans drucken und in Paris in 2 Foliobän-
*} Im einzelnen verweise ich tiier auf diu Fu&uuteu in der ubipen
Appendix.
') Eine vierte Ausgalte, die der Herflusjtebcr der editio Veneta in der
praefatio erwähnt, und die zu Paris uui 15in - aU erschienen sein soll, isl
biä jetzt nicht auflindbar ^ewe^n. Ich vermag daher nichl zu sagen , ob
dieselbe eine Gesamtausgabe ist und auch unsere Schrill entliälL S. das
unten Ann\. 4 abgedruckte Stück aus der Vorreda.
') Der Herausgeber war ein magister 3o. Dom. Traianus.
•) Vgl- in der Vorrede: .Sed et haec recensere suppuditum esset, nisi
laboriust testen uperis Venetiis haberem (fuam plurimos , qui cum siiigula
fere uerba deleri aliaque sub^titui eernerent, mulandi laborem et ueterum
impreasorum Inertmm iiiirat)<intur. Sed quid testimoniis opus esset? Re^
ipba per se luquitur. llonferatur cum nostra Parisiensis editio fere
octogenaria, nihil h nie non ucrissime dictum rcperietnr. Ac in ceteri:;
quidcm libris ronieclura fuit ulendum, cum öftere uero de Vniuerso
melius actum ex collatione manu scriploruiii exi'inplaiiiim , ex quibus casti-
galissimum unum c. q. s.
') Von diesen Conjekturen hebn ich hier nur zwei besonders cliarak-
tcrtstische hervor: p, Ö2.H et substantia itnmateriala duttd. (wie zu lesen ial\
et scienüa materiatu Htt inateriae immixtn Venet. (und Orleans). — 50,12 «-
mini praeparalo D (praeparala h) nam semipraeparala Vemt.
76 Gundissalinus De immortalitate aninifte.
den erscheinen. Abgesehen \tiii ileiii Siipjilement-Bamle, in
wek-hcni Le Feron mehrere bis dahin ntxih unetiierlc Schrillen
WiUiplni's lierausgiebt , ist iliesc lüTitT Aus]?abL' lediglich ehi
Neiidnuk dpi* Venediger, wie in der prat'fatio zum Supple-
nientband ausdrücklii-ti bemerkf wird , und wie in der That —
bis auf wenige Fillle — der Augenschein lehrl ').
Allen diesen i Texlquellen der Sohrifl des Wilhelm von
Auvergne (/*■ immortalittt(e tin'utuie ist eineTexlumstetUnig genjciri-
sam. Der Text des Doniinicus Gundissalinus wird nünilich
in der Übenirbeitnng Wilhelin's in folgender Reihenfolge ge-
boten :
1} GumL p. 1 - I74H ') (non per) ') (== t^\üL p. 3*)- 50,1 HJ.
-1] (iiitifl. :Jn,£4 (igtiolnliorti in omni subieclo sunt
propler) - :H,I7 (deref^u^s) |= Guil. r.(>,l(>— 55,:^1|.
3) GutiiL IS,7 (Ainplius. Vita) - iöSi (ignobilia in omni
subitKto) 1= OuiL 56,1— 59,31 1.
4) GumL Ut,13 (Temptemus) — 38,13 (Ende) |= Guil.
60,1— bl,i>H (Ende)].
Wälin-nd also Anfang und Schlutä an ihrer ritJitigen Stelle
stehen , haben die Stricke :* und A des (I u n d i ssa l i ii us bei
Wilhelm ihren Platz getauseht. Die Annahme'), dali diese
Umstellung von Wilhelm selbst absichtlich vorgenommen wor-
den, ist hinlallig; denn der Text ist in dieser Keihenfolge völlig
zusauuiicnhanglos und giebt keinen Sinn. Vielmehi" ist eine
Blattver.setzung in dem Codex, auf dt-n unsere Textqu^-llct) zn-
rückgehen, anzunehmen. Ob dieselbe schon in den alten lland-
schriflen stand , oder erst späteren Datums ist , vermag nicht
gesagt zu werden, da unsere Quellen alle erst ans verhällnis-
mäJiig später Zeit stammen. In dem belrefTendcn Codex fand
sich unser Traktat auf 5 Blättern vor, von denen die beiden ersten
den oben unter I) bezeichneten Abschnitt enthielten und von denen
das letzte nur zum Teil ausgefüllt war. Blatt I, i und Ö sind an
') Vgl. auch unten S. 85 Anm. 3 und oben S. til».
') Die Seilenzahlen sind die des obigen Textes der beiden Sühnflen.
») p. 17,23 manerel — I8,il feliciUtis fchll bei Wilhelm.
•) Zu der man auf den ersten Blick vietleirtit *lurch die Conjektur des
Venediger Herausgebers kommen könnte, der (s. p. üO,l*J u. Anink. 3) Ü^r
non per einsetzt non essenl an) dann Zeile 17 das sunt forüafit.
t. TexlesgrundUg«. ^^K^T ^
der riclitigen Stelle geblii-ben. Blatt It uinl 4 aber hüben »eUva
linrch ein Versehen des Buclibinders bei dem Heften der Hand-
ächrirt) iliron Platz vertaus<'ht. F^Iatt i begann mit den Worten :
ignobiliora in omni subieilo. Diese Anfangsworto des fol^t-nden
Blattes waren am Schiuli von Blatt A - das mit ^oiiinia se-
cundaria et*' schloü — unten am Rande nochmals hingeschrie-
ben worden, wie das ja Irüher zur Erleichtrrung des Lesers
sehr oft üblich war. So *'rklärt ^ieh auf sein- einfache Weise
das zweimaÜK^ Vorkommen der Worte ignohiliora (resp. igno-
hilial in omni subieclo nul p. .VJ,1() und 59,30.
Die lli!ran/,ii?liunpr iler Sihritl Wilhelm's nun ffa* die Re-
zension des Textes des (iundissalinus war ledijitlich eine se-
kundäre; sie geschah in der Weise, daü der Text derselben
beim Schwanken der Lesarten der Manuskripte des Uundissa-
linus dazu diente, die Lesart des t-inen der leUleren zustutzen.
Ich habe mich also an d<'n meisten Stellen, wo die Lesai'ten
tler Manuskripte von einander abwichen und sich nicht andere,
innere Gininde für die Bevorzu^runK der einen gellend machten,
för die Lesart entschieden, die auch von (luilclmus gel*oten
wurde. Namentlich ireschah dies hei Abweichungen der trleich-
werligen (Codices /' und M ^}.
Betrachten wir nun die 4 Handschriflen des Gundissa-
linus nach ihrem Wert für die Textesrezension. Dieselben zer-
fallen in zwei Klassen : eine gute, vertreten durch /' und M, und
eine schlechte, bestellend aus C und X.
/*, zu dem wir uns zunäclist wenden, ist, wie ein sehr
alter, so ein sehr guter Codex. Zwar ist derselbe keineswegs
fehlerfrei; er oniliAll vii-hnctir eine sehr griitäi' Zahl von Ver-
derbnissen-)* einige Lücken '} , ihx-h allrs »hcs im Vergleich zu
') An mehreren Stellen scheinl sogar Guilelmus ganz allein gegen alle
flbrigcn Manuskripte das Richtige bewahrt zu haben. Vgl: 8^) subetantja
adä ex f.f'nii. — ^7,5 aut destruitur destructa sustinentift essenlia aäder (iuil,
«^ 33,13 erit modus inlelUgendi oJd ex Guil,
') Ich habe mir über 200 sitlcher SLetlen aufgezeichnet , die hier anzu-
führen sieb cnlbrigt. Man vgl, den kril. Apparat.
') Eb finden »ich deren in V nur 11, »gl. Ii,4 f. — \2^ - 16,19 C —
18|7.8Ä _ 26^ _ 27^ r. _ 29,12 - 32,18 f. - 37,19. Die grAßle dewel-
78 Gundissaliaus De initnorlalitate animaö.
den Handschriften der schlechten Klasse in nur geringem Maße.
Vor allem nher ist P so jful wie völlig frei von Emendalioneii
oder fiitHrpoliiÜoneri. Fftr den Werl von P spricht auch ilit»
bfzi'iclinendt' Thalsachc, diili tliose all*' HaiKlschrifl an sehr vielen
Stellen dmrli den Text Wilhoim's j^eslfitzt wird').
Auch eine Anzahl der Verderbnisse ist derart, daß sie eher
für als pegeii die Trene von F sprechen. Sie zeijren näTiilich,
da& der Schreiher von P ein ziendich iingelehrter Mann war,
der seine Vorlage zwar gewissenhull nachmalte, von dem Inhalt
des Geschriebenen selbst aber nichts oder wenigstens nicht viel
verstand. Dies beweist die haulige Verwechshing der Gornpen-
dien verschiedener Worte, die riutietlirli ähnlich waren, nieist
jetloch tranz verschiedenen — hiuiHiJ geradezu entgegengesetzten
— Sinn hatten: 7.. B. <he Verwechslung von (I7,2J eä (= eam),
was stehen muti, und CÄ (^= cauÄiim); von (IS,2) cfl (= cum)
und en {= eum) : von (-?ö,20) cä (= causam) und cft (= cutn].
Ferner geliürl hierlier die Henierkung, daß P da, wo niaior ste-
hen nujU, dafür minor einsetzt (15,15— :äO,8. 12— ^*.».24 —
.13,19—35,9), sn<l:inii «lie Vertauschung von euius und eius
(:äO,4>. 1 1 . 1 3) , von (]Mam uiul quein (äl.fi.tC)), von leciione
und locutione (^Kllt und Hi), von aptum und apertum
(äl,ä4), von quidom und quid (i?^,3), von et und id est (2ä,*i);
sodann die irrtiurdichc Schreibung des Pronomens aliquis lur
alius (4,IK — äO,:ä.1-), von incorporalis für incorruptibitis (i::*,lH),
von declarauinius für de(eririitiauirnus (d*J,[!iK vun naluraruim
für materialium (?<,l>^) und von innaluralibns für irnmaleriHli-
bus (9,10).
Ili4-rlier geliArt auch die schwierige Stelle 33.18 f., die für
die Alt, wie P gesilirieben, ctiaraklerislisch ist. Hier haben M
ben (lÜ.IH r.j uml'a&L \n Worte; sie und noch 3 andere (18,8 und 36.2) sind
Tolge eines IlumotcIeulonH enlätand^n.
M Ich lialw Ober 200 eolctier Stellen i^eriiDtlen, w3tirend C und A' nur
angcHihr die HUlflc von derartigen Stellen aufruweiBen haben. Aub dieser
jQen Zahl derSlellen, nn ilnnen /* diirfli Wilhelm t;e«iint2l wird, »eii^e irli
er nur iiiiC l'olgemle hin 1,11 - 2,1 - ;i,1.2.;i - -l,!» - ri,l(;.2-l- 2r) —
18 - Hl,»i — U,I2— 18,15 --21.11 - 22,1»» - 24.1 - 28.14 — 33,21
1. ^'extesgriindlage. i9
Und GuiMwus allein die einzig riclilige Lesart: -viibito autem
iiUelligere, cum inU'lligere non sit nisi per bewahrt. P aber ist
nächsldem vtTbältnismi'iiäig ain treuesten und Kuv^Tlftssigstcn ;
dorm or hat nur — offenbar infolge dt-s Homotclculons cum
inti'lligi'jv uusgoi;.lti^en uiui itilblge lalüclieii Lesi-ns für .sit" „lit"
gtsciirieben , C indes mit seinem cum intelligore sit per und N
mit cum intelligere nisi sit per scheinen doch wohl absichllifti
omendierl zu sein.
Auüordetu spriilit lür die Zuverlässigkeit von F der Um-
stand , data fJep Schreiber , der sich offenbar redlich bemühte,
seine Vorlage nach besten Krflften zu entziffern, :in mehreren
Stellen, wo ihm Hies nicht möglich war, nicht zu J'iner Kon-
jektur gi'iff, süiulern, sein Unvermögen ringeslehend, eine Ruch-
stabenlücke lieii. Es geschah dies an folgenden 5 Stellen: 1,11
diflidentibus — 19,1 sensationeni — 20,H> nuda — d:i.3!ä nee
attingit — :i2,ir» innenire.
Infolge seiniT gnjöeren Treue und seines Alters ') fol^fc ich
f in einer Reihe von Ffillen von geringcror Reileiiturig, nAni-
lich : I. in der Wortstellung, deren Ab\vei<-hnngen in tien ver-
Schietienen TexlL[ui'lli*u überaus häulig sind. ^. an ileuzahlliisen
Stellen, wo quud und quiu (tiäulig auch quoniamj mit einander
verlaus<'.ht sind. Diese drei Worte nämlich, die in jener Zeit ge-
wöhnlich für den Acc. c. Inf. (oiier auch für ul) stehen, werden
ohne jede Bedeutungsnüantiei*ung abwechselnd gebraueht. :t. In
den (iebrauch von aut und uel, i. von ei*go und igitnr, die
auch beständig abwechselt», und 5. von e conuerso und e con-
trario, die elienfalls fortwährend vertauscht sind.
In allen diesen Fällen folge ich gewöhnlich P — ausge-
nommen allerdings den Kall, wenn alle übrigen Textquellen da-
gegen sind — , nicht als ob ich glaubte^ daü die Lesart desselben
stets die genuine des Arclietjpus wäre , sondern nur ^ da hei
jenen geringfügit<en A'ertaiisrhutigeii vollkommene Willkür ge-
herrscht hat, um wenigstens nach einem festen PrifKip zu ver-
fafiron.
Trotz der gro&eu Vorzüge, 4lie /* aufzuweisen hat, sind
Beine Verderbnisse doch so zahlreich und demrtig, datj es nicht
») H. oben S. iü.
ao
GuDdlMalinns De immortaliUt« tnimaft.
möf(lit'h ist, mit ihm allein — auch nicht mit Zuhilfenahme des
Guilflnius — eine» braurliharen Text der Schrift des Domi-
ni cus hpHcusIpllcn.
Daü dies rloch ni6g1icli gewest^ii ist. danken wir dem zwei-
ten Vertreter der puteii Klasse, unserem M. Derselbe steht /*,
mit dem er seiner Ab^tammunK nach verwandt ist , wie an
Aller ') , so an Wert ungefähr gleich. Allerdings scheint sich
das Wertvcrhällnis zu Gunsten von M insofern zu verschiel>en,
als von den /.iemlirh zahlreiclu^n Stellen, an denen J/ von P
abweicht, l)ei weitem die grötiere HSifle von M richtig über-
liefert ist '). Auch eiitlullt J/ fast gar keine Lücken. Nament-
lich aber ist M da<liircli wichtig, dali rr uns an mehreren Stel-
len entweder ganz jiHein, oder nur im Verein mit dem Guilel-
nius das Hiclitige bietet '). Wtlhi-end also M sozusagen von
grölierem praktischen Nutzen (ur die Textesherstellung ist, so
darf man tlocli di-n objektiven Wert von /* dt^hnlh nicht ge-
ringer aiisirhlagen. Denn wenn man im allgemeinen mit Recht
in dieser Hinsicht dun Handschriften den Vorzug giebt, die von
ungelehrlen Schreibern gewissenhaft — ohne VeretAndnis des
liilialtes — nachgemalt sind, so ist vvieiier P im Vorteil, dessen
Schreiber ja ein s<>lrtuT iiiigeMnler Mann war. Wenn auch die
Zahl der Verderbnisse in iHesem Falle eine grofae ist, so ist
doch die Gefalu* einer b e w u til en Emendation völlig ausge-
schlossen; auch das unbewußte Einsetzen eines synonymen
Ausdrucket^ für den in der Vorlage stehenden ^) tritt nicfiL ein.
*} 8. olt«n 8. et unil lifi.
*) Olier 400 Stellen tiind Rbweicheml, nber 2S0 dersetbea haben die
genuine Lesurl bewiihrl. Ks urflbrigl sich wolil , alle diese Stellen hier zu
notieren , da ja oin Blick auf den kritischen Apparat den Beleg giebt. Ich
begnQge mich, auf die folg(«nde Anmerkung zu verweisen, in der die be-
sonders wichtigen StHlen veixeichnet sind.
") Hier küuiiiiou Tulgende Stellen in Iktrachl: 2,4 — 2,16 (mit Gtul.)
- 4.12 (tfiiiV.} - fi.lli i^'MiY.) — 8,11 - 10,4 — lO.tO — 11,20 (GmiV.) —
11^ - 12,3 ((.'iii7.). H - 13,16.20 f. (Oiii/.). 81. 2S [Ouit.) ^ U.a (Giifl;).
9 {UuiL). 23 {Ona.) — 16,1 - IMfÜMiT). 7{G«(7.) - llJb{Guil.). ll(Ouii.).
19 {(iuil.) ~ 18.17 — 1»,13.U - 217.11 {Guil). 12 - 22.3[Ö«»/) - 24,18 f.
- «7,17 — Ufl.C (iJun,) — 32,17 iauil.) - 34,24 - 37.10 f.
*) Wie dies wohl jedem mit VerslAndnis Absrhrei tuenden gelegent*
lieh onterlSuft.
I. Textesgrundlage. 81
Der SchrfibiT von M nun war zweiMsoline ein Mann, der ganz
gut verstand f was er sclirieb, und dem wir in der Thal un
einigen Stellen die beiden der vorher erwähnten Textändemiigen
nachweisen icönnen '). Alles in allein betraclitel stehen sich
also M und P an Wert so ziemlich gleich. Aus den Abwei-
chungen ergiebt sich id»rigens , dalä P und M , wenn sie auch
derselben Familie angohört-n, nicht auf dieselbe Vorlage üurück-
gehen; es ist vifJnielir noch je ein Zwischenglied anzusetzen.
Auf diesen beiden Handscliriften also beruht hauptsiU'htich
der Text von Dominicus' Traktat. Neben denselben treten C
und jV, die Vertrol(?r der schlrchlen llandsehrilli'nklasse, hei wei-
tem zurück, lileieliwohl aber sind auuli (tie:je nicht ganz zu
entbehren, da sie an mehreren Stellen allein die richtige I^esart
bewahrt haben ■).
In C sind die Verderbnissi* noch zahlreieher als in /*");
uutierdeni ist der Text durcli eirte grol'te Zahl von zum Teil
recht ansehnlichen Lücken entstellt *). Auch die Zahl der Stel-
len, an denen C mit Guilelniu^ die richtige Lesart aufweist, ist
geringer "j. Was al>er vor allem ilen Wer! von f' herabselzl.
ist die Thatsache , dali er an mehreren Stellen Interpolationen
oder Emendalionen aufweist. Viele derselben Ünden sich auch
in .V. rühren also bereits aus dtr Vorlage beider her'|.
iV, zu dem wir uns nun wenvien , zeigt groLie Ähnlichkeit
mit r. Er weicht zwar in einer ziemlich l)etnichtlichen Zahl
von Frdlen von (' ab ') , stimmt aber gerade an den charakte-
>) Vgl. 5.28 - 7,13 - 7,28.
») Vgl. 2r>.19 f. — 3I.iy — 35.2-1.
') Gegen 300 solcher Stellen habe ich ges^nnimell!
*) C colhült deren insgesanil mehr als 40 mit Qber *210 Worten!
^ S. oben S. 78 Anm. 1.
•j Vgl. l.U - 3,U.13 - 4,10 ff. — 8,r> — It/ivl — 11.16.21 - \'2,2 —
ia,lü.24 - 14,4.12 — I5,2i; f. — 17,4.10 — 21,11.111 — 24,1 — 2ti,lä - 30.11
.12,11. — An allen diesen Stellen finden «Ich die Emendalionen in (■ und -V;
allein ist C an fidgenden Stellen emendiert : 2,21 — lO.L'-.f — 18J — 22.20
— 23,151 — 24,23 — 2.M — a6,2!>.22 — 27,15 — 2ft,in - Äi,ft r — 3l,li -
32,2 — 35.14 — 3fi.3.
*J Vn^etÄhr 4<X> Stellen, die al>er zum Teil gerj ngrii^iger Natur sind,
z. B. die Vertaus<-hung von (|Uod,t|uia. quonlnni, ergo und igilur, erontrario
und e conuersü u. a. m.
BaitrAgc II. S. BUlüw, UandiuAliuns. 6
I. Taxte^rundlage. 83
er etwas weniger emendiert ist , namentlich aber nicht so viel
Lücken aufweist als jener. N ist nicht aus C selbst und auch
nicht aus derselben Vorlage wie jener geflossen , sondern es ist
je ein Zwischenglied anzunehmen.
'X Als sekundäres Hilfsmittel, um bei schwankender
Lesart der Mss. die des einen derselben zu stützen, dient der
umgearbeitete Text des Guilelmus. Die Handschrifl. die dem
Äuvergner bei seiner Bearbeitung vorlag, gehört keiner der bei-
den Handschriflenfamilien an, sondern ist wahrscheinlich vor der
Abzweigung derselben entstanden , wie aus den vielen Stellen
hervorgeht , die Guilelmus mit Familie A (gegen Familie -ß)
einerseits und mit Familie B (gegen A) andrerseits gemein-
sam hat.
Es ergiebt sich also folgendes Stemma:
(ü)
/
Gui/ehnUH
I \ I \
(X) (Y) (V) (W)
M V X
B4
Gundissalinus [)e imiiiorUlilate aniiiin«.
IL DIE AUTORFRAGE.
Des Dotninicus Gundissiiliniis ') Sclirifl ilr iiniiior-
talitate uniina e. deren Texl im Voiuiiälelicüdeti zum wstwi
Mide ediert ist , war der golehrlen Welt lange Zeit so gut wie
uid)ekannt -). Die erste Nachricht von derselben gab Jourdain
in seinen Kccherches criliques sur Tage et Torigine des tra-
duclions latinea d'Arislote ^), wo er auch don Anfang des^^Traklates
aus unserem Codex /* vei-öffentliihti' 'J. Die Angaben Jour-
dain's verwertete Menondez Pelayo in seiner Historia de los
heterwloxos espanok's (Madrid IS781. 'I
Diesrn beiden Gelehrten entging jedoch die Thatsache '•),
6aü sich unter den Werken des Guileltnus Aluernus (oder
Parisien sIs) eine Abhandlung df- inimotiafttnff anhmie findet,
die mit der *ies norninicus tÜc allei-gröLile Ahnlirlikeit , ja an-
scheinend fast wörtliche Übereinstimmung vaA^I. Aui*h Valois
scheint dies nicht gcwuiil zu habt-n , da 4'r wenigstens in seiner
schon mehrfach envühnten Monographie (luildnie trAuctrgnf
(Paris ISKO) darüber nicht sprirlit. Auch Currens, der (a. a.
O. S. 34 f.J auf die Schrill des noniinicus Bezug ninuid, er-
') Die Namensform (jundissalious (oder Gondissalinus) ist haod*
schriftlich besser bezeugt als die Form (t undisalvi. Vj?f. hierüber P. Cur-
rens: Die dem Buethius t^lsi-hlJch zugeschriebene Abhandlung des Dominicuä
<:un<li.«al.i de unttate (Bacuniker, beiLr. z. Gesch. d. PUilos. d. Mitlelalt.
BJ. I. Hll. I.l Milusler 1«M. P. 31 Anni 1.
'') S oben S. 07 und uiileu S. K'i Aiim. 3. Le F^ron hatte die tou üim
edierten kleinen Stflcke der Schrift des Gundissalinus nicht als solche
erkannt.
•J S. 113 der neuen Auiigabe, Paris 1843.
• Ebd. S. 4r><). S. üben S. (iL
*) S. 4tX>. — Menendez dn:ckt tiucb cbendtiselbst das von Juurdain publi-
cierte StHck ab. S. oben ö. Hr.
"j Was liei Jüurdain einigermafien auffallen könnte, da er doch —
wie aus S. '2%1 ft. seiner ächrilt berTorgcht — sich zJemlii-h eingehend mit
den \Vert;en de« Guilelmus Aluernus be^cbfiftigt biiben mu&.
II. Die AiiloiTiaiie. ^■' 8S
wähnl davon nichts, ebensowenig Werner ') und Darden-
hc'wer '^). Zuerst macht Loewcnlhal (Pseiiäoarislotck-s über
die Seele. liortin, l8tM S.hd) auf die Ueziehnnp; der beiden Trak-
lale jinfinerksaui. Seinn Heint*rktin^r''ii JotJoch zeigen, rlati er
höchstens den Anfang der beiden Scbrirtcn mit eigenen Augen
gesehen hat**); trotzdem aber stellt er xiber dieselben kühnlichst
Behauptunpen auf, die natiirlidi ain Ziele vnrbeischietäen. Er
't Karl Werner, Die Psychdln^'ic iles Wilhelm von Ativci*pne
{Silzgsbr. d. k. Akad d. Wissennliuflen z. Wien. Philo*, liisl. Kl. BJ. 70,
Hefl 2. S. 2Ö7 ff.) und Wilhelms von Auvergn« Verhallnis zu den Plalonikern
des XII. Jbrhdt». tSitigslwr. tl. fc. Akad. Wien. Philos. hi.st KI. Bil, 74JS7:t.
S. nü-17->).
*) Otto Bordenhewer, Die pseudo-anstolelische Schiifl über das
reine Gul*»-, hekannl unter dein Namen Liher i!e caiisi«. Freilpur^j 1KÄ2.
S. 12S.
■j Ob Loowenlhal *ien Traktat Wilhelm's ilberhaupt in Händen ge-
habt hal, muü hßi-hst zweirt-ihafl erscheinen, da er selbst (S. 119) zugielil,
dsiti „die belrenTende Kililion (Wilhejm's} ihm voMkomtnen unziiifänglich
wiir". Duraus vermutlich erklärt sich auch der Irrtum, — den er selbst Crci*
lieh als neue Entdeckunp- betrachtet — , der ihm mit der Vorrede zum Sup-
|ilenienlband der{]*lT4erl Aufgabedes Wilhelm begegnet ist Locwenlhal
bebnupLeL nümüdi , d.iß der Heiausgeber in jener praefatio mitteile, „diift
sich in der ed. Venedig 1591 der Werke Wilhelm'» eine nndore Version
de» Über de immnrtalilate befinde* und daß „der VerPasser da;« zweite Kapite!
von den dreien, in welche das Werk in der ed. Venedig zerHllIt , mitteile.'
Die Wahrheit nun ist so ziemlich das Gegenteil. Die jöoijere edilio von
Hi74 nämlich enthält nach ausdiflcklieher Angabe ihres Herausgebers Le
Feron — deren Wahrheil ich bestätigen kann — denselben Text wie die
ältere ed. Veneta von 1591 ^Le Feron sagt: .Venelam editionem, quam «•
quitur haec recenlior* s. auch oben S. G8). Die andere Hezen.^ion, von der
lii- Fcron<priclit, und von der er die beiden ersten Kapitel [nicht blns daszweite,
wie Ijoewenlhal angiebt) mitteilt, entstammt nichl der ed. Vcnetn, ^iondern
einem codex Curnotensis (unserm C; s. ob. S. 69 t)/den er neu aurgeTunden.
und aus dem er den ganzen Supplementband herausgicbt. Er hält nümlich
den im (.^rnolensis enthaltenen Triiktal tir imtuoiinlUnte (der dem GiindissaU-
nus angehört) irrtümlich för ein Werk Wilhelm's und teilt jenes Stock
behufs künftiger Kmendation des Textes Wilhelm's mit Unrichtig ist es
ferner, wenn Loewenlhal behauptet, das erste Kapitel sei «wfirtlieh* iden-
tisch mit dem von Jourdain mitgeteilten Anfange unserer Schrift. Das ab-
gedruckte Stück w?ist sogar von seiner Vorlage (unserm C) eine g^nze Reihe
von Abweichungen auf (6..Db. 8. 69 Anm. 3), um «.o mehr von ^oardain'»
Text, der auf P zurückgeht ... . . _
II. Die Auiorfrage. 87
die Übersetzung des Föns uitae des jüdischen Philosophen ihn
Gebirol '). Auch eigne philosophische Schriflen werden dem
Gundissalinus zugeschrieben -):
1. de unifate ^),
:2. de anima *)
3. de processhne mutufi •*) (oder de creafionr munfii}^
4. de diuisiom philosophme *■).
Guilelmus, nach seiner Heimat, der Auvergne (wo er zu
Aurillac geboren wurde) Alvernus, nach dem Orte seiner Wirk-
samkeit auch Parisiensis genannt, lebte ungefähr ein.Jahrhun-
dort nach Dominicus. Erst Hörer, dann Lehrer an der Uni-
versität Paris , bekleidete er seit l :228 den Bischofssitz jener
Stadt und starb 1:240 '). Außer zahlreichen theologischen Ab-
handlungen *) , die uns hier nicht interessieren, verfaßte er auch
philosophische Schriften, deren Namen sind: 1. de trinitate '•'),
'2. de uniuerso ^'') , 3. f/c anima ^^). Außerdem wird in allen
') Diese Übersetzung ist kürzlich nebsl austöhrlichen Prolegoinen.i her-
ausgegeben von Clemens Baeuinker in s. Beilr. zur Gesch d. Philos. d.
Mittelalters Bd. I. Hft. 2-4. Manster 1895.
*) Vgl. Loewenihal a. a. O. S. 13. Gorrens a. n. 0 S. 31 ff.
") Die Schrift wird dein Dominicus beigelegt von Haureau: Memoire
»ur lu, vraie source des erreurä altribu'es ä David de Dinan (Meni. de
l'Acad. des inscr. t XXIX deuxiöme partie Paris 1879 S. 311) ff.); vgl. auch
Haureau. Hist. d. 1. philos. scol. U, 1 S. Bl u. Ueberweg-Heinze, 7.
Aufl. II. S. 184. Erschöpfend bewiesen wird dies erst durch Gorrens a.a.O.
*) Behandelt u. z. Teil herausgegeben von Loewenthal a. a. 0.
^] Abgedruckt bei Menendez Pelayo: Hist. d. l. heterod. esp, J,
üyi-7U.
") Noch unediert; vgl. Gorrens a. a 0. S. 31 f. Ebenda s. über die
fälschlich von Haureau dem Gundissalinus zugeschriebene Abhandlung
de ortu scientiarum.
') Vgl. Baumgartner a. a. 0., wü auch die nähere Litt, angegeben
ist. Außerdem vgL noch: Oudin: Script, eccl. Hl, 73t f. Jourdain: Re-
cherches cril. 288 f. Bardenhewer a. a. 0. 8.224. Stöckl: Gescdlh.
Philos. d. Mtllelalt. Mainz 1865 II. S. 32d. Hauräau: Hist. de la philos.
scol. n, 1, S. 143 f. Ueberweg-Heinze^ II, S. ^9. — CaUlogue gänära.
des manusctits des bibl. publ. de France. Tome X( p. 172 (N. 377).
») S. Stöckl a. a. 0.
") Baumgartner S. 2. Valois a. a. 0. S. 162.
'") Vgl. Baumgartner.S. 2. Valois S. 161.
>*) Bauiugartner. a 3 f. Valois S. 166.
nunilifsulinus U« iininortalitute nnimae.
itcn Toxit'squellcn '| der Werke Wilholprs unter
inom Numon der Ti-nktil de immorialitfitr mütHtu veröffenU
lil , drr . wie Iteteits oben =1 iTwäliiil , iiiil der gleichnainijfrn
»handluiig. die in P dein Dominicus zugeschrieben wird, die
aöto Ahnlirlikcil, ja l>ei oU-rfläcli lieber Belmehtung last völlige
Eiiislitunuuig ni zei^^n Steint '*).
Der erste (redauike bei Beb-achtun^ dieser audnllenden
achi" L-st . an^re^irbts des Allers und der AutoiitAt von [\
r, ttn ein Vrr:aeh«n biblit^jrnipliiscber Aii, an einen Irrluni —
tihl wfüiper an eine absiehtlicIiL* Fälschung) — der Hand-
!lriAMsrlimb<T oiler I4emusgeber zu glauben und anzunebmeji,
§ «K» Schfifk tu Unrecht unb>r ilen Werken des Alverners
Dkw Annalime jedoch wird diinli (iiiilohnuä selbst wi-
rir^, iVnn derselbe beruft sich an zwei Stellen seiner Schrift
auf eine trüber verfaßte Abhandhing ilf immortnlitate
kmttMtiiftrut». Er s;igl du ') : ^hiiri aulciii l'eci te >cire in
»etatu singulari de iiumortalitalc animarum tiuma*
rum. quoniam oninis aniina irrationulis niortalis est siue
TUptibilis ex nattn-ali defectibilil;tt<' su;i et rci-idpus in nou
;v. a quo per oninipolcnti-ni inrUUeiii t-realoris i-ducta erat
esse.' Kur/ darauf ITihri er fort ■•) : „De aniina uero ratio-
3ili iam notum est tibi ex eodem tractatu et etiam alio,
a nohiliores ar' prae.-ilaiitiort'S oporaliortes eins sunt ci non
' corpus, sed scorsum u corpore, uidelicct post separationein
illo.-
lyteav Stellen, auf die hier verwiesen wird, linden sich nun
Jhlich iit dpMi Traktat Wilhelms th immoiiiditatf anhnoe
Im Ciitlox ii und in allen drei Ausgaben , auch schon in der alle-
Hl**j, ubeteicti dieselbe nur eine vcrhaUnismäfsig ^erinue Zahl (11)
fn«n DiithAK und gerade die wichtigsten: de trinitate, de uniuerso,
il» ih^toriM diuina nicht »ufweisL S. «uch oben S. 72 und 75.
I* wb. S, 72 und »4 ff.
iJ** "»«rden weiter untAn (S. 92 ff,) eine eingehendere Vergleichung
' |*w«»«hmen.
omn. ed; Aupliae 1G74 Supplem. S. r2 col. a. Auch Valois
Hüureau: Xolices et exlräit« führen diese erste Stelle an.
*** fttcllfl wird v6n Vuloit und Haurtju nit-lit erwähnt.
II. Die AuLorfrag«. ^^^^F RH
vor. Die erste, welche von der Slerblichkt-il der aninia irnitio-
nalis — die sonst Kewfthnlich aiiima animalis odt-r bnitalis
lieiül — hatiilfit , Ipspii wir in dem ohon als Appendix edierten
'n-xl Williflm s auf S. i.\ :i-ir» i|:
^Quod si quis quacral de anima animali siue bmlali , an
iramateriatis forma el ipsa sit . oportet respondei*e, quia maleria-
liiim formanim duae sunt maneries : una , quoe totaliler inniti-
tur ei incumbil malenae suae et non refrit noque sustinel eani
iiUo modo, sed ^nslinetuv ab ea, et haer est forma proj)ric' cor-
poralis : alia . rni potius innititur sua materia et sustinetiir i't
regitur ab (*a. Verumtamen non est operatio huius forraae
uisi in materia r^im el per eam ; et ideo apparet . qund eins
easenti» extra matrriairi suam otiosa üssrt el iiititilis. Hör igi-
tur modo foniia materialis est anima brutaiis et uegetaliuu. hoc
est ex materia sLia dependens, et qiiantum ad esse et qtiantum
ad operari , et ruin de:itructiom' suae malmae destniclibilis,
siciit liquor, qui serriatur in \xase , deslriiitur destructione uasis
et igiiis in lignis ; licet istae dissimiles sint niultum ei . propter
quod induounlur.''
Das zweite Citat, in welchem die Rede davon ist. daii die
opiTatio der aniniu ralioriulis unabliängig ist vom Korjjer, lindot
soj^ar durrli zwei Stellen *) der Schriß von der Unsterblidikeil
der Seele seine Restälipung. Vgl. oben Guilelmus S. i2,
li— 18"):
»Onmis subsiaiilia, cuius operalio non pendel ex corpore,
neque eins essentia pendet ex corpore. Liberior enim debet
esse essentia quam operatio. (ium erjro operalio animae hu-
manae, scilicet illud , quo brutis antecelUnius, iil est oprnitio
intelleclus, non pendeal ex eorpniv, neqiie eius essentia. Est
igilur sepaj'abilis a corjwre naturaliter el uiuens praeter corpus. "
•) Vgl. auch oben meinen Text des Hominicus S. 0.1(5 - 10,7. Die
Stelle ist von Haureau a. a. O. abgedruckt und zwar nach dem Co lex P,
.von dem übrigens H. irrtümlich behauplel. dafi er hier mit Guilelmu»
wörtlich übereinstimme, während sich außer andern bei Wilhelm z.B.
eine Lücke von 13 Worten vorfiniel- (Vgl. oben S. 9/23— lu,l u S. 45^ f.)
=*) Beide von Haureau nicht erwähnt.
') Vgl. oUeu Dominicua S. &^— 11. _
00 Gundissalinus De immorUlitate animae.
Norh schlagender ist <\'iv zweite Slelk- {oben Gu'ilelin.
S. 43,33-37) '):
.Mariifestimi hx his. quod nohiüssiriia üpenitro ac fortissima
uirtulis inlellecliuae , quae est proplietia ucl reuelalio, tunc
niaximo uiget , cum corpus est inlirmissimum , siciit in extasi
iiel raptu paiam est, Haer aiitem t-st inaximn eius separatio,
dum est in corpore. In oinninioda igitur sppai-alione a corpore,
quae mors est. omnino uigel."
Es kann :4omit \vohl keinem Zweifel uiiterlieg:en , daü die
von Wilhelm in (h- itnimft cilierte Sclirill inJI dem unter seinen
Werken viTöflTentürhten Traktat ilr hnuftt-ftiNffifc ftninnif iden-
tisch ist, und dalj letzterer mithin mit Recht itmi zugeschrie-
ben wird.
Wie steht es nun uUw mit di-ni Text im Codex P? Rührt
derselbe nicht von Doniiniciis liuniliss;i]in us her? Trägt
der Traktat also dort mit Lijirecht den Namen jenes Mannes?
Fast niß<;htG es so scheinen! AUerdinKs würde diese Annahme
an einer nii^ht unbedeutenden UnWahrscheinlichkeit teiden.
Wissen wir doch, dali F (s. o. S. 0^ f.) in einem der
ei*sten zwei Drittel des \'.\. Jahrhunderts K*'^'hriel)en wonlen,
also noch zu oder ^nn/. kui-z uacti Lebzeiten des Wilheliu
von Auvergne (f I^+-^ s. o. S. S7 f.). Bald nach 1^71 oder
1375 fedng der Codex aus dem Nachlali des Magisters Gerar-
dus de Al»batis nilla in den Besitz der ^Sorbonne über*},
im der Hochschutu der Stadt Pajis, wo Wilhelm gewirkt und
sogar den Bischofssitz eingenommen halte. Es ist miÜiin im
hohen Urade nnwatirscheinlich . daU eine Schrift jenes damals
altbekannten nnd lioclibedeutenden Mannes einen falschen Aulor-
nanu-n nicht nur erhallen, sondern aucJi belialten häite. Denn
wemi man auch an ein Versehen des ungebildeten und ungc-
lehrlen Schreibers ■*) glauben könnte , so wäre dasselbe doch
wahi-scheinlich später richtig gestellt worden, als die Ilandschrill
in den Besitz der Sorbonne überging , wo die Werke des wür-
digen und berühmten Bischofs doch wohl bekannt waren und
*) Vgl. oben DuminJcus S. 7,20—20.
') S. oben ri. ü-i.
*•) Wie ea der von i* wirklich war. f. oben Ö- 7d f.
]I, Die Aulorfrage. ^^^^^ 91
zweifelsohne eifrig gelesen win*den. Also , nie gesagt , der
lilaube an eine irrtümliche Angabe in F sieht auf recht schwa-
fhen Fülien, günzlich abzuweisen aber ist diese Vermutung
nicht. Denn es können Wrhriltnissc und Zulalligkciten eingetre-
ten sein, die jene HJcIiligslellung des Tilüls verhinderten ')•
Ständen uns also nicht andere Argumente zu Gebote als
jene beiden =), so wäre dit* Frage nach dem Autor unserer
Schritt auch ternerhin ein hihlin^Taphisches Rätsel , «'in Oogon-
jitaiid lief Controverse, je nach der geringeren oder größeren
Wahrscheinlichkeit, die man jenem Zweifel gegen P beimißt.
Die Lösung des Rätsels nun ist die Thalsachn , daß wir
es hier nicht mit einer» sondern mit zwei vcrsrhicdcnen .Si;tu*ir-
ten zu lliun hahi»n. Die erste dt'rselben . ivprasenliert durch
die Handschriften PMCy,\ ist ini Voranslehenden zum ersten
Mal herausgegeben; die zweite ist die unter den Werken Wil-
liehn's verön'enlliclile. Letztere war bisher nur iti dem jredruck-
len Text der drei Ausgaben vorhanden, entbehrte al>er der
hiUidscliriUlicheti Grundhige '■].
Durch den oben '| austOhrlich beschriebenen Brüsseler
Codex, auf den :^i(Ii die als Appendix (oben S. H9 (Jll gege-
bene Texlcsreernsion der Schrill Wilhelm 's zum groben 'IVil
stützt, ist nunmehr auch diese handschriftliche Gewähr gewon-
nen, hl derselben wird die Schritt ausdrücklich einem W. pa-
risiensis zugesrhrieben '. Der dort nur<lurih den Atilangsbiich-
slaben gegebene Name wird in der Subskription ''; Wilhelmus
ausgeschrieben.
Diese zweite Schrift nun fuJJt vollkommen auf der des
Gundissalinus; sie ist nichts anderes als eine - man kann
wohl sagen ziemlich llüchlige und ubernüchliche Umarbei-
tung jener.
*) Z. B. langes Verstectllicjren der Hiindschiirt u. u.
*) Die CiUte Wilhelm's oinerseiU und die Autorilät vom /' andi-ci-seilx.
•) Für mich wenigsten?, da mir die Oxforder HdschrfL (Merton coKege
n, 136) unzugänglich war und ii-h Zweifel tu die Angaben von Vatois und
Haur6ftu aber dies Ms. seUe s. ob. ä. 71, Aiiin. 3.
*) S. oben S. 72 ff.
*) Wie oben S. 72 crwühnU
«) S. üben S. 73.
93
Gundissnlinus De immorlulitalc animiii?.
Die endgtUige Entscheidunij in rier Autorfrage Iiängl also
flavon nl), ob es gt^lingt , den Nachweis zu ITihreii, daü die Ab-
weichungen der beiden Schrillen auf bewuiäter, absichtlicher
Umarbeitung seitens des Guiloliniis, und nicht bloU fiu( Ver-
sehen, Nachlässigkeit oder Emendatioti (resp. hiterpolation) der
Abschreiber beruhen. Und hier genügt es nicht, einige allge-
meine Bemerkungen über diese UmarbeilunR zu machon und
dann den Schluß der l)eiden Schriften zu veröffentlichen ') —
(denn dieser weist gerade verhilltnismäUig die wenigsten Ab-
w<>ichungen auf) — , sondern hier gilt es, eine genauere Ver-
jfleichuiig nach systematischen (icsichtspunklen vorzunehmen,
da — eben wegen jener Klüchligkeil und Obernächlichkeit der
Überarbeitung — die Sache nicht ohne weiteres klar au! der
Hand liegt und die Grenzen zwischen bewußter, absichtlicher
Umarbeitung und rein redaktioneller, kritischer Textabweichung
öfters etwas verwischt erscheinen.
Verschiedener Art sind die Abänderungen, die Wilhelm an
der Schrift des tlundissalinus geiegenllich seiner Überarbeitung
derselben vornahm — zu welchem Zwecke interessiert uns hier
zumlchst nicht. ■)
Zuni'ichst in ilit* Augen lallend und überaus charakleristisch
sind eine Reilie von Zusätzen, die WJllielm in den ihm ror-
liegendeu Text einfügte. Die größeren derselben, die zum Teil
ziemlich umfangreich sind, erscheinen dadurch besonders interes-
sant, dal.i sie ihrem ganzen Inhalt uhcIi auf Wilhelm als ihren
Urheber hinzudeuten scheinen. Sie sind nämlicli durcliweg
theologischer Natur, was sicherlich nicht dagegen spricht» daü
sie von Wilhelm, dem Pariser Bischof, dorn benihmten und
fruchtbaren thcülogischcn Schriftsteller *) , herrühren können.
Einer der am meisten charakteristischen unter diesen Zusülzen
ist folgender*): „Nam auctoritates noui ac ueleris teslanienli
'} Wie dies Haur^nu a. a. O. gelliati. Hier hiin auch nicht die Be-
merkung: nc pöuvaiit mettte en paralliile tu tolnlile des deux texles. Es
gilt eb«n. üie t-haraklerii^liselien Abänderungen bervorzubebca und
systematiscli zusamineftzusteUen, um ein ileutlichcä Bild zu gewinnen.
•) S. unten S. 98.
») S. oben S. W.
*) S. oben S. 2,9 (40,1!) ff.) Die erste der l>cidea 'ZifTefu bezeichnet
II. bie Autorfrage. ^\
et originalium sanctorum et experientias scriptas in dialogo
beati Gregorii papae et in aliis consimilibus^ quia de i'acili po-
lerunt ab aliis inueniri , ideo adponendum hie non laboramus,
quia scilicet per talia erroneos philosophos, contra quos nitimur»
efficaciter non cuincemus. Ad haec ergo sunt auctoritates , et
primo Arislotelis dicentis in secundo de anima etc. Reuertere
ad quaternum disputatum pro auctoritatibus." ^)
Eine größere Anzahl anderer , meist kürzerer Zusätze ist
glossierender, erklärender Art, hervorgegangen aus dem Be-
streben, etwaige vorhandene Unklarheiten zu beseitigen, dunkle
Ausdrücke zu erklären u. a. m. Beispielsweise führe ich hier
folgende Stellen an:
Gundis salin US Guilelmus
i2,lä 40,10 ff.
Hae enim indubitanter sen- Hae enim animae sie reuer-
tiunt e. q. s. fentes ab exterioribus ad se ipsaSj
sicuf dicit Flato in Ubro de im-
mortalitafe animae, indubitanter
senliunt e. q. s.
S,U ff. 41,7 ff
cum nee in uita isla propter cum nee in uita isla propter
hoc sit eis nisl deterius, nee in hoc sit eis deterius , qiü non
alia sit eis melius, cum alia non colunt^ nee in alia sit eis me-
sit futura post istamV lius, qui colunt , cum alia uita
non sit futura post istam secun-
dum erroreni, qui dicit animam
humanam cum corpore mo-
rituram ?
4,2 41,22 f.
Tertia autem radice ad id ip- Tertia autem radice ad id ip-
sum uti solebamus. sum , aliam scilicet uitani osten-
dendam, utimur. *)
hier und in allen fülgendeo Citaten den Text des Dominicus, die daneben
in Klammern stehende Zahl die entsprechende Stelle der Schrift Wilhelm's.
') Andere solcher theologischer Zusätze finden sich: 1,4 (39,4 ff.) —
3;> {40,aö f.) - 4,11 (41,32 ff.).
*) Andere solcher glossenarliger Zusätze finden sich an folgenden
di tiundisRaliuus De immorlalitale animae.
Diesen Erwoitoniniren der Textvorlage stehen zahlreiche
Kürzungen gcgenüher. Wilhrcnd nun die Zusätze sich in über-
wiegender Zahl in der ersten Hälfte der Sclirifl vorfinden, be-
gegnen wir Aveilaws den meisten Kürzungen in der zweiten
Hälfte, Es ist dies wohl nieht hloUer Zufall , sondern für die
ziemlich tlüchUge Art der Überarbeitung bezeichnend : Wilhelm
ist von dem Bestrohen erfüllt, in iler zweiten Hälfte zum Schluü
zu eilen. Daher gereichen jene Küi7.ungen an gar manchen
Stellen (durchaus nicht zur Erhöhung der Klarheit.
Diese Kürzungen nun bestehen in großer Zahl in einfachen
TexirfMtiiissungen. Freilich möchte ich nicht alle diese Stellen
dem Wilhelm selbst zur Last legen; vielmehr sind diese Lücken
zum Teil wohl erst in den Handschriften des Wilhelm entstan-
den. Leider lätät sicli aber bei der auch jetzt noch ziendich
traurigen Hescbaffenheit der Textgrmidlage für den Traktat des
Ciuilelnuis im einzelnen eine genauere Siclitung der belreften-
den Stellen nicht vornehmen. Unter die ei*st in den Hand-
schriften entstandenen Lücken möchte ich aber jedenfalls alle
die Stellen rechnen . wo ein Homoteleuton als Grund der Fort-
lassung vorhanden ist. ')
Slellen: 1,5 (39,8) - 1.8 (3!M*i) - 1,!» (»»,121 - I.Iü (30.17) - 2.2 (40.1) -
2^ (4t>;2) — 2,1 (40.21 - 2,4 (40.-3; - 2.8 (40.G f.) - 2.10 [Mi») — 2.11
(40,91 — 2,14 (40.13) — 2,16 (40,15) — 2,18 f. (40.18 (.) — 3.19 (41,14) —
n,2b (41.19) - 3.2Ü (-ILao) - :J,26 ^40,21) - 4.1 (41,22) - 4,2 (41,24) - 4,5
(41.25 f.) - AS {+I,2!M - 4.10 ;4131) - 4.22 (42.0 ff.) (Wichtige Slellel)
— 8.17 (i4.i:t f.) - 18,5 (.^.7) - lÖ.I (r»ß,lß) - 2l.2<i (»7,26) - 22,7 l5H,5)
2ri3 (5iM7) - 28,1 (M^-i) — 28,23 (52.14) - 29.2 ;B2.17j — 2*t.8 (Ö2,22) -
;»i),l (53,4) — .•13,22 (55,2U) — 34,10 [55,0(1).
'} Solche durch Hotiiolcleuton entstandene Lücken finden sich an fol-
genden SteUen: 15.11 f. (18.28) - IG,18 1 19.2G) - 18.9 f. (.W.3) -3G.2 (50,19)
— 27,1 (51,«) — 28,22 (ü2.l4 1—27,1« (51,16). — Anderen Fortlassungen, betreffa
deren KnUlehung man iu Zweifel sein kann, bc^^egnen wir: 2,12 (40,12) —
4,6 (41,27 f.) - 5,4 (42.15) - 5.9 (41,10) - 6.U (41,18) - 5,1 (42,22 f.) -
6,11 (43/ij — t;,17 (43.10) - «,19 (43,11) — «,22 (43,13) - 7,5 (43,21) — 7,6
• 43,21) - 7.7(13,22) - 7,1» (43.23) - 7.10 (+^24) - 7.14 (43.27) — 7,20
(43,32) - 7,24 (43,35) - 7,2« (14 I) - 8.1 (44.2) - 8.2 f. (44,3) - 8,12
(44,11) - 9.2(44,2«) - 9.7 i44.2J) - 11,1 (45,96) - 11,4(16,2) - 12.8
(46,28) — 12,10 (4Ö.30) — 13,6 f. (47,13) - 13,11 (47.17) - 13.24 (47,27) —
14,17 (48.12) - 15,8 (48,25) - 1«2 (49.13) - 17,13 (50,8) - 18,18 (56.9) -
20,4 - 14 (07,1) (bedeutende Fortla-sungl) — 20,15 (57,2 f.) — 20,28 (57.13;
II. Die Autorfrage. 95
Von diesen bloßen Texlfortlassungen ist die andere Art
der Kürzungen zu scheiden, die Textzusammenzifehungen. Bei
diesen Stellen ist deutlicli die abändernde Hand Wilhelm's
bemerkbar, der bestrebt ist, denselben Gedanken, den Gundis-
salinus in breiterer, ausführlicherer Weise ausspricht, in knap-
perer und kürzerer Gestalt darzulegen; freilich geht er in die-
sem an und für sich ja im allgemeinen billigenswerten Bestreben
bisweilen auf Kosten der Klarheit und Durchsichtigkeit zu weit.
Einige Beispiele mögen die Arbeitsweise Wilhelm's ver-
anschaulichen :
Gundissalinus Guilelmus
23,11 — 14 58,10
quomadmodum omnis essentia, quia omne, quod mouetur liic
quae naturaliter illuc mouetur, inferius, subiacet corruptioni.
ubi omnia sunt corruptioni sub-
dita uel obnoxia, suo ipso motu
et inclinatione et plaga, quam
naturah motu quaerit, se indicat
esse corruptioni obnoxiam uel
subditam.
34,17—26 60,4—7
Cum enim sentientes calidum Cum enim intelligit aHquid, non
necessario calefiamus et sentien- denominatur ab eo , quod in-
tes lucidum necessario illumine- telligit ; nihil enim est de in-
mur, intelligentes tarnen calidum telligibilibus apud intellectum
nullo modo calefimus , neque nisi forte ipsa intellectio et in
intelligentes colorem uUo modo sensibilibus ipsa sensatio. *)
coloramur. Quia igitur nulla
est passio , nisi per applicatio-
— 21,1 (57,13) - 22,1 57,33) — 22,19 (589)- 24,4 f. (58,3t)- 26,20 (öl^l) —
27,3 {51,0 f) - 27.7 (51,12) — 27,19 f. (51,19) — 28.2 (51,26) - 28,8 (52,2) —
2{t,l6 (52,20) — 29,19 (52,31) — 30,5 (53,6) — 30,6 (533) — 31,3 (53,28) —
31,11 (5U) — 31,24 (54,12) — 32,5 (54,16) - 32,10 f. (54,19) — 32,13 (54,21)
— 32,16 (51,23) — 32,17 (54,25) - 32,20 (5 ' ,27 f.) — 33,3(55,5) — 33,9(55,10)
— 34,15 (60.2) - 34,16 (60,3) — 35,1 f. (60,8) - 35,3 f. (60.8) - 35.9 (60,11)
— 36.23 t60,2G f.) — 37,4 (61,2) - 37,5 (61,3) - 37,19 (61,0) — 38,2 (61,14)
— 38,3 (61,14) — 38,5 (61,16) — 38,10 (61,19).
') Die übrigen Stellen , an denen wir solche Texlzusammenziehungen
w,
Gundijwalinus Ue imroortaliüite anima«.
nein siue coiiiunrtionem agentis
ad patk'ns, nu]laquc conueriien-
lioi' t'oniimctio. nulla iifhcmcn-
tior applicatio intelleclus a<i in-
tr-lti^Mbiliu uel sensibilia , quam
irilelleclio ipsa eoruni, queniail-
inoduni et in sensu s»* habit,
quia nulla umior aut uehe-
nientior applicatio eoruin ad
fjonsuni, quam ipsa eonitii scii-
litio p. q. s.
Zu diosou gröüeren und wich tieferen UmarbLnluupfu . die
WiDiolm mit der Schrill des Domin ikus vorgenommen, kom-
men noch einige geringfOjkM|jrerp Abänderun^fen, die aber
inmierhin zum Teil charakloristisfh sind.
Dieselben möy:en vielleicltt zum Teil unbevvulit vor sich
ge^raiigren sein. Dies ist wohl an einigen Stellen anzunehmen,
an denen lör ein Wort sein Synonym penommfii ist, wie z. Ü.
H't^O (Öl, 3): Gundissulinns: est de.struclibile. Guilelmus:
destruilur — ^5,15 (59^43) (Juiui.: pendet GuiL: pendeus est
— 27,15 (5i.ää) ßw/M/..- uideUcet GniL: scilicei - 27,3 f. (51,9)
und 57,0 (59,11) HumL: quemadmodum QuiL: sicul u. a. m.
An anderen Stellen ist niötrlielierweise die Veranlassunj; zu
der Ämierunif das Bestreben gewesen, einen vorgefundenen Aus-
druck durch einen besseren (deutlicheren oder üblicheren)
zu ersetzen. Etwas derartiges liey^t wohl z. ß. vor 3,11 (41,5)
Gutui. .se prostilurre Gull, se proslernere — 0.10 f. (W.5) Gund.
defectui approximare GuiL destructioni appropinquiire. Hierher
geliören auuli Stellen wie \,±± {\-'2M Gnwi. boiio suo GnU. ad
bemerken. WvAen sicli : 5,ü f. (4I.lt; f.) - lH20~]r>,:> (DÖ,U— IW) — l!V;-2-l
i&(;,19— .TU) (ZuMtninenitiehunB und Uinarheiluuit!! — 22,3-1.*) (r>8,2- 6) -
22,18-2:^7 (68.l-ir>) - 21.4-7 l58,30 (T.l - 24.6-21 (3.1-0) - 25,2
(Ö0,7 ff.) — 27;)— 13 (riM2-14| (Nicht im Interesse der Klurheil!) - 27,23 f.
(r»l,2S) — ftM {A3.'*) - 3^.15 ff. (55,i:» f.) — Xj.3-8 (GO.»— Ii>) — .^,12— 1«
{tiO,l3-lfi). (Teils Zusummcnziehunu, teils Ums-telhmg!) — 35,19— 3fi,2
lflO,I8-2n) — 36.0— 1;> ((k),2l— 24). (Starke Xii8«!rtmeniiehunK!| — 37,7-1»;
(6i;J i;).
tt. Die Autorrnig«*. Ö?
commoduni suum — 20,1 1 56,32) (rund, post sensationem suam
OhU. postquam sontiliir u. a. rn. *)
Nai'li nioitifn Darl 0^711 n^en kann i?s, glaubif- ich, keinem
/wt'ifc! mehr unlerUt'gt'n , dalä dit' Schrift W il h e 1 in s hi der
Thal nichts undert^s als eine tiicht jferade jfrünilliche Pberar-
beitunf des ersten ^leichiiaiiiii^en Traktates darstt'llt.
Also hat sifh Wilhelm von Auvergne eines Pla*riats
schuldiK K^niachl ? Dem Anscheine nach ist dies iler Kall , und
Uaureau z. B. nimmt dies auch an. Auch ich würde in dieser
Annahme an und für sich nicht.« Auffallendes linden. Auch
ich würde den Wilhelm von Auvert^ne, den hoehangesehenen
Bischof von Paris, einen der bekannleslun und bedeutendsten
(»'lehrten jener Zeil, der Begehung eines Plagiates immerhin lür
ialiiK halten.
(lewiü ist zwar eine solche llandlun;,'' nach der lienlifren
Anschanungsweiso vei-dainniuti|;swürdig -). Kin Uelelirler oder
Schriflsteller. der sich heute etwas derartiges /u Schulden kom-
men Iflßl, ist wissenschaftlich und gesellschaftlich gerichtet
Nicht so in den Tagen des Guilehnus. Die Unsitte, fremde
(ieislesprodukte aus- und abzuschreiben und nls eigene auszu-
geben, die im spAlereii Allortutn, besonders von den Ta^on eines
Didymos flhalkenteros an ^), hei den griechischen und rrniii-
') An'lere Stellen, an rl«nen sich solche kleinere Ahantleningen vorfin-
den. «dJ: I,S (311.11) — 1,12 l3*l,lü) — 2,7 (40,6) — 2,8 {40,1) - 3,16 (-11,11)
— 4.1 (41,2.^) - 4.2 (4Jt,23) - 4,19 (42,3) - f),* f. (42.14) - 5,ü (42,16) —
5.9 (42.17) - ö,2ö (42.29) - 5.27 (42^0 - 7.7 f. (43.23i - 7,18 (43,31) —
8,4 iU,4) - 8,ft (44.6) - 8,11 (4t,10j ~ 9.(> (44.29) - 9.11 (-11,32) - 9,15
(4fi,l) - l(»,28 (4:)^1) - 11.2 (45.36) — 11,4 (46.2) - 11,9 (46.6) — 12,2«
(473) — 13.'' (47,15) - 13,18 (47,23) - 13.20 (-17,21 f.) - 15,25 (49,9, - 15,26
(49,10 f.) — 17,12 i50,7) — 19,20 (56,27) - 20,2 (iV;,*») - 21.13 (ri7,23) -
23,23 rr. (58,30 f.) - 26,11 (50,25) - 28.3 f. (51,271 — 3-;,20 f (60,25j —
37,2 (li0,28) — 29,8 (5i,l8) - 31,2.-) (54,12) - 3<;.20 f. ((VV-Ti) — 37,2 ((50,28)
37,21 (61,10) - 38.2 (61,14).
') Ce i[u'on appelle de nos jours une niauvaise aclian, sagt Ha uro au
In »einen NuL et extr. V, p. 198.
') Er lebte r. bn v. Chr. vgl. Christ, Gesdi. «1. griei-Ii. l.iUenitnr (2.
Aufl. Mfinchen 1H90) S. idl (T Freilich wurden srlion früher Plagiale be-
ITiint^eii . irh hübe id>er gerade seinen Njirnen erwähnt, weil er i^rudezu ty-
pisch für jene Alt von Geistes.) rbeil ist.
B«-!trttg« It 8. Bftluw, OniKÜMKlinUN.
II. Die Autiirfrag«. fiO
beil. sei c^ infolge des mangelliafleu Beg^riffes vom littcrarisohen
Eigentinii. sei es, weil er in iler Thnl nach Verlniif iler Jahre
nicht mehr ^enrtu wußle, wieviel von jener Srhrid andiTHwoher
ciillolnit und wieviel sein tceistigeri KigenUnn sei. ') So ist denn
später uUgemein diese umgearbeitete Schrift für ein tieistespro-
dukt Wilhelms gehalten und unter seine Werke aufjfeommen
worden.
Auf diese Weise scheint sieh, meiner persr»n flehen Ansieht
nach , diis Rätsel am natürlichsten zu lösen. Dali die^e V'er-
nintung jedoch jedem anderen als sicher, ja nur als wahrschein-
lich erscheinen dürfte, wage ich keineswegs zu behaupten.
Der V'erlasser nun der ursprünglichen Schrill <h hmnurtati-
Uitt' tinimiie, der Vorlage des (iuilelnius, ist der im (>)dex l*
ats Autor bezeichnete -) Dominicus Gundissalinuä. ^)
Dies bestimmte Zeugnis der ätleslen und zuverlflssig-
slen Handsrhrill erscheint schon an und für sich durchaus
als vollwichtig \|. Ririem anderen Autor als dem Dominicus
(fundissalinus schreibt, so weit wir wissen, keine Hand-
schrilt unseren Traktat zu; die drei, welche ihn nicht ausdrück-
lich dem Archidiaconns von Segovia beilegen, bringen ihn ano-
nym "|. Aber es lassen sich auch noch einige innere Wahr-
scheinlichkeitsgründe für die Veifasserschaft des Domini-
cus geltend machen.
Wie oben (S. rtf») erwähnt, hat Dominicus im Verehi mit
Johannes Hispanus den Fims uitfw des Avencebrol fiher-
setat. Zu dieser IJbersetziuig nun linden sich in unserem Trak-
tat mehrere Beziehungen.
Zunächst ist höchst wahrscheinlich eine Anspielung auf
dieselbe enÜmlten an der Stelle unserer Schrin (:^,li~lö), wo
') Hut doch in ähnliclicr Weise in neuester Zeit ein Gclelirler, dem
inan Plagiate in einer seiner Scbriflen zum Vorwurr madite, als EnlschuJdi-
gung gellend geinftc:hl, dnU jenes Buch aus seinen Vurlesangen entstanden
sei und er daher nicht mehr genau gewu&t habe, welche Teile jener Schrift
sein gcistifteä Eigenluin uml welche nn'lcrswoher entlehnt worden seien ** in
der Zeit nach Ertlndung der Buchdrurkerkunst, wü jedem die SelbsUconlrolle
leicht ist, rreitich eine wunderliche Ealschuldigung.
*) S. oben S. «U. — ") S. oben S. W Anra. l und S. 8ti
•J 8. auch oben S. tW I. — *) S. oben S. *^i, iW und 70. ^
7 ♦ ■
100
GundissalinuK De immortaliule animae.
«s heifit'); ^Hae eniin (sc. animae) indubitanter ^^entiunt se
niliil habere cum uiorte vi seorsutn se esso a regione mortis;
agrioscuut etiain continnitatpni suam ad fontem iiitur e( nihil
ess*' inhTponibili- sibi et fonti uitae -) v. q. s.*
Der Auädriick fons uihtf (iiidet sich nocJi an zwei weiteren
.Stellen unüerer Sclirift (S. 37.2 und 17) *).
Vielleicht darf auch sonstit^cn Übereinstimmungen in nicht
gerade häutigon Formen eine gewisse Bedeutung fiir mi-sere
Frage beigelegt werden. So begegnen wir dem seltenen Ver-
bum approximnre je einmal in beiden Schriften : vgl Föns uitae
III, 55 p. ä01,n), und de inimort. *»,10 f.
Auü^'i-dom tiiidet sich der Ausdnick ultimum uUiUtfh p,
15,24. Im Pons uitae lesen wir in uliinm uiliUite III. 57 p.
205,11 ; die beiden Stellen weisen auch inhaltlich Ähnliclikeit auf.
Allerdings ist diese auf den VV-rgleich mit dem Sprachge-
brauch des Föns uifae gestützte Bi^weisfühnrnK nicht eben strin-
gent; denn der /''»mx «//«#- Avencebrol's war, wie schon
Guttmann gezeigt hat *), auch dem Willjelm von Auvergne
bekannt.
Auch in dem Folgenden kannte ein weiterer Hinweis auf
Doniinicus als den Verfasser unserer Srlirin gefunden wenlen.
Bekanntlich hat Gundissalinus die darstellenden Ti'ile von
Algazel'ä MakAssid al fuläsifa (Logik und Physik), in denen
dieser eine klare Zusammcnslellung der von ihm im wcitcruu
Verlaufe des VVerkes bekSnipUen peripalelischen Lciirt'U gab, in
') Von l.oewenthal S. 60 nod Correns S. 3-1 erwähnt.
«) V^jl. Kons uit^e e«l. Uaeumker V, -13 p. im, 'M t
') Diiü der Ausdnick fons uitae zunächst auf Aveacebrol zurück-
gellt , bleiht mir wenigstens im höchsten Grade wahrscheinlich , wenn sich
auch eine volle Gewißheit nicht erzielen IftSl , da Avencetirol keineswegs«
der einzige ist, der den»elben gebraucht. 8o hndet '^ii-h dertelhe z. B. auch
hei Augustin in der eniirratin in Psalmum 41 , wo Gott fons'uitae und
lumen genannt wird. Die Stelle gehl /urück auT l'saEm 35 t. 10: quoniam
apud le khI fono uitno. (Auch an vielen andern Bibelstellen findet sich
übrigens der Ausdruck fons uitae.) Wahrscheinlich hat auch, wie beiläufig
hier bemerkt tiein m^V^. Avencebrol den Titel seiner Schhfl jener Fsah
mensteUe enUiommen.
*) Guttmann. Revue des etudes juives Vol. Will p 24J ff. Ders.
Oie Philosophie desSalomon JbnOabirnl (Avicehron), GOUingen 1H89, S. .'4 ff.
II. Die Autorfrage. :* .•: *• HU
das Uileintsohe übersetzt ^), Nun zeijft eine -Stelle- tiiwprer Schrill
(19,7—10) — es wird dort von den zwei Gesiclitermla'juensch-
liehen Seele gesprochen ' — \svoue Äliiilichkeit mit einer Stelle in
Äl^azel's Physik (vgl. Algazelis l'hilosophiae Über II . (tclj-
Peter Liirhlen.steyii, Venedig !.">lj'i, Traclatus 4-, cap. V. Wu\
kotnmeu später auf diese Stelle des Näheren zurück, s. u. S. 1:^6.)
Freilich lindet sich dieser tJedanke nicht nur hei Alpazel.
Wir heKCgiien dcjnselhen inicli in einer Schrill .Über die
Seele". Aber diese liat, was noch mehr lür Doniinicus Giin-
dissalinus als Verfasser der Schrift de iinniortalitate spräche,
eben unsern Gundissalinus zum Verfassier, bez. Übersetzer.
Wie zuletzt Loewenthal nacliirewiesen, hat Douiinicus (!un-
dissaliiius im AnschluLi uti eine uns verlorene Schrill Avence-
brol's und an Avicenna's Über »fjitm mtiundi um QUienTrakial
<1e ftnima verfallt, den bereits Muiik nnd (luttnumn bei ihren
Arbeiten über Avencebrol uiehrliir-h benutzt liatteii und den
Loewenthal zum Teil hcrausge-f^eben hat -\. In dieser Schrill
nun kehrt gleichfalls das Bild von den ^zwei Gesiditem* des
hUellektes wieiler"). wenn auch in weniger enger Übereinstim-
MUUig, als wie wir sie zwisdien unserer Schrift 'fr htttmufntitah
und Algazel feslstellea köimen. Aber auch sonst linden sjich
einzelne Bj-rfdinnigeii zwi.scheri beiden Schriften , wie z. B. hin-
sichtlich der Seelen vermögen , tlie nach dem Tode noch Tortbe-
slehen. und derjenigen, die mit drin Köiper untergehen sollen*).
Mit der Schrill des Gundtssulinus '/c aiihnn zeigt aber
auch die irleiclmamitfi' Abliandlung des Guilelmus Alucrnus ^)
eine grotäe Ähnlichkeit. Es ist dalier innerlich durchaus {^laub-
hafl, daü Wilhelm von Auvergne. wie er in dem Werke //#■
uiäwa die gleicluiamige Schrill des Gundissalinus de atüma
') Erhalten z. B. im V^otl. Paris, (j.'i'y^,? und einem Coil. Turioensis
iMonlfaucon Tom. Il pg. ]'}lf3); vgl. Wüsleofuld: Gtiers«Uuntreu urabisclier
Werke Id das Lateinische {= Abhdlg. d. Äkad. d. W. GGUingen Bd. 72. 1B77|
S. 39. Correns S. 29. Jourduin .S. IK".
*) Über diese ^!c)jri!l de unimii vgl. jel£l auch M. Steinschneider
Die hebräischen Ühersetzungen des MiUelatlers, Öerlin 1893, S. 20 ff.
') Loewenthal a. a. O. S. 128.
*) V|;l. de immort. itniitiae 2ri,2— fi und de dnima. p. 120. 130.
*) Gnilelmi Opera, (Aureliae 167-1) Suppicmentum p. tjri fl.
ttCit / iliiftitissaliniis Df iinmortalilate animae.
honinzojj, >Äi"truch bei Abfassung' seines Werkes de immoi'Uilitute
»i;ij »Ulf '.oliirii gleichimriii^en Traktat des Dominicus vor sieh
g^lmKt tiiul benutzt habe.
-..Xl* "Ueirlien diese Krwrn.MMij;en aiu-li, für sich allt'in ^M'rionjinen
;iihhl aus. eineu rtberzeugerulen Bi^weis ft'ir die Autorschall de^
Düuiinicus Gundis^alinus zu geben, so dürften sie doch in
ihiTf Gesamtheit sehr wohl jrfeijmel ^eiii . da:? unanfechtbarf
Zeugnis des codex /* /.u unterstützen. Wir können also mit
Sicherheit den Donünieus Gundissalinus als den eigenllielien
Verfasser der Schrift iie immoiitilitaie animae bezeichnen *).
2u erftrlem ist noch die Fra^. ob und in wie weit nnser
Traktat ein selbständiges Werk des Gundissalinus ist.
I.oewcnthal -1 — dem auch Baumgartner ^| zuslinutil
— glaubt , .daß die Schrift th hutuorltiliOitr ihrerseits eine hier
und da erweiterte (reie Cljersetzung einer verlorenen Schrift des
Avencebrol (Ibn Gebirol) darstellen dfirfte".
Die Vemudung hat an und für sicli nichU Unwjihrschehi-
liches an sirh. Allerdings wird Loewenllial zu dfi-selljen le-
diglich durch die erste der oben *) von mir erwähnten Stellen
unserer Schrift veninlalit, an denen sich die Anspielung auf den
FotM uiitte findet: die Schrift selbst hiil er weiter niciil eingese-
hen. Jene Stellen nun weisen zwar darnuf hin , daü dei-selbe
Mann, der den i-Ws uU*ie übersetzte, Dotninieus, zugleich Ver-
fasser unserer Schrift ist; nicht aber berechtigen sie zu der
weiteren Folgerung, da(i der Traktat avlbsi auf Avencebrol
zurückgehe ^ wie ich gleich zeigen werde. Zuxugeben ist aller-
dings, daß die Annahme, Üominicus habe ebenso, wie die
Schrift th aniwa, so auch die uiisrige von Avencebrol entlehn!,
für den obei-flächlichen Beurteiler viel Bestechendes an sich hat.
') Wenn dieselbe auch, naeli LoewcnLhal S, 13 und tk), aicht unter
Jon »'elhKtilndtt^en Schriflen des Dotninieus liel Johannes WalensU
aufpefnhrt wird.
») A. a. 0. S. 60.
'l A. a. 0, S. 4; rgl auch S. 17 Anin. 4.
*) S. üben S, 99. Die erste Stelle (ladet sieb oben {). 2,12 — 15.
II. Die Aultirfrage. 10:)
Sie ist jedoch unrichtig; es Ifliät sich vielmehr mit Bestimmt-
heil sagen, dali unsor Traktat nicht auf Avencebrol zurnok-
gehen kann.
Der Gruuilgcdanko ilor Lohne ilos Salomon ihn Geliirol
oder, wie die SrhnlaslikiT ihn nannten, de^ Avein<'broI oder
Avicebrol '), ist bekanntlich der, dalä die Unterscheidung von
Materie und Form universiü sei, *l. h. nicht mir Tür die ma-
lericllcn. sonth'rri aiuh fnr ihr iinrnalcrioHr'n Substanzen gellr,
daü also allt*s (leschalTonr , auch dir t^eistigru Substanzen, aus
Materie und Form bestehen ^). Eine Schrift, in der diese Lehre
geleugnet und bestritten wird , kaiui mithin auf keinen Fall auf
Avencebrol zurückgehen.
Das aber gt-schifhl in unserer Schritt. Aul'S. 2S,I4 ff. un-
seres Textes nämlich lesen wir: „Et de primo cjuidein modo ■^)
manifestum est, ((uoniain Ipsa *) est pura forma et substan-
lia imraaleriala et incomposita in se Imiusmodi composi-
tione, quae rst ex maleria et forma." Also es wiiNl hior
gerade das Gegenteil der Ansicht Avencebrol" s behauptet.
Letztere kennt imser Autor allcrflbigs und erwrdmt sie auch
gleicli darauf, wenn er Ibrtlahrt : (:2S.I7) .,Aut si forte quts hie
dicat, quia est i*x niateria et forma", aber imr, um gegen sie
zu polemisieren oder wenigstens sie als m seinen Augen weniger
richtig hinzustellen.
Ebenso spricht gegen Avenci'hrol als Quelle unserer
•Schrift der l umstand . dalä p. :j<i,8 ff. ausdrücklich die Ewigkeit
der Himmelsbewegungen m Abrede gestellt wij-d , während
*) Vgt. über dieFürroen dieses Namens: Baeumker: Beitr. z. (tesc)i. d.
Philos. d. Mitlelalt. I, 'J p. XVIIL >^ii den «iurt für dlit ricJitii^e Form Aven-
cebrol oder Avicebrol (nictit Avicebron) gegebenen Nai-hweisen kann
nofh liinzugefilgt werden Thomas Bradwardina: lie rnuM tlei contra
l'rUigiufn , &\. Heiir, Öavilius, Londini UJlM, 1. I. c. 2, p. 150. 164; c. J\
p. 193; I'. 10. p. 201, wo HberaH die Form Avicebrol erbalteD iäl.
•) Vgl. GulUnann: l>ic Pbilos. d. Sai. ibn Gabirol, Gmtin|$en 1880.
S. 7U ff. Munk a. a O. S.22i) Ileberweg-Heinze ^ \\. S. L>l2fr. Stueikl:
Gesch. d. Philus. d. MiUelalt. \{ , S. (JO ff. Correna, S. 11». Haureau:
Hist. de la pbilos. scolast. 11, I, S. 30.
') M. deslnictionis.
*) Bc. aninia human». _-.—
1^ GunJissalinus De inimorta]i(ale animae.
Avcncebrol mit Arislülolos uml dem Nouplutonisiiuis
(Hese ebenso ausdrürklicJi lehrt VI-
AiifTallond allerdings krmnte es hk-r sclieineri, daß derselho
Doriiiiiicus in den Srhriflfn fh' unitate '•) und ilr uninut •*) die
Lelriv A vcnt't'brors vertritt*), in luistTer AbbandlunK jedoch
dieselbe verleuKnet. Mati könnte vielleirht hier wieiler in Zwei-
fel geraten betrelTs der Autorscliaft des Gundissalinus an lui-
srnn Traktat. Ich gestehe jedof li . dafä ir-h von th-rselbm so
fest überzeugt bin, data ieh urist>i-n] Pliilosüphen doeti nach eher
jene anderen SehriUen abspreehen wnnle als die nnsrige. Doch
ist dies natürlirh keineswegs nötig; vielmehr sind alle die er-
wähnten Abliinidlunjfcn ihm zuzusL-hrriben.
Man bedenke, dat3 ÜfUiiinicus auljer bei iler «Lebens-
quelle" auch bei Übersetzungen der Werke des Avicenna,
Alga/cl, Alfarabi mitwirkte^) und mithin mit den SohriRen
und Anwhauungen der niinsten hnleutenden arabisdien Philo-
«H)phen bekauut wunle.
Was liegt da nAher als der Gedanke^ dali er — ebenso
wie er es bei AveucebroTs Sehrifl „von der Seele" gethau —
aucli eine kleinere SehrÜl eines anderen jeniT i*hilosoplu*n nicht
blos übei-setzte, sondern selbst überarbeitete, um sie mder sei-
nem Namen zu veröffentlichen!' Gundissalinus ist eben ein
Koinpilator, der sich seine Vorlagen überall nimmt, wo es ihm
gettdlt, und wo sich ihm Getegenlieit biptet , ohne sich darüber
Ängstlich SknijK'l zu nmeln-n, wenn sich einmal in seinen neue-
sten Bearbeitungen Anschauungen (inden , die denen seüier frü-
hen?n Werke widerstreiten *).
') Föns ititae ITI, Til. p. 193, 13 ed. Baeumker.
») Vgl. Correns S. 19.
") S. Loewenlhal S. 'M u Vi.
*) Er thut dies auch in de proceattione mun^i; vgl. Gorrens S. 33 f.
^«nid Blenendez Pelayo: Hist de los beterod. Gapaftolea I. 6H1 fT.
») Vgl. Ueberwe^T'Heinze' II, 2^1 u. Correns S. '29, wo auch die
tiUier« Littcrolur Inerflber itngci^ebon ist- Vgl- auch oben S. 8i; f.
*) Daß Dominicus aurb andere Scbriflen als solche Avencebrol's be-
and enllebnt« ja sie so^ar mit ersleren zu einem Werk zusammen*
il , leigl sich in de am'ma. Dieser Traklal ist der Hauptsache imoh
ol entlehnt, das 8. Kapitel desselben und der Kr^ßle Teil des 9. ist
Mi wArtlich aus Avicenaa's liber sextus naturalium herQbergenom-
II. Die Autorfrage. lf»ft
lii dm* That (Ifirfte weriiKf^tcns der Hauptteil unserer Schrift
auf eine arabische Gnindluge /.urückfiflten. Darauf weist eine
Reihe von sprachlichon Eigctitfiinlir^hkoilou hin, die für die inil-
telalteriichen lateinisdien Cbersetzuiigen au?: dem Arabischen
churaklerisliseli sind.
Dahin gehört z. B. eine auffallende Construktion , ihe sich
an zwei Stellen lindet: 5,8 f.: Omnis substuntia, cuius opei'atio
non pendet ex rorp(.»re. Mfc eins essentia pende( ex coijwre,
und: Omnis uirtus, enins operatio tnipedilur a corpore, cius
esse uel essentia non pendet ex corpore (5,li ff,). Gonstruk-
tionen dieser Art, bei denen das Substantiv, stalt in den Geni-
tiuiis suhiectinijs (resp. possessoris) gesetzt zu werden, im No-
minativ vorangestellt und dann durcli den Genitiv de-s Prono-
mens wieder auffrenomnien wird , la.ssen unzweifellian, die ara-
bische Vorlage erkennen.
Ebenso dnrfteit CoMstmklirjnen, wi4? IS.O: suuni i^'ilnr ni-
uere üitelleetus (^tJenit.) aut eine L liersetzuntf iiinweisen.
Dasselbe gilt von sul>stantivisohen Ausdrücken, in denen
die Negation mit einem Sulislantivurni oder Verbum verbunden
ist: eht Gebrauih , der j:eradr lür derartige CbeK-ielzungen aus
dem Arabischen rluu-ikteriätiscli ist '|. So /.. B. p. 1:^,(1: cum
esset in non-(inem ; l!M7: eloii^ant a non-esse.
Alle diese Kigmlfimlictikeiteii linden sich in dem mittleren
Teile der Schrill. Dersrlbc sticht zu/leicli diurli seine sprach-
liche FArbunj.' und seine ganze Haltung ab vcm rieiti Tone der
Einleitung nnd des Schlusses. Wfibrend wir tnunltcb am An-
fang und am Ende der Schrill der gewandten und eleganten
Schreibweise, dem eolor I^atinus des Dominicus unsere An-
erkemiuug nidil versagen kömien -) , erscheint der Stil in den
men; vgl. Loewenlhal S. 11!). Ebenso sind in Gundissiilinus* Schrift tit
processione mumÜ [s. ob. S. 87) ^anze Slücfee fast wörtlich aus A viL-enna's
„Metaphysik* entlehnt.
'j Vgl. die Zusamnieaslellungau? Avencebrol in Hacumker's Aus-
gabe des Fort« nitae, p. .'K'*< s. v. non.
•) Auch Menendcz Pelayo S. Idl Anm. und Ijoewcnihal S. II
zollen dem I^itein un<iet-e.s Verraäsers Anerkennung'. Auch die Abhandlung'
de UHt'tnte zeichnet sich durch gewandte LäUnitilt aus, Vßl. Corrcßs S. 3 ([.
Mit dieser Sprachbeherr^chung unseres Gelehrten steht die Angabe im Ein-
\0R Gundinsalinus De Jnintorlalitate aniinae.
initllcn.'U Partien, wir dies bei einer Übersetzung leicht erklär-
lii-li ist, Öflei-s weniger gewaiuU und lätit itirittiach Klurlieit und
durrhsirhlijreii Salzhau veniiisseii ').
h'h hin daher der Ansieht, dati DoniinieU!^ die ^aiixe
Kinleilnnt: (^I- .'»,^) und den SchJuli (von :^7,!äl an) entweder
vfllli^r selttstäudip verfalU ') . oder daU er sicti dort von seiner
Vorlaufe weniKslons in hohen» tJrade frei gemacht tiat.
Niehl unwatnvelieiulieh ist es mir. data .sich aurh in dem
nutlh'ren TeiU' der Sehrifl einige selbständige Ein:?chit'biuigen
des Ikiniinicus tinden. Doch lä^t sich hier schwer etwas mit
einiger Sieherheil ausmachen. Die Bemerkung z. B. (S. S5,i!— 7),
es ve^rsiolse nietd ge^'eii den fronnnen und wahren (ilauben. an-
yunehnicn , <luli der (JeMehts- oder (ieiiörsiiin oder irgend einer
«Irr andei'en Sinne sterbüch sei und mit dem Körper vei-gehe.
sondern nur die Meinung, der menschliche Geist, insofern er ein
speziMwh menschlicher ist , sei sterblich . hebt sich aus dem
IhiliMH-n dei- übrigen Beweishlhrung lioraus. Auch die zwei-
malige KrwShruing der fi<fei pietus nut Herltas und ucndifn
/mniiw fidcx an dieser Stelle könnte etwas Auffallendes zu
haben scheinen. Denn wenn diese Ausdrücke auch im Munde
eines Aral>ers nii-hl unmöglich sind, so könnte ilorli der
Umstand I da& es sicli hier inu einem Kontroverspnnkt der
damaligen christlichen Theologit- handelt, die Deutung' uul
den christlichen Glauben nahe legen '). Allein gerade durch
klantr, Jafi er von Johannes Hispaous zu der Üi>er8eUuri|f$thäUgkeit her-
ungezogen niirde, um das Castilische, in da» jener /unüchst den arabischen
Text Qherselzle, ins Laleinixclie zu ühertragen. Denn es ist wohl klar , daß
>ich Johannes nur einen Mann von hesoridcrer Sprochlerligkeil als Helfer
HUseikoren haben wird. Vgl Correns S. *> und Uoewenlhnl 1» f., der
ah«r die Thätlgkcit des Dominieug meiner Ansicht nacii faUch faeurteiU
und verkennt.
') Dieser Gkgensalz xeijft sich recht Ihr gleich am Ende der Elnlci-
luny, am Anfang' der Seite f>. Andere sohwerfüllige Stilproben Anden sich
11»,« ff. - 21.4 ff. — 22 Knde und 23 — 30,8 ff.
*) Was das wahrscheinlichste ist.
"l Auf die .aniteli sancli" (•.'!. 18 f. und 24,t9 f. — ül) und die .suh-
'" (2';,Iy ff.) ist überhaupt kein Gewicht zu legen, da dcrglei-
Arahern (j;e|tiufig ist , und du eine Hinweisung auf spezihsch
.ellunyi'n sich an diesen Stellen nicht tindet.
III. Der philos. Gedankengang und tlie phtlos. Stellung der Schrift 107
diese Stelle werden wir zur Vorsicht [femahnt ; denn, wie sdioii
oben (S. 101 f.) beniorkt wurde, n-heu wir aus der auf AviMice-
brol /.urückgeheiiden Setirifl th *iniwa . datj jene Frage keines-
wegs nur von der chnritlirJitMi Tbeologic erwoffon wurde.
Ziehen wir scliielslich das Hosultat , so fi-gifbt sich, dul.i
die Schrift dt' immm'tt$lit<tif uninuit- eine Kompihition (ies Donii-
niriis Oundissaiinus darslrllt, deren grötUer Teil wahrsrhcin-
Ikrli auf ai-abis<'her (inindlajft' beruht. Der Vinfas-ser nrrd Titel
dieser letzteren ist bis jetzt norli in Hnnkel j-'elifdlt ').
In wie weit sich Dominicus im einzelnen jnehr oder
weniger eng an seine VorlaKe atigestrhlossen hat, latät sidi bei
dem g-änzÜrhen Fehlen der letzteren nirhl lulhcr angeben. Nur
so viel lälit sich sagen, daü (iiindissalinus der Kinleituug und
dem Schluü Verhältnis! nüüig am meisten den Stempel seinei- In-
dividualität aufgedrückt hat. Vielleicht vermag — was sehr zu
wünschen wäre - ein Glücklicherer als ich später einmal die
arabiirehti Vorlage ans Kichl zu ziehen und der ÖlTenllichkeit
zu übei-geben.
IIL DER PHILOSOPHISCHE GEDANKENGANG
UND DIE PHILOSOPHIEGESCHICHTLICHE
STELLUNG DER SCHRIFT.
Eine Darstellung des philosophischen (iedankeninhaltes von
Dominicus Gnrnlissalinns' Schrift, tle itmnoft/tlittftf miimüe
ist bisher noch tiiclit eriolgt. bidesseii sin*l einigi- Sttillen der-
selben auf indirektem Wege (iegensland der Behandlung gewor-
den, in Schriften, welche sich mit der Philosophie Wilhelm's
von Auvergne (Paris) hescliäftivrten. So herührl Werner
in seiner Abiiaiidlung: Wilhelm's von Auvergne Verliältni.s zu
den Platonikern des XII. Jahrhunderts, Wien 187:^, S. lil), die
metaphysische Lehre, daß die Menschenseele in <ler .Stufenleiter
der Wesen ein Millelwesen zwischen den Engeln und Tierseelcn
>) llfigUcher Weit»e ){ebt sie auch — ähiilifh wie äe nnima — auf
mehrere Schriften verschiedener Autoren zurück.
108
Gundissalinus Ih imiiiorlalitate animae.
sei '). Auf einifiTe psychologische und crkeiinlnistheoretische
Fragen kommt Baunigartncr in seiner ^ErkKuilnisIphrt* des
WilhHm von AuvrrKTi*'" . MOnsU-r IS93, auf S. 17-), 22 ="),
dH % SM *) KU sprechen •).
Gehen wir niui nfdier auf den Inhalt und Oedaukengaiig
unseres Traktales ein.
Seiner eigentlichen AbhiiiidhHi'rJ schickt Doniinicus eine
Einleitung voi-aus. in uelcInT er den V^ex'sueh, die Unsli*rbliili-
keil der Seele philosophisch zu beweisen, i'echUerÜgen und seine
Notwendigkeit dartliuii will.
Vier Mittel . ao hebt «t an , liat die götlli<^]ie Oftle iws
Terliehcn , durcli die den Irrtüniern der Menschen abgehdll'en
werden soll: die Widirnehinuiig (oder Erfahrung!, das strafende
Gesetz, die pfjilosophische HeweisfCilirung und die göttliche, pro-
phelische OITcnbiinuig.
Der schlininisk' und geirilirlichsli' aller Irrtfuuoi* aber ist
gewilä der Zweifel an der UjisLerblichkoit iler Seele. Wenn man
diese leugnet, so erscheint Tugend iu»d Enthaltung von Fleisches-
lust nicht mehr als erstrcbensweii., sondern nur ni»ch als Tlior-
heit. Oeiin dur Tugendhatle geht der meist*'»! irdischen Freu-
den vei-justig rind iiiulit niilliin, wenn i« nach dem Tode kein
Lebeji mehr giebl, fdierhaupt jegliche Freude entbehren •).
Schon bei Fhito "} Jindel sich bekannllich dieser moralische Be-
weis der Unsterblichkeit, dessen UrinHlge<ianke , wenn auch in
modiUcierter Uestalt. noch in Kant's ^Höch-stem Lint" und (it^u
sich daraus ergebenden moralischen Postulateri der Unsterblich-
keit der Seele und des Dnseins Gottes wiederkehrt ■').
*) Vgl. oben Guitelmus I*ut'iitifttsia p..')0.19 If. (=: O »ndissalinus \t.'2f>,\'^ fl.}.
•) Vgl. ob. attil. 42,1!» ff. (= fitiHd. b,Vi ff.).
>) auil. 56,UI ff. (= (iuntt. 19,tl ff.).
*) Guit. m,l ff. (= (iund. 'M.IH ff.)
*) Guil. &3,9 ff. (^ Gund. 3(»,8 ff.)-
"JA. Loewentbal: Paeudo- Aristoteles über die Seele , Berlin 1891,
S. tJO behandelt kurz die Stelle, in welcher auf die Verwandlscliafl mit der
Lebenbquelle tiintiewietien wird, p. 2,13 ff.
'] Vgl. auch ob. S. 3,r> ff. - .%21 ff.
"} Vgl. Pialu: Phaedo HIT C— D Republ. X, 610 D.
") Kant. Kritik der praktisclien Vernunft. I. Th. II. B. H. Hptst. IV
V (Werke, hrsfg. v. Uurlenslein», V IJh ffi.
Itl. Ber philos. UeüankeDgang unJ die pliilos. Stellung der Schrift. lOH
Vor allem ^etren diesen Irrtum sollen dalier jene vier Mit-
tel, jedes in seiner Weise, wirken. \hii^ unmilleibarste «ml tlalier
sicherste ist die innere Walirneliinuny. Die Seelen nfimlich,
weiche sich vom KOrper und seinen» Einilnli niöKliehsl frei zu
niadien snchen und sich iiiogüchst in sich solhsl vi-rsenken,
fohlen selbst , daß sie über den Tod erhaben sind , da sie sich
ihres engen Zusanimenhange.s und ihrer nahen Verwandlscbafl
mit der Lebensquelle liewulit werden ']. Diese Erfahrung aber
ist den inristeii Seelen versagt, da sie allzusehr in der Sinnen-
welt befangen sintl umi zu fest in lieri Banden ihres Körpej*s
liegen. Diesen muli daher die PhilDSopliie mit iliren Beweis-
grOnden zu Hilfe kommen. (V^l. oben S. 1,1 — :ä,M).)
Wie die Lo^ik lehrt *J, hat ein Schiuli nur dann apodikti-
sclic Krart. wenn er „ex propriis" ist. Letzleres ist offenbar
eine Übersetzung des Aristotelischen: ix räjv dg^f^ ^tör
lAifov ^). Dominieus will also hier im Anschluß an Aristo-
teles sagen : Der Schhiü hat mu* dann wirkliche (.iültigkeit,
wenn als Mittelglied die eigentliche Ursache verwandt wird. Die-
sen Sehlüssen ex propriis stehen gegenfiber die Ht-'onrlusiones
ex extraneis" nder .ex Iruaseeiidentibus". Man erkennt «larin
leicht das aristotelische ^fiFrufiavTn" wieder *). (jundissnli-
nus dürfte somit ohne Zweifel — unmitlelbar oder mittelbar —
von den Aualylica posteriora des Slagiriten Kenntnis erhal-
ten hallen ^). Vor allem gehören zu den SchhVssen ex transcen-
0 S. ob. S. 9» I. Haumgartner S. 17. Loewenthal S. (}U.
') S. ob. S. :i,ifU: .Et iaii) dosU ex doctrina logices,* In bezug auf diese
Slelle sagt \. Jouidain: Recherthes i-riliques sur Vage el rmigine des tni-
ductiims latincs d'Amlolc, *2. M.^ Purjfi 18 'A, S 113: ^Gundisaluus nnus y
appreiid qull a tWrit i^ur Ja Ingiiiue.** Pranll: Gesch. d. Logik im Abend-
iande Hl, (Lpz. 16ü7) S. 3Anm 'J und Barden he wer: Liber de causisS. 122
Anm. r> bemerken^ daß dieser Scidufi sehr unsicher sei. Wir werden kauin
zu weit gehen, wenn wir ibn ^erudezu als faUcli t>ezeichnen; denn ^doclrina
logices" bczeifhnet gar nicht „ein Buch" Ober Logik, sondern die logische
Wissensc iiaft uder Uisclplin Oberhaupt.
') Vgl. Aristoteles, Aoalyl. posleriorum 1 7, p, 75 a 38 f. u. bes.
p. 76 b. 18 u. 75 a, 17.
*) cf. Ariatot. Anal po?l, 1 7, p. 7.'> a 38.
^J Die Quelle ist jedenrulls nirhl dir lat Clierselzung des noethiua,
da doli zwar von den pro[jria principia, aber nirht von ejtieni Irnrisrcndere,
\ \\\ OondlMftUDUS t)« tmmortaliUle animae.
iU*iail»iiit wM\e, in donm das Mittelglied (tcrnnnus medius) aus
»*ihrr niKlrn» Wisseii^chafl ab der Oberbegriff genommen ist ').
Mit «>lrl\en uiivoUkonuaeue» SchlOäsim jedoch pflegen sich die
M(*H»dHHi im altgvmefaien aus Unkeuiitniä otler der Sucht, die
Wahrheit um jc«tm Prvis -xu erfaliren — sei es auch durch
9v>lMMH>tt^*«s^ - ciifrM«n zu geben (2,20-3,2).
Uundtf^ftlinus srt/t mm zunächst einige Argumente aus-
di«' man gewöhnücli für die Unsterblichkeit der Seele
lülVft^, die ihm aber nicht als überzeugend gelten.
^ ^ oklit iu«Uphysi.sch-p5yc ho logisch er Art sind ; sie geben
Itv^ SdtKtese .ex proprüs" ^}. Dieselbeji sind in der That
mMiI tM^pb>*si$ch , sondern dem Gebiete der praklischt>n , der
MtniK oder Religionsphilosupliio — wenn man will, der Theo-
1«^ — entnommen.
Kr stützt sicii auf vier (wie er sagt, vei-schiedene) Haupt-
iM^wuHite solcliiT Art | — rmfices nennt er sie.
D«i^ erste Argument ist die (ierechtigkeit Gottes und die
Nolwcmligkeit eines künftigen Gerichtes. Wenn nänilicli die Seele
nicht unsterblicli ist, so sind die Froitinien und Tugendhaften
«rhlimmer daran als die Gottlosen, die sich zOgrllos ihren Be-
UntTilen hingeben, da ersten' für die Entbehrung der irdischen
Kreiden dann nach dem Tode keinen Ersatz erhalten können *).
Ninnnt man dies an, so sind zwei Erklärungs weisen des
Verhaltens Gottes möglich. Erstens, wenn Gott sich um seine
Verehrer kümmert, so mulä man, um seine Veniaciilässigung
derselben zu erkinrcri , aTinehnion, er sei nicht mächtig genug,
ihnen zu dem verdienten Glück zu verhelfen. Dies aber wider-
spräche der Allmacht Gottes. Zweitens, wenn Gott sich um
^ Frommen nicht kümmert, .so mulji man annehmen, daß er
loadem »oo einem descenderc die Kede ist, vgl. Doethii opera in Migne:
rairol lau (>4, 72(1 B u. C.
') Wenn z. B. geoinelrische Sätze aritlimetiacli bewiesen wenlen. Vgl.
a. a. 0. p. 7.\ a 3«,
)ies Bohl herror au» S. 4,25 f.. wo Dominicas nnch Anführung
mentc forlführl: Nunc auteiu ex prupriis immortaliUlem eins
eDipUibimUB.
& dimegen uol. S. 112.
iMWlbtj ist schon l,1(i IT, ausgeführt. 8. oh. 8. 108.
lU. Der philos. Gedankengantc uml Jie |ihilo<t. Slellung der f^fhrifl. 111
äie entwedt^r nicht kennt ^ oder aber, daü er sie zwar kennt,
ihr Los und üK"ick ihm jedocli j^leichgiltg ist. Krsteres al>or
wiik'rstreitel seiner AlUvissenheit. letzteres seiner AHgu-
ligkeit >).
Da!ier werden wir dureh diese drei göttliclien Eigens<:liaflen
gezwungen, an die Unsterblichkeit der Seele zu glauben. (3,3—211.
Der zweite Grundgedanke, den Dominicus anführt,
ist wiederum die Gerechtigkeit Gottes. Seine Auslfitirungen
decken sich fast völlig mit den vorliergeheuden ; sie geben nur
eine geringe Modilikation derselhen. WiUirend nämlich vorlier
die Hede (iavon war. daü die Frommen infolge ihres gnltgefiil-
iigen i^ebeiis, ihrer Knlhaltimg von Kleisriieslust , i]f^r irdischen
Freuden verlustig gingen, fieißt es hier: die Frommen und die
Schlechten erhatten beide in diesem Leben meist nicht ihren
gebfdirenden Lohn. Dem ersterert geht es oft sehr schlecht,
letzteren sehr gut. Zum Ausgleieh hierfür mnU notwendiger
Weise — eben wieder auf grund der götlliehen Gerechtigkeit —
nach dem Tode ein Gericlit slaltlinden; mithin ist eine Fort-
dauer der Seele anzunehmen. (:i,t,M— 27.)
Die dritte W'ur/.el ist lol^'ciide. Wer gerecht ist, belohnt
gute Thaten nur dann tiiehl, wenit er die.se*.ben entweder nicht
kennt, oder, wenn es nicht in seiner Macht liegt, den gebfih-
renden Lohn zu erteilen. Dieses beides aber i.=;l bei Gott aus-
geschlossen. Daher luuü er die l-'rommen belohnen. Da dies
nun aber Ihutäüchlich im Leben nicht geschieht, so muti jene
ßelofinung nach dem Tode eintreten. (4,1 — 7.)
In seiner vierten Beweisführung führt unser Philosoph
folgendes aus. Die Weisheit veranluUt die, welche ihr nach-
streben, die Güter dieses Lebens und letzteres selbst zu verach-
ten. G&be es nun nichts Besseres, als dieses Leben bieten katiii,
so würden jene Weisen zugleich die gröliten Thoren sein , da
sie treiwillig überhaupt auf alles Gute, was ihnen geboten wer-
den kann, Verziclil leisteten. Uiri diesen Widerspnich zu lösen,
muü angenommen werden, dati Gott — infolge seiner Allwcis-
*) In Shnlicher Weise versiuchte später Leib alz aufgrund der drei
^(lirheti Attribute der Allwissenheit, Alli^ätigkeJt und AUiimchl nachzuwei-
sen, daä die bestehende Welt die beule sei.
112 GundJ<)aaUDU9 De immorlaUlate anima«.
heit und Allgüte — etwas Bessere», als das irdische Leben ge-
währen kann , für die Guten geschaffen lial. Damit ist das
Fortlftben der guten Seelt-n erwiesen. Hieraus folgt aber, doli
auch die «chtechten Seelen nach dem Tode uoeli forlexistieren
müssen und zwar, um die Strafe für ihre Obellhalon zu em-
pfangen. Denn wAre dem nicht so, dann liAtlen die Frommen
und Weisen vor den Ciottlosen nichts voraus. Denn letztere
würden dann ungestraft ihren st-hJechten Neigungen fröhnen und
im irdi-sflien Lt'hen das (Jluc.k genieläen . das ersteren erst nach
dem Tode ?.n teil wird. Dies aber widerstreitet wieder der
göttlichen Gerechligkeil. Also muß allen Menschen, guten und
brtsen, eine unsterbliche Seele innewohnen. (i,8 — 24.)
Wer das Gesagte aufmerksam veilViigl liat, erkennt sofort,
diiü Oominicus in Wahrheit gar nicht vier Argumente ,ex
transcendenlihu.s* iinffdirt. Denn die drei letzten sind eigentlich
nm* weitere Ansfüfirungeti oder nnhedeutende iModiOkationen
<les ersten.
Da unser Autor den bisher besprochenen Auseinander-
sclzin)gt'ii selbst wonig Beweiskrall zutraut, geht er nunmehr
an die eigi'Jilln'lie Beweisfübrunf? . an die Darlegimg der argu-
menta ex propriis. Dieselben gehören meistens dem Gebiete
jnetaphysisch-psyehologischer Erwilgungen an; in einigen Fällen
bemüht er sich Jineli. empiriseh-psyehologi.^che Thatsachen ins
Feld zn ifibron.
Die Binveistnhrung ist in der Reget so eingerichtet, dali
der philosophische Grundsatz , der die Voraussetzung bildet —
radijr nennt er ihn — vorwigestellt und auf diesem das Ge-
bAude seines Beweises aufgeführt wird.
Zunächst behandelt Gundissalinus zwei ^radices" , die
ihm, wie er sagt, von anderen Philosoplien überliefert sind.
Er geht aus von der Substanz. Bei dieser ist zu unter-
srheiilen zwischen ihrem Sein (essentia) und ihrer TbStigkeit
odt-r Wirksamkeit (operalio). Erslere steht höher als letztere.
Ist daher schon die Thäligkeit einer Substanz nicht abhängig
vom Körperlichen, so muli erst recht ihr Sein frei davon sein.
Dies aber ist der Fall bei der nienschliclien Seele. Denn die
Thätigkeit des edleren Teiles; derselben, die des JnlellekLs, der
IlL Der philo». Gedankengang uiiJ die pbilns. Stellung der Srhrift. 113
uirtiis intellecliim . Iiflngt nicht, ab vom KOrper '). Ouher muß
erst recht itire Wesenheit frei vom Körper sein. Die mensch-
liche Seele, oder richtiger (ter Intellekt. muU also (iShig sehi.
auch allein , ohno KOrper, zu existieren. Damit wäre die Mög-
lichkeit einer Extstttnz der Seele nach dem Toile, also ilirer
Postexislenz. erwiesen. (5,7—11.)
Was aMifiMjji^' isl . ist nicht si-lhstfindi^'; es liranclil und
rrlmlt Lfnlerstützimg und Küi-dcnuitf viiti dein, von welchem i-s
abhiln^ig ist. tfin^okehrt wird daltcr der Umstand, daÜ ein
Dintf von einem anderen in seiner Thatigkeil behindert wird,
die rnahli;uiKigk('it des crsteren vom /.wi^iti-n iiezeupen. Man
kann dalitM- dtii nlii^ien Bfwcis auch umi^fkuhrl oder mdirekt
fOhrun, indem man iUistrchl vou dem Satze: Wt-nn die Thilti^-
keit eines W-rmögens vom Körpt^r nehindHrt winl, su hänj^'t seine
Wi'smlieit von jcnnm iilclit n\t. Hips tritTl briin Intellekt /.u.
Ih.-nti je mehr vr sich dem Körper nfdiert . sich seinem t^iiiüuLi
liiii^deht, um s4> mehr mj<rl sich seine Thätigkeit, sein Erkennt'u
lintelligerc) , ^rfhinitiTt und In-tüiurrfi unterworfen. .1*' mehr i-r
sicii ab4T vom KöriKT frei macht — sich von ihm entfcrtU — .
um so freier mid lebendiger ist seine Wirksamkeit. Natflriieh
ist das «Sich nähern" nicht im wörtlichen Sinne von einem
körperliclien NrdKTkoniincj) /u verstellen; es isl nur ein biidli-
clier Ausdruck für die Hingabe an die Neit;un|jen. Bestrebungen
und Lüste des Körpers. Da also der Körper in hölierem oder
geringerem Grade der dem hitellekt ei}fenlniiiliclnii TlidLigkeit
hinderlich ist, so kann die West-nheit des letxleren nicht von
Hrslcrem abhiln^en. (5,12 — "ICy.)
Kine Variation dieses Argumentes bringt tlas folgende.
Wenn ehi DiuK von einem zweiten abhängig ist , so wird die
Gradation in der Belhätigimg des ersten am-li eine (iradation
in der Bethäliginig des zweiten zur Folge haben: Steigen untl
Fallen btii beiden werden sieb entsprechen -). Angenommen
^) Wir sehen hier bereilB eine Zweiteilung der menschlichen Seele an-
gedeutet, auf die spfller zurückgekommen wird. S. unl. Ö. 114.
•) Man denke an zwei Maschinen, vun denen die eine der Motor, die
andere die ausübende .\rlieitwnuuscluiie isl. .Ie rsischer und slilrkcr der
Motur in Thättgkeit ist, unk so mehr steigert sich auch die Wirksumkeil Jer
Bvftmeo TT. 3. B»low, Ouiidiaialmaa. 8
\H
6un<1is5ottnus De immortalitate nniniBe.
also, lUr Inlt'lli'kt Iiin^e vom Körper ab, so müßte er dann am
Hrliwjiclistr'ii, am wcniKslm tttalkrafliß sein, wi'iiii jenrr um hiii-
tilllit^steii ist, d. i. im (iivisenallor. (icracie das (Jeironteil ist
»bor d*'r Kall, Die hOchsle Weisheit und Kluglieit wohnt dem
(irt'ist^ iiiiic. Damit ist zum dritten bewiesen, dafi die Seele,
bozw. (Ut Init'lk-kt. vom Körper turbt nbhfingijf ist. (5,:27 — 0.4.)
Gehen wir» auf diesem dritten Argument fuljend , «-inen
Schritt weiter. — Wir sahen soeben, dali der Intellekt im Grei-
stmalter seine grOütc Krafl xelj^t. M;in kann also von ihni
sigen , daß it um so mehr waolise und an Kraft gewinne, je
lAii^er er bestelle. Nun ist es alier Thalsaclie ^ daü alle sterb-
lichen Dintfe, jo länger sie dauern, um so hiiißllliKer werden,
bis sie sohlietilieh am ZusannnenliUl , uni Tmle oder der gänz-
liehen Vernichlung, angehuigl sind. Da sich ntm i\ov hitellekt
gerade entgegengeselzl verhall, mnlj er unsterblich sein.
An dieser Stolle geht Oominleu.s genauer ein auf die
I Zweiteilung innrrhall» di-r Mi^nsctieuseole, die er vorher^) nur
JUiyeik'Ulet hatte. An der nien^chliclien Seele nämlich ist zu
unterscheiden das sinnliche VermAKeii (uirlus animalis) und das
geistige Vermögen, der hitellekt (uirtus intelhrtiua). Krsteres ist
vom Kßrpei* ahhüngig; es gewinnt und verliert an KraJl und
vei-gebt zugleich mit jenem. Der Intellekt hingegen viu-hält sich
gerade umgekehrt.
Nun könnte liiir tin Einwand gemacht werden. Der In-
tellekt, könnte man sagen, ist doch vom Körper ahlifuigig; denn
es zeigt sich bei den verschiedenen Geisleskranken, nämlich den
(h'hirnkriinkeii, Besessenen, Melancltolikeru u. a., daLt der Inlel-
U'kt zugleich mit dem Körper angcgriflen und in seiner geonl-
neten Tliätigkeit gehindert sei.
Wer das sage, meird Doniinicus, schei<ie nicht genau die
Begriffe: Hinderung oiler Verletzung (hnpedinienlunj et lae-
sio) einerseits und Beschäftigung oder Inanspruchnahme
rgteii MfliM^liine, und im gekehrt: steht eralere sliU, so arbeitet uucb letx-
nicht mehr.
i)i)j6 It S. üb. S. 113. Die Uhrc geht auf Aristoteles zuröclc, ist
gg^ üaaieingut und üt?iiieinplinz aller griechischen, arabischen und Ih-
HB reripuleliker geworden.
III. MfT philo», (iedankengani^ und die philn<t. Stellitnp tler S'-liriri: 11%
(occitpalto) aiidrorsoils. Die Kiiswirknnjf des Körpers anl" tien
lntell''kl nun ist Iptliirlicli eint' « liiunspruchnahnu''*. Denn
dnirli die Tlialitrkt'it der Sinne. (_i<'hör nnd (li-sichl . winl der
Geist auf äuli*'H' Din^e drr Sinnenwelt abgelenkt und rladurch
seiner eiKent liehen Thäligkeit. dem geistigen Krkeiuien. zeitweise
t'iilzo^ren. Kbeiiso isl es bei den erwähnten (iei*fte.skraiikhriten.
Die \Valinl»ildei-, die dort die Serie ln'lii'iTRcheii, sind den Träu-
men vei^deictibar. iVu- mich die Seele uni^'unk^hi und mnfungeu.
Sie dauern nnr länp*r al:; diese, sie sind dnuli das Leiden l'est-
^ehalleti; gh-i(-)i diesen aber heschäflij^en sie den Intt-Hekt nnr.
verlelzen ilm aber nicht. Beweis hierfui' ist die Thalsai-he, daÜ
der Geist, wenn jene Krankheit v^lli« ^^eliobeit ist. wiedw in
aller Kralt zu seiner eiKt'ntlichen Besclmftijkiinis' zurückkehrt; vor
Mllcrn abiM' der Umstand, dalj gerade noch während der Dauer
des Leidens der Gnisl , »icti ^jleirbsani voiri Körper loslösend,
sich zu seiner hüctjHten und vonieinnsten 'l'häti^^kfit erliebl. Diese
aber besteht in prophetischer Ahnunj? und OflenbarunK.
Den Zustanil , hi-i welclieni diese aullrelen , JH'nnt man Ver-
zOckung (ext;isir> . raplus) . und diese tritt gera*le dann ein,
wenn der Körper iu liolieni Maüe geschwächt und angogrifTen
ist. In diesem Zustjtnde zeigt sicli die Ki^'<<tuiögtii-he Loslösung
dei' Seele vom Kr)r])er, solange sie mit ihm noch durch das
Band des irdisiihen Lehens verkiiüpÜ isl. Und da sieh schon
bei dieser teitweisen Loslösung eine hulie Steigerung der Tlifilig-
keit des InteHektes zeigt, so muü dieselbe bei der gänzlichen
Befreiung vom Körper, die im Tnde eintritt, zur hOrhsten Stufe
der Vollkommenheit gelangen. (0.0—7,^0).
Wie oben (S. I|:J^ ausgeführt, ist die Thätigkeit des In-
tellekts, das geistige Erkennen (intelügere) , um so mehr behin-
dert und um so weniger rege, je mehr jener sich dptu KiufUili des
Körpers liingiebt, je näher er sieh ndl demsplbeu vereint. Hier-
aus rnuü man schliefen, daü dicselbt.' im (Jegeusatz dazu um
so stärker mid reger vvini, je rnelir sich der Geist vom Küi-p(?[-
freimacht. Am stärksten miit^ djesell>e mithin bei einer völli-
gen Trennung der Seele vont Leibe sein , d. i. im Tode. Und
in der That zeigt sich , dali \'erzück.ung , UlTenbarungen und
Propitezeiliungen , die doch die höclisle Potenz der geistigen
8*
116 GundissaUnus De immorUlitAle animae.
Thätigkeil darstellen (s. o. S. 115), ineistenteüs gerade in der
N&he des Todes thitrelcn. Ist aber die Thrdi^lieit eine gestei-
gerte, so kann iitmuViH'h die Wesenlicil verletzt sein. Es vi-
giebt sich also dit- Th:Usacln^, dai^ das Sein (esstMilia) de» In-
tellekts durrh den Tod des Körpers in keiner Weise in Mitlei-
denschaft gezogen wird. (7,äG— KJ3.)
Dainit ist die Mfihe der Hi'weisc ersfhn[>fl . die sirh auf
der ersten Wur/el aiilbiiiien '). (lundissalinus gehl nini
zu einem zweiten Grundsatz. fd)er, welelier lautet: ,Jede
SuI>sUm]z, deren Form nicht zerstörbar ist. ist selbst iiieltl zer-
störbar* -). Inwiefern tindut nun diesi-r Sutz auf die Men;^chen-
seele als geistig erkennende Substanz (>ul>stantta intelligeusj An-
wendung? Allgemein wird zugestanden, dali nur die in die
Materie ganz versenkten Formen (die fonnae niateriales) zer-
störbar seien. Konnte man also nachweisen, dali dtr Wesen-
heit des Intellekts keine materielle Form eigne, so wäre daniil
seine Unzerslörburkeit erwiesen.
Ventiiltcls der Walmiehmung nimmt der Intellekt die ma-
teriellen Formen oder vielint-hr deren Ai>bildcr ') in sich auf.
Es kann ihm selbst daher keine bestimmte materielle Form
eignen, da er sonst nicht die Ahbilder aller materiellen Können
in sich aufnehmen könnte*). Doniinicus veransehauliehl dies
an den seil dem AlterLun» ••) geläufigen Bililern. Das Auge, sagt
er, muii an der Stelle, wo es <lie Abbikier aller Farben in sich
aufninmit, selbst farblos sein, da es sonst für Farben nicht em-
pfänglich wäre. Denn was z. B. selbst weiti ist, ist gegen die
') Dieselbe liieJJ: «Wenn di« Tiiäli^keJt einer Substanz vom Körper
nicbl abhÜDgiy ist , su liängl uucli ihre Wesenheil von jenem nicht ab.* S.
ob. S. 112 r.
') Arabiscb-peripatetischer Gemeinplatz.
*) simililudines: s. ob. S. 8,2U.
*) Vj(l. Arisloteles »le aaima III, 4 p. 429 a 18 ff. Der Gedanke
geht bekanntlich auf Anaxaporas zurück, viuf den auch Arisloteles ver-
weist; vgl. Anaxagor. fragm. G (Hullach) bei Simplic. phys. 1, 4, p. ir>0, 13 IT,
ed. Diel».
*) Vgl. z. B. Alexander Aphrod. de an. II, p. lOG. 3Ü ff. ed. Brana
(dieses Stflck — .Tf^i rov — war auch ins Arattisctie und daraus ins Latei-
aiüche tlberselzl; v^l. oben S. CA Anni. 7).
111. Der philüs. Gedankengang und die phüos. Stellung der Schrift. 117
weiUe Farbe oder deren Abbild iinempliniJlich. In gleicher
WeiHe V(U*hAli sich der Ot^srhinackssliiti ; er mub au der Htetio,
wo er alle die verschiedenen Geschrnackseirid rücke orupfiintjt,
selbsl geschmacklos sein ').
Ebenso also darf auch der Intellekt , da er die Eindnicke
aller materiellen Formen in sich aulniinmt, iti sich keine mate-
rielle Form als uatrirliclu" oder Wesensforin enllmlten •). - Da
nun, wie oben bemerkt vvui-ile, aur die nialeriellen Formen zer-
störbar sind, SU fbl^4, daö der Intellekt unzerstörbar ist.
Warum at)er sind itiir tXw fiirin:ii' rnateriales zerslörhar?
— Del- Beweis bierlTir wird iiuft-M-lintU auf dem Gedanken, der
ursprnn(.dich auf Aristoteles /.arüek^'olil, dal^ alle Veränderung
auf körperlicher, riluiulieher Herühruu^ und IJewe^^ung berulit ').
Also müssen auch Entstellen und Vergehen , welclie die Folge
des wechselseitigen Entgegenwirkens, des Konfliktes entgegenge-
setzter Kräfte sind, durch körperliche, materielle Bewegung (eon-
tactus) veranlalil weiden. Milliin können sie bei iiiiitiateriellen
.Substanzen nicht wirksam sein. Hierzu kommt noch die Thut-
sache. daü es bei immateriellen Substjmzen rdn-rliaupt keinen
Oegensatz . keine contrarielas , giebt. Alles Immaterielle, mithin
auch der Intellekt, ist dalier unzerstörbar. (W.ti— D,I5).
Wie steht es nun aber in dieser Hinsicht mit der Tier-
seele (auinin animalis oder brutalis) y Ist diese :mch eine im-
materielle Form und mithin unzerstörbar?') Nein, sagt Do-
minicas, sie ist eine materielle Form. Die materiellen Formen
^ind allerdings nicht alle gleichartig. Man muß zwei Arten der-
selben unterscheiiien: eine höhere und eine niwlere (forma pro-
prie coi-poralis). Letztere steht völlige in Abhängigkeit vom
Körper, sie regiert jenen keineswegs, sondern wird im Gegenteil
von ihm regiert. Die erstere tiingegeti i'egiert den Körper; sie ist
') d. Ii. im passiven Sinne.
') Wühl al»er kann dieselbe, wie der äcliolasLisc-he Austlruck lautet, als
intentionale Form in itini vurtiandcn seid, d. h. als die MOglichÜceit der Er-
kenntnis der materiellen Form.
•) Vgl. Zeller. Philos. il. Grieclien. U. 2. S. 3flU IT. (3. AuH.).
•) Was mit S. 6,13 im Widerspruch stünde, s. üb. S. 111.
m
nunitis)<alitiufit Df> iniiiiiirtiililalo aninm?.
sfiii Träger. Imios rtyl iiml hrlliiltigt sich auch ilire fianze
Tlmligk(Mt ausschlii'ülitli in ilci* Materie des Körpers unH durch
dieselbe; tnilhin inuö auch ihre WesenliMil von IptzlerL'in al>-
liflnKL'n und inil ihm zerstftrl weitieii. Zu dieser lelztt^reu Art
gehört uls(( uiicli die Tier- und IMhiiizeiLseuk' (auitiui Jh'uUiHs
und uegetabilis) i). Um das Verhfdtüis der lebilcren zu ihrem
Körper üu verausdiauhchcn , hcflienl sidt unser Autor wieder
der HilHer, dir ov nlli-rdiri^^s e^olhst nicht für sehr passend häJl.
Kr ervvälml ein (iriViLi, in dem sjrli eine KU"issit'keit l»etuidet,
uiid ein lUil/stilck . an wfdehein eine Klimune loderi. Diese
Tierseeie kann auch iti der Erke-nnluis nirld alle maleriellen
Formen erfassen. Das eigentliche Objekt ihrer Krkeuntuis sind
die sensibilen Können , hingegen ist sie völlii: untuhijf zur Auf-
nahme der AllgenieinbegrifTe , der uniuersatia. Auch der tieri-
fiehe Fnstinkl (uirtus aestimatiua) -) bildet keine Geg-eninstanz;
denn auch dieser beruht nicht auf einer begrifTlichen Allj^emein-
crkennlnis , sondern vei-bleibt inn^rbalb der Sphäre der .Sinnen-
erkenntnis , inneriialb derer er das Tier das sinnlich Nftlzliclie
oder Schädliche erkennen laßt. ('J.l^i— 10,15).
Soeben ^) war dargelhau , daÜ die materielle Zei-stönmg'
*) Ober die mannigfachen Ansichten hinsichllipli der Tienteele in der
lateinischen Philosophie des zwölften Jahrhunderts vpl. M. Bauni^.Trlner,
Die Philosophie det> Alanus de Insulis, Münster 18iMi (Üeitr. z. (icsch. d. Phil,
i). M.-A. II Hen 4), S. 84 ff. 98.
'J Diese „Vis aestimatiua' wird von Jen Arabern (Avicenna , Algazel,
.Averroes) als einer der inneren Sinne aufgefrthrt. deren ATicenna fünf. Aver-'
roes vier aufslellt. Üie laleinisf^hen Si-holastiker folgen Ihnen darin: vgl,
z. Lt. .\lbertus Magn. äutitma de creiiL, pars 2 (de honiine) , lt. l q. 37 a. 1 ;
Thomas Aqu. S. Theol. I q. 78 a. 4, — Die Schwierigkeit, welche die Vis
aesUmatiua dem (iundissiliniu hier bereitet, liegt darin, daß schon heim Tiere
der Instinkt gewiseermalien Ober das sinnlich Wahrgenommene hinaus-
führt. So sagt Albert der Große a. a. 0. , indem er über diese Lehre der
Araber berichtet: Dicil Algazel sequens Auicennam: ,aestimatiua est uirtus
apprehendens de aensato quod non est sensatum.* Das gewöhnliche Heispiel
hl das Schaf, welches inslinktir vor dem Wolfe Hiebt, nicht weil etwa die
Farbe oder Gestall desselben seinen Gesichtssinn lieleidigte, sondern weil es
in ihm seinen Feim) erkennt. Kritisch behandelt hal diese Lehre Schütz,
Die uis ae^llmatlua !^. cogitaliuu des h. Thomas von Atpiin. GArres-Ges.,
Sekt. f. Philos., Jaliresber. Iflr I88.J; Köln l««4, S. ;J8- üi.
•) S. S. 116 f.
lU. Der philos. Gedankengaug und die pliUiJs. SteMuiiK der Si'lirifl Mit
den iniinaleriellcn Substanzen nichts anhaben bann. Warum
aber, lietUl es jetzt weilor, sollte es nicht auch eüie imma-
terielle Zersiöninp dersetbtMi geln^n? Oenn es stellt düch lest,
daÜ die Seele verechiedenen sLimnisehen Ket:nn{;en und Sobmer-
zen, wie Zorn, Hau, Neid, Scluun und anderen, unterwtjrfen ist,
die ihr nicJil fewiige Pein veiursachen. Sehmerüeii aber und
Qualoii nafen ilocli \'erlet/ungen hervor. Ist nun ein VerrufVen
(uirlus) rdx'rliaupl Verletzungen ausgesetzt , so ist es andi der
hnchslen P4>lenz derselben, dem Verixeheu oder Tode, unterwor-
fen. Denn die Widerstandslalii^fkeil des Vennögens rtrieht doch
nur bis zu einem Ijestimmten Kriide.
Dagej^en ist eüizuwenden, meint Dominicus, daü die ße-
grifTe Schmerz und Verletzun^^ nirlirdculi^' sind. So ist z. B.
der Schmerz , den maji inlblge einer Verwmidung cmplindol,
ein aniierer als der, den uns der Verlust eines geliebten Besitz-
tumes verursacht. Etwas andere.s ist es . ob man von Vereini-
gung und Trennung tiei zwei sich liebenden Wesen oder bei
den Teilen eines zusanunenhüngendeti (tanzen spricht. So ist
auch zu scheiden zwischen der Verletzung, welche die Wesen-
heit ihres Zielobjektes triltl (laesio essentiabs) , und deren Ge-
gentful , die also nur auf ein äuUerlich mit dem (ietroffenen
Verbundenes (res forinseca) einwirkt. Von letzterer Art nun ist
die Verletzung, welche der Schmerz in der mensehlichen Seele
hervorruft; dieselbe kann also nicht zum Tode führen. -- Indes
gilt ilies nicht lur die Tierseele. Dt>im In dieser kann sehr
wohl ein Sciimerz oder eine Erregung solche Oimetistonen an-
nelimen. dati dadurch der Tod dos Köipers und damit auch zu-
gleich der Untergang jener niederen Seele verursacht wird :
denn <lie Wesenheit dei*» letzteren hängt ja vom Körper ab.
(10,16—11,18).
Hier schiebt unser Philosuph die Bemerkung ein, dati fast
sämtliciie vorerwähnten Argumente auf Aristoteles und seinen
Nachfolgern lussen. Unter letzteren haben wir wohl die arabi-
schen Peripatetiker zu verstehen. Üie.se Angabe werden wir,
wie der kundige Leser selbst gesehen, und wie ja auch aus
meinen Anmerkungen ersichtlich, im alJgememen als ricidig be-
zeichnen müssen. Aui die tlnsterbliciikelLsbeweise des Plato
i
läft
Gundissalinus Üe imumrUlilale unimae.
ihnii'geiu iiR'inI uiisi-r Aulor, Uisse er sirli nicht ein. iJcnn die-
selben pHÜlcn aueli auf die Tierseele , deren Existenz aulierhalb
des Körpers und nach demselben unnütz und zwecklos wäre.
(Il.ltl— li',2).
Üicde Krililt des Doriiinirus nmsseii wir in dic^scr alljjc-
ineinen Form als nicht zutreffend orler mindestens als ober-
flächlich bezeichnen. Denn sie paiJl wohl auf die meisten Ar-
gumente des Phaedrns — aber auch da nicht anf a!l(^ - . nirhl
jedoch atif die des Phaedo ').
Nunmehr wird zu etwas Neuem ubergegan^wi. Den Aus-
gangspunkt bildet die Lehre, data in der Natur nichts zweoklas
geschieht -|. Daher lie^d c« auch in der Natur jeder Br-we^img,
die nach einem Ziel i^tTichtr-t ist, dali sie an und inr sich die
Möglichkeil besitzt, diesus Ziel zu erreichen. Andernfalls würde
diese Bewegung zwecklos sein. Nun ist aber zu scheiden zwi-
schen körptrlichen und seelischen Bewegungen. Hier glaubt
sich Doininieus m einem bewulJten Widerspruch mit einer
angeblichen Ansicht des Aristoteles zu belinden. Jener Phi-
losoph man lieh , sagt er, lehre: , Bewegung ist ein fortlaufender
und nicht plnl/.hilier ("bcrgang von iler Möglirlikril zur Thätig-
keif V. Diese Delhiilion jedocli sei nicht allgeinein genug, da
sif nur auf die körperliche Bevv4'gung jklssc. (iundissaliuus
verstetit unter Bewegung eine Geneigtheil, ein Gerichtetsein auf
die Erreichung eines Zieles. Diese Definition passe snwiihl auf
körperliclic als auch auf seelische Bewegungen. Zu letzteren
gehören nun auch Furcht oder Abneigung und Verlangen oder
Begehren. Krstere ist ein Sictiahwenden der Seele , ein Bestre-
ben, einem anderen auszuweichen; lel/leres ein Sichhinneigen
der Seele, ein Slrel)en nach luTeichnng des Krstrehten. Sind
nun jene Hegungen in der Seele vorhanden , so rnufi ihr auch,
') Vgl. PIaL Phnedr. 24ö B~246 A. Pbaedo 64 Ä— 69 A. 7» U. 107 C.
lUpubl. X.
') V^;!. (las ArisLolelische : r> /trös nai ij ffvm^ ovöiv ftntrjv .T«oPo<f,
de cado 1 4, p. 271 a ^3. Vgl. Zeller a. a. O. U 2. S. 4^4.
*) Diese Definition lintlel siirli , meine-s Wittsen« weiiig^leiis , iiicbl bei
Aristoteles. Phys. 2ti2 A uml 267 A wird nur von eiuer xtrijoi^ rti-KfjfiJc
gesproc}ien, ohne zu sagen, ilaä jede ttivtj<itg eine orvex»}^ sei; auch l'ehlt der
Zusnlz des höh aubiinB,
[it. L>er |)hilo5. üedsnkengaDfr und die phrlus. Stellung der Schrift. 1:21
daitnt jene Bowt'gungtMi nicht zwecklos sind , dir Mö^'Uchkeil
t'elwtrn .sein, da& sie ilu' Ziel erreichen. Die Seele niuli also
(las. was sie lliriM- Natur mich erslrclit. anch crreir-hen <t(Jer ati-
di'erseils sich völlig von ilciii ahwenilrii köinini, tlus si(t lliehl.
(li>,3~13,l)).
Welches sind nun aber jeiu' der nii-n.schlichen Seele spe-
ziell als stjlf'her, d. ti. üircr höheren Natur nach, eig*-rtfnnili)-hen
Stri'bmigen und Wollnnt<t'n ':* Sie ersehnt eine wahre und i'clite
(Ilnckselitrki-'it und llidil den Znstand wirkhcher Unsetigkeil.
Hierbei darl' man aljcr nicht an die Wünsche und Neigiinnren
der sinnlichen Seele denken; es handelt sicii nur' uin den edle-
ren, erhabenen Teil di-r tnenschlicheri Seele.
Kommt nun letzterem eine ilim eigentümliche (ilnrk-
Seligkeit zu oder nicht? — Der animalische Teil lK*sitzl ohne
Zweifel seine ihm eiKentümlicIien rrenderi und Krgötznntren und
inn^'rkelirt auch steinen un^lüekliulien Zustand. Vielleicht nun
sind dies dieselben Güter, die der InteUekt erstrebt odermeidel;
vielleicht also decken sich hier die Slrebunnren der vernünftigen
und <ier sinnllrlien Seele? Allein dieses ist uninOplich. Denn
jen{' Freuden dvr animalischen Seele sind nicht ^'cistiger Art,
mithin tler edlen Natur des Intellekts nicht entsph'clu'nd. Glück-
seligkeit aber kann nur liei-voi-gerulen werden rlmch den Besitz
von tiütern, die der Wesenheit des besitzenden Vermögens an-
gemessen sind. Die Glückseligkeit niimlrcli brsteltt in der Huhe,
die eintritt, wi'?in das der Natiu* nach eigeulümbche Ziel er-
reicht ist. Diese Hnhe t.rilt ein , wenn das Vermögen seine
Vollendung lindet. Vollendung '| aber ist die Erreichung dessen,
was in dem Vollendungsfrdngru poti'ntiell vorhanden ist. Also
mutj die Glfiekseligkeit drs (nU-llrkU, sofern er rihcrhaupt eine
solche besitzt, eine andere sein als die der animalischen Seele.
Nun muü aber in der Thal dem Intellekt seine ihm eigentum-
') S. ob. S, 14,10 ff. Vet'frciio enlspricbl id unserer Schrift der arislo-
tetisclien ivitXix^^ ~ ^'^^ Obersetzung ptrftctio isl zwur die (^ebrducliliche
in arahisch-laleinischen Versionen, während die griechiscli Inteiniiichon das
Hpftler allgemein Hhliche »ctu» vorziehen ; über äie Htiilel. »ir)i keina'swegs nur
durt. So giebt scbou der im älittelaKer (namentlicb im fnlberen) viel be-
nutzte Kommentar des Chulüidiu:!! zum platonischen TimueuH(c.2{d Uullach)
in der aristoteliechen Definition der Seele kvttXixfia durch perfrctio wipftor.
I52
GundisHalious De immorliüiute animae.
liehe , soincm Wesen entsprcn-ljendu UlückseÜKkeit zukomm«»n,
da st'Jion die animalische Sct'lc eme sulcfac hat , das Nie-
dere, Uiiedlcrt^ aber vor dem Hölieron nichts voraushahori kann.
(1S,I0— !4J5).
Didi abei- diese Gh"ieksc'h(fkeil verschiedfti von der der ani-
niahsrhoii Seele sei, weist er neben der obijren deduktiven,
apriuristlKMi Weise aufh durel» ein enipiriscli-imliiklives Arpu-
nu-iil nach, Weise und jreistig hochstehende Mtnischrn , sagt
(lUtidissLilinus, sm-heti iimi finden in j^-nen iiilischen . sinn-
lichen tifilern und I-Veuden nicht ihr Glück ; im Gegenteil , sie
verarhtrii und fliflien dieselben '), Aber auch die. welche jene
irdisrhni GöIü- besitzen. wiTdcn dni-eli ilirsr'lbcn nirht jrlflrklich,
sondern sind im Gegenteil elend durch sie. mögen sie selb.-;! die-
selben nun lieben oder niclil. Denn sind sie diesen Gütern
iiiclit znljelluut , so kann der Bt'sitz derselben ihnen natürlich
keine Freude mal kein Glück, sondern nur Last uu*! ünbelui^en
bereiten. Aber mich wenn sie an jenen Gütern liän}jen. brin^'en
Urnen dieselben kein tiiilok: denn alle Leiden und Anfechtungen,
denen der (iejrenstand . an dem sie in irdischer Liebe liAiiKen,
ausf<esel/t ist, bereiten ihnen viel Schmerzen und ICunmier. Da-
her bringt ihnen jene Lieb(? zum mindesten eben soviel Leiden
als Freuden, so daß Freude und Leid sich aufheben; meist aber
öberwieKen die Leiden, und jene Güter ^-ermehren dalier, da sie
ober die Suituiif des i^eides. welche ausreicht, um die K''Ken-
ubersleliendi' Lusl auf/JihebiMj , hinaus noch weiteres Leid mit
sich bringen, nur das Elend des Menschen. (14,16 — 15,16),
Dies wird nun nochmals auf dwluktiveni Wege erwiesen.
-hnle Aniiriherufi^i an das eine von zwei Kxtremen ist eine
— Je nadi tlent (irade der ersteren gn'ilJere oder geringere
Entfernung von dem andern. So ist also auch die Hingabe,
die Annälierung eines Subjektes an niedriger stehende, weniger
edle (Jbjekte ein Herahsleigeu, eine Kmii'drigung jenes; sie ent-
fernt es von seinem edlen Z'w). Daher wird auch die mensch-
liche Seele durch die Hingabe an Irdische Freuden abgelenkt
von ihrer Vervollkonnnnunp unil ihrer tiefsten Erniodrigimg und
damit dem Unglück genähert. Der Intellekt hui eben andere.
*) S. üb. U,12 n. \^l uuch 4,10 r. und ob. s. iil f.
111. Der philos. QedRukcn^ting nn<] i)ie phiUis. Stellung der Schrift. 133
seiiiei' (MÜPit Niitiir aiiireinossrnere Objekte seiner Tfiäliffkoil ^),
ilic ci- rrKi'hnt, und liurcli (\]ii fr iliT Vci-vollkünifunuiig nnil dem
(ilfick imher gerührt wird. Er niui-i sie nalur^feniAU haben, da
ja die Sinnesorgane, die doch viel Liefer stehen, ihre eij^en
Sinuesobjekto besitzen , deren Betrachlung sie vervollkoninniet
und erurrnzt. (15,Hi- !(i,7).
Nudi dinrli eine Keihe weiterer Wendungen hindureh wird
dier^i:^ Gedanke, der die er:^te Sluie des Uiislerblicfikeit.'^lit'weises
aus den» StrchL'U drr Serlr nafli cwi^fcr (MMi-ksrlijfki-il eiilbrdt.
von tiundissalinus durcligL'föhrt , der (ledanki; nüinlieU. dati dor
veniünlli^en Seele eine ihr eigen lünili die, von der der
anirnaüschen Seele versebi(*deiie, und dannn nicht an
die Vereinigung niil dem Knrper gebundene (Jluekselig-
keit lind VollendunK zukouiuie. Die Ziele des StrebtMis des
bilellekls, die doch eben seinen Zweck ausmachen, hebt er her-
vor, müssen selbst edler Natur sein; sie können niebt irdische,
sinnliche Güter sein , da kein Ki-schaftenes um eines Zweekes
willen ersrliaffen ist , der niedriger und tiefer stände als Jenes
selbst. 116,8—14..)
Ferner, wenn von zwei Vermfigen das eine erhabener als
das andere ist , so niuLi aui-h die htjcliste Steigerung , d. i. die
Vollendung . des ersteren bßher stehen als die des Kweiten.
\Venn also das Denkvetmögen rein geistiger Natur imd unab-
hängig vom Körper ist*), so wird um so mehr sein vollkomm-
ner Zustand *) rein geistiger Art und völlig frei von i\en Sehran-
ken des Körpers sein. (10,15 — 33.)
Dasselbe läßt sich auch durch ein schon mehrfach erwälm-
les empirisehes *) Argument darthun. Wie bereits oben ge-
zeigt ^), tritt die höch-ste Steigerung der Thätigkeit des Inlellekls
in dem Zustande ein, in dem er sieh möglichst — d, h. so weit
es während seiner Verbindung udl dem Körper überhaupL sein
kann -- vom Körper frei macht, d. j. im Zustand der Ekstase
') Das sind eben die eigenLlichen Denkobjekte.
») S. üb. Ii4 fr.
') In dem eben »eine Gläckseligkeit einUjtl.
*) Empirisch wenitrstens nach Ansicht unsres Autors.
') S. 115 ff.
I
13-1
Gundis-salinus De immortaliUte aninue.
I
oder Verxöckuni^. Die Steigerung der 'Difilifkeil eines Vermö-
gens aber fülirt das^^elbe seiner Vollendung entgegen. Tritt also
schon im irdisclien Leben bei der höchsten Steigerung der in-
leMoktuclIeri Thätigkeit eine fast vOlHge Lo.sIösinig der vernünf-
tigen Seolr vom KoifM^r ein, so muLi um so mein- bei erreichtem
Zustande der Vollendung ') vollkommene Freilieit vom KörpiT-
lidien sich zeigen. (lfj,24— 17,^».
Nachdem lummehr erschöpfend dargcthaii worden, daü die
Glückseligkeit, nadi der sich der Inteik-kt sehnt, i-ine ganz
andere als die der animalischen, in den Banden dv^i
Körpers befangenen Seele ist, daü dieselbe vieltnehr eine
seiner edlen Wesenheit eigentümliche ist, wird numnehr
nachzuweisen versucht, daü diese Gtückseligkeil, und el)enso ihr
Gegenteil, der Zustand der ünseHgkeit. ewig sein muß, und dalä
darum der Seele ein ewiges Fortleben zukomme.
Data die Seele die Möglichkeit besitzen tnuLi, jene Glück-
seligkeit zu erreichen -), da sie das Streben nach demselben be-
sitzt, geht hervor aus der oben ') besprochenen ZweckmäUigkeil
des Nalurgeschehens. Diese Glückseligkeit aber mtUi ewig sein;
denn sonst wäre sie keine wirkliche Glückseligkeit, da die Seele
in diesem Kalle ja der Vernichtimg uihI dem Tode, d. i. dem
größten Übel, unterworfer] wäre. In spitztlndiger, dialektischer
Begriffsspaltung wird nnnmelu- von Gundissalinus das Verhältnis
(Jer Rc^Tiffe „Ewigkeit" (perennitas) ^) und „fJifickseligkeit"
(feHcil4is)uriler.sMcld, umzuKcigon, in wrichei- Welse man von einer
„ewigenGlüikseligk*;!^ spreclien könne, und so zu erweisen, dab eine
ewige Glückseligkeit der Seele eine (a parte posl) ewige,
d. h. unzerstörbare Seele voraussetze. t)ie Kwigkeit darf näm-
lich zunächst nicht als ein Teilinhalt der Glückseligkeit gefatit
werden. Denn da dieselbe auch dem Gegenteil der Glückselig-
keit, der ewigen Unseligkeit, zukommt, so würden in diesem
■) bi der die Gldckseligkeit besteht.
') Und ebenso siib von dem Unglück völlig abzuwenden.
") S. S. 120 r
*) Diese Ewigkeil (perennitos) ist natürlich nichl im Sinne einer nach
vorwärlH und rflckwürU ewigen Üaaer (atternUaa) gemeint, sondern im Sinne
einer ewigen Fortdauer.
lU. Der philos. Oedankengung und die philos. Stellung der Schrifl. 125
Falle zwei konträre Gegensätze in einem wesentlichen Merkmal
übereinslimnicn '). Aus demselben Gnindc kann die Ewigkrit
auch kein Werhselbegriff der Glückselijfkeil sein, da dann
wiedenini zwei konträre Gegensatze einen geineinsanien Wechsel-
bcKTifT hätten. Dieselbe kann auch ntoht als Folge der (Unek-
seligkeit gedacht werden; denn sonst würden wir wiederum die-
selbe Wirkurjg aus zwei entgegengesetztiMi l'rsachen hervorge-
hen sehen, was unmüglith ist. Daher bleibt nur noch übrig.
dal4 die Ewigkeit eine Disposition ist, die von der Glückselig-
keit in ihrem Trüger verlangt und vorausgesetzt wird, und die
dann der EiKenschnll der (Ilürkseligkcit selbsl zukumtiil. Nur
eine ewig Cürldauenide, d. h. unsterbliche Substanz,
lieiüt das, ist also ßlhig, eine derartige ewige Glückseligkeit zu
erhingen und zu besitzen. Damit ist also die UnstiTbliiJikt'it
der Seele selbst dargethan. (IT.S- ls,(i.)
Noch eine Reihe weiterer Beweise schlieüt sich an , in
denen zunächst Gedanken, welche im Voraulgehendcn hier oder
dort berührt wurden , wieder aufgegriffen und neu gewendet,
zum Teil auch tiefer begründet und in neue Zusanunenhänge
gebracht werden.
Das Leben -) der V^ernunft ist ihre ErkruntnisthAligkeit.
Wie (liese, ist (hiruiu das Lebi-n iK.i v<'riintittigi'U Serie nicht an
den Körper gebunden. Diiü über die erkennende Thätigkeit der
vei'uüntligen Seele nicht an den Leib gebutHlen ist, vielmehr
durch die Ltislüsung von den }^(iden lii.'s Leibes S4'lbst eine
Steigerung trlahrt, zeigt sich, wie schon bemerkt ■), besonders in
der Exlase oder Verzückung. (I8,(i— li.j
Diese Entzückung und die in derselben erfolgende Ver-
bintlung der Seele mit der hötieren intelligibelen Welt ist näm-
') Nicht berücksictili|$l hat liier Ounülssalitius üie Erwritrung, daß
die perenriitas der (iattuagsbeitrirr zu Glück und L'nüLüük sein kannte,
wie z. h. auch die beiden conträren (ietfensatze .weifi' und .schwarz* unter
den gemeinsamen (.iaUungi>l>egrifr der Fnrbe fallen. Er raäl ,{mrs* offonbar
im Sinne vou »pezUiiicher bitlereiiz.
*) uiuere in efTeclu; vgl. Gebiral : Föns uitae lil, Zi |i. 132,1 f. und
24 p. I34,2Ü: omue quod est in eßeclu, prius t'uit in potentia.
•) S. ob. 7.20 ff. M.7 f. KJ.aR. IH.IÜ IT.
m
GundiaaUniK Dt bnmortalital« «nhnag
lieh iQr die Seele entweder gewaltsam oder freiwillig, ent-
weder natürlich oder zufällig.
Zutüllit; kann sie nicht sein: denn da die Oftecüxtrunpen
und Prophezeihtuigen . die jener Zust;iud mit sirli brin]ft , ilas
höchäte Regulativ für das menscliiiche Letten sind . denen sich
alle übrige n»eni*chlichr Weisheil und Kunst beugt . so würden
letztere einem blintlen Zufall folgeii. Üics ist alKT nnninglicli :
daher niu& die Verzückung der niHuschlirhen Seele natürlich,
d. i. in ihrem Wesen liegend st^in. lübensowenig kann jene
Entzückung für den Intellekt etwas Gewaltsanies sein, da sie
ja eine hohe FönJening der Ttiütigkeit desselben herbeiführt.
ulle5 (Gewaltsame atier die im eigenen Willen liegende Tlifdigkeit
hindert. MiU»in muti die Verzückung ein rreiwilliger, d. h.
dem eigenen Streben des Intellektes entsprechender Zustand
sein. Alles aber, was aus dem Wesen und Willen eines Ver-
m^ens entspringt, il. Ii. iialürlich und Ireiwillig ist. i-jt demsel-
ben heilsam und förderlich. lUiher mu& Jene i^slüi^ung der
menschhchen Seele vom KOrper ilu* heilsam und fönlerlich sein.
(18,15-19,5.)
Wie aus tler verschiedenartigen Thütigkeil der mensclüi-
eben Seele hervorgeht, besitzt diesell>e ein doppeltes Ant-
litz *). Das eine ist nach oben, nach dem Ucbten, Er-
I
I
*) Die .Stelle ist t>ereiu> ut>en S. U)U T- erwAhnt Ganz ähnlich hei&t e
In des Uundisaalinus Srlirin ä* nm'mn lA. Loeweiithal. x. aO. S. 128);
Sic meo» hunianu , cum per »uperiurem favieni uirtutis solis iiitelligentia« ad
conlemplandum ileiim mnuerlitur, ex illa parie illiiminiitur e( sihi dam ai-
detur, quia se aut deuin nulta pliantasia interueJante, sed reuelat.i farie con-
tiwiiir. Cuui uero per inferioren! uirtutem. scilicet scientiam , ad haec sen-
sibilia inlellii;ea<lM et di^ponenila se deprimit. ex ea lenebrei^it et se non
utdet, quia »ibi et alüs terrenis et aeterots shiiul intendere non ualel. Such
nither aber steht UDH^rer Stelle die Ausführung Algazel's Otitr die »zwei
Antlilie" ; vgl. Algazer^ Liber philosophiae (richtiger phy^icae: in ro<l.
Paris, bibl. nut laL 65Sa Melaphysiea genannt) et!. Petrus Liechlensleyn,
Venedig lAOtl, Trnctatus 4 cap. V: .Anima uero humana habet dujis fa*
cies. unum ad parletn ^uperiorem, t\u»e est ua&lita:: superior, eo quod ab
illa acquirit scientjas , net* habet anima uirtutem speculatjuain, niät re>
spectD illius parlis, cuiu» debiturii erat, ut semper reciperei. et aljain farieni
ad partem inreriorem. scilicet ad regendum corpuü.' Der Gedanke ist an
beiden Stellen genau dersetlte, stellenweise finden sich auch die Ausdrücke
wioler.
III. Der philos. f«edankengang und die philoe. Stfllang der Schrift. 137
halM?nen und Immateriellen gericlitol, das andere nach unten,
pach der Körperwelt, item Reii'he des Sensiblen. Und will man
diese Auffaissuiig nicht billigen, so niiiLt iiiiin weni^ifstens anneli-
mcn , dflU dif Seel*.* zwar nur oin AiitliU habe» dieses aber be-
liebig nacii einer von beiden Richtungen bewegen könne ').
Natürlich wendet sie sich vor allem dem Höheren zu . und je
mehr .sie sicli mich demselben hinlenkt , zu um so g;rritjeri'r Er-
leiicblung und Vollkommenheit ^'chuigl sit*. Die Hinwendung
an das Geistige aber, deren Folge die V'ervollkommmmg ist, Ist
zugleich eine Abwendung umi Loslösung vom Körjierlidien.
Je mehr also dir Seele sich von Iftzlerem abwendet . n[u so
vollkommener wii-d nur, sie kaiui also vom Körper nicfil uhiirm-
gig sein. (I*.>,'i - 2^.)
Letzteres lüüt sieh aueh noch auf andere Weise darlhun.
Sehr heDigf Sitiniswaln'in^li(MUMgen greifen das Sinnesorgan an
und liindeni es zeitweise in seiner Thruigkeil -}. Reim hdellekl
hingegen ist es gerade umgekehrt. Ueim hat derselbe seine
Thaligkt.'it auf ein in hohem Grade intclligibles Objekt ;;elenk!,
so ist er dadurch nicht unfalliger zum Denken geworden , son-
dern im Gegenteil zeigt sich seine Denkfähigkeit gehoben und
gesläikl. Was aber die Thfitigki-it naturgem;"li.i li^rdeH , das
kann erst recht der Wesenheit desselben keinen Abhrn'li Ihiin.
') Hiermil wird die Ansicht Aveneebrori* iingerohrt, die Föns uitae
lU, 37 p. U'^ifi~Ui enlwickell ist. An eine Be/iehuu^ zu Avicenna. auf die
Baumgartner S. 22 Anm. 9 hinweist, ist wolil nidit zu denken, <lit dort
sich nur der Ausdruck „zwei AntliLze" flndel; aber in gnnz .mderein Sinne,
nftnilicb von der , praktischen und der intelligibjen SeelenthAtigkeit" (vgl.
Haneberg: Zur Erkennlnislebrc des Ibn Sina -= Abhdig. d. pliltos. philul.
Kl. a. K. bR>T. Akad. d. W. Bd. XI, München IW», S. Il»li f.). Obrigeus 1ml
Bauingartner nic^it gesehen, dafi hier eine (iegenfiheislL-lIung v<m zwei
Ansichten slattUndet. Si-buld hieran ist der verderbte Text Wilhelm' s,
der hier statt aut eadem est uirtus bietet: et eailem e»t uirlus. S. ob. S. &ti
Aoni. 18.
*) Z. B wird da« Äuge durch Blicken in die Sonne lilr einige Zeil ge-
blendet; ist unser Ohr kürzere Zeit einem überaus heftigen (ierilusch aus-
gesetzt, mi hören wir einige Zeit hinduixh nachher scbleclit u. s. w. Die
Anschauung geht auf Aristoteles zurQck; vgl. Arlst. de anima III 4, p.
i'2a a 29 und Brentano: Die Psychologie des Aristoteles. Mainz 1867,
S. 126 f.
138 GundissaliauR Ue immorUltUte «nima«.
Dalier kmin das Wiseii drs Iiilrllokts durch npscImftijfunK '"Ü
abstrakten . inlelligibleii iiiul iinmalmelit'n Obj^'klt^n nicht ge-
schrnli^t , sondürn niiiU trn LicKentoil K<?f'"'i'*if'i't werden. Die
TtviitiiJiijf vom Körper /et}^t sich aUo wiedermu mit <iei' Vollon-
dmm cJeü VerriiM^etis verbiiiulfii. (19,25 -:JO,:*l.)
Wir koirinieii zu einem neuen Beweis für die gleiche Be-
haiiptnn^'. Der Inlollekt liat ki*in Werkxeuy ini Körper für seine
ei(fenllirlK'TI);ili^<keit. Allerdings ist seine ThäliKl^eit hinsirtitlichder
Sinncjidinge abhäiijfitf von der unpeslörlen FunktiiHi der uiilUeren
Zelle ') des Geliirns. Die SiniieseindrOcke nämlicli werden ans
den Sinnesorganen von der inmtfinaliua . der Phantasie, aiifge-
ruminien; von dort wajidern sie als (fai-nitj/iarn in die mittlere
llirnzelle, wo sie der Intellekt wie in einem Buche abliest Ist
also (he mittlere Zelle oikraiikt oder zerstört — ■ wie dies bei
den (ieisteskninkeii tlci- Kall — , so vcrniaj; das Denkvermögen
die Abbilder der SintiesoJjjekte nidd mehr zu erkennen •). Nirhl
aber ist ihr aiieh die Trdjigkeit benonniien , in ihrem eilleren
Buche zu lesen, d. h. d;is Intelligible zu erkennen. Ihre Ver-
bindung mit der hix priniu bleibt, wenigstens zeilweise, beste-
hen. 1-teweis liici-iTir ist ilie TlmLselie , dati die (leisteskranken
>) Eine ntiiilir-|i{> AutTossuii); von der Rod«>utun(r der mittleren iiehiru*
£elle aufh sonst. Am mei^tten älimmen zu GuuiltüsaliDUs Adelard von
Balh (yuaesliunes iiiiluralea c. 16) uii I Wilhelm von CoDclies (vgl.
ileüäen PEiilusupliiu tJiuiiJi IV. v. 22, bei l^i^ne, I^ulrut. laL T. '.*0. col. 1174
(■'— D und T. !7'2, i-ol. !tr)B; l'hilosophia secunda t>ei Haurtau, Singulariles
liistürupics et lilLüraii-cs. l'aris IHGl, |i. IH| r. ; (!ouuneuL in Tim. bei Bauro-
gartiier, Pliilos. iles Alanus S. !M Aniii. 4). Ähnliches Hndet sich bei Cod-
slantinus Africnnuij (Pantechni, Theorica IV e. 10 in: Of>era omnia
Ysaan, Luydunj IfilO, T. U Tot. 17'; Dp otiliuion«, ebd. ful. ■JffJ"), Cosla
Ijeu Lucu (de diH'erenlia (Spiritus et aniaia«, <-. -2, in: Biltliolheca Ptuloso-
phorutn metljue aetalis, hn^. v. Uarach, II. Innsbruck iSlti , S. 126 f.).
VgL auch Wilhelm von St. Thierry: De natura coriioris et nnimao I. f,
Migne T. län, cot. 102 A; Johanues vuri Salisbury: Melalutf. IV 17.
Migiie T. \i>\\ cul. f>2t) B; Alauus vun Lille: Ue planotu naturue, Higne
T. 210, col. 414 C, und ^L-hou Neiiiesiu^ von Emesa, .^eyi q-u'-aton ^dujch
Alfanua im XI. und durch Burguiidio ijii XU. Jb. ios L4atcinische über-
setzt), c. 12.
*) So allgemein in der mitleiallerlirliea Philosophie; vjjl. /. B. Tho-
mas Aquin, üuiiinia Lheul. 1 ij. 7-'* u. ^ ad A; q. ti\ u. 7 e.
1
tu. I>er philüs. Gedankengaag und die philoä. Slellan^c der ScbrifL l2i>
zwar ihre sinnlidie Umgebung nicht wahrnehmen . oft al)or Of-
fenbarungen und Propbczeiliuiigen kundjreben '), Wenn also
sogar die Zerstörung des edelsten Orpane.s des Körpers, mit
dem doch der bitetlokt imnierhin in einiper Bezlehmip stt-hl. die
eiligen tlif he' Thätitrkeit des letzteren in keiner Weise hindert, son-
dern eher fördert , so kann der Tod des iri»nzen Körjiers anl
die Wesenheit der Seele t;ar keinen Einfliiti aiisütien. {50,^0
-23,15.)
Ein weiteres Ai-guineut bildet der aristotelischti (jt'danke,
daß alles, wonach ein andres st-ineni Wesen na(th strebt, diesem
selbst wesentlich ist. Da also die menschliche Seele von Natur
ein Verlangen nach einem Ort oder Znstand hat, an welchem
Vcrjrönjflic'hkeit und Tod nicht zu finden sind , sn müssen jene
zwei Dispositionen der Unvergänfflichkeil und Unsterblichkeit üir
selbst eifrentüinlirrh sein -). Im Gep:ensalz hien^u müssen alle
Wesen , die nach einem Ziele streben , das der Verjrünglichkeil
unterworfen ist, selbst vei*^'ün^diih sein. (2:2.10—23,14.)
(«ebOrt nun nicht aueli die nicnschliclie Seele zu letzteren,
da sie sieb ja nach dem K«5ri>er hin bewegt? Wer so frugt,
bea(ditet nicht, daü Bewegen und lii'wegen niclil immer d;Ls-
selbe ist. Denn die uiensctiliche Seele lenkt sich dem Körper
zu , um diesen zu vollenden . nicht aber . um selbst Vnliendung
zu fmden ; werm auch zu^^egeben wenlen soll, daß sie sich sozu-
sagen eine Art von sekundfirer Vollkommeidieit erwirbt, insofern
sich ja ihr (iesiclibikreis dm-cb die KViinhiis :uii'li der Sinnesobjekte
erweitert — wenn auch nach onten zu. (d3,l5~äi.7.)
Die nun folgende Ausführung ist deshalb besonders in-
teressant, weil sie im ersten Augenblick in gewisser Beziehung
eine Einschränkung zu früher Gt>sagtein zu bringen sctieint. Sie
') VkI. S. II;-).
'I Zu besserer Veiauschdulichuui; greifl DominiciK» zu einem Bei-
8|iiel. Das Feuer, safgl er, wilre in seinem nntdrlii-hcn Ort, d. i in der Wöl-
bung de-H Mondliliiirtiels , dann unzerstörbar, wenn UnzentlOrbarkeit zu den
nalürlictieo Heüia^uugen jene-? Ortcö ^ehQrte. Allerdin^ ist rieni ja in Wutir-
helt nicht »o . da nllcs, was unter dem Mondhirumel liegt, der ZerstOrtmK
prcisgegchcn ist — Obrigen» ist der Gedanke (ni'^bt da.^ (iild) der Kosmu-
lo|Eie urisluteliscli; vgl. Arist. de caelo I 2, p. :J<>8 b 14 ft
B«itrft«o II. U BQlow, Onndissaliuns. 9
m
Giindissalinus Xie iinmoHaliUte animae.
stdizX sicli auf den echt neuplalonischen Gedanken t). daü die
Natur eines jtnlen Wesens tlurch seine Stellung 'm der Reihe
der Wesen bedin>rt sei, indein es sowohl an der Natur des
Qliop ihm wie des tinter ihm Kelindliehen toilhal. Jr-des Ver-
mö(ren, das vriUig von» Kftrper getrennt und unal)hän^ig ist, ist
unsterblich und unzerstörbar durch den Tod des Körpers; und
im Gegensatz dazu ist jede^ Vermögen, das völlig mit dem Körper
verbunden und von ihm abhilngrig ist , sterblich und geht 7m~
gleirji mit dem Körper zu Grunde. Beispiele der ersleren Art
shid die Enyel (angi*Ii sancti) ; solche der letzteren smd
die animalische und die vegetative Seele. Zwischen beiden
steht <iir^ mtnscJiliche Seele. Diese ist in ihrem edlen Teil völlig
uniiblifini^i^' vom Körper, in ihrem zweiten Teile jedoch , wel-
cher drr Tierseele (aninia animalis) entspricht '), hängt sie
vom Körper ab. Die Ki-üfle des letzteren Teiles, z. B. die Wahr-
nehmunifsiTihigkeil der Objekte des Gesichtes, Gehörs und der
übrigen Simie, sind vci^änglich; der edlere Teil jedoch, das
eigcntliclic Denkvermögen , ist unsterblich ='). FYeüich darf man
jenes .Vergeben** nicht so auflassen, als ob nun die Seele wirk-
licli eines Teiles ihrer selbst beraubt wurde ; sie bleibt vielmehr
ein (»aiizes. Selbst hinsichtlich derjenigen Fälligkeilen , welche
die menschliche Seele (anima humana) mit der Tierseele (anima
animalis) teilt , unterscheidet sie sich von der letzteren. Denn
bei den sensitiven Erkenntniskrälten hal)en wir zu unterscheiden:
erstens die Fähigkeit des Sinnes, von äuUer<.'n Objekten alliciert
zu wenlen, zweitens das Urteil, welches in der sinnhchen Wahr-
nehmung enthalten ist *). Das erste dieser Elemente hängt vom
^) Mao denke an Proklas, Pseudo-Oiooysius Areopagita, den
liher äe eawtiSf die Lauteren BrQder und AvRncebrol
»1 s. ob. S. 114 und 117 f.
■) Vgl. Gunilissaliuus de anima p. 120. 130 Loewenlbal. S. oben
S. 101. IIH f- Hr> IT. 127 ff.
<) Man beachte , wie biet in den Wahrnelimungsprozofi selbst bereite
«in Urleil bineinrerlegt wird (^,14 : uirtus iudicaodi ; 2G,2: ra<lices iadl*
in. Derartigem wird auth sonst in iler arabischen Philosophie hervor*
t)«n, i- H. bei .Mhaten (vgl. Hiebeck, Archiv f. Ges<:h. d. Philos. 11,
S. 417 r.|. Den Ausgangspunkt bildet« wohl die Lehre des Aristo*
^ vom iimeru Sinne als einer die Objekte der rcrschiedeneo Au&ensinne
lll. Der philos. G«dnnl[engang und 'He pliilos. Slelluntt der !^ctl^it'l. l3t
Körper, das zweite von der Seele ab, aus deren Wesen es
tlielät. Beim Tier nun vergeht mit dem Körper auch die Seele
ihrem Wesen nach; es hfingt daher i)ei ihm indirekt aucli das
zwtMlo jVnor K!<'iijente, iViv Fähigkeit des simdichen Urteils, vom
K6rper ab und wird, wie das erste, dureh diin Tod zei*str»rt.
Anders bei der menschlichen Seele, die Ihrem Wesen nach
nicht, wie die Tiersecle, vom Körper ahhängtg ist. Bei ihi*
hängt daher /.war die Fähigkeit des Organs, von alliieren Ob-
jektun Affektionen xu erleiden, vom Körper ab; nicht aber auch
das Vermögen des sinnlichen Urteils. Die seelUche Substanz
nämlich, aus welcher dieses Vermögen (lielät, ist beim Menschen
eine dem Körper gegenüber selbstüiulige. Sie gerAt auch nicht
etwa deshalb ihrem Sein nach in Abhängigkeit vom Köipcr,
weil aus ihr Kräfte flieüen, die zu ihrer Belhätigung des Köi-pers
bedüri'en. Denn diese Kräfte nind nicht primärer, sondern se-
kundärer ^atur, hängen also von den primären ab, nicht um-
gekehrt. Das Stärkere in der McnschrnseeU- teilt dem Schwä-
cheren von seiner Kraft mit. und niclit zieht das letztere das
erstere zu seiner Schwäche herab. Das Niedere folgt dem Hö-
heren , wie die Strahlen dem hirjit, die Wirkung der Ursache.
Hiermit ist die Zahi der Beweise erschöpft , die sich aus
den der Seele eigentümlichen Slrcbungen und aus ihrer
Stellung in der Stufenreihe der Wt'sen ergeben.
hn folgemlen will unser Autor nachweisen, dati die Seele
deshalb unzerstörbar sei, weil keine der verschiedenen Ar-
ten der Zerstörung ihr etwas anhaben könne. Kr unter-
scheidet vier Arten der Zerstörung. Die Zerstörung eines Seien-
den kann nämlich herbeigeführt werden
i) durch Trennung der Form von der Materie, und zwar
a) wenn die Form für sich allein bestehen bleibt (wo
dann nur das Ganze als Ganzes vergeht),
b) wenn auch die Form vergeht (corruptio im eigent-
lichen Sinne) ;
zusammenrassenden und heurteilenden Kraft (vgl. Baeu mker, des Aristo-
teles Lctirc vüii ileu äuüeni und inDerii SJunesTemiÖgeo , L>eipzig 1877,
S. Gti ff.).
9 •
132
GundisKalinus De immorlalitate animae.
2) durcii Trennung der integriereiKlen Teile;
3) durch Zerstörung dos tragenden Subjektes ');
4-) durch Aufhören f i er bewirkenden Ursache, (26,20—
27.13.)
Mit diesen vier Arten sin(J die nir>Kli(;hen Weisen der Zer-
störung erschöpft. Un/.ulässig ist die Annahme einer fünften
Art» die man ein «Ilinscliwlnden* nennen will, z. B. beim Grei-
senalter oder bei dur Fäuhiis, Denn diese letzlrn beiden Ffdle
gehören unter den Hereich der »Tsten Art. Das Greiscnalter
führt zum Tode , d. i. zur Trennung von Materie und Fornit
wobei letztere bestehen bleibt , und Ffiulnis ist Trennung von
Form und Materie mit gleichzeitiger Zerstöning der ersteren.
Gebt nicht ;U>er luanches durch ein Schwinden o(Ut, eine Schwä-
che der eigenen Wesenheit zu Grunde? Dieser Einwand wird
von Dominicus durch die sich auch bei Augustinus lindende
Lehre -) , dati alles Kreatfirliche aus sich allein incbL die Kraft
des Forlbestehens habe, widerlegt. Es wfirdit also nichts Ge-
schaffenes bestehen können , wenn nicht fortwfdirencJ die Ein-
strömungen der ersten Ursache auf dasselbe eniwirkten "). Wenn
aäso jene Schwache der WesenJioit alJein ein Ding vernichten
könnte, so würde alles, was geschaffen ist, durch dicselbi.' zer-
stört werden müssen. Es würde nichts geben, was Bestand
hat. Dies ist aber doch nicht der Fall. Daher muü zu jener
„ninirdligkeit", damit sie diTi iriiltTgaii;^ hcrbeiffdirl , noch eine
der vier Arten der Zerstörung hinzukommen. Da es also nur
dies<? vier giebl , so wAre die Unzerslörbarkeit ^ und damit die
Unsterblichkeit der menscldiftieti Seele erwiesen, wenn dargt^
ttmn werden könnte, duU dieselbe keiner jener vier Arten un-
terliege. (27,14 -i>S,i:i.)
Der erste Weg der Zerstörung , der sich durch Trennung
der Form von der Materie vollzieht , ündet auf die menschliche
') Das dritte QU«d : „üüI desU-uimr deatrucla auslinentis cssentia" Ul
in allen unseren Ha ndsch rillen ausgefalJen, muß aber aus Willieltn ergAnzt
werden, wie auch die Aufzahlung der vier Arten p. 27,17 IT. und p. 32,26 ff.
beweiitt.
') Vgl. Augustinus: De Reneal ad liUeraro lib. IV. cap. 12.
') Vgl. auch ob. S. 33,ü ff. und uuLeu S. 137. 13.» f.
ni. D«r philos. Gedankengang und die philos. Stellung der Schrifl. 13.^
Seele koiiie Anwendung, da dieselbe ja — wie Gundissalinus
im bewutileii Oepcnsab. zu Avencebrol ausfülirl ') — nicht
aus Materie und Form zusammengesetzt, sondern oinn inima-
lerielle Substanz und reiiie Fonn ist. Damit ist auch zugleich
bewiesen — was unser AuJor allerding^s nur nelienbci crw.lhnt^)
— dafi sie nicht durch die Entziehung des tragenden Subjelites
zerstört werden kann , da sie ja als reine Form selbst keinen
Trilger hat.
Ninmit man aber auch an — wie dies Avencebrol thut — ,
daÜ die Seele aus Materie und Form bestelle, so ist dennoch die
letztere unzerstörbar, Dt*nn die Fonn des Denkvemiöjfons hat keinen
Gegensatz (eontrariuni), durch den sie zerstört werden kömite. Gäbe
es nämlich t-in solclies (jegrusätzlicties lür <lrn hitt'llekt, so könnte
er dieses nicJit erkennen. Detui das Erkennen vollzieht sich
diu-ch Autnahm«' der Fonn des Erkannten ; keine Form kann
aber die ihr entgei?en?esetzte in sich aufnehmen , wie z. B. das
Weiße nicht die Form des Schwarzen. GAlje es also ein Ge-
gensätzliches für den Intellekt, so würde er tlasselb** nicht er-
kennen können. Mithin würde die Seele etwas nicht erkennen
können, was mit ihr auf derselbfri Stufe der Wesenheiten steht.
Nun mulä sie aber alles erkennen, was auf dereelbcn Stufe stellt
wie sie, da sie ja das Höhere erkennt. Und zu welchen Unge-
reimtheiten würde die Annahme eines solchen GegensAtzlictien
führen ! Du' Seele si'Ibsl nimmt an , daü es ein solches Gegen-
sStzliclic'S giebt ; sie muü es also in gewisser Weise erkennen ;
und doch ist» wie eben gezeigt wurde, ein solches Gegensätzli-
ches für die Seele imerkennbar. Also erkennbar und unerkenn-
bar wäre es zu gleicher Zeil. Mithin giebt es kein Gegensätz-
liches für die Seele '); die Armuhnio desselben ist niclilä ab
eine Thorhoil *). (28,14—29,10.)
') DicM interessante Stelle dienle uns schon oben in der Frage niicli
dem Ursprung der Schrin als eino« iler enUcheidenden Argumente. S. oben
S. 103.
') p. 27.1 K.
^) Die Eiifentfchaft der Seele, iiiimateriell zu sein, hat zwar den Ge-
gensatz ilcs ,Halcriellen", aber die ScetcnsiibslaDZ selbst hat — wie ülier-
hHUpt jede Form — keinen Gegensatz.
*) Vgl. p. 29,8 pttsilio liaec deliratio est.
m
fluDdiesalinus l>e intmortaliUte antnme.
Ebenso also^ wie keine der sichtbaren Formen zum üe-
sicblssiiui im Cpgensiitz steht, kann auch keine der inli^lligiblen
Kormon, H. i. *'ben der Objekt*?, auf wclclie sich die Thäligkoit
des lotelSekLs ri(,'hteL, ein Gegens;'itz!iühes desselben sein, mithin
ancli seine Fonn nicht zerstören. Der Intellekt ist also durch
eine immateriell*' oder spirituelle Korruption nicht zerstörbar ') ;
mithin erst recht nicht durch krn*|ic;rlirho Zerstfinmg. Er steht
ja zu den intelligibelen Formen in demselben Verhältnis, wie
die Unnaterie, die Hyle, zu den sichtbaren Formen. Wenn
also die Hyle , die Träj^erin aller körperlichen Formen . docli
selbst, wie allgemein /.ugeslanden, der knijjcrlicIienZtTstörimn: nicht
unlerworlen ist -), so kann dit* letzl**ri' ei-st recht den Intellekt,
der doch viel hßher steht als die Hyle, nicht erreichen.
An dieser Stelle schiebt Gundissalinus eine Zwisctienbe-
merkun^' ein ■•). Wenn der InliOlrki sich liinsirlilHcii d*:'r Fähig-
keit. alle geistigen und köipcrlichen Kurnien aulzunehnien , ver-
hält, wie die erstt- Materie liinsichllich der körperlichen Formen,
so ist er , scheint es , in sich selbst nicht erkennbar *). Unser
Autor erwidert — wenn das vielleicht auch nicht sein letztes
Wort in der Sache ist — , daß er in der That dius lur richtig
halte; wie der Gesichtssinn selbst invisibel, so ist der Intellekt
inintellipihel. (29,1 1—30,3.)
Kurz vorher ist die ünzerstörbarkeit des Intellekts durch
die intelligiblea Fornjen dadurch nachgewiesen woi*den, dali er-
') Eine «olchfi toimpiio Hpirilmtli^ Iräle eben dann ein, wt-tiii eine
intellltfible Purin pin <ieKeiileil des Intellekts wftre.
•) Zerstört wird nur das einielne, aus Form und Miilerie zuäainmeti-
geseUle Diü^' : die lerste) Mnterie seihst iai, nueJi Aristoteles, wie uiienl-
»tanden. so iinverirAnttlich Vgl. Hapumker, Ihis- Prülderu der Maleiie in
der griccliisihen riiilosnphie. Münf'ei- Ih'yu, S. 2til. 2Ö5 11,
») p. *2fl,22— 30.3.
*) D€nn alles Erkennen gescliiehl ja. nach der aristotelischen Lehre,
durch die Form. I>a& die Aliilerie in sich unerkennhnr üei, lehrt .\riätu-
leles ansdrOcklich (metaph. VII Ul. p. liWi a H; vgl. 1035 a 8— 9; pliys.
III 6. p. mn a 2»— 2<J). Schon Plato hatte den Denkproceß , dun-li welchen
wir zu ihrer Erkenntnis gelangen, tils einen ^«»>io/^o» r<i9oi hezeichnel (Tim.
52 Bj. Vgl. Baeumker a. a. O. S. 137 IT. 23h. — Das inmttUigibiiiH p. 2!>Ä)
l>eruht zwar iiiil Konjektur: diesellte wird aber durch den Zusammenhang
unbedingt gefordert.
m. Der philos. Gedankeii^ng unr) die philo«*. Stellung iler Schrift I,*t5
slerer «ille die lelzleren erkennt. Hierdurch kannte man /.u
einem falschen Analo^Mi'sohluti verleitet werden. Man konnte fol-
gern, daß obiger Thal.<ache analog auch das Sohvr-nnögen durch
die visiblen Formen, die es ja doch auch alle erkennt, nicht
zerstört werden könne. Diesem widerstrHti-t alier die Erlahnmg,
daä die Sehkrall <lnnli lieflifje Einwirkungen ofl Einbuße er-
leidet, ja bisweilen j.';"inzlich verniclitet wird. Wie ist nun dieser
scheinbare Widerspruch zu lösen -^ ^ehr einfach. Das Sehver-
mögen steht in einem bestimmten VVrhrdtnis zu seinem Werk-
zeug, d. i. zu dem körperlichen Organ *) des Gesichtssinnes; es
ist von demselben abfiAn^tg. Nun ist aber letzteres nur einer
bestimmten Spannung' lAhiK und wird durch allzu heRi^fe Ein-
wirkungen zerstört, und mit ihm das von ihm atdiänglge Seh-
vermögen. Beim Intellekt ist es gerade umgekehrt : derselbe
wird durch das in hohem Grade Inlelli^'ible trehoben und ge-
krädigt . da er ja kein Instrument im Körper hat -). Die Ein-
wirkung der intelligibU'ii Form ■') auf den hitellekt besteht darin,
daÜ sie denselben reizt und zwingt, sich ihr anzuähnlichen und
sie in sich nachzubilden, .le mehr aber etwas intrlli^ribel ist imd
je mehr es auf den Intellekt einwirkt, um so mehr erhöht *'s
seine Kraft *). Da nun dit* höclusten Fonnen ihn nicht verletzen
können, so Ihuu dies um so weniger die moderen, deren Eui-
wirkutig eine schwächere ist. Der Irdellekt kann also durch
keine Einwirkimg eine V(*rlelzimg erlahr<'n. Auch nicht so,
dali er etwa infolge der Einwirkung eines Nicht-IntelUgihelen
auf sein Organ verletzt wörde; denn einmal hat er kein Organ,
und zweitens entbehrt das Nicht-Intelligibele der Form, aus der
allein die Thfltigkeit hervorgeht ^). (^0,4— :il,10.}
Damit nim wäre jetzt unter der Voraussetzung, daÜ der
Intellekt selbst reine Form ist, nachgewiesen, daü er der ersten
Art der Zerslönmg nicht unterliegt. Nun köimle man aber
*) 8. auch V. 25.10fr. lind oh.S. 137. 131. ßaum^artner S,.'t1) Anm. *i.
•1 Vgl. Aristoteles de an. III t. j» i-2\i » 2!» -b 5.
*) Sie enLwickeU steh aus dea fartdofiata. Die Anschiiiiuii)f i^t iiH-
stnlelisch-andiisches Ueineiogul.
*) und damit auch »eine Wesenheit, wie oben S. 127 ausgefnhrl.
^) Ein peripaletiscber Gemeinplalz.
13«i
Gandissalinu» D« immorUiliLate aniinae.
sagen : der Intellekt selbst ist ja gar keine Form ') ; er kann
daher auch selbst nieht Ihälig sein , wie eben atigenominen
wurde, als es hielj, daü seine Krad durch Objekte von stärkerer
Intclligibiiitüt gesteiprerl werde -}. Hiergegen ist folgendes zu
erwidern: Der Intellekt ist an sich selbst» in seinem Sein und
seiner Art, Form. Wie aber die Glasflüssigkeil des Auges und
der „spirifuji ut-tibida'' ^) in sich etwas (loformtes sind und sich
doch zu (lern Lietitu und den Farben als Malerie verlialton, so
kann ainh dr-r Intellekt, obwohl an sich Form, doch zu den
inlt'lliKilH'len Formen, die ihm als äuläere Objekte entgegentreten,
sich ;ds Materie verhalten. Und was die Behauptung anlangt,
der Intellekt könne, weil formlos, auch nicht thätig sein, so ist
zu entgegnen, data die Thätigkeit des Intellektes nicht aus sei-
nem Wesi'U hervorgeht, das ja allerdings, wie zugestanden
wurde, als Mutorie sich verhält, sorultrii daü sie dann erfolgt,
wenn der Intellekt eine der inlelligibelen Formen in sich auf-
genommen hat *). Es verhält sich damit wie mit dem Künstler,
der im Wachs erst dann das Gepräge herstellen kann, wenn er
den Stempel als vermittelnde Form anwenden kann ^) (31,11 — äO.)
') Man vergleiche damil auch den ICtnwanJ (Jes Schülers bei Aven-
celrrol, Kons vitae V HS, p, 'iÖfitlK ff. IJaeutnker: Vidi supientes in hoc
conuenire, quu«! intelli^entiM non habet roniiam, (juaesil ei prn[>ria. Et r«d*
ditleruat raliuneiii . dicentes, quod, si inlelÜKentia haiwrel lormam [iropriain,
prohiheret ipsa runiiu upprehenäJunmii (niuiiuiii aliiiiuiii fortniiruin jiraeter
86. Die Antwort, ivek-he Avencebrol hierauf giehl , ist freilich eine an-
dere, iils die an unserer Stelle iceboteae : ilic liilclligeoz habe keine piirtl-
kulÄrc, sondern eine universelle Form.
•) p. 31,3.
*) Man kennt diese besonders durch Galen gepllegle Lehre von den
Spiritus animales, die, .mf die aris tote tische und stoische Lehre vom
.ryfpfin als dem VerniitMer ilcr Sensationen ^ettützt , nodi bei Doücartes
eine große Rolle spielL Ein näheres Eingehen auf dieselbe dClrfte sieh er-
ilhrigen.
*) p, 31,18 9ed per forrnam. cum iltam fuerit uenatus. Ohwoh) hier
(und V. 19) sowohl die bens^i-c HandschriHenklasse , wie Wilhelm Qberein*
stimmend die Lesart nut bieten, sn erfordert doch der Zusammenhang unbe-
dingt den tiegeosülz. welcher durch das ard der schlechteren Hanilschriften-
ktasse ausgedrückt wird.
") Freilich liegt hier insofern ein Unterschied vtir. »U im letzteren
Falle die UaterJe — das Wachs — unil der Kilastler getrennte Substanzen
wahrend der Intellekt in sich selbst die Gedanken ausprägt
III. Der philos. Gedank entlang und die plülos. Stellung der Schrift. 137
Warum aber ist der fiiteltekt nicht Kerstörliar cliurli Tren-
nung (Irr inte^t'rendL'ti bcHtfindU-ilo? ^)
Wenn dies der Fall wäre , so nifiUk* 4ler hilellukl teilbar
und aus niehreren Teilen zuaitnniengeselzt sein. Wie einem
jeden aber die eigne innere Erfahrung zeigt, liören wir zwar die
gesprochenen Worte allniAlillrh in lortlaufender Heilie. der
eigpntliche DenkakI abi^r vollzielit sich plöl/heh auf einmal *).
Daher kann das Denkvenitögen nur ein unteiltiares und niilil
aus Teilen bestehendes Ganzes sein. Dasselbe laut sieb auch
noch durch folgende Krwägung nachweisen. Das Denken be-
steht, wie oben-') gezeigt, in einer Amllinlichutig des Intellektes
iui die intelligible Form, tl. i. h\m) in einer ^Umwaridlnii^^" (im-
mut(tfio) des Intellekts. Diese könnte sich nun niclil plölzlicli
vollziehen, wenn der Intellekt teilbar und zusammengesetzt wäre.
Denn ein Zusammengesetztes; kann sich nicht plötzlich umwan-
deln. Mithill muU der hitellekt ein unteilbaies Ganzes sein; er
kann also auch nicht durch Tretuiung der wesentlichen Teile
zu Grunde gehen. (31,31 -32,2^.)
Nunmehr ist nur noch nachzuweisen , daß die Seefe auch
nicht dureh die Ejitziehung der wirkenden Ursache veniichlet
wei'den kann.
Die erste Ursache hat i\vr von der Natur disponierten
d. h. lebensfiihig genmchten Materie Leben HirigelliUil ; sie läljt
auch in di'ii disponierten Samen (resp. Embryo) die menschliche
Seele öbei-gehen. Fortwährend gehen Eiiiströn*ungen von der
ersten Ursache aus auf die Naturobjekte und überhaupt auf
alles Geschaffene. Nun steht al>er die Seele hoher als die
Natur '); mithin ist sie der ersten Ursache näher als jene, und
') S. ob. ». 132.
') Der Autor will hier sagen, daß man zwar in einem SaU die Worle
nach einamter spricht und liOrt; daß aber der synthetische Akt, welcher die
VurstcilungSTorbindiing erst zum Urteil nianht, jil^tzlich ciutrill.
« S. l.'fö.
^1 Plotiniäch, dann Gemeinplatz bei griechischen und arabischen
Neuplatonikem. Vgl. Plotin 111 8,3: ^ Xryoftiy^ ^>aa yv^i) avoa yhvif-
fut%f'*'xV'^ fi'fJtooi /h'ritia'neQor C*''*otiC- S. auch Zeller: Die Philosophie der
Griechen " Ul, 2. S. 54 f.
1.1«
OimdiMalJous De immurulitate animae.
also sind auch die Ausströmungen von obenher auf sie größer
und wirksamer als auf jene. Hören sie aber schon nicht auf,
sich auf jene hin zu ergielien . so müssen sie erst recht der
Seele fortwäiireiid zuströmen; ihre Ursache also, die ihr Leben
spendet, kann ihr nie entzogen werden.
Die animalische Seele , auf die ja auch die Einslr/imungen
übergehen, stirbt trotzdem deshalb, weil der Körper, von dem
sie abhängig ist, vom Totie erfaül wird.
Somit ist jetzt nachgewiesen, djiß keine der Arten der
Zerstörung') auf die menschliche Seele GinftuU ausübt;
sie ist also unzerstörbar und somit unsterblich. (I^i^fäl- — 1^4,12.)
Die FiaupLaufgabe unseres Traktates scheint nunmehr erfüllt.
Ehe jedoch der Autor zum Schluß eilt, lührt er noch einige Ar-
gumente auf, die nicht viel Neues bringen, sondern die vornehm-
lich nur gewisse Seitenpfade oder Modifikationen der bespro-
rhenen Gedankeiireihen berücksichtigen.
Wenn ein Sinn eine Wahrnehmung vollzieht , geht in ihm
eine physische Veränderung vor sich. Das ta.slende Organ wird
wann beim Wassen waritter Objekte, die Flüssigkeit im Auge wird
eijeuchtel ^). Ganz umgekehrt verhüll sich der Intellekt. Nimmt
er sensibile Objekte wahr, so nimmt er keine von rlen Qualitäten
in sich auf. Er kann nichts von ihnen erleiden. (34-, 1 3— 35,2.)
J<' mehr ferner und jt* Schwierigeres und Höheres der In-
Lellekt erfaüt, um so fähiger und geübter wii-d er, im Ctegensatz
zum Sinne , in der Ausübung seiner Tbätigkeil. Seine Thälig-
keit, das Denken, ist also eine unbegrenzte. Jedes Vermögen
aber, das eine unbegrenzte, unendliche Thätigkeit besitzt, muü
auch zeitlich unbegrenzt, d. i. ewig sein. Denn wenn eine un-
beschränkte Thätigkeit zeitlich begrenzt wäre, so wäre sie nicht
mehr unbeschränkt. Ist aber die Thätigkeit ewig, so mxiü erst
recht das Vermögen, von dem ja jene ausgeht, ewig sein. Nun
ist aber die Thätigkeit des Intellekts unbegrenzt ^) ; mithin ist
derselbe ewig d. h. unsterblich. (35,3—36,2.)
>) S. oben S. 13t f.
') Vgl. Baumgartner, Williclm von Aurergne S.38. Breolaoo a-a.
0. S. 120 Anin. 4. Arist de nnima 111 4. p. 429 a 25 fT.
') Denn der lutellekt kann s. B. etwas, waa man im einzelnen nicht
durchgehen kann« dooti im Ganzen erfassen, z. B. uogebeore Zahlen.
III. Der philoa. GednnkengHng und die philo». Stellung der Schrifl. 1%
Nun hönnte cinfreworidet werden: d;is Denken des Intel-
lekts sclilei'htlnn mag unbegrenzt sein, jedenfalls aber ist der
einzelne Denkakt begrenzt.
I>as MatigelM?nde ist abiT doch d;is Denken srldechthin,
um dessenlwilleri die Seelt* gesrhafiVn worden, und diest^ ist un-
begt'enzt. Der Intellekt verhält sicli also so wie dieBewegungs-
krad des ersten Hiinmels. Denn jede einzelne BewegTing des-
s^'lben ist zeillicli liegivnzt; liie fjanzi' Beweuuntf hin^'egen un-
beKivnzt •). (:iG.ä-10.|
Nun könnte man wieder sagen, data die Thfittgkeit des In-
lellcklü doch begrenzt ist, und /.war durch «las L'rUcht (iit^r pt-iittti),
über welches jiinuu.s er nichts erkennen kann. Dies jedoch ist
ITn* unseren Zww:k olinc Helanj:. Di-nn wi-nn die Denkt hrtligkeit
dir niilürliches Endi- und Ziel, d. i. ihre Vollendtnig, in dem
(^uell de.s Lt-ben» ffon.'< uifat-j selbst hat *), so mulä sie selbst
unsterblich sein. (3(i.:20— ^4.)
Ist nun aller die Seele einmal au dieses ihr nalörlielic
Ziel gelangt, so kann sie sicli von dort nicht mehr entfernen.
Denn ein .darüber hinaus" in derselben Rrchlimg giebl es nicht
mehr; also ninlite sie sich riickwilrLs, d.h. in einer ihrer eigen-
tÜMilicheii fiif'hlung etdgetji'njresetzten nitblnng, bewet;4*n. Dies ist
aber unmr)giieh. Denn da die Natur an und für sich das Princij»
der Ruhe imd Bewegung ist ") . so niüüte dasjenige , was zwei
einander entge^^engeseizte Beweguniren hiit, auch zwei verschie-
dene Naturen besitzen, was natürlich unniöf^lich ist.
Die Seele kann sich also von ihrem natürlichen Ziel , der
Lebensrjuelle, nicht mehr fortbewegen. Zu bemerken ist noch,
dalä diese Trennung um-h nicht ^:ewaltsam vorgenommen werden
könnte, denn in jenen hellten Höben giebt es keine (icwaltUial.
DaU aber die Seele freiwillig jenen Ort ihrer Freude und Ver-
kläi'unf? verlassen sollte, ist ausgeschlossen. (37,1 — iäl.)
Man sieht, wie das alte Platonische Argument, das die
') Aufgrund iirisloteli^her An^rliHUuiii^t'ii.
") Diese Sldle, in der möglicher Weise eine Anspieluug auf. Avencebrni'»
PoDs uitae enUialLen sein könnte, ist schon oben S. ft9 f. ant^erülirl.
') Vgl. Alistot. Phys. II 1, p. I9*i b 21: ffvins äox'i "o* "^"'a """
tt$rflo9at xai ^grfirir f/1 i',Titej(fi .t^küioic xa&' a{'rö xai fti] xarä m'ftßrßrjxö^.
Mo (jUttdissRlinus De imiiiorlBiJUte animae.
UnstcrbhV'likfit der Seele aus der Verbindung derselben mit der
Idee lU'ä Lebens darthun will % hier unter dem Einflüsse der
iK'uplatoniii4*lu'n Anscliauunjr von der kausalen Verkellunt; aller
Wesen in der StHretireihc des Seins und von den» alles dureh-
Uringendeii bflebemlt-n Kinfluti der Causa prima eine neue, groß-
artige Gestalt gewonnen hat.
Wir sind am Ende unseres Traktates iuigelangL üomi-
nicus schlieLU mit einer in si-hwungvolle, fast poetische Worte
gekleideten Schilderung des innigen seelischen Zusammenlebens
der Seele und des Lebensquells.
Wie ein Vater nur für seinen heifigelieblen Sohn und in
dcrijsclbi'ii It'bt und weht, \vk- sein g^anzer Gedankenkreis, sein
Hofl'en und Fühlen sich nur auf jenen eretreckt , so wird auch
die menschliche Seele sich völlig in den Lebensquell versenken.
(37.22—38,13.)
Werfen wir zum Schluß noch einen Rückblick auf den
Inhalt der Schrift, um ihren reichen hihalt in Kürze zu über-
seliauen und so die Bedeutung dei-selbcn werten zu köimen.
Nichl , wie früher, aus äuläeren Gründen will der Ver-
fasser die Unslerblidtkeit der Seele darthun, sondern aus in-
nrren, d. lt. aus t\ev .Naiur der Swle selbst, aus der ihre Un-
sterblichkeit wie eine iialürliche Eigenschall aus dem Wesen
folgt (ä,-iO— 3,2).
Jene äußeren Gründe variieren vierfach den moralischen
Beweis aus der ausgleichenden göttlichen Gerechtigkeit.
(3,3-4..äi.)
Die inneren Gründe sind (bigende:
1) Die Seele hat eine eigene, vom Körper unabhängige
Thätigkeit; darum ist auch ihr Sein von demselben unab-
hängig (5,3—8,13).
2) Die Seele ist eine immaterielle und darum unzerstör-
bare Form (8,15 — 11,18. mit einer Digression über die Tier-
seele 9,10-10.15).
3) Die vemünllige Seele hat ein ihr natürliches und
PUto, Pha«d. 102 A — 107 B.
in. Der philos. Gedanken^n^ und die philos. Stellung der Schrift l4t
daruTii nicht eitles Verlangen nach einer ihr oigentiiiiiHcheri,
tl. Ii. vom leiblichen Leben unabhängigen, ewigen Vollendung
und.'Glficksrligkeit (1^,3—18,5).
4) (Varialiom^ri der voraufgehenden Beweise:; Der Vernunft
ist die Erhebung zum hilelligibelen natürlich (IS,7— 2!0,:ä4) ; sie
ist ohne körperliches Organ (iO,ä5 — 2ä,f fi , mit Digri'ssion über
die Bedeutung des Gehirns äO.ä*»-^!,!.'») und strebt zum Iin-
ujattTiellen {:i:ä,36— ä4,7, mit Digri-ssion über die nalüilieJie Be-
ziehung der Seele zuni Leibe i^vi,15— ä4,7).
5) Die Stellung der Seele in der Slufenreihe der
Wesen zwischen den reinen Geistern und den in die Materie
versenkten Tier- und Ptlanzenseelen spricht dafür, daU die
Krärte der Seele zum Teil sterblich, zum Teil unslerblich, die
Seele selbst also unsterblich sei ^34,S— i(»,I*)).
G] Keine der vier Arten der Zerstörung kami die
Seele treffen (ä*>,äO— 84-,l4, mit mehreren Digressionen , u. a.
über die Geltung des Beweises auch bei der Ansicht [Avence-
brol's], daß die Seele aus Materie und Form zusammengesetzt
sei 38,17 — 29,10, und über den Zusammenhang der Seele mit
der ersten Ursache 3:^,5— Hi,2).
1} Im (Jegensatz zum Sinne ist die Vemunfl ein üher-
organisches Vermögen (34.15^^5,8; Variation von früher
GJesaglem) , welches eine unendliche Krkenntnisfaliijjkejt
und darum auch unendliche Dauer hat (85,9 'M\,-Ii).
H] Die Uns(erhlichkeH der Seele ergiebt sich aus ihrer
Verbindung mil dem Quell des Lebens (37.1—38,14).
Es ist eine reiche Fülle von Argumenten, welche t!un-
dissalinus uns in wohlgeordneter, klarer Uarritellung vorführL
Mag er dit-si-lben rtur.h ganz oder zum Teil einer älteren ara-
bischen Quelle entlehnt liab<'n *), so ist er jedenfalls derje-
nige, durcli welchen jene Beweisketten in dieser F(irin dem la-
teinischen Abendlande vorgel^t wurden.
Mit dem Aristotelischen Grundgedanken -) sind in ge-
») S. 8. 105 ff.
*) Aristotelisch »«inil vor allein die Prämissen , welche die besondere
Natur des Vernuiiflcrkeuuen» i;e^uflher der Sinne»erkenntni8 und eeinea
überorganischen Charakter betonen.
m
Gundiraalinus L)p itnmortaliULe animae.
schiekter Weise neuplatonischc Anschauungen ') verbunden.
Und wenn unser Autor auch Plalo's Argumente als unzutänp-
lich /.urüt'kweisl, so isl docli dasjenige Argiituent, welches Plalo:
für das entscheidende hfilt, in einer cliaraklerUtischen Umfor-
mung ^J auch das lelzle Wort hei ihrii.
Natiirlicli ihiiI'; man die Schritt mi Mahnien ihrer Zeit be^
traclit(*n. Der weitere melaphysisctie Ausbau ^ den die spätere
Scholastik durch die Untersclieidunp der unnihShth und der
rorruptiu jenen üe<latiken zu gehen versucht , ist ihm n<K'h
fremd ■*) ; (Jen erkenntnistheoretischen Untersuchungen . zu denen
l^ocke's und Hume's Kritik des SuhstanzbegrifTs, Kant'^
Behandlung des psyeholo^isehen IVoblems und die moderne
„Aktualitjltstheorie" nötigen, stelU er noch so fern wie den Fra-
gen der modernen Psycliophysik. Aber für seine Zeit liat der;
Autor etwas sehr Achtbares geleistet; die damals envogenen
i'>agen und (jesiehtspuiikte belierrschl er vollkommen. Was
auf dein Boden der arisloleiisch-neuplatonischen Philoso-
phie zu jener Zeit geteistel wi/rden konnte^ hat er gebracht.
Dazu kommen noch bt'^ondere Vorzüge. Die Physiolo-
gie ') und die empirische Psychologie ") werden nach Maß-
gabe der Zeit lierKugezügen; die dialektische Gewandtheit
ist hervorragend und zeigt sich besonders auch in der Wider-
legung gegnerischer Argumente*^. Der Stil ist snchlich , klar,
nach dem MaJk' des niitlelalterlithen Sprachgebrauchs gemessen
von ziemlicher ReLnJieiL und erhebt sieb am Schlüsse zu hohem
Schwünge. I
') Besonders was Aber Kkstase i^A. r>} und die Slufenteihc der Wessen
(S. ISüf.j t;esagL wird; ferner dicrnteist-heidun^ der oberen und der unteren
Vcmunll (die zwei , Antlitze" H.V2i\ f.). Die „l^benstjuelle' tann auf Aven-
cehrol zurHcktrehen. vielleichl unter niitwirkcutler Krititicnin^ un AuKUstin
(s. S. 100 Anm. 'S. S. 13U), dem wir auch sonst begeyneii {s. S. l'JZ).
») S. a 137 und 1H!( f.
■) Dorh vgl die Ansalze dazu p. 27.14—38,13 (s. ohea S. 132).
*) Die ntfilia n-lfula dos Gehirns ; s. S. ['2S.
') Der UrleiLsiikt nucli seinem psycholoj^iselien Verlauf (S. 137): patho*
lodisrhp Zustände bei Geisteskranken (S. 114 f. 128 f.); Ekstase und Prophetie,
Zustände, die wenigstens unser Aut'jr mit vielen Arabern als empihäch-psy-
chologischeii Material bebandell [S. lir> ff. 123. 13.') f.).
•) Vgl z, B. S. 114. IIK liy-i. KIT, f.
llt. Der philo5. GedankengAng und die philos. Stellung der Schrift. 14:^
So ist es kein Wunder, daß der Traktat in der Periode,
in der die neu aus der arabischen Welt zuströmenden Wissens-
quellen eine gewaltige Gährung erregten , eine gewisse Beach-
tung fand, Wilhelm von Paris (Auvergne) hat ihn über-
arbeitet und unter seine Werke aufgenommen.
Indessen war diese Aneignung der Schrift durch einen be-
rühmten Autor für diese selbst, oder doch wenigstens für den
Namen ihres Verfassers, in gewisser Weise verhängnisvoll. Letz-
terer geriet in Vergessenheit; er scheint von dem bekannteren
und berühmteren Namen Wilhelm's verdrängt worden zu sein.
Letzterer galt bisher neben Alexander von Haies als der-
jenige, welcher die arabisch-peripatetische Wissenschaft in wei-
terem Umfange in das Denken des christlichen Abendlandes
einführte. Von diesem bevorzugten Platze muß derselbe abtre-
ten; an seine Stelle muß Dominicus Gundissalinus als der
erste Apostel des neuplalonisch gefärbten Aristotelismus treten.
Sollte es mir gelungen sein, zur näheren Erkenntnis der histo-
rischen Stellung dieses Mannes und dadurch zur Einsicht in den
Werdegang der Scholastik zur Zeit ihrer bedeutungsvollsten
Wendung einen kleinen Beitrag geliefert zu haben , so ist der
Zweck dieser Abhandlung erfüllt.
Verzeichnis der Eigennamen.
AdelurJ von Bnth 12H,
Alanus üe [nsuli.s (vun Lille; IIH.
128.
AU»erlus Magnus llH.
Alchuinus, s Alkcndi.
Alexander A|iliroilisit'nsis (»4. llfi.
Alexander ^on Haies l-l^t.
Allarahi IVl ÖG. 104.
Alfredus Angticu? 04.
Alpizel m. im. 101. W4. 118. 12«.
Allmcen ]m.
Alkendi (Jakiib] (J4.
Alverniis, s. Wilhelm von Pwi».
Ainlirosius U7.
Anaxatjuras Uli.
Amher 116. 118. 141.
Arisloleks 11. \± 40. 4»;. Ja 104. lOH.
110. 114. Ilß. 117. Hfl. 1-20. V>\.]>'
l*ill. 130 r. l.'M. VXk I.Tii. 138. 130.
141. 142. I4:t,
Auguslin m. (tT. 100. 132. M2
Aveucebrol 87. i)9. 100. 101. 11I2.
HO. 104. lOf). 107. 125. 127. VMK
IST! 13»;. 131». 142.
Avendealh. s. Johannes Hiüpalensi'^.
Aveiroes 118.
Avicebrol, Avic^bron, p. Avencebrol.
Avicenna 8t;. 101. lOl. KkV U«. 127.
Basilius ü7.
Beda G4J.
Boclliius lOf) f.
Boniiventura 73.
Bradwanlina 103.
Bor^undiu 128.
Ca&tercum, Ca:slerlien, s. Gcraitius de
Custertum.
Chalcidius 121.
Clemens (papa) Mt.
Conslanlinus Africanus l'?8.
Coättt ben Luca (>4. 128.
Deafartes 136.
Didyinos Cbalkenteros 117.
Dionysius Areopagila (Pseado-) 130.
Dfvnunicus (iutulisHalinii.s '> i>4. 84. fV»,
87. 101. KM. io:>. lac.
Galen 136.
(Jelnhausen, s. Konrad.
(lerardiH i,lier'ititius) de Abliutls uilla
i;a mi.
Gerardus de Caslercum (Casterkon) 74.
Gr^oriu« (papa) 4l>, 93»
iiuilelmus, s. Wilhelm.
Gkindisgaltnus , Gundi^alvi , u. Uonii-
nicus,
Heinrich Heynbuch von LangeDBtem.
s. den fol^nden Namen-
Henricus de Ha^sia der ftltere 70. 71.
73.
Henricus de Hassla der jiln(;ere71. 74.
Hume 142.
') Von den zahllosen Stellen, an denen Üominicus Gundbisalinu!; und
Wilhelm Vün Paris erw&hnt wonlen , führe ich in diesem Verzeichnis nur
diejeniijen an, an denen von einer anderen Schrift jener beiden Autoren ab
von ,de immorUlitate' gesprochen wird..
Verzeichnis der Eigennamen.
14Ö
Jacobus de Napoli 73. 74.
Jacobus Alchuinus. s. Alkendi.
ibn Daud, s. Johannes Hispalensis.
ihn Gebirol» s. Avencebrol.
ibn Sina, s. Avicenna.
Johannes Hispalensis (Hispanus) 04.
86. 99. 106.
Johannes von Salisbury 128.
Johannes Walensis 102.
Isidor 66
Konrad von Gelnhausen 71.
Kant 108. 142.
Lautere Brüder 130.
Le Feron 1ö. 76. 84. 8.^.
Leibniz 111..
Liber de causis 130.
Locke M2.
Marvillien 71.
Nemesius von Emesa 128.
Xcupla ton i Sinus KH. 142.
Parisiensis , s. Wilhelm von Paris
(Auverg:ne).
Petrus ^apostolus) 40.
Plato 11. 40. 46. 93. 108. 119. 120.
134. 139. 140. 142.
Platoaiker 107.
Plolin 137.
Proklus 130.
Propheten idie kleinen) .67.
Ptolemaeus S6.
Raymund, Erzbischof von Toledo 86.
Richard von St. Viktor 73.
Salomon (ibn Gebirol), s. Avencebrol.
Scholastik 142.
Simon (magus) 40.
Stoiker 136.
Thomas von Aquin 118. 128.
Wilhelm von Concbes 128.
Wilhelm von Paris (Auvergne) ') 68.
72. 70. 87. 101.
Wilhelm von St. Thierrv 128.
') Vgl. oben S- 144 die Anmerkung zu Dnminirus Gundissalinus.
BpitrAKo Tl. I. BüIoW. Oüridissalinus-
10
Berichtigungen.
Außer den bereits S. 62 berichtigten nind noch folgende Versehen lu
verbessern :
S. 7 zu Z. 18 uelutj fflge hinzu: fuit P.
R. 9 Z. 23 statt huius lies huiusmodi.
S. 10 zu Z. 4 est] : P hat Irü d. h. tarnen.
S. 10 zu Z. 17 fage bei : dolores] doloro*«« P.
S. 2t zu Z. 10: /' hat q, d. h. quae.
S 22 Z. '27 ist (ntit 3dA) statt propterea zu lesen propter hoc und im kriti-
schen Apparat zu bemerken : hoc om P.
S. 26 Z. 13 statt dicimus lies diximus.
S. 28 zu Z. 18 statt esse om CM lies esse om PM.
S. 29 zu Z. 22 fdge hinzu ipsam] ipm {= ipsum) P.
S. 48 Z. 5 V. u. statt quaeipsi lies quae ipsi.
S. ä? Z. 10 statt imstrumentum lies inslrumenlum.
S. 58 Z 11 statt huiusmodo lies huiusmodi.
S. 64 Z. 11 statt 90* lies iK)f.
S. 64 Z. 12 und Z. 13 statt 96 * lies 96 '.
S. 64 Z. 19 sUtt 43'' lies 43'.
S. lU Z. 15 statt Dem lies Denn.
S. 117 Z. 28 lies völlig.
S. 119 Z. 1 lies kann.
BEITRÄGE ZI GESCHICHTE DER PHILOSOPHIE
TEXTE ÜP ÜNTERSICHÜKEN.
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. CLEMENS BAEUMKER,
O. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU.
UND
DR. GEORG FREIH. VON HERTLING,
O. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
BAND IL HEFT IV.
DR. M. BAUMO ARTNER, DIE PHILOSOPHIE DES ALANUS DE
INSULIS, IM ZUSAMMENHANGE MIT DEN ANSCHAUUNGEN DES
12. JAHRHUNDEKTS DARGESTELLT.
-^^■^op^^^cy^ -u-
MtmSTBB 1896.
DRUCK UND VERLAG DER ASGHENDORFFSGHEN BUCHHANDLUNG.
DIE PHILOSOPHIE
DES
ALANUS DE INSULIS,
IM ZÜSAHMEMM&E
HIT miS A9SGHAUÜ9&EH DES 12. JAERHÜITDEBTS
DARGESTELLT
VON
DR. M. BAüMaARTNER.
-^<'-^>C>>«Wl(«feUr>^-
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORliTSCHEN BÜCHHANDLUNG.
\
HERRN PROFESSOR
DR. GEORG FREIH. VON HERTLING,
REICHSRAT DER KRONE BAYERN,
ÜNP
HERRN PROFESSOR
DR. CLEMENS BAEUMEER
ivt
DANKBARER 7EREHRÜNß
ZUGEEIGNET.
Vorwort
Für die Bcarbeihmg der Philosophie des Magister Ala-
nus de Insiilis inutite bei der Unsicherheit bezüglich der Per-
sönlichkeit und der Lebensverhältnisse des mittelalterlichen Scho-
lastikers , bei dem Streite über die Echtheit gerade der wich-
tigsten seiner Werke, vorerst das feste Fundament geschaffen
werden durch eine gründliche, auf handschriftlichen Studien
benihende Untersuchung über die Person , das Leben und die
Schriften des Insulensers. Ich werde die Ergebnisse der
nach den genannten Richtungen hin von mir an den Bibliotheken
zu Paris, Rom, Florenz, München angestellten Forschungen dem-
nächst zur Veröffentlichung bringen. Für die vorliegende Ab-
handlung mag einstweilen die Bemerkung genügen . daß ihr
litterarhistorischer Unterbau vollkommen gesichert ist, und der
Magister von Lille auf die in ihr herangezogenen Schriften
ein unbestreitbares Eigentumsrecht besitzt.
Was die folgende Entwicklung der philosophischen Doktrin
des mittelalterlichen Lehrers angeht , so habe ich mich über die
leitenden Gesichtspunkte , speziell über das der Philosophie des
Alanus zukonunende geschichtliche Interesse, über die im Ver-
laufe meiner Darstellung überall befolgte Methode und über die
Anordnung des weit über eine bloße Universalienlehre hinaus-
reichenden Stoffes, am Schlüsse der Einleitung in genügende^
Weise ausgesprochen. Es sei hier nur noch hinzugefügt, daß
meiner Meinung nach die philosophische Spekulation der Früh-
scholastik , nach ihren einzelnen Lehrpunkten , Proble-
men und Fragen aus der Masse des theologischen und
anderweitigen Materials herausgehoben, auf ihre Quel-
Vm Vorwort.
len geprüft, in ihrem Zusammenhange betrachtet und
in ihrer Bedeutung für die Folgezeit gewürdigt, in einem
merkhch günstigeren Lichte erscheinen wird, als vielfach ange-
nommen wurde. Insbesondere wird ihr propädeutischer Cha-
rakter für die Philosophie der Blütezeit und damit die Continui-
tät beider Perioden klar heraustreten.
Die erste Anregung und Anleitung zu meinen Studien über
den Magister Alanus de Insulis verdanke ich Herrn Pro-
fessor Dr. Cl. Baeumker. Ich benutze gern diese Gelegenheit,
dem auch auf dem Gebiete der mittelalterlichen Philosophie
hocliverdienton Forscher meinen wärmsten Dank zu sasen.
'ö'-
München im' Mai 189C.
Der Verfasser.
Inhaltsangabe.
Einleitan^. S. 1-16.
Die geistige Thätigkeit des Alanus. Abgrenzung des Themas 1—2.
Alanus in der Geschichte der Philosophie 3-~4. Die philosophisch in be-
tracht kommenden Werke. G^amtausgahen derselben 4—5. Charakteristik
des Philosophen. Sein Stil. Seine Stellung innerhalb der philosophischen
Strömungen des 12. Jahrhunderts 6—8. Charakteristik der alanischen Philo-
sophie 8—9. Ihre älteren und neueren Quellen 9—14. Ihre geschichtliche
Bedeutung 14—1.^. Die bei ihrer Darstellung befolgte Methode 15. Anord<
nung des Stoßes 15 — 16.
I. Abschnitt.
Lo^ik und Erkenntnislehre- 16-38.
1. Ugik,
Geringe Rücksichtnahme auf die Theorie der Logik 16 — 17.
2. Erkenntnislehre.
Eine etwas eingehendere Behandlung nur hei den mit der Theologie im
Zusammenhang stehenden Fragen 17—18.
a. Sinneserkenntnis.
Bedeutung der Sinne für den Körper. Objekte der Sinneswahrnehmung.
Ihre Grenzen. Kurze Äußerung Ober die Gesichts Wahrnehmung 18.
Die Thätigkeit der Sinne und der Imagination vermittelt durch den
Spiritus physicus. Ignorierung zeitgenössischer Erörterungen auf dem
Erkenntnisgebiet 19—2(1.
b. Begriffshildung.
Die Bildung der Begriffe ein geistiges Erfassen der Formen. Notwen-
digkeit der Form 20. Das geistige Erfassen ein Leiden und zugleich
eine Thätigkeit der Seele. Aristotelische .und augustinische Ansicht
unvermittelt neben einander 21—22.
c. Universalienlehre.
Stellung d^ Alanus im Universalienstreit. Parteinahme für Gilbert
22 — 23. Alanischer Realismus. Gilbert'sche Färbung desselben 23—26.
Die realistische Denkweise des 12. Jahrhunderts b^önstigt die Auftiafame
des durch die Araber bekannt werdenden ganzen Aristoteles 26—27.
d. Methodenlehre.
Die mathematisch-deduktive Methode in den Regulae und in der Ars
fidei 27. Bofithius und Gilbert als Ausgangspunkt Die mathematische
Deduktion auf dem gesamten Wissenschaftsgebiet, die Theologie mit-
inbegriffen 28—29. EinfOfarung des logischen Begriffs des Axioms in
InlialLsangdliR .
die Theulogie -J!t— .K). Die iledtiktive Methode in der Ars lidei 'JH—S2,
Kernpunkt des nliinischcn Versuchs Si.
Gliuihu um) Wib!<en.
l)o|ipel1e Strömling, (ilaube und Wissen zwei (felrcnnte Sphfii'en •18.
[)cr (ilaube Htier (k>r Meinung, aber unler ileni Wilson. Die VcrnunH*
ur/umenle nichl stritigenl , ^«Jiidecn nur Mtdive zum (^Hauben. Kflrde-
rung des Wissens durcli den Glauben 3-J— 3i». Wendung zur abae-
lardschen Denkweise. Abaelardscher Einilufi .%— 37. Verbindung der
hervorslecbendsten das Verbällnis von Glnwbe und Wissen belreffendpn
Gedanken. Ahinus kein Iheologisclier H;ilioniilisl im slrenpen Sinn 37.
L'm.scldag iler erkcnntnislhcorcltscbcn Ite^^lrcbungun in den lolgenden
Jahrhunderten oT-38.
II. Abjitihnitt.
Die outoIo^isch<Mi Begriffe und Gesetze, 38— 6I>.
Zusiiniiiipnban(! der (hitoluyie niil dpr Theolinjie. Einduä dor rrübmitleliilter-
lli'ben Ontulugte auf das VersUndniü der artstutelischen MeUjdijtlk tiS—39.
1. HubstaiiK and Aceideus.
Uo|)|>ell)edeutunt; des Sulpstjinzt^egrifTs 40. Delinitiun des Accidcns. Sub-
jektloBtgkeil der Aecidenzien lt. Der Substanz- und At-ridensheKriff er-
nilirt int 13. Jahrhnndcrl keine we^tcntllchc Vcrändcrun*,^ 12.
ä. Natur.
Boi'lhius als Ausgant^spunkt. Vieldeutigkeit des NalurhegrifTs 12 — U. I>er
NalurbegritT bei Thomas von Ai|uin -ll.
3. Person.
Wichtigkeit des PervunhegrifTs für die Theologie. Auf^Uätin und Buetlilua
als Ausgangspunkt. Die buetbianische Dellnilion 44-45. Weitere De-
Itniiiunen 4f>.
4. Muterle und Form.
Bedeutung dieses Hegrifläpaares wahrend der ersten Periode der Srho-
tiiütik 47.
ii. Materie.
Materie itn dii|ipeUcn Sinn , inateria sccundu und primoitlialis 47—48.
Der HegrilT iler rrnialerie weder aiislolcliscli, not-h autjustinist-Ii. Drei
verschiedene Hich(uni;en I'*— .'il, Abuius folgt Bernhard \on CbRrtres
.M— .'>2. Hedeutung des MuteriebegrilTs des 12. .lalirhumlerls fftr den
Ahslotclistnns itS.
h. Kt»rm.
Kin plalüni.tcbe:! und aristotelisches Element Un mitteUllerliehen Porin-
liegrifT 53—54. FonnbcgrifT des Alanus. BinTeilung der Furmen {for-
mae substanlitiles et accidenlales). Die Form als Pro|inelät .VI— 5»i.
Ursprung dieser Auffassung .'»T— .'i8. Verbindung vonMaterip und Form
;'»8— fiJ). Die Korni ein Bestandteil der christlichen *S)>*pkuIaIion schon
vor dem 13. .fahrhundert. Fortschritt be^nglicb des KormbegritTfiöU- (;n.
5. Werden und VerUndenniff.
Theorie des Wenlenr» im Zu^antmenhang mit theologischen Ijchiien Ort.
BegiifT und Arten der Veränderung. Accidenlelle , suh^lanziale VerÄndo-
ning und die Verwandlung der TninKsubsInntialion »JI— ö3. Die Theorie
des Werdens auf aristotelischer Grundlage ist bereit» im 12. Jahrhundert
Tertig entwickelt ti3.
InlmltsHngabe.
XI
6. IrsarlH» »ud Un*iieh«'K<*sclzp.
UrearliehrgiifT. piiiicipiuiii und nm^a synonym IVi. K»usnlilftt»geselz
lU - (»r». Axiome itezOylioli ()es Zeit- und Wurlveihrillnisses zwischen L'r-
siirlie und Wirkung. Axiom und I'KHtuhd für den Hcreith von l'rsache'
reih»*n «.'»— fil». Die vier arlbtoteliäclicn Ui"SAt:hea. lltre Kcnnlnts im 12.
•UhrliunittTl liÜ— (Ä. rhilosophiwhe Bedeutung der Ursachel«hre des In-
5ulen»cr^ ü9.
Itr. AhschnilL
Kosmologie. 6I1--H8.
1. Bohfiprnui^ iinil Theorie der Weltbildanf.
Pieifai'heHicIilunii; in der Hehnndlun^weise tcisroologischer Fragen *iO— 70.
Das SchApftingsdogma die Grunditige der ko^molugisclten S|>ekulaliunen.
7<i— 71. Sclinpfungslelire des Alanuts 71 — 73. Theorie der Wellbildung.
Verbindung der platonischen Ideen-, der gilbert'st'hen Universalien- und
iler neu[i)ÜiHgoreiächen Zahlenlehre itiil dem SchOpfungädogma 73—76.
'Z. StellunfT nxd Aufgabe der \»tur.
Di« Natur als Sudlveilrotcrin (iollfts, als Vulttitrerkerin der Wellgesetz*
mftfiigkeit 7(t — 78. Die .Nutur das Zeugungs- und Gestalluiigi^princip kun-
stanler Arien 78—80. Quellen der alnnischen Au(Tas.*iung. Piatos I*hre
von der Weltaeele. Das stoisrhe Kalum. Uorihius. Bernhard vun llhar-
Ire». ChalcJdiu?. Johannes von Salisbury. Ein laychologisches Motiv
Öl>— 82. Historische Ile<Jeutung der kosmulogischcn Lehren 83. Verwer-
lung naturwitisenschaniicher Anschauungen K3.
3. Wesen dvr Tlenwele.
VcrFcliiedene .\nsichlen. MalerialisliKcliur Standpunkt des Alanu» K4— 85.
ri-'sitive Begründung. Widerlegung der Gegner. Naivität der beidenwiti-
gen Beweisführung yö Hl, Stufenfolge der gesclmflenen Wesen H7— 8K
IV. AbscbnilL
Ati1hro;>ologie nnd l'sycholoffie. 88-lOß.
J. AnthropnloffiM'heK.
Dor M€n>ch Mirrotosiiiu», der Sammelpunkt der ganzen Schßplung 88— IH
2. IN;i-Uidog;]e.
iJrr i]iL'l;i:phyäis;:he niianikter derüclhen. Ahinu» als rsyrliut(^ !U.
a. Klaaaifikation der Seelen venu ßgen.
Die FOnneilung des Buches de spiritu et anima. Die platnnisehe Drei-
teilung. Die Zweiteilung 7ud sensualitos und ratio Ut— !^-t.
b. Wesen der Seele.
Die Seele eine vernünnige, unkörperliche Substanz. Beweise 05-'J(j.
c. Ursprung der Seele.
Der Traducianismus von Auguslin bis Odo von Cambrai, Der tVea-
lianismus die Lehre der Kirche SH?. Der Creatianismus des Alanus.
Seine Verbindung mit der platonischen bleenlehre. Abweisung der
p>ihagöreiich*'n Seclenwaiiderungstheorie Ü7-DÖ,
d. Unsterhiirhkt'it der Seolc.
Die Polemik mil den Kiilhiirern Jie Veranhissuiig. Beweis ilurch
Autoritäten 9?*— KW. Bationelles Hewcisvcrfaliren UX)-H>2.
c Vcrhällnis von I-eib und Seele.
natoniscb-iiugustinisL-he AufTasü^ung. Ablehnende Hallung gegen die
XII IiihHllsungHbe.
arislolelisclie Lehre vom Forntprincip des Körpers hti. Die Seele
nfti.*h Alanus nicht Korm des Körpers , weder Seins- noch Or^nisa-
li<insjirinfji). Der Körpiir dinrh die Niitiirknine gebildet IilCl— UM.
Verhindunit von Leih und Seele. Phitüniscli-pjUi.iKoreisrhe Auffassuoy.
Die ladirtr der Thysikcr. Üio Einlieil eine persflnlithe K>1 — H»6. Die
l^sychülogi« dea Alanua verglichen mit der Psychulogie des fulgenden
Jahrliunderts lOB.
V. Ahflfhniit.
Theologie oder Lelire von der Gottheit.
1. Ileuelse ntr die Existenz (■oüch.
Zwei liruiidrornicn der Gotleslicweisc 107. Au.sgangsjiunkt de.s (lutle^he-
weises bei Alunus. Kausaler Oedankcntiang. x\rgiuiieiil aus der Bewe-
gung und ViTünilernni? 107 — UHl. Die tjoLtcsbRWRi.so nicht slringcnl 110.
*J. Beweise Hlr die OrelpersSnliehkclt Uottes.
Erltlärungsgnlnde für derartige V'ersuclie. Die BeweiJ« nicht stringent
IUI— 112. Drei Vernunflarguincnte Uä— IM. Beweis dun.ii pliilusophi-
sclie Aulvrititten. Hermes TritimegislusF. Der Suix: moaas gignit uiuna-
deni etc. lU— ISi».
3. Krlieiiiibarkelt des irSttlieben WeHeas.
rnmMghchkfil einer ailacquakn Krkenntnis. Erkenntnis im uneigentli-
eben Sinn. Vierfacher Weg hierzu lÄ'— lli3. Die ßebilde dcrUranimuUk,
in ihrer Anwendung auf die Theologie 123— l:iJ.
i. Wesen und El ^enseh urteil <<otteH.
tlonsirukliun des Golteslie^rifls. Die liotUieit Monas oder L<nitn»i 121 — lÄ"».
Fid^4>tungen aus dein Bcgrilf der Monas. Gott das esse purum. UuU lUs
foinia und ütib>dunlia. l'nveHliiderlicIikciL, Ewigkeit, L'ncrnieElivlikeil,
l'nbegreinicbkeil üolles I2C— 128. AHmnelil Gotleji. Deren tirtnzen
128— 1-*!^. Allgegenwnrl und VuUkornmcnhoil Gottes 12'J. WundcrbegrifT
VJ<d-VM.
b. VerliUlliiis Gottes zur >Telt.
GotL unter diMii (iitaichlspuiikl einer dretfuLhen Kausalitäi 131~K12.
a. Gott at» cuu»a erficien»).
Die cnusa suprema eine causa efßL-ions, Das göttüclic Wirken ein
Schalten 132 — U\3. Verschmelzung philusophischer Theurien mit dem
Schöpfuiigsgedanken 1?VJ — 131. Die liollheit als transwcendentes VVelt-
princip. Khill /wisthea dem SL-böiifer und den Kreaturen V^>~~l'SJ,
Motiv der \Vi'11hihö|«funt'. Deduktion dir wicitligslen Hettlaiidleile des
GewIiatTpnen, der Kngel. riiT Wi-Il und des Mensrhon 137--138.
b. Golt als causa cxcmptari!».
riato nl.<; Anknrip(ung.«i]>ankt. Die l^ehro des Alnnus eine Hcpruductiun
der herrschenden Ansicht 130—141.
c. Golt als causa finalis.
Gott als Finalursachc in dreiracbeni Sinn 141— 14'J. Xusitnimcnra?-
sende Würdigung der philosophischen Gülteslehre des Alanus. Ihr
Verhältnis zur ralifinulen Tlieologic des 13. Jahrhunderts 14:^—113.
Einleitung.
Unter don christlioUen Denkern dos ausgehenden 13. Janr-
hunderU nimitU die Persötiliclikrit dos Magister Alanus de In-
fiultä ') die hervorragendste Stelle ein. Ein Mann von umfas-
sendem Wissen ') , ein Freund und Verehrer der Alten ') , niit
den artistischen Disciplinon aufs beste vertraut, berütinil und
gefeiert als DiciUer *) , bewundert als akademischer Letirer -'),
') InHulne in Flaitdeni, da» heutige Lille, int des Magigtora Geburts-
ort. Er starb im Kloster Cfteaux im Jalire 1203, woselbst er auch sein«
letzt« Ruhestätte fand. Tgl. H. G. SS. XXIII, S. 881, 48.
-') Für die hohe H(>inung , welche man von der Gelehraamkeit des
Scholastik «rrt hatte , zougen die elegisch gestimmten Verse auf seinem
Orabmat :
.Alanum brevis hura brevi tamulu sepelivtt,
Qui duo, qui aepteni, qui t-utum acihile acivit,
Scire »uuni morieiis dan« vel rctinero nequivit.*
Ans einem Codex der Pariser Nationalbihlinthek, n 3äl7. s. XIII (1274), f.SOr.
) Den , Anticlaudian" sendet der Verfasser in die Öffentlichkeit mit
dem Epilog (Migno, Patrologia. Sor. lat.. t. 210, co[. 574 C):
Vive! nee antiquos tcntcs nequarc puHaa,
Sed potins veteruiD \'estigia sempcr adorans
Subaequere, et iauris humilea aubmitt« myricas
Auf die zahlreichen Nachahmungen römischer Dichter in dem herHlimten Ge-
dicht hat K. BoBsard (Alani de Insulis Anticlnndianus, Andegavi 1880, S.
109—115) aufuierksum gemacht. Auch in andern Schriften finden sich nicht
wlt«n Citat« aus römischen S4.'hrift«t4'llem
*) Der vor 1280 verfaßte, nnter dem Nomen des l^einrich von
Oent bekannte ,liber de scriptoribos ecclesiasticis* (Fabricius, Bibliotheca
iBceleeiastica, Hamhurgi 1718, cnp. 21, S. 121) srhreiht : Alanus .... libera-
Itum artinm peritus .... Et qnia metro multum damit .... Ober die
Autnrschaft des Heinrich von Gent siehe Lorenz * DeuUrhIands Geschichta-
quellen im Mittelalter, Berlin 1887. U, S. 21. Anm. 2). wUhrend Hnnreaa
(M^moires de 1' Institut national de France, Academie iles inscription« et bel-
ies lettres, t. XXX, 2" partim, S. 349 ff.) guteOrflnde dagegen geltend macht.
') Alberich von Trois-Fontaines (M. 0. SS. XXIII . S. 881» 48)
BeitrARe IL 4. Baaug artn »r, Alanen de Iimulis. 1
Alanns d« titsulis.
i'niruUi'ti» er «lU» Kraft seines vielseitigen Geistes in pint^r aus-
pwlehnten schnftslellerisdien Thäti^fkoit '). Spatere Jahrhunderte
Kobvn ihm den Beirmnieii „«ier Groüe" -) und den Ehrentitel
.Üot'tor univprsalis" ■').
Kh ist indessen uiclil unsere Absicht, ein allseitig ausgi*-
fOhrtes Bild von dem Gesanitwirken des berühmten mittelalter-
liehen Gelehrten /n entwerfen. Nur eine bestimmte Seile seiner
wisst-nsehnlt liehen ThätiB'krit soll in der foljffudi-n UnliTÄnchnng
heruusi^i'griffen werden, nätnhrli sfitie Sli-Ilun^f mul Bed^'iitung
fOr die Geschichte der mittelalterlichen Philosophie.
Über die verwickelte Persojienl'rage und dk' venvorrenen,
zum Teil legeudarisi-ben Narliriehten bczOpliih simikt näheren
LebensverliJillniÄse , die K<lithfil . sowie den Inhalt und Cha-
rakter der ihm zujfehörigen Schrillen gedenken wir demnächst
eine ergänzende Abhanillung liltrrarhistoriseher Art zu veröffent-
lichen. Einstweilen möge es gestallet si-in , die ResuHate ein-
gehender handsclirifllicjier Sltidien. soweit sir unentbehrlich sind,
ohne den umfangreichen Appatal quellmmritiiger Belege her-
anzuziehen.
Wenn wir die Dnrslellunp di-r Philosophie des Alanus de
liisuHs versucht-n, so holTen wir, oine bisher in der Ciescliichlc
nennt ihn »tloctor illr famuHUH". Der Chrouitit Hchreitit zwischen 1232 und
1252 (Wiitt«nbnch, l»«ut«ctiliindH (.ieschiclitaquollen im MitteliOter, fi. Aufl..
Berlin 181»4, II. 8. 4^^'^•. Siherfer-Hoichurst, M. U. SS. X.Mll. S. t>46 ff.)
') OttM vonSt. Üinsientt 1223: vgl. Wattenbuch. a a.O.,S.284ff,
M. 0. SO. XX. S, aua) lieljt die Kracbtbarkeit seiner Feder hervor (M. 0,
HS XX. Ö, 82«, lt»~2;i): . - • roulU conscriben» oxposuit ... et niult« all«
suiA et cfttholio« oouMripBit.
*) 'liun emteiiiniü begegnet uns dos PrjLdikat , Magnus' bei dem
«iglijchen Dominikaner Robert Holkot (t 1349; in winem .liber sapi^ntiae",
cap. 10, lecL 128 (nicht 118, wie bei Migne, t 210, oel. 30 A stefati, fol.
120 Ä. Wir benutxt«! eine Inkunabel n. I. et a. der üniversiiltabibliotliek
ürealau.
') Johannes Tritbomiu» (1462—1616) in ,de ncripturibna occlesia-
sÜcis" ibei Fabricius. Dibliotheca eccleöiantica , Hamburgi 1718. c. 527, S.
128; bei Migne, L 210. 3l) A ff.): Alanua de InsuliB .... l'niverealia me-
ruit appeÜBri. — Hurtmnnn Schedel (1440-1514} ,in über Uhronice' (In-
Icungboldnick Her Mllnchoner Staatobibtiotbt'k , fol. 221 r ; bei Migne, t 210,
ttl C ff.): Aianum autem dootorem celeberrimnm, oognomeuto universalem . ,. ,
'^iiu Alaiii magni, dooteria universalis.
EJDleituDg.
der mittelalterlichen Pliilosophie vorhanden gewesene Lürk*^
auszufüllen.
AlanTis hat zwar von Seite der Philosophichistoriker schon
Iflngsl eine freundliche und anerkennende Beurteilung gefunden.
Um die kürzeren Besprerbungen in den bekannten (ifsc-.liii'lils-
werken der Philosopliie ') zu übergehen, zu denen kürzlicli eine
von De Wulf'') gegebene hinzugetreten ist, so haben sicli mit
größerer Ausführlichkeit Heinrich Ritter"*), Albcrl Stock!*)
und Benianl Hiiurcau^) über unseren SeholastikiT verbreitet,
und AJbnrl Dupuis*') ihm eine schätzenswerte Monographie gt^
widmet. Einzelt)carbtilungen hat sein »Anticlaudian" erfahren
durch Oscar Leist') und Kugen Bossard **).
Wohl sind die genannten Arbeiten für die Kenntnis der
Pers^lnlichkeit und einzelner (iedaiikenzüge des Magistei-s nicht
ohne Wert, allein den Anforderungen, welche in philosophie-
geschichtlicher Beziehung gestellt werden müssen» genügen sie
') Brucker. Historie critica, Lipaiu 1766, III. S. 780 ff.; Tiede-
maiin, Ueint il. Kpokulativen Phiti>s., Marburg 1795, IV, 8. 320 ff.; Kulile.
Lebrbucli d. Ue»ch. d, Philos., Göttingen 1800. V, S. 255 (f.; Teunemann.
Oeach. der Philoe., Leipzig 1810, VIH. 1, S. 288 ff. : Rixner, Handbuch d.
Owch. d. Philoa.. SnUbacb 1>429, M, S. 71 ; Prantl. (joscb. d. Logik. II, 2.
Auä . Leipzig 1885, S. 260 ff.; J. E. Erdmaon. Grundriß d Gesch. d.
PhiloB., 4. Aufl., bearb.v. B. Erdmann. Berlin IHSti, K S.314ff. : Überweg.
Grandri& d. Gesch. d. Philo», 7. Aufl., hearb. v.M. Heinzc. Berlin 1886. U,
a 17f» ff.; Hiatoire litt^raire de la Fraiice. XVI, ParLi 1824, S. 396 ff.;
Rouasetot, Etüde« mir la philosophie dan» le muyen'Ag« , Paris 1^0, I, S.
S05 ff.; A. Jonrdain, rechorchen critiiiae^, Paria IH43, S. 27, 278 ff.
') Maur. De Wulf, IliatoJre de 1h philoHuphie »rolastique dan» lea
Paya-Baa et la principaute de Lit^g» jusqu'ä la niviilutioii fraii<;ai»Mf , Louvaia
et Paris 189:», 8. 41 ff.
') Geschichte der Philosophie, Hamburg 1844, VII, S 593 ff.
*) Üeachicbte der Philosophie des Mittelalters. Mainz 1864, 1, S. 411 ff.
*) De la Philosophie scolastique, Paris 1850, I, S. 345 ff. Histoire de
la Philosophie scotastique , Paris 1872. 1, S. 521 ff. Vgl. auch Hauri-au*»
Aufsatz Über das Leben und einige Schriften des Alanus in M^moiree de
l'Acadtiinie des inscriptiuns et bellea lettres, t. XXXEl, U^ partie, S. 1 ff.
") Alain de Lille, Stades de philoeophie scolaatique, Lille 1859.
') Der Anticlaudianu» , ein lateinisches Gedicht des 12. Jahrhunderts,
and sein Verfasser Alanus ab Inaulis. Beilage sum Progranini des Gymna-
niuns zu Seehausen i. d. Altm. 1878—1882.
"^ Alani de Insulis AnticUudianus cum divina Dantis Alighieri Comoe-
dia coltstoB, Andegavi 1885.
1*
4 AliiuuM ili; Inäulis.
nicht. Was sie bringen , sind bioKraphische und biblioi^phi-
sche Notizen und j^röiere oder kleinere Aiiszfl^e aus verschit*-
denen Werken; aber eine gründliche, umfassende und nie-
Ihodisi-}) durchgeführte fiesamidarslellung der philoso-
pliisdu-n Doktrin unseres SelmlasUkers mit Beröt^ksiehtiKung
ihrer Quellen und Motive suchen wir vergebens.
Im Interesse einer vollständigen und erschöpfenden Be-
handlung des bei Alanus vorliegenden Gedaukenmaleriuls wini
es zunäclist geboten sein, den Umkreis der Schriften abzu-
sle<*ken , welche für die Darstellung seiner Philosophie in be-
Iracht konuuen. Voniehmlich sind sechs Traktate zu nennen,
iji ileiien der Magister über jdiilcjsophischc Dinge sich geäuüerl
hat: Diu Abhandlung „de planrtu naturae" (de pl. n.| — wtr
geben die Werke in tier Reihenfolge ihrer wahrscheinlichen Al)-
fassung und mit (\an bei Migne') stehenden Titeln nebst den
hierfür knnflighin gebrauchten Kürzungen •) — , das so benihnil
gewordene Gedicht „ Anliclaudiun" (Anticl.), die eigenartig
geformten ^Theologieae Hegulae" (Reg.), die vierteilige po-
lemische Schrift „Contra Haereticos" (G. 11,), die exegetische
Arbeit „Distinctiones dictionum Iheologicalium" {Dist.)
und endlich das Meisterstück dwluktiver Methode , <iie „Ars
fidei catholicae* (A. f.). Einigemale werden noch beigezogen
die „Ars praedicandi* *) , der angedruckte Traktat „de vir-
tutihus et vitils" ') und zwei Sernionensammlungen, von
welchen ein/eine Bruchstücke unter dem Titel ..liber senten-
tiarniii- bei Migne c. ;221*"2'ii2 gedruckt .sind ^).
Bezüglich einer nälieren Charakteristik der in Frage ste-
henden Werke verweisen wir auf unsere uj Aussieht gestellte
'> Migae. Patrologia, Her. Int.. l. 210. Bei Überweg, Grundriü,
7. Aufl., n, 188Ö, H. 175 st^bt fÜlschlii-U .im 12U. Band'.
'■) Die den Abkürzungen beigefügte« ZaUiüii lezichi-n »ich auf die Ixy
treSfenden Cohimnen der Migne'achen Aiugabc.
.*) Migne, ratrologia, S*t. lut. t. 210, c. 111 ff.
s,*) Codex Paria-, BiWiotli i.at,. n. 823? F. h. XIII, fol. 84v»-85vl,.
'1 Die eine Sammlang wird in den llandschriftyn als Appendix der
•Ära pruedicandi" aiigercilit, z. B. Cod. Munac, 4Mli, a. Xlil, fol. .s»r f[ ■ ^^
andere ist enthalteo in einem Codex der Toulouaer SUtdtbibliothvk , n. 195,
s. XUI, fol. 93r ff.
<;.
Einleitung.
Abhandiuiitr. Nur einige Benierkunt^en über die Gesanitaus-
gaben alanischer Schriften wollen wir anfügen. Die ersle
gröUcre Kdition nach bereits früher erfolgler Drucklegung ein-
zelner Arbeiten vrratistallrte der Ci.ster/ienscrprinr Karl de
Visch zu Antwerpen 1 (jjH ' |. Ergänzungen brachte.*n später
Pez*) durch den Druck der „Ars Udei eatholicae" und Minga-
relli^) durdi dir VerofTentlichung der „Theologicae Regulae".
Die-se sanitUclii-n Ausjraben vereiiiigle Migne in dern ^\0. H;tnd
seiner Faliulogia (Serifs lal.l und nahm nach ciiif'tn Iiikunabel-
druck noch die „Dislinctiones diclionuni Lheologiruliuru" hinzu').
Die textliche Beschaffenheil der Migne'sclien Ausgabe Ifilil
noch viel zu wünschrn übrig und trägt nii( die Scluild an der
Schwierigkeit und Dunkelheit unseres Scholastikers. Einigt' nichl
unwesentliche Verbesserungen und BerictiÜgungen gerade zu den
wichtigsten Trakl^ib-n hat Cl. Baeumker'*} mit Zuhilfenahme
niührerer HandschritVn bekannt gegeben.
Nach dii'sen Vorbi-nierkungen über dit* \\'erke des bchola-
stikere und die ihn betreffende I>illeralur wenden wir mis nuii-
*) Migne 210, 27 giebt den genaueren Titel an Die zwei letzten DO-
<-ln*r von .Contra Haeretiros' vcrnffentlithtt* de Visch l*lä*! (KOlnl in «Bibliu-
theca Bcriptorum sacri ordini» Cisterciensis" , App. 8. 4^0 ff. Sttlie Mi^nt«
210, G. 3t»9 400.
*) B. P(>z, Thofuuinu Anecdotontin ndviHsitmis . Ao^btirg 1721, t,
c. 476 ff.
') J. AI. Miiigurcilli. Anecdotomm Fanciculu», Kuinne 17fi(:. S. 171 tf.
Mingarolli'ä AuüguLe d!>er ,R4>guljio'* ist indessen nicht die ernte und nicht
vollständig. Hoin Rep. hibliogr , n, .190 und 381») erwfihnt zwei sehr frühe
Drucke unter dem Autonmmen des mit Alanuä de Inäuli^ identischen Alanus
Porr^tnnns -- auf den Nachweis dieser Identität mQsüen wir hier verzieh*
ten — , einen Kölner aun lirm .fahre 1500 iiml einen amlem a 1. a et typ.
Der letztere (Hain 'AHU)^ von dem die Münthener StaaUbihliothek mehrere
Exemplare betntrt. enthält bereits die I>ei Mingarelli und Migne feldeuden.
neuerdings von Cl. B tie u m k e r bekannt gegebenen (uie^ie unten S. 22,
Anm. 2) Pro^üsitionm des ■'^cliIufJnbBchnittett nebet deren ErlAuteningen.
*) Migne 210. v. 6H5,6yr..
^) In di>m Phili>äophi.%hen Jahrbuch der Gflrresgeaellscimft , R VI
(1893), S. 163 ff.. 417 ff.; M. VII (lfi94), S. 109 ff. Separat erschienen unter
dem Titi'l .Handschriftliches zn den Werken desAlanus*, FuhialSlW. Von dum
.Antielaudian' und von ,de planctu iiaturae' veranstaltete Th. Wright
(Ttennn Britannicarum medii aevi »cnptoreä. The Anglo-LatinSntirical Poeta
and Eptgrammatista of the twelflh Century, London |H72. vol. II, S. "268 — 522)
eine kritisch nicht immer aorgf^lti^ gearbeitete Neuau.<tt;abe.
Alnnufl dp Insulin
mehr zu einer kurzen Charakterisierung unseres Philosophen
und seiner Philosophie,
Trotz des hohen Ruhmes, welcher dem Magister von Lille
bei Mit- uimI Naehwell so ausKiebig beschieden war, reicht er
als Philosoph itorh nicht an die ihm vorangegangenen groüen
Denker des 12. Jahrhunderts hinan. Er war nicht der Mann,
den auf cJuisllicher Seite während iler letzten Dezennien jenes
Säkulums unleugbar eingetretenen Stillstand des pldlosophischen
Denkens durch neue und eigene Gedanken zu überwinden.
Dazu mangelte ihm die Kraft des produktiven Schaffens, wie sie
in manchem Belrachl einem Gilbert, Abaelard, Hugo von
St. Viktor eignete, es fehlte ihm die Gabe des spekulativen
Denkens, das ehien Bernhard von Ghartres') und WMthelm
vort Conches ') beiahigte, unter Anlehnung an alte Quellen
den Versuch eines umfassenden ptiilosophischon Systems zu wa-
gen. Alanus erscheint als ein dun'Ii und dunli receptiver, mit
Emsigkeit anfsammelnder, grötälenteils von den» vorgefundenen
Stoff abhängiger Geist, di»r mehr die Gedanken andeivr auf sich
wirken läiät, als eine selbständige Lösung anstrebt.
Dabei aber versteht er es, ebenso selir eine dichlerische
Natur als ein dialektisches Talent, dem einmal aufgegriffenen
Ge<ianken ein glAnzendes poetisches Gewand zu geben, wie nicht
minder das gesammelte Material mit seltenem Scharfsinn und
iiben-aseliender Prägnan/. zu formulieren und mit spielender
Leichtigkeit dialektisch zu handhaben.
Durch diese allseitige Beherrscluirig philosophischer Ideen,
ihre poetisclie Einkleiilung % wie die geschickte dialektische Ver-
') In seinem Werke ,de niundi nniversiUt« sire mogacosmuft et mi-
crocoamuH' , ed. Barach und Wrultel in ,Bibliothpca philosüphorum mediae
R^Utis", Innäbnick 187^.
*) Vgl. Karl Werner, die Kuäinologie und Naturlehre des HchoIaHii-
acben Mittelalters mit »pezjelter Beziehung auf Wilhelm von Conchcs,
Sitsungsb. d. kaiH. Akademie d. WIb».. phüos -hial. Klasse, Wien 1873. B. 75,
8. 309 fT. Das ,:^foi AiÖä^rtov ftive elementa philoaophiae* betitelte und bei
Beda iMigne, t 90, c U27 ff.) veröffentlicht« Werk Wilhelm's. welches am
raachesten in seinen Gedankenkreis ejoftlhrt . ist auch unter den Schriften
des Honoriub von Autun (Migne, t, 172, c. 39 40 ff.) mit dem Tit«l ,Do
philosophia mundi* abgedruckt. Auf die weiteren Werke de« Philusophen
ainzugehen, ist hier nicht der Ort.
") In »de planctu naturae" und im .Antidaudian'*.
Kinipitnng. 7
Wertung der vorgefundonon Stofftnasse zuni systematischen Aufl)au
und zur polemischen Vertcidijmnjf ^) der Glaubenslehren über-
ragt Alanus weit seine sämtlichen Zeilgenossen. Hierin, in die-
sen mehr formalen Momenten , liegt das Eigentümliche seiner
Leistung und Bedeutung.
Die beiden hervorstecheridstiTi Ki^jenschaften seines Geistes,
die Stilen in einem Kopf vereinip^t ei*scheinen , die dichtfriseho
Begabung und die dialektische Anlage, haben auch seinem Stil
unverkennbar den Stempel autpeprügt. Eine auffallende Ver-
schiedenlieil der Schreibari zeigt siel! in den frütieren Schriften
gegenüber den späteren. Während in den ersteren -) die Plian- \
lasie des Dlciilers überwiegt, die ans Marlianus Capeüa 0
und Bernhard von Chartres reiche Nalinmg zieht, li'itt in
den letzteren , sj'stematischen Werken ') die Schilrte des Dia-
lektikers zu Tage, welcher bei Boethlus und Gilbert von
F*oitiers in die Schule ^M. Dort eine FfiHo phantasrevoller
l>oeiiseh<T Erfindungen nnd Wendungen , pla.stisthe Anschau-
lichkeit der Schilderung und eine oft ermOdemle Häufung der
Ausdrücke, hier nüchterne, abstrakte Begriffe und Formehi, kurz
nnd pnicis j.'ehalleno Beweise und eine fast all/.n >:parsaine Karg-
heit der Worte. Wälirend dort die Cbcrfülle lästig fällt und
schwer verstilndlich wirkt, ist es hier eine lakonische Kürze, die
aufmerksames Studium erfordert.
Was schliHssticIi die Slellnng des f'hilosupffen innerhalb
der mannigfachen Strömungen seines JahrliundiTls betrifil , so
ist eine genaue Abgrenzung derselben nir.lit leicht. Kine unri<-h-
lige Beurteilung erfährt der Scholasliker hei Haurean, wenn
') In den .theologischen Kegeln' {Theologicae Kegulae). in .Contra
Hnorotiroe' und der .Ars fidei catholicao', welch letztere zwei direkt gegen
die tläresiea der Zi>it gerichtet waren.
') In ,de plmirtu naturae" und im .Anticlaudian*.
') Aus Martianus' Schrift ,Jo nnptiis PhiloloKiae clMt-rcurii' btanimt
auch die auf die Stoiker und Neuplatoniker ziuik'kgehende, in «dcplanclu
natura«' stArV znr Geltung krnnmonile allegoriB<:he D(!Utung der altttii G^Jttor-
mythologiti und Üichterfabeln , unter deren äußerer Hülle ein aüßi-r Keni der
Wahrheit versteckt liege- Vgl. de pl. n. -451 CD; A, Rbert. AUgomeine
Ueschichte der Litteratur des Alitt«lalter& Im Abendlande, Leipzig 1889. I,
S. 476. *?2.
') In den „Regalae', in ^Contra Haeroticos*' und in der «Ars fidci".
>
fi ^^^^^P Alanns de Insulis.
derselbe ihn den Mystikern oder Theosophen biüzühlt ').
Mit keinem andern Autor bekundet Alanus so wenig Öeislesver-
wnndtschall, wie mit dm Haupt Vertretern der Mystik, mit Bern-
liurd von («lairvaux und deu beiden Viktorineni Hugo und
Hietiiiril. Er ninnnt von allen Rlditungen innl liuldigt keiner
ausschlreülieh. Am ehesten muß rr ym den Vertretern jenes
Piatonismus Kerechnel werden, welcher in der einnuüreichen
Sehule von Oliarlres eine so begeisterte Pflege fand. Zumeist
(reh( er die Wt?ge, welciie die beiden Carnotenser Bernhard ^)
um) dessen Haider Thierry ") und der Sclifikr des ersteren,
der scluirfsinniK«' (itlberi de la Porree angebaJint liatten ^).
Die PliilosopJiie des Majrister von UUe, daraur inafr schon
das bereits (besagte schheUen lassen, tritt uns nicht als ein ge-
tddoäsenes, consequent durchg^eführtes System entgegen, und wir
dflrten keine neuen Pruhlcnie und selbslenlachlen I^Osungen er-
wartnn. Sie ist vielmehr itirrm (tnindlnn nach eine Art Ober-
ifclmu, dir Zusanmifiirassinig des itt .hilu-hunderte langer Arbeil
[in den geletirtt^n Schulen des Abendlandes bewahrten und hin-
zugewonnen Materiales, Nicht ein Werk aus einem (iuß. gleicht
Rii' dem Mosaikbild , in welchem Steinchnn verschiedenster Fär-
bung sich zusauHncngelTigt lindi'n. Alfenttiulben in einzelnen
■) Haiir<^iin. Hist. de k phjloä. acot.. I. 8. 5'2U 52.^.
-) /.iiwpit geht die Bohniiptung Rotisselot's, di« Philosophie des
'AIrtiiiin nri mir eine Nachahmung Bernhards. Raaseelot, Ktndes nur la
philodophie et*'., 1, S. :i09.
■) (Ihor denselbon hüten C'Ierval und B. llaur^au in erwBiischter
WoJH« »nhere Kenntnis gegehen; erntiTer durch eine Analyse und WQrdiguiig
vun Thierry's . Ueptateachoa * , einem aus 45 Schriften coiVtpilierten l^hrhuch
der niithen freien Künste, durch daa xueret. wie tu acheint, nahezti das ganze
nriHtittelischo OrgBnon bekannt wurde (vgl. CJerval, L" ensergnement des arts
lihiVftux a Chartres et h Paris dans la premi^re moitii^ du XII«' m^de d'apr^s
l'HepIntt'Uchon de Tlnerry de CLartre» in: Congr^a acientitiqiie international
des oatholiqiieH tenn a. Pari« du 8 au VA avril 1888, Paris 1889. U, S.
277— 2f«i). letzterer durch seine dankenswerte Publikation dee ersten Buchen
VttnTbierry's Schrift de sex dierum operihua inaeinenNnticeset «xtrait«,
T. I. Paris 1800. S. 62 ff. (vgl. T. VI. IH93. S 2i». - Über seinen hand-
schriftlich in BrOssel (n. 10057) erhaltenen Kommentar zu den unter Cicero'a
Namen gehenden Rhetorica adHereunium vgt.l*aul Thnmas in: M^i'langeB Graux.
Paris 1HM4, S. 41 ff. und B. Haureau im-Iournal des snvanta, 18S4, S.äl6f.
•) Anf die Beziehungen ru Gilbert haben achon Ritter (Oeech. d.
Philos., VII, S. 601} und Pranll iGetich. d. Log., 1885, S. 260) hingewiesen.
Kinleidin^ 9
Bemerkuni^^en zerstreut, spiegelt sie den Mangel üuläerer Em-
heil wiifrr in der Vielgestaltijfkett ihrer inneren Bestandteile.
Mit plalonischen, arislotelischcn und noupytliagorei-
schen Elementen werden Gedanken/üge (-Jiristliclier Denker
zu einen) seitsam goniiscliten Gemenge verbunden.
Den angedeuteten eklektischen Charakter und die erwäiin-
len mannigfachen Sclialtieruiigen der Philosophie unseres Alanus
beweist dentlii)) die Namhaftrnarhung der zahlreiehen fdleren
und neuen-n Quellen, aus dtneii die verselüedenen iVnsciiauun-
gen gellossen sind.
Für Plato beyt iler Insulenser, der alljremeiiieii Zeilstim-
mung folgend '), die höclisle Verehrung. Kr ist ihm der Philo-
soph und Mt^liiphysiker xaf ^^oxtjyj der die Geheiuniisse der
Dinge, die Tiefen des Himmels und das Wesen der Gottheit er-
gründet 5). Gleichwohl" kennt und benutzt er von ihm nicht
mehr als das bekannte Timaeusfragmenl ■'') in der Übersetzung
des (.:haleidius. Wcmi er den „P[iaedon*' ') gelegentlich er-
wObnt, so zeigt schon die Art des Citates, data ihm nichts wei-
ter als der Name und die jdlgerneine Tendetix des Buches be-
kannt war. Das Piatonisehe in seiner Philnsophie stamnil aus
viel späteren ptalonisierenden Quellen , ans Apu lejus, Boe-
') Joh. Scotns Eriugenii (fiber die .Schreibweise Eriiigi-na ttiehc S.
13, Antn. 0) nennt Plato unter Kenifung auf denTimaeus „philosopbuntium de
mundo mnximu»' nnd an einer anrlereti St«ll45 „philnHOphnnim siimnma" (de
divis. nat. I. 31: III. S6. Migne V^■^ , 476 C. 728 A) - Adelord von
Batb bezficbnet tbn alA .prinoeps pUilosopItonini' (de ecidem H diverso. Cod.
Paris., bibliuth. nat., 2389, 8.XII, fol. 82vbJ. &l.s ^familwiri« muun Plato" fol
SS^a). Er fuhrt ihn ferner ein mit: «Unde pbiloHuphus in thimeo", .ut phi-
losopliTis promittit" (fol. 86 rb). In seinen .QuaeJttionefl natumU'h" sagt t-r :
auctor hiiiuH divinac raitoniB Plato sinml cum auin vvlt^hrvUir , umotur (Cod.
Pari»., bibl. nat.. r>415, s. XII, fol. SO^a; Inkrinabcldnick der MUnclioner
StaatBbibliotbek, b. I. et a., Cap. 28), — Genau in dt-rseiben Weise, wie die
eben genannt«n Autoren, fiuüem sich Wilhelm von Conches und Aba«i*
lard, weli'h letsterer sein Urteil ausdrücklich auf daa Zeasniß der Vftter stlltjtt.
.^iehe Pranll, Gesch. d. Log.. II, S. 129, Anni. 96; S. 16H, Anin. 259 ff.
"^ Antirl. 4HI B; sed eo divinixis ipsa
Somniat urcaoa renim cocliquc profunda
Mento Plato aensumque dei perquirere ientat.
Vgl. ebd. 505 C: de pl. n. 40« C, 479 D; C. H. 1, 5. 811 C: ,ut dicit
pbUosopboa'.
') Siehe S. 64, 99, 108, 187.Anin.3. - *) C. H. I, .SO, 333 A. Vgl. S. 99.
10
Alanns de Insalis.
Ihius und den mitldallerÜrhen Plalonikeni Bernhard von
Chartres und Wilhelm von Gonches.
Der HocJisrliäUun^' Plalo's gehl panüle! din geringe Mei-
nung von Aristoteles. Der einige Dezennien spüler so aus-
sclilaggebend gewordene Philosoph von Stagira mulj sich uüt
der wenig sclmieichelhaften Rolle eines Logikers *) begnügen,
ober dessen Dunkelheit . Rälselhanigkeil , Geheimnisthuerei und
Konfusion -) nicht genug geklagt werden kann. Selbst einem
Porphyr, der die Brücke schlägt über den Abgrund des Ari-
stoteJes und als ein zweiter Ödipus dessen Sphinxrätsel löst,
einem Zeno und Boi-thius muß d*'r BegröndifT der wissen-
schafllichc'ii I-ogik iiiuhstehen ■^). Erwähnung ünden lediglieh
„de interpretatione" oder ,»nft« /y;/»j»'fiVK** *), die ^Kategorien'* *)
und die „Analytiea posleriora" •'). Völlig unhaltbar ist die
Behauptung von Tiedeniann ') und Buhle % Alanus hal)e be-
') Anticl. 491 B: Itlic arnia parat logjcu logicaequc palaestmm
Ptugit Arit^tuU'les
Siehe de pl. n, 464 D.
^) Antid. 511 B: Verboram turbator adest et turbine multoe
Turliat Amtotwle» nostor guuiletijiip latere.
De pl. n. 4VJ D: llÜc Aristoteles sententiaä aenigmaticnrum t(K-iittntiiitn jati-
bulis involTebat. Ebd. 445 C: . . . . ArifltutelicAeqiie auct4>nUtiM tuba prt>-
clamat, qiind üle maieätAtcni miniiit secrct-onim, qni indignis HerretA divulgat
Vgl. Aoticl. 511 BC Radulf de Longo (.'ampo nimmt das letzte Citat
aus einem dem A ristoteles zugoacliriebent^n ^libor de ymagiiiibiit«' (Cod.
Haris., bibl. nat., 8083, s, XIV, fol. 22vb).
') Atiticl. 511 HC. Dae Luh Porphyr's, dessen Verdient«!« schon
Bot^thius (PrantI, Gesch. d. Log., L S. 680, Anm. 74) preist, bezieht i^Jrh auf
die [sugoge zu den arisUttelittchen Katt'gorien. Tnter Zeno. dem Athleten der
Lugik, kann nur der berühmte Eleat« verstanden sein, wohl im Anschloß an
Apulejuft (de dogmate Platunis. ed. Goldbacher, Wien 1876, 8. 65, v. 16).
Radulf de Longo Oampo, Alan'» S<!hüler und der Kommentator suines
Antirl., ernjlhnt ein zenoniüehes Argument gegen die Bewegung (Cod. Paris.,
bibl. nnt.. HOm, s. XIV. fol. 23 -"a).
*) Sententiae 243 C ; Diät. U\fQ B ; Reg. 38, 63U I> : de int«rpret., 1 ;
Heg. 87, 639 C: de Interpret. 3; Reg. 88, 667 A: de Interpret.. 11. Siehe
unten S. 21. — ') Reg. 88, 666 D : Catcg.. 8.
") R«g. 64. 652 B: .\nalyt. post.. IL 19. In C. H. 1. 31. 334 B wird
deoi Ari^ioteletf noch zugeteilt ein .über de oligeudis duobtis propositts*
Siehe unten S. lOL — ') Geist d. spekulat. Philos.. LV. 8,821.
") Lehrbuch d. tiesch. d. Philoa., V, S. 255. Von den Nenoren scheint
iiiir P. Haffner, Grundlinien d. Gesch. d. Philos., Mainz 1881, S. 523 die»
irrige Meinung noch aufrecht erhalten za wollen.
Einleitung. TST^^^^ 1 1
reils direkt aus der aristoleüsebeii Metaphysik und aus
Moses Maiinonides ^esc^höpfl. Seine Schriflen bieten hiefur
nicht den geringsten Anhaltspunkt. Vielmelir hatte, wie schon
Jourdain ') jrosehcn, die von Spanien ausgehende Bewegung,
welche seit der Mitte des 1:2. Jahrhunderts die christürhe Spe-
kulation allmählich mit der aristoteüsch-arabisch-jüdiscbejn
Philosophie in Bendirurtg hrarhte, niifilm noeh keinen greifbaren
KinfluU zu gewinnen vennocht. Diis einzige Zeugnis, dalä we-
nigstens vereinxelte Vorboten jenes gewaltigen geistigen Auf-
schwunges bis zu ihm gedrungen waren , Uefem einige Stellen
aus dem ,liber de causis" '), der aber im übrigen ohne weitere
Einwirkung gplfliehen ist ^).
Allein trotz dieser merkwürdigen Verkennung des Aristo-
teles, welche Alanus mit dorn gesamten fi-Qheren Mittelalter
teilt *), enthölt seine Philosophie doch eine Heihe ober die Logik
hinausgreifender, in das Gebiet der Metaphysik fallender aristo-
telischer Elemente. Boi^tliins ilbeniahm hier, wie auch be-
züglich platonischer Anschauungen, die Vermittlung. Zwar fehlte
es nicht an andenveitigen Schriflstfuken , welehe wichtige
Punkte des aristotelischen Systems unter dem ausdrücklichen
Namen seines Urhebers überlieferten. Ambrosius ^) halte, wenn
■) Recherche« cntiqnes, S. 286.
-) C. H. I, 80, S32 C: I, 31. 834 B. Jüurd«in. «. a. O, , S. 188,
278; 0. Biirdenhewer. Die pseudo-ariätcteliache Schrift Qber daa reine Gate,
Freiburg i. B. 18H*2, S. 205 ff.
") Überweg's Annahme (Grundriß. 7. AuH., II, ISH6, S. 221), der Jibt-r de
camnft* hebe „Huf die Darstell uugiiweise dea AlanuB einen weaent liehen Ein-
flnft gettbt*. enlbohrt joder Begründung;. tTber die nirht minder unbowicuenen
Behauptungen vun Haurtau und Berthaud siehe topfiter S, 140, Anm. 6.
*) Die stereut^'p gewordent' Klage über Aristoteles — im 10. Jahr*
hundert tadelt ein gewisser G u n z o seine Dunkelheit (P r a n 1 1 , Gesch. d.
Log., 11, S. 50, Anm. 196 1, im 11. »pricht ein unbekannter Autor von dem
.Aristotelicus laberinthuB* (ebd. II. S. 73, Anm. 296), im 12. urteilt insbe-
sondere Johannes Saresberiensia Subersi ungllnsttg liber die beiden
Analytiken (ebd. II. S. 236. Anm. M2 ; S. 243. Anm &«9) — Keht zuriirk
bis auf den TiniaeuH-Komment-ar des l'halpidiiiä, woselbst der Stagirite
seiner Scbwierigkeit we^en mit lieraclit zufiammenge«t«IIt wird (ed. J.
Wrobel, Lipsiae 1S76, S. 346), und auf Bnäthiun, der bereit« den Aus-
druck .turbator verhorum' gebraucht (PrantI, (xesch. d Log., [ , 8. 682.
Anm. 79).
') In HexaSmerun I. 1 (Migne 14. 123 B): alii quoque, ut AristoLelea
com suis disputandum putavit, duo phncipia poDerent , materiam et spcciem
i
18 Alanus (1«> Insulii*.
auch niil aphoristischer Krir/4' , auf Materie und Korm als die
aristotelisclien GrumJprinzipien zur ErklSrung der körperlichen
Dinge hingewiesen, und Chuicidiiis ') ließ über den gleichen
(JoKenstand ausfölirliche Erörtenitipen in seinen Kommentar zum
Tirnaeus eintlieüen, wie er au<'h des Aristoteles Definition von
der Seele als der Gntelechie des Leibes kommentierte =). Aber
anflihllender Weise blieben diese wertvollen aristoteiisctien Ko-
ininiscenzen. soweit wenigstens (Iha leid ins in Frafi'e kommt,
von Seile der millelalterliclien Lelirer völlig unbeachtet oder
unverwertet lioKcn« L)ie fast ausschheliUehe Quelle für den Ari-
slotelisnitis vor dem Ki. -latirhunderl bihlele Boethiiis. Er ist
der philosophisclie I^elirnieister der Irüheren Jahrhunderte i;enau
hl Heniselhen MaUe, wie später Aristoteles, und sein tielgeliender
Eintluti auf die Entwicklung der mittelalterlichen Philosophie
nicht blo& in logischen, sondern ebenKO sehr in metaphysischen
Fragen laut sich nm* mit jenem des Stagiriten in Vergleich
bringen.
So sehen wir auch unseren Magister immer und immer
wieder auf Boelhius zurückgreifen. Wahrend die KirchenvrUer
in den Hinlergrund treten und nur einige unwesentliche Notizen
aus Hilarius-'K C'laudianus Mamerlus 0» Hieronymus ^),
Augustin "I und Gregor *) aufgenommen werden, wurzeln diu
#f. tertium rum üh , quorf operatorium dicitur, ctu suppotoret competenter ef-
ticere, quod ailoriimHiim piitaaaet. Der Salx findrt sich wftrtlich b<»i Khii-
lianus MauruH (Migne 107. 441t AI ; bei Kernig ius von Auxerre (Migne
131. hfi D), welcher bezUglirh üph dritten Prinripa , der Wirkursftche , hinxa-
ftlgt: tertlum quiddam. neacio quid volena dicere, operatoriam appvUavit:
femer t>ei FctruB Lombardutt (»cnt. II, 1, n. 2; Migne 192, 653) und bei
dessen Schüler, dem Magister Bandinns iMigne 19*2. 101*2 Ak Pctru«
Conieistor »chrvibt (Migne li>H, 10&& C) : AristoMca doo. mundnm rt opi-
ficem , qiii do duobaa prinüipiis, scilicet matoria et forma . nperntna est sine
principio et opemtur «tne Anc.
') ed. Wrobel, S. 312 ff., n. 283— '28*1. S. 31«. n. 2^6 wird ein lan-
ges Citat aus der ari«tot«liaohen Physik eingeflochten (Phys. I, 9}. Siehe
unten S. 4i).
*) Ebd. S. 257. n. 222 If. Siehe unten S. 102.
=•) Reg. 20, 630 D; 116. 681 D; DUt. 922 C. Vgl spÄt-T S. 24.
•) gieho unten Ö. 97, und Reg. 21. 631 B. - ') Dist. 960 A.
') Reg. I, 623 C: 4, 625 A : 6, 626 C; 22, 631 C. Vgl. unten 8.30,
Anm. 4: S. 128. Anm. 2; S. 137. Anm. 5.
^) Siehe unten S. 85; 8. 85, Anm. 2; S. 90. Anm. 3.
fiinleittlng.
m
wichtigsten und wertvollsten Bestandteile seiner Ptiilosophie in
dem Schriftenkoinplex des größten der laleinisctien Fhilosopheit,
wie Abaelard') den tioOtliius nennt, in dessen Übersetzungen
und Kommentaren sowolif. als in seinen eigenen Werken, Her
„Consolatio", der „Aritlunetik** und vornehmlich in seinen tlieo-
lojjrischeii Ablian4ilun[?fn =^1. IU*("-thius entstammt die Mnlolo^e ""7
des Alanus und seim? vieliferülimle Metliode*); in ihm haben, -^
wie ilie platonischen und aristotelischen Anschauungen, so
auch die seltsamen pythagoroisirenden Spekulationen *) des
Scholastikers ihren Ausnanjispunkt.
Als die letzte der SItern von Alatius Ix'nutzten Quellen ist '
der sonderbare hermetische Schriftenkreis zu jiennen. In
der Seclerüehre '•'), un<i wo es sieb darum bändelt, für «üe ratio-
nelle Beweisbarkeit der TrinitAt ''\ einen philosophischen Zeugen
aufzubringen, henift sich der Magister verschiedene Male auf den
Asclepius di'S Philosophen Menurius und auf ein weiteres
Buch desselben Verfassers unttr dem Titel „Logostileos id
est verbum perfecliim" •).
Sucht Alanus de Insulis, wie aus dem bisherigen erbeltt.
die tlamals liekanute aus dem Altertum überlielertc i»hil()sophi-
sdie Litteratur seinen Zwecken entspreclieml zu verwimdcn , so
bemüht er sieh nlehl minder, hervorragende («edanken der christ-
lichen Philosophen und Theologen /u deji seinigen zu ma-
chen. Deutlich lassen sich tUe Spuren und Nachwirkimgen ^
eines Pseudo-Dionysius "j^ Scotus Eriugena^'), Än-
') Introductiu ad theologiam I, *25 (Mignt> 178, 1034 A). AlMtebird wHr
digl hier ä'w liosAmtWdoutung ilc» BoJ<t]iiiiH fUr die frUhmittoUlttirli^-he
Wineuchaft.
') Gogeu F. Nitzach, Syätem des Bti^thius , Berliu 1860, liulteu wir
mit Usener, Anecdolpn Iloldon, Bonn 1877, S. 48 ff,, uod U. Krieg, t)bor
d. thoolog. Schriften des BotHhius , Jahresber. d, Görresgcsellschaft f. Xam,
ä* 23 S.f na der £cbtheit deraelbeo fest
•) Siebea28ff.. — ') SwlieS. 74 ff., 112. - ') Sie»ie.S.»9. - ") Siehe
S. 114. — ^) (?ber desijen VerhflUnis rnm Asclepiaa siehe H. 115.
"1 Siehe S. 93, Anm o; 122. Anm. 4; 135.
'*> Siehe S. »3, Anm. 6; 13.\ Diät. 780 A wird die eriugcniat ische Eintei-
Inng der r-heophania in epiphftiiiii, hypurphaniii und hypopbniiiii t-rwühnt, eine Kin*
t«Uiui^,dio auch des AlanusZeitgenosaen Garneriaa run Rochefort Isermo
IX, in die Epiphaniae, Migne 205, 631 B; Taagogae theoplmuianim B^iiihullcnu
u
Alanufl de Inattlia.
selm'), Hugo von St. Victor ^)j defi Verfassers des Buches de
spiritu et anima '*) und wahrscheinlich auch des Über Herme*i
tis ■') nachweisen. Nachhaltigeren Einfluß «owinnen seine un-
mitteibaren Vorgänger, die bereits erwälinten Platoniker Bern-
hard '") ujul ThieiT)' von CliarLres '') und Wilhelm von
Oonches '), der berühmte Kommentator des Bo^thius, Gilbert
von Poitiers •*), Abaelard '^), Johann von Salisbury ***) und
endlich noch der Spanier Dominicus Gundiüsalinus '*).
So laufen denn in tiem Insulenser — darüber wird die reich-
halti|<e Liste der angeführten Autoren keinen Zweifel lassen — die
weilverzweigten Fäden einer langen philosophischen Entwick-
lung, wie in cijieni Punlct, zusammen. Während horeits von
Spanien aus der erste Anstoli erfolge, um das am Ausgang
des 12. Jahrhunderts sichtlich ermattete philosophische Denken
neu zu beleben und zur höchsten Kraflentfaltung zu fuhren,i
steht unser Scholastiker noch mit alU'n Fasern auf dem Boden
der alten Schule als der letzte, von der fremden Strömimg noch
unberührte Repnlsetitant jener altem Richtung, welche auf der
ünindluge des aus der Väterzeit ererbten Malerial(»s sich im
Scholät' der abcndUlndisrhen Kirche Hulwickt'lte.
Aber gerade dieses Unistandes wegen kommt der Plülosophje
des Alanus ein nicht geringes geschichtliches Interesse 2u.
Wird in ihr auch KKli^lich das Facit gezogen aus der geistigen
Arbeit der verflossenen Jahrhunderte, so gewälirt sie doch, anl
II, 1. Cod. Troyee ii. 455, fol. 21 ^J, der ansdrQcklicfa den «Johannes cogno-
iiu-nlu äi'ütuä' cLti(>rt, und wuh) auch Isaak von Stella (Migne 194. 1888 B)
Yun Eriugvna entnomnii« haben. — Die handschriftlich am besten beglau-
bigte SchreibwciM ist £riugeaa. wie neuesten!« Baeumker (Ein Traktsl
gogon die Amalrioianer , Jalirbnch f. Pbilt>a, nnd spekulative Theologie,
B. 7 (1B93. 8. Uü, Anm. 2; Bd. S (18941, S. 222) nnf Grund der ftltesten
i^dicee gezeigt hat.
') Vgl. S. 83 ff.
^ Allerdings be^cbrünkt itich dessen Rinwirkung lediglich aaf die De>
linitiun des Glauben». Ben niyHli»chen Aoachauungen Hugoe steht Alanna
gänzlich fern. Vgl. oben S. 8 und apÄter S. 84, Anm. 1.
') Siehe S. 92. — *) Vgl. S, 118 ff. - =) Stehe S. 51; 78, Anm. 2-
74: 76, Anm. 2; 78; 81. — ") Siehe S. 112; 124. — 0 Siehe s!
IM; 6«; 94. - "J Siehe S. 28 ff ; 28 ff.; 57, - ") Siebe 8- 36 ff.; 64; 107;
114 ff. — "*) Siehe S. bb, Anm. 5: 64; 6«; 82. — ") Siehe S. H4; IWr«
m, Anm. 2 ; 141, Anm. 8.
fiinleitung 16
der Grenze zweier i^pochen slehend, einerseits einen Einblick in
den IJmt'andf und den Wert der bereits vorbandenen» auf fhrist-
lichent Boden erwaclisenen tJedankeiimasson, .inderorscits lälit
sie die Art und das Mau dt's Fortschrllls erkennen, wcIcIut mil
dem Bekanntwerdender aristotelischen Ptiysik und Mcliipliysik
und ihrer Kommentatoren für die Philosoplut; des christliclien
Oecidents verknüpft war.
Treten wir unter solchen GesicIiLspunkten an die Darstel-
lung der philosupbischi'ii Uoklrin des Matristers von Lille heran,
80 kann es l)e/'ÜK)ich der hierbei einzuschlagenden Methode nicht
genügen, nach dem Muster der bisherigen BearbeiUuipen nur
Auszüge oder einen Abriü einzelner Werke zu ^'eben'). Es muß
viehnebr unsere Aufgabe sein , die Lehrmeinuh^en des Philoso-
phen aus der Masse anderweiLit?en Material*^, aus den poeliscben
Zutbaten und den streng tlieolc^ischon Malerien, herauszuson-
dem , sie auf ihre Quellen zu prüfen und jene Punkte aufzuzei-
gen, an welche die alsliald niiu-bti^' aufstrebende aristotelische
Richtung des begonnenen IM. Jahrhunderts sich anlehnen konnte,
welclie sie modifizierte und weileriiaute.
Was endlich die Anordnung des Stoffes angehl, so liegen
hiefür in den Werken unseres Lehrers selbst keinerlei Atibalts-
ponkte vor. Der Scholastiker hat, wie bereits erwähnt -), je
nach Gelegenheit oder je nachdem es das
verlangte . seine philosophischen Ansichten
ohne äuÜeren systematisclien Zusammenhang niedergelegt. Hau-
r^au's") Verfahren, der nach dem Vorgange von V. Cousin •)
jeden Denker des früheren Mitb'ialters nur unter dem Gesichts-
winkel des Universalienproblems ansiebt , halten wir für unzu-
rcichenti. Die Frage über die Universalien beschäftigte
diiigs die Frübscliolastikcr auf das lebbaftt^te, allein
doch nicht die cmzige, in welcher ihr ganzes Wissen und Sti-
chen restlos aufgegangen wäre '■). Sie bildete nur ein Besland-
i bereits erwähnt -) , je -
s theologische Interesse I
en bald da , bald dort J
IT mr unzu-
fligte aller- T
ein sie war J
') Siebe ob«n S. 3 ff. — *) Siehe oben S. 8 &
") In Beint>rHtHU>ire de la pbilosopliic scolastiquo, Paris 1872, U'^pftriie.
'I In der heduutuugu vollen Einleitung zu den Ouvragu» in^ditä d'Abu-
lard, Paris 1HS6. S. LVl IT.
") Mit Recht wird dietteH gegen Cousin'a und Uaaräau's Auffassung
t«
AlatuiH dti Inaulis.
stück, vvtMin auch ein sehr wichtiges« einer. viel umfassendereu
Spekulation. Bei Alanus selbst, wie wir bald sehen werden,
spielt das Problem nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Um daluT t^iri vollstäriiliir ^ptiviifs Bild von der Gesamt-
summe der Ansichten unseres Philosophen y.n ^ehen und insbe-
sondere dem oben berührten \) pliilosophiet^eschiclitlichen Inter-
esse gerecht zu werden , wfthJen wir ein ungleich umfassenderes
Schema, das iJie einzehien, für die Enlwickhinif der Folgezt.il
wiciilitjcn Lehrpunkte mit wünschenswerter DeutHchkeit heraus-
treten lüüt. Wir gtHienken in einem ersten Abschnitt von der
Erkenntnislehre dos Alanus zu reden, in einem zweiten die
ontologischen Begriffe nnd Gesetze zu behandeln, und daran
in drei weiteren Abschnitten diu Darlegung seiner kosmologi-
schen und psycliologischen Arischauungen, sowie seine Lehre
von der obersten ITi-sache aller Dinge, der Gottheit anzureihen.
I. Abschnitt
Logik lind Erkenntnisloiire*
1. Logik.
Ol)gl('ic!i wir uiisern Magister als einen in der Praxis
höchst gewandten Dialektiker rülnnen mußten, so bleibt er doch
nicht bloß einzelnen logischt-n Streitfragen fem; auch die Theorie
der Logik trfährt nur insoweit Berücksichtigung , als sie gleieli
den Obrit'eu artes im ,,Anliclaudian" ■) personifiziert auftritt und
w-lion von M. F. Picftv*>t geltend gemacht Vgl. dessen Atif^jitz De l'ürigiDc
da la pliiloAOphu« aoolostiquo en Frnncc et en AUemftgnp in Bil. I. der
liiblioÜi^uo de L' Ecole des Ilautoe ßtade», Section dea Sriencea religieuaes,
Pari» 1889. p. 253—279 (bos. S. 254 ff.i.
») Siehe S. U ff.
'] Anticl. 509 ff. Vgl. rrBiitl. Ge»ch. d. Log.. 11. S. 260 ff. Die
Person ifiziertiiig der Scptitin artcs, wetche fiiinlicli, wie Alanns, ftchon vor ihm
Adelard von Hatli in seiner von .Tourdnin iRechercht-s critiqiie», S. 2fi0 ff.)
nach Cod. P&rw. 28^9 (siehe ohen 8 9, Anm. l^ Atuzugswei)») vor5ffentlich-
tcn Kchrift de eodem et diverso durchgeführt hAt» gebt; «nf Msrtianas
Capella do noptüa Philologiae et Merctirü zurflck.
t, Abschnitt- Logik und Erkonnbiislehrp. 17
als eine Jungfrau von bleichem , durch lanjr« Nachtwaclien ab-
gemüdelen Antlitz gesdiilthrt wird, woran sich eine kurze Skizze*
der Hnuptpiinkle des danialiiren logischen Unterrichts ') nebst
eine-r Art lirstorischen Ülierbhcks -) über die als liervorragend
jfeltenden Logiker anscblieiät. Unter den GeifenslAnden des lo^i-
scheri Schulbetrieb.«; erwähnt der Scliolasliker die Lehre von den
Topen riDil Maximen, vom «ylloji:islisr*h«?n Sclduli ntid seinen
Teilen, vom abjrekürzten SyI|oj<isniuri . von den ScIiluLileldern.
von der Inritiktioii, von dem exemplum. der Detinition, Parti-
Uon , Deseription und Division. Keine 'der anderen artes kann
die Loj-'ik entbehren, Sie isl der Sohlnssel und die Pforte zu
den Geheimnissen der Weisheit •') nnd sie hat die Aufgabe,
die Walirheit ans Licht zii ziehen und gegen sophistische An-
(rritfe zu verteidigen *).
Nehmen wir zu diesen went^ interessanten und philoso-
phjsclj bedeutungslosen Aufzählungen notli die bereits früher ')
erwähnten schiefen Ansichten unseres Magisters flt)er die ge-
schichlliche Kntwickhmg der logisctien Discipltn hinzu, so ist
aMes ersfhOpn., was sich fiber ihm thenretisiht ii l^ogiker sagen
läÜt. Die Logik war ihm wohl da;; Mittel dialektischer Si-hu-
iung lind (lewandtheit; aber ihr rein formaler Inlialt als solcher
)tiit sriricn teilweisen Subtilitäten und Spilzliiidigkeiten koimte
he^'reillit her Weise in vonvi<yen<l Zwecken (h-r Theologie die-
nenden Traktaten keinen breiteren Kaum linden.
2. Erkenntnislehre-
Aus dieser Stellung Alan's als theotogischer Lolu*er und
Schriftsteller crklSrt sich auch eine gewisse ZnrfickhaUmig auf
den) (Ji'biele der Krkenntnislehre, Nur jenen erkiHiritiiislheoreti-
schen Fragen wendet er größere Aufmerksamkeit zu , weldie in
') Anticl. "»09 D— 510 B. - ') Khd .MI BC. — ') Anticl. 510 B.
*) Antici. 509 C, hh4 D. Die Behauptung PmnM'», a a. O., S. 2t>0,
Ataons bnho die Logik .nur als ein Miiti>l der Arganic*utatit>n liehafs der
Rekkmpfuiig d«r Kt'tzi'r nnerkannt" , i^t um ho iinvorHUndHchiir , als Praiitl
einige Zeil«*n npftttr die Be<l6utung der Logik ,nls We*'kKt>uJi odt>r SchlOABct
der Weisheit, aowie als Waffe für alle Qbrigen Künste" crwfthnt.
-) Siehe oben S. 10.
Dffitragc II. 4. BAaiDKArtaar, Alnnn» da Tnintia. )2
18 Alanad de (nnilis.
ihren Kons(H|uenzpn in tlirektom Zusammenhang mit der Theo-
logie standen, nAintieh der UniversaUen- ontl MoUiodenlehre.
«, SlnnfsrrkeniitnU.
UeziVüeli tlcs sinnlichen Hrkennen^ vermögen wir aus
«Inillictirn alanisclien Schriften nur wenige Bemerkungen heraus-
zulüseii. Die Sinne, die Wachposten drs kürperücht-n Oemein-
west'iis, hah«'ii den Köi-per vor Au&eren EinilOsi^eii sicher- zu slei-
K»u '). Wiw waliniehmende ThäliKkeit . auf den Umkreis der
k^rpri-liilKii (n>ic-kle heschränkl ^J, ist zwisciien den Grenium des
litölilfh ntiil Kleinsten nnil wenif^er Krineu einpeschlossen ').
Hatten Adi-lanl von Balli und Willielm von Conches in
dem Vorgang der Siiint^wahrnehnmng ein Prohlem erblirkl,
dessen S<hwierigkeiten sie sieh nicht verhehlten *), und das sie
in eingehenfh'n Erf>rttTn(igeri im Ansrhlnli an den platonischen
Tiniaeus und l)ezügiich der Scliallprniitindungen an Boethius ■•)
zu lösen suchten, so findet sieh hierül)er bei Alanus nichts wei-
ter als die kurze Äuüennig, di-r Sehstrahl trete durch die Pu-
^) l^B pl. n. 442 D: senHtig quasi corporese civitAtis esoubiaa vigilare
praecepi , ut quasi exterorum hüstiiim prnevisuri.^ corpUH ab exteriuri impor-
tunitate defenderent
*1 C. R. I, 28, ä30 C : In spiritu vero bniti non Imbont locuui nisi
duae [>oU>ntine. quae circa corporalia versantitr. Dies« heiden Potenz«n, Däm-
lieb aeoans und imngiaatiü, bat dur uiikOrp« Hiebe MenBchengeist mit dem
Tier gemeinsam.
'} Ebd. 331 B: Et sicnt aensna deficit circa maxima et minima, it«
circa minus Bubtilia.
*) Adelard eagt in seinen quaestiones nalurftles. C4ip. 20 Oukiinaliel-
druck der Mflucbener Stastabibliotliek^: De »eoeibus istis enodandum esse iu-
dico. Nibil enim in rorpurea baminis roni|>OKitii>ne meo iudicio vel iotellectii
diflicilius vel mutua anocutloDe inexplicabiliua est meriia.
') Adelard beapricbt (a. a. 0., cap. 28i vier verschiedeDe Tbeorien
der 6«Bicbt«wabniebmung : Quantum »pud diverses coUigero potui , de
visu Mntentia quadripartita enL Kr sellist folgt der Meinung de» platoni-
schen Timaeus: Conveniat igitur, ut illam , quam pbilosüpbub approbat,
tractemuä acntentiam .... Vgl. Timacu» 4^ B ff. und Chalcidius. ed.
Wrobel, S 271. n. 230 ff BezOglich der GebOrerapfindaugen dagegen will
er von einem »o grüüeo FbiloBoptien, wie BoPthiaa [de musica I, 14 1, nicht
abweichen (quoeat. nat , cap. 20 ff.). — über Wilhelm von Couchea aiehe
Werner, Die Ku»mulugie und Niiturlebre de» Hchulast. .Mittelali , Sitxungsb.
4. k. Akad. d. Wiaa.. pbUw.-hiat. KlHsae. Wien 18TS, B. 75, Ö. Stil).
I
I. AtischniU. Logtk und Krk enn toi sl ehre. 19
pillp all die äu&eren Ge|(:enstände heran ^). Die Thätijfkeil der
beiden sinnlichen Potenzen , der Wahrm-hmun^ und der Imagi-
nation, d^ftkt er sich, den naturwissenj^cJiafllichen Anst?hauunfe'en
der Zeit folgend, durch eine Art Fluiduni, eino foint- körperliche
Substanz (spirilus physirus, naturalis, animalis) viTtniLti-lt -), olme
indessen auf ein genaueres anatomisches oder physiolojrisi-hes
Detail einzugehen, wie dies seit Constantinus Africanus von
Seite rnandicr ffinsinrher hehrer ^) biTieltt wurde. In den „An-
liilandian" wuhI wohl (rine lüiiKere IJesprei'hunjf der luiir Siruie
eingefloehten, allein in der Form einer wissens<iiafllieh wertlosen
poetisehen Allegorie, indem sie mit fünf Pferden von verschie-
dener Schnelligkeit , Wohlgestalt und Ilrrkunfl verglichen und
an den Wagen der das Wellgebüude durchfahrenden Prudentia
angespannt gedacht werden •).
Erfährt die Lehre von der Sinn^swahrnehnunig eine höchst
stiefmütterliche Behandlung, so werden andere Versuche und Erör-
terungen, welche wichtigere Punkte der Crkenutnislehre behandeln,
vollständig ignoriert. So die eines Adelard von Balh über die
Vernunft als die einzige Quelle der Gewißheit^), eines Wilhelm
von Oonches über das Ineinandergreifen der erkennenden Kräfte
im Erkennlnisorganismus •'), eines Johann von Salisbury über
'} Dwt 880 D, 916 B.
*) C. H. I, 2S. 329 D : Eet nomqut in hoinioe duplex Spiritus, spiritua
rationalis et incorporeus ... et alius, qui dJL-itar physicu» sive natiirulis . . .,
qiin mediant« fit scnsas et imaginatio. Vgl. Dist. 952 D.
') Vor allein von Wilhelm von C u n c h e s and Wilhelm von
Thierry. Siehe Werner, Der Entwicklunpaganp der mittt^lalt. Psycho-
logie, Wien 1876. a 14 ff. und die S. 18, Anm. ö citiert* Schrift de»
gleichen Verfassers.
*) AnticI. 521 C.
*) Cod. Paris. 2389, fol. 8&vft; Jourdain. Rech, erit . S. 268 ff.;
StOckl. (Joach. d. Philos. d. MiU«lalt . I, S. 2t>9. Sehr treffend hat Ade-
lard auch den l'nterwhieil zwischen der platüniachen und aristotelischen
Methoile gezeichnet (Cod. Paris. 2389 , fol. SS^a; Jourdain. a. h. 0.,
S. 267).
•) In dem sicher Wilhelm von Conches angehOrigen (Haartfan,
Hist de ]ft philo» acol. i, S. 432, 438, Anro. I), von CouHin Fragments de
phQosophie du moven-Age, !*aria 1856 , S. 296 ff.) aus Cod 1('95 de Saint-
Gpnnain (heute biblioth. nat. 140651 bruchsttlck weise vernffenthrhten und
von Migne (172, 246 ff.) unter den Werken des Honorius von Autan
(9 •
dö
Atnnus Je IdmiIib.
dt'ti AusKaiiK^'puükl des niiTischlH-hen Erkemions und dt*s5pn
Enlwickluii^rtslailU'ii '^. um! d'iv lioih interessanten Resultate,
zu tlenon der Vedasser des aus; der abaelard'scben Schule
statijiiienden „Mlier dr intrlliM-libiis^' =) jfeluntjl. Nur bt-zÖK-
lirli dirr BejjrifTslubhnii; bat Alauns einiffe. in «ler Folgezeit ix-
dfulsaiii t'e\voi*i.ie]ii' Bemerkungen eingestreut.
1i. Ilf^iiirstiililnii!;.
Die Bildung lit-r Hegrill'p wird bestimmt als ein innen»,
ifoisligfs Krfassen , ein Ergreifen der substanzlellen und accideo-
tf'llrri Korim'ii lier Dinge, wobei der innere Akt in einem Na-
men oder Laut seinen äußen-n Ausdruek findet "). Die Form
erselieint als unerlütilictie BetiiiiKung des bejtritllichen Erken-
nens*), und naib Boelhius seien es die Proprietäten odt-T For-
men gewesen, naeh denen der raensetdiebe Geist uranlänglirli
di'M Dinaren ilire Namen gegi'ben hulir 'j. Wo keine Form, da
nArhg>pilrurktf>ii KiHiuiieiitAr zum 'J'imaeiid. K^nier in Dra^miiticon philoso.
phine (vgl. Haurüitu, a. a. O., S. 444, Aiirii. 1; Wt*riicr. Kosmologie a.
B. w-, Wiener Sttsmngsb., B. 75, & 4ÜÜ).
') C. äcUaarMchinidt, Johaiinei« SareHberiviisie, Leipzig 1862. 8. 299ft.
^ Sielu^ F'rantl, Oesrh. tl. Log., II, S. 2W ff : Üherweg, ftrundriÜ.
IL 8 1?;*. 7. Auf! ; V. Ctioain, rein Aliaelardi opom, l'ariß is.M). i?. 733 ff.
bui Bt>Hpri>chuiig itfr lieiHtmigcii der einzelnen ErkiMiiittiiskräfL«! wird die Or
gflnloBtgkeit der intcllektiven Kraft gegonftb«r dou Sinnen betont (Coasin,
S. 7-34), der weitere aristoteliHrb» Gedanke vertreten, dali unsere begriffe
ohne die Hhanlasinoii uiiinogtic)) Heitin (ebd. S. 7H6) , die vorschiedeiien Arten
der bei;rifilü*ben Erkenntnis und die Theorie der Abstraktion entwickelt
(ebd. S. 73H ff).
') Sententiue 248 B : V'erbum dicitur proprie intvrior meoiis cooceptm
exUrioru voce expressua. Ueg. 3<(, «3S IJ: cum eniin veri numiniH inteUectos
Hur^t ex formae perceptione, qua re« intelligihir esse quid, vel qnalia . vei
quanU . . . Vgl. Üiet. i)iHi BC.
*) Siehe die vorige Ani». — A. f. Prot. 098 B: InleUeoius eat potentia
animae admlnicalo furmao rem com preh endend. Kbd. L 16. 001 B: . . . cum -,
intellectna naUirahs oiai adminiculo formae rem non coroprehendM.
') K«g. 17, 629 I>. Die nach you Wilhelmvon Concfaes (PranU.
a. a. 0., II, S. I9H, Amn. 99) angezogene Stelle, welche Alanus im Angt^
hat^ steht iußot^thiu» KummenUr zw den Kategorien deg Ariatntelea (BoO-
thii Opera ouinia, ed Ba.-iel löiO, .S. 112). Vgl. übrigens rdcIi Chalcidiu«^
ed. Wrobel, S. 262, n. '225: Igitur iu.\ta hanv fonnnm, qua fonnantur c«r —
pora, uoniiiia e«8e imposita robita vemm n«t . - . . : femer Uilbert*« Koio--'
mcntar zu Bo«thiua de trinitate (Botithii opp. , ed. Basel. S. 1141); Jq-
I. AbitctiniU. Lo^ik unti Erkenntnislohr«. 21
auch kfiiu- Erkenntnis im stnMi^t-n Sinix'. Daher kOnne tiiidi
demselben Uewährsninnn (JotL nrul die Matt-ne mittoUl des Be-
griffes nicht i'iKenllicli erkannt werden 'f.
Fragt man nun ^,'f*naner, wie jenes jreislijfe Erfassen zu
denken sei, wie die objektiven Formen der Dintfe in die Seele
gelangen, so antwortet Alanus, an eiin* Stelle aus Aristoleles
negi fofti)vtüti; sich anleimend, der Kiisl oder die Seele leide "i
gewissermaßen, wenn sie den BejcrilV eines Dinges besitze-}. ■
Merkwürdiger Weise talit aber der Scholastiker denselben gei-
stigen Vorgang, welchen er ehen rnit Aristoteles als ein Leiden
(passio) bezeichnete, ohne jfjfendwi-lehe VrnniltInnK zu vei>u-
clien , mit Augustin als i-ijie TlifdiKlteit der Svele. Der (Jeist
eraeuge den Begriff ans sicli, wie der Vater den Sohn-*).
Mag man auch diesen Ausführungen ihrer unbefriedigenden
Kuj'ze Wegen kein besonderes tJewii-ht beiiegi-ii, das zeigen sie
zum mindesten, ilaLi eln'istliciier St-its aii( Ans^';nig des lui. Jalu'-
hunderts die Tiialsache der Abstraktion nichl indir tediglieh
im angustinisehen Geiste, wie dies in dem Biulie de spiritu >
el anirna ^) geschieht, sondern bereits durch das Hereinziehen t
eines spezitisch uristoleliei'hen Uedankeiis. des berüiinitcn Be--
hnnnes SarcHberi(>nHiM (Entlicliciis, v. 8kI ; Mrgiit' lUO, 978 C) : Forma
quidt'iii reu t-fit, ex qu« res vora vocatur.
') B«g. 36, 688 HC: Diät. H71 X. Sieho anteii S. 52. 120 ff.
') Scntentiae "lA'-i B: l'nde et vorltum dicitiir a verbure mentitt i. c. u
nuoione, quin quodaiiuiKuIu aiiirriH patitiir, cum ab ea <le re intellectiis habe-
tur. (Da» Folgende tiacii Cod. Moii. 4r)Ht>, ». Xdl. X^^\. 12.^v.) Cnde ariato-
tolea in libro pericrminiarum ait : pa, qoe aunt in voc«, sunt earura |»aasiu-
num , qiie »ant in anima, not«. Siehe Dist. t)9ß ti. Vgl. Aristut. .iFfti
hjtttjrn'n; , [, Ajlf. : "Aon urv ovv lä fv rif ly-fin/} xthv iv rf/ i/'i'^// siaQtfiiüitav
m'itfioin .... ßücthii opp., od. Baävl, S. 21Ö: Sunt «rgo ea, qua« annfc in
voce, eaniDit quae sunt in anima. iwusionum notae.
*) SententJao 243 C : Eleganter ergo filiua dei dicitur verbum , quia
nieutis nmceptufl de inentc jiroct^dit, ita pater titium gpiiuit : aicuti aino
diminiitiüD<4 niciLs gignit int^^Hcctum , ^w. pater smv omni diminutione
8ui gignit liliuni. Vgl. Dint. SOli L*. .Sichre AuguAlinui«, do (ifii. ad litt., XII,
c. Iti, n. 33: tarnen eandem emn imaginem non i-orpiu in apiritu . sod ipse
bpirittts in bt< ipäo facit relentate mirabili. De muaica, VI. c. ö, ii. d — VZ.
*) Dp spiritu et anima, c. 24 (Migue 40, 79@). Vgl. unuere Abband*
[ung .Die Erkenn tnislehre dea Wilhelm von Auvergne" in den «Beilj-ftgea
xur licBoh. d. Philoe. d. Mtltelolt/, herauageg. von Bacumker und v, Hort-
ung. II, I, s. :a ff.
^ AJbaos de iDsalis
gfg^ ..^ UmIni«". zu erkläret! versucht wurde. Freilich
^411 lUiiM»^ ^ bHilfii gegnerischen Anschauungen noch völlig
^^j^f^-t^l^l mshen *'iiuinitfr, ohiu' in;riidwir Bedenken zu
jm^y^i Ab«r artran tialtl mutete sich, um ihre Getlung behaup-
ut ^Mitk« die aUKUätiuische Theorie , wie wir bei Wil-
'w^m v4Mk Attvvrgne sehen ^), eine zu Gunsten des immer ein-
wvrtlendt'n A r i h to t el es angebrachte Modification
lUBwt«, bis sie eiidlit-li unter Albertus Magnus und
THomA't ^^*i Aquin durch die zur Lehre vom intellecius
;-i und ugens ausgebildete und allgemein anerkannte
«/«»^WlUvhe Ansicht völlig in den Hintergrund ges<thoben wurde.
e. UnlverKulkiilehre.
*t>tktren die bisher behandelten, in das Gebiet der Erkciml-
M^-^O' rinst-htngt'ndeii Lelirpuiiklt* den Charakler (mikh' fiuJäersl
|rHKt»»'>daris4.'hen Behandlung zur Sdiau, so steht der Magister
\Am Liile auch der brennenden Frage seines Jahrhunderts, dem
K«mpf ""> ^^^ Universalien, auläerordentlich kühl gegenüber.
Kwar iiuilile er wegen der niaiinigfaclien Herührungspunkl«* mit
^ *rii(H)l«gie , speziell mit der Triuitälslehre, liier t?twas weiter
mishulen, wie er dies vornehnilifh in dem letzten Absdmitl seiner
„Hegulae" thatsächlich iliut '). Aber trotzdem hätten seine ErÖr-
(«H'uiigen auch in diesem Purikl kaum abgerissener und kürzer
■) Vgl. Baumgartner, Die Erkeiintnistehre d«s Wilhelm von Au-
^^PVfM. a. «■ 0., ä. bh ff.
*) In der Ausgabe der .Kegulae* von Mingarelli beziehungsweis« von
MiitD*) ^^^^ ■1"'' ^'^ ersten 10 Regeln iIoa nach Mlgne'scber ZAhlung in der
Mitte von Hegel 115 beginnenden letzten Abschnittes abgedruckt, während
dio weitaus gri>IJte ZaIiI der Handäclirirteu neb»t der oben (S. 5, Anm. 3) er>
wJÜinten. in der Müticbener ätaatabibliothek betindtiehen Inkunabel noch neun
wettere , voniehmlif^b für die Universalienlcbre des ScholaaÜkera in Betracht
kommende Kegeln anfQgon. Die Echtheit und die Zugehörigkeit diese«
Schlu&teilea zu den .Regulae' steht außer Zweifel. C1. Baeumker bat die
bei Migne auagefatlenen Propositiünen mit Ausschlnfi der darauffolgenden
ErlÄuteningen nach dem Litionfeldor Cod. n. Ii4 veniffentlicht (Handschrift-
Itchea zu den Werken des Alanu», Phüos. Jahrbuch d. GörrBsgesellscbaft,
^ß. VI, a 4'21 IT: Separatabdnick . Fulda 1894. S. IT ff.) Durch die Lie-
•wttrdigkeit des Herrn Profesbora Baeumker war ca mir möglich, den
[.ilienfolder Codex Kur Verbeüaening des gesamt«D TeJites der Regeln zu
benviifcn
F. Abschnitt, [.»ogik iiiitl Erkrnnüiinlehro.
23
.«usfallcn köniH'u. \Vi*pchlicli suchiTi wii- iiacli eiiior jfescliiclil-
licheii Orientierung übtT die so zuhlrt-ich aufpetrelcnen Partcian-
sichten, wie sie in sehr verrtJonslvolKT Woiso von Johannes
Saresberiensis ') geboten wird, vi'iyi -bhch nach einer Polemik
gegen die eine oder andere Srhulrirhluns:. Für den Thf*oloi<«ii
Alanus scheint das Problem bereits end^'illiK entschieden, iudemC.
er sich, ohne jetriichi- BeKründun),' dieses sl'Iiil's 8r-lintles, auf'
den ätaiidpunkl der Universalienlehre des (iilbertus Porre-
tanus stellt.
Das Eigentümliche der <fitbert 'sehen Tlieorie lii'i^l iiudi
dem Urtrik- des Saresbericnsis -) in der AursteHun^. dalÄ dio
iVJjbilder der göltliehen Idt'cn, die „tbrmae uaLivat-", den gi-schat-
tenen l^injren in singulärer Weise, als Eiiizelnexistenzen, inhärie-
n'ii, währiTid das Allgemeine in der Conlbi-mität jener indivi-
ihuM i'xistin-iidt'ii Formen zu erblicken sei. Wir ziehen diis
H*'fonit .loliuuns herbiM , weil es mit seltener Prägnanz die we-
senllielien Momente der Anschauung Gilbert' s heraushebt, an-
dererseits dieselben Punkte von Alanus als eigene wissensehall-
liche Überzeugung vorgetragen werden.
Den ausgespi'ochenen R t-a 1 i s ni us unseres Seholaslikei's
bekundet schon die Passung des Urteils als Aus<lruck der
realen Verbindung einer Proprielät mit einem Subjekt '). Prä-
dizierl werden heiül in realer Weise inhilriereri *). Aber auch abge-
sehen von dieser unbedingten Verwandlung der logischen Ord-
nung in die metaphysische oder reale, werden, wie bei Gilbert,
die Inhalte der Gatlungs- und Artbegriffe als „res" bezeichnet
') Hetalogicus II, 17: Mtgoe 199, 87A A ff.
*) Kbd ; Migne 199, 87.^ D: Porro alius , tit Amtotelem exprimat,
cum Oilberto episcopo Pictaviensi universalitatom formis natrvia attribuit et
in pHniiii conformitat« Uborat; eaX aut«m form« oativa ori^inalis exempliim
tit ()U«(> non in mente dei consiätit , aed rebtis rreaUs inhaeret ; haec
graeco elo^uio dicitur fi%>i, haben» »e ad ideain ut exeinplum ad t'xcmplur,
.senHihilJM quidfin in re sensibili, aed mente concipitur inaen»ibitis , äiagninris
quoquc in aiu^nili». sud in uinntbuti universalis.
^) V f. I, IH, 6Ü1 C: Cum enim <:ircA tliui» teritiinott liiiiotinuH >erniu
versftur, sitbieetuui 8ciHu«t , per ijuod exphmitur, do t^uo fit tiormo , ot prao-
dicatum, quod subiecto cupulat pruprieUtem vel Formani.
*) Reg. 12, B2ä A: Eadein ratlone nee de aimplici aliquid praedicatur,
enm pracdicari nihil aliud sit quam inhaercro. Vgl. Reg. hü, 642 D
>
^
1
M
Alanus ilu Imutis.
uiki ihiHii ilie Rolle von Realitäten und Ursachen zugeschrieben.
AUnus tfpHclit von der „lonifiludo**, von der „albedo", wie von
WliKiMi '). Selbst dem Be^iff der Einh«.'it (iKiilasJ i-nlsprichl
<to» RetthtAl •), Die „Jmmanitas" macht den Mi-nsehen ') , wie
tW* ,,alhiMlo'' das Weite, Farbige und Sobeschaffene bewirkt '(.
1% (iHUuitgen und Arien, von Substanzen sowohl wie von Acci-
(leiuien. figiirieren als l'rsaflu*n, als „causae snhslunlitiles" be-
welmuirswcise „eausae accidenlales" ^), und als sülrlu* cnlhallen
*ie nach dem Zeugnisse des H il a ri u s den (\ rund und die
Uewfthr Klr die Wahrheit der prädikativen Aussage, die ohne
'»ie inhatUlos würe *').
*) R«g. 26, A33 C: Linea e«i longa, et hoc nomen .longa' et res liuias
noRMniit, i. c. longitudu, traosfertur «b oo, cuiwa est Ebd : Monachua
9m nIoDn. (fanafortiir hoc nonieii albus «tl boi?, ut conveniat monaclio. aed ntm
rv« noiiiinis. Cnm enim inunachita dicitur nibua, non dicitur. <juod ait affeetaa
tlbiHlmts *mh1 quift est albi habitus.
') Hvg 12^1, 684 R: aicut Socrate» dicitur homo humafiitato, ita UQua
nitilAtp, quac eomitatur illam liumanittttcm, et ita dicitur iimi» lionin. Alitnii»
dvnkt hier genau wie Gilbert (Boöthii opp..*'d. Basil, .'^. 117S|: iinilo!» omniiitn
ft M divinurum in quiUibet facultatum genere praedicaiiKMitorum comes eat
ÄÄ« Prantl. Gesch. d. Log, 11, Ö. 222, Aam. 477 ff.
") C. H. I, 5, 811 B: Si humanitas, quae eat natura aabstantialia
hominis M cauaa formaliB, immutabitis eät, iuirnntabilis et t>fl!c4;tuii eiu«, i. e.
tacere bomincTn (wir citieren nach Cod. Bcmensis n 335, s XII ; Über die
Handachrift vgl. Baeurakor, Philoa. Jahrb. d, Gtirreajfes, B. VI, S. 417),
') K«g. 1, 62.'^ B: Undo albedo facit album. facit cotüratum. facit
viunlem. Vgl. Cod. Lilienfeld n. 144, Keg. 11 (di« Handschrirt l)eginnt> wie
bei den zwei vorausgehenden Abschnitten, su auch beim letzten, als» mit
Kegel 116 nach Migue, eine neue /.Ahlungl, fol. llH'b: allwdo enim facit
albuni. colurntum, quale. Siehe tiilbert (Uo^tbü opp. , ed. Ba^d. S. 1142):
Albedo ... et qualem ... et coloratum ... et album . . . facit.
") Cod. Ltlienf n. 144. Kog. 11, fol. llK'b: In ojituralibuii uutcm cauaae
aubstantialen, generale» vcl speciales, compo^iiae sunt ex pariibus suarani
dftinitionum, ut haec specieahomo . . . ., hoc genua anim&l similiter. Causae
vero accidentoles, ut albedo, nigredo, compomtne sunt ex divcniia efTeotibua.
*0 Reg. 116, 681 D: Umne dictum usque adeo a cauaa est, ut si cauita
mm facrit, iponm quidem vacuum ait . . . ■ I't enim testatur Hilariua: In.
irlligentia dictonim ex rausia cet aaaumenda dicendi. (Hilariua de trinitate
IVf n. 14; n, n. 81: omne enim dictum, ut dicatur. ex cauaa eat ... .)
.... Qood enim Petrus dicitur oaae homo, ab humanitale eat, qood albua, ab
ftlb^tne .... Vgl. Ariatot. Praedicam., c. 12 (Boßthti opp.. ed. Basel,
S. '^Ot*): Etft Auiem quidf^m vera oratio nequaquam eamia, at Hit rea, venim*
lAinen videtur quitdammodo res causa, ut sit oratio vera.
7
[. Abftclioitt Logik und Krkeiintnislehre. 25
Verlolgen wir die excessiv realislisclie Denkweise unseres
Alanus weiter, so stimml er mit Gilberl überein, wenn er auf
dio Autorität vfiri BoPlhius ') hin die oljjektiviortcn Inlialto iJor
Gallungs- und Arlbegriffe , die geschaflont'n irdischen Formen,
von deren Urbildern, den ewijfen, immaleriellen Ideen im götlhchen
Geiste, untersrheMdei und sie den Dingen immanent sein IflÜl als
ihre substanzjalen Formen, Naturen, Propripl;ltcn , als ^
ihre formalen und inneren Ursaelien -| — Ausdrücke, wie
sie neben dem häufigeren „subsistentiae" sämtlich bei (Ülberf*)
vorkommen. Am deutlichsten jedoch springt seine Abhängigkeit
von dem Bischof von PoiHers in <lie Augen, wo er von der
„singularU;is" und „ctmforniitas" jener Naturen spricht , wo es
sich also darum liandelt , das Verhältnis der Naturen oder F^or-
men zu den empirischen EinKotndingen und das eigentliche We-
sen des Universale zu bcstinnnen. Diu Correlale der Begriffe
— so nimmt Alanus mit «iilbiTl an — existieren nainlit-h nicht
als allgemeine Subslanzun in» Sinne eines Wilhelm vonCham-
peaux, sondern singuiär und individuell, d. h. ebenso oft ver-
') Disi. 796 D: . . ■ ande Bodtliius: non uportet nos detitici ad iiuHgi-
nariiut forni&s, ä*d hiI Tunnas aet«rna«, es qiubus aliae »uiit. Vgl. Hui'thiuä
de triii. 2 (eil. Feiper, S. I5*i, I7j: . . . uettue diduci ad ima^inationcs. äod
potius ipBHUi itispicoru fnnnam, i]Iibp V(>ru forma nm*. ima(i!o i>«t . . t^bd.,
S, 1>S4, 5U: Ex Ins enim fomiis. quae praeter mafceham äunt. istav formae
veiierunt, quae suut iu matcria . . . Siehe Juli. .Saresh. Mi'tal. IV, 35
(Migne löti, »^8 C|.
') C. H. I, 58, 360 C: Tranbäubstontiatio est iUa specie« mutatiuntSr
SMundura quam et miitatur mataria et subat&ntialiB forma £bd 1,5,311 B:
humaniiaa, qaae eut natura auli^tantiuliri liominis et caiu»a formalis. Dist.
960 A: Subatantta transuinitur ad biibHUuitialem proprii^latfin sive 9ul}«t4Ui-
tial«in nattirain. V^^l. Diät. 98Ö H. Reg- 120, 6H2 I): Intrinseca causa est.
pur quam res, cuius eat, est vel aliquid eat. ut corpua corporeitate t-tit, colore
vero est aliquid. (Wir K^beii den Satx narli Cod. Lilienf. n. 144, dpr allerdings
das ,eat' nach „eiiiua eat" auslft&t ) Bextlglich dos titmiinti« causa ist noch
vorige S, Anm. 5 zu vergleichen.
-*) Bofithii opp , ed. Basel, S. 1255: Natura enim subsistentis est, qua
ipflum flubflistons aliquid est. llae vero .sunt Kiibstantiales formae . . .;
S. 112H: proprietates 8ubstaiitia]e&, quibim ipsi sunt; S. 1154: et est quiHoni
corporalitat« corpus ..... borum (fL li. der Accidenzien der Farbe und der
BegreDEtfaeit) corporaJita» cauaa est; S, 1142: Nam et ea, quae est Iota
forma subetantiBe bomiois, non modo «x eo, quod ip^a tota eutn, in quo e«t,
facit homiD«in ....
26 Alanus de Insutis.
viclfälUizl ., als die Art Individuen zählt. Es giebt ebenso viele
,^iuiiianilales*' als Eiiizelnmenschen '). Konsequenter Weise kann
für einen dorailig'en inrlivic^miislisphen Healismus das Moment
der All|femeitilicit mir iti der Alinliflikeit, IdcntitiU odur Confor-
iiiität ^) jener siiij^ulfiri'n, rnilividnell jfedaeliti^n Naturen oder For-
men gelegen sein. Ihn^ I'riivHival** rtnluziert sich auf eine blofäe
Relation, eine Ahnliclikeilsbeziehung") zwischen jenen individuel-
len Healitäten.
So bietoi die Slellungnalune unseres Magisters in dem viel
verhandelten Streit um die Universalien keine neuen Gesichts-
punkte. Was (iilbert in seinem Scharfsinn ausgedacht, das
webt Alanus den Orundzügen nach in seine theologischen Re-
gchi ein, nlchl ohne jenes (ii*fülil dei' Sicherheil, welches sich
im iinheÄtritlenen Besitz der Wahrheit glaubt. Höchst bemer-
kniswerl aber lileibt es, dals jene^ Jahrhimdert, in welchem der
Kampf zwischen Nominalisnms und Idealismus so heftig geffdirt
wunie, mit einem Healisnius endigte, welciier die Correlaie der
Begriffe nicht über die Dinge , sondern in sie sellisl hinein ver-
legte. Der Sieg des realistischen Denkens im l^. .lahrhundert über
Plato, wie über tien Nominidisnms, an welchem der jlurch Boe-
Ihius überliefert^' Aristoteles rim-ii nichl gi-ringcn Anteil hatte.
'I Heg. 28, 635 B: Non enim vertMÜceretur : PetniB PSt aliiia boino quam
Paulus, nitti alia humanitate vaaei honiu (|uam Puulua. Vgl. Cud LtUenf n 1-M.
lieg. \b, fol llHva: llt ttocr^t«« ot pluto tücuntur natiiraliter conforme«
8Dis singntaribna hiinianitatibus eu8 similitor eunrormantihim. Klid.. Re^ 16:
.... Hucratt?8 t>l ])!ato iliveret ijicuntur aiiigularitatt* duaruiii huntanit«tnTii.
Sioli4f Ujibcrt (.Bi»^thn xipii , ed. ßai^d, 8. 1241) : Uiiuh eniin hoiuo una singtilari
bnmanitate iit plnrihus human it.atii>UH pliires homincs et sulmtantiae.
") Cod. Lilicnf. u U4, Reg. 13, f»1.118rbff.: Ui sncrote« et pUt» id«in
sunt natura, non ydemptitate singuUritaH» , setl ydemptitate conformitAiic
Kbd., Kog. 14, fnl. llH^a: IdemptifaH naturae vel gfneris in conformiUte
cunaistit. Eb<l., Reg. 15: Cünformitaa ej«t dingularium naturanim plena
»imilitudu.
') Kbd., Reg. 14 : hoc enim iioinen confuniiitA» pluralitat-em insinuat.
Unde non atteiidttur in natnro Hingularitat<' , sod in naturanim similitudine.
Vgl. Gi)hprt(Bi>@tliii opp., ed. BaAel, S. 1136): Dicuntur etiam multa subaist^ntia
uQuni et idem uon naturae onius singulnritate . Bed multanini , qua{> rstione
»irailitadiniä fit, uniono .... Hk, quao divcrsarum naturanim adunat roiv-
formitos , gcnere vel epecie nnum dicuntur. Siehe Praotl, &. •. 0., 11. S.
222, Anm. 474.
T. Abschnitt. Tiogjk iin«! Krk«>nntni8]ohr6. 27
mnläte hei rier MöKÜchkcit eines einK*'lifndcren Studiums des
Stagiriten nultii-gtMiiätä ein volloTi(li't<-r uihI allgemeiner werden;
denn die übprliefi/rte realistische Tenden;^ der chrisllirlion Lehrer
fand in dem durdi die Araber bektiiiiil fe'ewordcjien ^ixiiZL'U
Aristoteles nur eine glAn/.ende B<^trdi)^ng.
d. Mt-thodeiilehre.
Wenn auch iiichl völlig original . so doeh weit seibsLäiidi-
diger als in der Universalienfrage tritt Alanus auf in dem in-
liTessan testen Punkte seiner erkeuntnistheorelischeri Erörtcnui-
gen, in der Methodenlehrr. (Irrade um seinrr nialhema-
lisch-dedukliven Methode willen ward er von den Ge-
schichtschreibern (Jer FhiJüsopliie von jeher gerühmt und mit
einer gewissen BereohliffuriK den Vertretern des modernen er-
kenntnisll]('on4is('liHti rtiitioniilisriuis . ciiiHni Clarlesius, Spi-
noza, Wolfi', an die Seitif [/rslelll. In iler Tliat nehmen auch
seine beiden systematischen Schriften, die „Regulae" und die
„Ars fidei", in der Lilleralur des zwölften JahrhuntJerLs , was
iJire inoHiodische Anla^'i' tniil l>iirchi'ri})ning hMrillt , eine Art
Ausniihniosteliurij*' ein. Ihirch das hemlnle methodische Mo-
ment sich deutlich von den gewöhnlichen Summen und Sentea-
zenbüchern unterscheidend'), bilden sie die merkwürdigsten
Denkmale jenes cigmiirtigen mitlclallerlichen Hationidistniis,
welcher bei Scotus Eriugena mit ungemessener Kühidieit und
Schärfe begimiend , bei Anselm in seinen Ansprüchen weit ge-
mätäigler und bescheidener auftretend, bei AbAlard aber wie-
der anspruchsvoller werdend , im Vertrauen auf die Veninnft
leiliglich aus Hogriffen und allgt-nieinrn Sätzen durch das Mittel
des Syllogismus alles, Gott und die Welt, die natürlichen, wie
die Glaubenswahrheiten, zu deduzieren versuchte.
') H. Ritter (Geeoh. d. Philoä., VII, S. 594 ff.) stellt sie mit de trini-
tat« des Richard von St Victor und mit ilen Sentenzen des Lombarden
io Vergleich. Deraelbi' trifft jedoch nur ineofuni zu, hIh Richard dir Tri-
nititalehre auf non itiodo prubabileti, verum etiatn nt'nesMiria» rationes (de
trin. ], 4; Mtgne lÖC, H92 C) basieren vÜl, und der Lombarde, wie Ql>er-
haupt die Sententiarier , den Glaubensinhalt an der Hand einzelner Tbesen
entwickelt. Ks fehlt dagegen den Schriften der beiden Lehrer jene cfaarak-
tezistiacbe forroelte Gestaltung, weiche Alanus seinen Arbeit«n zu geben
«eifi.
28 AUnu» dp Inmilie.
Hrillc nun rtiR-li ht-i »Ion vWn gHiannUn L)eiikt.'m die
apriorisllschc ErkennlnisrichlnriK sf:hoii Ifuipsl eine ki-aflvollf
Vrrtretmijj jrcfuiuli'ti, sn schöpft dovh Alauns zuiiuisl ;ius ganz
anderen (^)iifll*'ii . wenn er seine Anflicht über die Melliode der
Wissensehaflen entwickelt und pniklisch betfu'dipt , iiäniüch aus
BoOlhius und dessen Kommentator <iilberl de Ui Porree,
Boetliin^ he/.eiclmel die rn:i1lieinatisfhe Mclhnde als die
wisspnsclijifllidie Methode ') rit)erhanpt und er verlangt zum
Zwecke der Arpumenlatton unbeweisbare durch sich selbst eitt-
leuchlende SSlze oder Maximen *). Von diesem Gedanken aus-
Kcfu'iid will der Verfasser der „Regulae", }?U>ich Gilbert, die
niatliemalische Deduktion iUif rlas gesamte Wissenschaftsgebiet
uusgedi'hnt wissen. Zwar siiielen aucti die Autoritäten hei ihm
eine Rolle und er vei-wertel sie in .^tlonlra f lid-rtdicos" aas-
piebip K^nu^, allein als Ideal der wissenschalllielien Keinonstra-
lion schwebt ihm die ralionelle Be^rnndun^r auC sylloiristischeni
We^re ■'), aus höchsten und alltrenicin anerkannten SAtzen vor.
SAmllieiie Wißsensr haften stfilyeii si<h auf solche oberste
Regeln, welche, selbst keines Bt^veises bedürfli;r, das Fundament
und den Auspanpspunkt für die Denionstration innerhalb jeder
einzelnen Üisciplin abhoben '). So hat — um von den melu:
') De hebdomadibus . PioJ. feJ. l*eiper, S. 168}: t^t igiUir in mathe-
maiica fieri »ulet ceterisque otiam ilisoiphniä, praeposui Unninv« rc^ilasqa«,
quibus cuDcta quae vecuntur ofiiciain.
"I De differcntiis Topicis{BoPÜiii npp.. cd Basel, S. 859} : Propasitionuili
quoqotf nliae sunt per so ni>tae et quaniin probatio nequeat invcniri, »htiv, qni»
tAmot^ii antmnH audientis probat eiäqui- coitKentiiit , t4ini<'ii possunt aliiü hu-
periorihufl Hpprobari. Et illat? quldt-iii, quarnni null» probatio est, m&xiina«
et prinrijtaleH vacatittir , quod jiis Ülas necesäe eat approbari. quae ut dcinoti-
»trari valeatit non recuBaut .... Quae propoäjtionet» cum tidem aui imtara
propriam gerant , noii solum alieno ad ßdem non egent argumento , veruju
caeteri» quoque probaliouia aolent esse prinriptuni. Igitiir per ae nntae pnn
positioni'S. qnibus nihil est notius , indcmonstrahileu ac inaximae et principA-
lee vovantur. Vgl. ü 2Q, Anm. 3.
'0 C. II. I, 30, 333 A: Sed quia auctoriias cereiim habet oasuni. i. o.
hl divennm yotesi flecti sensuin, rationibas roburanduin eni.
'} Keg:. Pro]., 621 A : Omiiia ncientia suis iiitifcor regulis veltit proprii«
fundamentiä . . . caeierae Rcientiae proprias faabent regulaa, quibiis uitiintnr et
quasi quibuaiinm tcrminia certis clatiiluntur . . . Vgl. Gilberts Kommentar
(Boetbii üpp., ed. Basel, S. 1187): L't igiturtuaesatisfaciaoi poatuiatioui, fecisic.
1. AWhnitt. Logik uaA ^rkcnutnislebrt'. ^
OflfT niirnttT willkfirliclien RcgrHn dfr Grammatik zu schweigen —
dif niült'ktik ilirc Maximen, die Rhetorik ihre lot-i communes,
die Ethik ihn* geiierules sentenlino, die Physik ihre Apl»orismon,
die Arilhinotik ihiv Porismata, die Musik ihre Axioniata. dio
Geometrie ihre Theoreme, die Astronomie ihre excellenliae *).
I><*ii prolaiion WIssensehafleii gleich besitzt auch die Tlieologfie
itiro Maximen, die unter mannif; fischen Gesichtspunklen betrjiclitet
mit den versohiedenslen Namet» : prtradoxae, aenif^inata. emble-
mat;», enlhymemahi, hebdoniiides ansge/.eiehni*t werden -).
Ohne jinf tlie ührijren ÜisiMplinen weiter zu rrHektieren,
maeht nun Alanus in j*einen MHe^ulae*' den seilsjimen Versuch,
den ursprüngHch lo^schen Betfriff des Axioms in die Theologie
einzufahren, die obersten Sätze, die Maximen oder Regeln der
theologischen Wissenschaft im einzelnen festzustellen, jene The-
sen zu bestimmen , wehthe seiner Meinung nach , wenn auch
iilchl hei der \iri>Üi'n Mitsse, so doili in der <ielelirlen\vrl( den
Clmrakier allgemein unerkannter Sülze besitzen =*), um auf ihnen
nt Rßri solet in MatfaeniRticii maxime dtsripitnn. i. o. Arithtnetieo. Oeotnetrin,
MusicB . Aatrumtmin et in eeteria etiaiii plurihnn rlisciptiniä , ut in prneitica-
mentt.i ft analjtiris , fn iiutluH i|iineilHiii tu'i-utiirr» tractatibiis noeesaariu
prnepoDuntar , vitlelin-t proeputttii titniiiiios rt'^iiIsMque. Kosdem quoä rorat
l4>n»inos, viicnt ftiam rogiilaa. ^^d ri^gnlaA quidcm , quonium locsli similÜD-
dine riiulta c<mtiiit<nt , tfrmrtiufl vero , quonium vx eoruni prinripiis doiiiüii-
tttmtio prapoHitonirn di'ijtu'itiir el eonim postri'inis inHuctionibiiH taniquani
finibus tcrminatur. Wie aus iIod angeführtfii Stellen, insbeKundpre aus ihrer
Teniünologie , erHichtlich ist, schßpfou Gilbort uiul AIriiuh zunächst aua
Bo^thiuB, während die. Originalqucllc, die Aiialyttcu poflteriura (I, I ff;
II. Um dee AriatotclcH, mir nebenbei crwühut winl als pin Buch, in wel-
chem, wie desgleichen in den rradicamenten, die Methode dea boftthinni-
Achen über d** hehdomadibus bofolc;! sei Dafi die Kenntnis der Analytik
von .Seite Gilbert'« ein« ganz niinimale war. bat schon l'rantl t<tesch. d.
Log, 11. S. 217) bervorgebobeD. Die von una ciüert« St«II(i scheint ihm
Qbrigcns entgangen zu sein.
') Reg. Prol., 621 A ff. Dieser Passus ist teilweise, von den otymolt)-
giaohen Erklärungen abgoseben . fast wörtlich ans Gilbert (S. 1187) ge-
nommen.
■) Ebd, 621 H (T. Di« Ausdrucke finden sich mit Ausnahme von
Aentgraata sftrotlich bei Gilbert (S. IIH."^).
^ Reg. Prol . 622 B fl : Cofiimunis imimi conceptiu est cnuntiatio (mit
Coli. Lilienf.n IM), quam quisquc intelligwi« (mit Cod. Lilionf.l probat nuditam . . .
Eleganter autem dicitur communis animi i. e. mnitonim aniiiiorum; ad hoc
enim , ut ait maxima . oportet ut ox natura vel artificio in plurium noUtiam
tö
Altnu de Inaalu.
in beigefOgtea Erläuterungen ein umfassendes System des ganzen
Glaubensiii^ialtej; mit Einsdilafi der Mysterien auEzubauen. Die
Auäfötirung dieses morkwürdipon Gedankens bietet natüriieh
nichts anderes als eino Aneinanderreihung teils durch die Tra-
dition geheiligter*), aus Boethius-}, Pseudp-Dionysius ■*),
Auguslin *) und anderen^) «itnommener, teils selbst formulier-
ter, oft in überraschende Wendungen und Wortspiele gekleide-
ter theo lojriso her Sfitze mit nachfolgenden Erklärungen , wobei
die einzelnen Proposilionen , wo nur irgendwie möglich, durch
den Faden logischer Ableitung mit einander verknüpft er*-
scheinen.
Äuiaert sich das Streben nach rein deduktiver Behandlung
der Th<.'ologK' in den „FU'guIfir" - einer olTenknrHUgcn , ins
Breite gezogenen Nachahmung der in Bofthius „liber de heb-
ilomadibus'* aufgL^tellten Regeln *) — in der höciist eigentümli-
veaiftt , ot «i ad aliud prftb&ndain accedat , alt«nuä probatiooe n«n cgefti.
Unde indenioDMtmbiliH , per se nota ot mazima niincupator .... Tlieologi-
canun aaU^m maximanim aliae veniunt in notitiain maltonim, ut haec : uniun
eaM rerum principium ; aliae in nntitiam paucoram i. e. sapientum , ut haee :
Omne simplex esse bquid et id quod e»t nnnm habet. De his igitnr, qnae
vuiijunt in iiutitiaiii pauconiiii, atiendum oat Vgl. ßufthius, de hebdoniatl.
(tKl. Peiprr, S 169): C^nrnuniM «nimi conc4>ptio nat entintiaüo, quam quiäqae
probat aiidttan). haraiii duplex moduH eat : nani ana ita comntuniti eat , ut
oTnoiam eit hominum .... AUa vero est doctoram taiitum , -quae tamon ex
talibus communis animi com-eptionibiu venit .... quae non ralgus, sed
duoti (^ouprobant. Siebe den Kommentar G i 1 b ort ' 8 zu dieser Stelle (S.
1187), an welchen Alaous sich enge anBchlie&t.
') Keg. 8, 628 A: Unde secundum lioc vidütur illa regula tradit« ease
A quibusiUm.
') Z. B. Reg. 8 (Boeth. de tnn. 4, ed. Peiper, 8. 1S6, 17 ff.]: Reg. 9
(Ebd.. 8.157. S2); Reg. 10 (Ebd.. S. 157, 26); Reg. U (De bebdom., S. 169);
Reg. VZ (De trin- 2, 8. 158, 41); Reg. 14 (Ebd. 2, S. 162, 20).
") Reg. 18 (Dionys. de coel. lerarchia , c. 2: Migne 122. 1041 C).
Vgl. Thomas. S th. I. 18. a. 12, ad 1.
*) Reg. 4 (Augustin. de doct. cbri.st I. 5; Migne H4. 21); Reg. 22
(De trin. V, 8; Migne 42, 916 ff.).
'') Reg, 1 stammt aus der (Ulschlich dem BoJ^thius zogetfilten Schrift
des DominicuH (iundisalvi de untlate (Currens in «Beiti-ftge z. Gesch. d.
Philoa d. Mittelalt.', heraiisgog. von Barumker. B. I. H. 1, 8. a). Siehe un-
ten S. 124. Rpg. 3 und 7 sind hilchst wahrscheinlich dem über Herme-
tis entnommen. Vgl. uiitt-n S. llx ff,
') DalierielbetvortitAjidlich auch der Titel .Kegulae* oder .Mftximae*^
\. AbarliniU. Logik nnit Erkenntnislehrc. ftl
chen , in der ganztJi nutlelalterliciion Litleratur völlig isoliert ')
dastehenden Form, die Glaubt-nswahrheiten unter dem logischen
Gesii'hlspnnkt von Axiomen zu belniclilen» ihnen die HeileiiliirfK
von iillKenicin anerkannten Sfit/en zu ^eberi , so komnil die
mathernatisch-iU'dnktive Methode zu ihrer naturgemäßen Ent-
faltung iti di*r „Ars fidei**, welcher ebensosehr wie den „Re-
gulae'' das elM?n genannte boethianisehe Buch als Vorlage ge-
dient hat. Werden dort eine iieilie von Sfitzen , auf welche
die folgende Entwieklung sieh stützen soll, vorangeschiekt, so
-schlAgt Alanus in seiner „Ars*' den gleirheji Wi?g ein, nur {lii6
er seinem vorangestellten , zur Beweisroiirung erforderlichen
Material eine reichere Gliederung giebt, es in DefinitiontMi, Po-
stulate und Axiome auseinanderlegt '). Mit Hillo dieses drei-
fachen Uüstzeugs werden nun philosophische Sätze und lier
Hanplinlialt der (ilaubenslehren, die Mysterien der Trinitäl und
Incarnalion nii-hl ausgenommen, auf dem Wege des Syllogisnnis
deduziert mit einer umfassenden Systematik und Konsequenz,
wie wu- sie in anseimischen und abaelardschen Schriften
nicht finden. Wir worden vielmehr lebhaft an <las von Spi-
noza in seiner „Ethik" 4'ingehallene Verfahren erinnert. Wie
jenes Werk des neueren Philosophen, .so ist auch die „Ars fidei'*
') Allrrdtngfl hatte lieroits dor Viktorinpr Rirhard gcwi-ise theologt-
Mcliväätze bIh Maximen (kKt Kegi-ln bezeichnet, allein er dehnt die^f-n Be-
griff nicht auf die Hämttichen Glaubens Wahrheiten uis nnd noch viel woniger
UDt^mimmt er es, sie in dieser Form in einem eigenen Werke zu behandeln.
De trin. I, 20 (Migne 196, S9fi D ff): Contingere itaque videtur qiuisi qua-
dam dot<^ natura« , quod eoncti paem* tarn eruditi quam minuu eruditt sulenL
hatwre fuiniltare et quaai pro regula teuere, Deu videlicei , quidquid Optimum
iudtcant. incunctant^-r attrihuere .... EhI itaque eruditis velut maxima
prupuuitio, 4tflt cunctiH tn cuuimurie veluli communi» aninii ctincepttn , deo at-
tribaere. quidquid altiuB attingit humana aeittimatiu.
') A. f. Prul. 597 ß ff. ; DeAi-ripttonea uutem appositae sunt hac de
eaoBa , ut appareat, in qun »en»«ii ac qiiot modi^ Ktiir; arti \'<M^a))itliA sit uten>
dam. (Die Stelle iät korrigiört nach Cod. Paria., biblioth. nat., 6069, s. XIII,
f. 152''.) Tres autem potitione» aubiunciae sunt sie diciac, quia cum prc^
bari per alia non possint tarnquam mnxlmoe licet non adeo evidentes, verum-
tarnen ad probationein sequentium iltas peto mihi concedi. Commones aut«m
atiimi conceptiones sequuntur sie dictae. quia adeo sunt evidentes, quod eas
auditaä (itaiiin animus c«ucipii e«se veraa Hae aQt4*m uunt ad probatiunem
0«quentium totruductae.
i
S2
Alauns du Insitlis.
des miLtelaUcrIichen Scliolastikeis , loiii formell angesehen, ein
vollendelfs melhodisclies Kunstwerk ') . und die maÜieumlisdie
Di'diiktion, wie sie das Milti-lMltcr -iiH-ziell in seiner Alteren Pe-
riodr auffaßte und anf ilie Tln-ulai.'-if ariwanilti', hat In ihr ihren
prägiianteslfii Ausdruck ^'cfuijdfrj.
Überselmuen wir die bisherigen Ausführungen , so liegl
deren Kernpunkt darin, daü Alanus die Theologie wissenschaft-
lich iM'gnMMli'ii will und dii'si' AiifKaix! nach jener Methode
durchführt, welche er mü' dem ganzen damaligen Wissenschafls-
gebicl in Anwendung und noch dazu durch die Autorität des
Bof'thius gefestigt fand. Zwar drängte die ganze Richtung der
Zeit zu einer systemalischen Hehandhjng des Glaubensinhallos.
Anselm, Richard-), Abillard und andere arbt-ilelen nach
derselben Methode, aber noch keiner hatte mit solcher Betonung
es geradezu -als sein wissenschaftliches Programm ausgegeben,
die Theologie in mathematisch- deduktiver Weise zu gestalten.
Alanus hat auch hier aus den v<irangegarigenen Bestrebungen
die Sunmie gezogen , diesmal aber sich nicht lediglich receptiv
verhalten, sondern mit Einsetzung eines bedeutenden Malies
eigener Energie dazu beigetragen, die Theologie auf das den
I Anscimnuiigen und MiUeln seiner Zeit entsprechende wissen-
schaftliche Niveau zu heben und niil ilir das Princip der syllo-
gislischen Behandlung auls engste zu verknüpfen, hi der That
nahm auch das dreizehnte Jahrhundert ji-nes Verfahren als ein
Erbstück aus dem zwülflen herüber.
c. Illnube inul WisHeu.
Wenn ih'r Insulenser für alle Wisscnschaflen, die Theologie
mit einbegriffen, die deduktive Methode proklamiert, wenn er
die ciiristlichen Mysterien der Trinität , der Incarnation , der.
Auferstehung einer rationalen Begründurig unterwirft, so tritt
'} Daher oacb sein Name. Ä. f ProL 597 6: Nempe editioncm haue
,Artt<m cathnljcae Bdei* morito iipp«llo. Jn miHlum arüs composiU dcGnitiooc«,
(lialinctioneH continet et propoflitioofH artiticioso siiccessu propositum com-
probantes.
") in seiner nfter erwilbniea Schrift de triiiitAt**. Siehe obea S. 27,
Anm. 1, 8. Bl, Anoi. 1.
1. Abschnitt. Logik niiil Erkenninii^lehre. SS
er unstreitig für die Forderungen eines erkeiintiiiHtheoretischen
Rationalismus in die Seiiranken. Es Tragt sieh indessen . bis zu
welcliem (ürnde Her Scholastiker diesen Standpunkt :mf dem
Gebiete der TheoloKie zur tiellunjf braeiite , mit anrieren Wor-
ten, wie sieli bei ihm d;is Vf^rliätliiäs zwischen Ulaubon und
Wissen, Theologie uml I'Iiilosophie gestaltete.
Dif gestellte Fni^^e nuiU beantwortet wer<Ien dnreh den
Hinweis auf eine doppelte Strömung. Ala nu^ versncld tien
An.sehluü an den Krzbi^eiiof von Canterbury, ohne sith je-
doch völlig dem Einflüsse Abaelard's entziehen zu können.
War Ansehri weit en t lernt , diurli seine rationellen lU^
weise für die cliristliehen Mysterien '} diese in l)lolJe Ver-nuiift-
wahrheih'U aufzulösen, wcillti* er Vielmehr iliren <!liarakter als
(ilaubensgegenstände vothiuf gewalirt wessen *)t ^^ scheidet auch
Aianus den Idauben scharf von dem Wissen, niclit im Sinne -y
eines Widerspruchs zwischen beiden , sondern insofern sie sieh
in zwei getrennten, iinnierhiti aber in Wechselwirkung mit ein-
ander stehenden Sphären bewegen ^).
Das Wissen ist Erkenntnis der Dinge aus ihren Wesens--^
gründen*), im GUiuben hingegen erfassen wir die Walirheit '
nielit melir auf (Iruiul der Einsieht in die Ursachen, sfHiilern
auf (Jrund freier Willenszustimnmng ''). Erhid>en über die Mei- ^
') PQr die IVinitAt im , KTonologiam* ; für die TnCAnutioQ in dor Schrift
.Cur deua humo'.
') PnislugiüD. ] (Migiiß 168, 227 C) : Neque oiitm i|ua£rD intelligcre, ui
credaiD , sed eredo , ut intclligam. Natu et. boc crcdo quiu . tiist credidero,
Don intelligam Vgl. 8t0ck], Gesch. d. ?hilos. d. Mittclelt.. I. S. 154 ff.
"0 De pl. n. 446 A : Nee mimm . si in hia theologiu suam mihi fami-
liaritatom non exhÜiet, qnoniam in plerisque «on odvwn-ia, »eil diversn sentiiniw.
Ego ratione tidem , illa fide comparat ratiunem. {IHe Natur, welche hier
redeud eingeführt wird. gUt als die Vertreterin des weltlichen Wisaena.)
*) Dist. d22 0: ... cngnitio, qiiae baUettir de relmi^ per inferiores
cttueaa i. e. per subst«otiaJes renim natiiras, non eal lidea, sed ?cientla. Vgl.
Tract«tuB de virtutibua et vitiia (Cod. Paris., 3238 F, fol. 84^»; siehe oben
S. 4. Anm. 4): Uhi uuiui cauHanim raciu prevenit ad aliquid probanduin, non
est fidea , aet scientia, De pl. n. 44f> B : ego (natura , siehe vorige Anm.)
cou&eutio actons, Ula (theologia) sentit conaentiün:^.
''} Üiat. 755 1): fidea est pcrcoptio rerunt nun aa.'iensiune (uacli Cod.
Mon. "tit'Jii, fol, 2B^, der as^entionc hatl aiue cauiitiruin cognitione. Tnict. <le
virt. et vit. , a. a. 0. : Fides oat pereeptiu x'eribitia reruiii cum aäaeiisione
Bo!tr&fe II. t. Haumgar tour, AIhiiub tl« IiiKitlin. 3
u
AJftntia de Insulia
nung steht der («laube unter dem Wissen ') ; nicht hinsidUhcli
seiner Gewitiheil oder seines Objektes , denn den Iheologisctien
Sätxon wohnt i'ini' absolute und unverbrüctiliclio NotwendiKfceil ')
inn«' , die Tlu'Olojjif is! die irrlimislo:!;*' Schule der Wahrheit,
die* mehr Vertrauen verchent als die VeniUiifltTrüiide ') und sie
bcerhiljligt sich mit dem Urivpränderhrhen, dem IJnbi-jfrHÜichen.
den göttlichen Geheimnissen *), während das Wissen, schwan-
kend »uifi wandelbar wie seine Quelle, der tiewöhnliche
Verlauf der Natur '•) , auf .die sichtbare Welt beschränkt
(d. Cod hat aaeertione) sine causaniin cognitione . . , ebd , ful. 84 ^ b : fidea
est voluntRria certitudo abseotium sapra opiaioneni et iofra ecientiam con-
atituta A. f. !. 17. (iOlD: Fides enim eat ex c«rtia raÜODibus ad äcientiam
non sufficientibus «rta praestunptio.
') A. r 1. 17. 6ul I>: Fides igitur ntique super opinioni'tn , scd infra
aciontiom. Traci. de vjrt. et vit., a. h. O. : fid«s est voluntaria certitudo al»-
sentium isupru opiniunem et infra Bcienttam coiistituta. Die Definitioa iat die-
jenige des Hugu von St. Victor (S«nt. I, 1 ; rie Aacram. 1, p. 10, c. 2
Mtgn« 176, -43 C; M30 C, 381 B). Sie findet rtich weiterhin bei Johanne«
Saresberienais, der sich auf Hago beruft (Vtetalog. IV, 13. Migue 199.
9-24 Gl. bei Peter von Poitiers (.Senlfat. III. 21. Migne 211. 1091 B), in
den Sentenzen Roland's (Dcnifle, Archiv f Lttteratur- und Kircheogesc^,.
d, MittßlaU., I, 1885, 8. 436) und bei Garneriuä in tieinem Traktat gegen'
die Amalricianer {c. 4. ed. Haeumker, .lahrb. f. Phil. ii. 8|)ek. Thei>]..
U. I, 16^'6, ti. 378). Vgl, auch vou spfiteren Alexander von Ualea, Summa
tlieoL t, q. 1, m. 1, ad 4; Thomas von Aquino. S. tbeol. It', q. 4, a. 1 c.
') Reg. Prot. 6'21 B: cum ceteramm regulanim tota necesaitaa nutet,
quia tri connuetudine sola est conai»tens penes cuntmetiim nuturoe decursuro,
nece«8itjiK tbeologicarunt maximuruin absoluta est et in-efragabiitd , quia de
JMS tidein faciunt, quae actu vel natura nuitarj non posaunt.
'^ Anticl. 555 I) : Ani tlivina poli . veri schola, nescin falfli. De pl. n.
445 D: Auctitritotem conmilu thetilügieae facuItatiB, cuius fidolitati putius quam
invaruiii raliununi ßrinitnti dare debes aseensum.
') De pl. D. 44G B: ego (natura) vix viailiilia video, illa (tbeologia)
iDt'.omprehen(nbilia comprehenüit in speculo: cgu vix minima metior int«Uectu,
illa immenRa rntione nietitur: ego quuäi bestialitcr in terra deambolo , Uta
vero caeli militat in secreto. Vgl. Anticl. 531 A, 532 C.
') Siebe Anm. 2. ßermoDea. Cod. Tolosanos, n. 195 (siehe S. 4, Anm.
5), fol. lOSi*: Terrestris philosapbia cum mundo transibit , tbeologia in eter-
num manebit Ebd.. fol. 102'' Tmdet sich auch die bekannte, schtm bei
Petrus Damiani (siebo rborueg, Gnuidriß 7. Anll., II, .S. 145) stehende,
auf das N'.rhJillnisi von Pliilosuphie und Theologie bezQglirhe mittelaltfirlicbe
Konuel : naturales scieiitias a so (deo) institutas, a se ipso mirabiliter ordin»-J
tos pediaaecAs theologiue , ancillos celestis philoaophiae. (Ähnlich bereita
Philo, i. B. De congresau quaer erud. grat. §. 14, p. 53U Mangey: :**»'oir'
und an zahlreiobea andeni Stellen. Auch der Vergleich des welllichun Wi»-
i
i. Abschnitt. Logik und Erkenntnixlehr«. Ä5
bleibt '), sondern insofern als ihm die Einsicht in die (irfnule ab-
gehl, von wetclier stets das Wissen begleitet sein muß. In der Ab-
wesenheit jener Einsicht tiejjt das Charakteristikum des Glaubens •),
welches ihn wenitcstens für diese Zeitlichkeit inr immer von dem
Wissen trennt ■'(. Er holte nach dem Worte üreKor's kein
Verdienst mehr, wenn die inenscliiiclie V^ermmfl den strikten
Beweis für seine Inlialte zu erbringen vermöthlr '). Zu einer
völligen Durfhdnns:iin;z der rJelieinmisse fehlt ihr und den welt-
lichen Wissenstliafien die HofäliivauiK '). Die Argumente, welche
sie fi>r die ftlaubensgegensifinde , die Mysterien , ins Feld führt,
gewähren wohl eine starke Sicherheit, aber keine absolute
Strinj?enz ") ; sie vermitteln kein Wissen im strengen Sinne,
sondern haben ttur die BedeulunK von Motiven, welche zum
Glauben liindnlngen, der sich dünn ei^st in einem freien Willcns-
entdohluä bettiäti^en mutä ').
seoa mit der Uagar« der ToUkonunnon Tugend mit der Sura ist dem Philo
sehr gclftufig. Vgl. Zeller. Philua. d. Gr., III' 2, S. 408.)
') Siehe vorige S., Anm. 4.
*) Vgl. S. 83, Anm. 4 und "i. AnticI. 539 X> : fides ratioite remota.
^\ A. f. Pro). 6U7 A : Haec etenJm erit gluria noblra perfecta acienttA
comprehetidere in patria, qued nunc quasi in aenigmate per speculum coii-
templamur.
') Oiai. 922 fi : tuide Qrogorias : Fidea non habet merittim, cui humana
ratio praelyet experimentum. Vgl. A. f. I*rol. 597 A : Tract. de virt. et vit..
a. n. O., fül. 84*"b. Der Satz, welcher aus Uregor'a Hoinilien (H^^ntilia 2t>
in Evangclia; Migno 70, 111^7 0) stammt, wird auch von Abaelard in aein
,Sic et Non' aufgenommen (Migne 178, 1349 Dl.
') De pl. n. 446 A ; Sed ab hoc aecniidae nativitatia myaterio meae ~i
professioni« mini»tr>riiiin ablegatur . . . ego natura buius nativitatia ignoro nat-ii* i
mm et ad liaei- int^lligcnda mei iiitellectiia hebet (»talt ha Wtl acumen . . . Kt ,'
cum in Ina omnibus nuturatia ratio langui^at . . . Dit^t. Pnd. 6H7 V. : ubi mn-
strucliü non aubiacet lugibos Donati , ubi tranKlatio alieria a reguliti Tullit,
nbi enantiatio peregrina ab Ariatotelia documento, ubi fldeä (elatt tidei des
Textes) remota a rationia argumento. Vgl. Anticl. b'Hi B , 542 D S. In ge-
reimten Veraen schildert Alanus diu rnmßgUchkeit , mittelst der tfeaetze
und Regeln der aeptem artcs das Uebciniuis der Menäcbwerduu^ zu ergrTmden,
in seinem Hh^'tbmuä de incamaiiuno Christi, hei Migne c. ö77 fl.
") A. f. Prol. 596 A: Prohabilea igitur iidei noutrae ratione« , quibua
perapicax Ingenium tix poasit retuatere , atiidiosius erdinavi. Ebd. I, 17,
HUI 0 : Fidea enim est ex certia rutiunibiia ad Mcit>ntiiini nun HuAirientihua
orta praeeumptie.
^ Kbd. Prol. 5W7 A: qui prophetis (mit Cod. Paria. 6569, fol 152';
siabe S. 31. Anm. 2J et evfuigebo acquiescere rüntemnunt , huniania aaltem
3*
w AlaniiH de [iisulln
Bietet in der (reschil(i(?rlon Weise die Vernunft dem Glau-
ben eine kräflij;«^ Slülxe, so fftrdeii andererseits iiuch der Glaube
die Vernunfl '), Kr antioipiert das Wigsren , indem erst unter
seiner Lt'itunK oin relatives Verständnis der Mysterien ennftg-
liolit wird -). In breiter ADexorie kommt der ietztoro (iedanke
im „Antiflaiidian" zum Ausdruck, wenn 4lie personifizierte Well-
weisheit , die „Prudentia" , aus eigener Krall die irdiselien
Räume durchmilit . aller an der Grenze des Fixsterntiiinnu-ls
arifc'ekonimen ratlos Hall macht und liie ülteriidisdien He^nonen
bis zum Tfirune der Gottlieil nur unter Fülinmg der Theologie
und der Fides zu durcliwaiidcrn verniai; •').
Ks ist nicht lediplidi der (leisl Aiisdm's. welcher aus
den vorangehenden En'jrlcrun^'en spridil ; sie vt-rraten beix^ils
eine deutliche Wendung zur abaelard'schen Denkweise. Hflll
Alanus mit dem Er/Jiischof von Canlorhury bei scharfer Hervor-
lu'tmrij: (\es wesriillichfu i;rit*^rsciiied('s zwischen (iliinhcn und
Wissen an der Mü^dioliktMt einer, weiui auch nicht völlig strin-
jrenteu, rationalen Begründung der Mysterien fest und setzt er
einerseits, wie jener, den Glauben voraus, um auf seinem Gnmde
das der Vernunlt erreichtiare Vorsländnis aufzuhauen , so lAlit
vr doch wieder mit Al»aclar(J die Vi-rnunfUjcweise als Motive
oder Impulse dem Glauben vonujpehen.
Nocli deutlicher kommt der abaelard'sche Einfluß zur
Gellung in diT mehr als einmal ausgesprochenen llcliauptimg,
(laLi andi die Philosophen, speziell Mercurius, auf ticni W'ege
bloljer Vemunftforschung zur Erkenntnis der Tririität gelaugt
seien '). Auf den ersten Blick scheint Alanus durch die aber-
rationibtia indncantnr. Hne vero rationes , otsi hominom &A creJeiidum indu-
caut, nun taineu ad fidem pleno capeäcendam sufficiuiit iiäquetjuatiuo (mit
dors. Handuchr.).
M De pl n. 446 A : Ego (natura; ratione fidem . illa (theologia) fide
rnraparat rntionem; ego scio, nt credam, illa credit, nt sciat.
■) Anticl. b4i) C :
IpHBTTi namqiift Hdom ratio non praevenit, imo
Ipsa Tidfs hnnc anticipat, fideique docenti
Obsequitur taudfm ratio sequiturque docentem.
'^ Anticl. im A ff.
*) Siebe das Weitere hierüber und die Belegstellen unten S. IH ff.
Ahschnitt. Logik uml KrkunnliiiHte)tr<>.
a?
inaligo Parleinahnie für Abaclard in einen ofTenkundiKen Wi-
derspruch mit sicli selbst zu geraten, da es ja, wie wir liörlen,
ein Wissen von den Mysterien nicht ijeben kann. Allein bei
genauerem Zijseiien lAßl sich der fOr den abaelard'schen fledan-
kenkrcis clianiklcristische Satx doch widerspruchslos in den
Ideenganp des Scholastikers einreihen. Wir brauchen bloü zu
erwägen, daß er jene den Philosophen zugesprochene Erkcnntiii.-?
der Trinitflt . wie seine eigenen Beweise für dieses Oheiiiniis,
nicht als ein Wissen im absoluten Sinne faüt . sondern als ein
Erkennen im Rätsel» dem eine gewisse Sicherheit nicht mangelt,
das aber von dem eigenlhciien Wissen noch weit entl'enit ist *).
So bemüht sicli der Magister von Lille, die hervorstechitid-
sten Gedanken, welche im 1:2. Jahrhundert über das Verhalnis
von (ilauheii uinl Wissen anf'grtancld. waren, mit einander zu
verbinden. Trotz selnei- Sympathie mit dem rationalistisch an- ^
gehauchten Abaelard, dem er insoweit zustinunt, als er eine -^
Vemmiflerkenntiiis der Mysterien vor dem ülauben anninnnt.
bleibt er doch auf Anseltn's Standpunkt einer wesentlichen
Scheidung von GUuiheii nu(] Wissen stehen, itisolern er sich mit
ihm darin einig fnhll , daü der Vernunrt jene Beweise nur bis .
zu einem gewissen (Jnide gelingen kennen. Sowenig wie An-
selni. ist Alanus ein theologischer Rationalist im strengen
Sinn , obgleich er die Methode der Deduktion auf dem Gebiete
der Mysterien allenthalben zur Anwendung bringt. Die Sicher-
heit des matlu'iriiUii^chen Verfahrens wird im Interesse des Glau-
bens wesentliclt abgeschwächt, ja der Verflachter der deduktiven
Methode gehl soweit, dalJ er sich sogar dem Beweise für die
Existenz (»oUes gegenüber skeptisch verhrtlt '). So erscheinen
die theologisclien Wahrheiten in ihrer Gesamtheit zwar beweis-
bar, aber diesen Beweisen lelilt die volle Stringenz.
Die Anschauung von der Weseiisverechiedenheit zwischen
Glauben und Wissen ging unverändert auf das 13. JahHmndert
über. Eine rnckläuüge, historisch hoch interessante Entwick«-
lung naiiuien dagegen <he erkeiaitnisthcorutischen Bestrebungen
^
■) Vgl. oben S. Bh und spüter .S. tll ff.
•) Vgl spater S. llU.
38
Alanaa de Iriäulis.
die Grenzen der Vernunft möglichst zu erweitem. Hatte sicli
das Id. JaJirhundert wenigstens fÖr eine relative Beweisbarkeil
der Mysterien ausgesprochen, zielte also sein Streben dahin, die
ErkenntnisfVihi^iceit der Vernunft zu steigern und zu erweiterii,
so H(*hen wir im 13. und li. diese Tendenz gerade ins Oegen-
teil uinsctdagen. Man versudit das Vernunftgebiet /u Ciunstoii
des Glaubens immer niolir zu verongt-m. WAhrend noch Tho-
mas von Aquin nur die Möglichkoil bestritt, auf dem Wege
vernrmft.igen DeiUtens die Mysterien zu beweisen ') . machten
Duns Scotus und Wilhelm Occam einen folgenschweren
Schritt nach nickwöiis. Sie leugneten auch die Fiihigkeit der
Vprnnnft, rein natnrliohe Wahrheiten -'1 mit Siclifrlieit zu erhfir-
ten, und wurden so die Vurläufer des Nuniiiialisnms und Skep-
tizismus.
IL Abschnitt.
Die oiitolojE^iseUeii Begriffe iiiul Gesetze.
Sobald die Theologie dazu Ibrtschritl, ihren SlolT wissen-
schaftlich zu veraibeiti-ii . in die der Zeit enlspreclieiiden wis-
senschaftlichen Formen mid Termini zu gießen, sah sie sich un-
abweisbar zur genauen Fixierung einer tieihe von metaphy-
sischen oder ontologischen Begriffen gedrängt. Schon die
Kirclu-n Vater hatten in dieser Richtung vorgearbeitet. Um so
mehr tnlillf abfr die Scholastik diese Nötigung, als seit dem
kfdnien Unternehmen eines Scotus Eriugena die sämtlichen
') S. th«ol., I, q. 32, a. 1, ndo: imposiaibile est per rntioneni oatoraltin
ad Cognitionen! trintUtifi diviuarum personarum pervenire .... Qui autcm'
probari' nititiir triiiitateni pcrsDiiHruni imturuU ratioiii- , (idei dupliciter diTo-
gut. FbH. ad 'i : trinit-atc posita coii^iunt haiiismodi rntiones , non tarnen
ita , ijUDd per haa ratiooe» sufficient^r probvtnr trinitas personnram. Tho*
maa ist also btizOgUch der Stringenz derselben Anschanung, wie Alanus.
^ Scotas bcatroitet neboQ der Beweisbarkeit der absoluten SchSpfor-
macht Gottes die Evidenz dvr Beweise f1)r die ('nst^rblichkeü der S«ele
(Stftckl. G*?8ch. der PhiIo8. d. Miltelalt.. W. S, 837, iii'S). Occam leugnet
die zwingende Kraft der Argumente ft\r das Da&ein , die Einheit, din All*
marht iiottes, ftlr die Geistigkeit der menMrblichen Seele (StOokl, «. a. O..
S. 1011 ff.).
U. Abschnitt. Die ontologiarhp'it hK^r'iffe unil (veaeitze. 30
GlaubciLswahrheilen in den Kreis dialektischer Behandlung ge-
zogen und di<' SysLeinbildun^ immer umfassetider nmj konse-
quenter versucht wiirdp.
So hatte sich, freilidi ziinäebsl im theotofrisrhcn Inleresse,
lange vor dem 13. Jahrhundert eine Siininif von onloloKi-^cfK-n
BeslinununjjTen angesammelt, die alh'rduiKs riielit an die (ein »h-
g(HV(>gene, sysleinatiäcli iuiji^elejfie Öiitolo^ie der scliolastisch-ari-
stnlelisehen Zeit hinaiuvichen , die aber kerneswcffs jene (le-
ringschÄtzuiiK verdienen , mit welcher sie oft bi^iiandejt wertlen.
Sie repräsentieren vielmehr einen nichl unbi-deulenrien Knml
IthilosophiscliiT (jedaiiltrn^ welche das Vei-stfuidiiis der arii^loteli-
schen Tirminolo^Hc und Denkweisi' mficbtitr lörderten, mid die* i'S
begreitlicli machen, M'ie der Statririte in verbrdtnismäi.ii^' kumer
Zeit niil so durchschlagendem Erfolge die Herrschaft über die
Geister ^rewinnen konnte. Der weitere Verlauf unserer Abband-"'
handbiri^' wird zur Uenüjfe zeij^en , dati die ebristliidie Spe-
kulation schon längst mit jjrundiejienden Punkti-n der iirislo-
telischen Metaphysik gert^hnet hatte. Wenn diese später
durch die Araber ihrem vollen Unifanjfe und ihrer ganzen
Trafrweite nach l)ekannt wurden . so erschienen sie den cbrisl-
lii'heu Deuki-ni nichl als ehvas vfdlig Neues tjcler Fremdes, son-
dern vielfa«-li nur als eine Vertiefung und Krganzimg christliclier-
scil.s bereits überlieferter, ui'sprünglich durch Bo^lhius vertuil-
telter Lehren.
Diese allgetni'inen (ledanken vorausgeschickt, beginnen wir
die ontologischen Erörterungen mit der Auseinandersetzung des
Substanz- und Accidenzbegriffes.
X. Substanz und Accidens.
Gleich andern I'hilosophcii und Tlieologen dts 12. Jahr-
hunderts, wie Wilhelm von Conches '), Gilbert de la
*) PlnlogOH de aubstantÜB phyaicis eonfectus a Vuilhelino Anepu-
nymo philnaoplio, indu.'^lriA (iuilcltni (■ mtiirolt, Argeiitorali ir>67, 8. H:
Aliqimndn iiaiiH|ue corpits, aliqimndxi )<piritiis, et qiiod t>x tüniqtio cninponitnr
9iih»tfliitia nnncupAlur ; unde talis deecriptio substantiae ^a qiiihitsdam dnlur:
subätontia est R-e per ae «xisteiib: aliquando tain ista quam gt-nera ot species
40
Atanu de Imalts.
Porree'), Peler von Poiliers'), Johannes von Salis-
bury *), ht^t auch der Magister von Lille jene Doppt'lbedeiilung
des Substanzb<'|;riffes hervor, welche die Katejforien des Ari-
stotelfs ') an die Ausdniek«* prima und s(>curida suhstan-
lia knöpfen. Substanz im eifj^cntlicheu Sinn U'yposlasis,
usia. usioiiis), erste Subf^tan^e. ist da^; Kompositum aus Materie
und Form, dan kronkrete, Rjr sieh existierende, individuelle Ein-
üchidini^ ■■). In übirtratJencr Bedeutunp dapejren bezeii-hnel
l Substanz die im Hivrifl" erfaläle Wi-seriheil der Dinxe, ihre suIh
IJ stanzialen Proprietäten oder Naturen ") , denjenigen Faktor.
i8U)ruii] sabfituiti« dicuntur dissimiliter : iinde ab AnstotelL' in primam et
Hecundsm di^nditur.
') Boöthiiopp., i>d. Kn^el lö7ü, S. 1161 : Non onini subsistfiia tAntum, scd
etUun Bobaistcntia appt^llatur aubstantia . . . Siibsiatcns igitor est . . . illa sub-
Htnntiii , quae est nlitjuid. SubaUtcutia verü est substantia .... qua aulum
Hubsi^t^Dft cat (tliquid i. c. est liomii Sjohe Prautl, Geach. d. Log., U,
S. 218, Anm. 4ÜÜ,
0 Sentent. t. fMMijj;iie 'ilLSoei'): hoc numin(< »sulmtatitiii" implicutii
ti6t atfquivocAtia npud Latinoä. quai* in duohtis vocaütnitiUivs: vocabuli^t cxpli-
eata ^t apud Oraecoa i. e hypostasis et uii»ia .... Substaritia a Mu)mtnndo
dicitur i]wum Bubii^otum, quud siibstHt förmig .... SubsUnti» n sub^ilMk^ndu
dicitur forma, qn»«* ndvi'niens mibiectu illud aabsistit .... Vgl. Prantl,
a. H. 0.. II, S. 2U>, Aiini. 4.VJ. Aus P(.'ter von Toitiers öbernimmt den
Gedanken fiarneriu» von Knchefort. Isag. theoph. aymbül. 1, b, cod.
Troyes 455, fol. ö"".
') Policrat. II. }x (Migne 199, 438 Dr. Quod igitur sensna percipit
forniiaque subiecttini est , Hingulari» i*t primu eubstantia est. Id vcru . aine
quo illa nee eaac ih'C iittelli^i pote«t , «i substaiiliiiie i-st et pU-ruinqne s*^
euiidasubsiaiitia nioniimtur. Vgl. Metal. III, 3 (Migne 199, 897 D) iiml Frantl,
a. a. 0., S. 252. Anm. 59H.
*) Ariatot Kateg. c. ^i.
'} A. f. Prol. 597 C: Substantia est, qont- conatat ex subieet» materia
et forma (DU* Korrektur nach Uafumkcr. Pliilos. Jahrb- d. liörreage«, Vt,
S. lH(i). DistL 960 A: Hiibstatitia prufine dicitur rea existfns ab aliis re-
bos Bua propria qualitate distiuctu. L'nde Aristoteles in libru praedicamcn-
torum ait : prima auba'aiitia i-st, quae proprie et principsliter substantia di-
citur, et atM.Mindum hanc atgniticationero aequipollet huic nnmini hypostastia.
{Na*.^h Cod. Moii. 7998. s XIll. fol. IH"'.) Dist. 9K8 B: Usia proprie
aliquod compositum ex maU^rla et forma. LUiosis etit re» »uWiat^ns tnin
Mbstantittli pruprietati', unde hnmo et a«iuus dicuntur nsiosea. Vgl. Reg. lOS,
67tt D. Wp vielbciapruchcnm 'IVnnini r.ii'>otrtnti , "ioi'n, ot'ot'otai'; atammcn
aus Boi^tbiua (r. ICutych. et Ni«al. c. 3) und aus Angustinua (siehe S.
45, Anm. 1).
'') Dist OtfO A : ^:inbstaIltia trunssumitur ad aubstantialem pmprietutein
sive aabsiantialem naturam.
tl. Abschniil. Uic üntolugisciien Hegriffe uuJ Gesetze. 41
\vfldii;r, zur MaU'riv hinÄiitrctcnd , Hi^ni Wm^ das volle Sein
(ticbl. Die.stni U'UU*rt'ii Sinn luibc Ho^*ll]ius ') im Auge, wenn
er die species die Substaiix ihrer Individuen nenne, oder wenn
Aupustin •] die substanzialen iJiflprenzen unlcf rür nsiosrs
rechne.
Unter den BejriifT des Accidens fallen alle jene Bestim-
mungen, wi'lrhi' nur in einem Subjekt ihre Existenz . ihiv causa
haben, also zu dem in seiner Wesenheil bereits konstituierien
Ding hinzukuninu'hd demselben nieht mehr das Si'iii verleihen,
sondern dessen i nd i v iduelle Versehie denheil begründen % In
der Eucharistie allerdings haben die Aceidenzien kein materielles
Subjekt. Derjenige, welcher sie gescliaffi^n hat mit der Bestim-
mung, in einem Subjfkt zu sein, kann auch maehi>n , daU sie
olme Subjekt existieren ^). Man könnte zwar sagen , duii die
flauere Foito des Brodes wunderbarer Weise die übrigen Acei-
denzien trage, allein man nnjikte dann doch wieder nach dem
Subjekte jener Form (Vagen, welche Ja aueh ein Accidens sei ■'').
') Fltid. : iiii<]i> MtW'thiim ait , (jutiil honiiiiom iii^rviÜ fluhntaitt tani est
ipsuiii ingrfrfi spfciftn )4pec-tHUs.Hiiituin. Idern ctiain nit : Spet-ii>m enae fiub-
t^tantiAin Auorum individnorum BozQglich der letzten Stelle vgl. BrW'thü
opp. , in Parpfa. a Victorino tiBnalHt., S 71 : Nani cum äpccica »ubstaatiani
niünstret unaque Bit omniuiti iiidividuorum sab sp«^cie poaitonini subatantia...
■) Ebd. 0*^0 B: et secunduin lißiic significutionem equipullot hiiic iiomini
yaioftis . niide augnstinus ait : Huhstantialc-s dltTi'rentia.s rcporuenila» u:!i.*se intor
ysioaes i. y. int*r substaBtiaki* proprii-tatcs. (Nach (."«d. .Mon. lUiiB, ». XHI,
fol. 111 V.) Vgl. Dist. iW8 B, Die Notiz durfte auf Pseudo- Augantinus,
Pecem Cat^'guriae, c. 9 (Migne8*2, 14*27) zurQekgehen : Atque idco Aristoteles
eaii) (difTerontiain) sjgoificatione quidem mixtam dixit, virtute nutem tnt«r
usias habeiidam decrevit
') A. f. Prol. hUH A: Accidens wtt proprieta«, quae per subiectum
existtt, eid<>m ohhc non conr«:rt>ns, sud diffcrre. Ebd I, 2, 598 D : Acciden»
enim ex descriptioiif ipsius habet esee per subiectum ; crRO a deiicriptiafie
rausae subiectum est causa accid«ntit). Bbd. IVqI. 59ä A : sccidentalia est,
quae est adventitiae iiatui-at>. Vgi. Abaetard (ed Couain, Parts 1859, II.
S, 471): Praeten'a philo:[jopbi arctdentia detormlnaiii esse posterioriB generis
et adventitiai^ natiirae.
C. H. I, 58, 361 D: accidentia, quae rcmanont, «unt sine subieoto
. . ., qaia qui ea creavit, ot in subiecto e&sent , polest facerp . nt sine sab-
iecto «int. Vgl. Reg. 107, 678 f
') Ebd, 362 A : Pociaumus tAineu dicer^ , quad coliir et sapor sunt in
forma pania et ita miraculose accidens sit In accidente. Sed aimiliter hie
qaaeri posset de ipsa forma, in quo sit, cum et ipaa forma ait accidens.
42
AljuiiiH ilc TnsultB
i
Die Scholastik tlcs l:i. .lahrliuiiilerls kennl keine anderen
Ik'jfrifTe von Siibstafiz und Aoridr-ns als die eben dargelegten.
Von besstM* foninilierten Definitionen abgesehen, lialle sie inhalt-
lich nichts Wesentliches mehr hinzuzufügen. Thomas von
A(liiin hrdt ebenso, wir die Lt'brtT des 1:2. Säkulunis^ an dem
oben ausg^'fubrten iJoppelsinir des Sul>stanzbegriflfe fest, nur dafi
er sich auf die arisLoleüscIie Metaphysik beruft % In derglei-
elu-n übert'instiniinonden Woise wird das Accidens tiesliniml *)
und die itiöglic-hi^ Subjektlosigki-il ilec Accidenzicn voi^elrageri '').
Eine äbrilicbt* ConliriuitrU der Anschauungen läßt sich, wie wir
-sogltMch sehen werden, beim NalurbegriO' konstatieren.
a. Natur.
j
Schon seit Papias ') ptleglcn die Scholastiker ilire Aus-
rrdirungen übt-r den Hegrlfl" „natura" au die bekannte Stelle in
Boethius Huch contra Eutychen et Ne.stonuni '■'j anzulehnen.
Neben Johannes von Salisbury '*) war es insbesondere Gil-
bert gewesen, welcher sich daniil in seinem Boethiuskonnneniar
aufs eingehendste bescIiälUgt halte '). Wenn der Bischof von
PülLiers von der Vieldeutigkeit dieses BegrilTes und seinen zahl-
reichen Anwendungen l)ei den Philosojvlien, Ethikern und Theo-
logen spricht''}, so tritt eine gleidie Mannigfaltigkeit aucli bei
') S. theul, in, q. 2, s. 6, ad 3 : BubBtantia Hittcin . . tliiplicitcr di-
i-itur: iitio iiiudo pro fäsentia sivi? itaturH . hIki mudo pro suppo^tlo sive hy-
postasi. Vgl. ebd. I, q. 29. «. 2, ad 2
') S. tbcol. III. q. 77, a. 1. ad 2; I, i|. 77. n. 6, c. Kbt) ad 2 iienni
auch Thumas das Subjoct die eauitn pruprü accidentia.
^ S. thool. in, q. 77, a. 1, r: Et idco rrlmqtiitur , quo«) AccidcDttn in
Iioc Mcratnentu mancrifc sine äubtecto. qiiod fluidem virtutc divina ßeri po-
test. Ht«r weist Thoni as aticb die l>ereit« von Alanos (C. U. I, 57, 359 BC;
H<»g. 107, 678 et erwfibrite Ansicht, daß die bnft TrÄgcr der Accidenzien
8Ai, XU rück.
*) (n seinem im U. Jahrbundfirt vHiatoirc Jitteraire de la France,
t. 22. ä.7) geschriebenen Vokabular. Siehe Inkimabcldruck der MQiicheiwr
Staatflbihliothelc. Venetiia 1496. fol. Iü8v.
-') Boethius contra Eut}'cheD etNeatorium, c. 1, od. Pcipcr, S. 18ti if.
*) Metnlog. I. 8 (Migne Üfy, KSriBtT.): Ebd. M, Ä) iMigne 199. 803
B ff.J. Vgl. Prantl, Gesch. d. Log., M. S. 248, Anra. 585.
^ Bo#thii opp., S. 1223 ff.
') Ebd. : Natura enim multiplex nomen eet adeo, quod non Bolum mul-
U. Abschnitt- Die ontoloitisclipii Brgriffo iin«l Ucserx''. 43
Alauus zu Tage, der in lUm „Disliiiclioiu's" iilclil \vi-nij;t'r als
jsehn verschiedene Bedeutungen von natura auii«uiiiili]en weiLi.
Die vier ersten piebt er wörtüch run-ti Boethius. Natur
ist jedes in ir/rnd einer Wrisc erkcnnlmre S<Mende. Amli iUAi
und die Hyle können nach dieser Definition Natur f^enannl wit-
den , weil beide wenigstens in einem (jrewissen Sinne nocli er-
kennbar bleiben *). — Bei eni<erer Kassunj; bezeichnet Natur
jrde Subslaii/.. iiisoferri sie sich iliäli^r fider h'idcnd verhall. S<i
ist Gott als die Wirkursarhe alier DiiiKe Natur -). — Auf die
körperliehe Substanz beschränkt bedeutet das Wort Prnnip der
Bewegunj< aus sich und durch sich selbst , wie solches bei den
ElenuMitarkrirpern zutrifll ■'). — Wciti-rliin heiUt Niitnr die suh-
sliuiziale unrl spezilisrhe DitTerenz, welche zum ^fiius hiiizukoni-
niend die speeies begnindet *). — Au&er den eben genannten
Bedeutungen verdienen noch eine besondere Hen'orhebung Na-
tur im Sinne des subslanzialen Seins oder der Wesenlifil der
Dinge ■') ; lerner der Nalurbetrrid bei den Naturpliilosophen,
timodis, vi>nim otiam niulti-s nigniticatiuntbu» de rebus diversuruin in diversis
facuItatibuB etiani jzencrum diritur. Nam at phibim>phi et ethiri t>t thfulu-
gici usu plurimo pornint hoc nom^n. Vgl. Buch die Bemerkungen iit«8 H«go
von St. Victor, erud. didaöcal. I, U (Mignt- 176. 74ö C IT.),
') Diät. 871 A: Nntura aliquando it« Urge äumjtur , quod onine illud,
quod quoquo modo int«>tligi potest . nntnra diritur . unde boj'thius in libro de
duplici natura [ed. Peiper, S. 181:1): natura est quicquid qnoquo mudo in-
teTltginpoteä:~'(N"ftch Cod." Mon. 7998, a. XIIl, fol. 77^.} Secundum haue
expositionera et hyle et deus poteat dici natura .... Siehe unt«n 8. Ö'i.
-) Ebd. ^'l K: Natura aliquundu Humitur in deHtgnatiunf^ suhstantiae
Untnm , unde Boi^thius (yd. iV'iper, 8. IHH) : natura est quidquid agere vel
pati pulest (so zuerst Plato, Soph. 247 I), von dorn üf , dann dio Stoiker
von dem damit gleichgesetzten nm//ii ; vgl. Zelk-r, Phil d. (ir. IIl' I, S.1I7:
DieU, Doxogr. GrtuKÜ, S. (;t2. 23), et secundum faanc acceptioneni deoa poteat
dici natura, quia ipse est causa untversurum efficieuu.
') Ebd. : Kestringitur tAmen hoc nomen natura circa aubataiitiam cor-
ptiream, unde Bo^thius (ed. Pciper, S. lÜO) : natura est prim-ipium motus per
se et nun per accidens . . . . ut levi«, scilicet ignia et a£r nt grftvia,
acilicet terra et aqua.
*) Ebd. 671 C : Re«tringitur ctiam circa äubsUntialem differentiam et
apecificam , quae advenieris gencri facit speciem .... imde Bot'thius (ed.
Poipur, S. IIW}: natura est rem infonriftna »pccitica differentia (Nacli Cod.
Mon. 7998, fol. 77 v).
Ebd.: Dicitur esse eubstantiale rei, per quod res naacitur, i. o. säum
•aae ingreditnr.
I
44
AInniia He Insult».
;
VI
welche uriler Nftliir ouic den Dingen innewohnende, f^estaltendc
Kraft, das Prineip der Generalion verstehen, das aus Ähnliehem
Ähnliches erzeuge*); i"fJ endlich Natur auf dem Gebiete der
Ethik , wo mit dicsciti Ri^priflT die in einem natürlichen Trieb
der Vernunft wurzchide Krkermtnb der Forderungen des Silteii-
gesetzes bezeichnet werde *). — Weniger von Belang sind die
übrigen Bedeulungcn, wclt^hc Alanus noeh erwähnt, wenn näm-
lich Nafur gcnoninirij winl int Sinne eint^-s angcbomen VemiiV
g(?ns, Lniicr u»*sprünglieht'ji Anlage, wenn die Physiker unter den
vei-schiedeniTi Naturen der Dinge ihre verschiedenartige physi-
kalische Zusammensetzung begreifen, oder wenn sie das physi-
kalische Agens der Naturwilrme niil Natur bezeicluien ^.
Vergleicht man die erschöpfende Zusammenstellung, weiche
der Siiiolastiker des ausgehenden 13. .lalu'hunderls von den
mannigfachen Bedeutungen des NaturbegriflV^s zu seiner Zeil
giebt, mit dem, was der Aquiruile Ober ,,nalura" zu sagen weiü,
so seilen wir, wii- Thomas lediglich wiederholt, was Alarms
und seine Zeitgenossen schon hingst gelehrt hatten , mit dem
[7' einzigen Unterschied, daü er neben Boethius die Quelle des
\ lctz(en*n seU>.«t. die Physik und Metaphysik des Aristoteles,
1 zur Verfügung hat*).
3. Person.
hl unmittelbarem Zusammenhang mit den Begriffen Sub-
stanz und Natur steht der für die ThtK^Iogie so wichtige Per-
v^aonbegriff. Mil dem Dogma der Trinitfd und hicaniation
') Ebd. 871 D: Natura dicitar potentia rcbos naturalibus indita ex
aintilibus prucreaiis simiün. Vgl. JohanneB SHresb. (Metjü I, S; Migno
Utif, 835 V] : Kst Huleni oalurH .... vis iitiaedaiii genitiv« rebus umnibiia
insitn. ex qua fticere ve\ pnli potvsiint. Wilhelm von Conclics (Komm. x.
Timaeue, Cod. Pari». U06ä, fo). hl^b; swhe oben S. lU, Anin 6): eat. natura
vis rebus insita similia de airoilibus operana.
^) Ebd. : Natura dicitur naturalis rntio . . . . i. e. naturali iiiMtinctu
rationis : et secundnm boc aal&i dici. quod natura dictat homini, ut non faciat
aliia, qood »ibi non vult fieri, i. e. natoralia ratio.
'} Ebd. S71 CD: vgl. Uugo von 8t. Victor, erud. didascal. I, 11
(Migne 176, 748 D ff.).
[ *) S. theol. I'. q. 10. a. I, c ; III, q 2, a. 1, c; I. q. 29, a. I, ad 4
U, Abschnitt. t>ie ontoiogiscli«D Begriffe und (lesetze.
45
>
aufs engste verwachsen, wurde er von den mittelalU-rlichen
The<jlij)ireti mit besonderer Sorgfalt behandelt. Den springenden
Punkt ihrer nnlersuchunj^en hihlele die l'nti'fscOieidunff zwis^-hen
Substanz in) Sinne von W es e nh e i t und Substanz als su b-
stantia prima oder hyposlasis. Aber auch hierin K'^Kf'»
sie^ncht selbständig vor, sondern siefolKleri, wiePelnis hom-
bardns '), den bezüt?lichen Auseinandi'i'setzunf^en Aii^ustiri's,
oder, wie die fiberwlt^gende Mehi"/ahl, — von den Scholaslikent
des l:}. JahHiunderts insbesondere Thomas von Aquin — , den
irdialtlich Klt'ichen Ausiuhrunj?en und der berühmten Definition,
welilie Büethius in dem oben enviihnlen Budie Contra Euty-
chen et Nestorium fiberliolert hatte -).
Auch der iMa}^ister von Lille greift des Bo^thius Defini-
tion auf: Persona proprie dicitur naturae ralümalis individua
siibstaniia "). Person ist ihm Substanz, fremiuerhin erste und
vernünllige Subslanz oder hyposlasis, der ein Sein för sich,
eine völlip selbstAndige . von jedem andern Ding losgelöste Exi-
stenz zukommt. So ist der Mensch . der Kngel und Gott Per- ^
son , während dagt^gen die Seele trotz ihrer Snbsljuizialitilt und
Verm"irifli}?k('il . weil ein Teilfrlied des Menschen , niehl Person
genannt werden kann *).
') Sent. I, dist 23, c. 4 ff. (Migne 192, 584 ff.). Vgl. A_uftU8tnm8. .,
de trin. VII. 4 [Migne 42. 939 ff).
•') Bal'ttn'na ciinlni Eutychen et Nestorium, c.S^cd. Peiper, S 193 ff.).
WAlirenJ Papiaa ^Cod. Paris , bihlioth. nat , tl531, s. XII, fol. ITS^a: der
8. 42, Änm. 4 ervfthnt« Inkunabeldnick bat das Wort nicht aufgenommen),
Aoot'lm (Monolog, c. 78; Migne 1&8, 222 A), Odo von Cambrai (De pec-
ratij orijuinali H; Migne IßO, lüHO D). Gilbert {BiiPtliii opji., S. 1235) «ich
ebne wi>ttereH an die bo^tbianiscbo Di'tiiiiticin halten, verHUcbt Kicbani von
St. Victor (De trin. IV, 21; Migne 196, 'Mi D» eine Korrektur derHelhrn.
und Petröa Fictnv. (Sent. I, 4, 32; Migne 211. HI>1 B. 923 AB), dein
Qarueriua von Rocbefort folgt (Isag. tbeopban. aymbol. I, 26, cod.
Truyea 455, s. Xltl, fo!. IS""; siebe oben 8. 13, Anm. 9j, vermag ihr nnr
H-anIg Vertrauen entgegen zu bringen Von den späteren kommen außer
Thomas (S. tbeol, I, q. 29, a, 1, c.) auf dieselbe ziirftek Alexander von
Halee (Humma. p. I, q. 44, ad 4), Albertus Magnua (in 1. p. .Sum. tlieol.,
tract. 10, q. 44. membr. 2), Bonaventura |in I. Sent, dist. 25, a. 1, q. 1
u. 2; ed. ^uaracchi , t 1, S. 43ö ff.).
") Dist. H98 D.
') Khd. : . . . snbstAntin. qnae est ita naturae rationalia, quud ab omni
re e«t diatincta . ut bomo vel angelua vel deus ; qailibet istorum ost natarAO
rationalia, quae est sub^tantia ab omni alia re distinota, Anima ergo non
4Ci Aiatto» de Inaoln.
Neben der aus Bo^thias entlehnten Formulierung kennt
aber Alanus noch andere Wendungen für den Personbeftrilf.
wdrhe er mit Kilbert und Peter von Poitiers gemeinsam
hat. Kr bf7jAi'huvi riämhrh Person unter Anspielung auf ein«?
gänzlich verfehlte Etymologie aU .,reä per se una*' ') . als eiDe
.gegen jede« andere Wesen streng abge^hlossene Einheit '), und
er definierf rlie persTjnlirhe Proprietflt — von den Grammatikern
.,propria (jualita^** genannt als den „proprius status" . wel-
cher aus dem ZusammentrefTen aller subritanziellen und aociden-
tellen Bestinimlheileii des Dings resu]tiere und in dem Worte
Sücrates oder Pinto zum Ausdruck komme. Doch will er die
letztere Delinitiun nur l'ftr das Gebiet der natürlichen Dinge gel-
ten lassen; auf die Gottheil ladjK* sie sich ledigUdi analog (per
sirailitudtnem) anwenden ").
est peraonft, qnia, quAinvis natnne rBtionalla, tarnen non est substaniia indi-
vtdua . qnift non eni nh nmiii nlia re (livlsn ; de iHimini' enim ptit UmqDRin
oiuB pars, nee ab *'0 ilivisa phI. Elx'iiKa Gilbert (KoJilhii npp , S. 1236 geg.
SchluB): Ideoqiie quatnvm ipfift ait rutJonalis nat-urae öuUdtantia, niN^uaquan) tarnen
poteat esse peraoiia. Anch nacti Thomas (S. tlieol. I, q. 29. a. 1, ad h) ist
diB Seeli) iiielit Person, wie ttotchea frUli^r Hago von S. Victor behauptet
hatte. Siehe Stnckl, tlench. d. Fhilu». d. Mittelalters, 1, S. 387.
') Diese aonderlinre i>l>-iiuihigi»(>hi' Krkl&rung giebt schon Papiaa,
iltT eich auf Kemigiii»« von Auxerre beruft : „persona dicta. quod per se
una ent Hemigiuä.* (Cod. Paris. llöSI, ful lT:i''a; siehe K. 45. Anm. 2).
Uie«elbü Definition erwähnt auch Albertus Magnus 'in 1. p. Sum. theoL,
IriM'l. 10, q. 44. meinbr. 2), der sie aber auf läiduruA zurückführt
') Reg. 32, H37 A: Pemomi dlcitiir (jniiai per so iina .... Unde et
dieuntur personae <]iia6t per »« iiiinm i. e, ita diatinctae, qnod unnm. Vgl.
Keg. IU2, T)?!) li. i;in>ert (liof'thii opp., ü. 1129): Omni» enim peraooa
reete intelligittjr per sc una ; ebd., S. llGh, 12H.S (iSchluß); Petruä Pjctav.,
Seut I, 4 (Migoo 211, 80O C) ; UarnorJUA von Uucherurt, Isag. Iheupli.
Byrab. I. 3. cod. Troye» 4bb, fol. 3v.
) Heg. r>0. It43 AB: In iiaturalibiia auteln pereonnliä proprietaa dici-
tur propriu» htntiM peraonae. i|iu atletiititur ex concursu (ininiuni substantia-
liun) et accideiitaliuiii rei , qui ^«tatt quao doH l'extett) prnedii-atiir hoc voca-
bul» iSücratea et h<H' vocabuln Pinto , qui (st-att quod) etiuin propria qualitus
a gramniaticis solet dici. In divtnis auteni non proprio , aed per siniilitndi-
ncm poteat aasignan por)»oiiaJ(a statu», .\hnlieh drQekt sich Ausolm (De
fide trin. V); Migno I&8, 27H 1): personam designamus, quae cum natura
coUe<-tioneiti hnbel" prn|irielHtiuii ; niehe ebd. 279 A), «JJIbert (Bo^tbii opp.,
8, 12S£ IT. : OniDia enim per-aona adco eai per se una , quud cuiualilfet plena
i-l ex üinnibu.<4 quiu- illi eimvi-iiiunt rollecta pioprietas riirii tilterjus iterHOnae
similiter plcna et ex omnibu« coUeeta prupvietate de uno vere individuo prae-
II. Aliaclinitt. Die ontojo^mclien begriffe und Öesetse. 4t
4. Materie und Form.
Zwoi weitere metaphysische B<^iffe von fntulaiiH'ntal'T
Bedeutung für die gesamte si-holastisthe Philosopliie stiul Ma-
terie und Form. Bildete dieses Beffridspaar bei den arabi-
schen und jüilisrhen AristotelikiTii den Ceritralpunkt ihrer Mi?-
taphysik, so spit-lte es nidit minder ijun-rhalli d^r rhrisUlrhen
Schüiastik schon lange vor dem 13. Jahrhundei-t eine bedeut-
same Rolle. Auch während der ersten Periode der raittelaller-
licht'U Philosophie wurde ständig mit diesen Be^friffen operit-rt.
Malrni- und Form fallen als dip al!i*ni W^rdiMi zu (inimh' li^'-
gendt'n Faktoren '), mochte es sieh nun um die Lntstohunj^ der
sinnlichen physikalischen Welt handeln oder nach der Anschau-
urifc'sweise extremer Realisten um die intHli^hle der GattimKt'n
und Alien -).
ÜhereinstJiruni'nd nut der allgwuiMii fest gi^wurzeltcji rhci--
zeugung ') bezfichnct Alanus de Insulis Materie und Form
als die Wesensbesandteile der Dinge *).
n. Miil«rlt?.
nieicliwi*' ("Hihurt de la Porree eine materia formata
uoil int'nnnis unlersdieidet ^). sfj spricht aueh AlanUH von einer
Materie in doppeltem Smn. In der „Ars fidei" ") wird sie de-
(licnri non potent-), unil der VorrnKsor iler S^ntentiae divinilnii^ (Do-
li if)t>. Art'liiv f. Litt.- uml Kin-ht^tigcuwii. il. MitU>lalt.. I, S. 418) auB.
') Kineo äprfchi'ud^n Heweu hiurfdr liefert (i'\e vi»n H((iir«rtii O'i'^t.
de la philos. scol., I. S. 3il4) mitgeteilte', intoreäsaatt; Üemerkimg dün Tliierry,
von Cbartrea, dafi von den Tbeolügen, Philofiophon und Dicht^im Mati^rie
und Fonn ah die EU-inonle des Werden» angesehen werden.
'} Vgl. t>ezägli4-h des letzten Punkte>H iIbh Biuh de generibuB et
speciebus bei Prantl, Gesch. d. Log., II, 8. )44 ff.
Die HauptqueUe waren die bo6thianiachen Schriften. Vgl. oben
S. 11 tf.
'} A. f. Prolog. &97 C : Subsüuiiia est , quae constat ex aubiectjt ma-
teria et forma. Siehe oben S. 40, Anm. 5.
^) Bi>6tbii opp. , S. 113K: Ex hw manifestuni est, quod rnaterianun
alia infonuis et ideo aiinplex, ut Ükt} , alia Tonaata vi tdeu uou aimplex,
ut Corpora.
-) Prol 597 C.
Alftnus de liuulis.
teiMVt als ,.r^s discreta ronnflc siisceptibilis". Der Scho-
Wiil-tfr vcf^t^l a1^ ^■^'' <»>'t'r Malerü^ ein konkretes, mit allen
DiiiliHMnthriV^ri ausifcstattotrs Diri^r. ilas HlliiK i^t t nour Formm
^ arfc aufzunehmen, als (inirullagc (uli-r Substrat von \"enln<lt^
nii^^i ^> dienen.
Was <ter Maj^ister in dem eben darKelepten Sinne Materie
miint . ist nielits anderes als die imali'rra secunda der SpS-
Xvn^i* der sinnenlAllige Körper, der Träger der accidenteUen
ViTünderungeii.
AlaniiK kennt abt-r außer der sekundären Materie audi
eine Urmaterie, eine .,mahTia priinordiiilis'*. welche von
dni Grieelien „ H y ! e " . von dvw Lateinern und von P 1 a t o
silva" ') K*^nanni werde. Gleii.'hwie das Holz den StotT ab-
fflrbl rOr dii' Aufffdinmn von Gebäuden, so ist die maleria pri-
niordialis das Snb-^lral und dif MiiHcr (Tir die gesaiide KAipcr-
welt , der erste fiiridanii'nlalc fiesLaniileil lür die körperliche
Suhnhinz. Oeni Wasser ähnlirti vermag sie alle mö^Iidien For-
men anzunehmen -).
In der Slatuicnni^i" einer Umialerie als des gerni-insnnu'n.
bi'slitnitnni^slahi^rt'ii Substrates für die körpcrlii-hen Uiiiije stim-
men dir ehrislüehen Lehrer vor dem i:^. Saekuhnn durchaus mit
(Irtk Srliolastikern der Blfitezeit zusammen. Der Unterschied
') Gilbert bemerkt, wohl im Ansohluli an Clialridius (ed. Wro-
bot. 8. 886. n- 308; vgl. Baetimker, Das Prubltim der MuUrio in der gri»-
obinrhmi Ph)lnB<>pbic. Männter IHOO, 8. lU. Anm. ]). ilafi Plato wlbst (I«n
AiinitriK-b '"Äry oder silva nicht gehram-ht huhe , dalj er vielmehr von seinen
Hi'liUU'ni Mtammc. Platu nenn» den Ainfang der Dingt', von anderen Uezeirh-
nunK''n ftttgetiehen, , prima nrntenn". (Un^thü o|>p. , B 1137: Origo namqiie
HJvt* initinm rennn, quod Platn voeat nenessitatem auditores vero «>iutt
u|)|iplliii)t Wi/v i. **. silvftm, ipse Plato nominnt primom materiam).
') DiHt 944 C: Silva diL-itur primordialis uiateria, quae apuil tirsecoa
tlif'itiir yle, laiine ailva, quam etiuni Platu Hilvam vocat, quia ainit silva tnn-
Icnnrii pracbct acdiHcüa, bIc priinurtlialiM intiierta c-orporibus univeraia. Diät.
7ü4 A: Aqua dicitiir i'ttaiii priinurdialis inaterlB, quia Micut hunuir nrnteriain
prHd«t«t omni rei eurpnreao , sie illa primordtalts materia corpuri omni. Et
«li-ut aqua cuiualihet rei , cui infunditur. fonnam capit , sie illa inateria aptA
»«mt. r«':c'ip<'ri' unmi-H fonnas. Anticl 498 A : Ad cbaoa antiqouiii prupriam-
qm- requirero matrem. A. f. 1, '2h. 008 D : Matoria priinuni suhütontiac fuu-
danientum. Heg •*>, 62<) A : priinnriltaÜM miit4^ria »ecundum phiio«upbos dico-
'ur compoaitB, quia ad huc. ut vi ^tilalt e«) aliquid componerctar, erat apta.
tt. AWhniti. bie ontologüclien ßegrifle und tresotze. id
zwisciicti i)*'i(Icn Heriodon zeigt sich <*rsl, wenn fs sich um pino gt^
iiaiicn* BpÄchreibung und Fixkrung jenes Subslralrs hanrlcll.
Obtrlcirh OS dt^n Dfiikcrn dir früheren Zoit ') nicht unbe-
kannt tii^liliobcn war, dalä auch dt-r Philosoph von Sta^ira die
Matcrff als Erklärun^'sprincip für die körpcHicht» Well vtTWL-u-
delo , und obwohl ChaU'idius in si-ineni Kotnrnent-ar zum Ti-'7
iiiaeiis sich auslnfirMchor Qher den arislotidiscIuMi Begriff der '.
Materie und dts Werdpiis fiuUertf -). so fanden doch jene (»cdan- j
ken in die Spekulation der Krühscliolastik keinen ICintran}.; , wie \
ebenso dif aufrustinische AuffasisunK der Urnialorie als eines,
absohil 4jualilätslosen Ktwas. eines „prope nihil"*), ohne tiefere
Wirkuiit; blieb. Andere Autoritäten waren es, welche während
jener Jahrhunderte auf d?e t)estinunlere (.leslalluntr des Begriffs
der Materie einwirkten.
Die Theologen fol^li'n , wie ein Blick in die zahlreichen.
der Erklärung des Hexarnieron trewidineten Schriften lehrt, und
Wilhelm von Conches *) ausdi'ückJich bestätigt, der Schö-.
pfujD^urkuiuie der Geöesis. Ihnen fiel, ähnlich wie ehedem
einem Einpedocles, die Urmaterie znsanmien mit t](ir mehr
oder minder formlos und verworren gedachten Masse der vier
^
') Siebe oben R 11, Anin. 5.
•) ed. Wrobel, 8. 312 ff., n. 28S— 288: Cuioa enntentia, cara alt
praeclara et nobilis et ad IMntonici dogmatia conHiderationem saita adcummn-
data, non otiose praetereuDda est Chalcidius entwickelt nun. wie Ari-
»tntvles, um da» Problem des Werdmia ku lOsen, ein in gewisser ßczio-
bung Seiendes und NiclitaeJendes, ein der M/^glichkeit nach Soieo-
des annimmt. Er erfirterl ferner im Anacbltiü an ein Citat uuä der arlBtoic-
lischeu Pbysik (T, 9) die Principien der silva, der speciea und der v.a-
rentia (oiffttjoii). Vgl. oben S. 12.
*) Confeaaionea. XII, 8 (Migue 3*2, 829): illud aiitem totiitri prope nihij
erat, ^noDiam adhuc omnino informc erat; iom fameii erat, qnod fnrmari
puterat. Tu enini, dumine, fecisti nmndum de materiu infonui , quam feclnti
de nuUa re pene nullam rem. Andere dagegen in de Gen. c. Man. 1, c. 5—7
(Migne 34, 178 fl.J. Vgl. S. 50. Anm. I.
*) Element» philosophiae , 1 iMigne 9U, 1133 C, Dcdae opp. I): Sunt
alii, qnj dicunt, lata qnae videntur esuo elementa .... ßin Vcrgleiir}i mit
beda's und anderer Ansicht zeigt, da& Willielii) die Erklärer de« HexaJJ-
pierun im Auge bat.
lI«itrago II. 4. Dniintffartiier. Alnnna ila iDsnlis. 4
M Alauns tl<* toaulis.
Klcintiili», d)*ni Chaos dvv (Jrit'ohen »). Nur bei einigen, wie bei
lUiuhaiiiiM Maurus und bw Papias, wini der Beridit Isidors
vcr/cirluipl. ilir ilrinhi^i» hAtlni die Mulcric^iiiizlicli lieÄtinimunjrs-
loj* Ki'ibirhl und mis ilir si-icii erst die ElfinenU- hcrvoivejianiren ')•
Unln'fritMlijil von (lieseni Versuch , die limiaterie mit dem
liundKrriilifhen und sinuenfalligen Stoff zu identifizieren, tritt
Wilhelm vun Conches, nicht ohne Opjvosilion von Seile sei-
ner /eitKenossen ") , im Ansehlulä an Conslantinus Africa-
nufi, den rbersclxer von Isaak Israeli 's Schrift über die
Kiemente, t»lr den alomistischen Aulliau der Materie ein, ind^n
i»r uU das letzt«- Substrat der Muiteriellcn Well kleinste, ein-
fache, nur durch eine Deiilcoperation erfaübare Parlikelctien
|iusUili*-rte 'j.
Andere Auflassunpen der Urmaterie fufiten auf dem pla-
■) Augustinus, de Gen. c. Mau. 1, •^—7: Beda (in Hexa«ni. I;
Mi)!t;nr 91. 15 AU); Alcnin (inti^rrog. otv. in Geneain. n. 21; Migne 100,
:tl\t Hj ; Kliabanus Maurus (conim. in (Jen. I; M. 107, 446 B. Die gona»
HU'll« int au8 Beda a- a. 0. genommen}; Hemigius von Anxerre (comin.
in livu. 1; M. 181, bb AB): Anselm (Munulog. VII; M. 158. 153 CD);
M)inoriu8 von Autuo (in Uez. 1; M. 172, 255 A<; Hugo von St. Victor
(Klucii). in Gen. V; M. 175, U BC), Robertn« Pul loa (Sent. II. 1; M. IHÜ,
717 V); Abaiaril (in Hex.; M. 178, "38 C, 735 A) : Petrus Lombardus
(Hfiit. II, 12, n 1: M. 192, 675); Tetra» Pictav. (Sent. U. 7 ; AL 211.
It&H 0); Petrus t'omestor ^IIist scholastica, lib. Gen. I; M. 198. 1055 B).
*) Kbabaiiua Maurus (De univ IX. 2; M. 111. 2ti2 D) : Ylen Gnuwj
r«rnm quandam prinuun mutoriam dicunt nullo prorsua modo fonnatam . aed
nrriniiim rorjwraüinu furuiarum capacum , ex qua vbibüiu tiatn- Hlcmentu fur-
itiaU umit. Eboii*! Papias (Cod Paris., 11531. a. XII, fol. 25Ü''o). Vgl.
Uidor lEt>ni. XIII. H, ii. l tV. : Migtie H2, 473 C).
') CUtT Wülther von St. Victor, neben Wilhelm von Saint-
Tbierry einer dei' Gegner Wilbetm's, siehe Haureau. Hiat.de la pbilos.
acol . 1, a 443.
') Elementa phUcsophiae, I (Migne 90, ll.>2 D, ßedae upp. l) : Ele-
ments ergo atmt »implae et minimae particulae , quibua haec qualtuur oon-
Htunt quae videmus. Haec olcnienta nujiquani videntur, aed ratione divisionin
intelliguutur. Ebenso iu dem früher (S. U», Aiini. H) erwilhuten Kommentar
xuui TimaeuB ^Cod. Paris. 140G5, fol. 59 v»), D^n Versuch der Philosophen,
die Mat^rio atomiBtiacb zu erklfiren, rrwjthnt schon Kbabanuö Maurua (De
uwiv. IX, 1; Migne 111, 262 A) nach Isidor (Etym. XIII. 2, n. 1 ff.;
Migne .«2. 472 D ff; vgl. ebd. VlII. 6, n. 16; Migne 82. 307 A),
Die Lehre der alten Atomiicer koimten die frOhraittelaltertichen Lehrer
lua dem aii hiütoriachen Notizen ao reichen Chaicidiua kennen (ed.
ai, 8. Slü, D. 279).
tt. Abschnitt. Diu ontologisrhen B«(^iffe und tiedetze. öl
tonischen Timaeus. Im Altertum bereits waren die Meinungen "
über die Materie jenes berühmten Dialogs geteilt '). Diesitlbe \
Differenz sdipn wir im Mittrlalti-r foHhcstelioTi. Wfilircnd Oil-
bertus Porrelanus, j<*'wisst'ii Sb-Ilrn des 'riiniiriis und Cbul-
cidius folgend, die Materie als das absolut lorrii- und qnalitäts-
lose , rein passive Substrat der körperlichen Dingo ansah -),
stellte sich Bernhard von Charlres auf die Seite jener Pla-
tonikor, welt-lie. auf andere Stellen des Timaeiis sieh beriifeiHl.
die l^rniaterie rnit der bereits qualitativ beslinnnten Materie ver-
wechselten und ihr eine in ihrer Natnr liegende Bewegung zu- ^
teilten ■'). Nacfi dem f^arnotenser ist nändicti die materia pri-
mordialiö eine stünnisch und ordinuigslos bewegte, in angebo-
renem Streit sich eidzweiende SLofl'taasse *), das Chaos'"), die
massa confusionis '■) , die zwar als formlos •) bezeichncl wird,
aber nicht im absoluten, sondern nur im relativen, von den
vorher erwähnten Ttieologen vermeinten Sinne, insofern sie noch
nicht jene Hestinmiiingen und Formen an sich trägt, welche «iie
jetzige Well auszeichnen ").
Innerhalb dieser verstrhiedenen Richtungen und Anscliau- j
ungen über die Unnaterie ergreifl der Magister von Lille für | J;?
Bernhard von C'.hartres Partei, (ileieh dem berühmten Pla-j
') Siehe darüber liacumkßr. Das Problem der Materie in der grie*
chiwlien rhiloB<ip)iie, Münster 1890, S. 143. 383.
*> Bo^thii opp., S. 1141: Haec edt üla prima iiiatena, quam Pinto rceep«
tKolnm vocat , in qua . . . formantur , quaecunquc reci^miitiir «tb ob, cum
tamen nnllam ex eis ipsa contruhat fomiam, et est omniao infurtnis. Vgl.
ebd. S. 1137 ff.. 1226. 1231.
") Siehe darüber Chaleidius. ed. Wrob«!, S. 32d. n. 300, S. 375,
n. 352.
♦) De mnndi univ. 1, I, v. 18—27, ed. Barnch, S. 7; obd. I, 2. v.
75, S. 11.
*) Ebd. 11, 2, V. 1, S. 35: lum neHum per mt^mbra cbao8, Vgl. ebd.
I. 2, T. 47, 8. 10: Erat lijle Daturoe vuUuh antiquiMsimufl.
") Ebd. II, 1, V. ö, 8. 33: Ecc« . inquit . mundus. o natura, qoem de
antiquu aeminario, quem de vultu veteri, quem de uiHssa confusinniH excepi.
') Ebd. I, 1, V. I, S. 7: Congeries tnformis adhuc com silva tonerot;
II, IS. V. h, 8. 61 ; diversum non aliud quiun hjrlo eaque indigcns forroa.
•0 Ebd. I. 1, T. Ö, H. 7:
MoIliQS excodi Hilvam pü.-nitoquo vetemo
Poaae anperdoci melioris imagine (beiBaracb iiiirichhg iiiiaginem) forma«.
4*
\
Jj2 Alanus Ae Insnlis.
tonikoi* schildert audi er die Uranfänge und die Samen ^) der
k»\i*p*'rHo!»ci» Well , die materia primordialis, als die stürmisch
und i-^^Kt'llos. in Streit und Haß durcheinander wogende, dem
Spirl d*^ Zufalls pnMsgiyebone Stoffmasse der Elemente*), als
das ohaos anli(|uum. die massa vetüs *). Mi%estaUet und
tkAlihv'lu also nur relativ formlos, ^Irebl sie nach der Gewinnung
v^uuM In^ssionm Koriu *). unter deutlicher Bezugnahme auf den
Tnuaeus und auf Chakidius nennt sie der Scholastiker eine
.»iwvoutia adulterina** ') und mit Boethius lehrt er, wie wir
H\ h^m tVrther erwähnt haben , daü sie nur durch die Negation
MUi Konu in gewisser Weise erkeruibar sei und insofern noch
\vdur nenaimt werden könne ").
'> Viitid. 492 ß: Heiitinu ntundi ; .W» A: aemina reram ; 503 B:
|mmoi^)ia n>niiii , aus dem StniziainiiH Htummcnde ÄusdrOcke. die aach bei
UtniilkAnl vi>n ChartreM in Übung Bind (ed. Barach, S. 7, t. 2; 11, v.
(':^ i''>: S3. V. 7i) und auf AuKtiHtin (Do triii. Kl, 8; Higne 42, 875) und
tU*f>lltiH8 (Consol. II, inetr H, od. Polpor, 8' 48: Quod pognantia aemina
lWd«i» |M»rpi»tuum tenent) zurlirkwoimm.
■) Anticl. 4it2 C:
QuJH liditi noxu civilia bella refrenans
Et frAtniin rixuH idon-ontis oscula pacis
Indidit oi nunieri nodo meliore ligavit.
KImI .Mm HC:
Ni Htiihili noxu, concurdi foedere, pace
TorpotuH vicibtwque meis elementn ligassem,
Intimtinua adhuc Htropitus primordia rerum
DJHHonn conruteret gemianaque bella moveret;
OlllrÜH i>xr(«pt» Huiu, ignara iiieatus,
Srnbrii Hitu, cunfuna locis, perraisto figuris,
FurtuiÜH agitata iiiodis elemenU iacerent.
) Anticl. 4Ü2 B: <JuiH chaoa antiquum vultu meliore redemit; 534 D:
(Jtii vott'H'in massam do vultus sorde querentem. Bist. 689 B : Mondanam
iimrbiiinm vocat abyssuin proptor aui confusionem et obscuritatero ; unde
(tani l]rM>cu8 chaos dixit, quod est confiisio.
') Be pl. n. 442 B: cuius vultum miaerata deformem; Anticl. 492 C:
Bum formao melioris opem vultuaqne decorem
Quaerorot atque suum lugeret ailva tumultum.
Vgl, obd. 534 B.
") De pl. n. 442 C : Quae olim tui corporis materiam adulterina prim-
urdiaÜH matoriao eaaentia fluctuanteni in verum ease prodaxi. Vgl. Timaeua
b$ B : sed ipsuni »ine aensu tangentis tangitur adulterina quadam ratione
Mbile; Chalcidius, ed. Wrobel, S. 370, n. 346 ff.; Apulejoa, de
»te Piatonis, I, 6, ed. Qoldbacher, 1876, S. 67.
') Diit. 871 A: qnamvia yle proprio intellectu capi non ponit, sed
11. Alj.'sebiiitt. Die ontologtsf-hcn ItogrifTo unil Gesetzt-. 5^
Suchen wir nuniut^lir •.tun der Lehre unseres Scholastiker:*
und aus der dt-s 12. .liihrhunderU das für die geschiohlliche
Entwicklung? wichtij5o Moment herauszuheben. Vor allem ist
das enerpipche Slrehen nach finer iH-tricdi^ioiidou Auffassung der
Materie al^ des einen wesentlichen. Faktors der körperliclieii
Din^e von gröläler Bedeutung für die Folgezeit. Wir sehen, wo-
hin die christliche Spekulation am Ausgang des lä. Jalirhunderls
dr^liiift. Man uiiterselii-idet hen-ifs zwiRrJirn nialeria prima
und secnnda, und obwohi man -mit wenigen Ausnahmen —
noch an dem körperHcheii Stoff hänpren geblieben war, so daclite
man doch die erstere als das alU'U Kürpern gemeinsame. Be-
stiniimuigt'n aulnelnnende, letzte Substrat. Der bisherige Materie-
IjcgritT enthielt Merkmale, welche ebenso dem uristolelisehen
gemeinsam sind. Sobald man nun mit den Anschauungen des
griechischen Denkers über die Materie nähere BekaimL^chall
maelicn könnt»', muliteu diese mit der in den christliehen .Sehn-
ion (radierten Lehre verwandt erscheinen; ja sie r-rwicsen sich
als die letzte Konsequenz des cfiristlicherseitü eingenonnnenen
Standpunkts, Man brauchte mir mit der Forderung der Form-
losigkeit und Beslimmbarkeil vollen Enist zu machen, und inan
war lieini Substrat, das in jeder Hinsicht b!i>U „potentia" ist,
bei der Materie, welche Aristoteles für das substanliale Werden
voraiL*'setzt. angelangt. So traten die Scholastiker nicht als Neu-
linge, sondrni wohlvorbereitet an ilen a ristoteltschen Fundatnen- I
talbeftrifr heran und sie nahmen ihn um so rascher in itir (Je-
dankensystem auf, als sie in ihm die dem bisher überlieferten
Maleriebegi'iff noch anklebende Inkonsequenz vei-niieden fanden.
b. Form.
Der mittelalterliche Formbegriff, sowohl der falberen wie
der späteren Scholastik, zeigt mit Rücksicht auf seine geschieht-
J
iantmn per forme abncgatiunem, tainen quoqoo modo intelligitnr. (Nach Cod.
Mon. 7998. s. XUI. fol 77". i Bei Bofthius (r. Kulych. *•! Nest. 1, oil.
Peipcr. S, 1H9} IimUit die bezügliche Stdie : deiw et mattrria integro per-
fecioqu« tiitollei'tii intellegi noti posMunt , si-d aliquu tarnen modo ceteraruiii
rerum privRliono capiantur. Vgl. olien S. 21 a. 43. Siebe Johannes
Sareub. (Mctalog. Jl. 20; Mignc 199. 883 A), der sich ebenfalls auf Bo6-
thins «tatzt.
S4
Almms He Insulis
liehe Enlstclmny ein doppeltes Gesicht. Er vereinigl mit einem
platonischen ein aristoleligches Element.
Der Zusanmienhatig mit der platonisclien Spekulation ist
gegeben in dem Verhälliiis von Form und Idee. Die bereits
bei IMiilu und dem Plaloniker Albinus') vollzogene Scheidimt?
beider und dio Idenliiizieiung der Ideen mit den jfötlUchen Ge-
V. danken ging durch Augusti II, Matrobius, Priscian*), Apule-
'jus-')» (IhaU'idins '), Hürlhius und P>4'udo-I>ionysiuj! auf
das MitlelaUr.T QU-r. Mit aller Deullii-hkeil nntiTscheiden die
christlichen Scholastiker die Ideen als die Ot^;mkHi Golt^ von
den Formen der Dinge und dacliten die letzteren als die Abbij-
d^ jener ewigen göttlichen Urbilder.
Ward so das ^anze MillelalttT hinduRh in platouisii-ren-
der Weise die Form in abbildliche Beziehung zu den {/öttlichon
Gedanken gebracht^ so koinnit Aristoteles zu seinem Rechte,
wenn die ForniL-n als ininiancnle Principien der Dinge be-
trachtet und mit den begrifflich er faUlen Wesenheiten itlenliliziert
werden.
Diese allgetneinstenr histonscli bedingten Grund/.Oge zei(^
der FornibegrifF auch bei unserm Alanus. Mit Boetliius lehrt
er, dalä ilie Formen der Din^'-e aus den ewigen Formen in der
J göttlichen VW^isheil ihren ürspning genommen haben '^), daü sie
/ die Phantasmen und Schaltenbilder der göttlichen Ideen**) seien.
') Siehe tlnraber Btteiimker, Problem (W Materie, S. 373, Auni. 3.
*) Auf diese drei AutonUteii beruft sich z.B. Abaplnrd (in Hexaöra. ;
Migne 178, 788 AU; iotrad. ad theo). I, 9; II. 16; Mi^^ne 178. 991 A.
1080 C; tlieol. christ. IV; Migne 178, 1307 A ff.l. Vgl. Deutaeh, l»et«r
AbÄlard, Leipzig 1883, S. 208.
') In seiner Schrift de dogmote Platoni.s, I, 6, etl. Goldbiioher, Wien
1876. S. 67 ff.
*) ed. Wrobel. S. 367. n. 344: Quippe Beconda species, id est uativ»,
mutimtiir Biibutantiam de specie principali , quoe aine ertu edt et aeterna,
cenMta ideae nomine. Vgl. 8.370, n. 347. Ana 0halcidiu8 nimmt offenbar
Gilbert seinen bekannten .Viiadmck .funna nativa'. Siehe oben S. 23.
") Siehe hicrflber S. 25, Anin. 1.
"0 Anticl. -498 C :
<jualit«r in moiido phantaama remiltat ideae,
CuiuB inoffensiiB »plendor aentitur in nmbra.
Dist. 866 B : Mundas dicitiir aapientia Dei , iuxtA quani munduit factua «st.
IT. Abschnitt. Dir ontolügisclien Bugriffc und GcsoUe. 55
die Formen der Formen*), tlie Gopien der gcistigon \Vi:it •). Zu-
gleich aber werden sie als die in den BegrilTen erfalile» Naturen
oder Wesenheilen '), als die tconstitnliven Faktoren der Dinge
angesehen, weiche» den Dini^^eti ininmnent, ihre Wirk.sainiteil eriU
fallen, sie /um Sein fülu-en, das Sein erzeugen, es veränilem
und erhalten *).
Die KoniH'n scheiden sich nach dem Effi-cl ilirr-s Wirkens
in formae substantiales (proprielates, causae, naturae substan-
tiales)''), welche die Materie zur Wesenheil der Dinjre ergjuizen,
das wesenlhdie Sein verleihen, den WesensunlerscJiied hwlin-
gen '). und in formae accidenlales (proprielales, eausae acci-
denlalf-s) '), welche zu dum seiner Wesenheit nach bereits konsti-
UiierLen Ding hinzutreten ") und den (irund seiner itulivithu-Üen
Bestimmtheiten bilden =*}.
4)iiHe n prophetiH dicitur archetypn« mundiu, quAsi principRÜa mandi ÜgurH,
uudt' Ikii'thiuM (oona. HI, nietr. '.*. ed. Pciper, S. 71, v. 7):
Pnlrbnim puicliemiiius ipse
Muiidum mentti gereas.
') Anticl. 498 A :
8tibi«cti 86>it<> iion deflorata iiivAiitua
Konimnim forma» scmpcr fat-it esae pueltaä.
*) Anticl. hM D:
(Jui rcnim spveies et niundi aensitiB nmbrAni
Duciü ab exemplu mundi iiieutali» uutiduin
ExteriiiH pingen» («rrvstriH iiuagint) fontiiie.
Die Stelle ist «ine Nachahmung von Bo^tliius (Jonsolatio, III, nielr. tf, od.
Peipor, S. 71, v. 7 ff.
*) Siehe hierQber oben S. 25.
') Antid. 497 U :
l^iiac rem cM^Dducit vcl quoe perducit ml e.sse,
ijoae genenit, qaae mutat eam. quae 4prvat in enae.
Vgl. Johannea Hareab. (UeUlog. II, 20; Migtie 1911. »^3 C}.
*") A. f. Prol. 598 A : Proprietaa est alia sitbstanttaliH, alia aci'idGtitaliif.
Ober die verachte denen 'I'ennini vgl. oben S US, Anm. 2. .\ui'h Johannes
Sareab. (Metah II. 20; Migne 19i), 8S2 D trifft, aie l'nterscbeidiiDg v.>n
formae substaiitiales und occideiitales.
") A. f. Prol. n98 A : Siit^stantialia mt. c|iiai' cuinpoiiitiir bubiectao nia-
teriae ad cuinplendam Bubstantiam.
^} Siehe Anm- 5 und oben S. 24. Anni ,5.
") A. f. Prol. 598 A ; HccideiitallH eat, quae est adventitia« natura«.
Khd. : Afciden« est proprietuM. «juae per suhiBClura existit eidem esse
pon oonfereti»« -sed differre.
(
56
Alands i\c Insulin.
Finden sich die bis jetzt berührten Momente, das Verhält-
nis dfr .Form xur Idee, die Identifizierung niH den besrrilTlicheü
Wesenheiten, die UnterschcidiinK in siilisliuizialp und arcidenlelle
Formen im Wesenlliflien ebenso bei den Lehrern des 13. Jahr-
hunderts, so springt doch iler t'ewallige Fortschritt, welchen die
sprtlere Metaphysik f^ejfenfiber unserm Alanus zu veraeichnen hat,
fiofoK in die Augen, sobald wir von den trenannten, mehr ull-
jyerneinen BesliinrnunKen der Kenn al>sehon imd fragen, wie sicli
der SdiolasÜker dim Foririprincip als solrhes gciliirbt habe.
.^ Alanus rieliniert die Form als die Proprietät eines Din-
ges 0 oder an einer anderen Sltflle als die Summe von Proprie-
t.lten. welcln' in ihrem Ziisaminentreffen dorn .Subjekt, dem ^e
inliiirieren, ein von jedem anderen Ding vtrsrhiedeties Sein ver-
leihen *). Die Form ist also nicht, wie in der späteren aristo-
telischen Seholiistik, ein in sich völlig einheitlichem, unteilbares,
unter die Kalegoiie der Substanz fallendes Prineip, sondern eine
Kigeiischall urler ein Ooniplex von solehen. Die Wesens- oder
snbstanziale Form erscheint als tue Summe der im Begrifl ent-
haltenen, wesentlichen Merkmale o<k'r Eigcnschalten . wfdirend
die acridenlellen Formen die auüerhalb des Begriffes lii^'onden
Bestinnntheiteti des Dinge;; umfassen '), D<t (legensatz von Ma-
terie luid Form gestaltet sich deniiiach, ahidich ^vie bei den
Stoikern, als ein solcher von Substrat und Eigenschaft, Sub-
jekt und Proprietät kimslituferen ilie Dinge. Aiicli die geistigen
WrstMi wurden aus diesen b(,!iden Faktiwen zusanmiengesetxt be-
trachtet*).
') Dist. 796 D: Fonnu dicitor proprietRs roi . nude Bu^tÜiius {dv tri«.
2, ed. Peiper, S. 152): considerat en'im corponioi formas i. e.Jpruprietalee,
qtiae dine muteriii efutt' non poasunt. «NnchCod Mon 7}>d8, S.XIII. Toi. 47''.)
') A. f. Hrol. Ö97 ft : Kormfl e«t . quae ex «.-utieuräu proprictatum ttd-
vcniflns n qimlihet alia substaDtia facit suum subiecturn aliud cd«e. Ebd. II,
2$, 61U A : ^>i funnae deHcriptionom attf tida» in priiiiu libro, inveniea eam ex
proprictatihns coDcurr<>ntibiiB conntarp.
') Reg. 11 (Dach Cod. Lilienfeld 144. fol llSrb; Riebe oben S. 22.
Anm. 2) : In nataralibna autem causac äubistniitja]t>^ . {cpn4>ralea vel tupecialee.
composituc Hunt vx portibu» aaaniin difBnitionum, iit haee epecies humo com-
poflitn est px genere nt substoDtialibns dtiferentiia CaiMa« v«>ra accid«nt«les,
tif albedn, nigredo compo«itae »luit ex diversis efi6ctibiia.
*) ü. 11. I, 8, 314 C : Item cum diubidus mutabUis ait et vannbilis,
V. Abschnitt. Die ontologi»clien B^fp-ifTu und (»osetzc. öT
rier Srliolaslikcr zu tlieser Gleichsflxung
Kij^enst^liaflen und rnll Komplexen von
Wie kointnl nun
der Formen mit den
solchen V Sihon bei Boetliius werden
körpeni Wfsonl Hellen EiKi'nseharteii mil
mit
die den Klrnirnlar-
«leni Ansditirk for-
'mae belegt'), und bereits Gilbert hatte die Untersebeidun^
in proprietates accidentales und subslajiti:ilt's gHtrolTfU,
wobei unter den letztem die Wesensfonui-n (ier Dinpe vi^rstaii-
den werden *|. Nacli lier Lehre des Bischofs von Foitiers ist
ferner die Fonn kein einfaches Princip, sondern ein*- Totalitnt.
eine Summe von Teilen, von Teilqualitüton *). Mögen nun auch
diese Autoritäten, insberiondere (iilhert, bei dvr AulVassunir
unseres Scholastikei*s mitiJrewirkl haben, so ist der tiefrrr firund
(loch vorwii-ijend darin zu suchen^ daii sein Formbejrriff nicht
der Betrachtung realer Naturthatsachen enlsprinfrt. sondern aus
der Logik herausgewachsen isl. Die (retfenfdjerstellunK von Sub-
jekt und Proprietät in der Metaphysik ist der ifetrenr Abdruck
des logischen (-iL'^feiisatzes von Subjt^kt und l^rAdikat. Die jre-
dankliche Verbindung der letz-tern im Urteil wii-d, auf die Autlen-
welt übertraK«*" i zm* meUipliysischen Zusannnenset/ung der
ftliqiia est in oo compoaitio salfctn propriotatitt Atl aubioctnm. Vf^I. Kcfc. L
623 B ; Keg. ä, 626 A : qiiia spiritalihua multiplex est concreta prnpriftHN.
^) De triii. 2, t'd. PeiptT. W. löU: t*rra quoqne ips« non spciinilutii
^jtunr vkt}v dicilur, aed «eüuncluin siccitatfin {i^ravitateinqiie, quae sunt fonuso.
•) BoNhiiopp., S. 1128: ut Platunis et Ciwrunia non bolum accidentaleu
proprietatea , voram <'t Buhntaiitiales, qnibus ipsi sunt, verhi gratin vet di-
versa corpore vel diverai lioiuines, diver>iat' sunt. Vgl. dazu S. 1281. Hi»'r
wird aber unt<>r suliatantiali« propriotas nicht die Wesenbeit st'lbat verstau-
den, tiundeni eine west'ntliche Eigenachaft , z. H. dit rationalita-s. Aucb P«--
trua Pictavienais (dvn Cvarneriua von Hncliefort, Uag. thfopb. symb.,
t, 5, cod. Troyes4.V*, fol. Ti^ , ausachreibt) nennt die 'individuell^} aubstanziale
Form eine «propriftas' (Sent. I, €: Migiie 211. 8Ü7 A).
^) Ebd. S. 1141 : CuiUHÜb»'! cnim aubäiatentis tota forma subalantiae non
aimpicx cat . . . . ut de aliquo boniim- tota forma aubiitantiae . qua ip8e est
perfectus homo, et owne genua omnisque diffcrontin, ex quüiua est )]>sr citin-
potdta, ut corporolitaa et animatio et huiusmodi aliae et deni(|ue •>nmia, quae
vel toti illi form«« adannt .... vel aliquibua partibua eins. Daß diese
Aafiassunf! der Form wieder in BoJ^thins wurzelt, xeigt Gilbert seibat (S
1142) durch die BcruFung auf den boethianiachen 8atz (de trin. 2, ed. Pei*
per. 8 l.'i^ : uniiniquudque euim habet esae auutn ex bis ex quibus eat, id
est ex partibua auia
7
ftl AUmu d« Insulis.
Oint«* '). Dif Fakloron des realen Seins sind infolge einer ex-
Ircnt ri^il ist i sehen Denkweise den lo^rischen Teilen des Urteils
HiiL-likonstruierL Die Teile oder Merkmale des Begriffs werden
zu niflaphysisclien Teilen der Form, die ja das objektive Corre-
lal des ersleren darstellt.
Dieser Ursprung des Fornibi-griffs verrät sich auch in man-
chen Wendungen, mit dt-nen der Scfiohistiker die Art der Ver-
bindiiii^r der beiden Wesensbestandteile zur Einheit der Sub-
stanz hesciirciliL Die Tivimun(,r von Materie uttd Form ist
1 nfimlich nur tht'oretisch, in Ge<lanken vollziehbar*), in der
WirklichkiMt koninil ue<U'r dem einen, noch dem undcni
Princij» eine gf-sondiTli- Existenz zu '). Ihre \vtH-hscIs»*itijre
y Verbinduiii? ist din BedinjfunK ihrer eijfenen Wirklidikeil, wie
die der Substanz *). Auch die Unnateric, wie wir sahen, exi-
stiert nicht ohne alle Form^. Beiden Principien eignet von Na-
tur aus eine gewisse Fähigkeit, ein Streben, sich zu verbinden ").
') Si«he üben S 23, Anin. 3 und 4.
*) Dies und nicht« andere» iKi diT Sinn jener Stelle im Anticl. 498 A,
H(iH welcher it&ur^aii (BiKt- de ta philoij. svol., 1, S. 527) dit> Lehre von
einer Halbstündigen Exiirtcnz mtwohl der Materie al$i «urh der Fonn Iieraua-
losen will. Die drei Spiegel der Katio sind utTenbar nur eine poetische Um-
schreibung der von. UoJ'thiuH (dt* Irin. 2. ed. Peiper, ä. 152l im An-
tH'hlaü an die aristiftelische Dreiteilung der theoretischen Wisscoachafteu
geforderten dreifachen RrkenntnisweiKe, Dämlich des rationabiliter auf
dem liebiete der in Bewegung befindlichen Naturdinge, des disciplinaliter,
dcH mathomatim-hen wler abstrnktiven tlrkennenH(Heg. HO, 63>^ D: Nomina ma-
thetnatica. aiv« pnncipaÜH Hpud natumlem phtIo5<iphiiiti dicuntur illa , qune
signtticont proprietat^m [statt des unrichtigen iniproprietatem dew Text««]
matheniBtice id est uhstrnctivc, nullo habit« reapecta ad subioctuni. ut ntbedo,
nigredo) und des intellectualitor auf dem Gebiet« der unbewegten, imma-
teriellen göttlichen Dinge.
') A. f. I, 4, 599 B: Neqne Mibtecta mat«ria eine fomiA. nequ« formH
sinu snbiecta mat^ria actu potettt ease. Vgl. .Iithannes SHresb. iMetalog.
11. 20 : Migne 190. 8><3 \^\ HAnri^Bu. a. n <)., S. 502, hftttc diascn SaU
nicht kurzweg ala einen nominal ist ischen bezeichnen aollen
*) Rbd. I, 5, 690 C: Compositioneni formae ad materiani eese caosMii
subntantiae .... Ergo forma et muteria actu habeot esse per compositioneni
earum : ergo compositio est cjuisa existentiae eanun. Sed exintentia earum
est cauaa mibfltantiae.
*) Siehe oben S. 52.
") Reg. .*>, 626 A: Aut aptitudine componendi , ut qiiaelibet proprietM^
i^uae .... tarnen ad hoc, nt componatur sabiect« (statt subiectiu), e6t aptiii
iL Abaciinitt. Du- uiitülogiwhen Begrifftt un^ (lesetze. 59
Die Weise der Vereinigung selbst alier fienkt sich Alanus
nach Analogie eines ehelichen Verhältnisses (connubiuml, nach Art
eines Kusses (oseulum) '); etwas nüchterner hezeichnet er sie an ^
anderen Jitcllen als ein Eingeboren-werden der Forrn in die Ma-
terie-), als eine Verwachsung^), eine Verkettung*) mit dem
Subjekt, als eine inhärenz^) in demselben: Ausdnicke, von wel-
chen die beiden letztem lebhall an ditj Verbindung und das
Verhältnis von Sul)jekl und Prädikat im Urteil eririii<-m.
Wenn wir nun nocli einmal die ij-hre von der Form über-
blicken, st) ei^ebt sich 4iie bistoriseh hfachtenswerte Thalsache,
dali ebenso, wie der Begriff der Materie, so aucli jener der
Form, schon ehe die Physik und Metaphysik des Aristoteles be-
kannt \vurde, eineJi integrierenden Bestandteil der chrislJichen
Spekulation bildete. Zwar besaß sie noch nicht den aristoteli-
schen Formbegrilf in semer vollen Reinheit und Tiefe, sowenig
wif den der Matcnc Wir halx'U bereits jenen Punkt aufgezeigt,
in welchem das eingebende Studium der aristotelischen Philoso-
juit iiptitudine compogjti , ut primordialU inateria wcundum philoRophoa dtce-
Kalui- nxupoeita , qui» ad hoc, ut «i aJiqiiid eomponeretiir, erat apin. Vgl.
Antkl 4;i2 C:
Dum forniap im-liorm opoin vultiwcjuo decorem
(^iinercrct atque siium luj^crct silvu tuiniiltuni.
*) Anticl. 497 C :
"■" 8nbiecti formoeque videt connubia, cernit
08€iila, qtiae mmcet concretto. quoeve propinat
L'nio nativa formiM »uliiectji inaritai».
Die Ausdrtcke .uni" nativa" und ,concictiü' dent«n auf Gilbert'schen Ein-
fluß. Vgl. BoPtliii opp.. S. 113H ff.
'; A. f. I. 25, ß03 D: fonnAm. quae innaacitur; ebd. 1. 2ö, 604 A:
Matcn'ae forma innata.
^ Siehe Anm, 1 Vgl. Re»;. 30, 636 A
*) Dist. 922 C: Katiü dicitur ürnia cnnnexiu oxiat«tittac ad suum mib-
iecttim , unde Hilariiis : veriUs est ratio substantioe rei, i. c. rata connoxio
ßubstantiali» proprietatit^ ml »tnini subi«*cium. Vgl, Reg. ö8, tt49 A : aliquid
incipit esse album per concnt('nationi!ni »ubstantiae et proprietatis (Cod. Li-
lienfeld 144 hat roncretioneni).
'') Diar. 922 A : Ratio eät potentia animae . qua anims comprehendit
inhmerentiam proprictatis in auhieci« . HM-undiirn quam roitsiderat quid re«.
quanta res. quaJin res. Reg. 50. 642 D: In naturalibua enim aliquid prae-
dicntur per inhaerentiam . quando aliqaid ostenditnr alicui inhaerere vel con-
venire taraquam rei pruprietan.
(tu Alanus dö Insulia.
pliir t»ii»r!i cutschvidonden und weitreichenden Fortschritt
tM'tu'htt\ hrtiulirh ilio Fassung der Fonn als eines einheitlichen, unteil-
Imi't^n» sulislun/.ialen Princips, in welchem nicht bloß die Vielheit
drr KiKvnwhunt^n ihn^ Wunel und ihren Grund hat, das auch
riiir rbo»'tmK»"V **"• *'«*' ptlanzliclie und tierische Lebensprincip
\\w\ Huf dit» jn^isliKt^ S*H^lo in ihrem Verhältnis der Materie
m>tvuai«'r »ulioli. AlKnn wenn die christlichen Denker vor dem
\X JahrlmudrrI die Form als den zweiten konstitutiven Faktor
der Oiujte daehleiu wenn sie ihre hauptsAchlicIiste Funktion
durtu nalieiu den» Oin^v tlie im Begriff erfaßte Wesenheit, das
weHenllit'he Sein /.u trehen. wenn sie die Formen einteilten in
wulwliiit/iule nnd aocidenlelle, wenn sie femer der Form ein wirk-
lii'hes Sein nur in ihrer Verbindung mit der Materie zuschrieben,
H(t wurm damit dm-li wesentliche Bestimmungen des aristoteli-
Nclien Fornüiegriffs gegeben, und die Scholastiker fanden bei
dem bekuimt wertenden Aristoteles eine Bestätigung ihrer eige-
nen Tradilioii. So erweist sich auch hinsichtlich der Form die
Kiilwifklung der späteren Scholastik bei allem Fortschritt als
eini' continuierliche, als eine Weiterbildung der Lehren der
iVilheren christlichen Jahrhunderte.
5. Werden und Veränderung.
Materie und Fonn haben wir als die Wesensbestandteile
der körperlichen Dinge kennen gelernt. Auf die gleichen Prin-
cipien greift nun der Magister von Lille zurück, wemi er Ver-
änderung, Entstehen und Vergehen zu erklären versucht.
Das die griechische Philosophie bis zu Aristoteles beherrschende
Problem des Werdens tritt aber bei dem mittelalterlichen
Scholastiker in einem ganz andtjm Zusammenhange auf. Nicht
die Betrachtung der Naturvorgänge in erster Linie drängt ihn zur
Aufstellung einer Theorie des Werdens, sondern theologische Leh-
ren, wie das Geheimnis der Transsubstantiation '), die Lehre von
der Einfachheit Gottes % von der Auferstehung des Leibes und
der Weitemeuerung ^) veranlassen ihn, auf das Wesen der Ver-
') C. H. I, 58, 360 ff. ; Reg. 107, 678.
») A. f. I, 13, 600 D ff ; ebd. Prol. 598 A.
■} C. H. I, 26, 326 D ff.
tE. Abschnitt. t)ie ontobgisehen Begriffe und (rneiz». ßl
ändorung, i\\e dabei betcili^rten Kaktoren und auf eine Klassifi-
kation der einzelnen Vernrnlerungsarten einzugehen.
Die Veränderung (niutulio) wird hestiniint nU das Hinzu-
treten einer Proprietät zum Subjekt und das Vei-seluvindcn einer
andern ^), als ein Kommen und tJehen, ein Wechsel der Proprie-
tilten. Im Subjekt Iieg:t der tiefere (Jrund für alle Watuiotbar-
keit. während die Proprietäten an sieh ein unverändrrlic.lies,
kouHtuntes Eüenienl repräsentieren. Ihre V'eründerhchkfit uiui'
ihr Vergehen erklärt sich lediglich aus dem „fluxus" der
Materie *),
Mit den aristntcfischen Kategorien^) unterscheidet der
Insulenser, gleich (iilbert^), sechs viTschiedene Arten der
Veränderung oder der Bewegung, nämlich generatio, corruptio,
augmentum, diminutio, secundum locum niutatäo. alteratio ^).
Ohne aber weiter auf diese Einteilunji zu rellektiLTi'n, setzt *t an
deren Stelle eine Dreiteilung, die uccideritelle und subslatiziale
Veränderung und die Verwandlung (Ut TnuissubrilanÜation.
Die accidenlelle Veränderung (alteratio, transilus acci-
<]entulis) ei-streckt sich auf die äußeren, accidentelJen Qualitäten,
') C. H. 1, 8, 814 C: cum rautatio nihil aliud ml quam occessus uuius
proprtetatiti nd atiliiectutii (alierius) et rt^;4'AHitö alteriua.
') Dtflt. Wl D : .Stini HliqimiHlu oütut hiimutabilitat«iii rei , unde BoM-
thina in aecnndo proIngo super arithTiintif^Ani ^1, h, ed. Friedlein, Leipzig
1867, H. 7, V. 2&): tSapientia est eoruin , quac sunt, quae eui inirautabilem
sortiuntur sul>&tantiani, Icoinprehcnaio veritatial, i. e. proprieUtuui, quac in se
sunt immutAbilcs ; quod enlm inutantur, a sulieclis halieut (Nach Cod. Mon.
7998, iol. 114*'; das xwisflien [ | Stehende fÄlIt in der Handschrift aus). Das-
selbe Citat aua Hui'thiiiH Aiithmetik tiiidtH Mfh C H. I, HI, 33H H; ebd.
383 A : Quidqutd curnimpitur , nitt currumpitur . . . ., aiit tiuxu materiei, ut
pruprieliu. Omni» enini pruprietoa in ae imniutabih's est ; quod autom de*
siuat . ex Huxu niateriei, in qua est, habet (statt habetur). Ahnlich ftu&ert
»ich Johannes Snresb. (Metalog. IV, 35; Migne 199, 938 Ü), ebonfalla
unter Berufung auf die Arithmetik des Bo^thius: fomiae matcriei centactu
quadam ratione variantur.
') Ariatot. Catcg., c. 14. Vgl. besonders den Kommentar des tio6-
thivs hierzu (Boethii opp., S. 211 ff.).
*) BnCUiii opp., R 1229. Auch Abaelard behandelt die Vorgänge der
Verfinderung im AnHcbIu& an die KaLegurien und den Kommentar des Bo^-
tliius (Uousin, ituvragiia inedita d'Abölard, Parts 1836, S. 414 tF.J.
') A. i. Prol. Li9M A; ebd. wird die Bewegung (motua) deüniert als
„aocidensj quod attenditur aecundnm aliqtum aubiecti mutationem*.
4ft AbBOB Je Inaalu.
ohne das Wesen dt^ Dinge selbt zu berühren '). Wenn ein
weißer Gegenstand schwarz wird, so entsteht das Schwarze nicht
aus dem Weiß al> ^finiT Materie, .sondern die eine Qualität
verschwindet, subald die andere eintritt % Eine Ven'inderung
der bt*ieiclinelen Art ist die Emeuerunjf der Welt '') am Ende
<ier Zeiten imd die NeugestallunK des Auferstehun^leit)es *).
Tiefer jrreift die substanziale Veränderung falteritas,
transitus ^ubstatdialis) ^). Sie be:^:hränkt sjcli nicht blo& auf die
Äußeren Accidenzien. sondern sie trifft das Wesen der Dinge
selbst. Auch die substjiriziaieji Proprietäten, die subita nziale
Fomi oder Natur, werden in den Wechsel hnieinf?ezo]^en, und
als Rest verbleibt die Materie *•). AU Beispiel einer äiü)stanzia-
len oder Wesensverrindi^niriK figuriert die Verhandlung des Was-
sers in Wein 0 *if>d an einer andern Stelle die ^)enäo nur gött-
licher Wundeniiacht mögliche Verwiindlutiy eines Baumstammes
^ in ein Kalb *"). Das „substanliale" des Wassers hört aal und
das „substantiale'' des Weines flSngt an zu sein**), und im letz-
lern Falle löst GoLl die Natur des Stammes von seinem Sub-
jekte los und prögt ihm daPör die Natur des Kalbes ein "*).
') C. H. I, 26, 327 B : mtelligendum est Je transihi Aocidentali . nob
(In Hubatantiali ; dod enim intelligenduni est caelom et tcrram ita tran^
iturK, quod deainant esae vel maleutur in aliud , qui trarmituä dubstantiaÜH
cni, Hod iroiiaibunt »ecimdani oxUriorvH quHÜtutcH Rog. 107, 678 B: Alif>-
ratio Hubiectt est suciinduit) a<:cii]entulua prnprictatcs. C. H. I, 58, 3Ö0 B:
In liac muttttione manet subiüctum , inancnt ut unlistanti&Ua , aed noo manent
([tiotidiini iiocidcntalia.
') C. H. 1, 58, SOO B : aed non eoncedimtw, quod de albo fi«t nignun,
De albuni intclligatar enae niatoria nifcri; ,de* entrn materinm notat (Nach Cod.
Bernensis 335, a XII ; Qbui- ili« HaiidHc-hrtfl aiohL« Bacuinker, Thilos. Jahrh.
d. tJörresges-, Hd. VI, S. 417); tibd- III, U, 414 C: In accidentinm enim
quonindnm aUiTatioiH* . cum homo uigur fit albua wu albua niger , 9up«>rv«>Di-
i^nte altero perit ünmiiio iLlt«nini.
•) C. H. I, 26. 327 ß. — ') Ebd 328 A. — ■) fliehe Anm. 1.
^) C. H. I, 5H, 360 B: Alteritoä voro cat illa speciee mutAtionia, in
qua iiiaüente eadom niiitoriii non rnani'nt mibatantialia .... Qtuedam eiüun
lUTtdeuliiliu inutata Hunt. Vgl. Heg. 107. 678 B.
^ C. H. I, .'»K, 800 BC. - •) Reg. 58, (M8 C.
*) 0. H. 1. 5H. 360 C: nam illud sulutantiale , quod aqna «rat, dctaiit
esAe aqua, et illud, qa<id vinum v»U vinum t*ii>iv iocuepit
'") Reg. 5fl. ttiü C : poasot tnmcn duua nataram trunci a subiecto re-
irere «i vituli naturam ei imprimere.
1}. Al>8cl)nttt. t)iv onto!ogi»riien (jegriffe un<l Oesetze. 5$
Neben diese berden Verflnderungsweisen stellt Alanus noch
eino driltt.' Art, welche dem Myslcriuiii der Eucharistie ungehört.
nämlich die Transsubst;iiiliatioii '). Das Eigrhlfiniliche die-
ser lelütoii Verwandlungsform Ündt*t der Scfiolastiker (hiriii, dali
nicJil hloii 4lie forma suhstantialis, sondern auch deren Substrat,
die Materie, also die ganze Substanz nach ihren beiden Bestand-
teilen, von der Veränderung l)etrotTt'ti wird, während dagegen
die Acridunzien durch guttliclie Macht uuaiigelastfl tbrlhestehen.
Au£er ilinen bleibt von der Substanz nictits mehr übrig-).
Trotzdem der Magister von Lille seine ErtVrtemngen über
die VerAndtrung an theologische Materien anknüpft, so liaben
sie doch ein hohes philosophiscltes Interesse. Sie enthalten be-
reits die fertige, aus den Prmcipien von Materie und Form sich
eiKebemie Theorie des Werdens und sie beweisen, daß schon
im 1^. Jahrfmnderl die Vorgänge der Veränderung, soweit sie
in Betraiht gezogen wurden, genau in derselben Weise ihre Kr-
Uärung fanden, wie in der späteren, aristotelisclien Schola-
stik^). Auch in diesem Stücke verkündigte der Stagirite den
christlichen Lehrern keine neuen Gedanken.
6. Ursache und Ursachegesetze.
Haben wir im I?isiierigen eine Keihe für die Metaphysik
höclist wichtiger Begriffe Itehandclt, so obliegt uns noch, am
') C. H. I, IjH, ätiO A: mutatiottuni alia est alt«ratio, alia est altcritas,
alia transsnbataiitiatiu. Vgl. Reg. 107, 648 li. Sacblicb dieseltH.' Dreiteilmig,
aber ohne die nlanische Terminologie, verzeichnet Petrus Pictarienftis
(Beut V, 12; Migne 2U. 1240 Ci.
*) V. U. I, 5H. 3f>0 C: TranMsabat&ntiutio est illa specles mutationia,
8t*cunüuin quam et mutatur muteriu et »ubätaiitialia forniu. 8ed renioueut ac-
cidenlia. Unde dicittir traiiaHuhatantiatio , quia nibil de Hubstaiitia remanet
rel i^tuntum ad materiani vel quantuiii ad aubatantialem naturara .... Et
qaia tota BubaLantia mutatur. \'gi. Kog. lUT, ö78 BO. Über die Subjekt*
bsigkeit der Accideuzien biehe obeo ä. 41.
") Sehr iuteroiwant ist in dieser Beziehung ein Vergleich der Ansehau-
ongen unaeres Alaous mit der Doktrin den Aquinuten (8. tlieul. Ul, q. 77,
a 3~H). Das zwülfte, wie das dreizehnte Jahrhundert, schöpften aua der glei-
chen Quelle, nümlich auu Aristoteles; die eratere Periode freilich nur aus
den Kategorien und aus dem Kommentar, den Bo6thins zu dieser SteUe
unter Herbeiziehung der in der aristotelischen Phjsik getroffeneu Kiu-
teilun^ gegeben hatte. Siehe UüiJthii opp., S. 211.
H
Alaims de IiiBolü».
Schlüsse des Abschnittes über die Onlolog^ie, die Anschauungen
ztisammenzustellen, welche der niillelalterliche Mat^istcr über den
Ursacliebeprirf in seinen Sehrilli'U hinbrl-jsscti hat. Wir dür-
fen zwar weder Ünlersuohuntfen üi)t:r den ot>jekLiven (Jehalt des
Kausalbetn'itVes, noch soh-he über die allgemeine und unbe-
schränkte Geltung des Kausalsatzes erwarten; beides war fftr
die ^esainnile Seholastik so selbslverslfindliofi. dalä auch nicht
lier h'isesle Zweifel lüeran autlauchte, tmil inlnltie dessen auch
das Bedürfnis einer Eii'SrIeruntr nicht empfunden wurde; aber
was Alanus bietet, unil'aUt doch eine Summe von wertvollen
UrsaclioKcsel/en und die bekannte auf Aristoteles zurüclc-
gehende Vieiteilunj; «ler Ursachen.
Der hiHulenser rtefiriiert Ursache (causa) als dasjenige,
durch welches i-iri anderes das Sein hat. Dieses andere heißt
die Wirkung (causatump).
Wenn die Späteren, wii- Thomas von Aquin-), princi-
pinm als den umfassenderen Ht^riff von dem engeren causa
untei-scln'iden, so tritt eine solche Scheidung bei Alanus oioch
nicht ausdrau'klicli hervor. Er ^lebraurht die beiden AusdrücJte
als synonym'), wobei er allerditijfs 7Air Bezeichnung der trinila-
risclien Procisaioneti niemals das Wort causa anwendet.
Das Kausalitiltsgesetz entnimmt unser Magister mit Abac-
lard*), Wilhelm von Conches''), Johannes Saresberien-
sis") dem platonischen Timaeus"|. Das Welt^esctiehen ist
kein zufälliges t kein Ursache- und veniunflloses, soudeni jedem
') A. f Prot 597 C: Cimsa est. per quam liabet ftliqiiiil esse, qtioil
dieitur cHUsatani. Olier die Korrektur cau-sutuni sit^he Uaeuuiker^ HliÜOfl.
Jahrb il. Görresges.. B. VI, S. 166
"0 S. theol. I. q. 33, a. 1, ad 1.
*) Dist 911 C: Prinniilium dicitar c«a?a. Vgl Reg. 51. 6S8 D ff.
*) Theol. ehriöt. I. 2 (Migue 178. 1125 B).
'•) In seinem Kommcntor zum Timaeua (l'wl. Paris. 14065, fol. 57'») S
nihil gignitur sine cauaa: fol. 57 ^a: quicquid gignitur, ex aliqua oansa
giguitur. Siehe oben S. 19, Anm. 6.
•0 Eothet, V. 615 (Migne 199, 978 C): Praocedit ratio remm quamm-
liSet ortom.
*t Timaeua 2H A : Omne autem quod gignitur, ex aliqua causa neces-
Hariu gigiiltiir; nihil enim fit, cuiua ortuni nuu legitima causa tt ratio
praec'edat.
^
II. AWhilitt. Die unUtlugiwIipn RegrilTe und Gi*Me(xf> ^ri
Entstellen ffehl eine gosetzmAUigc Ursaclio und *'iii vornüiiiliger
Grund voran. Seine let^ite unii tiefste Wur/.ol hat diosos Gi'setz
in dem t'ötl liehen Weltplan, in der göttlichen Provi-
denic '), Wf'lche mit dorn Fatfini idenliscli ist*).
hl tiniltTur Kornnilit'rimjf und ^^i-wisserninLion auf rirn-n
Spezialfall angewendet begegnet uns der Kausalsatz in der irr-
sten pelilio der „Ai-s fidei": „Jede Zusiiiiimensetzung erfoixlerl eine
zus;uiirnriisi't/rndr Ursache" '), und in ,.f Inntra rhnTctieos": ..Alles
Zus;ininn'iij/i'sclzt{', uUl's (ieselialTeiiL' liaL i-in I'rjneip seiner
Existenz'* *)•
Bezflglich des Zeit- und Wertverhülhiisses zuisohen
Upsaclie tnid Wirkung' jjelleii dir Axiome: ..Dir Ursache ist frü-
]ier und wertvoller als ihre \Virkunj<*' ^), und das aiidi-re:
^.Nichts ist früher und wertvoller als es selbst** '). Aus letzte-
rem erjficbl sich di-r Folgesatz: »,Nichts hat sich selbst xmn
Sein ^iofnlirl «wter sdbsl zusnniinenj.'esetzt'* '•], und in weiterer
Konsequenz: „Es giebt keine causa sui" "). Endlich betrilll das
') C. H. I. 5. 311 C: Et (]nainviR mulln in li«c sacrulo caaii agt vitle-
nittiir, tauten rontru dei or<1in.iti(>ni>m nun Hunt . ([tii novit. qiminotUi t't (|ua-
litcr Hingula liaiH. NulUi iminqui' res est, ut il'u-it philüscpbua , cuiua urluiii
Ipgitiina cauu ot raliu uuq pra^cedat.
) I)ist, THf! C: FaUim dicittir temporalium rcnxm Serien ftocumlum
dirinain ProvidcntiBm proceden« , iiiidc BuiHliiu.s in libro i'on^olAtioDum (Cod.
MoM. 7n9H, fol. 44^; siehe Consol. IV. 6. fil. Teiper, S. 10^ ff.) distiiigiiit
iiitor providviitiam vt ratiiin ^KAtuin) dicitiir dlvina providt^utia, luide ^tatiun:
Parcarum praciiuace maiiuB fatumqiit; t^uud ultra eat.
Vgl. duzu Aiitir). 544 A. Ucnuu in dt^raelbcn Weiiie hoatiniint das Vi^rlijilt-
nis KwJHclien providnntia und fatuni Apulejus (de dogm. Platoiiia, I, VI, nd.
Guldbaclier. ä. 73. v. *J3 fT.).
') A. f. Prot. 598 B : ciiiualibt-t cimpiif^itionis causam compontn-
tom c«»e.
*) V. H. \, 8, 814 C: Oniiie cninposituni bübt-t auae existeiitiav priii-
cipium ; ebd. I, 5, 311 A.
') A. f. Pral. b9ii C: omni» causa prior et di^nior est suo cnnsuto.
*') Ebd. : nihil est priiw vel diRnius vcl altins «e ipso.
') Ebd. I, 3, 599 A : Nihil ne ipaiim romposiiit vel iul esae perduxit.
Der gl4>ichä (jodanke hat hei Auguatin (de ti-ia. 1, 1 ; Migni' 42. H20\ auf
den ftich Ahälard itraet. de unitate et tnnitatu divitia. ed. Stülzlc, Frei-
hurg i. B. 1891. S. 42) beruft, die folgende Faaäimg: ntdlii cnini omnino rea
est, qnae se ipsjim gignnt, ui sit.
') Ebd. I. ti, 6U0 A: Nihil ent causa Hui,
BuitrftgB II. 4. BRUrnsiirtitor. AIhku« ile In^nli». 5
ZeitveriiäHnU noch dfr in ^Contra HacrreÜeots'^ \erw4s9^it- Satter
«^Solange dicr l'rsai-lie als ^(olclie existiert mofi aiae^ «fie ITor-
kung exislieiyfi" 'j.
Alinlicli wie <\<-r Viktorimf Hugo-| efUkil AÜ^kUtvi-i- ül
dem Weltganzen t-in .«treng in einamler greifeiiKle». nuf&caiiHitJHtr
System von Vr^^aeUi^ und Wirkungen (c-an^ae äiif*erii«tin^.
niinoresK an deren Spitze die «rausa i»uprenia oder <^a4■ll<■?-lti:^
i^teht ^). Inneriialb des Bereiclieä jener Ursacbereibe lial «ftk>
Axiom Geltung: .Jedes Ding verdankt dai; Sein in letzter i««ij»ig
der Trsaehe ^iner eigerMTi Ursache" *), oder anders aii?<peiflriKkt:
„quidquid e:»t causa causae. est causa caa^ii*' -). So täi die Cr-
sitcho tles Subjekt: auch die Ur?faclie der Acpid(tiziieii''|. Zu
ileu) eben genannten Satz kommt aber in der zweitHi petitio
der .Ars tidei* noch ein weiterer, ungleich wichtigerer, aas wA~
t'heiu von jeher der Kausalitätsschluii auf die Existenz Gölte»
seine Kraft geschöpft hat, nämlich das Postulat: „Die Reihe Aar
lTrs;i('hen kami nicht ins rnendliche gehen; es giebl keinen ne-
grt'ssus in infinitum" •).
Die Ursachclehre des In.sulen.sers wird vervollständigt durch
jene berühmte Klas.si(ikation, welche sich an den Namen des Ari-
stoteles heftet Sowohl dem Magister von Lille, wie vorher schon
Abuelard, Thierry vonCliartres, Wilhelm vonConches*)
') C. H. I» 31, 333 C : qiunidiu enim cansa est secoDdiiBi qiio4 tat
rausa, nunquam cefwat efler^iw.
') De sacrain. I, p. 2, c. 2 (Migne 176. 206 D). Vgl. waA Joban*
nes Saresb. (£Dtbet., v. fUn, 61.*): Mign« Mfif. 978 BC).
■) Anticl. 497 A :
Attente rati» HpMiil« flpMiilatnr in isto
Causarum H4ir'wm . . . ,
Ebd. 543 B : Tranascendit caiiiiniii Ranlontin cfluan minores ; R^. 67, 6M A :
Necessitati superioriM caima« r.**i]\l nnffcmitflN inferioris caosae. V^ R«g.
66, 647 J) ff. A. f. I, 9, fU)t} A : (''iMtinlibf-i inferioris cansae est suprana
causa, (über die Korrektur niiiNii« nImIip llttoiimkor. a. a. 0, TI, S. 168.)
*) A. f. i*rol MiH It : (imniM r«« bntiKl cMie per illad , qnod cansam
eius perducit ad esso.
'} Ebd. I, 1. 597 I).
*') Ebd. I, 2, 59H I); Oiiinin i'Httitn wibim^M »st causa accidentis.
') Ebd. Prol. 598 H: niilliiw r«i cttiiHuin in inftnitum ascend««.
") In seinem Kommentar zum Timaous (CoiiHin, Fragments de philo.
Sophie, S 307): quatiuor illiiis raiisHH, Ncilic<<t «fttcientem, formalem, finalem,
*»rialem ostendit .... Est efliciens causa divina essentia , formalt« 4i-
II. Absclinitt. Dit> «iilnUtgi^vlNin Üegrittt* iiml lienetz«.
uiul Jtjluniiios von Salisbury')» war die Einteilung in Ma-
terial-, Kornial-. Wirk- und Zweckursaehe -') bekannt.
KiiiiiT dtutol aber die Quelk- nii, woraus sie jenc-s Schema onl-
li-lintfU. Es (Ulrfli'U irniossjoii \vonij.'rr die Analylifa Posttriopa •),
\vii' PriiiiU ') brzü^iii-li di's SjirfsbiTii-nsis meint, in be-
Iriiclil kommen, als vielmehr klar und bestimmt lautende Slellen
in dem Kommentar des ÜoPtlüus znr Tnpik Cicero's ") unil in
iU'V Solirill ib- ilillV-n-nliis lopicis").
l>i(.' .Miilrriiihir.sa<-iif i^^l tlas , uoi-iiiiH chvas wird, das
Snl)stral des Werdens utid dir VenlndtTiinir. Sie winl bezcicli-
nel durcli itic Pifipositioneii de oder ex 'J.
vinu 8B[ii4-ntitt. fiiuilin (]ivin:i iMinita.s, inutoriiiliit qimttuor ole-.iientd. \g\. eljit.
H. :W8. bei MigiK- stt-lit ilieStolIe t. 172, 24M 00. (luiitiu w» Tliierry vim
l'li»rtruM (Hftareuu. NtHL'es e" ex'rai s , l'nris 1H9.) , \, Ö. 52. Ül)«r
Ali.ielarJ vgl. die folgende Anni. d.
') Kntliet.. V. 37:> ff. (Mignn lft9. «78 C):
(^uiitttuir istci 3nl«>nt hiiHteni prat>Htun' rrpiiliq ;
Sitliiectiiin, t^p^t-rii'K jirtifit:is({uc riiunuH,
Fiiiis it4'iii. 4-imcLia f|tii iKimina rebu» ixluptut.
') Kbon.(H> hatten «Hg Sciitcntitirior nchoii länget <li<! Termini materia.
forma, catuM 4*fficienB und finuli.i In die Theologie einft^fOhrt. Hugo von
St. Viktor spricht von der Materiis und von der Form der äjikramente
(Sent. \\ 3: de sucram. I, p, Jl, 1 ; Migne 17(1, lüil A, 817 ti). In gleicher
Wfiflf* fragt der bumliürde mich der Form di;r Sakramente; er will handeln
von der caiiHa efliciens und cntisn propter quam <\vs Klicsiikrameiitii. In der
TrinitAt«lohre verwendet er den Ausdruck mnt<>rifl inid cmimi tnaterialii)
(Sent. IV. 8. n. 1. 27. n. 1 : 1. 19. n. 11: Migne l!t2. Ml\, »10. :i7«). üer-
Helhen Terminologie bediont nirli der SchiUer de» Lnmimrden, Petrus l'ictn-
viensia (Sent. V, f.. 14. Ki. 17; Migne 2U. ]2mD, 1257 B, 1259 A. 1260C).
") Annlyt. Post. II. H. - *) Gonch. d. Ug.. II, S. 25». Anm. «27.
'') Bo^thi i opp., S. X'M : Cum iffilur ArintoteleH quattuur poHUirit
cmuMis, quihuä uuuniqiiodquo cnnficitiir : primani . qitiie movendi priuciptiuu
est> secundam . ex qua lU ali(|uii], i|i])im U)»ti<rlum vocHt . tertiiim , rationein
ar speciem. I|tn^ iuiiiiiii{(iiMli[ni> tonniittir. qiinrbuii, linein, pnipter quem qnnd.
liliet efliettur.
') Ebd. S. H(17 : ex cauäis vet eHicientihuH . vel maleriu , vel iiuturah
forma, vel flne; et Mt eltieiens quaedatn cau.su . quue tnovet atqiic operatnr,
ul a1ii{uid expliretur, materiii vern . ex qua tit aliquid vel in qua ttt , ÜiiiK,
propter qiiod lit. Daß in den angezogenen Ötellen die Quelle filr die Kennt-
niB der Rristotelischen Ursiicheturel xu Auch en int, beweist Abnelard. der
sich ausdiiQekUch auf Bol<thius bertitl und in Anlehnung un ihn die I.ehre
ober die vier Ursachen entwiekelt (Cousin, Ouvnigea inediU d'Ahehird,
Paris l;?86, S. 410 ft'.).
") C. H. I, r>8. aöO B; Beg. 107, 678 8; Dist 782 A: ,Ex- qaandnque
notat causAni muterinlem.
6fi AlanuA ile Insults.
Formalursaclien siinl ilie Fonnen der Dinge. d\e sub-
stanzialen und acckleutelloii Proprietäten, welche, in die Dinjee
einKt'liend, als causac intnns<.'cae deren Wesen und BescJiafleti-
lioil Jjffliiipfti '). Bezüjflicli der Foiinalursarhen gilt die Glei-
ehuii^"^: Wii' die Ursache, so die \Vil■ktm^^ Ist die Ursaclio un-
verrindeHicii, so ist es auch die Wirkung, uml umgekehrt ^).
Causa rffif'iens ist jene Ursache, welche dniTh ihre
TlifilifJrkeit riti Oiii}: /nr Kxislrnz fuhrt '1. Hier bestellt die vor-
liin envrdinle tJleichlieitsbeziohunij nicht mehr. Was vom Künsl-
lor KÜt, dos gilt nicht auch vom Kunstwerk, denn letzteres
kann fndhestclien » wahrend di-r Künsllor niehl mehr ist, nnd
titn^'ekehrt *),
0(4' causa finalis, durch die Präposition pmpler \m^
zeichnet"), findet Iiauptsflchlich Anwendunjr auf die GottJioit in
doni dopjjclli'u Sinn , ilaü (Jolt einerseits als die das Sein der
Din^'e erhallende nnd betTrenzi-nde l^rsjichr, an<lererseiU als das
letzte Ziel boslimnit wird, dem alle Kreaturen und ihre Tbätig-
keitsäuUeruriRen znstreben *').
Wenn Alnnus Gott aiieh causa fo rm a l i s '•) nennt , so
nimmt er das Wort nicht in dem tilicn datyeUvtm Sinn einer
Kornialursache, welche in die Din^fe eini^eht "), sondern im Sinne
der vüibildlichen Ursache, der causa exemplaris, der Spä-
teren "). Hatte er so der VieHeiluiiK, wenn auch nicht im Aus-
druck, so doch der Saclie nach ein neues (;iied hinzut'eltigl , so
') Siehe oben S. 25.
"^ C. H. I. h, 311 U: De runimlj uutem causa verum est, ut si ipaa
sit immtiUbilis, eflectiis sit etiutii intmuUbilLS. et contra, ut ai alt»eilu sit
inutabile, lübum otitmi git miitabile.
") Ebd. 311 A: ElhcieuH causa est, quae inovet et operatur ad hoc,
ut rett sit; ut urtifex est causa oflicivnfl aperia aui illndque movet et apt^rutur
Uli hoc, ut ait.
*) E1>d. : Atta est cuuem cftictenH , aVia formaliu .... noc tamen sequi-
tur, quüd si uliqiiid pruedicHtur de aiiiticie , (quod) etiaui de ettis opere, vel
contra. Contingit oniic opus ee»e diutumuni, et nou arttfieem.
-) Dist. 913 B: .Propter' uotat causam flnalem.
") Siehe hieraher unten S. 141 ff.
') Anticl. 'i^T} A: Kormali», dum pingitt eani.
'0 C. H. I, >i, Hll C: Cmii ergo dßiis non ait rniisa farinnlia . s«d
eftieiens.
") Vgl. Thomas. 8. tluml. I. q. 4-4. a. 3.
II f. Alwhiiill. Kosmoll tgio. fi!l
slatuiorl ^'^ noch weiltMiiin eine causa occasionalis und in-
strumcntalis '), die der Vollsländitfkcit lialbtT ebenfalls orwälint
sein mögen.
Ks ist ein ansehnliditT Apparat von tJosi^lzen und Unter-
sL'liuitluniren , welche der Magister von Lille UMdaiij: reicher als
irgend ein anderer Scholastiker des 12. -lalirhunderts ange-
samnielt und formuliert liat. Seine Ausführungen dienen zwar
noch vorwiegend rein theolnirisdien Zwecken, allein tiieinand
wii-d die einschneidende allgemein pliildsophisclie liedculunj: der-
selben verkennen. Die meisten Säb-e, und manche völlip un-
veröTHlerL, kehren in der kommenden Periode wieder*)- Kbenso
verhall es sich mit den vier aristotelischen Ui-saehen . die
bei Aianus hn Princip vollständiiif klar entwickelt vorüetren.
So war auch beznt^lich der Lehre von den Ursachen cliristliclier-
seiLs dem Verständnis des Aristotelisnius niäcliti;^ voi>;e-
iwbeitel imd der Weff prebahnt. Nicht in der Kinführun^' der
vier arislolelischen Ursaclien in den ohrisllichen tiedanken-
krcis ist der durch den Stapirilen bedingte ForUchritl zu su-
chen» sondern darin, dali im 18. Jahrhundeil ernstlicher als bisher
jenes Doppelpaar Ober den Kreis der Theoloj:ie hinaus zu einer
piiilosopbischen Natur- und Welt-Tkläruni; Verwendung iund.
IIL Abschnitt.
Kosmologie.
I. Schöpfung und Thecrie der Weltbildung.
Vennilit man in den Zi'iten vor dem Bekanntwerden der
aristotelischen Physik und Metaphysik nicht jede ontologi-
0 DUt. 782 B. Vgl. Reg. «0, 669 A.
^ So l8nt«t der 8atz : qiitdquid «at cauiia ciinsiip, bhI cntis» rnunati
bei Thomas (S. theal. )', q. 79, n. 1. ml H): qtiidqiiid cet caiiHH rntmae, est
cauBa effectus ; das Postulat: ntillius rct caiiKam in infinittiin Rsc«nilere bei
Thomas (S. thcol. J, q. 2, a. H, ad c) : Dun est proccdere Jn iiifinitiim ; das
Axiom: umnEa cau»a prior ei dignior est 8Uo causato hei Thomas {H. theul.
IIE, q. 62. a. 6, ad c; (', q. 66, a. 1, nd c) : cautm efficiert« n4m potest esse
posterior in euse ordine durationis; sempvr enini est putior causa mio eifectu ;
die Sätie : nihil est cauaa sui, nihil ent . . . . priit^ se ipm> bei Thomas {S.
theol. I, q. 2, u. 3. ad c) : doc est poasiMlQ, quml aliquid ait cauim tifficiena
aui ipsiua, quia esset prins ae ipaa.
7ü
AIhhus de fnsulis.
sehe Spekulation, ho l'dilt es aucli auf dem Gebiete der Na
lurpliilosuplii<s i3pi';;ii.-ll dtT KüsinoIoKie, nicht au muniiiiJr-
fiuhcii Rcslirliuiivrrii. Kill drciriuInT SlaiHlpiiiikl , wnm aiieli
niclil in soliarliT Abgreiizim^', lüUt sich in der lJelian(tlunir5\vi.'ise
kosniolofrischer Fragen natiihall machen. Während die Reihe
der Tln-olofien ') ihre kosniolot:isch(Mi Ans<'haiiutippn im enjf-
sU-n Ansi-hlul.! an illi- Scliüiifungsgeschirlilr th-r (ient'sis — nach
dem VürjyraJi;;e Aut:iisLins vli-lfach in Komnieularen zmn
HexaOnienui — entwiekelle, suchten Pliysiker, wie Adelard von
Halh-J umi vur allenr Willielm von Conches^*), auf der rein
Iihysikülisi-luMi firuri(ll!ij;e der KlrnienLenli'lire <ia.s Weltifanze
und die WelLiJijiye /.u erkiureii, uin kosinologtsiches Syslein auf-
zufi'ihrt'M. Einen iindurn dritlun Wej? ging die piiilusophiÄclie
Schule von Chartres. allen voran Bernhard ^rlbsL Sie
unlenialim es, nach di'ni Vorhildi* des plalonisclien Tiniarus
und mit llerriii/ii-huiig dt-r neiipylhagoreistlien Zahlenlehre,
die Entstellung der Well mittelst metaphysisclier Principien ver-
sUnillicli zu inaelu-n. ficriiluit d's Rruder Tluerry von Char-
lies vcrwiMitk-L dii'st; Aiischanniigcn zur Erklärung des Hcxar—
ineruijs und vt'rbindi'l sn die drille niil der crslcn (Imppe.
Sänitliche KielttungiMi JHiurh sind einig in ilvut einen
Punkt, in welchem sieh das ehristliclic Pliihjsopliieivn unver-
HKMdlicfi von dein antikni sehL'iden miiUle. dariu nätniieli, daß
dir letzten Princii>ii'n der Well einmi Scliöpferakl (Jotles
ihr Dasein verdanken ')• D^is Fundanie-nt aller kusnudogischen
Spekuiationr-n de.-^ Mitlelaltei-s bildet das Dogma von der Well-
seliMi>riint:. Wie schon ilie Kirchenviller, su pixiteslierleii ancli
die Scholaslrkcr aller -lalirliuiiilertc eiiei-gisch gegen die alten
Theorien ehies Plato, Aristoteles, der Stoiker und Epieur's*)
') 8iehe «hcn 8. 50, Anm. I. — "'] In Beinen (jiincfiiionos naturales.
■') Hiülie üben H, ü. Anm, -,
*) TrofTeiid lieiui'rkt Hiign vun St. Victor (Eliiciil. in Ppntat^nrh.
c. TV: Mi^nc 175, :i:t H): In Ikm; «iiim ditf^nint anctoros nostri h pliilimophi»,
quo<l pliilusophi flenm opiticcm tiuiturn et tria ponunt principiii , deuui . iiiü-
tcriam et archetypna ideas , ixitttri ven> iinictim puiiiiiit ])nncipinm t-t htM-
iltitnn äoluin. Et cum liuc cuUdtL-t apiid uuiiu-s diviiii verbi tructuturcs , sci-
licet quod unum aoliuii Hit jirincipiiiin ....
'•) pApias (Cod. Paris. 115;^!, s. XII, f. 250*' u); venun in Iwc vrnuit
HI. Abschnitt. Kosmologie. 71
vcm (Irr Ewij:k»'il lU-v W'i-Il iiiul ilin-r Irlzm FJi'r^tunHtfile. Atil'
dt'ii Ppntfilcucli i,'i'.stütKl viTlrrtcii sie ilcn srhrjpIiM-isclM'n , zeil-
liclK'ii I'i-.s|imiitr (In- Wi'll um] ihnT Priiiripieii : vor drin li^,
Jiilu'lumHert ririlirli wi-nigcr ruit philosopltisc-lini (Iniiiden als
hauplsüchlü-h mit doni Himvei.s auf das erste Knpih'l iUt (lencsis.
Dii' Anw-hamiii^r drs rlifUdk-hcn Do^niifis (eill sollislviT-
vcrsirmillif'li aiu'li Alanus di.' Insiilis. Kr lätil iVw V nwnlvvU*
von (ioH {-'rsrhanV'ii wiTdcn '), er irlirl.. daU snwolit du- Sul>jt'ktp
din* I'ropiii'tält.'n als aurh die Proprirtfdi-n drr SiilycliU' in (ioll
ihren Ursprung habm ■}. Er sdnvitil ilic ErscluiflunK der Ma-
tcrio dein Vater, .jene der Kortii ilern Sotiii^ (iml die Verhitulun^'
beider dum lil. Geiste z\i^) und er wiiih-iliolt den aupusliiii-
qiiiHHiM gpiitiliiirii, qiinil (viLin tMiiHiuiun (-u4itcrnATn doo coniitngurit, nt ItAtic uh
illu rum sit , quHinvi» hU illo formctiir. Qiuvd ulienuni c&^v n veriUde , ipSH
Vf^ritiiä (lotet : de Iiac «nim »criptnni loqiiitiir sie : Qiii fevisti miinditm de
tttfurmi niat4.'ria (Sup. U, IH). 8«d niateria facta eat de nihilo, mnndi uutem
Bpecic« do informi mHti^ri». Hugo von 8t Victor (De ancrain. I, p, 1. c. 1;
Migne ITfi, IH7 H) ; Phtlusophi gentiliiiiu trin qunediun reniiti phocipiu sine
priticipio po&itvniut : opiNccm, matoriain et forinam , proÜteiitt'.s en qtiiie facta
sunt umnia i>x titaU-ria quJdcm in fonimni per opiticem esao prodtbct-a. Sod
isti fartoreiii Roliim . mm (TCAtorum deitni profeusi sunt. Johannes Siirosb.
{Mttul. IV, S!-; Migiie 199, 938 C) : Et licet Ötoici materiiiin t-t ideam duo
rrcdcrent cuaet«rnHni , alii vero cum Kpirtiro pr^ividontiani (>vaciiantr ideam
oiimino iollereiit , lute (Bemardns Ciirnut.) cum illia, qiii philuwiphantiir, deo
iieiitram diceliitt coiU'ti^niam, AcquieüCfbat eiiim patribiis, iiiii, »icut AiigiiBti-
Ulm tefltis «at, pri>1>ant , qnia deiid est, ({iti oiiiiiia fecit de niliilü , uiitniuiit
creuvit materiam. Vgl. ebd. II, 20 (Migne lU'.). H82 D fl'.). Petrus C«.
mestor (Historia twbi^L, über (tcn. c. I : Migoc lit^, lOöö C) : Cum veru
dixit MoyseB »creavif , trium errores elidit, PlaUniB, Ariatotelis et Epicuri.
Platu dixit tria fuisse ab aeternr», sciliret deum , ideas , liylc , ui in priiicipro
teiuporia dt> liyle mundum factum futsse. ArinUrteles veru diict , nitiiidiim et
opifl(Tem, qui de duobun pritioipii», scüicet materia vt forma, operutuB <.>Mt sine
principio et uperatiir sine Kiie. Kpicurua dun, inane et ntomos^ et in principio
natura (tuoedam atomos stdidavü in terram , alioe in aquatn , aliua in s^ra,
alios in ignem.
') Diflt. 689 D: Abyaaua dicitur inundimu niaebina , pnmt primo fuü
creata, unde in Qeneni : Tenebrae ernnL Niiper fucieni aby^fii.
Keg. 5H, 65t> A: Sic ergi» uiiivoranlitiT virum est, omiiift esse a
deo, tJiin eubiecta proprietatum , quam prupriet^tes atibiectennn. Vgl. -Jo-
hannes Saresb. (Met4il. IT. 20: Migiu* l!^!', 8H2 C) : Omnia per ipaum facta
»nnt : ufjque tum stihiecta furmaruni, quam furmac subiectorum.
'') A. f. I, 25, 6ü:{ I) : Licet in ciiiiintibet <Hiait qnnlilii^t) suh»tnntiae
crcatiun? materiam patri , fiprmam tilio , compoaitiunem spiritui sancto poasil
oongruus ordo degtinare.
72
AlanuH i\v Insiilis.
sehen *) Sn(7., daß Mutene und Form xuma] (insimul) goschafTen
wm*3en seioii *). Krfilich unk'HrilJl er es, sicli üIht den Sinn
Jriies msiniul mit crfcmJerliilirr Klsiilieil anszusprcelien , wie er
iiueh mit keinem Wort ilie im xMitlc'l;iUer ;ui ileii augusliriisclien
/■ Terminus sieh miseliUeläeiide Contmverse berübii , ob näuilieti
creätio und tbnualio xeillicli ;iuä einander liejren, oh die for-
mierende und gestaltende Tliatij^keil Gottes mit dem S<-liöpfunKS=-
akt zusanimi'rifalle oder sieb ei-st successiv im Seclistairewerk
^yollzopen habe % Zwar wird naeli ihtn , wie bei der Melirzald
der TJjeologen. die Form sieber rim- iiisolern gleiehzeific mit tjer
MutiTJe gescIialTen , als die letztere relativ lonnierl ins Dasein
tritt*); er seheidet somit die Erschaffung des relativ fonnierten
UrslofTes von der Ausgestaltung desselben zur beutigen Formen-
weit, (»ine sich iiber darüber ansznlnssen , ob zwiseben dem
el*sten und dem zweiten Akt eine g{'\visse Zeit VerÜossen s<»i,
und üline auf die in der Genesis geletirte Sueression jener Foi^
niiernng-') einzugehen , legt er sieh die Entstehung der Welt
') Do gBiK ad litt. I, ITi. n. 2^* (Migne 34, 2Ä7) : Non quin iiirurmia
materia formntis rohim tnnipore prior e^t , cum sil utriiiii<|it(.< simitl cuocrea-
yt tum . . . f«^Hllt^llII ijuippe creavit mutorium. Vgl. obd. IV, S4. n. 53
(Higno S4, 319).
^) Dist. 754 D : Crearc pruprie ex iiiliilo uliquid fiicerD, quaado scJIicet
materia ot forma crcanttir iiusinial , quin aimul iimUiria et foriDH cre-
antur. Vgl. JoLHiiiies .Saresb. lM«t4iLlI. 20; Migno l\i9, t*SSA): Ut emm
ait Augiiatinim, formiitam creai'it dt^iiH malerimn.
") Papias (Cod. Paris. 11531, fol. I45vh), der au8 Ui(l«»r lÜiff. II,
U, n. 27 fr.; Migno 83, 74Cir.) sflil^pft : nutem liabct dialantiam intcr cre«-
tioncin et furmationom, qiita nrigintiiit<>r aeciindiim mtitonuf aiibstantinin äimiil
cunciii ureat» mint, »ccundum distiitctionem rerum vero por sex dierum alter
uatiun«in furmata Hunt. Itiinu v. St, Virtor (De satTam. I. p. I, c. 2 ;
Migiit< I7ß, 1X7 C) . Sfii mm purv« ijiinestw est, utniiii ca, qiiae Uicta siint,
HJmut in mat^ria et forma ad esse prodicriDt , an priua pur materiam quidciu
cssentialit«r condita siut , postmodum fnrmata. Ders. fElucid. in Pentatciiuh.
c. IV; Migne 175. 33 B). Vgl. Petrus Lombardua (Sent. U, 12. n. 2;
Migne 192, 676). Er unt«rächeidet e)>eur»l1a gegi<n Augiiatin die forma
cunftwinnia von itor runiia dispositionis. Sieh« dieselbe Streitfrage bei Tho-
mas, S. tliool. I, q. 6ß, a. 1.
*) Siehe S. 71. Anm. 1 und obiri S. 49.
'^ In einer in den Dictu alia oder Sont^mtiao aliae (Mtgiio c. 254 C)
sich tindeitden , von Haurt^aii, a. a. 0., S. 527 heningczo^nen Stelle wird
alli'rdiup* von einem zeitItcben Verlauf der Farmtening gesprochen (Renim
aiibstantia »iniul creata eat, aed uou aiitiul per apeciea furmuta eat); allein
ni. Abschnitt. Kosmolugie. 73
nncli (liT WVisc des platonipchen Timaeus und des Bero-
hanl von Clhartres zureclii.
Mit den Jx-iden jf^'nnnnlfti Aiilffriirilcii hctnidilrl er als
den Äusf'un^r.spunkl, der \Vi*lll)ildiin^' dir cliaolisrh*' , slüruiisrh >
und gesetzlos duiTh einander wogende Stoffniasse, dir nicht,
wie bei Plato, ewig» äondcni, wie wir sahen, von Gott ge-
schaffen h\. ?>i'r jjöttlirlii' Weltiirrliilrkt ^ seliafi) Ftjnn und \
Gestaltung, Ordnung und lluniiünie, indem er die irdi.siheii
Formen, die species der Dinge, den göüliehen Ideen naeh-
bildel und sie der MaLeric cinprä^d , die letzlere j^letehsam mit
einem h<'Ss*Ten Kfeide iuisslaitet, ifir das Sie^i'! der Korni auf-
drückt -) und in und durch die specie;? Gesetz und tiarmoniscJien
Zusammenhang in dem ordnung.sh)sen Chaos realisiert'^), hi den
species erscheint nflmlich der Widei-streil , welcher den (laltun-
pen noch anhaltet, ausj^epliclien *). Sie schliefen, wie dun-b ein
nnsichlbares Üaud. die Vielheit der Einzelndinge zur Einheit, ilire
individucllf VerscIiieitenlielL zur Ideiilitül des West-ns zusam-
men -'), insofern in allen Dingen derselben Arl dieselbe inliatllich
die Echtheit (ll^8 uiitt^r j(*noii Titeln hoi Migtie godmcktun Abechnittes ist
H)hr zweifelhaft.
*) Do pl. n. 453 It : tamqimm iniiniii etegans architoctus.
1 Anticl. 51Ö A :
Hie erat, ud cuiuä fornuini deitatis idea
Impreasit robus formiu iniiu<loquo figuram.
Ebd. 5S4 D:
Qui rcnim species et rotindi itciwilis uinbrHni
Dticis iib cxi>mpl<) mundi tnontjilifl, ci)nd«m ,
Exterius piiigena terrestris imngine formae ;
Qui veterom ninftaam de vultus eorde qiii<reut«ni
iDTOstis metiuru togd formaoque hi,^illo
8ignans oxcludis noxii mediiint« tumiiltum.
In nhiilichen AuHdrflck«n bewegt eich auch Bernhard von Chartro», cd.
BKrBch. S. U. V. Jt:l ff.; 8. 35. v. ih S. r.H, v. 64; S. fil. v. 5 ff.
1 De pl. n. 458 C : ileua , (|ui inuniliHli pulAtio variiu renim specieH
fteciihendo, qiids discrepantium genonim litigiu dtsparat4i8 Icgitinii ordiuiscon-
' grupütia teinpentvit legcs indidit, sanctionibu» alligavit.
') Kbd. : aicque res generuui oppoMitiom* c«tntniriHS, inter quas Im-iis ab
oppoKJtis lociim posuerat, luiiischiin rccipnjtfto hnliitndiuis relativia oHcuIia
foedcraiido in amicitiae puc-pm lit^'m rcpugDnDtifle comniutavii. Vgl. Bern-
hard von CliartrcB {cd. Barach. S. 33. v. lü) : Miaaum faciu, undo sacer
contro vertan t ja aibi genera foederavit ninplcxua.
^) Kbd. : 8ubtilibiis igittir invisibilis iuncturae catenis concordaDtibiu
74
AUdub de Innilis.
identische, numerisch aber vprvielRlUigrte Wesenheit wohnt , wie
Alanu.s mit Gilbert aiuiiinmt ') , und so die Eirizelndinpt- der
p'leicben AH unter einandor confonn ptstaltel.
Sucht der Insulrnsor den Ursptiin^' drr Well, das Eidstflirn
ihrer Oixinunp und (ie.setüniäfiigrkeit durch Verbindunff eines
platonischen Gedankens mit d^Mii Scliöpiunj/.sdoj?ma und durch
Ifcreinzicbunjj: der Gill)ert 'scinni UiilviT^aliciiIcIirc iM'grciMicIi
zu iiiac-lirn , so niniml er weilci'hin nacli dein Vorgang«» Ailc-
hird's von Batb, Thierry's und Bcrnhard's von Char-
< tres die nt'Upythatforeische Zahlenlehre, welche durch
Apuleju:^ ■') , Auifustin'*) und Bof^lbins *) Ein^'nn^' ins Midel-
altrr gcfiindrn IkiHc, in st'inc kusnioloi(ischen Spekulationen auf.
Nacliklänge eines pythagoreisierenden Einflusses machen
sicJ» bemerklich in der Hochsclifltzunj? der Arithmetik und Mu-
sik ■'•) , femer wenn der J^diolastiker die Gejrensatzpaare des
Weihlichen und Männlichen^ des Körpers und der Seele , der
Erde und des Himmels, des Sinnes und der Veniunft, der Ti'uuer
und der Freude, des Todes und des Lehens mit dein Gegensalz
von grnidtT und nnperader Zahl in Verhiridun^' brinjit, und wenn
er die Zalilen mit den ;.^eütnelriscli<-ii GrhiitJen des Punktes, der
Linii', der Flßchc , der Kugel, dt-r Pyramide u. s. w. in Mezie-
hung setzt**}. Abgesehen aber von dieser mehr synilxjlischiMi
Bedeulung spielt die Zaiil auch auf mclapliysischeni und
kosmolügisthoni Gebietu eine heuierkünswerte Kolle.
umveisiB. nd unititt«uj plunilttas, äit iitcntität^m iliversitas, »d consunantiani
diHijOUHntin, nd cuncorditiDi dincordi^i utiiunv pucilic-u remeuvit.
') Siehe oben S. 25 II".
0 De dttfm. Platim. [, 7, H. aoldbachcr, S. CS, v. 21 ff. Nicht
übne t^influlJ war iiueli der Tiiiiufusk^innicutur des C'hnlcidiuB. welcbfr in
eioem eiKi'nen Abachnitt Über die Kahlen humlelt (ed. Wrobel. H. 113, n.
46 ff.; vgl. b«aondegr»i n. 5S).
■} De lih. »rbit. 11, 16. n. 42 (Mipne 32. 1263); de civ. dci, XI, 30
(Mignf4I, 348): vgl. drtzii laidor (Ktynndogiamiii III. 4: MIgiie 82, Uö C),
wt'lchtT .Ausxflgti aus der letzteren St*IIe giebt.
') Do Arithnietlc«. 1. o. 1, 2 (ed. Friedlein, S. lU, v. U ff.; 12, v.
14 ff.); Conaolatio, III. metr. 9 (ed. Peiper, S. 71).
*) AnticI. .'il4 B, f>16 C. Diewlbe Stolhmg nimmt die Aritiiint'tlk bei
Adelard von Itath ein (Ct»d. Parts. 2'SH*J, fa|. hH> u): barum ergo prima,
quae quadam excellontia roliquaa tres siipeiat. Vgl. aucb Aliaolard (de on.
et Irin, diviaa, ed. St&Iste, Freiburg i. ti. 1891, 8. 9).
*) Anücl. filÄ B.
III. Alraclinitt. KoHinfiUrgip. 75
Aliifins jircisl ilirr Marlit. ihn* vcrbiiuli'inl«' uihI onliifiide
Kr;il1 'K Kr niliint die Krlinili-r (Icr Ziililt-ri . nllfii vi>raii Niro-
iiiacliu^ und PyLlini/ornSt iils iliejuiiiTfii , \vi*lr-lii* dir Hätsi'I
Her Din^L*, ihr JSt'iti, ihren Wechsel, ihre rrsaehen. ihre Bewe-
gung, ihren Zusamnieiiliaii^' (hin-h lUe Zahlen zu enlschieiern
versuch* hfiUen '-'). Die ZahU-n sind ihm Pi'ineip und Ziel, Trhild
und Sie(5el für die wertk-ndeii Üirtpe, nnd niieli ihrem Vorhild
liu( die GoUheil, die pMlIiehe hlee . dvn Dinaren ihre Kornieii
im<l der Well ihre Figur eiiigi-pi-ayl *^J. (»leit-h den Ideen werden
•) EM. hU D:
Qimc niimiTJ virtti«, qiiiio lex, quis nt^xiiH t-t ordu,
Nodiir«, amor, nttio, focdoB. cuncordia, limes.
') Ebd. 516 B :
Illiv Nicomachua praedicUi ludit in art«
Kt i|iuLHi ptT niiiriiTim mnnn »pcrt'ta prophrt«(.
I'ythHgoruM pn^pritM' iiK-nti coriviviti doiiiiris
ücrti>4 itHcribit iiiiinororiim legihtia urtus.
Kssc. vk'ps, r«uHUM, mi'iiis et viiiciilii roriiiii.
Nrbfii Niconiflchus um! Pythngoms werden aU Vertreter tl^r Arldimetik
noch Gilbertiis und Olirysippus erwähnt L*ut«r dem erstoron ist th'T
auch naf dem («ebietc der Mathetnitik tliäHg gcweacnu (Icrbert. dci' apAtore
Papst Silvfstor IT, zu ven*t*heiij wio dur ^tlion früher (I^. 10, Aniii. "J und H)
Kuuaont« KjtdiiU' dt- Linien Cuin}>ii, dor SrUflkr de8 Alttriiis und iU*r K)im-
iiivtitator dos Aiitirlniidiiiii , zu rinr l>i-tri.>tfF>i)H(>n Sudlo ln^mi^rkl (l-uiL l'Hi'iH.
8083. ful. 211 ^a).
') Atiticl. 515 A :
Quomodo iiiisccnti mundo rt'bnsqiiL' crcauditi
rriiu-ipiiiui, Hiiif*. i-xcrnplar, fnniiii, sigilliim.
Hii^ friitf ail ciiiiifl fomiiim drihiti» iAva
Imprcasit n'lms furma.'* innrjiloqut' figiirum.
DtT gleichf (ü'drtiikf Jind^t sich l>ei Adelard vun Halb (de eodiiii rt di-
vermi. Cod. Paris. '2H8H, fid. 8H v U) : numuniH .... tnieo ipHis ri'hus iiicuni-
bit , ut quaL'Cunque in ordinvm (ataft ordinc) a (statt ad) primn qundam cuii-
fitsione digest-a sunt, ex oius similitudinc exemploqiie decorcni accepisse vidtn-
antur; ebenso bfi Hugo v. St. Victor (EnuL <lidii8c'al. 11. ■'< : Migne 176.
755 D) : Virtud auteni numeri est, quod ad eiiiH »iiriilitudinuni cunct» forutatu
sunt; ähnlich bei Wilhelm von Coiichea (Cousin, Fragment« de philt><
Bopbie, S. 305; Migne 172, 240 250). Hotne gucdle hat er in Nico-
mnchus von Oerasa (introductiuarithmetica 1, 4, 2 ff. ; U,Iif.: ed. H. Hnch«,
Leipzig IMIJK), vermittelt durch Biti'thius (de iinthmeticu I, 1. ed. Fried-
lein, tS. 10, v. II (f.): haue (urithnielicaitO ille huui.-« mundiinae niulis con-
ditnr deua primam suuf liabuit rutiuciniittunt!* ifxempliir et ud hiiiic nini'ta
conHtituit; eM. I, 2 (ed. Friedlein, S. J2. v. ll[ : lunnia quaecunqu"- n pri-
iDAeva renim natura constmcta sunt , numerürum videntur ratione formata.
76
AUnuD ile Tnsiilis.
sie also zu pötllirlii'ii (iHlanken und zu UrbiUlfni der gescbalTe-
iu<ri Diiigi*. Sil* sind rcnicr, wie im obi^rtm (ittlaiikriiKuiifr die
spn-ies . Ordnung, Gtsdz und Zusaninienhanp slinmdr Pnnt;i-
|»ion, die Ursaclnn innl die .Samen der !)irine, das Hand, durch
welelies alle Urdnunp» (reselzinülai^keil und Sieligkeil im Wn-hwl
der EiNclifinun^vn berlinpl wird 'K Die Zald verknupll alles,
ist rimnd für die Eiidieit dt_^ Zusiiiiiiitenjfeselzten , verbindet die
Ktenionle. vermählt die Seelen mit den Körpern, bewepl die
Gestirne, rejfierl die Well und iinJnet d4'n Krdkreis •).
a. Stellung und Aufgabe der Natur.
Wenn Alanus in seiner Theorie der WeJtbildun;; platoni-
selif •und neupyniat'*Jreisebe Elemente neben einander stellt.
sti Anläeni sich versebiedenarlige Einflüsse weiterhin in einem
zweiten Punkt alaniseber Wellbetraeblunp, nändich in der
\ eipi-ntfiinlichen Stell untr , wrldie die Natur als allumspaiuiende,
1 gesctzgrtterisrlif und j^estallmde iMaelil einei-j^eils (.jmII Unit ati-
derci'seils den WcUdingen gegenüber einnimmt.
Naehdein Gott, der KütisUer des Alls, den Dingen ibre
Koritien ^.'epeben und gesetznulUige Zusanimenhän|ie zwiscben
ihnen mesehafl'en hatte''), da woNti- er in ilu'eii ferneren Bestund
nicht melir unrniltolbar selbst eingi'eifen , sondern zugtotch mit
der Welt sehuf er ein Wesen . welches an seiner Statt die wei-
tere Entwii'kelunp der Dinge, die KortpflanÄung der Organismen,
zur Aiilgahe liatirti sollte, die Natur'). Die Natur ist Gottes
Werk, wie die ührigen Dinge nacli ilent Hilde einer Idee ber-
Hm! enim fuii principnlr iii nriiinu uomlitoii» e.\eni]lUr. Auf hmh Meilen
Wnifi sich rior untor den Werken Ueda'ti Ht«hen)|e dialogiia de oomputo
(MigiiL- liU, H4a A. «viO A).
') Anticl. bbb H.
') Ebd. .SU D (f. Vgl. BnrnhArd vuii Chartres (ed. Bamch,
JS. n, V. K6; 8:>. V. it): elcnn-iita Iigiivi
Üfincordem intinero coiiciliantc fiit«-!!!,
uml weiterhin Ho<>thiuH (Consal. III, nietr. U, ed. I'eiper; 8. 71):
Tu niimeri» eli^incMitA lij^HS.
") De pl. n. 453 V.
*) C H. I. 40. 'Mh D: Ufus n jiriiiij* miindi crejttione naturam crea-
vit, n<H-timliim qiinm similia ex aiiniltltiiH pruduxit rinn ergo detta mediant«
natura rea prpcreatunia esaet . . .
III. AUtM-hiiitt. Kn>tm(iliigie. 77
vorgebrnchl '). In Abhän^ijfkcit vnn (('"itlltclifi' Loitunj.' vollzichi
si(> iils fiottes Stellvciiri'terin -f iinil dos höclislcn Mt'UtiTS <lf-
mfttig*^' Selnllenn ^} die ^rrttlliKlirn Ri'tVhIr *). Ihr Wirken ist
durchaus verschieden von fter gtMthchen Wirk^iiimkcil sowoh]
dtT Art als anili rlem Objekle nach. Ea ist iiitfil riii SciiallVn
aus niehU, wnuhTii ein Hi'rvürbrinj,'eri aus Etwa:;. Ihre Belhä-
ligung erfordert stets einen bereits vorhandenen Stoll und hin-
zieht sieh uiciit auf d;ij; (Ifillliehe und Unver/fuiKliclie , sondern
nur auf die veriuidei-lichi-ti . tnaterirllm Din^^e "). Ks kojitiid dir
iH'i.spieUweise wohl zu, den inenscliüehen Körper zu trestallen,
aber die Seele zu sehuflTen l>leihl ilirer Macht entzogen 'j.
Stellt die Nulur Ootl tf<-l:f<'n'^her im ViM'haltnis jfe.seht^pni-
rlier l^nlerordnun^' , s{> iH'thiUigt sie ilire Macld iiill itücksicht
auf die Wi'Itdin^ii- in einer iiili'S nnifa-ssenden Herrschaft. Sic
ist der Einheitspunkt, ilas Band der Welt, welches die Dinge zu
einem festen Uefögc zusaminenhAlt "), die Weltköni^rin "), die Trä-
') De pl. n. 445 C: egn notn . . . cgo fi«;ta, . . . i^jin o\mH opilicis ;
ebd. 447 H: « >ilei pro]«»; ehd. As\ A: cuni iiiiiiiH iileiio uxemplari^ imtio
ntiB in nativuin oant^ proiliixerit. 8o epricht der Genius zur Natur.
^ Klifl. 442 C: tlei auctoris vicaria; ebtl. 4^3 D: ille igittir tninqtiam
Hui vicarii^ni ; cid. 47d A : O aiipr«^uia caeleatiH priricipia fiildi» virartu.
^.Eljd. 445 C: ccrtiwimo aummi mugistri me liumilein profiteur oasc
discipulum.
') El)d. 4.V~t D: Inipi^rautiK igitiir imperio ego obtemperanH ; Anlicl
500 A : DeiiH imp«rat, illa iiüniMtrjtt.
^) De pl. II. 445 CD: Eiiut operatio aimpbx, moa multiplex ; eiuM opus
aufficienH, meum deficien-s .... ille nperatur ex nihilo , r<gti ineudiro upus
ex aliijuo ; Antiil. 500 A:
Quod Utttura fiU'it, ilivimm p«rtirit aiintor ;
DiviDuui rreut fx nitiiln, iiatttrn nidurum
Procreat ex ft]iquo.
Der AuMlnick «procreare^ für doa Naturwjrken »tammt au« ChaU'idiua
(ed. Wrobel. 8. 89, r. 10, n. 33).
*) Siehe unten S. 97.
T De pl. n. 447 BC:
Vini'uluiri inundi stablliaquc nexus.
Quae tuia mundum modcraa habcois,
Cuncta coDcordi atabilita nodo
Nectis et puvis glutiDO Tnaritjk.s
Caelica terris.
BoPthiuH (CouBol. III. metr. 2; *^t\. PiMper. S. 54'.
") De pl. a. 470 A : O nativorum umiiium originale prim-ipium ! O re-
ru)u (tinniuia speeialo aubHidiuin ! 0 muuduimt; regioiiJH regina '.
78 Alanus ile InsuliA.
gL*tifi uihI mit \'inln'<lnHil waUfinIo Vollslrfokerin der Wellnor-
iiicii urul i\fv Wi'llgi-sflziiiälÜKki'il '). All«' Ti-ilr uiul Glietlor
(k's Wrltiills, iMv Fk'Wf'p'un^'t'n der (ieslirric uiiti ilii' Vorgänge
<U*r unorjfani.schf'ii Wt-ll. wii* ilic I.fbriisünLn'ruiijfi'ii iliT or,;ani-
sclion Gt'l)iUU' unit'riiegcu dt'ii (it'scl/cri tlrr Niilur").
Dränpl sich dem Scholaslikrr ftUrrall ein pcsUzmüliigfS
Gi'scliclu't) :iuf um! dt-rrkt er dasst-llio ViTwirklicIil mIh i]t'n Voll-
zug der Bi'felile einiT üIjlt dun OingL'ti slflk-ndch Maclit , si>
sieht er das gleiche Agens w'n^lcnini lli;llij.', wenn es sich um
die Lösumg des Problems ti*'!' Koiislatu der Arien, der Enl-
sli'hnntir stt-ls sich ähnlich hlcthciHli'f oiyanisehtT Wesen Imndell.
Bekanntlich haue AristoUdes das IJesetz der Sync»-
nymie aur^est<'llt : (Jleicliartiges wonie aus (ileirlmrtigrni erziMigl.
der Mensch er/.eiige den Meusrhi-n'). Durch f'si-ndo-Apnli»-
jus ') nnd BoeUiius') ging ih-r ih-danki- atiC das JrOlMTf Mi(-
lelallcr über, wo er von Bfinluird Silvc-stris "j . Wilhelm
•| Ebd. 447 C :
r*ax, nmor, virtiw, mgimeit, pote-^ta-*.
Ordo, lex, finin, vin, ditx, origo,
Vittt, lux. Rplendor, Apecies, figiirn
Hogula muiuli ;
Anticl. 492 It :
Singiiltt d(Mrerni'nf* seiiHU iiiitiini proftindo
tSedibuM lii.s hiih itiru tenvi Icge^iiue ti^urat
Providfl, qiias toto spsr»im promulgtit iu orbe.
1 De pl. n. 447 C— 44Ö C.
'I Met XII. 3. 1070 a 5; VII. 7. 1032 » 25.
■*) Anclppius i^ 4 {ed. (»oldKjicb^^r, S. MO, v. |9 (f.): gcüfrji rerum
oiiiiitum siiu}) spci'ieH »i(><]tiui)ilur, iit nit itit soliditju gPDiiä, s|ic<-i«'H geiitri»
partirtilii . Gonii.s ergo diHiriim ex si- deoriuii faciet Hpecics: daeinonutn geiiiw.
acqii« homiDiim, Bimilittir vüliuTum vt ümniuin, qu&e in kc miinduH liitUft, hui
»imileM wpwiie-s geiiemt. Vgl. eUd. o. 'i3 (t-d. Goldhnclicr, S. 46). äiVlm
unt«ii S. 1 14, Aniii. h.
•) Kjmiint'niJir zsi Topir« Cicuronis (Hotttliü opp., S. 838).: 'Omni» igi-
tur, qiiuc ex nutiirit ittqiie nrt« d>%srijni]iint, cotistiintiii Htiiit. Nahirn i|itippe
atque ars »uum scmper npii.^ cffiriunt , ni'si Hiibifctii«* itiut<!nH4' olmtvt liirer-
ttim .... Idem est in natura , servat nainque rnm*tAntinm Mliiim , runt bo.
niini'm riirniat, ex homine. Itaque similiii in ccterij» ex simililms gigiiit.
") Ed. Barach. S. 70, v. 170:
Kormat c*t effingit sollert» nntiint liquorein,
l't eimili geneaiit or^ rcduc-at avoä.
III. Abächnitt. Koamologie. 79
von Gonc'lies^) uiul von den Physikern aufgcgrilTt-n winl. Eine
intcressajite Vt^rwertuiiK findet er auch hei unscnn A lanus.
Das Gnsctz , dafi aus Ähnücht'in sli'tü Ähnliches erzt^u^i werden")
\VK* aus ilmi Mrnschi'ti der McriÄch, iTsrlicitit ilmi Sdiolastikfr |
als oin Au-sHuJi drs ^'öltlicheii Willens. i^Jotl woilU-, daü bei
allem Wechsel dpa Eid.'^tehen.s und Vergehens der Einzuhulinge
ihr be?sUmniler Ailtypus erhaUcn Uleihe , um so auch die ver-
jfruiglirlipri, ctidlirlicn, zrillifhcn Uinj^f an tUr Slahilihll, UmimhI-
liehkfil und Ewigkeit Toil rielinu'n /.u lassen -). Als VoIlslrer-kL-riii
dieses göttlichen Wilk-ns wird vom Beginne der Schöpfung an
die Natur bestimmt "). Ihr ohJiegl es. lU-n Lebewesen den Ty-
pus ihrer Art zu w{dtren \|. Sie ist es, welche in Ireiir-r W-r-
ehrnng der r4'inen hleen des Nous den werdeiidiMi Orginiisnien
ihre speeit^ einprägt, sie mit den Kurmen hi'kleidet un^i /.um
vollendeten Abhitd der göttlichen UrbiUler gestaltet •). Die Th5-
') Koramentifir zum Timneufl [Coiil. PaHh. 14065, fol. b't'U): Opus iin-
tura« est, quod similia nascuiitur ex «timilibuA, ex semine vel ex gerniiiie, et
est nutura vin rehu?« InititA Himilia ile similihu.t opornnH.
') De pl. n. 463 CD: volens ut nanccDdi occidenilique mutune relßtionis
circuitu p<?r inaUljilit»t«in HUl>DlitAM, per tineiii intiniUs, per temponüitatem
»«U^nutaM rebug occiduid donaretJir rerumque (**ries HdriuU« reciprcKUitiowie
nasrenili iugiter texeretur, ätatuit, ut .... ex similibuä simtliu eitucerentiir.
Vgl. bnzDglii-h der ^tAbilitÜi der genera und spocte» jWIopiuH r. 4 (ed.
(«oldbaidier, S. 31, v. 2 ff.): reliqiiorum gon^ra, quorfim at^t^rnitiLs ent
generio, quumvis per spetie» ocvidaU nortccntli feciiiiditnte sonatur idooquo
species mortnies »unt. ut liotim mortnliN hü, immurtAtis liumunihu«; ebd. c.
U5 (ed. Uoldbiirlier, tS, 57, v. 2'2): »peries ergo pyriimnct . . ., »pecteh veru
üev mutatur nee coavertitui*. UrsprUiigticb int aucb dieser Gedanke arUtote*
lisch (de an. 11. 4. 415 a 26; Oen. an. H, 1, 731 b 24) resp. platoniscb
(Conviv. 207 D).
') Df pl. n. 4Ö3 D: Me igitur iftmquam aiii vtciiriant renim generibua
BJgillaodih monet^iriam deutiniivit^ «t egu in propriis rneudibus renim etfigics
t'oiumouetanä ab itii-udift forma (-(mfomiatuiti Jt-viare nun Hiiierem. (J. H. J,
40, 'i4h D: Dt^U-K a prima fnundi i-reationo natiirani i-reavit. se<-iindum quam
aimilia ex ttimilibuK produxit. Cum ergo deuA meditinte natura reu procreatunu
esset .... Kaec enim fuit lex natnrae ab urigino, ut ex .simjlibuH simiHu
procrearentur. ut de bomine homo, de rationali rationalis.
*) De pl. u. 403 I> : mei operant«^ »»oleitia .^b f-xt^mplaria vultu uutla-
mm naturaruin dutibus defraudata exemplati farieä nutlatenus deviaret.
") Ebd. 547 C :
Quae noys puras (»tatt plurcs na^^b ed. Wrigbt, 8. 458) recolena ideos,
dJDgiilas renim äpecie» mtuietan!«,
80
Alanua Je InsuUa.
ti^keit GoLtirs bei der Schöpftxng nachahmend, wird sie zum Zeu-
gimgs- und Gestaltun^'sprincip, zur Gcbärcriii und Vermitllerin
der organisclieti Wesen *).
1'^ sind prolir ProM^^m*'. wt'lrhf t\vm miltr'laltt*rlichfn
Schohistiker vorschweben, die Erklärung fler (iesetzmäüigkeit
des Geschehens in der Well und die FniKe nach der Konstanz
der Arten, Pixihleme, die gerade in der neueren und neuesten
/Zeit NalurrorscIiiT und Philosdfihi-rt aufs lehliafteste ht-wegl ha-
ben. Die Lösunjfen freilich und der We^' liierzu liegen einander
ebenso fem, wie die Perioden des menschliehen Ü<*nfcons seihst,
welche sie zu geben vei*suelien. Während di*» motlerne Wissen-
schidt ihre Anseliaiiungcn auf dir ausgcdi'linlestr Welt- und
Njdiu-lH'i)bae!ilung gründet, liiüen die Spekulationen des nültel-
alleHiehen I^flirers lediglich auf ch-ni Boden der sehriRUclien
Aulorih'd.
Die Auffnssnng der Natur al^ einer die Well und die Dinge
beherrschenden Macht hat offenbar ibre ]üV/lt' Wurzel in einem
Punkt der platonischen Naturphilosopliie, welcher auch auf
andere Denker des l^. Jahrhuu<lerls =9 einen ungewöhnlichen
Zauber ausdblo , nändich in dur piaionischen Lehre von der
■ Weltseele. Zwar vermeidet Alanus beharrlich den Ausdruck
I anima mundi, allein er gebraucht doch nur ein anderes Wort
lt\r dieselbe Sache. Wie die Wellseele Philo's von Gotl ge-
macht ist uml die Beherrschung der Welt in Unlerordiuuig unter
ihn £nv Aufgabe hat '), ebenso Ullit der Scholastiker, wie wir
Ke» U>j;aa fumiL», cblainiUeuique furnme
PoUice foniiAs.
Vgl. t'l.a. 404 A.
') Ebd. 447 13; genitrixquc rcnim; obd. 451 A: 0 rernni omnium me.
diutrix ; ebd. 47^ A : 0 niitivorum uinnium origmale principium *. 0 remm
omnium HpeiMalc »ubHidium ! ÄiiticI. ö5ü B : nattira pareriK.
•') Thierry uud Bernhard von ChurtroH, Wilhelm von Con-
dies, Abaelard. über die veri^-hiedmien An»icht«i) bezüglich der ge-
Daueren FiUMung der Wdteeelc vgl. Wilhelin von Concbes (elemcniu phüoa.
I; Mignc £(0, 1130 C lf.|.
-*) Apulejns, de dogm. Plat I. 9 (ed. Goldbacber, S. 70), Qberliefprte
alä pLatoniäche Lehre: Aniniam vero aiiimaDtium omnium ... itt imporitaro
et regere ea, quorum curani fuerit diligfntiami|ue stirtita , . . st^d illam, fuu*
tem animnrum omnium, caelestem niiinnim opiinmm et HupteotiuBimam virtu-
tem eitsts genitricem, Hubäervin? etiam fabricnton deo et pnifiuto eüHc ad
umnia inveota eitu pronuutiaL Vgl. Timaeuü 34 C (T.
ITT. Abschnitt. Kusmologiv. 8t
sahen, die Natur von Gotl gcsdiatlen werden mit der ^l'^'f^hen
Beätimniuiii< , als seine Stellvortreteriii <\\e Fintri-iii dr-i vuii ihm
i^ewolllen WeUordnuiip zu sein ').
Zugleich erscheint aber damit der stoisclie tieilanke der
Fifm^fU'Vij^ des Fatunts, vcnvoben, wenn tlie Nalur ids eine mit
Vorbedacht waltende, KCsttzmätüg wirkende Kraft, als fin das
WelUill verknüpfendes und durcluirin^'endes Band, aU ilie Welt-
re^e] pesehildert wird in laanm^I'acliem Änkliiufen an des Boe-
IJiius Cuhsolatio, wo der W'd'asser die Natur airf ilie Macht I
preist, welche durch ilirt- Ceselze den nnernieülifhen Knlkrei«
beherrscht •).
Zu diesen plaloiiisch-stoischeii Kintlnssen tresellt sicli
t'iij aristulelisrlit-r (KMliiiiki'h/Ui<. Wir nnnnlfn liercits ncht-ti
Pseuiiii-A|j«h'jns den Bo^thius als de» Cbennitlh-r des ari-
stotelischen Salzes von der Er/eu^un^j dn* (Jry:anisuit;n durch
andere, ihnen Wesens;;! eiche "). DiT latcinisclie Philosoph betont
hiebei nnl besonderem Naclidiiick dw Wirksanikeit der Natur
und macht die letztere zum Zcui^un^fsprincip der Ori^ranismen. ^
Die Natur tonnt ilen Menschen aus ilem Menschen, die fdinli-
clien Wesen aus <len ähnlidien. In trh'icher Weise ist bei dem
späteren Bernhard von Charlres die Natur <lie Mutler ik^v
Zeu^nijf *) und die Bildnerin ähnlicher orjranischer (iebilde -).
Noch t'jnc andere, ün Mittelalter viel benutzte Quelle, nAm-
licli Chaiciilius, sieht L-tienfulls in drr Natur ein Können er-
auf dii' Idet-u üeH Mous liiublickr» , allein ilit> l'latuiiikor Ui-nlccD »W dorli
mit der ErkHiutni» aller Din^e niii^rätAttct. Sieljc Chalcjiliua (eil. Wro.
hei, S. U(», n. j1 ff.).
') Consol. \\\, metr. 2 (ed. Peiper, H. &4 ff.):
QuanUs reruin Hec-tjit ImWim^t
NAttirn pütoiiH, qiiibiis irami>i)-suui
liOgibus orbom providn sc^^'et
fjtringatquc liganä inresoluto
Singulu. oexu.
Vgl. dwu die AuafUhniugeii im AHclepius r. 39 (ed. (ioldbncher, S. 60 ff.)
über die ^riitavurrij' , die .riBces^ihw' und ded ,(irdo".
*) Siehe 8. 7S.
'') Ed. Biirnch, S. 58, v. 81: Quippe niutrem geueritlioum iiiiiunim
prMMDMrat ndv^ntare.
») Siehe olwu S. 78.
B«ttrA|[f II. 4. Bau niga rl Uf r, AlanUA de liiKuliit.
0
irr. Alisclinitt. Kosmologie.
Was rlie historisclie Be<ir'utuii(jf dm* koymolojrisi'lion Lehren
unseres Magisters betrifft, so wird untt>r KorUassung der Jieii-
pythagoreischen ZidileiispokuUüion tlic platonische Tlu-orif
(!('!■ Wi'ltliilihiii^ t:rmfili den ^'ötlhcht^ri Ideen auch vom 13. .tahr-
liumlerl fiLteriionunen aU eine willkünuiu-ne Krjränzunj: der in (die-
sem I*unkt lückenhaft jrebliebenen arislotelischen Anschauujigen.
Hingegen der (ledanke eines (.'inzigen, über die Oinjire herrschen-
den und tn ihnen wirkenden Princips , mochte es nun Wellseelc
odi-rNalur heilieti, nmf^le der melir nöditernen arislolelisclien
Lehre von öner Vielheit individueller, bestimrale Zwecke reali-
sieremler, den Einxelndinjcen innnanonter Priiifipirn, <len Kunm-n
PIrdz machen. Die Seholaslik j.'int: von der ptalonL^chrti N;ilur-
pliilosophie zur aiistoteiischen über, ein fundamentaler
Fortschritt, welcher eine wes<*ntliciie Uni^e.staltU]i^ der bisherigen
unklaren und phantasli-sehen Nalurbetraehlung mit sieh bmehlc.
Dnmit hahcu wir ilJe philosophisch wertvolli-n Materien und
zuj/leieh den llanplinludl der alanisclien Naturpliilosophie
ciNchöpft. r>er Magister von Lille hat zwar noch eine Reihe
von DetailpunkteM aus der Naturtelire seiner Zeit in „de plunctu
nalurae" 'I nnd besorulers in den „Anticiaudian" eingeHochlcn, i)L
welch letzterem Werk er Kelegeiillich der Heise der Pi-udentia
durch das Wellgebäude einen kurzen Abriß der damaligen
Astronomie und Metereologie bietet, die Luftre-p^ion ■) und
in V'rrhindinii; daiint die Dätnnnenh'hre ''J bespricht, die FMani'-
tensphi'iren und die Spliäreniuusik ') ^ da.s Kirmatrient mit di-ii
(leslirm-n und dem Tierkreis '). den Kryshdlhimmel '•) und das Em-
pyreimi ") in dti- Weise seiner Zeit beschreibt. Allein diese
sämtnchi-n fOxkurse sind nicht hioLi Tür die l'liilosophie bedeu-
tun^i'slos. sundrcn auch tuT ilie Kenntnis der damahgea Natur-
wissenschaft itn-rr andenlnngsweisen Behandlung wegen ohne
Wert. Alanus war i'hrn kein IMivsiker von Fach, wie Adelard
von FJ:itli ritnl Wilhelm von <.:onches.
Nur ein Proltleni , <las aller n]<?lit allein der Nalurlehre
angehört, sondern noch mehr in den Ki'eis des Nalurphilosophen
'I Col. 433-442. — ") AnticI. 524 C ff. — ^ Kbd. 52r. A flF. —
*) KIjJ. i-J(i Uff.-'') EUd. 520 Äff.-") Kbd. 5S5 B ff. - ') Ebd. 53« C ff.
i
111. Abnchnitt. Kofitnntogi« B&
Spitze nbziiln-iM-licn durch dit* gcgcnlcilipc Brliuuplung von der
Köi'perlirhki'il des litTisclK'n LeluMispHufips.
Dil' Tiorsi'rlo könne wolil Spiritus ^'onumit werden, wie
dir llrircUker wollten'), ullcin malt müsse mit tiregor und den
Physikern untei-scheiden Kwiseheti spirilus im Sinne eines uii-
körperlichen, unsterblichen und vennUilligen fJeisles und zwist^hen
spirilus pliysicus (naturalis, animalis) ^), einem Mittel-
ding' zwisrheii Feuer und Luft, einer feinen kürperiichen Sub-
stan/, '*). Ein spirilus der letzteren Art ist das belebende Prin-
eip, die Stwle, des Tiwes *), welche wegen ihrer maleriellen Na-
tur iitlei-dinps mit itt-tn Körper unlerp-ht ••).
Die Körperli< likeit des tierischen spirilus louelitel ein bei
Helraehlun^' seines Ursprungs, Nach dem Zcu^isse der Ver-
nuitn. uns der zweiten digestio 4'nt_stehend, ist er nichts anderes
als düinier Haueh, der, an versrhiedenen Orten lokalisiert, ver-
sehiiMlcne Numeri fübrl. Er iieilil spirilus naturalis in der
beber, vilalis ini Herzen und aninialts im Haupte"). — Üer
Spiritus physicus dient femer als Bindeglied zwischen Leib
und Seele im Mensehen. Er muü also, um hiezw tauglich zu
qn« raHoni? perit cum corpur« et noii spirittu homini«? Qiih enim mtione
aiit vi f'dnMprvüUitur potitw iinima human« in rorpore iiimm Animn brutiV
') Ebd. :(2U A : t^iiod f^piritua slt, sie probntur . . .
') Diöt. 701 D: unde in phyaic« (Cod. Mon. TJtöS, fol. 3' hat aptid
philosophoH) disttinf^uitur int<>r unimnlum flpiritum, qui vegetiit bnitum animal,
et itil«r rfttionnl*'in. qui vpKclftt hnniinem; dul. 1*52 D: und«- sanrliis (ireRo-
rii]4 di.Hhngiiil iTiU>r riiion .ipiritim homini», »nrmalcm, qiii cum mirpor« di>sinit
eM4e, et THtioiuiIem , qui po>it rvrpuri« diüMoliilionPUi Hupcrst^p-s vh{ H immor-
trtli«. llei Uregtir (drnlug. IV, i\ 3; Migne 77, 321 AU) lauM die StcUe:
Splriturt , qui cnrn» tej|;itiir. Hcd cum i-iinio non inoritiir , hoininum ; »piritus,
qui came f«gitur et cum carn? moritiir, iuinentorum omniiimque lirutonim
iiotm*liuin'. Vgl. C. H. I. 28. 329 D.
') Keg. 102, 676 C: Phy^icus Hiit«m spirihM didtur quoddnrn corpus
»ubtiliu-s aiire, miiiim subtile igoo vegctmi« corpus. Vgl. V. H. I. 2H, 3*29 D.
*) C. H. I. 28, 329 I>: Tali« üpiritiis iiHturalis est in corpore bniti
itniniAnttA et illud vegetat et porit perfuntc corpore. Vgl. Reg. 102, 676 C.
") C. H. I, 2!^, 330 B: »piritu» bruti animulia corporeu» e.'it et p«D04
curporAlitdtoni cdrrupÜo.
'') Ebd. 330 B. Der physiologiwbL- Tt-miinu« .dtgustiu' , iwwio die
Dreiteilung domelbcn gojit auf Miicrubius und (.'onHtantiuus Africanua
zurück. Siehe Werner, Die tCoHmulogie u. n. w.. Wiener 8it2ung<<b6nchte,
1873, B. 75, S. 384.
i
>
in. AliHchnitt. KoemologiV. 87
odoi' wenn man die Disjunktion anerkenne, dann müsse sie als
ein MnlK'l(.'l>if*r Körper Kt'falit werden, der jedoch einen andern
zu In-lrlM'n vrririöjs'L' '). — Dir Srliwirrigki'it. wt-lclic die nrjfnrr
'n der Wibindung eint-r köipcTÜrlifn Seele mit dem Uerist:hen
Körper fanden*), will Alaitus diidureh hespitij,'en , dalä er die
Nolwi'iidiKkrit i-iiirs vt'rhind4Midi'ii Hjiiidi's Icutriu't (unl die Tier-
sfcfi* nicht, dui-cli kontiiuiirrljclic Aricinanili-rri-iliuri^' von Teilen,
sondi'm dmvli Eirifiii'üiui^' mil dem Körper vereinigt deJikt "'). —
Endlitli dem letzten Argumente der llflreliker, daÜ die Seele
des Tieres gleich jener des Mensclien Kanz in jetiem rin/clnm
T(*ilr rlrs Knipers sri '), s*?l/.t er d\p Ansiciii iMili/rp-n, diili ver-
sehiedeni' Teile der ersleren an verschiedenun Tifileu de.s Kör-
pers lokalisiert seien •"').
Der mittelaltciiiehe Scholastiker, wie seine Oi^^mer, waren
in dem Streit fiher die Tietseele auf ein Prohlem ^'islolw'n, das
aucli heute jioe!i nii-ht endgillij,' /.um Austrug,' y*^'brai-ht ist. Die
Beweistrdmmg beider Teile zeifrl aber, mit welch staunenswerter
Naivität sie im dasselbe tierantralen, ob(ileich es sclion frOher
von Adelard von Halli in seinem inniTslen Kernjnmkte anpe-
tatit wordiMi w;ir, wnni dieseraurdieEiK'enlümlielikeilder tierischen
Lebensfunklionen zurückgreift. Die Folgezeit gab dem Platonifcer
Het'hl, indem sie unter dem Einliuü der aristotelischen Natiir-
phito^opliie in rler Ticrseele lias Formprinrip des Körpers sah,
das als solches nicht selbst wieder Materie sein kann.
Wir scIilieLien den kosmolojiischen Teil mit dem Hinweis auf
ilie Stufenfolge der geschaffenen Wesen, die freilich erst
In dem kommenden Jahrhundert durch <tie arislotelisclie For-
menlehre eine liefere philosophische Uedeulun^ und Hegrnndunj,'
erfuln*. Auf der nieth'rsten Sprosse stehen die unoivanisi;hen
Nalurkörper, die inanimata. Eine Stufe liöher gerQckl ist die
mit vegetativem Leben begable Pilanxenwelt, die insensata
oder animuta insi-nsibilia. Die nüchste höhere Klasse wii*d
repräsentiert durch die emptindungsfalii^e Tierwelt, die hrula
aninialia oder sensibilia irrationalia *). Den SehlutJstein
») Ebd. T. 28, SSI BC. - *) Ebd. I, 27, 329 B. - ^) EM. I, 28, 331 C.
*) Ebd. 1, 27. 329 C. - ') Ebd. I, 28, 331 C.
'^ Seniivnee 221 0; Ueplet inanimiita in suo esae cooservKnd«, replet
88
Aliiniis üv Inemli.H.
abiT lunl ilii' Kroru' der h-disrlion Grsrliöpfc hildrt der Mensch '),
So ITdirl der Forlp;i]it' urist'r<*r Abhuiidluiig zur Aiitlimpologif
und PsycIioIosH'.
IV. Absctnilt.
Antliropologie iiiid Psycliologi^.
I. Anthropologisches.
Die a 11 Uirupolopi seilen Ansdiauun^ii-ii dt's Insulvnsers
konzciih'iorcn sich in dem alten, im MillelaUer allgf'uu'iii verbrei-
teten ') platonisflRMi (Jedaiiken. dafi der Merisdi Miorücosinus,
inundus minor soi. dala r^r, nlf^Hcich ein Zwerg-, doch als der
Bruder eines Gi^^anten dessen Büd an sieli Iraj^e ^), Mit einer
gewissen Vorliebe vorweilt Alanus bei der ÄluilirhkeiLsbe/.iehung
zwischen Mensch inid Welt und er wiid nicht müde, VergleU
ehunffspimkte ausfindig /m machen, von denen niu' die merk-
wOrdljfslen eine Stelle linden sollen.
Nach Körper und (Jelst ist der xMensch das Spiegelbild
animata inseDsibitiH. iit lierbii», »rlnorcrs ett-., vogctiitlunttni Diinihtnmdn, roplet
p*tif<ibili« irr«tii>im1ia virtutcni sPüMibik-m ]l^r^ic^d4l , roplet rutionalia dutcn
vnritts i*<>nffrt']iirlo. \'g], Ki*ii,. U. 62-'> D: Irriitionali.H ciiim rreiitnra . . . , ut
bnita animiilii), iitii> iiiitciisata, ut hurbae et Arbore44 , ot ctiam inunimatA,
ut lapidtw.
') Antu-I. 48U A:
.Söllers Natiirac Ntudiiim, «im«' Hmguln Mpar.sim
Munero oontiilerat alüs, concludit in uuuiti,
IJiidit opUH, per quod operj cüneludittir utiiui.
') Bcda {de t«nip. rat. e. 85; Migni.' ÖÜ. 4hS B) ; Pnpiiis (in seincin
Votabutar ad v. Mi(Ti>cüHniiiH; InktmabcidniL-lt der Münrhoncr 8tant«bibliothc'k.
Venodig Uil6, fol. lüiJ); Wilhelm von St. Thierry (de natura oorp, ot
an. I; Migne 180, ß98 (*); Bonoritia von Auiun (de imag. mundi T, o.
82; Migne 172, 140 Dm Oottfrit-d von St. Victor (Haun'HU, Hist. de In
philos. I. S. Ö15); Bernhard von Chartres, welrher sein Werk de niim«li
Universität^' auch Megacosmns et Microcosmas benennt, über die Vorgo-
achit'fate des Begriffes „Microcosnios' in der Griechiscbcn rhilosopbie
vgl. Mat Doktor, Die PhiloaophH* dea .Toaef (ifen) Zaddik, in: Beitrage zur
(losflh. d. Phiba. d. M-A., hrss. von Baeumker und v. Uertling. Bd. II,
H. 2, S. 19. wost'lbat auch Einiges für die Geschieht« desselben in der orieu-
taliflrhen Wolt(.Ii>sef ib» Xaddik z. B. betitelt sein Werk |J^pfl ühV^ *13Ci
tber microt'osmi) ztiaamniengestellt iat.
') AnticI. 517 B:
Ut sie pygmaoiis fratereidiis r-sHu gigantjs.
Mjuoriaque minor mereatur iimigine pingi.
IV. Abschnitt. Antliropulogie und Psychologie. ^9
des Weltalls»). Wie das Gefögo des Wellkörpers durch die
(•inlnlolili^e Verhiiidunj? di-r vier Elernunte zu stände konmil, so
verdankt der Mensel lonkör per dnii riclili^cn VerlifiUnis der vier
liuniore-s Knl^teliun;: uiid lesteii Bestand -).
Wie fenier im Macrocosnms da.s Firniamenl skli von Osten
iiatli Wej*len wendet und wiederum nach Osten zurückkehrt, so
pellt im Mwisclien dir Vcninrjn aus von Osten, von der Ht-irach-
tuny Gottes und des Göttliclion, wendet sich sodami iiaeh We-
-stcn, zu der Belraehtunp der irdischen Dinge, um, dui*ch das
Sichtbare zum Uiisiehthareii emporsteigend , wiederum zum
llimniliselien zunu-kzukefiren 'f.
Lassen sicli so zwischen dem KorpiT und dem intelleklucl-
Icn Lohen des Mcnscfien einerseits und dem Macroeoisnius an-
dererseits BeziehuiiKcn entdecken, so Hmiet auch der im Men-
schen toliendi^ sitllicln- K;impf sein Getrenslnek in der Welt.
Wie nämlich die Flanelen dein Firuiamente gegeiulher die enl-
gegenpesetzte Bewehrung" nehmen und dessen Lauf verzögern, so
kilmpft im Menschen in ununterbrochenem Streite die Sinnlich-
keil hemmend an ppjri'u die Vernunft und ilu-e Fordenm^fm ').
Eine weitere Parallele zwisdien Mensch und Well konstruitrL
der Scholastiker mit Zuliiirenahme der tluistlich umf;ebildelcn
Dämonenlehre der späteren Plaloniker, der drei Stände
lies platonischen Staates und der platonischen Kinteiluirj:
und Lükalisiejun;^ der Seelenvermöf^^eii. In der l{ur„' des
Himmels re^'iert der ewige Hen-scher. Die Enge! in der Luftrt'-
gion, in der Mitte des W"eltgen»einwesens, wohnend, vollziehen als
Krieger dessen Befehle, und die Menschen als Fremdlinj-'e auf der
Erde, in der Vorstadt der Well, angesiedelt geliorehen ihrer
Leitung'). Dieses hielnandergreiCen der g*'istigen Wesen im
Maerocosmus liat sein Abbild im Mensclii'U, in seinen seelischen
Krälten und deren kfn-perlicher Lokalisation. In der Burg des
Hauptes residiert die beherrschende f^apicntia mit den ihr unter-
*) De pl. n. 443 13: Kgo äum ilhi, qiiBLi ad üxeiii)ihircin iiiiiiidnnite
nttictiinac similitiidinem hominis cxemplavi naturam, ut in eo velut in speculo
ipHiiiH mundi ^cripU natura appitrcaL
') De pl. n. 443 ß. Vgl. Dist. 866 B. — ") Dist. 866 C.
*} De pl. n. 44» HC. Vgl. Dist. 8ß6 D.
^) De pl. n. 444 AJJ : In hac ergo republica deus est impcriin», ange-
Iu8 operaztB, homo obteroperaita. Vgl. Dist. 866 D.
M r
90 ^^^^^HBP AlniiiB de Inmilia.
stellten Kj-äflen. In der Mitte des mensclilichfn Gempinwesens.
iiti IIer/.t.Mi, fiat dir tiiajirrianintilas oder voluntas ihren Sit/,
nin die Weisin%'t'n der saiiicritiji (wler prudentia ausjnifiilircn,
und in den Nieren, gteitlisani der Vorstadt de-s Körpers, sind In
Unterüniiiunjr unter die Hefehle der luagnaniniilas die vo-
luplales lokalisiert ').
Ans i'iner palristischcn (Juellc endlich, ans (Ircfror's Homi-
iien, nimmt der Srholastiker einen Gedankengang, welcher sich
amli hui Seotus Eriu]™'eua lindeL. Seolus sieht in der Natur —ma
des Menschen die Zusaiunionfassung:, das Gentnnn. die olficinu .«lä
der sämlliehen Kreaturen '^]. In ^fleicher Wei»* erhliekt nudi mr^
Alanus im Menselieii die Kreatur selilechlhin, den Sannnel M
pujikl der ^run/.en Sch6pJun(j. In ihm erscheinen die L-harakteri— ^^
stisclien Kigentüinlielikeiten aller jreschaffenen Wesen zur BinhcitzS- m -
verhunden. Mit den Steinen hat er das Sein fremeinsam, niit^ »
den IMlanzeri das Lel>en. mit den Tieren die Eniplinduni:, mit* •
den Engt'lu die Oeiikkralt '•}.
Nach diesen, modernes Denken pi;:enartitr unnnUendL'n,^
ulx'r wiodermn auf historischem Boden erwacliscnen Spi.'kula^ —
■1
_i
') De \*\. II. 444 CD: In Iiac ergo republica sapientiu inipt^rAiilis «^^'^
!«ii»cipit ncoiii, inngiuiniinitaM »pcriintiK »lylliiMtadirtL-m, volupUa obtoniponinti& -^s
iiHurpiit iniiiKinom; lh»t. Bt^li D: sie i^Hpientia in tlironu capitis locutn b»U>l. .v
vulunUw in rord« , voluptaa in ronum euburbio. Die gunsv F*HrHlIelc in fasf^^*
jilleii ihren Einzelnheiten ist aus Chdlcidin« entnommen (wd. Wrobpl, b_
22ii~SV'\, S. 2fi6 tr.). Vgl. dazu ApuUjii» (de dügni. l'Ut. I, IH, IH;^
II, 24; i'd. (Joldhacher, S. 74 ff.. 79, 1001 und Augustinus (de civ. Aei^
Vin, 14, n. I; Migne 41, 238). t^bcr die Djlinunenlutire »icbe Cbaleidiu»
(ed. Wrobel, n. 129 ff., R. 192 ff.).
^ De divw. mit., U, 4 (Migm- 122, .>S0 D): Null» eutm creatura est-,
jt sumnio iiAque deunmm. ijuHe in liomine mm reperiutur. Idei>i)u« uffieina
uinninm iure noLninutnr; ebd. III, 37 ^Migne 12J, 7:^3 H): Inttlligit quidiMu
ut angeluM, raticKrinutnr ut homo, »eDtit ul aniniAl irrationalf, vivjt ut gct-
mt!n . . . nullius creaturst- cxpera.
'') Dist. 755 A: Crentur« proprit» homo, ipii» balM-t HJmilitudinHni ruin
unuii creiitur«, esse cum li*piUibii», rivon,' cum horbis et arboribu.-*, M-ntinK
inni brntis, nttiorinari cum «ngelia. Vgl. Di«t. 86(i D ff.; Sennones 2'J*J J),
A. r. II, IS, 607 D ff. Siehe dazu (iregor (homilia 29 in Evang.; Migne
76, 1214 AH): omnis aut«m creaturne nliqnid hiibet humo. Habet ziamqa«
conimune eHse cum iapidibtiN, rtvere cum nrbonl>u*4, tM'uliiv cum anintnlibuH,
intelligcri' uum angoÜK. Vgl. dialog. IV, o Migiie 77, -i'^l Lt).
3s
IV. Abschnitt. Anthropologie und Psychologie. fll
lionen über das VerltäUnis des iMcnschcn zur Welt und zu den
übrigen Gescliöpfon weink'n wir uns zur Seeleiilehrc di-s Ma-
gisters.
a. Psychologie.
Der Fülu'er der itiillelallerliclien Psychologie vor <lein
!.1..I:i!irtmiMlert w;ir neben Cassian's und Cassiodors minder
becieutHideni KiulIuU Aupuslin durch seine im platonischen
(leiste jfelialteneii Ahluuullunjffn. hu VonJcrj^Tund des Interesses
standen vor allem die metaphysischen Fragen nach dem Wesen,
dem Ursprung und der Zukunft der Seele. Doch wandten ins-
Ix'sondüre die Iluu|)l Vertreter des psyrJiolo^iürhen Studiums jener
Periode, Isaak von Stella') und die Viktoriner, auch der
empirisehen Beobaehlunfr des Seelenlebens (größere Aufnierlc-
samkeit zu, freillrli zinueist von eUiem religiös-mystischen Ge-
sichtspunkt aus.
Alanus de Insulis war Icein Psychologe vom Sehlage
der genannten Männer, sowenig wie Bernhard von Chartres,
Gilbert oder Abaelard. Mit grölieren psycholo^^ischen Unter-
suchungen hat er sich nicht aJjgegeben. Kr begnügt sich ilamil,
nberlielerle Klassifikationen und l,e!n'en hei Geiejretdieit zu regi-
strieren und sie im Falle eines Angriffes, ^vie die Unsterblich-
keilslehre, nu verlheidigen.
n, KhiHHllIrnlloii drr SerleiireniiSifen*
OlifitMlas Verhältnis der Seelensubstanz zu den Seeleu-
k ruften, welclu' im \-l. .lahrluiritlert fast noch alli^'i-int-in int
augustiuisclien Sinne als ThaLigkeit-säulJerungen des Seelen-
wesens ^), aber nicht als real davon vei*schiedene Potenzen ge-
'} Siahe Werner, Der Eotwickulungsgang der mittelalterlichen Psy-
chfilogie, Wien 1S76, S. 25 ff. äietieck, Geschichte der Psychologie, I.
Teil, 2. Abt., Gotha 1884, S. 413 ff
^ Papia» (Inkunabeldmck der MrmclieD«'r StaaUhibliothek, fol. 101
t. Worte mens): fk'rnbard voo l'hartres {ed. Barach, S. tv5, v. 136:
verum Htmplox »iitipliciH uuiKiuei itiiinia<> virlua vn\ . ncd non unifonni» cgri;-
ditur); Wilhelm vo» Sl. Thicrry (Werner, Entwickelungseang, S. 25);
Isaak von Htolla (WvniDr, nbd., 8. 25). Joliaiin«» Sares^horionsi»
berichtet al>cr bereits UIkt Meiriung^verschit.'donl>eiten in diesem Punkt
(Metal. IV, It; Mi(j;ne litü, 922 AI.
^
1)2
AImüiis de Inaulis.
fnlit wiiHfMi, ZU herfiliron '), liirti't uns Aliinus ein dreifaches, aus
Vi-rsiliii'ckMien QiK'lk'ii slaiiumiKlfS Stiieina der SeelciivimiiÖp(?n.
Im ,\iiS4'liiiß an das Buch de spiritu ol ariinia, als des-
«eii VcrfaKser er Aiinusliiius nennt, und welclirs t-r iinler dem
Titel ..Prrisirlien i. <«. de uninuV' cilierl, spricht w von Itinf
noelisrhen Potenzen: sensus, iniaj^inatio, ratio, intellectus,
inli'llijffiitia 0' '"'' "ekli-n- Grlfgeniu'K i-r dann zugleich die
Imelliiaiiim-fit' UntersLlieulun^.' des rationahiliter, discipli-
nalilrr iiud intcllerluariler erwähnt'*). Die Bi-whn'ibunij der
ivin gei^liKeii Krillte wird ebenfalls nach de spiritu et aninia
Ui*tivt>*'"* allerditiKs mit Krinnerun^en an Scotus Griupena uii-
Irnuisrid.
hl der ratio liegt die spe/Üisfh niHiseliHdie Thäli».'keit.
DiutIi >ir ^vird drr Menseh Mensch^). Er befindet ?ich in der
Ulli) von Nidur aus zukommenden yeHiscIien Verfassung ftliesis;.»
wt-nii die Vernunft benutzt wird zur Unlerscheiihni^' von (tut
lind Ui'js"'). Dil' ratio isl aiiüerdeni das Wrinö^fen, die IVopiieta-
*) Nur gclpgentÜDli Iflßt er seine Stellungnahme ittr die augugfcini
«t li)i ,\iit«i<'lil iliirrlihlickcu, wenn vr memnri«. intell igpiit ia und anior
iili« tinn vitH, iina riKMi«, una essentia beKcicbiiPt (C H. IM, \ 406 C).
") C. H. I, 2H :Wu C; Di.st. l)2:i H, KIJ» 1) : unde Augustinus in lihro,
(|tii iiiMcriliitur Periäicheii i. c. do »nima : t^uiiique sunt digretitiioueH animae :
«iMtNiiH, iinaginalio. rado. intellectus et intelligent in. Vgl. de npiritu et aninm
)'. 1 (Mi« MO 40, 782): nie «nini«e in mundo aui corporis pcregrinnnti qob-
i|Ui< |irogre»isu.-* sunt ad wipientmiii; m-n.sua i'lc. - über den (.Ihaniktcr nnd
ViTfuiwr div* HutdiCH di* spiritu et luiiina «ielie Werner, Kntwickelungfl-
Hitng, •^> 41. r>ie uua doniRelbuii von Alanus entlolinu- Kinteiluiig i?4t jene
dm iMimk von StiOla {de dnimu; Mtgne 194, 1880 A ff.) t die auch
IhtiMlisHiilinuB (De processionc inundi , beiMcnendes Pelayo, Hiaturia
de lus IlelLTodoxuH Kspafi^dt^s , Madrid l'^HU, B. [, 8. 1^02) und Garneriu«
v.in Hoclioforc (jaag. thooph. aymb. II, c. 22, c(mI. Taiye« 455, fol. 27rj
könnt. Vjtl. dazu Boöthiu« [(.'onsol. V, 4; ed. IViper, S. VU, v. 79 ff.).
') Dittt. 922 B: Boethiua etiuni nit in libro de trinitate {c. 2, ed.
rt'ijitT, S. I.j2): in naturalibus igitur rntionnbiliter, ia roathemaliiia diaci-
plitialtter, in divinia intellecttialiter versari operier«. Vgl. Wilhelm von
Coriidiea (Cousin, Fragments de philos., H. 806; Migne 172 249 250):
Gilbert (HoJ'tbii upp.. S. 11^7 ff., 1140); OuiidiHNaliniis dp processiono
imnidi. n. a. O.. .S. 601. Siehe oben 8. .')8. .\nin. 2.
*) Reg. 99, ♦>74 A: sicut per Hpoculationcm rationis homo fit homo.
'') Ebd., (>7H (': Nutn quod aliud est the»is bumamio naturae , aliud
otbeoBi», aliud bypothesis. Thesis diritnr proprium r^tutus hominis, quem
■ervare dicitnr, quando rationc utitur ad fonsideraDdiiiii quid bonum, quid
nalum, quid agendum, quid cavendum.
IV. AbRrliiiitt. Antlti'opülügie und Päycltologie. 98
len tMitT Formen iler Diiitje '^u erfassen '). Kreilich sclirtilit der
Sfholustiker dieselbe Funktion anfli der folgenden Seelcnkrult y.u.
Dureli den Intcllrkt erkennt die Seele ilie Formuii der
Dinge-) und dus Unsichtbare '). Der ilenscli wii-d in der lielliü-
ü^ung dieser Erkenntniskrafl zum Geist*).
Dureh die inlelli^'entin (intelleetnulilas) endlich erhebt
sich dpr Menseh in der eksla(isclieii Srfiauuug dps (Jottliciien
über (Umi gewölmiiclien Stand des lieisleslfbi'ns hinaus zur Hohe
der apotheosis oder deificatio. Der Menscli wird Gott ').
Berücksiehligt dii^ ans de ?;piritu i-t aninta mliflinh-
Klassifikalion nur die iTkrtinenih' StMle der Seeh', so ver-
zeiehmt unsei' Majiister wt'iterhin die bekanntu (hiroh Apuh'jnn,
Ciialcidius '■) und ihi- Kirclienvütei- ins Midctalb-f j,'ckonnnene
platonische Dreiteihin^ in sapientia. uiaiiTiKin iniitus (volnn-
'1 ümt. f)22 A: Ratio est poteittia ajiiinne, qua unimd riDnprrlLPhdit
iiiljAfrrciitiam propriclatis in Hut>itM-to, .-«ei-uiiihiiii (juiiin run.-tiilerut. ijiiii) rva.
t|aatitn nn^ i|uii]iH re». V^K Seilt, n. 14 2M\ K: Oft apirit. ei an. r. 11
(Migne 40, 787).
') A. f. Pro). 598 B: Int4>lleotu8 «st potfiitia animao ad hinti-ulo for-
ma« rem comproliendt-iis. Vgl. e\u]. I, Ifi, ßOl IJ; Senf. ii. U. '23ß Ü: inM-
lertim, quiu i-ina furniaa eiUN veraatur iiituitiLt.
') Dist. SlO C: liilellectu!« pul«iitid ntiiiiiat* , qua compruhoiidit iiivisi-
bilia. Vgl. Ri^g. ili», «74 A: «Je spirit. et an. c. H (Migne 40. 787).
*) R«g- ü% l>74 A : per tjuam cumprelienaioiiem liuniu tit ihoini)) epirituN.
") Sent. 236 C: Hanc uffi^rt Huperiör aiiimuu pot«ritia. i. v. iiicedigfiitia,
qnoe sola oontemplatar divina. Kog. Mä, ÜTS D fl. : Hed aliquiiiido excedit
homo iatum statuin ... et talis excef»ua dicitur exstosis HJve inetjunuqihuttis,
quill ]H>r huiusnioiti exrrasam excedit atatum propriae niiMitiü vel forntaiii.
KxressugL aiiteiii »u\)vnor dicJtur nputheusit^ quaai doitii-ano , qiiao fit, ipiandi»
liomo ad divitiurnni ruriteiaplatiütitjm rapjtur; et lioi- tit mediante illa pototitia
nniniAtf, quuc diciLur iiittjllectualilas, qua t-omprehendimua divina; se<-niiduiii
quiim potentiam honio ttt deus. Vgl. .\nticl. iÜ'.i H ; de pl. n. 443 l'. Wir
haben hier eine st-ltsitmc Nachwirkung des Paeado-DionyMius und auine»
Interpreten 8t'otu8 Er^ugena vor uns, bei dceien der Auatlrui'k Ofüumc^
deifieatio, oftmuU wiederkehrt. Vgl. tieispielaweiae Joh. Scot- super .le-
rsrehiani eoeleal.; Migne 122. H2 H. Der ac-huii einigemal erwähnt« SiJiD-
1er Alau's, Radulf de Longo Cainpo, wulcher die in Reg. 90 vorgetra-
genen Gedanken aoinea Meisters in seinem Kommentar xam Anticl. adoptiert,
ftllirt auch die Unterscheidung von thesis und exstaais auf .Sc o tu 8 zu-
rtlck K.'üd. Paria. 8083, fol. 8*).
') De dogni. Hat. t. 13, \>^ (ed. Guldbacher. S. 74 ff., 791; i'l'»l-
eidiua, ed. Wrob«l, n. 22H— 233, S. 2ti« ff.
94 AluniiM il« liiifulia,
tas) und voluplas') oder, wie an anderer Stelle jresagt wird,
in rationabilitas, irascibililas und concupisribililas').
Mit der Irichotomon Kassunjr der Stvli'nfiinklioin'n wWd fiodaun,
Avir wir bereits ;:(^/'lien iiabcn, aiicb diTiMi lu'zicliunpswcisi.* Lo
kalisation im riaiiptr. irn Hitkcmi un*! in den Nieren nbonioni-
mon-'*). Nach dem Vor^aii^'e tU^a Wilhelm von Conches
scheidet AUinus die im Haupte residierende sapientia wieder
in drei weitere Krilflt', die poteritia injrenialls, die poleslas
li);;isti('a utid die vtrtiis recordativa, welche auf drei vei*-
sehieileiU' Kaninierti des Cehirns. auf Vorder-, Millel- und
HiiiteHiaupt vei-leÜI f?irnl ').
Kine dritte Kiiiteihitt^r der Seelerikrftfte entsprinjfl idbischen
HetniehliuijreiL D^M' ijn Metisehi-ii nie rnfn-tale sitlMclie Knnipf,
wi'IctiiT ührijiens nichts Nalurwidripes ist, sondern d;is Verdienst
erst ins rechte Licht setzt, clränj?t zur (ietfenntiefHleUunp von
sensualilas und ratio, zur Annatime etm^ niederen und liö be-
reu Seeh'nteils, von denen der eine. auf>i Inhsohe i^ericblet, den
MenSM?hen zum Lastor und xnrn Tier liinabzieht, während der
') De pl. n. 444 CD; Diät. SC>f> D. - *) ftt^nt n. 33, 24« CD.
») Siehe oben .S. 8!.l ft".
*) Dp }»I. II. 444 C: Iti uni* cnini t-:ipit.is iinperntrix sapientin con-
quieei'it , ctii taniquaiu (le»t> <.aHt«ru« pot^ntiao velut sentiitene ulisequuntur.
higeiiinÜB nanique poUiitiu, pot«sUsque tugisticn . virtus eÜHiu praeteritunun
TLH-iirdativa iliversis capitis thalamis haliitant^'s eius fervescuot ol>>teqiiio : vg}.
tlMl. 4-13 A. .Siehe Willielni von t'oiirheH (Kommentar z. Timacas, Cod.
I'iirls. HÖUr», ful. Ö4''b): Sjqtietitiu ilivina vu]ens in liomine cnse sapientiam . . .
Tria sunt, qm* faciuiit pt>rferti> siipientem : vik n'to intf>nigen4li, vis diarer-
iiendi iiitvilecta , vis retinemü in momorin. Herum in raptte huminis aniit
tres vetitriculi : in prora unna, in puppe aHua, in nicdio ti^rrtua, in *]<>uen der
Reihe nach <lie eben genannten Krftfte lokalisiert sind. Wilhelm sohöpft
diese Theorie aus Constantinus Africiinus (Werner. Knnniolojcie , W.
8it£<ingNh., \i. 7*1, S. SH' fl'.). Die allseitige Verhreitunji derselhen bezougen
Johannes Saresh. (Metalog. IV, 17; Migne 19Ö, 92fi H} , Wilhelm von
8l. Thicrry (de nat. »orp. et an. I ; Migue IHO. 70'J A) und früher aclwB
Adelard von Bath, welcher t^ezQglich ihrer Herkunft aclireibt ((juaestione«
naturales c. 18): Nam et Aristoteles in phiaicia {sollte ArJst. de f^ensu,
c. 2, p. 438 b 12 — 17 gemeint sein? Die Htulle paüt Treilich «ehr wenig.)
et ulii in trnrtatihus suis sie dlseenmnt , und den Iteweis hierftir durch ein
.sensuale experimcntum* für erbrueltt hält. Es sei n&rolich jemand dunib
fine VerA'undun^ de» vorderen Teile-H des Ciehinis der virtus fuutoätti'a ver*
lustig gegangen, dagegen Im Ufsitze der ratio und der memoria verblieb
IV. AliM'bnitt. AntliropiiloHie und Psychologie. 95
aiulcre ihn zur 'l'ii^'eml emporhobt, mit tlcn Eugi-lii wt-UeifiTii
lüüt iintl trleichsani vert^öllHcht •).
b. Wesen der Seele.
Tiek'i* jils bei ilifswi, wie am Woge nufgeleseneii , t^iulii-
lungon \iohi Alanus auf Hio Saclie ein bei der Frage nach dem
Woson der Seele, welche er definiert als einen verrrfnvnijren
Gois-t, der zusammen mit «h-m Körper ihis Wesen des Mensclien
konstituiert-). Die St-ele ist Substanz, aber nicht Proprietät
oder Form, sodaü sie an einem materiellen Substxiitt^ hallen
würde*). Sie ist irenaner eine untetlhare, einfaelie, urtkörperliehe
Sultsliinz *). In iler Vei-nnnfti|rkeil nud l'ijk('ir|K'tlicltkeit lii^l dir
wesetitliclicr ITiilei^chieii jfejfiMinber der Tiei-seele, dem spiriliis
physieus '").
Die L'nkrirperliohkei! der Mciischcnsecle eivi»'l)t sich in er-
ster Linie aus lU'iiHiiitlniijjrsheyrifT Spiritus, dein sie ^'leicli liem
Enjfe! als Art untei-^eorilnel ist. Nur zwei Möjfhchkeiten lilei-
ben offen. Entweder ist auch der Engel nicht unkrtrperHclN o<ler
im Falte seiner Unkörperliclikeif mnli ehrnso *lie Seele itnk<^rpei-
licli sein'^). -- Wir vermr)j<e[i lenur das Leb« iisprineip des K(>r-
pers ohne tUis Merkmal der Körperlichkeit zu «Tkennen, was
nicht (feschen könnte, wenn die- Seele Itirer Sulistanz nach ein
Körper wfu-e '). — Von diesen hei^riftlicln-n DtHluclionen abjfeselifii
winl rter nnkörperüche (^hanikler «ler Seelensubstan/ W4'iterliiri
liertieJeitet ans ih-m Fehlen der nlumlichen Diniensioneii "K aus
iler dem Menschen eignenden Ffdiiijkeit. das (ieisti;|!e und Un-
■) De pJ. n. 443 C ff.; Dist. 700 H, 751 D. 922 B.
^ Diät. fiüQ D : Anima proprie dicitur Spiritus rationiilis. qni cnm ror-
pore venit in (oriHtitutiotium liuniiriis.
^) ('. H. I, ^1. .SS:) H: pnipriptas iiutem aive (iitiitt nitie) forma non
est, qiii« stiUsUattA est, et ex fluxu mnterici eomimpi non potuHt , ([ain in
materia non est.
*) Kbd. : animu autem noti est iiiihstantia curporeii. Er^o ex siilmtautia
partium corrunipi it>un pot4>at . quin situ plex t«at. Dmt. U-ib A: nnima dicjtur
simplex, qoia partcH non IialH't.
'') C K. I, '<^M, ;^->V D: EmI namquc in hüininc dnplex äpiritua, apiritua
rutionalie i^t ineorporeus, qai non porit i:iim (nrpore, et aliuä . qui ijn-ttur
physicus sive naturalis ... et hie i^piritua est suhtilior iit'rr , miniia .sahttltn
(mit Cod Bernensis 335) igne. Vgl. Uist. 9^*2 D.
•) f. H. I. 31. 333 U. — ■) Ebd. 334. A. - ") Kbd. 333 U.
Wfl
Alunits de Insuli'a.
kArp'Tlicl»' ZU i'i'krnncii '), :iu.s der willkürliclii'n Bewegung, der
HciiHiliven ßt'thrtlii^iiJig iijid j^^ler andern TliätigkeitsAiiUorung des
Ki^ipt-rs, wrlclu' allf dem lotzteren an sich nicht zukommen
kAuneii '), etullicli iius der im korpeiiiclien Organismus zu Tage
Iretenden Kiiilieil st'iner Ti'ilr''|, lauter Momente, welche auf ein
vuMi KArper vei-scliieilenes, willkürlicli bewegendes, jene organische
Knihi-il hnlinKendrs l^incip schlieLten lassen.
0. Crapriiii^ der Sp«Ip.
He/nglieh (h-s Ursprungs di^r nieiisuh liehen Seelen
halle hekannllicli Auguslinus zwischen Tradtieianisniu.s und
C.ii'uliu iiisnuis lün und her geschwankt, eine undi<'hen» Haltung,
die anidi bei Alcuin und Hhnbanus Muurus noch nicht überwun-
den iiit '). NiM'h Odo von Canihrai (II l:i t) i)ericlitet mit Bezug-
nahme auf seiiH' Zeil. daU der Vertreter der Iradui-iunislisehen
Thiiirie nield wi-iiigr und ihre beigehracUten (iründe nicht ge-
ihitf »MUUsehlagen seien •). Ooeh erhoben sich zahlreiche und
lrl»harte l'mli^te dagegen, wrlehr mit aller F-nei-gie für i\en
tU'eatianIsnms als die Lehre der Kirche in die Sehranken tra-
ten "h las .•ielilielilieli Thomas von Aquin die gegenteilige Auf-
stellung gt^rade:»! alü liAi*etiseh t>ezeichnete ^.
') Ebd. 38,S C. ' ') Kbd. ».13 CD. — ) KU 3S3 D.
*) Siehe WcriiiT. Kiitwiokrluiigsgaiig. S. Ul.
'•) De iH'ccat, oriKio. M (Mijfne 160, 1077 t') ; annt tarnen tnulti . qui
Vülunt «nimum px tnnliic»' (ieri, sicut curpiis , H cum corparint aemine viro
otiain fniimae prwedere. IJuoruni rationra . quiA nati «unt omiiinci !{}M?m(>n-
due .... Kin*" intereaMnte , liiatonitc)) freilirli ungenaue Zusammi-nstclliing
il^r Lnlireii «Jit ftlt^-ii IMnlo«oplien Ijtier den l'r>.|iniiip der Seele findet sich
in ik'in Ullier dt'ii VVcilcen lledu'» steliviiJen liluT du i-iinstitatione niQndi
(Miftne HO, 9Ül B.). Erwflhnt werden Epicnr, Anaxagoras, tierarlit,
TlialeM, iUv .Stoiker, FInto und ArrMtoteles, — Hugo de Fouillui
(HUper (Jem'HJm; i'od. I'aris. I492ß. h. XIII, fol. 59ra; ilher den Verfasser^
siehe Htturi'iiii, Noticoa et extrait«, Paris 1890. I. S. 86 ff.. 20:i) zllilt drei
vi'rwliif'li'ne An»ieliten auf. nitiidich die ehi-^dem von Origeneti vertretene
PrJloxiBteiiÄl«lire (oiiiues animae »imiil creatno ftiissent et in coelo poAit««),
dmi 'J'ri»duciiiiii»inns und den Creatianisnius, welcher Lelire der Kirche
■ei (HiiitrU vnro occIiNfin tenet tertiniii).
••) Wilhelm von Conche» fCousin, Fragments d*- philos. du moyen-
•, iHMt. K. 845 ff, Vgl. Werner. Kosmologie, W. Sitznngab. , Ü. Tö'. S.
0): Hugo V, St. Victor (De aacram. I. p. 7. c. 30 ; Migne 176, 299 ff.) ;
»trua Lombard. (ÖtMit. II. 17. n. .S; 18, ». 8; Migne !!)■?. G8ö. 689)
'J 8. tlieol. I, q. IIH, «. a. 0,
I\'. Abscliuitt. AnUiropologia uud Psycltalo^ie. 97
Auch Alatius dp Insutis bekennt sich als einen Qherzeu^-
ten Verfecliter tier croiitianistiscFien Lehre. Die Erschaffung
rier Swlf durch Oott bildet das Gniiidllu^inn seines Anlititiudian.
Beifällig vcrzeirhnet er den Tadel Glaudians ge^en Hüarius
von Poitiers, weil der letislere ifesu^fl habe, die Sn^Ie entstehe
aus elwns *). Die Krafl der Nalur wirkt idlerdiiii^s Zur Eiil-
slchuni-' (U's Menschen mit, allein Üire Wirksamkeit besrhrätikt
sii li l(Hli{^lich anf dir Hildiin^ (|es aus den IClemrnicit ^cfonDteri
Körpers-); der Ursprung ilor pt'istiK<'n Seele dago>fon entzieht sieh
ihren fh'selzeii und ihrer Macht ■'). Der menschliche Körper
wird zwar ans einem andern Körper lradu<ierl, wie in rler Hi-
.sl(jria scliolastiea m lesen sei \), nber die SovU* kann nicht
wieder von einer Seele er/eugt wenten, sowenig wie der (leist
von eitlem Geiste. Kino einfache Substanz vermag» wenigstens
auf dem gt'schöpnielien tiebiete, kein amlei^'s Wesen aus sich
Iiervorzubriiigen *'). Dem tröttlicben Adel ihrer Nidur entsprechend
tritt die Seeh* durcli einen nniiiittelbiiren Sehöpferakt (Jettes aus
dem Ni4'hls ins Dasein, ulme rr^'riid welche natürliche Kaktoren
vorauszusetzen **).
'} C. H. [, 20, '122 C: Tanten Clnudiaiiiia in libro ilo nnima ilc Hi-
lunci alt: l'irtavtensis Hitariaa in iluobuH nrn»«« dieitur: in uiio,
(juofl dixit oniniam fsse ex aliqno. Vgl. ClauitJanUH (de MÜitu nnimao II.
!), p. l'iU, 1 f, ; ed. Kiigell>rL'rht} : duo Imcf veris udverMi diasfruit :
uauni, quu nihil inrnrpitrouin crfntiirn dixit.
*) Anticl. 4W9 Vi :
Cum nosiniin fat^atnr opus noetramque requirat
lncuil«m Huitans liumano« nini-liina mnlis,
Cor|iUB ud e^äv suiim vocat at-ti« ri'gula noatrae.
Vgl. oImI. 495 D, Mfi D. 550 UC : de pl, n. 442 CD.
") Elid. 499 D :
Kxcipit liaeo hununJH iinimam, i[iiau s«inper ali istia
txtgibaR pxcipitur meliori polliro durta.
V|^l. elid. iiib D, 496 H. 499 D, tm BC. In dr |d. n. 44X A werdttn je-
floch ditt p4)lt>ntia iiigenialia, di« ratio und die p<it«ntia memurialia ala Oalieu
der Natur bezeichnet
*) Diät 97tt D : unde in Hihloria Hcltolaatica legitur . quod corpus liu-
inanum est ex traduce. i. c>. ex aliu tradtifitur. Der Verfasser der Hiatoria
KcliolauLiea itit Pelrua Comeator (siehu Migne lOS, lO^iS ff.).
^) C. H. III. 2. 403 A: Dirimns ctiiini , qut>d in natnralibnH nullum
aimpJFx ox fH) aliquid gignere putptft. unde ner uniina aniinnni nee «tpirituni
Hpirittts. Vgl. Keg. 3, »24 D.
*) Diät. 7öl C: qui aingulis rreat ammas , et eat contra eoH , qui d*-
Bvitraifi* I[. 4. Bii (1 mg Kr! iiMf . Alnnua d« IiihiiUh. /
IV. Abaehnitt. Antliropologie iintl Psyrliologie. 99
aiiß*^r etnor Stelle aus licni Timneus') lU-n !'hai*flon. Er weitt
jodocli ül)or (Ion Dialog nk-lit mehr zu iH'richlon, als dali er
iiiiinniiifracla' Beweise lür ilk- lljisU'rbliciikeit eiilhiiUe-), ein deul-
lirliis Zi'iflii-M. daü iliMi nur der N:mii' um! il-r ;ilI;:iMii('iiisti' In-
liiilt Itekaiirit war. Al.s weitere Auluritälen liriii;;! er Cita(e aus
Viri^iPs Aeneis-'), aus Cieero's Htietorik ^), aus dem Aselepius
fies Mereurius ^) uinl aus dem lilicr dr musis. Das zulclzt
tmiaiinte Buch, v'iu Ausi».!)^ aus diT ius ArabJsrhe rdjertra^-'eneu
oToixtUooti itfokuytxt) des Proclus"), wurde vou Ahuius unter
deui Titel „Aphorismi de essen IIa summae bonitatis'*
zum ersteruual iu die pliilnsoplusche Lillrratur der Scliolastik
einffefiHiii '). Kr iiilerprclierl (Jeu die niiltt^laHcrlictieu Di'nkiT
SU aiisprecbeudeu liedarikcu, ilaü die Seele iia Jlori/.üut der
') f. H. I, riO, 11^3 A: Plato etluni in Timaeo all aiiimft>4 po^t disso-
luiioneni varim ullligi poeiii». Kin« enlüiprBcheniU' Stelle (ini]i-t sii li im Timaeii»
nicht. Da» C'itnt dürft« vielmelir in <*lia leid ins twinnn I'rftpning hatK^ii
(cd. Wrobel, n. \'M\ S. Iü8): cum in Polititi tyranni aiiimani factt ex-
cniriari post morieni ab ultorlbuä.
•) Kbd. : IminortaliUtcm eliuni aniiiiai« in IMiaedonn- iiiiill'ipliL')t*"r pro-
bat. Wolter AlauiiH dicso Kennini-s ar.Iiüpftp , wiHHrii ivir iiiclit beälinitiit
«n/ugi"Wn. Cou.siii iKnigtiu-nU Jt- pliilo-s , M. 821 tf.) irwilint ullcriling»
4-inL' liiioinittclie Obcra^ftKun^ f\v» l'haedu, nltcin erst qua ciueni l'oJ. An-h l.'f.
.lubrhundiTta. Vielleicht ist an CtaudianuB Mamertua tu denken , wel-
iluT gtilegentlifh der Krage nach der LinkOrperlichkoit der Seele in de tUatii
animnt^ (II, 7, p. l'J5, i:l ff.: ed, Eugt'H*rech t) »'iuen lungeren Fübsu» ans
dem t'baedoii eiiitlH'ht. — Das Argument aiif« der Hewegung der Set-le im
IMiaedrua steht bei L'haJcidtus (od. Wrobel, n. '»7 ff. S. 124 VI.).
") Ebd. .132 0; HJche Virg. Aen. XII, ^'2. - 'I Ebd. 332 D.
*') Ebd. 332 <-' : Ait MereurJua in .\si.'k>pia : umni» eiiini itnmortalih vnt
aiiima ; vgl. Apiilei Aädeptus (r. 2, ed. üoIdbacbBr, S. 29, v. 12 ff.).
Kbd. 332 D : Item Mercnrias in .\aclepia alt. quod animae pcwt dUaolatiuneii:
cugiintur crederi' poenis, qnae in vitu nuluerunl credere verbi«; siehe A pul ei
A«cl. (c. 28, ed. Lioldbacber, S. Öl, v. 4 ff.). Über die Verwertung des
»Asclepiua* bri Wilhelm vou Auvergiie vgl. unsere Abb. .Die Er-
ki-nntntäleUru des Wilbeliii von Auvergrie' iu den .Beiträgen z. Öesch. d. Pbilua.
d. .Mittelalt.' horauageg. von l'l. Baeumker und TJ. v. Hertüng. B. [l, f{. I,
S.5, Anm.6; S.2t, .\nm. 'i. — Zur V'erfa**erfrage des ,A»cIepi ue" vgl. Ber-
nays (ober den unter den Werken de« Apuleju« stehenden hermeti»-ben
Dialog Aselepius in: .Munat«li. d. k. Aka^I. ü. W. . Berlin 1H71 , S. i>i}f) FT.),
welcher den Apnlejua weder fflr den Verlas-ser noch für den Cbersetzer hält.
') Barden bewer, Die pBeudo-aristotelische f^chrift ttber das reine
Gute, Freiburg i. B. 1882, S. 47.
') Bardenliewer, n. u. ü., H. 2Ö&.
7*
lÖÖ ^^^^^r Aliinus tle lusulis
Kwigkeil und UhvT (Ut Zeit siehe')» 'm Simu- ihnr luivenlnder-
len Fortdauer. Eniporfrehobcn öImt die körperlirhwi Dinge,
welche mit dem Anraritr das Ende verbinden, bildet sie das
S(lilnUKlie<I ji'iifi* Reibe von Wesen, die /war einen Anfang'
hal"*ii, lieiien aber eine e\vi},'c Daner beschieden ist •).
We^fH der Mftiflichkeit einer vei-sebiinienen Deutung und
AnsIejnniK kommt den AnlürilAlen keine unbedingte Heweiskran
zu. Diese wird i^rst auf ileni AVejre des Vernunftbfweises
erreiclil =*).
Da-s demonstrative Beweis verfahren lur die Unsterblich-
keit basiert der Scliolastiker anf der Kinlachbeit und Unkftrperliclt-
keil <les SiH*len\vi>*ens. Kine doppelte Möglicbkoil ist denkbar,
durch welche ein Ding zu Gnnide geben kann, entwi^ler dnrch Atif-
l&sung in seine Teile, wie beim Körper, oder durch die Wainlel-
harkeit dcy inaterit'llfn Subjektes, wie solches bei der Proprietät
o*h'r Konii ziiirilU *). Di«- menschliclir Seele ist nun über, wie
wir hörten '■), wederein Körper, riiicli eine Propriehlt oder Fonn,
') Ctwr die Verwendung diesos Satw» \m Willi ein i von Aavergne
siebe aDie Krkenntnialebre des W. v. A.," a- a. 0„ H. 18.
^ C. H. I. :^0. H:t2 (/. Wir geben die gftiiMich verderbte 8tel)e. deren
Korrektur Bardenhewer (a. o. O., S. 208 ff.) mit Hilfe zweier Mtlnobener
HandBcliril'leii vergcblicb vcntuclitc, und die er infolge dessen aucb unrichtig
deutete, mit HaeuinkiT iPhib»!*. Jabrbucli d, liftrresgei*.. K. VI, S. 418 ff.)
nacb Cud. Itomemiitt 'Mio: bi Apborisinls (der ('od. anfforismi«) etiam de es-
aentia aummae iKinitatia legitur, quod aniina eaC in orizonte aeteruitatid
•t ante tempua. (Im lit>er de cauMa § 2, Bardeuhewer, 8. 165,
lautet der .^atz: (uninm) ent in orizonte aet^rnitatts inferins et mpra
lempus.) Noritiim tu^tcriMÜntiff liir tlfüigriMtur perpptriiliia. Krgii t^st Honuis r
aninia t«L in uri/i»iite acii-ruiUtiH i. e. in teniiino porpetaitatia; quod est:
perpetuitn« t>Mt in nniina itu, qnuil finitiir in anima, I. t^. nnn protenditur ultra
animam. et ecit aupra U>mpUM. TenipuH vocatur bic mora baben.^ principiuin
et tinem; ergo anima, etai habeat prim'ipium , neu babehit tiaem. Alanua
irifll mit sein«tr Krklftning den .Sinn der Sentenz des über de cauaia votlstlUl-
dig ricbtig und verkehrt ibu nirbt inx (iegenteil, wie Kardenbuwer (S. 209)
meinte. HezUgliib dea Tnifangefl d4^r perp4*tuitas vgl. Di«!. düTt H: l'erpetno
da priucipium, sed fine rarehit, ut angcli et anima.
") C. H. [, 30, .138 A: 8ed quin auctorita<i cerenm habet nosum, i. e.
in diverauiu poteät flccti senaum, rationibua roboranduni est.
*) Kbd. I, Itl 88.1 A : Quidqnid rorrumpitur, mit romiinpilur ex dtaao'
oautia partium, ut ciirpua, aut tluiiu uiuterici, nl. pntpriftim.
■) SiHie oben S. »Ö.
IV. Abschnitt. Anthropologie und pHyr-hologic. IUI
Bondem oinu einrachc, iinkörpiTlif-hu Subsliin/. Mitliiii untrrlifgl
sie weder der Aullösuiig in TLMl^^ noch wird ihre Exislenz t}\ivv\i
dw Wränderlichki-it dt's iiiakTiellLii Subjfkts in Frage gestellt '),
So Ibljft aus tier rnkörpeitirlikeil dfo Ineomiptibilitflt für die
Seele sogul, wie für den Ent'el ).
Diesem Bcwei^gan;; fü^l AInnus ciu freilich rechl absoii*
derlii-lies Arpjincnl an, rliis ein Heli^'iase Kt*gt?n einen Philoso-
phoii p'Itranrhl luiljo. Mvv (ijaiibi- itii die l/n:jterl>tir]ikci( .sei
nriijiJieli in keinem Kiille von irgend \velt:li4rni Naehteil hej,'leilel,
während die Leugaiing dei*selbon eventuell sehlinune Kolgen
iiurh sieh j^iehen (könne. Man müsse at)e[- nneli einem Aus-
spruche des Aristoteles in seinem Buche ,de eligendis (hiobu.s
propositis" von zwei M(jglicltkeitcn, von denen die eine ein Cbel,
die anden* ein («ut im Gefolge habe, die letxtere wühlen **).
') (.', H. I 31 333 H: Ergo ex sulisUntia pnrtiiim rorninipi non po-
tesl , qnin qimplex (>t»i. Pi'uprift«!« autt?!» »ive djtatt sine) furnta non est^
quia MtiMniiÜH ext. <it ex fluxii matmei cornimpi non pot«8t , quJH in ihh-
teria nmi e^t.
"} Kbd. 334 A : Kx praeraiHHis patet animam esse ineor]»or«uin et ita
incomiptibilem, quin »i anirna v»\ incurpurea, («st sicut ang^hu: qua ratimii' an-
gfliia eut tiiniiui-taliM et Hiihua luac'li Cotl. BerneiuniH 33<'>) ; el>d. o34 U : lU-ni in
[Aphorisini» de eHsentU sunimac honitatia legitur, qiiod rtw de^trucliltiU'j^ sunt
ex porporpitat<.' , non ox ill(>ot-I)or(!itat«^ Vgl. lilier de caiiaiH § lU (Bar-
iliMihewer. 8. 174): r«M d^-stnirtibilfts Hunt i*x corporcitat«, wilicet ex rausa
corporea . temporali. non vx causa intettei^tuali , neterna. Wenn Barden*
hewor (S. 2IU) niit Ri-tht licmerkt. Alanus halte sich wod*»r an den Wort-
laut noch an den Sinn des lilicr de cnuHiH. wo haben wir hier nur uin
Beispiel mehr fllr die UnbenU iingenane und willkflrlirhe. d»>n (lodanken ihrem
ursprllnglirhen /.ni>anitaenhang vj^llig entfremdende ('iiationKweiHO duä Inan-
lensem, die uns im Verlauf iin.'X'rer Abhandlung schon oft liegegnete und t^na
Auffinden der Origiinil^^elle no sehr erschwpT-t.
") Kbd. 334 H : nt ait .\H.Htoleles in liUro de cligendis duolins propt»-
aitts: si istiua est consecutivum maluni et illius etft cnn->!eüntivuni honuni,
magis est illud eligendum . ruius est cuiuwcutivum hitnum, quam aliud, t'uitifl
est oouMicutivuni niiilum. Die Meinung l^ard enhcwer'a (S. 21ü, Anui. !)•
dos gvnanDte psendonniiitdteiiäche Hneh ftir ein Exoerpt aUH den aristote-
lischen Klhiken halten will, »cheini uns iiu^e^tiehta des Titeln, der auf keine
KxcetpteasajnUtng äclilielien liißt, zum mindesten gewagt. Die nach dem Re-
richte Jourdain's (rech, crit., S.3I7IT., 362 it.), Alhert und Vinccnr. von
Ueauvajs vorliegenden Auszüge «us aristotelischen Schriften, auf die sich
Bardonhower bezieht, waren deutlicli al» solche gekennzeichnet und gehören
einer merklich »piteren 7>eit an. Wir glauben , daß wir es hier mit einem
1U2 Alanna de Insults.
An driltpr SU'lle endlicli wird dor später sogenannlo rao-
ratistlio Beweis ij^oslreilt HuitIi den Hinweis aul die siülicii j^u*
len Hiindlungen der Ikiligen, die eine VerjroUiing und damil
UnsltTbiicIikeil fordern ').
«. TerblUtni» von Leih und Se«le.
Ein telztcr Punkt, auf \vi'l4:ln'ii flic Psyrliologie dvr Schi>-
IjisUk ihr Aujrciniirrk ridileU', hrtrilTl «las Verliältnis von
Leih und Seele. Die früheren Jiilirliniulerle iKreplierl«?n iliu
plaloniseti-auguslinische Auffassung von einer AuUeren. acci-
dentellen Verehiigung beider. olijjleiL-h ihnen, wie wir schon fro-
her erwrihnleu ■-'). durrli rhaiciflius die aristotelische Lelire
und Deliniliun von der Seele als der Kortn des Körpers bekannt
war"). Der Verfasser des unter den Werken Beda's siehenden
Buelu's de niundi eonstiluliono ') und Gilbert de la
[»orrre ■') bekrniipfen direkt die Ansirlil des Stagirileu. Au|,'pn-
selieirilirli hatte diese merk würdige atiletineiidr Haltung iliren
(>ruiid in d<M- unrirlttigeii Fassung der F(»rni. Solange man in
ihr nur eine Kigenscliaft, aber ki'in subslanziales l'rincip er-
kantile. konnte sie selbst vei'slündlicli auf <tie Seele keine Aiiwen-
t^inv npevÄvW^ tVago iMiliiiriilcItiJLiii murHlim-heu TraktHl atu tliun liHlfeti , i)t<r
uiitvr dem Nauion d«» AriHtotuIcs in riiilmit' kHin.
•) C. IL I. 31. 334 B.
*) Hiehe üben S. 12.
*) Ui>1e}{ciiflich einer geschii-htlithLm Orienticning Ober die das Wmmi
dvr So^lt« iM'tn-ffßDiJpfi Meiniiiifteii der griecliiwlien PIiilosoph«Mi führt Chat-
lidluR (o<i. Wr.ilnl, ii. 'J*22, S. Ü'."!? ff.) imch die ii rihlDtelisclio Deünitinn
All, dift er in «>inein tAngereii KominenUir zu eHfiulom Hiirht. At vero Ariato-
li'lfs aiiimani definit hactcnus; Antiim <'st prima pcrfccti" cnrpitris naluruliH,
(irgHiiiri, pnui^iliilitalo vitain habenlis .... Ifaiu- ergo specivm, qua fxniiaii-
hir aiit^iila . fr^'i^eatilcr AriHtotvIe« cmteleiihLBin i. e. ab>t<»lutani perfectiont^m
vorat. - Weiterhin werden erwähnt die arit^tuiel lache Interacheidung in vc«
getative, Bonsitiv«' und iiiUdlektive Seele (n. 223. 8. 260 ff) imd die ariatn-
teliacliQ tjokalisalidnathoorie der Seelenkrftfte (n. 2*24, 8. 2'>1).
') Bedae opp. [, über de const. niundi (Migne !HI, 902A): Ariatot«!«»
veni vocalml t'»ni cndelechiani i. e. furmani nrnmuti cor|n»ri8 , et per hoc vo-
Ifhnnt illani etwe »i-ridena .... Ariatot-cli quidem , i|ui direhai illain vatsa
accidena.
') Do^thii opp., S. 1235; Non enini aiont quidam dixerunt rat rrtr-
Uxetn hoc est forni« , acd potiua anHstantia i, e. subaiatens habcna iji ae for«
naa et. diversnrtini Keneniiii acctdenÜa.
IV. Abschnitt, Anthropologie und Psychologie. 108
rhin^' tiiidcri. rin (laHurrh die Suhstuiizialilät der leUlereii tu
(it'l'ahr kam ').
Aus Ufii f^loiclirrs Gröiidoii wuist auch Alanus de Irisulis
die Cborlrajfiinu des Formbpprins auf dii* Seolo znrfick.
Wie wir salieri, orkhTrl it iuisdrücklidi, data die Seele keine Pru-
jirielät, keine Form sei *). . Leib und Seele verhallen sich nicht, wie
Substrat und inforniieivndi." Kipciischaft; sie repnlsentieren viel-
mehr zwei völlij; :iolt»stiindigL' Suhstan'/,4*n, ein doppeltes Sein mit
durchaus uuviTeinbaren Hrsllnunuiipi'n '). DtT Srholji.stiker (in-
del nicht Worte genug, um den («egenriutz zwischen Fleisdi und
tieist ^), U'discher und hiniiülischur Substanz '), ZusaminunKosetz-
tem und F.infacliein ''). \'ergruiKlii'h<^in luid riish^rhlirheui '). Na-
lurwerk und götllirher Selinpiujiy *■> so S4liarr als nmyhdi er-
äc'heinen zu lassen.
') Einen siihinKenilen Hnweit biefttr lierern die heiden phen ungffilhr-
t4>n '/^u^nisar . wnm sie iluixlililirki.'ti ln**scn . ilui\-li Aiiwi'nrliitig iIch Kurinbe-
grifTH sinke die So^^l^ ku einem bIo(ji>n Accidpn.'« herab. Dnzu knminpn sber
noch die Auüfflhruitgea des C'haicidius. nus welchem jene Quelko unver*
kennbnr !M:höpfcn. Der Komnientatur des Timaeiis erktilrt, Aristotdos haho
bei «Her aoin^ti^eii CbfreijLstiminung niil Phttn bezü^Uch ib-r Seele gcir)-t,
wpiin er si« als Kunii oder Knt^lerfiic bi-r.oirbiie , denn dadiirt-h werde »in
zum Afcidens des Kflrp<Ts (nd. Wrobel, ii. 22Ji. S. '2t>2 tT. : non enim spc
cialeni easentian) fore aniumin . quam appellat Anatof4*left entelauhiam : haec
<juippc forma est corporibii^ iie-oidens. ut oonsot IMuto). Er wendet unter an.
derem weiter ein . die -Si-ele könne iinmöglii-h KnMecbie oder Komi sein , da
das Konnprincip nur i[i um) mit di-m Ki^rpnr Kxistenx hnbc« . mit dem Krirper
enl^teh^' nnd wieder mit ihm vergehe . und «ich nnch in jenen Dingen find«.
wi'Ii-h<' keine Seele he^^itzon In der abweisenden HaltunK Hew i.'halcidiun
nnd in seiner Argumentation liegt ofTenbar der Schlllssel Tür dit; KrklKning
der aaHallenden Thatsache , daß di« aristuteliacfae Ans^-hauung von der
Huele im früheren Mittelalter keinen Buden gewinnen könnt«.
■) Siehe olien H. ;•■'>.
=) Aoticl. 4\Ky h :
Dispar natura, dinpar subsLantia, furni»
Diwurs, esae duplex hominis ctmcurnt ad esse.
Dali hier der Ansdrtick .forma* nicht im Sinne von Forroprincip genommen
wini, iMt aelbstverstÄrtdtiifh.
*) Anticl. 54« W. — ) Ebd. 493 H. 495 0, 54« V, hhl A.
*) Ebd. .>50 V. — ') Ebd. 4l»5 D.
") Ebd. 4\fh D ff., 54*) D. Die in Anm. 4—8 niedergelegten Gedanken
klingen hlknüg an die Scliilderungen Bernhard'» von Chartres [ed. Ba-
räch, $. 51, v. 29 ff., S. 55) und an Apulejua' Asclepius (c. 6, 8, ed. Gold-
bacher, y. 31 ff., S. M) an.
fV- A)>«rhiiitt. Aiitliropologio und rNjoholoKi«^* 106
Amli BnnharH von (Ihartirs '^ und Hugo von Sl. Viclor^)
liutten fiii' Verhimlunt; in ^leüher Weist* erklärt.
Dil' platonisch-pytlirtgoreisrhi' Ansihaiiiinjr nuM-liff- wohl
die Plianlasie /.ufriefkMLsioIltMi. iJcr Vf-rstaiul koniiU* sit:h jotloch liit-r-
l»ci niflit beruhiifi'n. So jrriJfrii ilic Physiker nach einen* andrni
Ausweg und vorsiirhlcn, die Lösuni? des Problems auf physikali-
M-tiiMii Hi>dt'U zn peben. Alanus marbt suh aueb diesrn Er-
klärttnt'svi-isuch zu ei;fen. Er bi'lnu-blet als HirHU^'Iied zwiscbeti
l<i'ib tmd Seele das auch die Simie^nnpluidutiK um] die hnagi-
naliort vennit.tehi(Jf Aj^ens % den Spiritus physicus, eine feine
knrperliebt' Substanz. fciniT als Lufl und weni^rer fi'in als Fcin-r,
welclie die Feinheil und Hew<*glieliki'it iiiil der Sit'lt*, die JCör-
pH'iitfikeit aber mit dem Körper gemeinsam hiü>en soll und da-
durch in dm Stand s«'^t'tzt sei. Leib und Seele an einander zu
kellen *); ^''" fiedankenpang, dca- sieh ähnlich schon bei Isaak
von Sti'lla liudel-').
NcIh'U den jfenarinlen Verbindunffsweison kennt *\vi' Ma-
jrisler endlirli noch eine drill i' Arl der Kinheilt welche von Odo
von (himbrai *>) und Uiehard von St. Victor^ vertreten
') Kd. Haracli, 8. M, v. 27, S. Ö6, v. 51. Audi lÜe Ktidelwhie wird
iiii< <W Welt durch die ZablMi verbunden (v6. ItHrarli, S. 14, v. IHi) IT.).
') ErUil didascal II. 13 (Migiio 176, 7^H D : MtiaJcA intor rorpus ei
Niiinia'ti est illti rmturJilirf funii-itia, ijur Aiiitini rorpori nun corporois vinruli.H,
8cd uffectibus quibusdani otillinatiir ml niyveniliiiii vi »ensiticundum ipHinn
i-urpu)^. Hugu zieht abu , iiiii dit> ItariiiuiiJ^clip Verliindunt; einiKerma0«ri
vcretj&iidl ich zu miuhoii, päyuliologischc Mumeutc herbei.
") .St<>Jie iiben S. 1».
*) C H. I, 'i8, 320 D : vi »lioa. qui dicitur phyaicu» aivi* uiiturnli»,
quo iiiediuntL* auiiiva ratioiialis uniUir corpori, et liic spirituti est »iibttlior nPrti,
ininu8 »iiIjüliB (mit Cud. Koniciidjs 3:{*>} igne : ebd. ^30 H : OporU-t orgo, qund
Hplritu» ilfc ciiin utrtiqiic habet liffinitateni , cum unima rationali »ublilitatem
4>t agtlitntom . ctnn corpore c<»rpumtat«ni (mit C'od. Bern. 335). Vgl. Kog.
102. G7ß U.
') Nach laaak achlielU ttich dos Fhantaäticum, das Ntederaie an
der Seolf, mi( dnn Spirilu» rorporpua, mit di.'m Keinsl^ii iiri Icfii-pprlinhcii
Or;i;»nismu."4 ztisatiimen. Siehe (lnrüh<?r Witikt. Bintwicknliingsiuiang, S- 2**.
") Ol' peccat» uri^tii. III (Migiie IfiU, IÜH7 D) : Dicitur ergo indivi-
üüus hoino peräonu nun curporc, scd aniina: anima natnque corpus assumit
iii tMu persona, ut in uaa por^uiia duplex Mit aubatantia.
') Do tri«. III, lu (MtKne l'Mi, !»2l D|: Nlhilomiiiua Umea peraunali
proprietate ita iu uoum coiiiuneta mint, ut iu patieinlo vel cundetectando ue
^icani aeparari, sed neu aecerai puSHint.
UHl Alauns de tmolis.
wiM. Mil ti»*n lHv.piohnolen Theologen ist er der Meinung, daß
l.oil» Mud Stvie im Menschen durch die Einheit der Persönhch-
keil veriMinden st^iiM», wobei die beiden Bestandteile die Eigen-
tOndirhkeiten ihns Wist^is luiveriindert beibehalten *),
VeiVleichoii wir nunnielir die psychologischen Leliren on-
seitv^i Scholastikers mit der Psychologie des folgenden Jahr-
hunderts, so springt sowohl das Gemeinsame, als auch der Ab-
ritand beider unscliwer in die Augen. Dieselben Fragen, die
Kitdeilung der Seelenkrilfle und die Beschreibung ihrer einzelnen
Kunktionen, die Fragen nach dem Wesen, dem Ursprung, der
/nkuun iler Seele und ihrer Verbüidung mit dem Körper, bilden
auch sjHlter den Rahmen der psychologischen Erörterungen; aber
Jel/t wenlen sie sämtlich gelöst mit Zuhilfenahme des reichen
nriHlolelisfhen Materials. Während Alanus, wie wir gesehen
haben, noch nichts weiß von den Seelenleilen des Aristoteles,
von Hi'inen Argumenten für die Unkörperlichkeit, Geistigkeit und
t'itHlt>rlilichkeit des Nous, während er die Auffassung der Seele
alH F(U'm des Körpers abweist, werden im 13. Jahrhundert die
nrlHltilelischen Lehren über die betreffenden Punkte im vollen
Ihtiraiige lierungexogen. Kür die Lösung der alten, von der
rliriHllicIu'H Psychologie der Vor/eit überkommenen Aufgaben
und Probleme fanden sich bei Aristoteles neue und trefiliche
Mllte'l und Wege, welche umso freudiger begrüßt und acceptiert
wurileii, weil sie gerade die überlieferten psychologischen Funda-
nh'nlalh'liren fester und tiefer, als man es bisher vermochte, zu
begrOiidtMi schienen.
') C. H. III, 14, 414 b: Et uimt aniina rationalia et caro propter
iitiilatom penwnae unua oat hoinu , quamvis alterius naturae sit anima,
HJtflriua caro manento utraque natura personac conserratur unJtaa.
HflK> 1<^2* ^76 S • Personalis unio est, quae rem facit esse personam ; quae
in pura creatura attenditur , ut in puro homine ; ex eo enim, quod faomo fit
iinuin ex untone corporis et animae, incipit esse persona i. e. res per so una.
Vgl. Reg. 100, 075 A.
V. Alwclinilt. Throlojcio mter Lehre v(id der UolÜwit. 107
V. AbschniU.
Tlieolugie udor Lehre loii der Uoltlieil.
I. Be^veise für die Existenz Gottes.
Wir btiginiii'ii die Durslclliing ilrr Lt'hre des Alauns ril>er
Golt und sein Verhältnis zur \Velt mit der KröHoning der
Beweise für CJolIcs Existenz.
Si'il drn Tapt'H Ansolni's btüiinliW'n sieb die r^'hrer des
1:l*. JahrliundiTls, dlt? Kxislenz einoü liödistoti Wrsens dur/utlmn.
freilicli weniger auf dem We^e einer aprioriäelien, bejfriniiclu'n
Deduktion, wie diesAnselm in seineni berfihtnten ontoloKisc-hen
Art'Liniente ') wollte, uh vielmehr a posteriori, auf (Irnrid des
Kausiiliirilsge.sotzcs und drs toleologischt-n liedaiikeiiis von
dt-r WuUordnnng und Weltscliönheil. Auf diesen bt-ideii Momenten
ruhen die meisten der sehr verschietlen artig tbnnulierlen Ik'weis-
gänge jenes Srikidtims -).
Wii" Abarlard'^) und iV-lrus liUinbardus ^ von dem be-
kannten Diktuin des Apostels IVnhis ausgrlioiid, hrtracidet Ala-
nus de Insulis die sichtbare Sch/ii»f(mg als den Ausgangspunkt
des Ucweises ITir die Kxisten/. (Jotlps*). tilt'irb dem ii-i-stereu
lehrt er, daü die licidniscliefi fliilosoplien ans der (irölir der
Wi'ltilinge dif Macht (Julies, aus ibn-r Seli6tdii?it seine VVeisheil
imd aus ihrer Anordnmig dii; gottlirhe (Jrtte erkaiuit hätten '').
') Im Prualo^ium, nachdem er im Mutinlogiiim, sich vornelimiHli
Hn Aiiguatin kalknd . den aposteriorischen Wug gegangen war. Sielv
StöckI, Gwwh. d. Philos. d. MitteUHors. I, S. I51> ff. Vgl. aurh ß. AdU
liuch, Der GoUrslicwois des hl. Atmelin. im Philo8. .Talirbiit-h il. (_? örrcsgps. .
II. Vlll. 8. .V2 IT.. ;:572 ff.
^ Sieht' z. H. Wihu'hn von (.'wnuhcb (t'tem. philoa. 1; Mignt' UU,
1129 A H.). Vgl. dazu l'rtintl. (GeKch. d. Log., It. S. PJH). AhnoUrd
(expo8. in epist. I^nuli ad lioni. I: Mi($no 178, HII4 A). KiihcrtuH Pullu-s
(8enl. 1. 1: Mignc ISIJ, ti73 D ff.). Petrus Lumbardua (Sent. J, 3. n. 1 f.;
Migne lfJ2. h29f[.l Petrus Pictavientiiä (Senl 1,1: Migne2n, 7U1 A IT.).
Garneriua von Roche fort (laap. ihe«ph- symh. 1,1; cod. Troycs4.V% fol. lir ).
"O E.\p«s. Im cpitit. Pauli nd Hom. I (Migno 178, Sv^i C ff.).
') Sent. I, 3, n. 1 (Mignc 11)2, 520). Ebenso Potrua Pietaviensiit
iKid (iarneriiia von Kuchefurt an den u. 0.
'') C. U. I, 7, 3H U; lüxit enim Aptjstolus, quod p«r e« quae facta
sunt, inviaibilis dei cunspiciuntur a pbibaophia (KAm. ], 2U). Vgl Tho-
mas, H. theo]. I, q. 2, a. 2.
') Ehd. : ptir rerum niagiiitudinein intellcxeninl pbilotfophi dei poten-
{
108 AUnas de Insnlis.
Zur Bestätigung ciliert er eine Stelle aus dem platonischen
Tiuiaeus ') und eine andere aus der Goiisotatio des Boethius').
Alanus wälilt den kausalen Gedankengange um Gottes
Dasein zu beweisen, wobei es ihm den dualistischen Katharern
gegenüber vor allem darauf ankommt, auch die Einzigkeit des
höchsten Wesens, den Monotheismus, zu begründen.
Eine einfache Überlegung an der Hand des Kausalsalzes
führt ihn zunächst zur Annatime einer causa suprema. Kein
Ding in der Welt hat sich selbst zusammengesetzt oder das Sein
gegeben ^) ; nichts ist c-ausa seiner selbst *). Wir müssen also
eine aufier ihm liegende Ursache fordern. Die Reihe der Ur-
sachen kann aber keine unendliche sein. Es muß vielmehr eine
erste und oberste Ui*sache geben ^), welche wir Gott nennen *").
Die causa suprema ist aber eine einzige*). Der man i-
chüische Dualismus der Kalharer involviert einen begrifT-
lichen Widerspruch. Denn nimmt man als oberste Ursache ein
doppeltes Princip an, wie jene Häretiker thun, ein Princip des
Lichtes oder Gott, aus welchem die geistigen Wesen, die E^gel
und die Seelen, stammen sollen, und ein Princip der Finsternis
oder Lucifer, in welchem die materiellen Dinge ilu^n Grund
tiain , per rurum pulchritudinem eiusdem sapientiain , per earundem ordinein
divinam bonitAtem; vgl. Abaelard (expotj. in epist. Pauli ad Uom. I;
Migoe 178, 804 A) , Wilhelm von Concbea (elom. philos. I; MigDe !K),
1129 A ff.), der nur statt bonitas voluntas setzt, Hugo von St. Victor (de
sacram. 1, p. H, c. 28; Migne 17fj, 23U D) , Petrus Lombardas (Sent. 1,
3, n. 5; Migne l\i2, ÖäU).
') Ebd : Undo Plato (28 C) do doo loquena ait : (lenitorem universi-
iatis tarn inveniro difticile est quam invontum digne prufari.
^ Ebd.: Ho^tbius utiam in libro Consolationts (Ml, metr. tf, ed. Pei-
per, S. 70) ait:
0 qui perpctuH mundum ratione guttemas
Terrarum caelique sator.
^ A. f. I, 3, 599 A: Nihil seipsum composuit vel ad esae perduxit^
*) Ebd. I, 8, (iOO A : Nihil eRt causa sui.
^) Ebd. I, 9, fiUU A: Cuiuslibet inferioriM causac (statt esse; siehe
Baeumkcr, Philos. Jahrb. d. GArresges, H. VI, S. 168) est suprema causa.
Nullius enim rei causae in infinitum ascendunt.
'') Ebd. 1, 12, 600 B : Unde manifestum est unam tantom esse omniam
causam supremam, quam ratiocinandi gratia dietmua deum.
') Siehe die vorige Anm.
V. Ahwhnitt. The«>logif* uder Lebr« von d«r (jottlioit. t09
hätU'ii '), (Uinn fallen \mde unter den Binar und die Zalii. In-
folge dessen müssen sie enlwecier eine Verscliiedonheil begründen
oder selbst verschieden sein. Der ersture Fall karni nicht zu-
treÖ'en, denn keines von beiden ist als obH'slt* Ursatlie Proprietät
ü<ler Konn, in letzliTcm fallt* <lagegon infiüten sie mit Proprie-
lälHi oder Formen behaftet, <1. h. zusammengesetzt sein. Aber
dann lifitten sie noch eine Ursache über sich, wären also nicht
oberste Ursachen, was ihrem Bogriffe widerspricht *).
Noch auf anderem Wege, der mit ileni arislolelisclu-ii
Argntnenl au?; Her Bewegung *) eijn' aulTalleridf VerwandtschalT
besilzt. sm-htc Alanus denselben (Jegnern gi»genüt)er die Kinzig-
kt'ii fh-r obersten rrsaohi' darzutlinn. Die Wnlndernng uml Hc-
Wf'gujig in der W'dt fäfirt nändioli noUviMidig auf ein unvcrän-
ilcrlifh»*« und unbewi-gtes Prineip hin, auf einen unbewegten
Bmvi-ger, der allem die Bewegung giebt*), und da Veränderung
bei allen Kreaturen sich zrtgl, so nniü <'inf r-inzige luiveränder-
liche Ursache arigrnoinmen witiUmi. aus weicher die sjuiiLlichen
Dinge ihren Ursprung nelunen^).
*) t:. H. I, 2, 308 C: Prinripiiim lucis ilicunt e9ne deuin , a qiin Bunt
spiritualia , viJeliiet äiiimae eX aiigeli , princtptum Unebranitii Lucirerurn, a
quo sunt t^miHjriilia. Vgl. UariieriUH von Roi^hefort (Isag. thi^uph. sym-
bol. I. 1; cod. Troycs ihU, fol. 2v): Sed MflJiiclieuA . . . duo meutitur n>niin
prinripia t unuin lucitt, a «jm» omah spirituH, alternm Unckrarum , a quu
iiiniie corpus.
*) A. f. !. 12. fiOO BC.
=0 Phys. VIII, 5, 2ha B 4 ff. Metapliya. XII, ß, 1071 h H fT.
*) C. H. 1. 5, 311 A: Omne enim mnUilnlf inHJnuiit illiquid esse im-
mtiUtbile . nmiif mobite insinuat aliquid cm*« quiptiim ; elid. III, 4. 40^ C:
sicüt nb iinitiite inilivisibtil omni» iinicedit pturiilita», qtiac divisibilis est, itA
a Creatore invariabili oiiiiii> pro4-v(lit variabili'.
^) Kbd. I, 8, S15 H: fum omnrs rroaturu«' Mint tnutjibiles , op<»rt«t
utiHiii caiisAMi esae immiitabilcm . a qua omnia iiititiibilin prucudaiit. Vgl.
X'etrns I.onib. (Sent. I, :J, lt. 8: MifiiK» 19'2, .VJ9). — Den 43t'dftiikeu eines
unbewegten Bewegers uimiÄt AlunuH atia Bueihiua (Oona. IV, 6, ed.
Teiper, S. 108, v. 21 ff.»: Umniimi generatio renim cuiit-tiisque mut«biliuin
ualurnritin progrejisua et quidquid aliijiKi movi^tur modo, «aiiaun. ordineni. for-
tiia« fx divinai' inenti» Btahilitate aortitur. Vgl. Dist. 86'» A : Moviri jtroprie
diritur variari , tinde Floi'tliius (Coiisul. HI. metr. 9. «d. I'ciper. S. 70):
Stabiliaque niaiiens das cuncta moveri ; ebenso Reg. 7, 627 C; C. H. HI, 4,
405 C: AnticI. -i'M D: sine motu cunrt« giibemaiis .... sine pac« quietua.
— In UborraHchonder Weiae hatte dynsflbeii Begriff sclion am Anfang d**s
12. .Ifthrbundert» Adelard von llaHi in BF*im»n quaestione«) nattiraltta
V. Abschnitt. Tlioologie uder Lehre von der Itottheit. 111
auf (It'ii (^rtiutiL'Uäteii und wiehtigäten Inhalt drs (ilaubcns, auf
(las Truülälsdngma. auszudehnen. Dazu kam uljcr noch der
niäclilJK»' Impuls, welchen Augusliii durch soino hekannlen, an
li'w Drt-dnil von itunioria, irilrllrctiis niid anior') sich an-
leltnondiMi triiiitunsi-hcti Spi'kulalioiif-n auC die iiiitU'Jallrrlif'hrn Loii-
ror ausril>t<'. So sehen wir denn die hervorrngon<lslen Geister des
I:*, .lahrhunderls, einen Ansetm*), die beiden Vielnriner
Hugo*) iHid Iticimril *), Ahaclard ^), viel Milhe und Scharfsinn
nufwendi'd. um durch die Vernunfl aus g<'\viss*'n KrifcnLürnlieh-
keiten der Kescliöpfe di*- UreipersAnlii-hkcil ihres Urlu'beps zu
ersohlieüeu.
Wir werften es daher krinesweK^ aulTallind üiideu, wenn
nach Alauns ile Insulis die Tfudenx si-iiu-r Wir^iuiger vi'rfolKl,
dir eh'duktivr Mi'tliode aul" das Mysterium der Trinifät überträgt
und die Urript-rsnuhHiki-il Cultrs zu iksUaeieren unternimmt.
AiitT wie die vtirliin jfenantdrn Kthrf-r — mit eirizii^cr Ausnahme
Almelanrs*') — ihre Beweisluhruntt niehl als vüllgiitrjf und strin-
jfcnt ansahen in dem Sinne, daß das Dogrna der Tj'inität zur
streng bewoidbaren Veriunill\vahrln'i1 i,'<.'worden wÄre, so hült
auch Alauns seine ArgmutMib* uieht für voltkonmien ausreichend,
nni i'\u Wissen im ei^ndhelirn Sinne zu vcrmilteln '}. Zwar
sdie])h-t i-r die rationes deutlieh von dm simililudiiics "); alh-in
IT ncnnl doch wiedeinim die durrh jine Beweise gewoiuiene
') De trin. X, 12, n. 1» (t. 8, Migne 4*2, 084). Auf die Trias von
esHtt, noHsv, fliligere (ve)le) reciirriert or de civ. (tei XI, äG (t. 7, Migne 41,
^'^ü): cunfi^&g. Xtll, 11. n 12 (t 1. Mtgue 32, 849). Den l'jatonikern
^eHteht LT eine allcrJiiigA nur aolintteuhAftc Erkenntnis der TrinitAt zu (de
civ. (lei X, 'c9. t. l. Mipne 41. '^^)l ff.) und In ihn*« Blichera IjeIm; nr , we-
nigslena dem Sinne nach, («ine Keihe von Sätzen sus dem .lohannesuvaii^elium
(Juh. I, 1 tr.) fiber datt v«frbiim dei gelesen {(.'oiifesa. VII, ff, n. l:t; t. 1,
Migne 32, 740 fr.). Vgl. zur letzten Stelle Abaelard (tracT. de iiiii(ate et tri*
nilate divin«, ed. StOUIe, Preibiirg I. B. 1891, S. II IT.), Thomaa (S. tbeol.
1, q. 32, a. 1, ad 1), ferner Albertus Magnus (in I.Benl., d. 3, a. 18, ad 3).
*) Stöckl, Gesch. d. l^htioa. d. Mittelalt., I. S. 17:1 ft — *) Ebd., 8.
314 ff. — ■•) Ebd.. S. ä57 ff. — ■■) Ebd., .s. 22t> ft'.. 235 ff., 245 ff
") Siehe üh^r tUe ratlonalüitiMi'heii (Jedanküiigänge dieses Tbeologeu
bei Stnckl, «. a. 0., S. 22*1 ff.
') Siehe oben ä. 3ä.
*) C. H. lU* 3, 403 B: Qiiod uut^'in trea aint persoime divinne . . . .,
auctoritatibus et ralioaibiis et Biuillitudinibus variis yoteai oatendi.
112 Alanus de Insulis.
KrktMuitiiis (Mue inadilquate, eine bloQ bildliclio, spurenhafle, ein
Krkoiuu'ii im Spiogel um! im Rätsel »).
Wie formuliert nun im einzelnen unser Magister seine Beweise?
Wir lH'geg»on liier zunächst einer merkwürdigen und selt-
snnien Zahlenspekulalion, einem chrislUchen Pytliagoreis-
iniis, der in Thierry von Chartres einen Hauptvertrelor ^O'
(itiidrn haltt». Nat-h dem Vorgange dieses noch wenig bekann-
ten Srlioliistikers -) und anknüpfend an die Arithmetik des Boe-
lliius. OlMTtn'tjit Alanus die Eigentümlichkeiten der Ein-
wahl nnC die gAttliche unitas. Wie die Eins mit sich selbst
innlÜpli/.ierl wiederum eins ergieht. also sich selbst erzeugt, und
wir /wischen der erzeugenden und erzeugten Eins Gleichheil be-
slrlil •'), so erzeugt Gott wicilerum GoU. die göttliche Monas
wirdrr riiie Monas, der Vater den Sohn, und zwischen beiden
brHlrht vollendete Gh'iclih<'it, rbereinslimmung, ein Band wech-
selsi'itigrr hiebe, welches der heilige Geist genannt winl *).
') A. f. 1, 26, 605 b: Intuente» enim illoniin naturam ipaain in
uxitiiiplar 8ui auctoris proponimiu A per creaturam creatoris conteinplantes
naturam velut per speculum in aenigmate aubBtantiam diiudicantes per figu-
ram praedictam figuraliter intuemur. C\ H. 11 [, 4. 405 C: in proprietate
«•niiii unitatis quodammodo resultat vestigium trinitatis.
") Haur^au (Hist. de la philos. scol 1, S. ^92 fi.) ist unseres Wissens
di*r (einzige (ieschichtsclireiber, welcher dem Carnotenser Thierry einige
Aufmerksamkeit geschenkt bat. (Doch vgl. jetzt auch Erdmann, Orundriß
der (Jesch. d. Philos., 4. Aufl., Ikrlin 1896. Bd. I, S. 28d). Eine genauere
l'ntursuchung dieses Lehrers erscheint dringend geboten. Eine solche ist
i'rluichti^rt, seitdem Haureau von Tbierry'a Schrift de sex dierum ope-
ribus dati erste Buch verSff entlicht und Olerval in längerer AusfUhning auf
ddsaen «Heptateuchon* aufmerksam gemacht hat. Sie dürfte flbrigens zu
under«*n Resultaten führen, als Haureau fS. 400) sie gewonnen hat, der in
Tbierry's System einen unverbauten Spinozismus entdecken will. BezOg-
licb der Littera(ur siehe oben S. 8, Aum. 3.
") C. H. TU, 4, 405 C : ut apud arithmeticum legitur, unitas gignit ae
ipsam. Inter unttatem autem genitam et gignentem quaedam invenitar
aequalitas. Vgl. Reg. I, 628 D; 3. 624 C; Anticl. 515 A. Siehe BoSthius
de arithmetica II, 4 (ed. Friedlein, 8. 88, v. 2 AT.): Ita etiam ttnitas in se
ipaa mnitiplicata nihil procrent. Semel enim unum nihil aliud ex se gignit
quam ipsa est. Vgl. dazu Thierry von Chartres (Haureau, a. a. 0.,
S. 397, Anm. 1 ff.) : Generatio igitur numerorum ab aliis numeris secundum
arithroeticara multiplex et varia est ... . Unitas enim semol nihil aliud est
quam unitas .... Unitas enim per se nihil aliud gignere potest nisi eiosdem
unitatia aequalitateni.
*) C. H. ni, 4, 405 D: Deus enim gignit deuni .... iino genuit
V. Abschnitt. Theologie oder Lehre von der itottheit. IIa
Ein weiterer Gedankengang erinnert an Anselm, wenn
aus der ewijfen Weisheit Gottes das Verhältnis von Vater und
Sohn und aus der götllictien Lifhi* der lil. (teisf abgeleiteL
Wit.'diT i-iin.Ti anderen Charakter verrät i*in drittes, tiefsin-
niges ArKtimeiü, welches auf metapliysischer Basis ndiend von
«Ifii \Vest'iisti('stundl<4lt'ii (irr luutcrii'Meii Snhstun/. ausseid. T)ii>
gfrsehaffrm* Suhslaiiz rriordi-tl nfiiidich ut ihinii Bcstiirulr ilrci
unter sich vci-scliiedi-iiL* Priiicijiii-n, Materie, Form und ilire
werhselseiliKc V e r h i ii d u n g. Sie stellt also einen dreifachen
Effekl dar, repnlsentiert eine Dreiheit in der Einheil. Was aber
in der W'irku]!^ i-^l, inulj aneh iti der Ursaehe sein; niitl so wer-
den wir zum Schlüsse gedrängt, daÜ in der Ursaciie der Sub-
stanz, in einem und demselben Schöpfer, ein trinilarisclKs Ver-
lifdtnis obwalten, dati in der «^tUicben Einheil eine Dn^iheil sich
Hilden infiüs)', ilie Dreiheil von Valer, Sohn und tleist-): und
zwar deuti4 die Materie auf den Valer^ *lie jener eiiiKeboreue
form auf4len Sohn und die Verbindun;^ benler auf den lil. (leisf).
Es h'ilJt sieh wolil mil (irnml vennuleit*), aber iiielil mit
iilum, qui est idem dcns cum gigneu6t>, t>t est Um perrectn B(>qualitiU! gignentis
et gcniti aive couvonieiiU« twa coiinexu» . (|iii dicitur äpiritos sanctua. Vgl.
lieg. 1, fl2a I); 8, fi24 CD. — «iehe Thterrj von Thartres (Haur^au,
a. a. O., 8. ^98): ad deeixiiiiiitlnrti haH proprietateä, qua» nimt uiiitatia «t
Hc(|ua1itRtia. uetürna in deitate divini philusupki vocahuluni peniünaa appu-
ttu«nmt.
') C. H. m, 4, 405 D ff. VkI. Stflckl, a. a. O.. ö. 173 ff.
*) A". f. I. 24, ftO^i li H". : Materia i»t forma carumque rompago Ina
prorana diversa sunt, quae in ruiuslibet subalantiaf croatinne priiicipalitor ex-
iguntur. Unde utaiiirt-ettom eat, quud in una eadenique cri*atioue substantiae
trinUH ßffeciiift (nach Coii. [•uriä. *l5ti9, s. XIII, fol. ITjO, welcher nt-bst t-iiier
Reihe nndi^rer CoUici« die von Bat- um kor. Phdos. Jalirb. d. Ciürrosgfs ,
B. VI, .S. 169 gej5fU'nt! Korrektur und dcsMon hcaliglich d*-» una eadenique
Auageaprochene Vermutung bestätigt) in uno eodeinque rreutore trinilateni
esae conviucit. Kt haec trinitAS trea peraonae dunintur, prtma patf-r, »ocunda
filiua, teriia Hpiritua aanctua. Vgl. ebd. I, fi. 599 D.
") A. f. I, 2ö, ti03 CD: Licet in cuiuslibet Istatt qualibet) sabstantiae
creatione materiam patri, foriDain tiliu , compoättionem upiritui aancto iKis&it
congnius ordo dostinare. Vgl. ebd. l. 2(», (iü4 A. Siebe üben S. 71.
') Alauua kenut und benutzt wenig»tena, wie ea scheint, dca Du-
minicna (jundiaalvi Schrift de unitat«. Siebe darüber unten Ü. 124,
Anm. &, S, IS4. .\nm. 2.
Beitrag« II. 1. BnauignrtDer, Alnnaii d« lovialia. 8
114
AlniiUH ilo [ti.sulia.
voller bcülimmlhüit bi.-liaup(oTi, dalä Alanus die Annirung zu
diesem letzten Bewpisverr;ilireii von Doiniuicus (tunilisaivi
empfanden lialH.'. Wenigstens Icill iler letxtere, wie unser Lehrer,
die KrsclialTrinj^' il<'r MuliTJc i\vu\ Vator, jene iler Form dem
Sohne ntiil die ViTliinduiix lieider dr-ni lil. (leiste zu *). Aui-Ii
nach Tiüerry von Chartres eignet tUe ErschafTunjr diT Malerie
dein Vater, die Komiierunjr dem Solin, die Liebe und L4Mtunfr
der fdnnii'Hen Dinjje deiti lil. (Jeisl •).
Der Insiilenser hat aber nicht bloü silbst ratiorn-Ue Bt-weise
für das Tiinitrilsdo^mu wnlKc^^lelll, er ist niU Abaelurd aurli der
Meinnn^s dalj newisso Philosopln-n. j.'eslülzt auf die Krall ihrer
Vennnill. zur Erkenntnis der Triniläl grlan^il seien-'). Er nenni
den sehon von Aut?ustin^), allerdin^fs in einem andern Zusani-
menhiuige, oft hernnge/oiienen Philosophen Mrrrurius oder
Hermes TrismeK'*^' ">= m"! beruft sidi auf ehn' Sielb' aus dem
Asciepins, als dessen Verlasser dei- eben genannle Merrurius
gilt'')- Alanus eitiert aber noeh eine weiten:' Sobrifl dos fjlei-
') De pmcea^iaui* niunili (cd. Mcncndoü-l'elAyo, Hi^itorin do lus
llttturodüXMfl R«(pai1(ileH, H. 1, Madrid 1H80, ii. TOH): Qiinmvia jmt«m indivi*
sibilia sint opcrn ineiitis, tarnen cri^atio maleriHe, ex qiiB omnig , putciitiac,
creatio vero forniJiu, piT (jiiarn imiiiiA , saitientlao, cnniitnctio vt>r<> utriusqiie
coiinexioni congrue attribuitiir. Siehe Baeiiniker, f'hilos. Jahrb. d. Gürre«-
geH., K. VI, S. 427, Ami). 1. — (iitndJHuIvi weicht nur intfofem vüii A)h-
nuH üb, atä er Htatt der Naiiieii iler drei Personen dt« üinen appropriiertj^n
Attribute setzt (vgl. nbrigensKeg. ^7, Hö4 ß). Im 13. Jahrhundert witHJerhult den
gleichen Gedanken Wilhelm von Auvergne (de trin. o. 25; opp.omn., ed.
Orleans ](i74, (. II, S. 31, col.2): Inmateria vero et fonna. et (statt ex) eodent
Miuluu (^'oniplexu el aiuore lucidissimum est (rinilulis exeinplum . poliasimurn
auteni cum mattifeftlutn fuerir, Iria ha»c iinuin «•agt* secuiidum easenfiain.
^ Haureau, Noliri-a et rxlruils, T. I, Paris IKflU, S. 53: In maleriA
igitur . . . operalur summa trinitoa. ipsaiu mntcnam croando in hoc quod est
efliciens causa, creulum infonnjtiidu et disponendo in eo quud est fonnalis
fftusa , infurmHlam et diäpoairam diligondo et guberiiandn jn eo quvd t'^\
fliialis rauaa; nam Täter est elticiens causa, Ftlius formalifl, Spirittu äaiirtu«
fiiialin. .\hnlieli hlBL aich Honorius von Aulun (iu HexaSm. I; Migue
172, 204 C) vurlaiiti-n : Dvo pairi iiacriliitur mnndi creatio , 61i<i rerum diji-
positiu, Hpiritui Han''t<f omiiium viviticjitio vel ornatio.
*} Senlentiao 244 A : Quidam nanique philosuphi nainrulit«r ductii rm-
tionis comprohenderunt patris sapiontiam vt ita verbum, et multa de eo prae-
djxerunt. Vgl, Abaclard (introil. nd thfol. I, 15; Mignc 178, 1009 t').
Siehe iStAekl, a. a. 0., 1, S. 243 ff.
*) De civ. dei VIll, c. 23-27.
'-J L'. U. III. 3, 404 D: Kt Mereiirius philoHupliiis in AaeU'pi ^
(Cod. (leru, 3S6 hat A&cJepia) ait : Ueua aeteruua facit deus aut^rnoa (C«
I
-t
V. Abschnitt. Tfaeologi« oder Lehre von der Oottheit. 115
chen Autors, welcho or in Cbereinslimmung mit Abnelard untor
dem Titel Logoslileos i. e. vcrbiim perfectum einPöhrt ^).
Beide Scholastiker nehmen das Citat aus Pseudo-Augustinus
contra quinqui- haereses^. In letzter Instanz Irnifl es frei-
lich* wovon über wi-der Alanus noch Abailard eine Ahnung
hatte, auf den Asclepius*) zurfick, der von Psendo-Augu-
slinus unter dem Titel Utyos riXetoi durdi Vermittlung des
Lactantius benut/.t wurde*).
liorn. hat focit). Vgl. .'Vpulei A^clepiiis (c. 23, cJ. ^uldl>ai-her. S. 46,
r. lU ff.) : ut sictiti pater ac ilumintis , ut &ui siniilt-s uüsent. deos fecit aeter-
DOH , ita LuniHiiitfts d^oa suos ex sui miUus similituditiu flgunirci. Siehe
AugUBliiius (de civ. dct Vll!, 23 ; M i gn n 41. 247).
') C. H. 111. 3, 404 !> : Idtmi MoreuriuH in Ijhro, qui itiscrihitiir I.o-
gustilcoa id est Vt'rliuvK p&rfi'ctuni , iiJt : Dcun suiiinuis Mi-rtinduin Tecit
dcura et eum dilexlt tAniquikiii filiiim siium iiiiig«tiituni vucavitquo euiu Hliain
hettt>dtc(ionifi (Cod. Treoensts 959, 8. XHI hat genenitionis) aeternne. Vgl.
Sentt-iiUae 244 A.
') Abaelurd beriirt sich ausürUrklicii uiil die paeudü-auguatinisch«
Quf>11(> (ititrod. iid theul. I, l'i ; Migrie 178, 1009 CD): PrimiiH autem nunc
ille iLnti(|uiaeiii)UB idiiloßnphornm et magni nnniinis ut-cunat Mercurtus . . .
i'uitiH ([iiidcm t^&tiiDonmin de generatione verlti Auguntiims coutm quinqiie
hni-rcacH diaptitanct inducit dicens: nun folgt wörtlich die Stelle. — 8iclie
Pseudo-AiiguHt iiMia (c. quiiiquo haereaea; Maur. 8, App. p. 8 C fT. ;
Migne 42. 1102 It): Hermps, qui latine Merruriua dicitur, scripait li-
hnim , qui Aflj^c tiXntK apiivllntiir i. c. vt>rbuni perfoctiiin .... Audianuia
quid loquatur Merctirius de vprbo perfecto : Dominus, Inquit , et oirmium
foctor di'oruni , secuudmn fecit doniinam .... (^uaniani ergo liuiiu fth-it
primuiii et t^oluin ei uauni : buaus aut^iin <*t viaua est et pleiiiasiniuü i>miiium
bonorum . . . ., laetatus est et valde dilexib tamquam iinigenituin suum ....
Item all» loco sie dixit : FUiua henedicti dei atquo boiiae voluntali» . cuius
nomeii non poteat humauo ore iiarrari,
') Apulei Aselcpius c. 8, ed. Goldbacher, S. 33. v. Ut IT. Tgl.
dazu fi. r*artbey. Hernietis Trisiiiegiati I'oeinandi>r , Berlin \>^hA, c. 1,
8. 6. Siehe auch J. Berniij«. Ober den unter d^-n Werken des Apulejus
fitehenden liennetiHcben Diutog AMeli'iiiu» in : M<»nab(bi>rirlite il. k. .Akad. der
WiöMenscIi., Herlin 1871, .S. 5Ü0 ff.
hactantiuB hatte mit den einftlhrenden Worten: .Hermes in co
libru, qui loyiK ttim^ inacribttur. bis uaus ent verbis" die Stelle dra griechi-
fw!hen Originnla in seine divinau inittitutiones {]V, B. 7, ed. S. Brandt,
Wien IfiflO, ('nrptH scriptfiruni ecele«ia»tii'itnini latiwirmn vol. XIX, S. 2Hfi ff.,
S92 ffl) aufgenommen, wonaeli pHeudo-.\ugti«^tinua aetue lateiniHche Wr-
aiou anfertigte, — Auch spfiter noch, im 9. Jahrhundert, hat Seduliaa
Scutua die gleidie Stelle aus Lactanz beransgohobea und eine lateinische
Übersetzung beigefügt (siebe Moutfaucon, Palaeogrnphia graera , Paris
1708, S. 285, 243 C und bactanlius, ed, Brandt. S. 287 ff.).
8 •
116
AIajius <le Insulis.
Die Thatsaehe, daü keinor der beiden mitlclalterlichen
Lehrer aus der herinettsclieii Quelle selbst schöpfte, macht es
erkirirlkli, dati ein Bucli, ilesseii Inhalt, im (ieisle des späteren
Plalonisnius Kf'li^'lteti, mit der christlichen Trinitätslehre gera-
dezu im WidiTsprurlie sieht, in dio trinitarischen Spekulationen
der Ktulistliolaslik hineingezogen vvrrdvn konnte. Ofleribar trug
ilinn Teil da/.n bei die venneinlliehe Anloritrjt August in's,
unter dessen Namen die Pseudonyme Schrifl gin^, naelidt-iu der
ursprüngliche Sinn des IiiTruelischen Originals von dem elirist-
lichen Verfasser im chrisUichen Geiste ntngeileutet war. Wflhreml
nfnnlieh im Aselei>ins unter dem ^secundus dous", welchen der
oborstu (iotl gemacht und als seinen eigenon Sohn gelifbl hat, die
sinnen fA lüge Welt verstanden wird, versteht darnnler I'seudo-Au-
(justinus die zweite Person der Trinitfd. Wenn »fecif stall
des „genuit" stehen blieb, so half darüber eine wohlwollende
Inti^rpretation hinweg. Alanus sieht durin lediglieh i'ini' l/n-
korrektheit des Ausdrucks;, einen ^lapsus sernloni^*' ').
Auücr dem Philosophen Merenrius weilä unser Magister
noch ein weiteres philosophisches Zeugnis für die Trinilät anzu-
fßhren, iliis er dem iTsten von seiiu'n oben crwähtilen Argu-
menten anfingt mit den Worten: Unde et philosophus ait:
Monas gignit monadem et in se suum relleetit ardorent -), wäh-
rend er dies(>Ibe Formel t)ereits früher ohtn' irgend welclje Be-
merkung unter seine Iheülogisehen R<'geln oder Axiome auf-
genommen und im Anschluß daran die Dreipersönliclikeil (lolte»
entwickelt halte*'). Das einem Philosophen in den Mund gelegte
Diktum winl nicht bloß von seinen nächsten Nachfolgern, wie
von Garnerius von Hocheforl in seinein Traktat gegen die
Amalricianer *) und von dem Verfasser lier iiTtümlich Alanus
') C. H. lil, 3, 404 D: ,Fecit* auteni po&uit pro »genuit*. dum Inpsiui
Bennone ait: fecJt deos avtemos. Vgl. ALaelard lintrod. &d tlie<*l: 1, IQ;
Mignv 17H. 1012 A).
*) C. H. III, 4, 40.J T» i-'od. Bern. 330 hut reflwtit statt reflexit bei
M i g D e. Der im Migtie'Bclion Tt-xt eiogeklammertti Autoniume •Mei-L-uriua
TrismegistuB' findet sich id keiner mir bekannt gewordooen Haiid»»chrifl,
■') Keg. 8, 624 f ff.
*) Ed. Uaeumker (Jahrb. f. fhilos. u. spekut. Tbeologie. ü. VH, 189S,
d. 399): tliuc alanus in maxiiiits Ibeologie: Monas etc.
V. Abschoitt. TheolojRic oder Lehre von der Gottheit.
117
xriget-eiHeii Srlirifl ^{U? iiilolligciitiis*' '), aufpcgritfon, auch die
großen SolioUistiktT des IM. Jahrhunderts, ein Alexander von
Haies, Albertus Ma(?nus, Thomas von Aquin, setzten sieh
mit ihm auseinander. Freilich ist die Stethiiijfiiahini' di^'ser letz-
teren i'iiic giliizlii'!! verändiTle. Sit* sehen iti ihm iiieht uiehr
das Resultat philosophischen Nachdenkens, ein Zeugnis der hloföen
Vermmd, sondern sind, wie Ali'xarider von Hale«^), der Mel-
ntuit', der Satz sei aus der OfTeiibarunfr geschöpft. AJhert und
Tlirjiiias leugnt'ii überhaupt, dali sich sein Inhalt auf die Tri-
nitäl beziehe, und deuten ihn auf die Erst hafTung einer einzigen
Welt und auf das Motiv <ler WeltschüpCuiig, auf die Liebe Gottes
zu sieh seihst ■').
Woher mag nun jene Sentenz stammen, welche di(! ^üJclio-
lastiker so vieiraeh beschättigte und eine so vei-schiedenartige
Beurteilung erfuhr?
Eine völlig unangrein)are Antwort \iiüi sich hitrauf ntchl
geben. In ihrem ersten Teile, welcher von der Kr/euguiig des
Sohnes aus dem Vater liandell, reicht die Tliese zurück bis auf
(Vw. thet^logiselien Kämpfe mit (hm Ariancm. Wenigstens ge-
braucht Vigilius Tapscnsis bereits die Wendung: nionas mo-
mtdeni genuil'). Älanus Ireiüch hat sie nicht aus dieser ent-
*) über Fsendo-AIftnuB ile int^Uigentiia siebe Baeumker, [*hilos.
Jahrb. d. OSrresgus. , B. VII , 8. 169 ff. Dm Citat aua den .Rotfulae' iles
AlanuH S. 171: Umle rcgiilH initgistri nlanl: Moniut etc.
'■') Sam. p. I, q. 2, a. *i, a<l U : DicciiHiim , qiiod et«i Trismegistiis in-
tell{?.Tit propriu pcrAtmantm , cum dizit: Monas etc., boc tarnen non babuit
per naturnlom rationem, scd por doctrinaiu vel inspiratiunem.
") Albertus Magn. {in 1. Senf., d. 3, a. \X, ad 4): si Umn.-u philv
Bopliuit fuit ante irirarnatiunt'in i^l itoii didicit in librin vutens testametiti nee
por rfVftlatiiiimni , tunr diro ^ quod lofjuitiir ile Unit deo generante i. e. pri»-
ducent« suuin iiitolln'tuin in mundo et omuia qiiH>B fecit diügente proptt>r m
ipsum. Vgl. in I. p. äum. tbcoJ. . traut. 3, q. 13, Dwmbr. 3, ad 7. — Tho-
maa de Aqoino (S. theol. I, q. 32, a. 1, ad 1): Quod vem Trismegistoa
dixit, monas etc. , non est reforeDdum ad geDerationem filii \'el priK^easioneni
HpiritiiH snnr.ti, sed ad productionem mnndi. Nam uniis deus produxit unum
mundum propter sni ip«iu» nniurem.
') Contra Kelicianum .Arianum de anitate trinitatis fOpp. Aagustioi
tom. f*, app. c. II ; Migtio 42, 11H5); nw tunc coepisse caniem , cum inaf.
fiihili quodani partu nionai} illa sine int«rcapediiie inedü [empona in nullo
diffenMjtrn> inonadem, niai quod monaa ducctur esac, genuit. Der andore Teil
entslammt offenbar den spüteron Spokatationen Dber die Person des hl. Geistes,
(
\\f*
Alanofl de Insulis.
Jejjcnen Out?'l<' ciiUfhnt, in welcher sie zudem noch nicht voll-
stünilip formuliert war. Schi* wahrscheinlich enlnimml er sie
riehen einem zweiten seinen Rejreln einverleibten Satz ') dem so-
pi'naiinl**n liber llernielii;, lihrr Termegisli -), einem uhson-
derlichen Miuhwerk, in welchem 54 Philosophen eben sovielo
Definitionen über Gott aufstellen. Denifle^ weldier diese zuerst
veröfTenlliclite^, will allerdings diu Abfassung dic^sos Sunnnel-
suriums ins I i. Jalirhnndeit verleben. Allein schon im 13. kann
mit Sicherheit seine hundsihrillliclie Existenz nachgewiesen wer-
den *). Dazu kommt, dalä die vorhin angeltihrten Scliolastiker*),
denen sich noch Üonavenlura '•) heipesellt. einstimmip den frag-
lichen Salz «lern Trismegistus zusehreiben. Wenn Albert
einen liher Hermeiis für eine Fiktion hfdt. so zeigt uns dessen
Kritik nur, dais man zu seiner Zeit wirklich tou einem solchen
') Reg. 7, 627 A : Deaa eet spbaerA inteUigibilis, caios ccntrum ubique,
circuinrorentia niiaqiiatn.
') Cod. Pari».. biW. nat., H819, s. XIV. Aufsclirifl Utl 200*a: lAher
Uermetts. .Subsfiiptio fol. 2U8''a: expUcit libor t«rmogiati de rogiilis iheo-
logie cum commento catcidii amon iit pnto. — Clod. Vatican. 3000. «. XIV
(1315), fol. 32rb: Incipit Iiher dt- propositionihiis sivo de regalis tlicolngje,
qui «lioitur termegiäti philosophiG-c. (vielleicht eine Abkürzung fflr (Jilbvrti
cmnmentuiii) dicilur iJem termegisti et hemies ot Mercurius. Der .Salz: Min-
nas gignit etc. und der andere: Deiia est sphaera elc Itildcn die beiden ersten
D(tfluitioncn Aca liber Hermetia. Aucb Cod. Paris., bibl. tiat., H^Sti, & XIV.
fol. 21»'— 21v enlhÄlt die Sülze, doch ohne den l'onimentar.
'*) Nach dem Erfurter Cod. Amploiiianus 4", n. Ihl, s. XIV, fol. 22 " Im Ar-
chiv f. Litteraltir und Kircbpiigesch. J. Millelallers, B. II, ä.427ir Deaiflu
kannte weder die von nns in Paris und Roni uufgcfiin denen Codices, nocli
die gleich xti orwälinendi' IlaiidHchrift von Luun n. 411), auf welche hereilti
Itaeiimker (Philo». Jahrb. d. (JOrresge»., H. VI, 8. lf>4, 428) aufmerksam
gemacht bat.
*) Cod. Laadunonsia n, 412, s. XIII (Uitto dus 13. Jahrb., fraaziVaischu
Schrift), foL Ü2^b'D3vb. Die Handscbrifl uaterlAüt es, einen Verfasser
zu benennen.
») Siehe S. 117. Awa. 2 u. .'i.
") In 1. Seilt., d. d7. p. I, 8.1, q. 1, ad 3 (ed. IJuaracdii, 1. 3.639): Ulti-
que enim est centrum ilHujit potentiae , sicnt dicit Trinniegistua. Bona-
Tenttira beruft atob also unter Nennung düs TriBmcgistus auf einen Teil der
zweiteu Dütiiiiiiau doä liber ncrmeti.s: Deuä est splmera inßnita, cuius centnini
e«t nbique , cirtiimferentia nuaqunin , wylclie mit einer kleinen .\iiderung
(Htatt inliniUi »etzi A lanii» inUdligibtÜHl ala Kc^i;;. 7 bei dem Inaulenaer
üU'hi, Die ganze Dotinition , aber ohne Angabo ihre» Aut^irs , giebt Bonn-
Ventura in: Itin. uicnt. in doum c. ■>, n. U, t. V, 8. 311), cul. a.
V. Abschnitt. Theologie oder Lehre vun der Uotthett. 119
Über Spruch')' ^<~'i' In halt des Buclies, sowohl tlt-r ninzchif^n
Dt'firntioricii uls dt-s bfipflnplcn Koninu-iitars, und die schlimme
tt'xtliclir Hi*scli:irrriih('iL sr]|)sl der Irülii-slen uns bckantilcn
Haiiilsi-hfitl Wfist (la:>rfi-lije aber noch writcr, in \\ns l:f. Jalirliunilfrt,
üiinirk. Dafe es speriell unsenn Alanus vorlag, das dOrfrn wir,
^Haiihr ii-h, aus der Arl i-rschlieUen, wie der Scholastiker die tu
Fraise slelietule Seriterty. cilicrl, wenn er sie ansdrneklirli eitdOhrt:
un<U' et j>hilosophus ait. Er hält den rein Lhenlopiselien .Satz,
wylrhor mit der Philosophie nicht mehr fietnein liat als das ur-
') Tn f. Sent., d. 8. n. IH , ad 4: Ad a\\\u\ tlJreiKltim . qund iiparjo,
quis fqit late Trisiiiegiätus, vi crcdo, qiiuJ Über cunfictuH est;
oinniH enim, qunt* dicitiir dixisse Tri.si)it*gisiu.s, iiivtini in iiuu-
dant libro magistri Alani, qtii nonfßctuä ent At^ quibusdam pru-
pubitionibus genemlibns et sapponitur commentum carnndcm;
V|l;1. in I. p. Summ theol.. iract. XU. q. 13, menibr. 3, nd 7. — Albert hat
demnach UDaeiD libL^r Hcrmetis .sicher nirht zu Gesicht bekommen . ebenao
wcnijU aber nuch dir HaloriMer und Thomüs vi>ii Aqiiin, denn sie hAtten
B<)fi>rt den ('hartikt«r dieaus Kjabnrittf!« t^rki-niii'n niris.<i(>n. Diili sie aber das
IMktum Muiiati etc. nicht lediglich an» Alnnn.s kannten, geht schon daraus
hervor, daß Rte hartnückig an der Autorschaft dos i*hilosophen Trismegi*
8t US festhielten. Der Satx riebst seinem pstMidtinymon Urhobtr war offenbar,
wie auch Albertus (in l. p. biim. thüol, tract. Ml, q. IH, niembr. 8, ad 7:
Dicunt dixisMt Trismegtatum Mercurinm) aiiileutet, 4chon länger Mchulmtifiig
ÖberNefert wonltMi, und s» konnte er sehr wolil ni-sprünglieh aus dem falschen
hermetischen Über gefloäsäii sein, ohne daJj diü&er selbst seiner sonstigen
fiedeutungalusigkeit wegen den späteren großen Scholastikern unter die IlAnde
kam. — Ein GlcicheB gilt heztlgUch des Satzes deuä est sphaera etc.. wel-
cher au&er von Bonaventura auch von Alexander Halon^is (Sum. p. I,
q. 7. m. 1 : propter qnad dicit trimegistn«: deiiu est sphaera InMtigibilis
etc.) dem Trismegistiis zugeteilt wird, obgleich beide Kelirer, »i> gnt wie Al-
bertus Magnus, di« Regeln de» Alanus kannten, wie mannigfache An-
klinge HU die von dem lusulenscr jonom Satxe heigeguboncn ErlUuteniDgen
insbesondere bei Bonaventura {l^itacat. disput., q. 5, a. 1, ad 7 u. S, ed.
ijnoracchi, t V, S M\, eol. b ; Itin. n.entis in deum, c. 6, n. 2, t. V, S. :ilO.
col. b; in Hexaßmeron , eollat. 6, n. H, t. V, S. 382, col. a) erkennen lassen.
Allerdings bezeichnet Cod. Turonensi« 247, m. X[II. fol. 485 die Regula« dea
Magister Alanus ttellist ate .Ltber Mercurii de cbdomadibus i. e. de
dignitatibu« theologie cnra comment« Porretani". Allein es ist völlig au»>
geachlopscn . daß Mßnner , wie Alexander und BouavRntura, ein rein
theoUiginches Werk . deaeten Abfassungszeit sie selbst überdiex niolit allzu
ferne standen und des.sen Vorfu-^ser ihr Zeitgenosse Albert ganz richtig an-
giebt , mit item Namen de« nnch mittelaHjTlrcher Kctmtnis bis ina mytholo-
giMche Altertum zurückreichenden Fhiloisophen ftlercurius bfttten in VerbiiK
düng bringen können.
»0
AInniis dfl Itmulis.
spriiiiglicli dem Neupythagoreisinus cnUehnlp Wort «monas*,
ITirclas Diktum ciiifs riidil writtTbrzok'hm'leii Philosophen, genau
so, wie es der liber Hermelis Uiul. SoluiiKf nuii der Narh-
weis fe(tIL, ilali iiusere These auch iukKtswo^ iihgeseiicn von dem
genuimtrii über'), einem Philosojthen in ileri Mund jicelegi wird,
IJllit sicli kein Grund angeben, da& Alanus sie nicht dieser Quelle
selbst entnommen fuibe.
Di)^ autorilalive Beweisfühmnik' unseres Magisters für die
Trinilät leiih'l, wie wir sehen, an einem sonderlmren MiUgoschick.
Die sämllieheri Aussprüche, welche er als solche von Philoso-
phen aussiebt, sind theolopische Gedank^'n, welche, wie die bei-
den ersten, uiiler deni Namen Mercurius angeh"ihrlen Sätze, durch
ein scilsaines Mißvei-ständnis in eine ursprünglich spätplaioni-
sche Quelle Jn den A sei epius, hineingelesen worden, wälircnd die
zuletzt behandelte Proposilion wohl iM'Züglich des Ausdnieks nio-
nas Anklünjje an den Neupylhagoreisn)us aufweist, im iü)rigen
aber völlig willkürlich eiiH-ni Philosophen untergeschoben ist
3, Erkennbarkeit des göttlichen Wesens.
IlandeUe es sich im Bisherigen um die Beweise für die
Existenz Gottes und um jene h"ir si-inc nreipersönlicbkeil, so ent-
steht nunineUr die Frstge, inwieweit und wie die Vernunft die
Wesenheit Gottes zu erkennen vennöge.
Alanus hält sich hier an die AutoriUl desBoPthius und des
Pseudo-Üionysius. Er erklärt eine adäquate Erkenntnis des
göttliclien Wesens für urniioglich. Gottes Wesen gegonfd^er ver-
sagen die beiden Erkennt nisqnetlen der Sinne und des Intellekts.
Gott kann durch den Sinn nicht erkannt werden, weil er un-
') Die Herausgeber der neuesten rtimischen Hiomw^AaeigaW (S. theol.
I, q. Ü2, a. 1, «d 1) wollen dsui Citat im ]'o»iit»nc)f>r c. 4 geg. Schlaß
(ft, F'arthey, Uennetifl 'JViamegiHli roeniftinlpr , Horlin 1H54, S SO ff.) ent-
deckt liAbeii. Älleiu der frAji;liGhe Satz findet sich weder wörtlich, noch dem
Sinne nach au der betreffenden Stelle. Von einem trinitari sehen Verhältnis
innerhalb der Gottheit ist dort überhaupt nicht die Rede. Ea wird lediglich
das VerhAttniB Gottes zu den Dingen verglichen mit jenem der ouitas xnr
Zahlenreihe, »wilgungen, die auch Pseudn-Dionyaiua nbennittelt (de dir.
Dem. c. 5, ed. KIosh, Migne 122, 1449 A ff.), und welche Alanus an Bo€-
tbius Aritbmelik anknüpft. Siehe spttter S. \2b, Anm. ä.
V. Ahschnitt. Theologie oder Lehre von der Gottheit. 121
körjjprKcli i^^t, und er Idrilit (Tir lien Inlrllckl imfatiliar, weil
er eine absolut t'jiifuclif, fontilosi' Subslanz isl '},
Docfi pclinfTt. ('S rli-m iiK^risi-hlk-hen VtTslatifl, in fr^wisser
Weise uinI im uiu-ij^eiillifln.-ii yhin sich eiiu* lCrk(.imtnis des
gölUiihen Wesens zu vei-si'hanV'ri ^, welche IreiMcli ihre sicherste
Ciewähr wiedermn im Glauben hat. Uvr hierbei einzuschlaj^ende
Weg ist ein niehrlacher '').
Was wir uii Vollkoriiineiiheilon in den gGSohaffenen Dingen
wahrnehmen, das imiJä sieh aneh in (lott als ihrer Ursache fin-
den '), und zwar im höehsleti Maße, in hwlisler Potenz, da es
in ihm keine Unvollkoinmeiilieit und keinen Defekt pehen kann %
Auf dem bezeidmeteii Wefre (per tausam. eausalivc)
erkennen wir die göttliche Allniaeht, Güte, Liehe u. s. w. ").
WVilerhin slehert uns Analogien, fileielinisse zu Gehole,
Wir vermögen Gott zu ileiiken oder vor/nsteJIcn per siniililii-
dineni, siniililudinarie^ unterr dem Bilde des Lietites, der
Quelle u. s. w. ').
') Reg. 3ti, 638 B : Onmis cnim demonstratio aut est ud BenHum «ut
«d intelk>ctuiii. Deus atitem nee sci»i], quin incorpareuB , nev intvUectu, quia
fariiiH carot, CDiiiprehtüidi potest . . . cum in deo nulla runna ait. proprio in-
t^-Ileotu rapi imo pctesf. Vgl. A. f. I. Ifi, H, «Ol IJ IT.; Cod. Lilienf. 144,
fo). 118 cb, Keg. 11: Diriun eiiiui ewentia difliiiiri non pot«st.
'] A. f. I, 20. 602 D : Ctmt ergo ratiuctnandi causa de deo nomina
noininihiifl copulamus, nihil, (jikuI nun alt eiu» e»»L>ntiiL , praedicHtiiiiH , ut »ic
transaumptis nominibus de deo, qiiod rrcdimns, licet iinproprie balbniimus
(die Korrektur siehe bei Kaeuinker, l'liiloB. Jahrb. d. (iörresges, , B, VI,
.S. 16(1). Vgl. ebd. I, 17. ßOl C; AnticI. 631 C; Reg. 20, 630 D: omrve no-
mi>n, qufld de deo dicittir, inipropric- dteitur.
") Heg. 21, f>.tl .\ : Omne nonicn deo convenieiiH conventt ei vel cau-
aative. vel similitudinario, vel adiuuctive («tjitt adieclive) , vcl
negative.
*) A. f. 1, lU. tl02 B: t^iiao in rerum croalione e*. dtspositiono com.
niendabilia contenipUniur, per effecluni et caiiHam attribuuittiir rrontitri. Vgl.
Keg. 21, 681 A : 3!), t)37 B.
'') A, f. It, l. fiOn U: Ergo nulla est impotentia in eo (Ober im-
{Mitentin, daa auch in anderen Handschriften steht, siehe HaL'umker, Philos.
.li|hrb. d. (TÖrresgcs.. B. VI. S. 170), ergo nullus defeetu» : ebd. I, 3, 605 C:
Krgo c'haritas et quaelibet virtas summa est in eo. Vgl. Reg. 33, 637 B.
Siehe Thomas, S. theol. I, q. 13, a. 1, ad c.
•^ A. 1. I. 19. 602 B ff.
^ A. f. I, 19, 602 B: Pftn-n etiam notta eimilituiHnibus dicitur !ux^
fons, oriens, lunien, vit«, videns, currens tbezüglich des letztem siehe Haeum.
122
AUnus de Insulis.
Ais eine drille Erkt'imtiiisuii verzeiclim'L Hit St-holaslikir
die ratio adiuncli, vemiögo weleher wir wir die gÖUliehen
Afft^klr c'!*sHilifücn. Wir (Tkcniuni d(Mi Zorn Gollts aus dfii
göttliclieii Slralen, itiswU-ni riiil lior Strafe sU-U riii Zfinieii ver-
bunden ist ').
Eine vierte Erkeiiritnisweise ist endljoh der Wep der Ne-
gation. Intimi wir nidil l)](iri jeden Orfi-kt und jcdr Privalion,
soiuieni amli jede Koiin und jede Mulerie von (Jolt aussrlilie-
üen, wird das göltlitlif Westen von allen übrigen Dingen los-
gelöst und in eben dieser Losl6sung von dem Intellekt erfaßt %
Viel eher vemiöpen wir zu sajren, was Golt nicht ist, als was
er iyt-'). Nur die negativen Urleile gelten von CJoU Im wahren
und eigentliehen Sinne, insofern siej*»des Inhärenzverhflltnis ne-
gieren, wahrend die AfUrn^alioni-n, auf die (Jottheil angewendet,
ihren eigiMitlichen und walirm Sinn vei-licren '). Sie iR-zeiehnen
nicht mehr, wie bei den natüriiLhen L)in;fen, eine Zusauimeu-
Setzung von Subjekt und Kgensehafl o<ier das Inhärieren der
letzteren an ersleren % niehts GonUngenles, sondern die ubsolui
ker, a. a. O., S. 1(59; auch wciUfro Codices fdgen currons hinzu. Zum
Gedanki-n vgl. ScotuH Eriug«nA de div. nal. I, n. Vi; Migiiu \22, 4.V2 C).
Vgl. Reg. 21. ti:^l A. de p]. n. 451 Ü ff.. Aiitiul. hU C ff.
') Heg. 21, OHl B: (luaed.im rfttione ndiiiNcti , iit inuci , [Hirniten*.
Irasci attribuitur deo ratioiiu adiuncti , ratiuue vidcliret piinttiuniä; piinilio
eniin Holet adiuDgi irae.
^ Reg. 3t), 63^ K ff: sed per solam formae alteriiis remotiunc-m quasi
inUlli^v^ndii ali aIüb i^eparatiir et («eparüiidu tntelligitiir. Unde lioi-tltiua tn
libro de dapltti natura et tum per&unu lesu l'hn«ti ait (c. 2, ed. Tel per,
S. 189): Deus et mat^ria (uacfa Cud. Lilienf. 144) iiitegro porfeet^que intel-
lectti capi non puüstmt , sod aliqao ttuiieu modo CAfter&ruin reruiii (nach der-
Hclben Handrtrhrifti privutiono capiuntur. Dist. s"l R: Siinilit^T dJvin«
fonna , ipiiimvit» tantam inteEligaiiir per materiae rcmutioneiu . tumcii quoquo
modo iiiach Cod. Moiiac. 'W-f, hl. " " ) intellcctu enpilur. Vgl. Gilbert
(Bof'thii opp., S. 122(i).
') Reg. 36, 6.38 H ; putiu« enJm quid noii sit quam qoid alt intelligi-
raos. Thomas, der den gleichen 'ieduukeii (S. tla-ol. I, q. 3) wiedi'rliolt.
scbopn ihn ans Johannes Oama.sceniia de Hde orthoduxa 1, 4 (S. tbool. I,
q. 2. a. 2, ad 9).
') Reg. \H, *>30 A ff. r OmncM affiminliinie-* de deo dictA<> inriimpactae.
negationea veru VL*ra*\ [>ei- Satz ist uns Päemlo-Dionyaius do eaelesti
lerarchia c. 2 genommi-n (ed. Klus« bei Migne 122, 1041 C: Si igilur d».
pulaiones (ed. Colon. 15d6: negationea) verae, intentiones (od. Colon.: affirma-
tionea) vero incompacUe). Vgl. Thomas. S. theo). I, q. 13, a. 12, ad 1.
'} Ebd. 630 B; locoinpacia vero sive incompoait« dicittir affirmatio.
V. AbRclinitt. Theologie oder die Lehre Ton der Gottheit. 128
einfache, eigensoliafls- und fomilosc pMlIirtip Wt'spiihril, das esse
purum vel necessariuni '). Dir z<'lin Kategorien der Logik
n-duziercti sich {jeinäß iAuer niigustiuidi-heii Rrgrl aul zwei,
iiänilic'li auf I las praediranimtuni quiil, d'w Kalc^rorien der
Sulwlan/t der Qualität und (Juautitfil uinlassund, wrlrlic sämU
lirh dif göltlitlie Wesenheit prfuiizieren, und auf das praedica-
iniMilnni ad quid, welchem die übrigen lediglich dn Vcrhfdtnis
tlotles zu den Dingen bezeichnentlen Katejjorien sich unterordnen
lassen ^.
Damit haben wir di« Grufid{ftHlanken daryelegl, die A!anus
hezft^'lich diT Erk4'nnl>urkeil des gnUliehen Wesens auf
neuplatonisch-boL'tliianisfher Basis entwiekelt hat. Sii* bilden
den Malista!), an welchem bis ins kleinste Detail in einer Reihe
von Regeln die wirbtigsten grammatischen Gel>ilde, die No-
mina**^), Pronomina*), die Verba und ihre lempora ■■), die
Adverbien"), rräpositionen und Corijunetionen ^, rfuk-
siehtliuh ihrer Anwendbarkeit auf (lotl und die IViniliU ^) unler-
suchL und geprnll werden, ein aurh von den andtTn Sdiola-
fum non eignifii-at conipiwititiiiem , qiifirii Ftij^nifiniro vidt-tiir , ut cum dicitiir:
dfiis iubiiia ; nun unitii i)>i .sigiiiticatiir ctniiptisitio ui!:ititmo tiil di-uiii, nun ciiiin
compuriitur vel liihaerot. Vgl. Heg. 17, 62tt D tf,
') Ittig. U, ti28 A : quicunqtic t«riiiinuä in naturulibua pracdicat iiibau-
retitiant, de deo prat^licat essentiurn ; Heg. 12. *'}2*J B : t_'i)(k> mtll» propo»itiu
theologica de iuessc est vel il.e contingenii , sed de piiro e.4se vcl de niKi^^-
»ario. Vgl. A. f. I. *>'J, ß02 J) ff. nnd Ilt^s. 8-12, welche wimtlich BoC-
thiuH de trinitate und »eiitcm llhor de liebdumadibujt entlf-hnt sind. Die ge-
naupren Beiego siohe oben S. 30, Anm. 2.
*) Hog. 22, fi3I (.' : omnea enim termini trium praodicamentorum natu-
ralium, mtbtitjmiiac , vel qunlitatiä, vcl quantiitati^, de düu dic-fi du ipi^o prae*
dicAnt divinain ustam et pih octtondttiir dtnis ense iiuid ; terminal vom caetc*
rorum praedicainenionn» ostenditiir esse ad aliquid. Haev regula coiisonat
illi , qnae ponttur ah Augustino in Imne modum: Omnis tenninoä de deo
dictuü »ut du eo dicitur .seeuudum substontiam uut relative. Et sie deceni
praedicHmr^nta mituraha ail duo theologica , ad praedicamentiim quid et ad
praedicamcntum ad quid, rcdiiciiiitijr. Die auf;u-*«tiiii.scht' Su-]\v lautet (do
trin. V, c. 8, n. 9, t. H, Migne 42, yi'i IT.): «jiridqiiid ml ai' dicifiir prae-
ettanliasiina itla et divinn aubliniifaa, sulist-untinltter dici , quttd autem ad ali.
quid, non HubHtantialiter, aed relative.
') Keg. 23-35. - ') Heg. 36. - •■) Heg. 37-40. — ") Reg. 41—44.
') Reg. 45-47. — '^ Keg. 48-53.
124 Alanus de rnmlis.
stikern des 12. JahrhunderU ijertblos Verfahren'), das in Boi*-
llitus de Uinilate*) seinen Urspnin;; haU
4. Wesen und Eigenschaften Gottes.
Lehnt sit-li Alanus in der Ldnv von dir Krk<>iiiiharkeit des
gölHichen Wesens an Pseudo-Dionysius und Hoelhius an.
so ist es vor allem der letztere Autor, auf welchen der Schola-
stiker die Construktion des (ifotlesbegrifres stützt unter
starker Retonunp (Mnt's iK^npy thapor ei seh- neu p In tonischen
Elementes, das er mit Thii-rry von Oharlres^'l und Donii-
nicus Gundisalvl') gemeinsam lial.
Itn Mittelpirnkt seiner IJetiaclilungen über das Wesen
Gottes stellt, wie hei den hi.itten zuletzt jrenannlen Männern,
der Begriff der Monas, der Unllas, des absolut einfachen We-
sens''). Von vier verschiedenen Seiten Aveilä unser Magister diese
ubersle Einheit zu beleucliteii '). tJott ist unilas ralione sini-
') Auch TfaomDS von Arjuiu nimmt spülcr ither <l<>nsi>lb4>n GcgeoatAiMl
uin« Quaestia mit 12 art. in müw SunmiH auf |S. llicol. I, q. 1^)).
-) In f. 4 n. '> wiH dit» Ctrarlmgung dvr Kategorien auf die CiutÜieil
untersucht.
'1 .Siehe über ihn oben S. 8, Anm. A, f>. 112, .Anin. 2.
*) P. L'ürreus, Dw lieni UoöÜiius fUlst-hlifh zugeschriebene AbkanH-
luQg de» Dominicua (tuiiilisalvi de nnitate, in , beitrage s. (letich. d. f'hilu&.
d. MitiHlfllterx'' herauH^e^. v. liueuniker, I). I, U. l. Der Trjikt«t de ani-
iate beruhtim Weaciitticbeiiauf Enltohnungcnaiia boCtbius und bub A vcnec-
brura Föns vitao.
'*) Reg. 1, 623 A: Monas oat , qua quaelibet res est una. Dieaen
S^Lk, den Alanni« an diu Spitze »einer Kegeln stellt, kennt er wohl aus dem
eben besprucheiien liberUundiaRl vi'a, den er an anderen, Hpftter(8iuhe unten
8. 134, Aiitn.2)zii erwähnenden Stellen unter dem Namen de« itnj>thiu&r.u citicren
Mcheint. Im Über de nnitate (ed. Corrcna, a.a.O., S. oj lautet das Diktum:
l^nitas eat , qua unaquaeque res dicitur esne una. Vgl. dazu Uoffthias.
Consül. Uli, II, ed. Peiper, S. 78, v. 26 ff. — .Aach Paeudo-Diunysiua
bot für die iSubiiiimieruDg der Gottheit unter den Begriff der l'nita» oder
Monas mannigfache Anhaltspunkte, so de div. nom. c. 1 (ed. Flosa bei
Migne 122, 1113 C) : unitaa uniHca ornnta unitatis .... ]115 A: ut nion»-
dcm quidem et iinum propter aimplieitarmi et unilaiem supematuraÜH impar-
iiliilitati« . ex qua ut uoiGca virtntv unimur. BozQglich des Thicrry von
Chartre» vgl. Hauri^au, Noiices et cxtraita. T. I, Paria IHyu, S. 63 ff.
*) Keg. 2, 624 A : <ljuare vere deus eat unuä sive nnita« ratione Hini-
plicitatia, ratione immutabilitalis, ratione excluttionis. ralione aimilitudinis.
V. Abschnitt. Theologie oder Lehre von der GotÜieit. 125
plicitatis. Sein Wesen schließt nicht bloß physische, körper-
liche Teile aus, sondern auch jede metaphysische Teilbarkeit,
wie die Zusammensetzung mit Proprietäten, die den Geistern
eignet '), oder die Vielheit von Wirkungsweisen, welche den Pro-
prietäten zukommt -). Die göttliche Monas besitzt weder die
aptitudo componendi, noch compositi, d. h. sie geht weder als
Form (Proprietät), noch als Materie in irgend welche Verbin-
dung ein ^). Gott ist ferner unitas ratione immutabilitatis
und ratione exclusionis, ein völlig unveränderliches und der
Zahl nach einziges Wesen ^). Er ist endlich unitas ratione
similitudinis wegen seiner mannigfachen Beziehungen zur Ein-
zahl. Wie die letztere unteilbar, einfach, von keiner andern
Zahl abhängig, vielmehr der Ursprung aller Mehrheit ist, aus sich
die Einlieil erzeugt und die Gleichheit ■), so ist auch Gott un-
teilbar, einfach, von keinem andern Wesen abhängig, vielmehr
der Grund aller übrigen und aller Vielheit. Er erzeugt ein
zweites Ich, den Sohn, und ein völlig gleiches Wesen, den
hl. Geist').
') Reg. 1, iViii H; Rrg. 5, i'yH'y B: Oinnis aulein lalls compositio relo-
^iitur n (loo. Nor enini cnnipactus est ex pnrtihiis, ut corpuft, nee rom|H>situ»
ralione proprielaliiin, ut Spiritus.
*} Heg. 1, (i23 B: quaelibel enim propnelas .... habet tainen plura-
lilaleiii efTectuuin ; ebü. («2.'» ('. : (iJeu.t) non est tliversus efTectibus variis, quia
non est ruusu forniali^.
') Ueg. f), G2(i K: nee aptilmlinc componendi, ut propiieLas aliqua, nee
aptiludine comptslti, ut piimorJialid materia. A. f. I, 10, fiOO A ff.: Causa
siiprema neque componilur alitui, neque ipsam aliqua componunt.
*) Heg. 1, ii.in C.
*) Heg. ], 1)23 C fr.: Üicitur etiam unus r.itione similitudinis, quia
niultiplicein hübet cum unilate similitudinem. Unitas a nullo descendit,
omnis pluralilas ab unilate defluil; unilas de se gignit unitatem , de fc pro-
fert aequalitatem. G. H. III, 4, M^t B fT. : Unde cum in arithmetica dicatur,
quod sola unitas indivisibilis simpIex est origo omnis pluralitalis (das Cilat
aus Ho^lbius ist aus mehreren Stellen zusammengezogen: de arithmetica
1, 7, 9, 10, ed. Friedlein/S. lö. v.23 ff., 17, v. 11 ff., 23, v. 8), ad res sub-
sistentes istud videtur rertj^nduin. Sed in creaturis nullum subslstens (nach
Cod. Bernensis 33lj) invedltur actu et natura simplex et indirisibile , quod
non sit aliqua specie conipo^itionis comp »situm. Ei^o in alio existente
oportet nos invenire illani ineffubilem simplicitatem; restat ergo et ha nc esse
in Creatore.
®) C. H. III, 4, 40r* C: Quia sicut ab unilate indivisibili omnis proce-
dit pluralilas, quae divi»ibilis est, ita a crealore invariabili omne proeedit
126 Alaniis d« Iiisulii.
Ans dem Betriff der Monas oder Uni las fließen nun die
wt'iterpn Bestinnnungtn des göttlichen Wesens, wobei der Ein-
lluU lies Boetliius wir-li stark betuerklich miieht.
Als dem iibsolul eJnraelipn Wesen kommt (lott allein walir-
lial't Existenz zu. Kv ist (Ins scliloclithiii und unveränderlich
Seiende'), das esse purum vol necessariuni'), das Sein 5eU>st,
das voraussetzungslose Sein , das an keinem andern mehr
participiert "*) , das Princip seines eigenen Wesens *). Alles.
was in ihm ist odrr von ihm ausgesagt werden kann, Ui und
bezeirlnii t ein luid dasselbe identische Sein. Wesenheit und
Eigenscluiilen ■')) Esst-nz und Existenz fallen in eines zn-
sammen').
In wriliTi'!- riih^f Iifin^ii-ii niil licm Begriff dt« atisohil ein-
laclien Wesens die Moddikatioricn /.usuriiinen, welche die Tenniid
lornia nn4i substantJa in ihrer Anwendung aul (Jott erfatiren.
Nacfi dem Beispiel <filbert's'), Abaelard's"). Thierry's von
Chartrcs'') neiuil aiioii Alauns in Anknüpfung an Boethius
vuiiabilc. \\e\S' ^' ''^^ ^'- ^'^ ^^us u tiullo, i|uiilliticl sili ipsu ; siv ilc s«
Ki^nit ;illeruiii i. i*. lUiuin, de '<c |>ruriTl :ipijuuleiii sibi i. e. spiriluiii saiirtuiii;
Vfi. olien S. IfJ.
') Heg. '2, i>S^ A: ergo sola iiion.is est, i. o. Mtlus üeii!« vcro »Istil.
i. e. »;implfcilor rt iit'iiiuhiliiliter eus. V^l. Ahuplaril (iiiliüJ. nü theo! II,
10: Mignc 17h, lUGU ('.); Petrus Lombaraus (Seal. 1, il S. n. 3; Migiie
') Heg. \'2. 0-2!» B. Siehe S. \2:\ Anm. 1.
') Hetr. Vi. fiÄi f': Eins, »(uod est esse, niillum est f^ao. Dti . . „ i|ui
eA nmnium esse . . ., nulluni est esse, quiu nullo pirlieifi-it ul sil.
*) C H. 111, 2, 4(>i R : si hotr nsscl, deus simplex nun ewtet, el s|i> noii
<>Hsel suae essenllae prim-ipium.
") Heg b. !•, 1*1. welche alle aus UoAthias de LrituInLe nieG^ii. Si«-h«
ülion S. Vi?:l. Anm I und S, :!*!, Ahm. 'J.
") Ite^. II, (iJ8 D: Oniiie ^iiiiplcx e^üe suuin el id i|U(mI e»l iinum lin-
l»el. (Aus B(>Plhius liber de helidomiKlibus. e«l. Peiiier, S. ICSI).
*) Hof'tliii (ijip,. S. IL'iH: Nani esseiitüi de! . . . pitm» f»inini dirilor
.... .Siiiiililer formaium aliu nullius luuteriiie vt idcn stuipleü, ul opilkU
essenUa, i|u* ipse vere est
') Siehe Üeulsch, l'elei- Abaelard, S. lj»a
*) Haur^AU, HIst. de In ptiilos. scol I. S. 402: UniUs igitur »iDgolis
rebus forma essendi est. V^el. Nuttces et cxlrnilp, n. a. (»., 9. C3.
V. AbHchnttt Theologie oder L«hre von der Gottheit. 127
de trtnitnte *) die Gottheit forma*). Sie ist jectoch niclil Form
im Kpwflliiiliclicn Sinne 4ler Proprictrit, die llireni Wesen nach
an eiiiom Stibjoktc liaftol, sie ist vielmehr eine von jedem Sub-
jrkt los^relöslf, vfilli^r ininiairrirllf Form ■'), die ahsohUe Form
(ionna inrorniis. forma rurinalirtriiiiia, fontia forinaruni)»
dfe keine and<'re mehr über sicli liat, die durch nichts infor-
mlrrl wird, selbst aber alles informiert, allem das Sein K»*'bl*).
(lotl ist Substanz, erste Substanz. Subslaiiz der Substan-
zen '% aber tiieht in der liurkümndichen Weise das Wort ver-
stanth^n als Tnltfer von EJKenscIiaften oder ProprietAten. sondern
wcffen der Einfachheit seines Wesens eine accidenz- ufHl prAdi-
katslosc Substanz, durrti die alles snbsistiert "),
Aus der Voraussi t^unp (Ut absohilen Einfachheil (»oltes
erjfiebl sich ferner eine Reihe seiner Kigenschaflen. Jsl iJottes
Wesen einfaili und arf.i(U'nzlos, dann kann es in ihm keinerlei
V(>rfind<Tnfi-; •.'chm, ki^in Werden und Anfliörcn. krineii An-
lanj^' tnnl kriti Endi-; i-r luuU urivt*rändi*rlu:h und cwijr st'in *u oder,
wie der SeholastikH' unb-r Anspipluti},^ auf die Apokalyps<^ sich
ausdruekt: dir Monaä ist ohne Alpha und Omega''), und, walir-
si-liriiilirb ans dc(n libt-r Hermi'tis si-hApfi-iid: fJolt ist sphaera
inteJli}iibili5, autanys- mid endlos, j,'leiclisan) eine trejslifre, in-
>) C. 2, ed. Peip«r. S. i:»3 fT. i Cuiisal. V, -1. S. I;Ji Peiper.
') Heg. 13, l<2!> fl : Suluni slinplex esl funiiu al>si]ue iiiu,lpii:ili suhiecUi;
Dist. K7I A : divjna ruiitm.
') Khd.: Sed non est lalis forma, ut suhieoto inhacreat. ?od potius est
ahicque omni 5ut>iccto i &. iit>slr.i<;t:L.
*) Hejf. 14, Ki, Ü2li (' (T. ; <W. <ir>l t'. Bczüj^Ül-Ii iIgs Ausilturkü infor-
iiiis \sl ScoLus Eriu^enu (de div ttal. 11, n. 1: Mi^nc 12*^, it'£i A) ku
vergleichen: qiiac supeiat omneni rurmutn et speciem, dum sit ronnarum et
xppricrtiiii omiiiurii itilmnie jirincipium.
*) Reg. tui, ilf'l ('.: Prirna suhstynlia diuitur usia. ifuiie esl suhslauliu
»ubülnnlinrum. Der Sitte der Zeil i.'<^KiiIii un<l unlcr Xachwii'kunt; vuii
Aiit'ust liius. lUti^thiu^, Pseudo- L)tonyt<ius, Seiitiis Kriu^^nn nennt
Alanus hüuiig ilie ^'CUnelie Suhslnnz oder Wesenheil usia, superessen-
lialis usia tdc |il n. 470 C. 4«! C; Heg. H, 23, »5, m-, Dist. *MH) U, HH8 U),
") Ret;. \ü, <i2^l H: Soluni slinplex est . . . suhslantia ali^que Cuniudi
|ir:ie<[ii-nl() non quia sultslel proprieUiti . se4 quia ümnia suhsistunt
per ipsnm. l'nde seqnilur itbsque forniali praeilicala , quia nulluin formale
pHcdicalum de ipso pracdiealur. Vgl. Heg. T», li'Üi B; A. f. I, 13, 000 D;
1, 1(>, V*i\ C.
') A. r. I. 14. 15, i;ni A.
*j Heg. ii, WJii V. IT.: Sida nioniis es-t . . . . sine aljdia et uukega.
128 Alanus de Insalis.
telligible Kugel '). Seiner Einfachheit wegen Ist er jedem Ma^e
unzugänglich, unmcÜbaTf durch keine Zeit, keinen Ort, keinen
Verstand erfaßbar, und weil er vom Intellekt wegen seiner
gänzlichen Formlosigkeit nicht erkannt werden kann, unaus-
sprechlich, unnennbar-).
Wurden die bisherigen Merkmale des Gottesbegriffes aus der
Einfachheit des göttlichen Wesens deduziert, so schlägt Alaniis
einen andern Weg ein beim Erweis der göttlichen Allmacht.
Hier reeurriert er auf die göttliche Ursächlichkeit. Alles wir|E-
lich Geschaffene und alles, was geschaffen werden kann, ist ent-
weder Subjekt oder Proprietät oder das Kompositum beider,
Substanz. In jetlem Falle wird eine Ursache gefordert, welche
das Sein jener bedingt. Diese Ursache selbst aber setzt eine
höchste un<l oberste Ursache, welche Gott ist, voraus. So hängt
alles Geschöpfliche von der göttlichen Kausalität ab; Gott muU
alles machen können- Seine Macht ist in Ansehung des Ge-
genstandes, wie nicht minder — das ergiebt sich aus einer ähn-
liciien Argumentation — nach Zeit und Ort unbeschränkt =*).
Eine Grenze für das göttliche Wirken bilden nur jene
Akte, welche, wie Sündigen, eine Unvollkommenheit involvieren*)
oder einen Widerspruch mit seinem Wesen und seinen Eigen-
schaften in sich s<;hlieüen ^). In letzterer Hinsicht ist es z. B.
Gott unmöglich, zu machen, daß er nicht gut sei"); es liegt ferner
nicht in seiner Macht, das Gesetz des Widerspruchs aufzu-
') Reg. 7, (>27A: T)eus est sphnera intelligihilif! .... ex eo eniiii, quotl
principin caret et fine. <leus sphaera dicitur .... seil imn esl sphaera corpo-
ralis, iiiio inlellit^ihilis. Siehe über die Quelle dieses Satzes üben S. 118 IT.
Schon Hemigius von Auxerre bezeichnete in seinem Kommentar zu Har-
lianus Capella und im AnschluB an lelztern die GotUieit, insofern sie das
Bild der sinnlichen Weit in ihrem Geiste trägt, mit dem Terminus sphaera.
Vgl. Haur^au (Hist. de la philus. scol. I, S. 205): Per sphacram vult intet-
ligi mundum invisibilem, qui in menle de! laiebat
') A. f. T, Uif til>l A: Deus est inimensus, incomprehensihilifi , inefla-
bilis, innominabilis.
=») A. f. I, 18. (JOl D ff.
*) Reg. Ö4, 047 ß: Ule solus vere omnipulens est, qui potesL uinnia,
quae posse est aliquid posse.
') Reg. .'ki, VA7 D.
') Reg. r>8, (U8 C: hoc enim non putest facere deus, ul neu sit bonns;
hoc enim e^^set divinae maiestati derogare. Vgl. Reg. titi, tjr>2 D.
V. Abschnitt. Tlieologie oder Lehre von der Oottheit. 129
hebon, daß z. B. etwas sei und nicht sei '); er kann das
tliatsächlich Gesciielieno nicht ungeschehen maclien -), weil er
sonst mit sich selbst uneins würde, sich selbst widersprechen
müßte.
Durcli Folgerunpren aus der Allmacht gelangt Alanus zur
Allgogenwart und V^oUkommenheit Gottes. Wirkt nrimlicli
seine Maclit an jedem Oite, so muß er auch überall gegenwärtig
sein, freilich nicht localiter, weil durch keinen Ort faßbar, wohl
al)er seiner Wes(»nheit na<h, mit welcher ja sein Wirken zusam-
n»enfällt ')• — I«t Gott allmächtig, so kann es in ihm keine Imr
potenz. keinen Defekt un<l weiterhin keinen defectus boni, kehl
Hhcl und nichts Böses geben ^).
Mit dem göttlichen Macbtwirken hängen auch die knappen
Bemerkungen bezüglich des Wunders zusammen. Zum Wunder-
begrifV gehört ein doppeltes, die göttliche Ursächlichkeit und <las
Moment des Ungewohnten von Seite des Geschehnisses. Das
Wunder ist dcnnnach kein ursacheloses Geschehen, sondern nur die
ausschließliche Wirkung der göttlichen Kausalität. Kann Gott,
wie wir sahen, die in den Forderungen seines Wesens und des
darin gegründeten Widerspi-uchsgesetzes liegenden Schranken
nicht überschreiten, so vermag er dagegen sehr wohl, als causa
snperior über die in der Natur wirksamen Ursachen hinaus-
reicliend •), die Naturgesetze und deren Notwendigkeit zu sistie-
ren '), in<tem er durch sein positives Eingreifen Wirkungen lier-
vorbringt oin(;rseits ohne jegliche Beihilfe, andererseits aber auch
') Heg. r»8, ('48 D: lamcn id non polest, ut . . . . cum sil nllmm , sil
nigrum , cum sit, non sit . . . . deus sua auctorilate faceret, ul non esset,
ijuod sua auctorilate feceral, ul (stall quod) esset. Igitur sibi ipsi discois
psset. qiiod est impossibüe.
') Kbd. G48D: non polest de corrupta faeere virginem. Keg. <J0, (»50 6;
«leus autem non possei faeere, quod mun'lus non fuisset; hoc enim esset
conlru suam poteiitiam .... sibi dissidens esset.
') Af. I, '^2, <H3A : Deus essentialiter est ubique et nusquim localiter'
*) A. f. II, 1, (;ori B.
■■) Reg. 5l>, (»47 D: Polest enim multa , quae sunt imposäibilia secun-
duin inferiurfm causam vel seeundum naturam ; sunt tamen posäibilia secun-
dum supcriorem causam.
") Reg. (17, (jr>4 A : Necessitali superloris causae cedit necessitas in-
ferioris rausac. Potest enim superior causa regulae naturae derogare.
Beiträge II. 4. Bautngnrtner, Alauns de Inanlis, 9
IM
Atanus de Imulis.
ohne jwies hiiulernilf DazwischeHtretcn einer causa inferior *).
Das Ereignis selbst aber muß den Eindruck des Ungewölinllclien,
dos Ober den Kowolinheitsmrifii(ren Gan^t des (Jesciieliens Minaiis-
fnllfiiileti inaclitni. So winl, wril <]as lel/Jore Meikriial fehlt, die
KrsrhalTung der Seelen, obgleich sie nur durch (Jotl geschehen
kann^ nicht als ein Wiuider, sondern als etwa;; Naturgeuu»li<?s
angesehen '), wie auch eine Totmenveckung kein Wunder mehr
wflre. wenn sieh der VoornuK nllL1[rlich alispielen würde |.
hl aller Kfnzi' und ohne auf die tiefer liegenden Schwie-
rigkeiten einzugehen, äuüeii sich Alanus über das gftllliche
Wissen und lins damit V4M*hund4^ne Problem seiner Vereinlmr-
keil mit dem Treieii Willen di-s Minisehen, Wio es bei der
giiltUc-heji SiibslauK kein Mehr und kein Minder, keine Venlnde-
nuig gieht *), so auch nirhl beim gnttlichen Wissen sowohl hin-
sicliUich des Willensaktes, als auch in Ansehung der gewußten
CJegenstAnde •'), da alli-s, das Mögliche und llntnftglielie, das Ver-
gangene, (legenwrirlige und Zukünlligts flem unendlichen gött-
lichen Wissen unterliegt'*). Es ist ferner irrtnmslos '). Das Wort
des Aristoteles, daü dem Wissen kein Irrtum heigeniischl sein
könne, gilt vor allem von der gfittlich^-n Weisheit ").
'J Heg. ßli, t»ri2 D tt.: (JUckI ila stt aucloritate <superioris cnusae et noti
ministeriu tnrerioris causae, quoiJ inftrior chuhm tm[>eilire ni>u pfwsit, ul »ir-
giheiu ]mrore .... itn fäctuni esi <let aufluritate , quod inferiur causa ad
hur «lHiat-iter üperaii Don poLuil nee iinpedire.
') Heg. (i7, GjH A: Dkitur etiarn {»jssibile iijei-uiiilum natunim , tjuud
quanivis non liat secundum inferiores causas. tarnen in consuetinllne est ul
llnl, ul utiimam rrt^arl. Aniinain ergo creari seouiKlurti miluiHin «licitur, quiA
fieri Si}\e\ , roiisueludu »ulem altera natura dk'ilur. Die Stelle ist fast w<1rl-
licti von Garncriiis von linrheCurl, Isag. theiiplian. symbul I, 7, rud.
Troye» 4^t^\ fol. Tr in eine im Übrigen aus Petrus Piclav. Sent. I, 8 uiitl
Petrus Lomb. Sent. I, d. 4.'l entlehnte AustQhruu^ hetültergenuinmen.
■) Ebd.
*) Reg. Ik). <k)1 C: PrJina substanlia non recipit maius v«l minus.
^) Kl>d. liTil D: Similiter dei sajiientiu vel ücientia non recipit inagin
vel minus, äed nolandum, quod scientiii allquaiido dii-itur divina usia . . .
Scienlia etiam dicitur scita.
'} Kbd, 6rt2 A IT.: quia infinita est etu.-« scientia et infinila sublacenl
eius scientiae. Item nmnia possihilia et )m|)ossibi1ia in notitia dei sunt, et
ita oninia «-ienliae eius subiecta sunt .... Cum ergo diritur: .(Ju^k) semel
fti-it deus , »emper seit*, intelligeuduni est, fuissc, vel esse, vel futurum etsee
et sie de quocunquc habet scientiam seme) et semper.
') Keg. tv4, tj52 B: Üivina Providentia falli non polest.
*) Kbd.: Si enim , ul dixit AristoteJes, omnis sctentia impermixta.
V. Ahsclmitt. Tlifologü- mler Lehre von Jor fiottlieir.
lai
I
Alis <li<'S€T IrrhunslosigkoU {h\^[ das in»l u i iidifft? Eiri-
lreff<.*n dessen, was (»oU vorausgowiiüt luit ')• T)jik yriKliflie
Vorlionvissen übl aber keinen nAIigenden, kaust\Ien KinflnU auf das
Einirolen rief Ilnridlun^' aus. sodaü es die Kreihcit des rneiiscli-
lidn-ji Willen.s I>eeintr;u*litit(en würde-). Dieser letztere is( und
bleibt die wahre ürsacbe för die Handlung, während die gött-
liehe Provldenz als causa sine qua ti(M). als bloüe Bcjirleitin'-
sache ersriieiid. ■% K^ liestrlit als«) kriiK* iieressilas eonsc-
ipientiti, keine kansale NulweiidigkeiL <ier Han*ilunj; selbst, die
Sache des freien Willens ist, sondern nur eine necossilas con-
soqiiendi^), eine Nolwondigkoit der logischen Folge, welche
in der Unfehlbarkeit des Wissens wnr/ell , insofern eine I!;md-
lung, den-n an sich freies, IhatsüeJdielies Kinlreteii niilehlbnr
vorhergewnßl wird, Iogit:ch notwendig auch einireleri niuti ''j.
5. Verhältnis Gottes zur Welt.
Nach den Err»rterungen über das Wesen (lottes und seine
wielillgslen Br'stinnnnngen ernhrigl nodi die Uiirslellung eines
letzten Piniktes der pliilosophisrheii floUesIehre, nämlich des
V' i'rliiUlnisses Gotles zur Welt.
Wie Tbierry von Charlres") und Willielni von (lon-
ciies'), so faul auch Älaiius de Insnlis die (iollheil in ihrem
est falsiUiU , inullo maiKis sapienlin d«i. Vgl. Analytica ixwl. U, nt t/ie^.
S;cliluQ.
*) ELhI, : H ita impussiliile e»l nnn evenire, qiinil üeus pracvulit.
*) Ebd.: iinn ijikiiI dei {»'ovidcntla eventui itifcntt iiecessilHlünt et ita
auferut tiheii arbitrü libertatem.
') Ehil. tk^)2 C: non ([iioil itivina prnvidetitm ttil cau<4a cventuni attin-
gen», se*l cau«i t'uniituii:« causam .■sine qun wm. Vgl. IVirus [.oiuh. -Scnl.
], d. 38, n. 4.
*) Heg. GTi, *ib-2 C : Neoessarium esl «venirr , i|uoM *U-u» praovidit, ne-
eessilnle corisequendi, non conse(]uenti}i.
^) Kbd. 1 Nou eniiii necessiirium est illud, (juod praevjsuni est, evenire,
sed hör tuliiiii iiccesHnriuiii esX, ut eveniut, iguotl pracvisuin fiicrit, iil sit nt*-
ce-ssilas coiiscquentiao , nnn partU hypotIvcticHe (mich Cud. I.ilienf. 1-1-1, der
aber ypothenoe si'hreibt), siciit lioc tolum est necessariutn , Socratciu iiioveii,
si rurril; non t^inien necc^surlum i^t, .Socratcm moven vol currerc.
•) Hixureau, Notice» elexlrail.*:, I, S..V2: Mundanae i^itnr!(ul)sistentine
ciiusiio sunt (|uaUunr: erQcten't, ut deus; formalis. ul dci sapienlia; Dnalis,
ul eiuHtiem beuignitus.
') Kommentar mm Timaeus^nousln, FrnK'nculf de [diiliKfüpliie, Paris
IKWi, S.iJnft; Uigiiv 172, 2.'i ] /2r)2) : Hoc convenit divinae essenliiie . , llaec
est elTIclens causa muni)!, ipsa enim est omtilum rreatrix. Hoc hlum con*
9 ♦
132 Al&uua de fnsulia.
Verhältnis zur Well unter tlem Gesiclitspunkt einer dreifachen
Kausaiitäi auf. Er beslinimt sie als causa efficiens, causa
f.ornialis und causa finalis der Weltdinge').
a. Gott als eaosa efBeleas.
Die Beweise ffir das Dasein Gottes ffdirten zu einer causa
suprenia» zur causa causaruni-). Diese einzige und höchste
Kausalität aller Dinge ist causa efficiens, eine auüerwelt-
liclie, transscendenle Ursache-'). Mit Nachdruck weist der
Scholastiker joden Immunenzgwianken zumck und er lehnt ^^
ab, in pantheisti.scher Weise Gott als causa fonnalis, nach Art
der in den Dingen wirksamen Forriiahirsachen, in die Geschöpfe
zu verlegen *).
Das göttliche Wirken wird gcuauerhin als ein Schaffen -),
Gott als absolute Kausalität bestimmt, dif außer sich keine
Ursache hat, wenn sie die Weltdinge wirkt. Ohne eines Instru-
mentes, eines äuUeren Anstoßes, einer Belehrung, eines mate-
riellen Substrates, einer Form, eines Ursamens zu bedürfen'),
hat er frei von jedem Bedürfnis durch einen freien Willensakl '•)
venit divinae sapientiae . . . Haec formalis causa mundi est, quia iuxta eain
crealione mundum formavit . . . Idem convenit divinae bonitati . . . lila est
finalis rausa mundi, quia sota bonitale . . . omoia creavit.
') Anticl. bü'j A :
Efficiens causa, dum rem producis ad esse;
Formalis, dum pingis eani ; flnalis, in esse
Dum rem conservans certo sub fine coarclas.
') lieg. 63, (öl C.
') 0. H. 1, 5, Oll B: cum deus sit summus artifex omuiuni rerum et
efliciens causa. Vgl. Reg. 41, i'AO B.
*) Ebd. 311 C: Cum ergo deus nun sit causa formalis, sed ef&cieDS,
quamvis ipse sit immutabills, non ideo res immutabiles. Keg. 1,023 0:
nun est diversus efTectibus variis, quia non est causa formalis. Siehe
oben S. GS.
') A. f. II, 4, (jOfj A: Sed aliud ab eo non polest esse, nisi per eins
rreationem; vgl. Dist. 754 D: Creare pruprie ex niliilo aliquid facere . . . .,
unde polest dici deus creatur, opus eius creaLio.
••) Anticl. 4% A :
Qualiter ex nibilo, sine forma, semine, causa,
Materia, motu, sensu, ductore, niagtstro.
Die ed. Wright (c. i», S. 2%) liest satt .magistro" .ministro".
0 De pl. n. iiiQ B: non exterioris instrumenti laborante suftragio, non
materiae praeiacontis auxiliu, non indtgenliae stimulantis ilagitio, sed solius
arbitrariae volunlatis imperio muudialis regiae admirabilem speciem fabri-
cavit deus.
V. Abschnitt, llieologie oder Lehre von der fioltheit. 133
alles, MntiTi*' und Form, die Subjekte der Prof)it-'tAten und die
Pi-üpHfläleii i\vr Subjekte'), fleii (ranzen VVnnilerliaii der Well
aus nichts hopvorjfchraelit. Mim alli-iii als dem iin<'i*sdiafl'onen
We.sen ') ei^^nel die aussL-IilieLilicIn' Pn"iroj?utivt des ereare'*), alles
j;esrliripflirlie, alles Natur-Wirken, ist nur ein procreure, ein
Mürben uns etwas, slrts an eine Materie utobunden *).
Je nachdem mit dem bibbschen Sc^ItöpCunKf^j^edanken philo- —i
sopliisclie Theorien versclunelzen. wird die sehöpfcriscbe Ur-
i<aehe und ihre Thatiykeit mit verschiedenen Termini bezeiebnel. -^
Mit dem platonjjichen Deniiurgeri identificiert winl der
Schöpfer zum WVItbaumeisler, zum Wellanbitekten, zum
genialsten aller Künstler'), seni Thun ein eminent knnst-
Ieris4*lies, ehi (lopicren, ehi Naclii)ilden der mit dem t'ött-
tidien Wt«en identischen Ideenwelt, ein Einprägen nach Art
eines Siegels, ein Bekleiden mit dem Gewände der Form "), sein
Schöprunt^swerk der Höhepunkt alles KuiistschalTens *).
In AnlehnnnfT an Hoethius erselieinl die sehöpfurisclii-
Ursache als die absolute Form, welche alles inlurmiert,
allem das Sein giebt, aus welcher alles Sein stanunt, alles das
Sein enipCänyl"). Sie ist (emer auf die Autorität dei-selben
(Juellf hin di'r iinbewegle Bi'woger, welcher alle Hewef,'nnfc
spHidet. von welchem alle Veränderung und alles Veränderliche
ausgeht'').
Endlich in Verwertung cini-s neupylhagoreischen Gcdan-
■) Siehe oben S. 71.
') C H. I, 8, 3iri C: ni'ceAsuriuiu elenliii est, t|ui»l illml, quod creal,
increiitutn sit . . . . : si <Tcalmii esset, crcalurarum »ecuiTeret inUnitas,
■) A. f. 1, "lA, iin;i H: Cum t-iüin nullnm tTPiiiiiriint aliam posse crcju-e
nuHruiitiis el cuiusÜbttl fiiclurae causam superiorem esse riuliis ratio dirtel.
*) Siehe oben ti. 77.
*) De pl. n. 4T<i B: titimiuam mtiiiilt ele(f-ins aixliilwtus (der Ausdruck
slaniml wohl aus Apulejus, de tlugm. Plal. I, II, ed. Guidbacher. S. 73,
V. ]l: archileelum huius divini orbis) .... artifex arlifujosus, C. H. I. .'),
311 B: sunimus arlifex.
") Siehe üben S. 73.
'} De pl. n. 4.')3 R: stupendi arlificÜ . . . admirandi operis opjfex. ^
') Heg. II. (Ȁt C: Omiic esse ex forma esl (Boifhius Je Uin. 2, cd.
fei per. S. I'i2, v. 20|. Cum deu^t lurma dicaltir , quia utnnia ioformat et
Omnibus esse donat , recte umne esse a tbrnia esse djcitur. Siehe oben
S. 126 f.
•) Vgl. oben S. 100.
134
AlniiiiR tk' InsoltR.
kons wird sio als Monas, als rriilas bezuirliiicl, von welcJior
je<lc {;csciiarr«'iie Einheit koiiiiiit '), welche (iruiiil der Dingt
ist. iiiH^t'em sif «liusi-Ibfn vermittelst der iinitas o*ler Einxidil als
Eiiihoileii sdiafn. Denn alles, was ist, existiert nur insoreni, als
„eines ist durch die Zahl oder unitas'). welche stets die
>) Keg. 2. ü24 A IT.: Nihil enhn aliqua specie unilalis e>l unuin*quud
nnn sit unum n summn inonadc. Es fnigt die AufzAhlang von sechs ver-
ti^-lii Climen Arten dtT «nitiis. wie sie in ähnlicher Woise Gundisalri in
seinem lihcr de unitale (ed. llurrens, :i. a. O., S. *>) bielet. .Allein we'Jer
hier, uach iu Jen Disl. (UK? Bfl*. iid v. unum) hal AUnu» das genannte Uucli
benutzt, wie ein« Ver^fleicbun^ der helreflenden Pnriien beweist, und iJor-
rens (». a. 0., S. 2fi) bczüghch der Stelle n\is den Oiüt. urezeiKt hat. Wir
wertlen liier Oberhaupt nirhl an eine einzelne, bestimmte Vorlage zu denken
haben, wie Cnrrons will, der als Grund für die Annahme einer »olchen
Ülinlii'li klinticr.do Au!<rührung;en hei Bernhard von (llairvaux anrohrt,
ynnilern Alntiiii) stellt von den i1;Lmuls ilblicben und ihm bekannt gewur-
denen llnter»rheidun;;en die ihm am wiclitigsten diinkcnden zusammen.
') Hc^. 2, (V24 B: l'nde Hn^tbiu«;: (Juiilquid est, Ideu ct;l, (|nia unum
nunteru est; vgl. Dial. 877 D: Dirilur unilale , unde sie putesl ex[>oni prae-
dii-ta nurlnrilas: Heus ereavit »mnia in numcro i. e. in unilate, qoia qooi)*
tibcl unilale nnum est, unde Uo^thius: Quid(|uid est (statt quid e*<l), ideo
est etr. Oussclhe biktum kehrt wieder DIst. !>87 B : unde Boethiu» in
lihrti de sancl» trinilate: (>uidquid est, etr. Vgl. Johannes Sareeb. (Me-
talug. 11, IT : Mitinc IW, K74 D: ideu, quod omne qund unum est, numero
C9(), — Oht^leirh zwei .^ehr alte (k>d[i-eR der Diütinctionen (dtit. Monac. 7!i!i8,
s. .Mit in., lol. HOv und l^d. Palat. (Valicana) 14(1, s. Xlll in., f.d. 110 v)
hei dem Cil:it sd v. numerus f Bist. H77 I)} stall Bcr-lbius Augustinus
si'brciben, und bei dem letzteren (De mnribus Klanichaeurum II. (i. n. H) die
in Frage stehende Sentenz wenigstens ihrem Inhalte nach sich auch Ihal-
sflchlich vurhndet , so iul doch die Urheben>chull des Buethius unbestreit-
bar. Freilicb ist nicht dessen lilrer de sancta trinitate die (Juelle, wie ein
üfTenbur spälercr Zusatz der ÜifitiuL-tioncn (IK47B) will, sonderndes BueLhius
Kumnienl^r zur Isagu^*^ T^rphyr'» (BoethÜ upp., S. lA, in Porphyr, a s«
iransIaL : Omne enim quod e^t, idcirco est, ijuia unum e^l). Eine andere
Frage ist allerdings die, üb .\lanus direkt aus dem bu<'t blanischen Kom-
mentar geschöpft hat, oder ob er das Ciliit aus dem auch unter dem Namen
des Boftbius gebenden Über de unitale Gundisalvi's \S. ii, Z. 8— 1< ed.
(lorrena) nimmt, wie flnrrens (a a. O., S. 17 ff.) meint. Es bleibt wenig-
stens die letztere MflgUcbkcil offen, um so mehr, als die w5rtliche Formulie-
rung bei tjem tnsulenser bis ins Einzelnste genau mit der Gundisalvi'schcn
Fassung Obereinslimml — denn das bei Correns S. .'1, Z. Ii fehlende nu-
mer« ist nach S. öl aus den Handstbrinen DEF eiuzusetzen — , und über-
dies Alanus dem gleichen Buche noch einen andern, nur einige Zeilen vor-
her stehenden Salz: Monas est, qua quaelibel res est una (siehe oben S. 121)
entnommen zu haben scheint. l>a£ der Über Gundisalvi's Bortliius zu-
gescbrichen wurde, erkliul sieb aurs leichteste durch die Entlehnungen aus
der r.unsolatio und aus de IriniUle, Freilich ist von dem , was Clorrens
als boet hianisches (Jut anführt, einiges zu streichen, da. wie Obrigenii
Correns t?. 22 zum Teil selbsl hcrvortiebl, p. 4, Z, 14—17 {v^l Currens,
V. AHttThniit. Thoologie oder T/ehre von d«r Uottheit. 13o
Prüpriuläluji der Dinge begleiU'L ').
Wir haben bt-mts betont, dalj Alauns du- (IuHIumI niclil
ul.s Fornialursache in üit* Dingi^ cingoboii IAI2I. sondent als
trans.sffMidentfs WrUpriiifip lUtäi, Dicsi^n Stiind|jniikl bekun-
det er uiirli, W(>nii vv die uii sicli iiaiiÜU'isiisrb cbnifbaifn. in
Pseudo-Üionysius') und Scolus Eriugcna"') wur/.Hndt'ti
WVndungL'n: oninia in deo el deus in omnibus et omnia
esst' silinllirh ini Sinnt* nines kausalon ViTlifiltnisses zwischen
di*ni Scliftpl4T nnd ih'U Crcalurfn verstanden wissen will, Uie
Dingi' sind in Golt. wie dit* Wirkung in der Ursaetie; CtoU in
den Dingen, wie die Uisaehe in der Wirkung, und Gott ist alles
jH-r eansani. insoFern alles diircli ihn geniaelil existiert '). Wei-
turliin wird rinr die Unei-nietMicIikoil Gottes und .sein uHmnfa-ssen-
dt's, allgegenwürtiges Maelitwiiken tH'zeichnet, wenn gesagt \v'm\.
da& Golt das einzelne initer sich beschlioii«*, alle Orte i-rfnlfe,
der Ort der Orte sei ^), jenesphaera inlelligibilis. deren (!en-
trutn überall, deren ( jn-uniiVrenK nirgends sei. Wälireiid bei
der materiellen Kugel '•) das Centrnni kaum ii-gend\vo. die Pori-
pheiie aber an vielen Orten nnd vei-änderUch Ist, Ul bei der in-
S. 17) vielmehr uus dem Föns vitae Avencebrol'ä tr. V , c. 32 (ed.
ßueumber, S. 3l(i, 21; 317. 10-11) enlnummen i»t, (wie p. 4. 19—20 uus
Kuitö vitae V, :t5, ä. 321. IG— 17 eü. Baeumkerl.
') Heg. 12*>, fWl B : Omnein enim prnprietalem unilas cumilatur. Vgl.
oben S. 21, Anm. 2. Die Funktion der unltHs ist hiernach bei Alanus
eine ganz andere als bei Gündisftivi, der sie mit der Fonii selbst identi-
fiziert, und der Ktnfluü des letzlern hü( utisern Ma^^jster bleibt somit nur ein
h^hst t>eschrdnlcter. Atanus Tolgt, wie wir schon oben gezeigt haben,
doch wieder den Spuren Gilberl's.
*) De tael. lerarfliia c. 4 (ed. Fluss, Migne 12^2, HH*» C): i!sse om-
niuni est nuper esse divinilas; vgl. Thomas, S. iheol. I, q. 3, a. 8, ad 1. —
De divin. nom. e. 5 (ed. Floss, JUigne 122, lln() B: sAd omnia est, ul cau-
salis uninium, et in ipso omoia principia .... orania existenlia coambietu
el praehabens). Vgl. S. tbeol. I, q. 4, a. 2, ad c
') De div. naL I, 72 (ed. Flosa, Migne 122, 517 A): cum in ii>80
omnia sint , imo mm sit ipse omnia; ebd. 5IH A: nil aliud debemus intel-
ligere quam deum in umnibus esse.
') A. f. I, 21. mi A; Keg. 41. <>10 B; Reg. 15. t!2I» C.
*) Anlicl. rj32 A :
Nee solum loca runcta reptot, sed >ingu]a »oluit
Inrra se claudil c|uasi mota lucu!M|ue locorum.
Bezüglich eines ähnlichen Gedankens vgl. Arnnbtua, adv. geat. I, 31
(Nigne 5. 75.^ B) und Abaelard (bei Dcutach, a. a. O., S. 201).
*} Stockt, Gesell, d. Philos. d. MtUelalt. 1, S. In; spricht irrtümlich
Tun einem Kreis.
136 Alanus do Insulis.
Iclligiblon sphaera, bei Gott, die Peripherio nirgends und
unvfranderlicli. ihr (Iciilruni dagegen, die Kreaturen, welche im
Vei-gU'ich zur Uneruietilichkeit (lolles nur Punkte oder C'entra
sind, Ul nbi'ral], ih.soiern (iottes UnerrnoÜliehkeil und seine ord-
nende Macht alle (Jeschöpfe unter yieh bel'aUt ')•
Der Magister statuiert lofner, allen pantheistischen Nei-
gungen entgegen -), eine unüberbrückbare Kluft zwischen dem
Schöpfer und den Kreaturen, die grötierseialsderllntei-schied
zwischen schwarz und weili, weiche wenigstens in genere subal-
terno zusannnentreffen, wiihrend jene unter keinerlei genus .sich
bringen lassen •). hinerhalb der Gesammtheit dvs Seins, das
sich in die drei Stufen des supercaelesle, der Gottheit, des
caeleste, der Engehvelt. und des subcaeleste, der Körper,
gliedert ')* treten die beiden letztern Grade in scharfen Gegen-
satz zum ersten. Die Gottheit, die Monas, die Unitas, besitzt
ein Sein im wahren Sinn, die beiden übrigen Stufen dagegen
sind in Wahrheit nicht •) wegen ihrer Veränderlichkeit, die
zuerst und in gerhigereni Malie als alteritas bei den Engeln
auilritt, zur vollendeten pluralitus aber in der Körperwell sich
steigert"). Gott aHein eignet die aelernitas, er ist ohne Anfang
und Ende; den Engeln und der Seele dagegen konmit perpe-
tuitas zu, ein Anfang ohne Ende, während die Körper der
perennitas unterworfen sind^ sowohl ehieu Anfang als ein Ende
■) Heg. 7, G27 B IT.; Reg. 41, fj4o H. Über eine Hlinliche Spekulation
hei Alexander Halensis und ßonavcnluru vgl. oben S. Uli, Anm. I.
') Die Bebauplung Tenneniann's (Gesch. d. Fhilos., VIII, 1, S. 322)
uml Hilter's (Gesell, d. Philos., VII, S. äOö, ÖX)), Alanus sei nur mit ge-
nauer Notani Panlbeismus vürbeigekümmen, und insbesondere die Meinung
des Ersleren, der Insulenser balie den Irrtum des Amalrich von Bennes
vurbereitet, entbebrt angesichts der klaren und unzweideutigen Ausspräche
unseres Lehrers jeder Begrfindung. Wenn endlich Haureau (Hist. de la
phihjs. scol. I, S. 528) in einer Stelle des Anticl (4Ü8 A ff.) die Lehre linden
will, daß im Schooße des Absoluten die Hegensätze, tlherhaupt alles, identisch
sei, so ist dagegen zu bemerken, daß die betreffenden Vei*se gar nicht von
dem ,.Ab.suluten" , sondern in poetischen Bildern von der mathematischen
oder :ibstracliven Krkenntnis der Dinge handeln. Vgl. oben S. 58, Anni. 2.
") Heg. ')8, fUii A,
') Reg. 2, ii-Jli D. Die Termini unitas, alteritas und pluralitas
entnimmt Alanus aus Bor*thius de trin. c. 1, .'t, <> (ed. l'eiper, S. 151,
V. in ff.; 154, V. 4; KrJ. v. 22).
^) Ebd. \m A. - «) Ebd. (;2:i D IT.
V. Ahsrlinilt. Th^nlngip oder Lehre van der Ooltheit. 137
hahch '). Es liL'K* leniLT im Bogriff des gi^schaflonen Wi>seiis,
Anfang und Ende zu haben. Alles, was ^fewoi-den, strebt nn-
liirgemfiß dem Einle xu. Gott koniilL- niclil etwas dem Wesen
nacli Ewi^'es und nnvi'i-äiidcj'lirlu's seliafTen -'). Selbst du- Natur
drr V.w'^t'] hr.-^W/A nacli dem ZeUKni-sst- Plato's rrivrnitidt.'rlieh-
koit tiiclil jiilolife ihres Wesens, sondiTn nur durdi ^ölllielien
Willensenlschluü ''). Jedes gL^'hafTi-nL' Diii^' lii'j:t somit inriciliall»
zweier Grenzpuiikle eingt-sehlosst-n, zwischi.'ii Anlant: und Ende.
zwischen Alpiia und Omeifra '). nach einem au^'UsliiiisLlicn
Wort /.vvisclipu marie und vespere'), wüliiend Gott, die Munos,
allein nlitte Alplta und Orni'tra ist*').
Erscheint die Weltseliüpfuujf als die Tliat des Ireien
Willens Gottes, so liat sie doeli iiir Motiv jn der neidlosen
(föllliciieu Lii'he^). in deren Natur es greletren. andern Wesen
die eigene Güte tmd Herrlichkeit mitzuteilen"). Den ln'ifdnnten
von Plato im Timaeus ") ausgespi-ochenen. von den cluislIielH n
') Dist. (IftTi K Vgl. Isiitor (Seilt. 1. 12. n. 3; Migne 8:J, :m B) und
Ha^o von Sl. Viclür (Erud. üi<la.<tc I, 7; Migne 17(1, IM* Ü ff.).
*) C M. I, y>, 3t 1 A : non poLuit fuoero aliquid, quod esset inirnutubile
natum, quia oninis res t-reata ex eo, quud creala est, habet principluni suae
existentiae ; rädern rntione finetii habet aotu vel natura, omni»' eoim res
duoluiii clauililur It^niitiiis; ebd. :^tl U : i|(ii<lquul hahet princijiium, naturuljter
liabel linein. Oniiie »juud est genituin. lendil aiHnlerilum. Vgl. Reg. *i. njiJC
") Heg. ü, ti2f) (I: l'nde et angelica nnLura nalMralit{;r ilissoliihilis est,
de qua ait J'lalu; ÜÜ de^irum, quoruni paler upifexque e^^o . natura quidein
disBnluliilM, nie sie volenle indissolubiles. Vgl. Disl. 871(1. Jlieiic Timaeu^
41 A , wo Plalo von den tJefctirngrittern spricht: Dil dcoruin , tju^runi upitex
ideni palertpie ego. opern i^iquidem vms rnea, diitsolubilia natura, me tameii
ita vütentc indissolubilia. Alanu^ lieät ohne jeden Skru]>el diristlidie An-
.■ichnuungen in den Timaeus hinein. Kichtig iiileij^retierl die Stelle Abae-
lurd (inlrod. ad Iheut. I. IG- Migne 178, UUn A) um) spater Thonius (S.
Iheul. I, q. '*K 0. 5. ad 2).
*) Keg. f>, ti^ii t: : Onuie liniilatuin alplia el oinegu jntelligi onine rreu-
tum, quod claudilur duubus lermJnit^ i. e. prinelpio el tine aulu vet natura.
Vgl. Awn. 2.
") Ebd.: l'nde Augusttnuü super flenesim (De gen. ad litt, tili iin)jerf.
c. 12, n. äti, t. III, 1, Migne 31, 2.15) ait ; Omnein creaturani habere mane
et ve^tperc i. e. prini'ipium et lincin saltera natura. Die Stelle ist wiederum
nur dem Sinne nach cittcrt.
*) Reg. *», *J25 C, 626 A : Sola nionas est . . . sine alpha el umega.
*) C. H. I, 5, 3U) D: iiividus non fuit. bonitalis cnim summae Tuil,
qu(»l mundum fecit.
•) A. f. II, 4, fiOr> D.
*) Timaeus 2!f E (ed. Wrobel, S. 2C): ab optitno porro invldia longe
Bttitrage II. I. Bau mg artnc r. Alnuu» d« lutmÜM. 9**
IAH Alanus de InSulis.
Denkoni aller Jahrhuiidorle synipathisch begrüßten Gedanken
nimmt Alanus zum Ausgangspmikt einer kühnen Deduktion
des (leschaffenen. Wie er die Bestimmnnjren des trftttlichen
Wesens aus B(»jrriffen abhMtet, so vei-suclit er in fdinlicher VVeise
die Welt in ihren hervorragfendsten Bestandteilen begrifflich zu
konstruieren.
Zunächst wii-d aus dem Bejrriff der j^öttlichen charitas
die Eivchaff'unjf des spiritus rationalis de(Uiziert, freilich nieht
mit absoluter Nolwemlijrk<»it. sondern, wie schon die Ausdrücke
oiKirtuil. debuit besiijren. mittelst sogenannter Congruenzbeweise.
Dir Mitl('ils;nuk(Mt der jröttHchen Lirlie erfordert die ErsebafTunjf
von auÜri-jr^ltHrbeu Wesen, welche an der (iflle Gottes, an sei-
ner WeishtMl nud Herrlichkeit Teil zu nelmien vermögen. Dies
shiil aber in ei-ster Linie die vernünftigen reinen Geislwesen,
die Kugel M.
In weiterer Folge wird rlas Dasein <ler materiellen Welt
abgeli'ilel. insofern ihre Existenz sich als notwendig enveist, um
der Ki-stliugssehOpfuug, den vernünftigen Geisleru die Möglichkeit
und tlie Veranlassung rlarzubielen, die Macht und Weisheit Gottes
zu fürchten und zu preisen, ihm hei der Wellregienmg zu die-
nen uritl aus der Erkenntnis so gewaltiger Dinge eine Erhöhung
der eigenen Herrlichkeit zu schöpfen -).
Gottes Güte erstreckt sich ferner auf alles. Allem, auch der
unvernünftigen Greatur, will er seine Glorie mitteilen. So
nuilJte endlich ein Wesen in die Existenz treten, das einerseits
fflhig ist, seine Herrlichkeit zu erfassen, also Vernunft besitzt,
andererseits aber die Eigentümlichkeit des pflanzlichen imd tie-
rischen Lebens in sicli vereinigt, der Mensch. Da es weiterhin
der göttlichen Herablassung eignet, das Geringste dem Höchsten
gleichzusetzen, so sollte die Bildung des Menschen aus dem gi»-
ringwertigsten Stoffe, aus der Erde, erfolgen, und damit die Ge-
sammtheit der Schöpfung zur Teihiahme an der göttlichen Herr-
lichkeit gelangen^).
relegata est. Itaque consequenler cuncla sui similia, prout cuiusiunque na-
tura capax beatituilinis esse polerat, efflci vdIuU.
') A. f. JI, 4, mt ]). — ") A. f. ir. fi, («T. H.
•) A. f, II. 12, 13, COT C ff.
V. Aliaclinitt. Tlieologie o<ler Lelire von der Gottheit. 139
b. Gott als cuiisa exemplurls.
Bezogen sich die vorangehenden Erörterungen auf Gott als
causa efficieus der Welt, so haben wir nunmehr die göllliche
Kausalität ins Auge zufassen, insofern sie als causa formalis')
oder, wie die späteren Scliolastiker, um jeder Verwechslung mit
der in die Dinge eingehenden Formalursache vorzubeugen, deut-
liclier sagten, als causa exemplaris der Weltdinge erseheint-). /
Plato bot auch hier den Anknüpfungspunkt für die christ- J
liclic Spekulation, welche schon in der Väterzeit die Umwand-
lung der platonischen Ideen in die götlichcn Gedanken sicli
zu eigen machte, um so mehr, als diese Lehre des späteren Pla-
lonismus sich aufs beste mit dem christlichen Dogma von dem
göttlichen Logos vereinbaren licü. Schon bei einer anderen
Gelegenheit haben wir die wichtigsten Autoren namliafl ge-
macht'), welche den umgedeuteten platonischen Gedanken aufs
Mittelalter überleiteten, wo er mit begreiflicher Einmütigkeit von
der Scholastik aller Jahrhunderte als ein unveräußerliches Be-
standstück in ihr philosophisches System eingerückt wurde.
Was der Magister von Lille über die Gottheit als causa
exemplaris lehrt, ist dem Inhalte nach nur eine bleue Repro-
duktion der allgemein herrschenden Ansicht. Die göttliche '
Weisheit, der Nous, trägt von Ewigkeit her den Wcllplan !
das Urbild der Schöpfung, den Typus und die Urform der Welt '
in seinem Geiste als verbum mentale, als geistige Welt, nach
dereji Vorbild die sinnenfällige, irdische geschaffen wurde *). Die
(Jolllieit ist die Form der Formen •'•), der Quell, aus welchem
der Strom der den Dingen inhärierenden Formen sich ergielit "),
') Anticl. ii3it A: Formalis, dum pingis eam.
*) Vgl. üben S. 68. — ") Siehe oben S. 54.
*) i)isl. Htiii ß: Mundus dicitur sapientia dei. iuxta quam mundus
factus osL , <iuac a pruphelis dicitur archetypu!« inuitdus t|Uasi prinri[)alis
inuiidi tigura, unde Boßthius:
Pulchrum pulclierrimus ipse
Hundum mente gerens.
Vgl. Hoelhius (conool. III, melr. II, ed. Peiper, S. 71, v. 7). Siehe Dist.
7!«; ('.; de pl n. 447 C, 4r.3 B; Anticl. KU D.
") Reg. 03, G5I V.: Prima substanlia . . ., quac est lorma fnrmarum.
") Anticl. 4JIH C:
Quuliter a fönte formarum rivus aberrans
higenitum perdit subiecti labe nitorem.
140
Alanus Ae Influlia.
ilii> hinimli^clie IiIpo. welche <Üe irtliscbcn Formen <Tzeiigl imt\
sie uach dem Exil des Knikreises scliickt '). In Anbetracht die-
ser unzweideulijren Aussprüche erweist äkh die Behauptung
!liiiiri'uu'> ■), AUnus habe die Idi*en als selbstständi^'e Wesen
aufterhulb iles grittlichen Geistes ajigesehen, als Villlg unhalllmr.
Weder in irgend einer andern Sclunfl, nocli im Anli(>lau<lian. auf
welchen Haureau allein sich stützt, hat der Schobstiker diese
Anscliauung als seine philosophische Lehre vorgetragen. Keine
vinxit^ Stolle des groben Gediclites laut sich hicfHr mit Grund
anführten. Wenn die Prudentia venniltelsl eines Spiegels im
|*alasle dt*s ewigen K(*>ni^s dir nngi'wordenen Ideen schaut ■*),
wenn ferner gelfgenlli<:h dir Krscharrung drr Seele der Nous
unter den Ideen der iibpi(?en Dinge jene der Seele mit Mfdie
licrwussueltl *) — Schilderungen, die Haureau-) zur Bestätigung
jimner Ansichl aufgrcifl — , so dienl hier die VerselJ)slständigung
der Ideen den» rein diclitiTisihcn Interesse der aiiscbauliciien
') Anticl. 4!W C:
Quoroodu [«rrestrein fonnaiti cuelesliit iJcii
Gi^nit et in DctsLruni 5obulem Iraosscribil abyssum,
HUtit in pxüilium formal, (|u»»t deslinat arbi.
») Hisl. Je la pliili«. »cul., I, S. 'vll, 527.
V Autirl. :4i A.
<) Ebd. : M« B If. Siehe oben S. m.
^) Huuri'au, ». »■ O., S. :V;o, In <ler erslen Ausgabe seiner GescUictile
0er scbolafitistlien IMiilosophie (De la pliilosnijhie »x-ulastiriue , Paris IHTiO, I.
S. 3r»I0 suchle Haureau <tip in den AiiUcI. bineinijelesene Ideeiilehre Plii-
lo's durch die Einwirkung des Irber de causis zu crtlären. Alleiu al»-
gMelien von den TrOher (S. !>5> Ct.) erwähnten fliuten . lAfit sich bei
Alanus nicht die mindeste Spur eines tierer gehenden Eindusseä von
Seite jenes Uuches nachweisen, wie schon Hnrdenhewer (Die p<;eudo-
uri«loteliscbe Schrifl über das reine Gute, S. 21t) gegen Haureiiu mit
Refill geltend machte. Übrigens hatte der letztere in der Neubeaibeitung
seines Werkes (vorn Jahre 1.^72) seine IVQhero den über de causis 1>g-
treffende Behauptung nicht mehr wiederholt. — Anders dagegen die
neueste Monographie fll>er Oilherlus Forretanus (A. Herth^ud, Gil-
bert de la Porree et su phllosuphie . Poiticrs 181*2) , eine wenig gründ*
liclie Arbeil , die nicht einmal Hard^nhewer's genaue rntersuchungen
Ober den über de causis kennt und inffilge dieser Unkenntnis sieb vergeb-
liche Unhe mucbt , die Redaktion dvsseltien dem Bischuf von PoiUera zozu-
weisen. Berthuud (a. a. Ü., S. Ul) ünJi^t in gewissen Stelleu des Anli.
claudian den Heflex der I^bre des liber de causi^, uliein er unterl&fit
ejt wohlwei><lJch , diese genauer anzugeben. W'ua er als den Inhalt des Anli-
rlaudian beiieichnct^ ist vAlhg unr-utrefTend-
V. Abschnitt. Theologie oder Lehre von der Gottheit. 141
Darstellung '), ein poOtiselios Verfahren, welches mit der Lehre
des Philosophen nicht verwechselt werden darf.
c. Gott hIs cuush HmiÜH.
Die dritte Art der Ursächlichkeit, welclie Gott den Dingen
gegenüber zukommt, ist die der causa finalis. Gott ist die Final-
ursaclie der Welldinge, indem er das Sein derselben crhrüt,
ihnen eine bestimmte Gren/c des Seins setzt-). Er ist femer
causu iiiuilis als das Ziel des Strebens aller Kreaturen, der
vernünftigen wie der unvernünftigen. Alles strebt nach der Ein-
heit als seinem obersten und letzten Ziel und dadurch nach der
göttlichen Monas, von welcher die geschafifene Einheit stammt ^).
Bei den unvernünftigen Geschöpfen, bei den Tieren, Pflan-
zen, bei den unbelebten Gebilden, wie den Steinen, äußert sich
dieses Bestreben darin, daß sie die Einheil ihres Wesens zu er-
halten suchen und von Natur aus jeder Teilung und Trennung
sich widersetzen^). Den vernünftigen Kreaturen dagegen, den
Engeln und den Mensclien, wohnt nicht bloß dieses natürliche,
unbewußte Streben nach der Gottheit inne; vermöge ihrer Ver-
nunft erstreben sie Gott, ihren Vater, in bewußter Weise, durch
Erkeimlnis und Liebe, durch die Richtung aller Thätigkeiten aut
ihn, als das Ziel ihrer eigenen Glückseligkeit und als den Ge-
genstund ihres höchsten Lohnes '). Noch in etwas anderem
') Vgl. auch ob?n S. HH, Anni. 2.
-') Anlicl. 'iSb A : Finalis, in esse
Dum rem conservans certo sub fine coarcbis.
'') Ke^;. 5, (>2ö C : omnem rem ah illa esse monade in eu , quud una
nunicru est; et sie sola monas est alpha et ome^a , omniuiu rerum princi-
piuin et linis . . . Oninia etiam teudunt ad unum i. e. ad supremum finem.
Der letztere Sil tz ohne die erklärende Beifügung findet sii-h wörtlich in Gun-
disulvTs über de unilate (ed. Correns, S.4,lti — 11): ideoomniaud unum ten-
dunt) und hat seine Quelle in Boethius (consul. 111, prosa II, eü. Peiper,
S. 8U, V. 102): Omnia igilur, inquit, unum desiderant. Er ist hei Gundi-
saivi zwischen die S. liU, Anm. 2 angeführten Stellen aus Avencebrol's
Föns vitae eingeschoben.
*) Ebd. 62;') D: Irrationalis enim crealura, de qua minus videretur, ut
hruta animalia, imo insensata, ut herhae et arbores, et etiam inaniinata, ut
lapides, naturaliter ad unum tendunt et in quantum possunt, sectioni et di-
visioiii resistunt Der Passus^giebt kurz die von Boethius (in Gonsol. 111,
prosa 11, ed. Peiper, S. 78 ff., v. 30—78) vorgetragenen Gedanken wieder.
^) Reg. ti, 627 A : Ex fine igilur sola ratiunalis crealura bona est, quae
nun Eoluni naturaliter ad deum lendit, verum etiam ipsum tamquam patreir
112 Alanus de Insulis.
Sinne bezeiduinl Alanus die Goltiieil als die causa flnalk dpr
Dinge. Insolrni riäriilidi alle Dinge die Teilnahme an dvr gölt-
litlu-n CJütc zürn Ziel und Zwecke Jiabrn, ist dii* bonitus dei
iiiri* Finalnrsaclie '). Inloli^c dessen sind auHi alle Dinge gwl,
soweit sie sind-). Sie haben alle ilireti L'rspruntr, jla.s Sein, aus
der höclislen Gütc^. Wfihrorid aber die unvemünlligen Geseliöpre
nur ^ul sind ab alpha, nur durcli ihren llr-spruni? an der ^'öU-
lielien Ciüiii paHicipieren. iM dit^ vernfuiUrtre Kreatur gut ex
alpha ul ameij'a oder ex line. Sie nimmt nicht blot au
der gfitl liehen (tülf* Teil dun-h flir natürliches Sein, sondern sie
erelruht diescihr aurli in li^i-kenulni^ mnl Liebe als ihr lelzleü
Ziel'L
Die philosophisclie tiotleslehre des Alanus do Insu-
lis umtaiat alle wesentlichen y*nnkte nnd Krajrcn. welche von
iler Scholastik des 12, Jahrliunderlsi behandelt zu weixlen
pnegten. In knapji fonnuliertcn SitlziMi, in ebenso kum gehaltL*-
nen Syllogismen werden di<' Haupllehren Ober Gottes Da><'iii,
sein Wesen und sein V'erhfdtnis zur Welt vorgeführt. Der Ma-
gister zieht auch hier die Summe aus den Bestrebungen
seines Jahrhunderts. Neben Pseudo-Dionysius ist vor
allem Koelliius tonant'ebeiid. Pytiiagoreisierende Ideen
spielen bei der Spekulation über Gott und seine Dreipersönlich-
keit eine hervornigende Holle. In den Beweisen für die Trini-
tät, in der Ableitung der I3es!iimnijn^en des göttlichen Wesens
viLae nioribus colit , et mentis inlclligcntia recolU et Loto charitalia nisu , ut
sibi (Ictur in ]iiacm{uin. |>etit. Vgl. A. t, II, b, 4«i6 B: II, 15. tU)8 A.
') Reg. tilf. (K>li B : ]|r»a autent vuluntal« tiuctus oninia fecit, et ita
i'umi'libet rei finalis causa Itonitas dei est, et ita ({uodtibet Uonum.
') He^i;. I>8, H54 l^: Oniniii, imiuantuni Hiifit , Itun» üunL Diese Hegel,
liie van vielen geletirt al>er von wenjf^en verstanden werde, wie Alnnu» he-
merkt, bildet das Thema rles Itoi'lhiunisi-hen über iIp liebdomadibas oder
nquoTnudo substantiae in eo qunil sint bonae ^^tnl, cum nua sint subsLantiali«
bona- (ed. Peiper, S. ItiS ff.). Vgl. A. f. 11, 2, i»5 C.
') Heg. rS, 6ÖÖ C: Omnia , inquantum sunt, habenl esse a re, cuius est
üiummu ttonita!f. Et ul expressius dicatn , bitbitus essendi a bonu principio
[yniedicalur in hnc propositione.
*) Heg. 6, (>'Jti D : Kl sie omne creatuin aul est bonum ab alpha, i. e.
iiaturaliter particeps est bonitatis et hoc Imhcl a stio utKlore , aul ex alpha
et omega , ut rnlionalis rreatiirii , quae ad heatiludinem . <(aae finis esl oni-
niurp rcrum. (endlL Siehe S. 141, Anm. b.
V. Abscbnitt. Theologie oder Lehre von der Gottheit. 143
aus Begriffen, in der Construktion der wichtigsten Glieder der
geschaffenen Welt auf gleichfalls deduktivem Wege koinuit der
für das 12. Jahrhundert charakteristische Zug, alles zu dedu-
zieren, zum deutlichsten Ausdruck. Von direkten aristoteli-
schen Einflüssen sind die Ausführungen des Scholastikers noch frei.
Zwar wird der Begriff des unbewegten Bewegers, die Fassung
der Gottheit als immaterieller, absoluter Form verw^ertet, allein
diese aristotelischen Reminiscenzen entstammen der alten boö-
Ihianischen Tradition. Ihre volle Bedeutung erhalten sie erst
im folgenden Jahrhundert, wo auch die Gotteslehre durch
Einh"ilirung der Begriffe der aristotelischen Metaphysik ein
äußeres aristotelisches Gepräge erhält. Ihre Grundlage bilden
freilich - und hier noch mehr als auf irgend einem andern
Gebiet — die an Pseudo-Dionysius, Boethius, Augüstiu
sich anlehnenden Spekulationen der Vorzeil. Mit Ausnahme
d<T Trinität, welche aus dem Kreise der philosophischen Gottes-
lehre gänzlich ausgeschieden und der Vemunflerkenntnis ent-
zogen Avird, werden innerhalb des Rahmens der rationalen -
Theologie im ['^. Jahrhundert im Wesentlichen die gleichen Fra-
gen und Gegenstände behandelt, allerdings mit ungleich größerer ;
Breite, Gründlichkeit und Tiefe und in der Sprache der aristo-
telischen Terminologie.
Autorenregister.
145
Hugo von Rl. Victor G. 8. 14. 34,'.
42,8. 44,3. 4G. 50,1. i)& f. 70,4.5. 75,3.
8?,I. 84,'>. 96.Ö. 105. H)7,ß. 111.137,1-
Johannes Uamascenus 122,3.
Johannes Saresberiensis 11,4. 14. 19.
23. 25,1. 34,1.' 40. 42. 44,1. 52,6.
r)5,4.5. r)8,3. 01,2. C4. Gß, 70,5. 82.
!U,2. 94,4. 134,2.
Johannes Scotus Eriugena 9,1. 13. 27.
.%. fto. 92 f. 121,7. 127,4.5. 13:').
Isaak IsraPli 50.
Isaak von Stella 13,9. 91 f. lOT».
isidoiuB 4(j,l. .*>0. 72,3. 74.3. 137,1.
Lactantius lt.'>.
Hacrobius 54. 85,G.
Marlianus CapeÜa 7. 1(>,2.
Mercurius siehe Hernies Trisinegistus.
Biloses Maimoniüeis 11.
Nicuntachus 75.
Oilo von Camhrai 45,2. W. lO;"..
OriKenes 96,5.
Otto vor. St. Blasien 2,1.
rapia» 42. 45,2 f. TA 7(»,.5. 72.3. 88,2.
tu ,2.
Petrus Comeslor 11,5. 50,1. 70,5. 97,4.
Petrus üamiani 34,.5.
Petrus Lombardus ll/i. 27,1. 45. 50,1.
G75. 72,3. 96.11. 107. 10!t,5. 120,1.
130,2 131,3.
Petrus Piclaviensis 34,1. 40. 45,2 f.
ri*),l. 57,2. 107,2.4.
Philo 34,r.. M.
Plalo 9. 43,2. 48. iü. 70. 80 f. 96,5.
93. 103,1. lOH. 137. 139.
Porphyr 10.
Priscian 54.
Proflus 99.
Pythagoras 75.
Radulf de I^ngo Canipn 10,2.3. 75.2.
93,5.
Remigius von Auxerre IIA 40,1. 5<\1.
128,1.
Rhabanus Maurus 11,5. 50. 96.
Richard von St. Victor 8. 27,1. 31,1 f.
45.2. Kft. 111.
Roberlus PuHus 50,1. 107,2.
Holand ."U.
Schedel Hartmann 2,3.
Sedulius Scotus 115,4.
Spinoza 27.
Stoiker 56. 70. 81. 96,5.
Thierry von Chartres 8. 14 47,1. 6(J.
70. 80,2. 112. 114. 124. 120. 131.
Thomas von Aquin 22. :U,1. 38 42.
44 f. 63,3 f. (»,9 f. 72.3. 90. 109,5.
111.1. 117. 119,1. 12-».3.4. 124,1. l.S.\2.
Trithemius 2A
Vigilius Tapsensis 117.
Vincenz von Beauvais 101,3.
Virgil 99.
Walther von Sl. Victor 50,3.
Wilhelm von Auvergne 22. 100,1. 114,1.
Wilhelm von Champeaux 25.
Wilhelm von Conches 0. 9,1 T. 14.
I8-20A 39. 44.1. 49 f. 04. 06. 70.
75.3. 78. 80,2. 82,1. 83 f. l^2,3. M.
J>6,0. 104,1. 107,2.G. 131.
Wilhelm von Occam 38.
Wilhelm von Saint-Thierrv Iit,3. 50.3.
84,5. 88,2. 91,2. 94,4.
Wolff 27.
Zeno 10,3.
Die im Verlage der lMkea4«rfschen Buchhandlung in
MiHter L W. tascfaeinende SamniluDg von
DaistellTingeiL ans dem GeMete der niclit-
tiltristiliclLen Eeligioiisgescliiclite
•aeilt sich :ur Aul'ipibe. die Ergebnisse der religionsgeschichüichen
Korscüüiij^ untrer Tjge den «rKseo^chaillich Gebildeten zugäng-
leii 'tL -.iiacheii und d«;u ^tu«Üreu«ien zum Weitersludium auf dem
l>tfirvileiideti iiebitfie das nOtige Material an die Hand zu geben.
I>t'in .Cusaniuiefibaiig fwischen R^igton. Geschichte und
<.:uatn «;t^i ^««e iK^ntiere Beachtung schenken und auch diejc-
ii^«ii '*^-.*x^ ^tvr•ll iie nivhtcfaristitchen Glautiens- und Cultus-
o>u.<.ii v -^^ v'v^-K* u ludeiitum und Chnstentura darbieten, ge-
>v,ii.w^^. vk^^'-i'vuM jte^^u. ;edtM:h wüIkürUche Deutungen und
...j,.u..v9v '.>»<HV4««kt\Hw«t ^uiiisut^iich Temieiden.
. v.>*x :v«- M Aussteht genommenen [>ar5tennngen
« ;«. ■ .-. Ax: -:^^.^^v■^ *\i(t.\- Ut :£%cä bÜdeO.
>is V .:s.-,s<^« <'h«>. Kr^'tie*neus richtet sich nicht nach
.\\)\« "^.ix; t\« NtKuiutut)^ %-m ^m^n abgegeben.
IMMI* iMi4 »riTWilU 4»r alfrNi «MmnaumL \\r Dr. IL Mogk,
ü>WSr*NI*»S**«^**Ä#r. Vvm Lh-. W. Schneider. Padeffoom.
»••I^rtal *» Wtawr. Von Dr. Erail Aust in rrankfurta.M.
»I»^» *» ^ir«w^llWL Von Dr. Paul Wetzel, Gvmnasial-
ObMMrer in Breslau.
i MIltM»»: l Teil C«iAieiu »d seiie Lehre. -
U, Tfü. IiM-tse ud der Tmisbu. Von Dr. Rudolf
lltorak. Professor a d. k. k. böhm. Univere. Prag.
^ iu Av«t* von Dr. W. bang. Professor an der
DlliilL Löwen.
r BabyUu'er and Assyrer. Von S. Arthur
M. A. in Cambridge.
Darstellimgeii nii8 dein Gebiete der nichtchrist-
llclien Religions^eschlclite^
Erschienen sind bislier :
Band I: Der Butldhismas Dach Ulteren PAIi -Werken. Darge-
stellt von Dr. Kdmund Hardy, ao. Professor an der
Universität Freiburg i. B. Nebst einer Karte „Das heilige
Land des Buddhismus". V'III und IfiS Seiten. Preis ge-
heftet Mk. 2,75, gebd. in I.einwancJband Mk. 3,50.
Band 11 : Volksglaube uud religil>8er Urauch der SQdfllaven.
Vorwiegend nach eigenen Kmiilllungen von Dr. Friedrich
S. Krauss. XVI u. 110 H, Preis geheftet Mk. 3, gebd.
in Leinwandband Mk. 3,75.
Band III: Die Keli^inn der alten Ägypter. Durgestellt von Dr.
A. Wiedemunn. IV ii. 170 S. Prois geheftet Mk. 2,75.
gebd. in Leinwandband Mk. 3,50.
Hand IV : Volksglaube aud religiöser Brandt der Zigeuner.
Dargestellt vun Dr. M e i n r i c li v. W 1 i s 1 ac k i. XV I ii.
184 S. Preis geheftet Mk. 3, gebd. in Leinwandband
Mk. »,75.
Band V/VI : Die Religion der afrikanischen Natarv51k«r. Darge-
stellt von Dr. W. Schneider. XII u. 284 S. Preis geh.
Mk. 4,50, geb. in Leinwandband Mk. 5,50,
Band VII: Mobanmed. LTeil: Das Leben. Von Dr. H. Griunne,
Professor an der Universität Freiburg i. Schw. Mit
Plänen von Mekka und Medina. XII u. 168 S. Preis geh.
Mk. 2,75, gebd. in Leinwand Mk. :i,50.
Band VIII: Volksglaube und religiöser Brauch der Magyaren.
Von Dr. II. von Wlislocki. XVI und 172 Seiten.
Preis geh. Mk. a, gbd. in Lwbd. Mk. 3,75.
Band IX/X: Die veilisüh-brahmanische Periode der Religion des
alten Indiens von Dr. E d m und 1 lu r d y, ao. Professor
an der Universität Freiburg i. B. VIII u. 250 S. Preis
geh. Mk. 4, geb. in Lwbd. Mk. 5.
Band XI: Mohammed. II. Teil: Einleitung in den Koran, System
der koraniscben Ttieologie. Von Dr. II. Grimme, Professor
an der UniversitAI Freiburg i. d. Schw. XÜ u. 188 Seiten.
Mit 2 Ansichten der Städte Mekka und Medina in Licht-
druck. Preis geh. Mk. 3,50, in Lwbd. Mk. 4,25.
Band XII: Chinas Religionen. I. Teil: Confnclus nnd seine Lehre.
Von Dr. Uudolf Dvo'räk. Professor der orientalischen
Philologie. Vin und 244 Seiten. Preis geh. Mk. 4, in
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Verlag der Aschendorffsctien Buchhandlung. Monster i.
Baeuraker, Cl., Prof. Dr,, Das Problem der Materie in
der griechischen Philosophie. Eine Iiislorisch-kriti-
st-lic rntcrsiicliiint:. XVI n. i:U\ Srilen pr. H. t:2 M,
Liter. Cenlmlhl. Lelpzlir. Da<^ Wei-k ist eine golelirto, durclutu«
selbslfl ndige A rbej t, «Jie nirgt-uiU iiuT der <) licrflAclie, weder iu
iler (lesrhii-hllichet) Fursdiuiig , noch in der ßeurteiliini; bleibt, uuf «los
Wcsenllirhp stet» duä Auijeimierk richtet und sich in EinzeliiuterBucliuiigfn
. . . nicht verlierl.
Liter. Oiili-albl. Wloii. W.is das vortiegetide Werk wII-kI bftrilTl, w»
(TsciHMiil es als piiii> wissensehöfllirhp Lftistun^' ersten Unn^^eit.
ZeltHchrin fUr lMilIoso|d)l<'. Ilallp. Iriler den neupslen Kiir>rliung*n,
wt'lrtie die antike IMiilnsopliiL- hetrelTen, ist das vorlieg'*nde Werk «irbun wr-
f;en der W:tbl seinen ÜlülTt-s hL'mifrkenswerl , dessen zusammenbringende
>»irslellun},' st-hun lnii(i;e niri Ueilurrnis war. Die l'nttTsueliung beruht Jiuf
yrrindlicher Hrherrsrhurit' de« MJllori:^l^i und einplieblt •a'wU besonder« dundi
die eini;eliende .inulytiiJi-he Liehundhing , der es die verschiedenen Kasüunupn
ile-s Prcdileiiiü uuleizieht , .siiwie tJundi tljis Be.-ttrebtMi nacli geneiischcni Vter-
sbin'inis ileryelhen vertnillelsl d-r Auf'vveisung der für sie in den vurange-
|j;.int,'ent'n Lelsluii/cn luitivirk'^iinien Momente.
Nene phlluloitr. Iliiniisrhfiii. <<otlm. Das vorliegende Werk dc<: Brcs-
laiUN- (t*'l<'t!iti'i] luil diu Hfilall, tliMi i's ullseitijr gefunden, uti>eres Kmrblen-
viilliuif verdicnl; suwuhl A'u^ '.'I^cnHifhc piiüosophiiH'bc, toxlkritiscbi». wie dir
darnuf aufbimende, gest-liit-htliche und pbil(>äopbi»(.-be llnler<>uchuiit' und
Wflribi^iMit,' des ^tewunnenen Materials ist tdicnso zu rühmen . wie die :in-
Sfhaidl'-be , viin nllen filiertlfissigen Krenidworlen und jirunkpiiden l'hra*-cn
freie Dan'teUung . . . Das Werk, (bis in w^eiteni rmfin^e die neuei^t« Litt«r;i*
tur. Helbst bis auf kleinere Arbeiten hcrub, henieki>itdilit{t, wird in den Fach-
kreisen sich jcdenfulls bald einhOrKern.
Stimmen »us Marlu Laavli. Mit Fleiss und Scharfsinn forseht der
Verfasser nsth den AutTasjsun^en dfir versehiedenen Schulen in ilen Werten
und ItesliMi von Werken ilircr Hiiu|ilverlreter. Ohne dass diidunit der Khiss
cter Darstellung ins Stnuen t^eriete , bietet das Werk doch die reichste Fülle
krili-'4(-heri Material!« und ernu^x^'^hl es so liein l^ever, durch eigene Prüluug
sich ein ?elb>trindiges l'rLeil zu hilden. (iclegentüche Blicke auf die neueren
S<-hnlen und kurze Vei^deiehe aller Auffasisiungen mit modernen Ideen ei^
hohen das Anziehende der Dan^lellunt'.
Plillos. Muiintshelte. Ilehlelhcrs:. ... Mil- dipsen Bemerkungen müsse«
genug sfin. Ki"<nnen sir den reichen Inhiill des Buches hei weitem nirhi
er.*<rhiVpfpn, so milgen >ie doch den Zweck erfdllen, zu eingehenderer Prüfung
hier und da anzureycii. Die sorgfältige !^usiinuiiuntragung dea JHuteiiul» ver-
dient aid" hUp Källe den Dank aller für den Gciten><tHn'r Interessierten und
verleiht dem Werke einen Wert, der von der detinitiven Ealscheidung ril»er
eine Beihe streitiger Einzcllragen unabhätiyig isl.
Zeltsehrllt für kulh. Theolojzlo. Innsbnit-k. (Clemens ßaeumker
bietet in der vorliegenden liislnriscli-kritischea L'ntcrsuehuni: zum enslen Male
eine die Ge8amtenlwit:kelung im Zugatutuenhange verfolgende DarsteUuiig
des Problems der iMalerie in der grieehi.schen rhilojiopbie. Da iler Beg^rilT
der Materie von fundaitieiitaler Hetienlung is*t für die Nalnrpbil<tsophie und
von hier aus tief in andere Diseiplinea und nicht am wenigsten in die
Theologie eingreift, so dürfte dieses Werk auch in Iheologischen Kreisen ein
besonderes Interesse erwecken, das es nuch reichlich belohnen wird. Denn
allseitige Beherrschung des immensen SlofTe^. verbunden mit gt^nauer Kennl-
uis und umsichtiger Benutzung aller bezüglichen Arbeiten neuerer (jelehrtea,
grosser speculaliver Scharfldicic und ver.'^trtndni^rnlle.« Ein'^eben auf die Ideen
der alten Denker, dnzu reiche Kenntnisse in allen ein?>cblilgigen Wissens-
zweigen haben eti dem Veifas^er eruiüglif^rht, t<«ine po schwierige Aufgolie im
'lanxen gbinzend zu If^scn und die Wiäsenscbalt mit einem Werke von bü-
hem, dauernden) Werte zu bereiibern.
BEITRÄGE ZUR GESCHICHTE DER PHILOSOPl
TEXTE UND INTERSIICHIINGEN.
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. CLEMENS BAEUMKER.
O. ö. FBOFESSOB AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU.
UND
DR. GEORG PRETH. VON HERTLING,
O. ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
BAND IL HEFT V.
DR. AI.BINO TVAGY, DIE PHILOSOPH tSCHE»f ABHANDLÜNGEI»*-
DE8 Jä'QÜB BEN ISHÄQ AL-KINDI. ZUM EBBTEN wat.e^
HERAÜSOEGEBEN.
-^»^OPÄftVC^«'^-
MÜBfSTEB 1897.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSCHEN BUCHHANDLUNG.
DIE
PHILOSOPHISCHEN ABHANDLUNGEN
DES
JA'QFB BEI ISHÄQ
AL EINDI.
ZUM ERSTEH MILE HERIUSGEGEBEN
VON
Dr. ALBINO NAGY.
*:'-NKD'>*^**fe^XI>r^=«
Abr
VJ..
MturSTSB 1897.
DRUCK UND VERLAG DER ASCHENDORFFSCHRN BUCHHANI)LUN(^
Einleitung.
1. Arabische Originaltexte, — H. Die lateinischen Übersetzungen. —
III. Der Traktat de intellectu*. — IV. Der Traktat ,de somno et uisione".
— V. Der Traktat „de quinque «sentiis**. — VI. Der ,liber introductorius in*
artem logicae demonstrutionis". — VII. Die handscbrifthcbe Überlieferung
un<] die vorliegende Ausgabe.
I.
Die vier nachfolgenden Abhandlungen, welche bis jetzt
uncdiert geblieben waren, werden dem arabischen Philosophen
Ja*qub ben Ishäq al-Kindl, *) der im neunten Jahrhunderte
n. Chr. lebte, zugeschrieben; und zwar werden die drei ersten
als von ihm verfaßt , die letzte als ein von seinem Schüler
Muhammad zusammengesetztes Buch angegeben.
Wir haben genügende Gründe, um die beiden Schriften
^tle intellectu" und „de somno et uisione*^ als authentisch an-
zusehen.
Dafür spricht zunächst, daß die Titel derselben in den
Listen der Werke al-Kindl's, welche uns Muhammad ben
Ishäq al-Nadlm, ihn al-Qifti und ihn abi U§aibi'a über-
liefert haben, sich vorfinden. Der Titel der Schrift „de inteUectu"
lautet: ^)
') Quellenangaben in meiner Note: S^le opere di Ja^gäb ben Ishäq
al-Kindi in den Rendiconti della R. Accademia dei Lincei. Vol. IV, fascicolo
3, 1805. Eine zweite (Schlufi) Note wird bald erscheinen.
>) Ebendas. S.8, n" 20 (al-Nadim n» 22, Qifti n* 15, I. a. U?aibi'a
n" 20) Casiri, B. I, S. SrS: de intellectus essentia. Flflgel, Alkindi, S.
21: Abhandlung über das Wesen der Vernunft und die klare Enlwickelung
VI Al-Kindfs pfailowphtscbe Abliuid langen.
Ki£. Kii^^L Übt.' <LhJwC ^ v^Lw...
„Üendnehrtiben über da» Weisen den IrUeUeJä-is und neine Auineimim'
dersetzung'* ; der des Traktates „de somno et umone" : *)
„Abhandlung über die L'nsache des Schlafes und des Traumes umd
[über das] was die Seele in ihm anzeigt (eig. einen Wink mit
den Äugen gibt/.
Zweitens wird in der Liste der Bücher, welche Gerhard
von Cremona aus dem Arabischen übersetzte, ein Über iacob
alkindi de soptio (für: st'.pno) et uisione — nä)st dem Liber
Mindi de quin^ue essentiis — ausdrücklich erwähnt. *)
Drittens stimmen die Überschriften der ältesten noch er-
haltenen lateinischen Handschriften mit den arabischen Titeln
vollkommen überein. (VergL S. XV, XXU.)
Was viertens die inneren Gründe anlangt, so ist unleugbar,
daß die fraglichen Aufsätze alle die charakteristischen Merkmale
an sich tragen, welche Zeit und Ort ihrer angeblichen Entste-
hung uns erwarten lassen.
Schwieriger verhält sich die Sache mit den zwei übrigen
Abhandlungen.
In den Registern von al-Kindl's Werken findet sich der
Titel: »)
„Das Buch seines Sendschreibens über die fünf Worte" , welcher
dessen was sie ist. Hammer, Literaturgeschühlf, B. III, S. 243: Das Buch
von der Wesenheit der Vernunft und ihrer Auseinandersetzung. — Ein Dop-
pelgänger ißt der abgekürzte Titel n" 2ll>: JJuJi j*i. ^ tü^Sl^j ^JjJ"
(al-Nadlm n* 181, Qifti n" 156, I. a. U?aibi'a n» 207), Flügel, S. 31:
Abhandlung über das Wesen des Vorstandes (ües: Verstandes). Hammer,
S. S48: Abhandlung von der Vernunft. Casiri, S. 356, col. 1: de intellectu.
>) Sülle opere di Ja'qüb ben hhäq alKindi S. 14, n" 202 {Fihrist n* 169.
Qirti n' 143, I. a. U^aibi'a n" 194). Flügel. S. 31 n" 188: Abhandlung
über die Ursacbe des Schlafes und des Traumes und über das, was die Seele
gelieimnisvoU anzeigt. Hummer, S. 248 n° 172: Abhandlung über die Ur-
sache des Schlafes und der Trftume. Gastri S. 355 col 2: De somni et
aomniorum cau!*a.
') Boncompagni, Del/a vita e delie opere di Gherardo Cnmonese,
Rom, 1861, 8. 6.
i) SuUe optre etc. 8. 9, n» 83. Fthriat n<> 29, QifU n<> 21.
Kinleilung. ^^^^V VII
bei U^aibi'a ') erweitert lautet:
„Abhanfflung über die fünf jedem Prüdikuwenk zustehenden Xamrn*',
Casiri ■) und Hammer') bringen ihn mit dem aristoteli-
schen Organon in ZLisamnienbang. Der erste übersetzt näm-
lich: f,de ffuinque profdiatmeiitin seu de Äristoteli^ Orffano**. Der
zweite fügt dem Titel die Worte: „d^js ist das Onjanmi d^s Ari-
^ffoteles" hinzu. Sie geben jedocli keinen (irund dafür an. Wahr-
scheinlich machen sie den Zusatz lediglich svegen der ^>yy.u
= y.aTijyonini , die an das gleithnaniige aristotelische Bucli
erinnern. Flügel *) setzt ihn mit den „tiuhtffw iwces'' des
Porphyrins in Beziehung. Jedoch augenscheinlich mit Unrecht,
denn die Cbcrschrilten : ■)
^Abhandiung über die zehn Katef/orieti'^ und ")
„Aiiftzug des Buches der Einriyroyt] des Forphf/rtus'^ deuten auf
zwei besondere Abhandlungen über jene Themen hin. An Dop-
pelgänger ist kaum zu ilenkcn ; denn dieselben befinden sich ge-
wöhnlich entweder pfanz nahe bei oder in einer gewissen Entfernung
von einander. In uriserem Falle aber sind sie als Numero S5,
äO resp. 32 eingetragen.
Das Wort 'U—I (Plural von ^) , welches Usai-
bi'a, vielleicht um die Abhandlung von den ubigen schär-
fer zu unterscheiden , statt jjj\^ anwendet ~ wenn nicht
*) Usaibi*a n* 31.
') Casiri. S. 353 col. 2.
••) Hammer, S. 213.
') FlOgfil. S. 22 n" 3>: ,Älihandluag über die fflnf Worlc oder Kalc-
goreme (rrädtcabiUen)' — und in der Note -18: -- «]. i. 1. -Tirpi yhovs; 2.
.iiqI rXhovi 3, -Tfpt !itQq-ogns 4. TtfQi Idloi' 5. .Tfpi ovfißeßt}x6io^ . Vgl. des
Porphyrius Klnnyutyij [tic täc 'jQiattniß.ovi xatfjyOQiacJ .ttul zmv .tevtt (foivösv
(de ijuinque vocibus s. in catcgorias Ärislolclis inlroiluclio) d. i. Die Porj^iiy-
rioniscben Prädikahilien oder die rctnf Namen, die jetler der zehn Kategorien
beigelegt werden.
») SuUe opert etc. S. 9. n" 2* {Fthnst n» 25, QifM n'' IH . U^aibi'a
n" 27, Flügel n*- 28. Hammer n* SiJ).
■) Suiie optrt etc. S. t) n*> 3& (U^aibi'a nV23. FUgel ii* 25, Ham-
mer n" 23).
VIII Al-Kindrs philoaophMrhe Abliandlungen.
einfach , wie mir höchst wahrscheinlich ist , «U-Äf , Sachen*
zu lesen ist ^) — dürfte sich wohl auf das benannte Ding be-
beziehen. Vgl. K*^ = .Natur*. Dann erklfirt sich gleich
die lateinische fiberschrift „de quinqtte ensentiit" , wenn man sie
mit der Stelle des Textes „Res auteni quae sunt in omnibus
substantiis, sunt quinque" vergleicht. Soviel über den Titel. -)
Beachtung vertlient auch ein anderer Umstand, die Stellung
des obigen Titels in den arabischen Katalogen. Er findet sich
n&mlicb unmittelbar vor dem: ")
„Affhunälutiff aber (he jtht/siurhe Anhörung {f/votnij dxndfwtsjt'*
Nun werden wir später sehen, dali die Abhandlung „de quinque
esBentiis" in der That hauptsächlich Excerpte aus diesem Werke
enthält. Demnach kombiniere ich beide Titel 32. und :J:3. zu
einem einzigen, in dem fJberschrill und Inhalt der Abhandlung
angegeben wird.
Unmittelbar vor den soeben besprochenen Titeln steht in
der Liste der Werke al-Kindl's der andere: *)
„Kurze und zummmenge,ie(zie Abhandlung über den logischen Be-
weis*^ — die Bücher vom Beweis sind bekanntlich die äralvxtxa
*) Vergleiche die "l*-^! :<..-»-^- d*rr Ihwän aljaß S. 27, -und
des al-Ja'qübi (Houtsma, Chronik dt* Ibn Wädih al-Ja'qäbl, Luiden, 1883.
S. 14äj.
«) Der Tilel n" 8» A>.lj }S Ujül'I ,,,*-.»*j U*3 ?aiL-*^ v^^
yffLjü'l J\ rn* -^.i) u:'l< v-i"t ^1 ^^ ^Abhandiung über da«, was die Alttn
ton eitiftn jeden einzelnen der fünf Kvrper den uraprünglidten SHbatansen
beilrgteu'^ — darf niclil irreleiten. Oau Woit ^\.»^^r^-A , Plural von
& - _ *
***oc^ ist ein technischer Ausdruck fnr die geometrisclien Körper. Frey-
lag, T, 1, S. 278 col. 2: .sülidus', .terna constantedimensione". Dozy« Sup*
f^^ment^ T. I, S. 11)5: ,en relief ... T. de Mnthöm. : solide, corps d trois di*
meniiions''. In der Vorrede des Hypsikles zum XV. Buche des Kuklides wer-
den als die „quinque curpora (^s»%*..«Jir,|l v:i;L.»^.y ♦.'!)" Tetraeder. Kubas
u. s. w. genannt lin Cod. Budl. 279^ in 4". Nico 11 S. 259 col. 2).
") Sülle opereatc. S. 9 n» 34(fVAW«(n'»30, Qirti n" 2A. U^aibi'a n» 32,
Flügel n" 33, Hainmer n« 31).
•) Ebenda, n« 32 {Fihriat n" 28, Qifji n" 22, U^aibi'a n» 80. Flü-
gel n" 31, Hammer n" 29),
Einicilunfr*
Ttgöie^a. Das entspricht gewissermaßen wohl dem Titel : „libf-r
introductorius in artem loffictte (iemonfttratimüs" , jedoch soll dieser
von seinem angeblichen Schüler Mul.iammad , „Machomet" , zu-
saiiimen^esttjHle Lehren cnlhaltcii.
Wer ist dieser Muhammad:'
Der Name und die Angabe ^Schrdef al-KimUs" ^) dürllon
wohl auf den bemhmten abü Nasr Muhammad ben Mu-
hammad al-Fär;lbl passen, der wirklich längere Zeit in BapdAd
zubrachte und studierte , wo al-Kindl kurze Zeil vortifr gelebt
hatte. Jedoch stehen dem Bedenken entgegen. Al-Färfibi's Bio-
graphen berichten:') ,Er (ul-Farfibll verließ seine Vaterstadt,
in welcher er aufgezogen wanl, und kam auf seinen Reisen nach
Bagdad; nicht nur der türkischon , sondern auch anderer Spra-
chen kundig, verlegte er sich zu Bagdad aufs Arabische und
dann auf philosuphiöchc Studien. Uatnais las zu Bagdad der
greise Philosoph abü-Bi^r MalU beti Ji'mus einer großen Anzaiil
von Zuhörern über Logik ^) und diktierte seinen Schülern den
Kommentar i^ber siebzig verschiedene Bfinde; in seinen Worten
klar und einfach , so daß er den tiefsten Sinn mit den leichte-
sten Worten vortrug. Einige Gelehrte sagen , daß vorzüglich
ihm al-Farnbl gleiches Vt^rdienst verdanke. Von Hagrlnd bfgal)
.sich dieser nach llarrln, wo Juljanna ben ^Julian, *) der christ-
liche Philosoph , Logik lehrte ; von HaiTän zurückgekehrt las
al-Färfibl über philosophische Wissenschaften , besonders alle
Bücher des Aristoteles ergründende." „Abü'l-Qflsim Sa'Id ben
Ahmad ben *abd-al-rahman ben $a*ld von Cordova sagt in
*) Von MubammHrl bpn Jazld Dubais, hd welchen BcrÜielol {!.a
Chimie au mayen Age. T. IM, Paris 18H3 S. 4) denkt, oder van dem Muham-
mad lien Müsä hen Öäkir (He Sacy Abdalla/if, S. 487), welcher einer seiner
biUetsten Feinde nar, kann, wie ich meine, kaum die Rede sein.
'/ kh rohre diese Stelle in der CberseLzuiig H»mmer*s an, B. IV.
S. 288-289.
') Wir besitzen noch abü Bi£r Malta's tlborsctzung der Analylica po-
sleriura und die KommenLare, welche al-Filräbi ilarilber ge^jchrieben hat.
Vgl. Wenrich, <U ttuctorum ffrarcorvm vereionibus u. s w. , Leipzig lS-i'2,
S. 132, 172.
*) Die Transscriplion ist ansicher, denn der Name wird in den Codices
uhwankend ,^i'^*i- ^^y)jj^ O*^*^ geschrieben.
i
^'i:»'» v'asät'". ler rhiiosopiiefl : al-Färäbl (der Philosoph der
Hiiä4ii!-..:i .>i-:'a^'.rwjse' äTäcierte die Logik unter Juhanna
xi L.:-.-. Ltr ■'! Soip'uld unter der Regierung des Chalifen
-.HU'.;-.:L'::r ^'■^Jür.vu. £r leitete alle Bekenner des Islams zum
\;-.' • : "^iumiiisH; :er L'?gik. indem er die Geheimnisse der-
7*.St : :•.» .L.tt> lad :fnduterte. und alle jene Punkte berührte,
w'v- .-.\:i!iÄ ■eraaL-hiässigt hatte, und die Anwendung der
k::... ^^ >n'. ailf vurionmienden Fälle lehrte. Er umfaüte das
^Äi:-.'. \ 5«<!>*.!iail:iohe System in seiner Aufzählung und Be-
..'i; uT \\"s«:*?asi:harten. Abu Nasr al-Füräbl machte sich
■.: Nue-'-'-^i .'aiä jveen Namen und veriaüte dort seine meisten
\ -N :aiiii -eistt? er nach Damaskus, ohne sich dort aufzu-
'. .:i.i. iiKt uii-h .V^ypten. Er selbst erzählt in seinen Werken
,; :t . Av»;iirtiinRskiuisl, datj er zu Bagdad Werke zu verfassen
\e.,i>uiKu iitvi dies*»iben zu Kairo vollendet habe."
.ihtitiUtt t^Ut der Studienaufenthalt al-Färäbl's in Bagdad
ii Avu Vriuit^ lies zehnten Jahrhunderts. ■) Dann aber ist
-«.it^v4<Ka vtrusuiietuneu, daß er in diesem Zeitraum in Bagdad
!.KSi<«MtiK-lt den aUKuuil gekannt habe. Denn derselbe starb
^citUMhcuilioU K^v^'" ^**** ^*^ *^^^' Nichts desto weniger dürfte
;ii*\ui\)i . ,\kT lr%»fflichste seiner Zeit und der einzige seines
iuhihutKkut*-» «uch zur Zeit von al-Färäbl's Aufenthalt in Bagdad
uvK^ v^aivu v:r\4iou blintluti ausgeübt haben. Wir dürfen als
Mwht^ e^tittvhtu^Hu vUi9 er mit den christlichen, des Griechischen
kjMhlvvit t'tt^rM^txoni, an deren Thätigkeit er selbst bedeutenden
Wllkvil iMhiM I lebhaften Verkehr unterhielt. -) Und wie seine
^i^t^lKv Alumd Um Mu*ta?im bi'Urih — einer der Söhne des
KlMfr^^ ^^^^ ^^^ ^^^^ besonders zugethan gewesen zu sein
«iMmIi wiv w dt(> nielirfach an ihn gerichteten Schriften bewei-
MMk mihI *IU»i il» Fil^rist citierten, Hamawaih, Nuftamawaih,
»jkkUMWAt^ und A|,unad al-Tabari, so waren auch die christ-
'ukaik UwhTvr KArAbl'H Fortsetzer seiner Spekulationen. Sein
IHM Vt\f tit ^1^1* venchied^en Übersetzungs- und Konimen-
» IMW «((tcl* ^l"^**** *'*"* UA^fHl des al-Rä^i (934—940), ^allän unter
^^n VUll^i H. ^ Vyl. Titel d* 289, an Jübannä ben Mäsawlab.
Einleitung. XI
tieningsarbeiten fort. ') Darauf beziehen sich die Zeilen des
schon genannten Abü'l qäsini von Gordova, welcher den durch
al-Farabl's Verdienst den al-Kindl'schen Arbeiten gegenüber ei>
zielten Fortschritt auseinandersetzt. Al-Kindl kann in mehreren
Hinsichten als der wahre Vorläufer des al-Färabi gellen, was
nicht nur aus der Ähnlichkeit mehrerer Titel von Schriften bei-
der , ^) sondern auch aus dem Vergleiche [paralleler Stellen in
al-Kindi's und al-Färflbl's Traktaten de intellectu hervorgeht;
woraus zugleich erhellt , daß mehrere bisher dem al-Färabi zu-
geschriebene Gedanken in der Thal dem al-Kindl zu vindicie-
ren sind.
In diesem Sinne kann al-Färäbl bdu-ekter Weise als
Schüler al-Kindl's betrachtet werden , und zwar als ein solcher,
der später seinen Lehrer übertraf und die Schriften desselben
verdrängte. ^)
Wenn also der „Über introductorius" ein von al-Färftbl in
seinen Jugendjahren, unter dem Einfluß der al-Kindl'schen Werke,
in Bagdad entstandenes und — vielleicht später in Kairo —
zusammengesetztes Buch ist, so dürfte dasselbe wahrscheinlich
ein (Anfangs-) Stück aus dem Kommentar al-Färäbl's rfe de-
tnonstratione sein, der von ibn-Ru.sd *) für unvollendet gehalten
und von Albertus Magnus *) ciliert wird — ein Zeugnis, das, wie
hier nebenbei bemerkt sein möge, zugleich ein Beleg sein dürfte
') Haur^aa. Histoire de la philosopfne acolaaiique 11 Partie. T. I,
S. li* : c'est principe lernen t ä ces conimentaires qu*il ilut sa grande renom-
m^e. Cependant ils 6taient heaucoup moins lus dans les äcoles tPEspagne,
ä 1a fln du XII« siecle, qu'ils ne Tavaient 6t6, dans le IX« , & l'euole de
Bagdad.
•) Steinschneider, Alfarabi, SS. 61, 70, 74, ?(!, 80—82, 112, 123,
124, 133, 243.
') Munic, Müangea S.*34l. Vergleiche aber Steinschneider, Alfa-
rabi, S. 8.
*) Averroes, Quaes, in Post. Resolut, (in Arist. Opp. latine, Venetiis
1552) f. 212 V. A; f. 376 v. U: ,Tutum autem hoc significat, quod über
Abunazar De demonstratione nondum fuerit completus . . .*; f. 374 v. B.
'') Albertus Magnus, Analyt. po$t. B. II, Kap. 2 (in Opp. ed. Lug*
dun. 1651) S. 517 A: „Et haec, quae dicta sunt, de scientiis Arabum sunt
excerpta , quorum commentum super bunc posteriorum ex sententia Alfarabi
Arabis ad nos deuenit-'
XII AI Kindt's philosophische Abhandlungen.
für die von Steinschneider ') als fraglich be/eiclinelc Existenz
der lateinischen Übcrsolzung jenes Kommentars.
Die Citale, welche sich in demselben finden, lassen einen
Autor vermuten , welcher eine gewisse Vertrautheit mit Ari-
stoteles' Werken besaü. Detiigcmäß könnte niiui versucht sein,
das Werk etwa auf ul-Gaz/.ali oder sogar auf ibn-Rosd zu-
rückzuführen, da beide den Nanit-n Mul.iammad tragen. Dann
möUte man aber natüiiich auf eiue Erklärung des Beinamens
^Schiiier des al-Khwh" venlichten. Ich habe zu diesem Hebufe
die edierten lateinischen Ausgaben dieser Autoren durchgesehen,
jedoch vergehlieh, da in denselben kein AnhalLt^iiujikl zu linden
ist. Auch zeigt der Inhalt dc'S „LiU'.r intro'hcfwius*' einen
starken EiniluLi und eine ötlere Ausnutzung der neuplatonischen
Komnientatorenlitteratur an , welche mit dem durch einen rei-
neren Arislntelismus und zugleich durch originellere SelbstAndig-
keil gekennzeioluieten Charakter dieser Philosophen unverein-
bar ist.
n.
Man hatte bis zu unseren 1'agen alle philosophischen
Werke al-Kindl's als verloren betrachtet. Dieser Meinung waren
nochMunk*). Hammer^), im ganzen auch Steinschneider*)
und, wie es scheint, auch Wöstenfeld "). Kreilich war schon
*) Sloiasrhneider, Alfafnbi, S. ry Note 8. — Es wflre wQaiwIicns-
wcrt , wenn Jas Verhältnis dieses ,liber iotrotluctorlu»" zu der arabischen
Hiinaschrifl, KJorenz CGXLV {Asseniani, S. 3G7. Wenrich, S. 132, die
aber in deni Mnhaninind h. Miih^mTnad h. Tarhan. den die Handschrift als
Verfassei nennl, nicht den al-Färähi erkennen) festgestellt würde.
*} Hunk, Milanges S. 'M^^•. I) ne nous reste maintenant d*AI-Kendi que
quelques Imiles de m^icine et d'aslrologie.
■) Hammer, LUeraturgnchüM«, UI, S. 250—251: Von el-Kiodi's zahl-
reichen Werken , welche die Zahl von zweihundert ilhcrstdgcn , sind in Eu-
ropa nur zwei und von die5en beiden nur eines im Druck bekennt gewor-
den f Alchindi df medicinaram eompositarum t/rndtbus), das andere aber in
Handschrift geblieben (Alchindi dt «r quantitaHbm).
*) Steinschneider, Alfarabi, 8.7: Da gerade von den philosophischen
[Schriften el-Kindi's] im enteren Sinne des Wortes sich fast nichts erhalten
hat. — Doch vgl. weiter unten S. 13 mit Anm. 8.
") Wöstenfeld, Gachiehtf. der arabische» Arzte, S, 22, wo philoso-
phische Schriften in der Li&te der erhaltenen Werke nicht angegeben sind-
Einleiluriff. XI[l
durch Jourdain ') die Äufmerksiiinkeit auf dip in Paris erhal-
tenen lateinisclien Übersetzungen der Schriften „d^ itUelleetu*^
und ,jde som/to et uhiotut" gezogen.
Nach ihm werden dieselben von FIftgel ^) ~ in seiner mehr-
fach cilierten Monographie — und von Ilaurüau^) erwähnt. Über-
dies nutzt Haun^au *) in demselben Werke das zehnte Kapitel
des auch von Munk ■■) hervorgehobenen Traktates „de erroribus
pfiihtirfpimntm" aus, in welchem von einem Anonymus verschie-
dene philosopliisch-theologische Behauptungen al-Kindl's bekämpft
werden, und giebt später*'), den Cod. Nat. 16613 besprechend,
eine nähere Notiz über „de somno et uisione". Menendez Pe-
layo ') stützt sich auf diese Ergebnisse. Steinschneider ")
hat sich femer speciell mit dem Traktat ^de intrliectu" beschäf-
tigt, seine Wichtigkeit hervorgehoben, sieben Handschriften des-
selben nachgewiesen und dessen Veröffentlichung anempfohlen.
Von dem Werkchen ^de (^uiutjue etufentün" hatten wir bis
jetzt nur vage und spärliche Notizen. Obwohl es in älteren
Ciitalogen notiert und von Bayle *) genannt ist, war Lake-
macher ^°) in Zweifel, ob er es den medizinischen oder den phy-
*) Jourdain, Reeherchea^ S. 123 nn. *, 5, 8.
') Flügel, Alkindi, S. 53: liußerdem wurJen durcti Gerardus Cremo-
neasis lateinisch übersetzt sein Liber üe somno et uJsione und De ratione.
nicht zu verwechseln mit der Schrift De iutellectu (Wenigstens nach Jour-
dain a. a. 0. S. 123.). — Vergl. S. XX.
*) üaur^au, Histoirf de la phitosophte nct/Iastique. II Partie T. I.
S. 19: 11s (tes rommentaires sur Arialote) ne furent donc pas traduitü en
latln ä l'unage de nos üocteurs. Nos docteurs ne cannurent, sous le nom
d'AE-Kendi, que de» Lraites ori^iiiaux sur les facjlles de ]'enlendement , In
raison , lo »ummell et le rive et aur diverses questiona d'arithm Clique et
d'aätronomie.
*) a. a. 0. SS. I&— 22.
6) Munt, M/langrs, SS. aiO— 341.
•) Haurcau, Aofic«, T. V, S. 1Ö5, 200-201.
''} Menendez Pelayo, lUstoria de ioa'Jtet^oäox oaeapattoleg, I.,Bfadrid
lÖbO. y. 377.
") Steinschneider. Alfarabi, S. 1ÖÖ— 180.
*) Bayle, Dictionnairt histortque et et'itt'que. T. I S. 174.
") LaitemaL-her, De Alktndi Arahum phituaopho u. ». w. Helmstadt
1719. S. 14 % Xni: „de quinque esäeutüs" forte et ialer scripta Alkendi lo-
cuiu sibi uindicat, nisi ud phys.ca istud referie malis.
XIV Al-Kindi's philosophische Abhandlungen.
sischen Werken beizfihlen sollte. Wüstonfeld ') ciliert es unter
den Übersetzungen Gerhards von Cremona: liher Alhhidi de
quinque ernffniHa", und es ist ihm in drei Codices (Oxford 1818,
Paris 9335, 14700) bekannt. Der „über infriHiurtoHua iti orteni
loyicuf detnoüAii-ationis*^ ist meines Wissens bis jetzt unerwäluit
geblieben.
Dieses sind die einzigen erhaltenen Abhandlungen philoso-
phischen Inhalts, welche ausdriicklich dem aJ-Kindl zugeschrie-
ben werden. Vielleicht könnte man in einigen .spflteren, meistens
Pseudonymen oder anonymen Schritten Spuren von al-Kindrschen
Werken herausfinden. Das ist aber eine Frage, die hier nicht
näher erörtert werden kann. — Während wir von anderen Wer-
ken die arabischen Ori^iiiate und von einigen auch hebräische
Übersetzungen besitzen, sind die philosophischen uns nur in la-
teinischen Redaktionen überliefert. Wenden wir uns zur Be-
trachtung derselben.
Wie schon gesagt, wurden die beiden Werke „de somno
et uixione^ und „du quinque etisentm" von Gerhard von Cre-
mona zwischen 1167—1187 ■) in Cordova aus dem Arabischen
ins Lateinische übersetzt. Dafi der lateinische Text von „(/«
mmmi et uishite" , wel<-hen wir besilxen, wirklich dieselbe iTlier-
setzung ist, bestätigt uns die Überschrift eines der ältesten Co-
dices (Paris Nal. I661S, aus dem XIII. Jahrhunderte): „Itwipit
liher dfi mmipnn ff uhion** quem i'didit Jticohus idrhhmu.-i. Mo-
ghier vet'o Oeran/Uit t'mtionrtiids tntnnttdit ex arahint in InfinutH."
Die Handschriften von „de quinque essentiim*' tragen hingegen
nicht den Namen des Übersetzers. Doch kann dies zu keinerlei
Bedenkon Änlaü geben, da Gerhard tn'kanntlieh keiner <ler von
ihm angefertigten Über.'ietzungen seinen Namen beigesetzt haL "•)
Übrigens ist der sprachliche Ghai-akter von „de quinque essentiis"
ganz und gar derselbe, wie er uns in „de mmnn et ui^ione" und
') WfiGtenfeld, Die ÜbersfUun^tn arahischtr Wtrkf in dna Lntei-
nitefie, S. 67 d" 41.
*) BarJenhewer. OU pieudo-arislotHiacht Schrift Über dua reine
Gute, bfkannt unter dem Xiimen Liber de comi». Freidurg i. Br. 1K82. S. Ur>.
') Boncoiiipagni, Deila vita e deile opert dt Gheraräo CtemonMt:
S. 3 . . . cum nuUi eorum (sc. litiroruTD] nomen $uu$h iHScripaiatet.
Einleitung. XV
in anderen nachweislich von Gerhard herrührenden Übersetzun-
gen entgegentritt. ^)
Der Traktat „de intellectu" ist, wie wir später sehen wer-
den, in zwei verschiedenen lateinischen Redaktionen vorluanden.
Die eine trägt den Titel „de inteHedu", die andere „de ratione".
Beide werden von Jourdain -) und nach ihm von Anderen
dem Gerhard zugeschrieben. Die Thatsache, daß sich diesel-
ben im Register der Übersetzungen nicht finden, wäre kein Hin-
dernis für diese Annahme , denn wir wissen , daß dasselbe un-
vollständig ist. •^) Ich glaube, daß die Übersetzung mit dem
Titel „de ratimie" wirklich von Gerhard herrührt, und zwar aus
folgenden Gründen: Erstens, weil manche Stellen derselben fast
wörtlich in der Gerhard'schen Übersetzung von „de somno et
uisione" wiedergegeben sind. Zweitens, weil der Cod. Par. Nat.
6443 folgende Überschrift trägt: „Verhujn Jacob alkin de inten-
ti&ne antiquorum in ratione, transhtum a magistro Gerardo cre-
monensi."
Die andere Version mit dem Titel „dt intellectu" dürfte
die Arbeit eines anderen Übersetzers sein, vielleicht des Jo-
hannes Hispalensis.
Dem letztgenannten, wahrscheinlich unter Dominicus Gun-
dissalvi's Mitarbeit, ist auch die Übersetzung des „liber in-
frodudonuH in artetn logiaie demonstrationis" beizulegen , weil sie
sich in den Handschriften unter anderen Werken desselben Ver-
fassers befindet, und weil die freieren, korrekteren Züge des
Stils und des Gebrauches der lateinischen Sprache *) auf die
obengenannten spanischen Gelehrten schließen lassen.
Die sowohl in diesem Buche, als in „rf« somno et uisione^
unübepsetzt gebliebenen Wörter weisen unstreitbar auf ein ara-
bisches Original hin. ■') Es finden sich auch Qurän-Citate.
') Bardeabewer, Liber de causia, S. 148—149.
>) Jourdain, Eecherches, S. 123.
') B.OQcompagni, a. a. 0. S. 12.
*) Menendez Pelayo, a. a. 0. S. 401 Anraerk. : como se ve, Gun-
disalvo tiene cierta perspicuidad y basta plegancia en su latin. Bajo todos
conceptos es el escritor espafiol mas notable del siglo XIL
') „asarab", «ahlagat*, Harnet ftlio Nazir . . . Siehe Wortregister.
XVI Al-Kindrs philosophische Abhandlungen.
Es wäre hier der Ort, die Einwirkung der Werke al-Kindl's
auf das Gebiet der arabischeu und jüdischen Philosophie zu be-
sprechen und dann die Verwendung der lateinischen Über-
setzungen in der christlichen Litteratur des Mittelalters zur Dar-
steUung zu bringen. Das wird aber erst dann möglich sein,
wenn genügende Vorstudien und gute kritische Ausgaben der
mittelalterlichen Autoren angefertigt sein werden, und soll dem-
gemäß weiteren Forschungen überlassen bleiben. Es wurden
freilich einige Citate bei Mäsawlah, al-Razi, ^) ibn-Sina und ibn-
Rosd *) schon von Tiraquelli ^) hervorgehoben und von Fa-
bricius ^) wiedergegeben, andere von Steinschneider *) hin-
zugefügt; aber alles das bezieht sich nur auf medizinische Werke.
Bei al-Birüni und Taifasi befinden sich Citate über
Edelsteine. ^
Dagegen ist außer in den schon am Anfange erwähnten
bio-bibliographischen Schriften von al-Nadlm, al-Qifti, ihn
abi U^aibi'a, 9a^^i IJallfah, ihn l^allikän, al-Kindl in Be-
treflf philosophischer Fragen auch von ibn-Bo^d ^ manchmal
genannt und citiert.
Hebräisch finden sich nur die Obersetzungen dreier klei-
ner astronomischer und astrologischer Traktate. Citiert wird
al-Kindl von Abraham ben Esra. ^)
Im c|iristlichen Abendlande war al-Kindl auch vorzugs-
■) El-hawi, I cap. 3, 9. 11 cap. 3, IV cap. 1.
*) CoUiget Vol. V cap. 57-58.
') Andreae Tiraquelli, de nobtlitate et de Jure primigeniorum^
Basileae 1561. SS. 334, 364, 374 » Lugduni 1566. SS. 254-^5, 278, 286.
*) Jo. Alberli Fabricü JJiUiot/teeae Graecae Vol. XIII. Haoiburgi
1726 SS. 48. &4. 175, 306, 368. — Vergl. Albeift Haller JUbiiothecae chirur-
gicae. Basileae 1774. T. 1. S. 123. Bibiiothecae medieinae praeticae. Basileae
1776. T. 1. S. 351.
°) Steinscheider, lieUdi, Vite di matemattei arabi, S. 11 Anni.'3:
Basis , al-hawi , tract. XVI , cap. I (fol. 327 col. 2 ed. VenetM506). Vervl-
Zeitchrift der deutschen morgenlfindischen Gesellschaft, T. XXIV, S. 588.
') Steinschneider, Arabische Lapidarien (Zeilschrift der deutschen
raorgenländ Ischen Gesellschaft, 1895) S. 248.
') Z. B. de caelOf cap. III, super them. 35.
^) Steinschneider, Die hebräiechen Übersetzungen des Mittelalter».
Berlin 1893. SS. 562— 565.
Einleitung. XVII
weise als Mathematiker, Arzt und Astrolüt^ bekannt, lukI als
solcher wird er u. a. von Bruno, Roger Baco, Cardanus *)
gerühmt.
Schon fröhzeitig aber werden seine theolofrischen Ansichten
in Betracht gezogen und Iheilweise ht^käinpft. Wir erwähnen
hirr: die „Dfimoniffiutth trrorwtn qut in tUssetifttintie Abi Imephi
Iticotfi filii haue al-Khtdi »flu^rsus ChriiftianoH occurrunf von
Jahja ben 'Adi ben Hamid beii Zakarija dem Jakobiten (+ 974)
Ml rod. Vat. 127,-') den schon ciliertf;ri anonymen „Tntrtatus
f/p errorihm philmt/piiorum" und dann «dio Nachwirkung, welche
seine Ansichten (über spekulative Theologie) in den Schriften
des Alexander Alesius {von Halfs). dos Heinrich von Gent
und des Johann Fidanza (Bonaventura) zeigen". ")
Im Folgenden aoll von den hier publicierten Schriften al-
Kindrs eine kurze Charakteristik gegeben wertlen , wobei ich
niii' vorbehalte, in den Anmerkungen einige speziellere Bezie-
hungen und ParalieUtellen aus anderen Autoren zu notieren.
III.
hti Traktate „tie intelhctw' haben wir eine der frOheslen
und iniierlialb der arabischen Philosophie wohl die erste Dar-
stellung jener berfdimten Lehre vom Intellekt, welche sich später
bei al-Färfibl vviederHndet, um dann erst von ibn Ro^d ihre be-
kannte endgiltige Komi zu erhalten Also nicht weniger als drei
Jahrhunilerte vor diesem erscheint sie in ibren Grundzügen, vor
allem die Vierleilung des Intellekts in den voe; h> dvvüfifi, den
¥ovg iv ivegyetq., den yovg htixitjroc und den yuvg 7imtiux6s (ara-
bisch: jU>-*^/* JJit JUi Jjt. gyü'j JJi Jutifu JJit).
Ks ist bemerkenswert, daCi auch al-Kindl. wie al-Fünlbl '),
als Urheber dieser Teilung den Aristoteles neiinh Dieselbe wird
>] FiageJ a. (I. O. S. ].
') Steinschneider, Polemisch* und ajfiologf tische LiUratuf'fn aratf-
«TÄ«** Sjjrachf. Leii>zi^ I87V, S. l^tU.
■} Pr.tnll. GffSchMle der Lojfik im Abendhtide, Bd. II, 2. Aufl. Leipzig
1885. 8. 31)6.
•) Dietorici, Atfäräb't's philosoph'iicht Abhandtungtn , Leiden 1890.
S. 42 Z. 8-9.
Bditrfts» II. 6. N^gy , Al-KiutlL )>
XVIlt Al-Kindl's philosophische Abhandtungen.
sogar den nprimi sapietites" und speciell dem Plato und Ari-
sloleles zugeschrioben: ,sernioneni ... de inlclleclu socundum
sententiam Piatonis et Aristotelis. sed sententia eonim est
quod inlellectu-ä est secuddum qualuor spedos.* ') Nun ist es
bekannt, dafi Aristoteles ^) in seiner Sclirifl über die Seele den
Begriff des voü^ nottiTtxog und Alexander von Aphrotüsias -)
den des »m-c imxTtjTCK einführten; aber keiner von beiden kennt
vier Arten des Intellekts. Sonach haben entweder die Aratier
diese Namen nur cilierl « um der von Urnen dargestellten Lehre
durch die Autorität der beiden mehr Gewicht zu verleihen, oder
dieselben sind auf eine uns unbekannte, wahrscheinlich unterge-
schobene Quelle zurückzuführen. Welche von diesen beiden An-
nahmen die zutreffende ist , auf diese Frage wird sich zur Zeit
eine entscheidende Antwort nicht g'eben lassen. Eine solche
wird ernt mit einer gründüohpn und genauen»n Ketmlnis der
ulexandrinischen und syrischen Litteraturen möglich werden.
Meinerseits neige ich zu der zweiten Hj'polhese , weil der Ein-
AuEb neuplatonischer Lehren schon, und möchte ich sagen, be-
sonders, in diesen ersten Er/eugnisstn der arabischen Speku-
lation sich geltend gemacht hat. Deutliche Spuren derselben
werden sich auch in den anderen drei Traktaten, insbesondere
in „ii^ quinque. rssentris" und fast im ganzen Jiher intrv
ättcforiu.s'' voHinden. Überdies erinnere ich djiran, diiß eine der
verbreitetslen und einflußreichsten pseudo-aristotelischen Schrif-
ten, nämlich die sogenannte ^Throfoijia ArititotriW eben von
al-Kindl revidiert und veröffentlicht wurde. *).
Der Traktat ist sehr kurz, wirklich ein „sfnuo brrris", und
in Form eines Auszugs verfaCit.
Nachdem al-Kindl die vier Intellekte genannt und definiert
hat (S. 1 Z. 10— S. 2 Z. 3), beschreibt er in einer Reihe von
Sätzen , welche beständig als von Arislololes herrührend ange-
führt werden , das Verfahren , durch welches die Seele die
') S. 1 Z. 7-12.
-., - *) Aristoleles, De aniitut, HI Ciip. 5.
^ Vergl. Zeller. Die Philosophie der Griechfn, Bd. Ul, 1. Th. S. 79Ü.
•) Vergl. Dieterici, iHt nogmannte Theoiogit rf« Aristotelen , Leip^
tig 1382.
Einleitung. XIX
intellektuellen Formen erkennt. In einer Stelle wird das intel-
lektuelle Vermögen mit dem sinnlichen verglichen und die These
aufgestellt, daß das Gedachte (infeüecUim) in der Seele nichts
anders als das Denkvermögen , das Denkende (intellectus) , die
Seele selbst ist, wie das Empfundene (setisatum) in der Seele
das Empfindungsvermögen , der Empfindende (sensus) , die Seele
selbst ist (S. 5-7).
Derselbe Gedanke kehrt wieder in den folgenden Traktaten
^(fe somno et uisione** und dem „über introdudoriuH" .
Auf diese Auseinandersetzung folgt eine Art Schluß, in
welchem das gegenseitige Verhältnis aller vier Arten des Intel-
lektes besprochen wird (S. 9 — 11).
Der Eindnick, welchen man aus der Lektüre sowohl dieses
als der folgenden Traktate bekommt, kann einigermaßen den
Tadel des abü'l-qäsim §a*id ben Ahmad al-qurtubl rechtfertigen.
Dieser sagt:') „Ich kann nicht läugnen, daß seine logischen
Schriften von aller Welt gern gekauft werden , allein der aus
ihnen für die Wissenschaften zu gewinnende Nutzen ist gering,
da sie von der analytischen Methode, welche allein den Weg
zeigt, um bei allen Untersuchungsgegenständen das Wahre vom
Falschen zu unterscheiden , ganz absehen. Kind! hält einzig an
der Synthese fest, von der nur ein beschränkter Teil wegen der
Sätze, die jeder zu gewinnenden und unserm Wissen zuzufüh-
renden Überzeugung vorauszuschicken wären, Nutzen zieht.
Allein die vorauszuschickenden Sätze jedes Unlersuchungsgegen-
standes werden nur durch die Analyse gefunden , und ich weiß
nicht, was Kindl von der Anwendung dieser Methode abgehalten
hat , ob Unterschätzung ihres Wertes, oder irgend eine Absicht,
sie den Menschen vorzuenthalten. In jedem Falle ist sie eine
Beeinträchtigung; außerdem zeigen sich in den vielen Schriften
Kindl's über eine große Anzahl Wissenschaften seine verderb-
lichen individuellen Ansichten und seine von der Wahrheit ent-
fernten Doktrinen, wozu Andere den Mangel an schlagenden
Beweisen fügen, an deren statt er Redner und Dichter spre-
chen läßt.* Und in dei* That, die Schrift ist ausschließlich
') Flügel, rt. rt. 0. s. 16.
b*
XX Äl-Kindi*s philosophische Abhandlungen.
behauptender und beschreibender Natur und ermangelt jeder
Beweisführung. Sie stützt sich lediglich auf Autoritäten und
allgemeine Aussagen. Auch läßt sich in derselben die ihm
von ihn Roäd *) vorgeworfene Methode wiedererkennen, d. h.
seine Obermäßige Vorliebe für mathemalische Einteilungen und
für Symmetrie. Jedoch sind diese beiden Fehler , welche man
auch in „de somno et umotie" und „de quinque esuentiis" bemer-
ken kann, nicht als ausschließlich ihm eigentümliche zu be-
trachten , sondern sind m jener Zeit allgemein verbreitet und
entsprechen den damaligen Verhältnissen und Tendenzen.
Wie schon oben bemerkt wurde, sind von dem al-Kinds'-
schen Werkchen über die Vernunft zwei lateinische Redaktionen
vorhanden. Sie weichen aber lediglich in der Wiedergabe eini-
ger Worte von einander ab. Z. B. während die eine die
arabischen Wörter jil (vovg) , .^^'iSJüLi (voovjusva) , Ji^
(voeia^at) u. s. w. mit „intdkctus" , „intelUgibile" , „hifeUigere"
u. s. w. wiedergiebt, übersetzt sie die andere mit „ratio",
„rationale" , „rationari" , und so fort. Für oLiiuli hat die eine
„adeptua" , die andere „aiiqui^itus" oder „repositus" ; für ^-.-j.-.-^;
oder jjjs ^ die eine „secumlum" , die andere „ex parte". Dem
Inhalte nach sind sie vollkommen identisch. Sie sind demge-
mäß zwei Übersetzungen eines und desselben arabischen Ur-
textes. Jourdain ^) und nach ihm Flügel ^) haben sie irrig
als zwei verschiedene Werke angesehen. Beide sind in meiner
Ausgabe in zwei parallelen Reihen nebeneinander gedruckt,
damit die Übereinstimmungen und die Abweichungen besser
hervortreten.
Es ist von Wichtigkeit, das Verhältnis dieses Traktates
„de intellectu" zu den gleichnamigen von Alexander Aphrodisiensis
und von al-Färäbl ins Auge zu fassen : mit dem ersteren , um
die Benutzung desselben als Quelle und um die Fortentwickelung
») Averroes, CöUiget, Bd. V, cap. 57.
*) Jourdain. a. a. 0. S. 123.
■) Flügel, a. o. 0. S. 34. — Vgl. S. 13 Anmerkung 2.
Einleitung. XX(
desselben, mit dem zweiten, um den Einfluß des al-Kindl'schen
Werkes auf al-Fürübl zu eruieren.
Die betreffenden Parallelstellen werden in den Anmerkun-
gen angegeben.
Die lateinischen Übersetzungen aller drei Traktate, d. h.
Alexanders, al-Fartlbl's und al-Kindl's in der Redaktion „de in-
fpUectu" j weisen auf einen geraeinsamen Übersetzer hin. Er ist
aber wahrscheinlich mit Gerhard von Cremona nicht zu
identificieren , welcher, wie S. XV gezeigt ist, der Übersetzer
von ,fde raiione" zu sein scheint. Jourdain *) vermuthet, daß
Albert der Große in seiner Schrift „de iniellectu" dieses Werk-
chen ausgenutzt hat.
IV.
Der Traktat „de somno et uisimie" kann in drei Kapitel
geteilt werden.
Nach einem kurzen Prolog (S. 12 Z. 4—14) giebt der Ver-
fasser im ersten Teil (S. 13—18) die Definition des Schlafes:
„somnus est demissio usus ab anima omnium sensuum" (S. 13
Z. 15) und die Erklärung des Traumes, indem er die Aufmerk-
samkeit auf zwei verschiedene Seelenvermögen richtet, d. h. auf
die sinnliche und die einbildende Kraft („uirtus sensitiua" und
„uirtus formatiua uel imaginatiua"). Die letzte ist sowohl wäh-
rend des Wachens, als während des Schlafes thätig; jedoch in
höherem Grade im Schlafe (S. 14 Z. 9-12). Er hebt die Un-
terschiede zwischen beiden Vermögen und die Vorzüglichkeit der
„imaginatiua" hervor. Am Ende des ersten Kapitels giebt er
folgende Definition des Traumgesichtes (S. 18 Z. 1 — 2): „uisio
est cum anima utitur cogitatione et dimittit usum sensuum ex
parte sua."
Im zweiten Kapitel (S. 18 Z. 7— S. 23 Z. 8) erörtert al-
Kindl folgende Fragen:
») Jourdain, a. a. 0, S. 320—321. Zu Albert's „de tnttUectu et in-
teiligibili" (Opp. t. V, p. 339) : «cuius (sc Aristotelis) libnim de hac scientia
licet non uidimus, tarnen discipulorum eius plurimorum de hac materia quam
plurimos et bene tractalos perapeximus libros et epistolas" sogt er: Quant
aux lettres et aux trait^s dont il parle, ce sont ceux d* Alexandre , d'Alkindi
et d'Alfarabius.
XXU Al-Kindl's philosuphisclie Abhandlungen.
1. Quare uideamus quasdem res antequam sint? — Vor-
hersehen der Sache.
2. Quare uideamus quasdam res, cum interprelatione sjgni-
ficantcs res antequam sint ? — Vorhersehen von Zeichen
der Sache.
3. Quare uideamus quasdam res, facientes nos uidere con-
trarium earum? — Vorhersehen des G^enteils der Sache.
Und seine Gegensätze:
4. Quare uideamus res et non uideamus eas?
5. neque uideamus earum interpretationes ?
6. neque uideamus contrarium earum?
Mit der Betrachtung aller derartigen Fälle sind gewiß alle Mög-
lichkeiten des Vorhersehens erschöpft; natürlich aber keinerlei
Grund oder Erklärung der Vorhersagungen gegeben.
In diesem Kapitel befindet sich ein Stück (S. 18 Z. 19 —
S. 20 Z. 2), in dem der Verfasser eine Lehre Piatos darlegt,
und wdches fast wörtlich sich in ,//e ratione" wiederfindet.
Im dritten Kapitel (S. 23 Z. 10— S. 27 Z. 12) stellt sich
al-Kindl zur Aufgabe, die Ursachen des Schlafes darzuthun, und
führt dieselben auf physiologische Prozesse zurück. Am Ende
findet sich in einer Handschrift (Par, nat. 16613) Folgendes:
„Exßiciunt cause sompni". Soll sich das auf den Titel des
letzten Kapitels, oder auf den ganzen Traktat beziehen? In
demselben Codex liest man in dem von alter Hand nie-
dergeschriebenen voranstehenden Index : „It^nt , über lacobi
Alckuini de causis sotnpni et iiigilie a moffistro G. Cretnoneusi ex
arahico in latinum trantslatus". Die „causae somni* würden
auffallenderAveise mit dem arabischen Titel : -j-JI sJL ^ C-.^,
u. s. w. übereinstimmen.
Wenn man diesen Traktat mit dem des Aristoteles „tk
somno et ulgilia'' vergleicht, sieht man, daß er sowohl der An-
ordnung, als dem Inhalt nach von ihm gänzlich verschieden
ist, *) Dem al-Kindl'schen „de sonmo et uisione*' lag vielmehr
eine Bearbeitung zugrunde , in welcher die drei aristotelischen
') Vgl. Haoröau, Notices, T. V S. 2ul.
Einleitung.
xxm
Traktale „t/r sowno et uit/ilia"' j ,,de inmunniis" und ^/ic (iiuina-
tiont; per somnum*^ irieinaiider verschmolzen waren. Einige De-
iinilioncn liier und da erirmem an die entsprechenden des Ari-
stoteles. So vergleiche man -soninus igitur est diniissio usus
ah anima omniuni sensuum (S. 13 Z. 15) . . . est cum diniiltit
uiuus . . . usuni omnium sensuum" (S. 13 Z. 19 — 21) mit:
Tf)s d' nlaihjaettn: XQOJtop nvd rrfy ^v äxivtjaiav xal ohv deo/tiöv
Tov V7XV0V elrai tfafuv. ') — ,höc etiiin niembrum (cerebrum)
posilum est omnibus istis uirtutibus naturalibus . . . nam sicut
cum cereliro supenienit corruptio inslrumenlo uiriutum naturalium
adminislratarum ilH niembro a cerebro, similiter accidil id sen-
sui . . .* (S. lö— Ui, äO-äi) mit: tov ydo y.v^iov liöv äXian'
jtdyTotv afodiii i}^iov xm nQoq owjeivu rAXXa , nenoy&oTo^ u,
f}Vft:Täoxeiv Avayxntov xal rr) Xoum Ttdvta -) u. s. w. Diesen
tj'bereiiislimmimgen stehen jedoch viele Verschiedenlieiten gegen-
über. Ks handelt es sich dabei um Gedanken galenisehen oder
neuplatonischen Urspi*ungs. Einige Anklänge mit Synesius'
Schrill „de somniit^* deuten vielleicht auf eine solche gemeinsame
<Juelle hin.
Im Großen und Ganzen kann also das Urteil Haureau's *•)
beibehalten werden: „Quant iiu livre {,//<; tttmitn» ei lu'shue") ce
n'esl ims une Version du traite d'Aristote intitule ,du Sommeil
et de la Veille* ; t'est un ecrit original du philosophe arabe."'
Es wäre wünschenswert, das Verhältnis dieses Traktales
zu anderen spateren FJearbeilungen desselben Themas klarzu-
stellen , z. B. zu ibn-Sma's „de anima" , IV Kap. 2 : zu dem
zweiten Buche der Paraphrase des ibn-Hu-d „de sensu et seti-
s(it(/' , und i^peciell zu dem von Salomo ben Moses aus Melgueil
aus dem Lateinischen ins Hebrjii.sche ilbersetzten Traktate „de
sfftttno rt uitfilin*' , welcher nach Steinschneider ^) mit den
Worten anföugt: ^Aristoteles sagt: es ist meine Absicht, die
Ursache des Schlafes und des Wachens zu erläutern".
') Aristoteles, de somno et uigilia, 1, p. 454 b. 2ö — 2fi,
•) A. a. 0. c. 2, p. 455 a 33— b 1.
'J Hauröau. Notica T. V S. 201.
*i Steinschneider, l'ie hebrfliacben Uhersetsungen dta MitMaltera,
S. 281 (§ Ibü). — Andere Werte ober den gleichen OeifensUnd bei Slein-
scbiieider, Die pnrra uaturalia dra Ariaf.t ZDMG, Bd. 37 S. 487 und Bd.
4& S. 4^19.
XXIV Al-Kifltirx [ilülüiK>ph)8che Abhandlungen.
Einen tiefgreifenden EinfluD unserem Traktates finden wlr
bei AlbeK »iem Großen, in des.sen ,,th smnnu rt nitjHia" al-Kiridt
sogar aiisilriif'klich genannt winl. in den jfodruckten Werken ^)
freilirh mit ileii veislüninielteii Namen: AHtiinüii , Alchammti.
Ailtimitliu odop At/iiiiiitii»i ... So bezieht sich die erste Ueli-
nition : «.Sie if^itiir intelhgitur quod soninum diximus esse iinpo-
ientiain üI li^atiieiituni i^eiisuutn. Hoc auteni i*A supra •*. phy-
siconini concordanter Ijoc dicentiuni. scilicet Algazel. Auicennae,
Aipharabil , Auerrois et Alchinidi piiilusoptii* *) auf die schon
(rOher (S. XXUI) als Anklang an Aristoteles cilierte Stelle. — j
Ebenso entsprirhl die ErklärtuiK: ^Dixit auteni Alchaniadi Phi-
losophus et uidetur Anen-oes praebere aiiscnsmn , quod somnus
est uigor et conforlatio sensus spiritualis et debilitas et (im
Drucke: est) uincuhiin ^cnsus ccir|)oralis ; uigilia autem e eon-
ucrso uigor <?1 conforlalitj sensus corporalis et debilitas sensus
spiritualis. (Juod dicluin ueris.simum est . . .* ■') dem Anfange
des ersten Kapitels (SS. 13—14), speciell den Worten : ^et haec
quideni uirlus (sc, fonnatiua, der »sensus spiritualis" des Alber-
tus) pt-rUHt suas operationes in disposilione sonini et vigiliae.
utTumtainen Iti soriinis est niagis apparentis operalionis et for-
mationis, quam in uigilia" (S. 14 Z. 9— IH). — Aus der lan-
gen Erörlcruiijr (S. 15 — S. 17 Z. 24), die den folgenden Teil
desselben Kapitels ausmacht, und zu welcher der Glossator des
cod. Pap. Nat. fi14;^ bemerkt: „Nota quod per totani istam cn-
lunuiani ostendil i\iiot\ uirlus fonnatiua sit perfectitip quam scn-
sitiun, et hoc multis rationibus et exemplis" ergiebt sich als
Schlub der Salz Albert's: ,dutit etiam idem Philosopiius quod
sensus spiritualis dignior ^^st quam corporalis ,.,*') Das vierte
Kapitel des zweiten Traktates ■•) derselben Abhandlung des
») Opjt. ed. Jftmmy. Lugdunj IG51, T. V, S. 70 col. I. S. 71 col. 2
u. B. w. Auch tipeciell: Parva naturalia, Venetiis. her. 0. Scott 1&17. fol. 27
ool. 2. fol. 27 V. cul. 1, fol. 29 coL 1.
*) Df mmtiü ft viffilin. \A\t. I, trant, I cap. Vit. — Opp. S. 70 col. 2. —
Parva naturaliu, ft)l. 27 col. 2.
■) A. a. O. Lib. I. Iraet. I, cap. IX. — Opp. S. 71 col.a. — Parra «o-
turalitt, fol. 27 t. col. 1.
*) Ibidem,
») Opp. T. V. S. 76 col. 1. — Farta naturalia, fol. 29 col. l.
Einleitung. XXV
Albertus Magnus ist eine „digressio declarans quatuor causas
somni secunduni Auerroem et Adamidim*'. Der Verfasser sagt
ausdrucklich ^nos autem ad intelligendum praedicta et sequentia
interponenms sententiam Auerrois et Adaminin ..." und be-
nutzt thatsächlich , wie es sich aus mehreren Parallelstellen er-
weist, das letzte Kapitel unseres „cfe somno et uisiom*.
V.
Das Werkchen „de quinque essetUÜs'* enthält eine naive
Erklärung einiger Grundbegriffe der aristotelischen Phy-
sik: ovata , eldoi; , ronog , xiytjatg und ;cgö>'Off. Es bezieht sich
vorzugsweise auf das IV. Buch der rpvaixi) dxgoaatg , so daß es
als ein äuüerst verkürzter Auszug desselben betrachtet werden
kann, in dem aber hinsichtlich gewisser Punkte mehrere Stellen
wörtlich reproduziert sind. Es finden sich Beziehungen auf die
Kateyurien , Analytiken , Toiilk und auf De cado. Die beiden
ersten werden ausdrücklich citiert: ,,sapiens Aristoteles ubi dia-
lecticam incipit" (S. 28 Z. 2) , ,,quemadmodum ostendimus in
libro categoriarum" (S. 28 Z. 10). Vgl. Anmerkungen. Das
Citat aus De cado bestätigt die Notiz bei ibn-Ru^d. (Siehe S. 00,
Anmerkung zu 81,3.) Es ist außerdem Plato (Timaeus), nebst
anderen Philosophen, erwähnt (S. 37 Z. 11).
Mehrere Stellen dieses Traktates begegnen uns auch in der
Encyclopädie der Ihwän al-^afä wieder. So gleich in der Vor-
rede: -Res autem quae sunt in omnibus substantiis sunt quin-
que; quarum una est hyle, et secunda est forma, et tertia est
locus, et quarta est motus, quinta autem est tempus". (S. 30
Z. 15-17) und:
^.^ujij ^.,l.jj1j w^i^ 8;_^;|j
(Die Abhandlungen der Jckicthi es-safd in Auswahl. Zum ersten
Mal aus arabischen Handschriften herausgegeben von Dr. Fr.
Dieterici. Leipzig, Hinrichs, 1883—1886. S. 24, Z. 3—4).
„In primis itaque oportet nos scire quod principia ex quibusest
omnis res, sunt duo istorum quinque. et sunt hyle et forma.
XXVI Al-Kiodis philosophische Abhaodlnxigen.
quarf^ neccssarium est nobis nt incipiamus exponere haec duo
ante alia Iria* (S. 31 Z. 18-S. 32 Z. 1) und:
Jk^A*.f v-i e.^AS.)* -.V^*-' ,^-*^ ■'•'' iJ-^ v,'_«,J* r-VJ -i -»^Vs
jlt;}-'^ Js. jt4— Ij (Ebendaselbst S. 24 Z. 5—6). Die ganze
Einteilung des XIV. Artikels (Ebenda. S. 24—43), welcher
als Einleitung zur Abhandlung „aber tias Wesen der Satur'
JuiaaIslI "C^^ ^ vorangestellt ist, ist identisch mit der des
Traktats „de fjuiru/ue ementÜH*'.
Auf einige einleitende Bemerkungen folgen nämlich fünf Ka-
pitfl, in denen jede der fünf ^essentiae" besprochen ist : -sermo
de hyle- (S. 33 Z. 16-21), , sermo de forma^ (S. 34 Z. 3—
H. 35 Z. 10), „sermo de motu** (S. 35 Z. 13-S. 37 Z. 5), ,ser-
nio de loco" (S. 37 Z. 8— S. 38 Z. 23) und „sermo de tem-
pore* (S. 39 Z. 3— S. 40 Z. 7); ebenso wie bei den ihwün
a!-?afa die Abteilungen:
^-j'-xil iJjL. ^ (S. 30—32),
^ys\-'| Cfil* ^ (S. 32—35) und
^i^ß WU J> (S. 35-37).
Es wiederholen sich femer dieselben (aristotelischen) Definitionen,
wie man in den Anmerkungen sehen wird.
Da wir indes auch bei Ja'qübl augenscheinliche Hindeu-
tungeii auf Sätze dieses Traktates finden , diese Sätze aber bei
ihm unter den Grundgedanken der aristotelischen qvaixi) dxo6am<;
angeführt werden, ^) so haben wahrscheinlich die Ihwan al-^afä
■) aSeine (des Aristoteles) physikalischen Schriften. Die Vorlesung
über die Natur, d. h. die physikalische Abhandlung. Darin behandelt er die
fünf physischen Dinge, die alle Naturwesen umfassen, und ohne weiche kei-
ncui Naturwesen Existenz zukommt, nämlich Stoff, Form, Ort, Bewegung und
Einleitung. XXVIl
nicht direkt das vorliegende Werk al-Kindrs benutzt, sondern
CS gehen al-Kindl und die Ihwan al-^afä auf eine gemeinsame
Quelle zurück. Vielleicht läßt sicli auch näher bestimmen, wel-
cher Art diese gememsame Quelle war. Wenn nämlich auch
die nicht-aristotelischen Gedanken, welche in „de quinque es-
sentiis" sich finden, derselben Quelle entstammen, so dürften
wir dieselbe in einem Auszuge aus der aristotelischen Physik
zu suchen haben, der von einem späteren Kommentator verfatal
wurde, und zur Zeit al-Kindl's als Verbindungsglied zwischen
Logik und den speciellen physischen Werken die noch nicht
vollständig gekannten acht Bücher der <pvaixrj dHQoaatg ersetzte.
Durch diese Annahme dürfte meines Erachtens das oben behan-
delte Verhältnis sowohl in dem Aristoteles-Kanon des Ja'qübl, ')
als in den Katalogen der Werke al-Kindl's und in der Reihe der
Abhandlungen der Ihwän al-?afä seine einfachste Erklärung finden.
Unser „de <iuinque esHentÜH*^ steht übrigens mit ähnlich betitelten
Werken , z. B. mit der von ibn-Palqera in dem Prologe
D^'n "lipo "irD JD D'*D1pb des ibn-Gabirol, citirten [pseudo-]
cmpedokleischen Schrift tteqX Ti'jg mfiiuriQ ovoia; -) und mit
den fünf Stofifen (Materien), welche al-Färäbl erklärte '"*), durch-
aus nicht im Zusammenhang. ^)
Zeit .... Von diesen fünf sind zwei Substanzen , nämlich Stoff und Form,
und drei sind substantielle Accidentien." M. Klamroth, Über die Aus-
züge aus griechischen SchriftsteHern bei al-Ja^gübi, ZDMG. Bd. 41 (1887)
S. 428.
^) Klamroth a. a. 0. und S. 432.
') Munk, Mehliges, S. X. Z. 4-5. Vgl. Steinsehneider, Die he-
hrüiüchen CbersHzungen des Mittelalters, S. 380 {§ 219).
=j Vgl. U?aibi'a, Bd. II, S. 34 und ibn-öallikän, Bd. II S.
112—113.
*) Über die fünf .:i''L*-u-jci^ siehe S. VIII , Note 2. — Wie es sich
mit diesen verschiedenen „fönf Dingen" (quinque res, essentiae, sulistantiae,
i-orpora u. dgl.} verhält, wirde ich iu einer Hittheilung in den Rendiconti der
H. Accademia scientißca letteraria di Napoli darzuthun versuchen.
XXVIH Al-KindTs philosophische Abhandlungen.
VI.
Der Jiber inlroductorius in artem logicae detnon.it rat ionis**
zerfölU in folgende Abteilungen :
I. S. 4i— 46. Eine Einleitung, in welcher der Verfasser,
nach einem kurzen Prolog (S. 41 Z. 5 — 12) über Zweck und
Veranlassung seiner Schrift, die vier ^species" der dialektischen
Methode, d. h. die „diuisio et resolutio, definitio et demonstra-
tio* nach der porphyrianischen Schule ') definiert und erörtert.
Kr geht dann zu einer näheren Besprechung der „demonstratio"
ftber und betrachtet:
II. S. 46 — S. 49 die vom Subjekte herrührenden Fehl-
sohlrtsst\ Er führt dieselben — in der durch Beispiele erläuterten
Kntwickelungsgeschichte der menschlichen Seele von der Kind-
heit ab , lediglich auf unerlaubte Analogien und unvollständige
Induktionen zurück, die teilweise in vorgeschrittenem Alter durch
das Nachdenken revidiert und nötigenfalls korrigiert werden.
III. S. 50 — S. 59. Um vor den falschen Folgerungen ^ex
parte argumentationis* zu bewahren, zählt er die Bedingungen
des richtigen Schließens auf. Auch hier finden sich, außer ari-
stotelischen Regeln , Anklänge an galenische und neuplaloni-
sche Lehren. Die Xoyixal dQx<^i (prima intelligibilia) z. B.,
ebenso der Satz : die Logik müsse nach Art der mathematischen
Lehrsätze demonstriert werden, d. h. es sei das synthetische
Verfahren, wie es z. B. in den Euklidischen Elementen erscheint,
einzuhalten, sind seit Galen geläufig. ^) Geradeso wie bei den
Kommentatoren (schon seit Alexander) '^), wird das principium
conlradictionis hervorgehoben und auf die Bedeutung der Mathe-
matik hingewiesen.
Die Notwendigkeit der Mathematik als propädeutischer
Disciplin (S. 58 Z. 11—13: „ille autem qui uult scire demon-
strationes logicas oportet ut sit demoratus in exercitationibus
') David Prolfgg. ad Forpfiyr, (bei Brandis Schölten p. 18 a. 34—35:
tlai de xeaaaQES at dio^Exrixat fte&oöof eari yoQ dtatQEitXT) ogtarixt} d.To-
StiKUxif xal ävaXi'ztic^.
»)Prantl, a. a. 0. Bd. I S. 562.
») A. a. 0. S. 622.
Einleitung. XXIX
geometricis et ut iam acceperit ex eis regulas"), wird ausdrück-
lich schon in dem Werke al-Kindl's ^) :
„Ahhandluny darüber, daß die Philosophie nur vermittelst d-er ma-
thematischen Wissenschaften erworben werden kann", betont.
IV. S. ü9— S, 61. Hier werden als Übungsbeispiele einige
damals beliebte Kontroversen behandelt : daß in der Welt kein
Leeres sei; daü es außer der Well weder Leeres noch Volles
gebe; über die Meinung der Weisen von der Entstehung oder
der Ewigkeit der Welt; u. s. w. — Alles das ist als ein Ex-
kurs oder^als nebensächliche Anhängsel zu betrachten.
Die V. und letzte Abteilung, S. 61— S. 64, enthält eine
kurze Wiederholung des schon Gesagten und eine mystische
Schlußrede, in welcher der letzte Zweck der Logik mit dem der
Ethik identisch gefaßt wird. Alles das stimmt aucli mit den
Grundgedanken al-Färäbl's , welcher ,der Logik eine Beziehung
zur Ethik giebt , indem die menschliche Vernunft, mag sie ent-
weder bloß innerlich in der Seele haften, oder auch äußerlich
im Wortausdrucke zu Tage treten, jedenfalls ihre höhere und
umfassende Funktion in der Unterscheidung des Guten und Bö-
sen habe, und hiermit die Wahrheit, welche entweder in letzten
unbeweisbaren Grundsätzen vorliegt, oder durch logische Erfor-
schung erreicht wird, diesem Ziele dienstbar sei." ^) Jedoch
sind seine übrigen Werke über Logik im Einzelnen weniger
neuplatonisch und mehr aristotelisch gefärbt und weisen einige
Züge auf, welche die spätere Lehre al-Faräbrs kennzeichnen und
in dieser Schrift durchaus fehlen. Doch erinnere man sich, daß
das vorliegende Werk nur eine Jugendarbeit, eine ,collectio'*
al-Kiudl'scher Gedanken, und nicht ein selbständiges, reiferes Er-
zeugnis des al-Färabi sein dürfte.
Es ist auf eine Menge . Sendschreiben" , d. h. Traktate
[fpi-stdlae = ^'^y^^ß aufmerksam zu machen , welche hier
') Sülle opere u. s. w. S. 8 n*» 3 (Fihrist n" 3, Qifll n" 2, U;aibi'a
n" 3.';Flagel n» 3 und 133, Hammer n» 3 und 126). Vgl. n" 16.
■j Prantl, a. a. 0. Bd. li S. 309. Dafi dies neuplatonisch ist, erhellt
aus der cilierten Anmerkung 121 im Bd. 1 S. 644.
XXX AI-Kindrs philosophische Abhandlungen.
citiert werden und sich meist auf Bearbeitungen aristotelischer
Werke beziehen: „epistola de semu et sensaio" (S. 41, 15. 48, 18.
50, 24. 53, 19) % „cafegon'ci" (S. 42, 3. 17), Jibri logicae" (S.
50, 4. 52, 2. (»2, 22), „et fopicae" (S. 52, 2. 62, 22) und dann
„epifitola de intellectu^' (S. 41 Z. 16), „epktoia de generihus seien-
fiarmn" (S. 41 Z. 17), „epistolae diuimte^' (S. 42 sicherlich die
pseudo-aristotelische SeoXoyia)^ j,epistola de causa et causatis'%
„epistola isaffogat'um," , „epistola de hjle et forma*' u. s. w.
Das Latein ist freier und glatter, als in den Abhandlungen
„de somno et uisitme" , „de quiuque essentÜs'* und „de ratione*'.
Der Übersetzer — wie schon gesagt , vielleicht Johannes
Hispalensis — ist wahrscheinlich derselbe, welcher auch al-
Kindl's und al-Füräbl's „de intellectu'' bearbeitet hat. Dazu ist
zu bemerken , data der Traktat , auch der Stelle nach , in den
Handschriften unmittelbar vor al-Füräbl's „de inieltecfu'* nieder-
geschrieben ist.
VII.
Nach den Angaben der mir bekannten Handschriftenver-
zeichnisse sind die philosophischen Traktate Al-Kindl's in fol-
genden Bibliotheken aufb,ewahrt:
I. De intellecta.
1. Cesena. Plut. XXII, Cod. 3 (Titel: „episfola Aven-oiy,
Muccioli, 1 S. 78).
2. Erfurt. Cod. Ampi. 29* fol. (Schum S. 24).
3. Cod. Ampi. 40 fol. (Steinschneider, Älfarahi S. 188).
4. Oxford. Cod. Bodl. 1818'" (Mss. Angliae, I, S. 87;
Digby S. 217. Dreimal in demselben Codex nach Macray
S. 230—231).
5. Cod. Morton Coli. 228 (Goxe S. 110).
6. Paris. Cod. Nat. 6443'" („de ratione". Cat. Bibl.
Begiac F. III T. IV S. 244).
7. Cod. Nat. 6443^» (,,de hitelhctu").
*) Dieses Citat dürfte nach Steinschneider (Die patTO naiuralia
dea Aristoteles ZDMG. Bd. 37 S. 490) manche Schwierigkeiten bieten, da nach
ihm der betreffende Traktat zur Zeit al-Färäbfs noch nicht ins Arabische
übersetzt war. Siehe jedoch Bd. 45 S. 447.
Einleitung. XXXI
8. Cod. Nat. 16613» (= Sorbonne 1786, Haureau, No-
tices, V, S. 195).
9. Rom. Cod. Angel. 242* („de rations". Narducci, 1, S.
l:t8 col. 2).
10. Cod. Angel. 242=* {„de hifellectu". Ih'uL S. 139 col. 1).
11. Cod. Vat. 2186^^
12. Cod. Vat. 4426''.
13. Venedig. Cod. Marc. 39' (Valentinelli, II, S. 27).
II. De somuo et nisione.
1. Brüssel. Cod. 21856« (vgl. Bülow, in: BeitrAge z.
Gesch. d. Phil. d. M.-A., II, 3, S. 72-73).
2. Oxford. Cod. Coli. Oriel, 7»'* (dem Man /^'V'''^' beige-
legt. Coxe, I, S. 2-3).
3. Cod. Coli, M. Magdal. 175* (dem lahaq lanidi beigelegt.
Coxe, II, S. 8).
4. Paris. Cod. nat. 64432*.
5. Cod. nat. 16613-».
6. Venedig. Cod. Marc, ili^ (Titel: Thrmiafil de ammw
ei ühfdia. Valentinelli, IV, S. 117).
III. De qninqae esseutiis.
1. Erfurt. Cod. Ampi. 286^ fol. (Schum S. 193).
2. Oxford. Cod. Bodl. 1818«.
3. Paris. Cod. Nat. 9335.
4. Cod. Nat. 14700.
5. Rom. Cod. Angel. 242^
6. Cod. Vat. 210 (als „logirae frufjmentum").
7. Cod. Vat. 2186.
8. Cod. Vat. Ottob. 1870.
IV. Liber iutrodactorins in artem logicae demonstrationis.
1. Paris. Cod. Nat. 6443.
2. Rom. Cod. Vat. 2186.
Die von mir benutzten Handschriften sind: für „de inte/lectu".
8. = S
■::i = ^
XXXU Al-KindTs philosophische Abhandlangen.
11. = F»
12. = V-
13. = 3f'.
EUne Beschreibung der Codices findet sich in den in Klam-
mem ang^ebenen Werken und Katalogen. Die vatikanischen
Handschriften (V» = cod. 2186, 0.22m x O.lini. Ende des
XUI. Jahrh. foll. II j- 119 + I und V^ = cod. 442(i,
0.245ni X O.I8m. Anfang des XIV. Jahrh "loll. 140) werde ich
in einer in kurzem erscheinenden Mitteilung an die „R, Accadcniia
dei Lincei* näher besprechen. Die Filiation dürfte folgende sein :
IX. Jahrh. O Arabisches Original
XU. , ^de inUtUäW Q
\
O ff<^« ratione*'
XIII.
XIV.
ro
AÜO^
Für „de sotnno et uisione" benutzte ich die drei Handschriften:
4 = A'
b = S
6 = MK
Während S wegen der außerordentlich häufigen Verderbnisse
und X- wegen des unklaren und lückenhaften Charakters min-
derwertige Handschritten sind, hat M- gute Dienste geleistet.
Jedoch bietet die Ausgabe auch so noch manche Dunkelheiten,
deren Klarlegung und Verbesserung möglicher Weise durch den
Vergleich mit den mir nicht zugänglichen Oxforder Codices ge-
wonnen werden könnte.
Für den Traktat „de quinque essettfüs" waren mir folgende
Codices zu Verfügung:
Einleitung. XXXUI
5 == ^
0 = V^
7 = F'
8 == 0.
Von gröüerer Wichtigkeit sind A und T'; T'-' (= Cod. 210»
0.32m >; 0.23in, XVI Jahrh, , foU. IV + 70) und 0 (= Cod.
Otlob. 1870, 0.28m X 0.20m, XV. Jahrb., foll. I -f 175) sind
spätere Abschriften , die einer der Handschrift A gemeinsamen
Familie angeliören , welche hier und da doppelte Übersetzungen
eines ai'abischeii Ausdrucke und Interpolationen enthalten, wäh-
rend T' solgbe nicht darbietet. Auch von derselben wird in
der S. XXXII citierten Mitteilung die Rede sein.
IX. Jahrh. O • • ■ Arabisches Original
XII.
O
\
. Übersetzung des Gerhard
XIII.
\
O Dieselbe mit finterpolier-
T'iQ I ten] Glossen
XIV.
O'^
/
XV.
XVI.
^O
QV^
Von den beiden Handschriften 1 = K und 2 = T'' oder
auch einfach (', welche der Ausgabe des „Ufter hifnxfuctariuH in
arteni lofjhap detHonMrationitt'' zu gründe liegen , ist jedenfalls ?'
die beste.
Es sei nun hier mir gestaltet, den Herrn Leopold De-
lisle, Präfekt tlor Pariser National-Bibliolhek, Domenico Gnoli,
Prälekt der „Bibliotcca Nazionale Vittorio Emanuele 11" in Rom,
Ueiträge II. &. Xagy , Al-Kindi. C
XXXiV Al-Kindfa philosophische Abhandlungen.
und P. Franz Ehrle, Präfekl der Vatikanischwj Bibliothek,
deren Höfliclikeit ich die Ausnutzung der Pariser und Vatikani-
schen Handsflii-iflen verdanke; den Herrn Professoren Ignazio
Guidi und (ielestino Schiaparelli der hiesigen K. Universität,
die mir mehrere schwer zu findende arabische Werke gütigst
zur Verfügung gestellt haben ; und dann meinem theuersten
Freund Dr. Joachim Frateili, Lehrer am K. Umbertinischen
Ober-Gymnasium , welcher mir bei der mühsamen Arbeit der
Kritik und Correktur der lateinischen Texte beigestanden hat —
meinen herzlichsten und aufrichtigsten Dank auszusprechen.
Rom, den 25. Juni 1890.
A. Nftgy.
Während des Druckes wurde ich durch Herrn Professor
Clemens Baeumker — welcher die Gefälligkeit hatte, alle
Bogen nochmals sorgfältig durchzusehen, und welcher mit seinem
bewährten Rate manche zweifelhafte Stellen verbessert hat — auf
eine bis jetzt unbekannte Handschritt des Traktates ,de intellectu"
aufmerksam gemacht , von welcher mir dei-si'Ibe eine Abschritt
sendete. Es ist:
14. L i 1 i e n f e I d (Niederösterreich) Clod. 1 44 Monast. CA-
sterc. fol. 102r--I0äv, ohne Titel und als Prolog zu den Pa-
radoxe Al-ntn (fe marimis getwi-aVibiia (d. h. Regulae theologicae) .
Die betreffenden Varianten werden in den Anmerkungen ange-
führt. Aus denselben erhellt, daß der Codex einer mit HV-
gemeinsamen Familie angehört.
Verbum Jacob Alkindi de
intentione autiquorum in
ratione,
trauHlatum a ma^istro tierardo
CreiDoii«nsi.
Inlellexi quod quacsiinsii
de scribcndo sürnionern m i*a-
tioiie a!ii>tvui:iliiiii. PtiiiiiliarrU-itL
st^nlenliani Aristotelis et Pla-
loTiis. fron tprolien sin qiiideni
surniütiis Plalonis t't seniiouis
discipuli eius Aristotelis est,
(|uod ratio est secunduiii qxm-
tiior species. prima qiianiin est
instrumentuni omiuimi rationa-
toriini et rationatum. seoiuida
est ratio (|uae polentia est in
aiiiiiia. lerlia est ratio cuiii exit
iiianiinade potentia ad efTectum.
1— 5Incipit tierbum Jacob alcfaimli
de ratione .1. /tot und am Räude: Nota
uerbuni Jacob alkin. A' 1 alkin<Ji I
»Ikin .V ^5 abbrcuiatum , ahreviatuin
A\ H— » eDuntiantemaentenliam i
enuneialione sicuL A U- lU ArisUi-
lelis et Plalonis i Aristutili-s et FIhIu-
Dis rut A' 1 1 sermunts , fehlt A*
12 Arislolelis I Lacke y Ui serumla |
hU y (tot und schwarz) 17 in |
ftidt A 18 l^rtia | et terlia Ä bis S
(rot und ifchwarz).
Liber Alkindi de intellechi
let intellectol.
Inleltexi quod quaeris [sci-
lioet| scribi tibi scrmoncm bre-
u*Mu de ijilHlI(M'lii |cl ifitt'IIccio].
sccundum senleiitiani Piatonis
et Aristotelis. st'd sentenlia i'i
troruin est , quod itilelleelus est
secundiim qualuorspecies. prima
est inlelleclus qiii seinper est
in actii. äocinida est intelleetns
qui in potentia est in anima. \h
tertia est intellecttis cum exit
in aiiirna de polenlia a<i et-
fectum. quarla est intellectus,
quem tiocanius detnonstrat/uMui.
BvttrKKfl n. S. NAxy. Al-Kimti.
1—2 De JnileUectu serundum Art-
slolelem et Plattinem S Incipil litier
iilkindi (t« iuLellertu V* Liber •i^uindi
philosophi de intellectu et ioLellecto
fot y Incipit libellus alchiiidi de in-
teUectu >eL inlelligenlia am Ifandr Jf'
Ineipit »lehiodu» de inlelleclu el in-
telleclo A Liber aliquindi philosoplii
de mlellwrlu et intellecto P G In-
Lellexi I intellexisti SV* ii-7 [scili-
iivi\ I (thU SV^NA 7 scribi tibi | tibi
scnpsi r* srrihitur A' ffhit S 8 |et
ialellectü! | fehlt SV V'Nil' M seii-
tenliain I seien liacnS.'l ti — lOPlaloui»
et Aristütelis i Arialotelis ei t'iRtoiiiä
AM' H-13 Pblünis . . . prluia
est i fehlt N Zu 10— IH HandgioHM:
IntellerLus allu» in actu seiiiper» ülius
in potontia , alius in eQorlu, alius de-
mun^tratiuus !'■ iuLellectus aüus in
aetu semper.cum in potentia, In etfectu.
denii»nHtral' A' lU- 11 .s*nteutia
eornm est I scicntia est eornm S eorum
sententia eat V* senlenlja est eorum
A 11 est I fehlt S 13 semper est |
est semper S 15 qui in f>olenlia
est 1 qnuest in potentia SV* Vo intel-
lectuä I in anima AT' i7— IH nd er-
fectum I de efTectu N ad actum A
19 quem | fehlt N denionslrritiuum |
demonstrantem .ST'iW deraonstratiu«
N demonstrationeni A unklar V*.
1
3 Al-Kindl
quarta ratio est illa, quam denominamus demoDstratiuam. et
est assimilatio rationis cum sensu . propter propinquitatem sen-
sus ad ueritatem et communitateiii ad eam.
Dixii enim quod fonna est duae fomiae. quarum una est
5 habens materiam et est illa quae cadit sab sensu ; sed altera
est illa quae non habet materiam et est illa quae cadit sub ra-
tione. et est specialitas rerum et quod est supra eam.
Et forma quidem , quae est in materia . est aetu sensata :
10 quoniam si non esset actu sensata. non caderet sub sensu, cum-
que adquirit eam anima, tunc ipsa est in anima. et non adqui-
rit eam nisi quoniam est ipsa in ea in potentia. cum ergo ad-
quirit eam anima, fit in anima actu. et non est in anima sicut
res in uase , neque sicut similitudo in corpore , quoniam anima
15 non est corpus, est igitur in anima, et anima est res ima. nun
aliud.
et similiter iterum uirtus sentiens non est nisi animae; et
non est in anima sicut membrum in corpore, immo est in anima
an et est sentiens. et similiter iterum uirtus forma sensati non est
1 quarta | bis N {rot und »chwarz) illa I fehlt y denoininamus \
nominauimus JV demonstratiuam | demoDstrationein A' 4 enim | ftMt .V
5 illa I fehlt 2i <> et est illa | fehtt im Text und am Hantle: et illa est N
7 specialitas | spälitas X 12 quoniam | quundoque N ipsa | fehlt X
13 anima, | aü (unklar) A 14 neque | et neque A sicut j fehlt N 1.5 est
eüam A 18 iterum | I trä (in terra V) A sentiens I sentencüs N ani-
mae I anima A 20 non | is A.
Liber de inlellerlu.
el Inmo uitellcctum assimilauit Aristoteles sensui, propterpro-
pinquiUiteni seusas ad ueriUlem et quia comniuriicat cum ea
oinnino.
Dixit enim Aristott»les qnod fomia est duae foniiao. qua-
rum una est haljuns materiam et iUa est quae subiacel sensui; s
i?t altera est illa quae non tiabet materiam el illa est quae sub-
iarot intulltt-tui. et illa esl spccialitas rorum v\ iil quod est
supra eam [scilicel ^'cnn-alitas nruni].
Et fomia quidütii , quae est in itiateria. actu est sei^sala;
quuniam s\ non esset actu sensata, non caderet sub sensu, cum- lo
que appreliendit eam anima , tunc ipai est in anima. sed non
appfvlientlit eam uisi quia ipsa prius erat in anima in |)otentiu.
eum igitur appretiendit eam anima, fit in unirna in eftectu. non
est autcm in anima sioul aliquid in uuse, nee sicut caelatura in
cDrjKjre; quoniam anirna non est corpus nee circumscripta, est ia
ij^ilnr in anima. et anima osl res una, quae est ipsa, non aliud
ab ipsa ; nee eliam alta alietale praediramontoium.
simiiiter etiam uirtus sentiens non est nisi in anima; sed
non est in anima ut membrum in corpore, sed esl ipsa anima,
et ipsa est sentiens. simiiiter forma sensati non est in anima so
Xu 1 Bahdglo»B€: Dota inlellectum ai^AimÜHlutn sensui S assimila*
nil I assiiDilüt ('■iVJJW' assiiniilauit -S 2 et | fehlt A coiiimunicat | con-
iuiictali» (!) .s cum ea I cum e« SV* in ea K'.I.W in eo X .V-7 sen-
sui .. . intellectui | fthii im Texte und tat at» J-'uße der Seite Machgttfa^u 1''
<i est illa I esl ASV* illa est | est illa .V esl alJa V 7 specialilas |
apcitas 1'* spualilas .V S}>älilas A'^ spealitas if' id fehlt A 8 scilicet gc-
neraliUis | generaülas (grauitas V*) scilicel -ST^ H Tonua \ forme -S )|ui-
deni I ijuod 1'' fehit S materia | natura M* setisaUt | scnsuata S
10 sensu I actu sensu N 10 — 11 cumque , cum A II tum- . . . anima
fehlt A shI I fehlt A Vi nisi . - . erat | fehlt A prius erat i prius !'■
erat priUB SM'
aniniu | fehlt A
nni AT frhlt A
in aiiimii \ inanimsiUi in A lii— liJ tn potentia . . eam
13 fit I ait ^ in unimu | auima K' 14 in anima | ani*
nee el .V sicut | non sie A' caelatura | colatura S
15 nei: I Hiik-Uir
circunsrriplu JV'
res una est .S rest una Jf '
est VA alia i in alia N
oh n oder u «V circumsicripta | circumscripta esl A
15— Iti esl igitur t i|rilur til fjuutl est A iO est res una |
quae i el quae .V ner | neque M* 17 etiam i
alietate [ alicetOl ^* pruedlcamenturum | pre-
ceploruni S predicalurum -1/' zweifelhaft AT' 18 eliani | auleni el S au-
lem etiam A et T' non | fehlt A nisi | fehit A in | fehlt M' 18-li( »ed
. . . anima 1 fehlt \"*S \\h membrum | mumliru S ipsa auiuia , in ijisa
anima A 'J(1 el ipsa et ipsa anirna A luich .sentiens' | simiiiter uutem
forma nun esl in uuima ut ineuibruni est in cor|)orc, sed e^t in ipsa anima
et ipsa nniina esl sentiens A ( Oittugnifihie^ simiiiter | simiiiter autem A
sensuli I sensata ^ fehlt A
4 AVGadl
in anima cum alio. aliud alteritate. sensatum igitur in anima
est sentieiis. al u^ro sensatuiu materiei est praeter animam
sentiHntem. ex paile ergo materiei sensatum non est sentiens.
& et similiter cxemplum rationis in anima . quando apparet
ratio siue forma , cui non est materia et unitur cum anima,
ilicet fit inuenta in anima actu, cum iam fuerit in ajiima non
Inuenta actu, immo potentia. haec igitur t'oniia. quae materiam
non habet neque ptiauta^iiani , est ratio adquisita unimae ex
1" ratione prima, quae est specialitaf reruni. quae est actu semper.
et ipsa quidem non tit adquisita et anima adquirens nisi quo-
nlani anima potentiil est rationalis , et ratio prima actu est.
omnis res adqjiireus rei t^ssentiam suani , adqnirt-nti ei est res
ilia potentia et non est ei actu. et onme quod est rei potentiA
1-^ non egreditur ad actum p<>r essentiani eins; quoiiiam si esset
per fss*'ntiam eius esset actu Sfinpi-r. quoiiiam essentia est ei
semper et est itiveuta. ergu omnu quod est putentiü non exit
1—2 in anirot est senlien* I est in anima sentiens y
2 aera i Mn-
kiftr .V est | el iV ,1 maleHei l im A i)uatuur S trflchrrWU tan h <|aan-
ilo I ()n N f\r Ä 7 anima | .iiüniali A 8 immo 1 fehlt hu Trxtt »her um
liauiU nachgeirogen A 1) ex | et ex .-) Iit ijuae | quarum .1 s(ierialitas
spalita» AS »eiupcr | frhit S 11 adquircns | aquirens A' 12 aaimn I
animal K ralionalls | raliunaliilis A est | fMt A* 13 oronift i ciim
oiiinis N ei i enim iV 14 omne | esse (ee fSr ue) Ü 15 quoniani ,
quud A Iti ei I et A
Liber 6t» intelleclu. 5
ul aliud uel aJtemni. sensaturn igilw in aiiima est sentiens
sccundiiiii quod est in anima, sicul dixil ÄrislotGlus. sed sen*
satuni utrlutis niatprialis est praeter anitnain sentieiitem. se-
nnidntn ijrilnr quod est in rinjtoria, scn.salurri noii est st-ntiens.
et siniilitor exeniplilicuw/'l Ai-istoltiltis inlellcctum . scilicet fi
quod anima cum appreliendK intellectum , scilicel Ibniiani quae
iion liabet mutf^riairi ne<: phmitiiHiam, ei uiiilur ciiiii anima, iunc
«•sL in anima in pffoclu qnuc non i^rat antea in anima in elTeclu
seri in polentia. haoc itrilur forma, qnae iam malcriam non
habet nee phanlasiam , est intellectus adeptus animae ab intel- lu
ligentia prima , quae est specialitas rerum . quae est in actu
sempiT. tuici; uiitem non tit attribuens nisi animae adeptae ad
rei'ipiendum , quoniam miinia in potenlia est intelligens. SiH)
intelligenlia prima est seinper in actu. nulla enim res attribuit
aliquid suis reeoptibilibus , nisi quod erat eis in potenlia et non n
in effertn. nöliil anteni quod est rei in potentia exit iu\ eft'eelmn
per ae ipsum ; quoniam si essel per se ipsum , exirel semper in
I uel I fehlt SA 2 seeandum | eo K' est in | fehtt A est M ' anima |
iinitne A eo C' sicul | ut A dixit ( dt M'N dicil.V seJ | fehlt S 3uir-
tutis nmterialis | uirtutis lalionalis A mftterlale S lualerialis T' est | felitt S
4 igitur I fehit A maleria | ala m V- nnn est | fehlt A 5 exemplificauit |
exempliflcal syV'V'AM' intelleclum 1 in intellecUi A ft— i! «<'ilicel . . .
intellectum | fehlt N V ' i IfvmoiotfUuton) Gcuni apprehendil | cumprehendil S
7 nee I et N phanUsiam | fanlaaiam SNV'V'AM* und so imtnfr cum ani-
ma I in fanUslu illa S cum ea Jf' B in elTectu I afTerla .1 quae . . .
effectu I fehlt AT'if' (ilomtnottleutoH), in K' jedocJi am Handf Havhgelntgen
anlea | fehlt SV- !> sed in potenlia ; ffhlt A iam | a iam .S 10 nee |
neque NA uel ^' adeptuä | aplu» A 10—11 intelligetitia prima | inlel-
lectiua potenlia P* 11 est i fehlt A specialitas | spiitas K' spälitas ASM^
spülitas 5 rerum i non tnö für rr) X est in actus S in actu est AX
V2 baec \ hie S non fit | st lil A' liliu (iulelÜKentia V) V* allribuciis I
m
triliuens V* aotibuens (!) ^V adeptae ] aple V^ 13 quoniam | q A
intelligens \ intellectus S sed | et A 13 — 1.^ sed . . . potenlia i fthli
•Sr» M est seiiiiier in actu | semper est in actu AM/' seniper in actu est
.-I res I fehlt Ar' I4~l5 attribuit . . . receplibilihus | aÜquid »uiti re-
ceptibilibuB attribuit A suis I rr .V eis | fehlt M^ 10 et non 1 sed 1'" sed
non S lö nihil | nichil y*SNM' und so immer fituch V^A) est rei i
erat A enil | erit .S' elTectum | actum und am Rande: efTectum A
n quuniam . . . i^ieutt» [ fehlt M (HumoioUleHton) exirel | essel AJSV* V*
Al-Kindi
ad actum nüri per id quod est illa res actu. anima igitur est
rationalLs potentiä. et est exiens ad actiun per actum primuni.
5 et cum unitur forma rationalis ei , non est ipsa per fonnam
rationalem alterata, quoniam non est diuisa quare alteretur.
et cum unitur cum ea forma rationalis, tunc ipsa et ratio sunt
res una, rationalis et rationata. ratio igitur et rationatum sunt
res una ex parte animae. ratio uero quae est actu semper
14 faciens extrahere animam ad hoc nt fiat rationalis actu , post-
quam fuerat rationalis potentiä, non est ipsa et rationatum res una.
rationatujii igitur in anima et ratio prima, ex parte rationis pri-
mae, non est res uua ; ex parte uero animae ratio et rationatum
»est res una.
ratio igitur, quae simplex est, est magis similis animae et
fortior ea in sensato plurimum.
ratio igitur prima est instrumentum omnium rationatorum
f* et rationatum. ratio vero secunda est animae potentiä.
1 nisi I neque AN 'Z ad | per N per ] ad JV 6 mtionalem ] in
oiiine .1 <[uare i quia N H una | et materia A* 9 ratio j ratio A'
uero quae est actu | intentio non est que ,actu' est N 10 extrahere i extrahens
AN animam | anima N U— 15 ex parte . . . una \ bis N lä est |
et N 17 est est I est (llaplographie) Jf 19 igitur prima | prima igitnr
20 ratio uero secunda i secunda ratio uero secunda NA
Liber de intellectn. 7
actu, quoniam essentra sim es[se]t sibi semper et es[so]l
inuenta. nihil i^itiir ijaud est in potetiliu exit ad effpctuni,
nisi per aliud quod est in efft^ctu. ariiina igitur est intelligens
in potentia. sed exit aii effcotuni p(^r intolllKentiam primam, ad
qnani oiim'ip.sa re?^pexil . tit int.ellit<<-nH in offectu. et cum «ni- &
lur t-i rorma intcHiKibilis. non wst ipsa t.'t fopina iiiti-iligibüis alia
et alia. quontani non est diuisihili.s ul alteretur. sed cum unitur
cum ea fonua inlellipibifis, lum.- ipsa et intcllectns sunt res una,
sciiicet inti'Iligeiiä H intfllcria. i^ltur iniellecins et intellectum
sunt unuin serundinn quod sunt in miitna. intelludus uero qui i«
est in artu seniper et qui extraliit aniinain ad hoo ut fial in
effectu inteüigens , postquam l'uerat intellitrcns in potentia . ipse
et inteMecluni ipsimi tion sunt ivs uua. intellet-tuiK iptur in
aninia et intellectus prinius ex parle intelligentiae primae non
sunt res una; ex parte uero animae intellectus et intellectuni t»
sunt res una.
intellectus autem , qui in simplicitate est siniilior animae,
est nniltu tbrÜor quantum ad intellectum , quam sensus ad sen-
satuni. inU-llei'tus igilnr pritnus causa est oinniutn intelleclortuu.
sed intellectus secundus est aniniae in potentia. so
1 «((sejl (bi3) I esset NiV C l'MAf' silii semper l semper sibi .V 2 in-
uenU I intenta T' tnuenda iV igilur | ergo T' auLein A potenliu | actu
putencia >S' efTectum | hcIuui vel efreclum M' •) nisi | ut 8 allui) | hH-
quod S 3— ä> anima, . . . effectu | /*W( .1 (Homoioteleutonf 3—4 est
inlelliifenn in potentia | inlelbgens in potenlia est intelligens SV* | in-
tcliigenliiun priiiiain | iulellecLluam potentiam t'^ 5 quam cum ipüu quatn-
cumque A respexit | respicil VNM' iiitelligenti | inlelleclu-s N 4i ei |
cum ea V iotelligibilit* | intellectus M^ (i— 8 nun est . . . inlelligibilis |
fehlt 8 (üomoioteltHiott) H lunc ipsa I fehlt V^ [i intelligens ) intellectus
\'*A inteUccta i intelligentia X intellei:tu» XA iutelleclum Af ' intel-
lectum t intellecta t'* intellectus Ä 11 acLu | unima N qui | quod N
exlrahil i abstrahit Af* animaui | aniinam ail iiniiitaiii T' aiani .S' 12 in-
telligens (Wjij 1 intellectus .ST', M nur das erste ITuerat i fueril N ipse i
et ipsa 1'* tpsa .s'ATMi/' Vi intellectum ipsuni | suum intellectum V^NAM*
intellectum I'' intellectuni l intellectus .s' 14 intellectus priitiui« | inlel.
lectiue p V* lö — Iftex parle . . . una | fehlt N ( Homoiutelfuton,i 15 uero (
eiuB >' 17 vor intelleclus der litd. simplex intellectus bimilior est aaime
•S, rot qui in riimplicitate est | qui est in simplicitate >^ lü multo | in-
■
teÜeclo (,inUo* für .rnfto*) .S quanlum | quam JS \"* (|uum | q JV 19 cau.'^a
est I est causa >S 20 sed . . ■ |ioLenlia | fehlt A uuimae j cauüa Jlf'
Al-Kindi
igitur ratio aut est prima et instrumentum omnium ratio-
natoniiii. aut est secunda et est animac in potontia, (liiin non
flt aiiima rationalis actu. et terlia quidem e»i ilta quae aotii est
aniniac , quam iani reposuil . quare sit ei inuenta cum uult uti
.\ ipsa et facit eom apparoru cum inuentione absquc nlio ab ea.
sicut scriptum a s<Tiba; est eniiii ei propera pnssibrlis, quoniam
iarn recondidit pt fixit in iinima sua. ipse ergo pxtraliit eam
quanrto uiill. qiuirla iiero esl ratio appai'ons ex anima . quac?.
quando extratiit eatn, est tnuenla absquc alio acLu.
10
ratio igilur secunda est ex tertia et quaiia, cum tcrliam
reposuerit anima et fit ei ut extrahal eam quando uult. et
quurta aut tioru reposttionis äuac prima aut hora suae com-
positionis secunda.
li igitur est tertia cuius repositio animae iam praecessit et
quando unll est inuenta in ea.
qiiarta uero est apparens in anima, quae apparet actu.
istae igitur sunt sententiae antiquorum de ratione. et
t igitur | ergo N aut | aliml A 3 Ht | sH .V et i se (unldar) N
actu est I est uctu est A 5 a | üd propera | yp A ^i^ea N 7 ergo |
enim ergo JV 8 quando I cuin H apparens | uperans A II lertiam t
tertia JV 12 nt | sit N extrahat | trahat A LI aut | nuleiii A tinHar N
15 praecessit | precellll A 17 uero est [ uero A
Liber He tnlellectu. 9
iiiteli**rlus iffitur iiel est prinius oninibus intelWiihus , uel
est securulus, el tiiiic ;iinniai' i'sl in pült'ntia, iiilerim dum aniiiia
non est irilpiligens in effeclu. et iiMHJcHiis lortJus t|iiii1(*rii est
illp qui in i'ffeclii est nninme, r|uont iani adquisiuil. el habetur
in OH ilü iit , ciini uoluorit, oxerceat euin et faeiat cum esse in ■•
alio a se. sicut scriptiim in scriba est properala el facilis, quam
iani adeptus est, el est defi^ta in aniina sua. ipse ergo pro-
palal el cxorcet oam, quando uult. quarhis uoro est intellectus
a|jpar4'n.s ex iuiiniu, qui , luiii ]jrüi»alaueris euiii ^ eriL in elTrclii
in aiio a tc. lo
inlellectus igilur secundus est ex lerlio et quarto, eo quod
terlius est adeptio aniniao et fit ei ut faciat eum apfmrere,
quando uolueril. vel prima liora suae adt'ptioiiis [in| nuhis,
vel secunda bora suae apparitionis ex nohrs. et tunc exercel
eum anima. eiyo terlius est ille qui est aiiintae adeptio quae ifi
praecedil et eum uoiuerit erit inuenlus in ea. quartus uero est
qui est apparens ex aniniu in eflfectu.
bae igitur sunt partes in quas pritni sapienten diuise-
1 igilor I ergo P' ael esl primufi ; pHmus uc) csl Ä nihil eal primus.S'
intelleclibus, uel I fehlf r> *^ esl | et V* frhlt S et | feMt S luoc 1 In
r'JJtf' L-um A*. uiiktar SV* animue est I est aaime «S' interiin | iterum*S*
ilem A dum l de SV* 3 noo \ fiMt SV* iatelligen? j tnteHeclu8 NSM*
3—4 [{uidem est ille qui | qui est ille qni A quid esl ille .N quod est i|]e N
q est ille qui T' qadi> Af' -t in elTeclu esl esl in elTecLu M* quem
iam [ qnoDiain .S' quem 1'' H exerceat i exercet SN ema \ eam A
I» B ae I esse A est | el V* profierata \ prepHrata SA T' p'j/alH .V
ppamta .W * 7 adeptus est | est adeptus ä' el est detixa j et cum delixa
est S non defixa V* ipse | ipsum SV* ipea A 7—8 propalat j apndiet
S h exercet 1 exerceal VA est inl*'llectus | intellectus *'*J/'' intcilectus
esl .V 1* appttrens ex anima I anime aparens -V ex anima apparens V*
apparens ex alta \ qui I quae A propataueri» | approbaueris X appel-
laueris JV erit in etfeclu j exit in ellectuoi A 10 alio | alia A a le |
aue Ol A n igitur t ergo V« est | fefät Jf< eo | et sy 12 ter-
lius I suus Cunldar) N adeptio | ad cpljo N ouro t fehlt SA 13 (juan-
do I uel quando S suiic adeplionis j adpplionis suc V sue apiMnlinni^ X
[in] \ fehlt r'A'.lAf' ex .S It vel . . . nuhis j ;Wi^ < llomaiotelrulon) S,
bis (Ditloffraphiej N secunda { illa A/' ex t feMt (das erste Mal) A'
15 eum I illum K'.V eigu | igitur V^XAM^ leiiius | inlerins (!) M Tor-
cius M* est I fehl! SV* anitiiae ad^pdii | ad epliü anime SV* quae i
qui SV Mi uoiuerit | uoluit S uulueHl et cum volui ^V uero esl |
uero l'M 17 ex I in .ST« in 1 aut in S 18 bae ! fehlt S.
10 AI Kindi
quantitas huius sermonis, cum sit intentio nostxa senno enun-
ciatiuus, sufFiciat.
Explicit uei'bum Jacob Alkindi de intentione aiitiquoruin
in ratione.
1 huius I huiusmodi N 3—4 Explicit . . . ratioue | fehlt X. Expli-
cit uerbum Jacob alkindi de intentione anliquorum fiigi A rot bei.
Liber de intellectu. 11
runt intellectum. quantum uero ad intentionem iuam de hoc,
tantum sennonis sufßciat.
Explicit liber Alkindi philosophi de intellectu [et intellecto].
1 quantum | qaartura [\) S q N de hoc | fehlt SV* 2 sufßciat |
suffic If ad hoc sufßciat V* 3 Alkindi philosophi | fehlt S alkindi V*
alehyndi philosophi A [et intellecto] | et intellecto secundnm Alpharabium
.V et inteUecto A fehlt T* 3 fehlt VN Explicit amen MK
Liber de somno et uisione
«luern nlidit jHrobns A1ch/»rfiis, maj^ister oero tierardas
Cremorie]isi.s traiistiilii ex arabicu in latiniini.
Tu. cu'i Deus üccuHoiinit uerilali.'s jKiLofaciat et quem in
^ domo uitat! r-t in domo mortis bealificet . quaesiuisti ul descri-
bam libi quid sit somnus et quid uisio. hoc uero ost de sub-
tilibus scifMiliis natiiratilHis, f.\ profiric in qua trans^*fssio «?sl
ad loquendntn de nirtntiljiis ;niini!u'. ei indijiet ^peculator iii
hac specie scir^ntiae plenaria Cognition*^ i-ius , quod narraui.
"-' nam si abbreuialur ab hoc. abbrouiaLur ab intellectu eius. et
ikmonstratio qiiideni eius. quod in eadoni scripsi, *»st si^cundum
st!initaiii dernonstralionuui inituralium. et sxripsi de tioc quidem
s<K:undum quanlitatem quam tibi similiter sufflcere acstimaui.
adeo tamen prouenil directio.
[I]
Dico ergo quod cogniüo eius, quod accidit rci, non est nisi
post comprehensionem scientiae quiddilalis rei. sonmus uero
1 Inscipit IJtrer de »ompDü el uisiune (rot) s Inciijil liber Alquindi
philosophi frof). Libtr de Äoniptic cl uisione 'oben). Islß liber tractat de
sorapuü el uisione fttvt Jianä. Js' Tlieniialius de »umpno el vinilia (rot) M*
2 Alchindus [ alcliuinu« N 2—3 rot S fehlt A'.V 4 cui | qui 5 oc-
cultorum | oculorum y nccubrum .■? ucritates | uurietatcs S palefaciat |
patefac N ;i el in | et N beatificel | t>eiieäee .V nuaesiuisli i quem
siaisti (!) uel rogasti M^ ut | fehlt S H eniiinus | surnpuus .V.s' und m
immer sonnus A/» und au immer 7 est 1 esl uel Hl .s' fit SM* 8 loquen-
duta I loquenüarn A' et | qua S speculalor I (|uod speculalor -s' 9 eius,
quod I eiusque N narraui | naraui J*" natura S narranti .S W si [ feklt
M* aldireuiatur l abreuiatur SS und so immrr ab tioc ( Mit S et |
quia N 11 quidem | q« X quod | quam N fehit Af' eadeui at-ripsi | m
descripsi SX 11 -12 esl secundum . . . scripsi | fe/ifr A' 12 quidem |
quidam .V l.'t quam libi | quanluru ^V airaililer | fehlt N Mstimauj |
extituaui A' estiinaui S 14 direclio I directus .V direcco (unklar) N Ib [1] |
fcftU SSM* 17 quiddilalis I quiditatis SSif und so immtr rei i eius N
AI-Kindi Liber de somno et uisione
13
et uisio sunt quae accidunl animae. quare oportet ul ^pecu-
lalio in hoc sil ei, qui bene disponit sermonem [scientiae] de
substantia animae cl inteltigit dioLiom^s cius vi tnuUiludineDi
comiersioniä sermoiiis ipsius et i\\nii] srqiiitur m lioc de am-
biguitate , et quod de uirtutibus aiiinttiL' sunt duao uiilutes &
iiiagnae, elongatae: sensibilis et ralioiialis, ut quod uirtules eius
nu'diae inier sensum et rationeiii inueiitue sunt omiies in lio-
mine, qui est corpus uiuuni erescens.
(luiu eri^o fueriiU istae signilk*ationes iiotae — el sunt
actu — erit quiddilas sorniit , notaniin nirtutum sciÜcel a qui- w
bus proiienitat riolum. et quidditiis uisioiiis iiota est sermune
breiii , paiico etiaiii immeru. et lio<' est quin nos dicinius dor-
mienlein lllum qui [doruiit etj licet sil uiuus actu, tarnen uon
sentit aliquo quinquc seuäuum.
Somnus igitur est diniissio usus ab aninia ouinium sensuuin. i&
Nos eiiiiu runi iioti iiitleinus neque au<!inius iieque wbira-
Miuä neque ^ustaiinis ru^qne tangimus . absque aegritudine aeci-
dcnte, et suinus secundum naturas nostras, dorjninius.
Somnus igttur eum Iiilegrilate descrlptiunis est cuni diiiiittit
niuus, i'iwxs secmiduni iiuiuras .suaä in sanitale, usuni omniuiu iK'
sensuum, per naturam.
Si ergo fuerit lioc , sicut dictum est , tunc iam apparet
quid sit uisiu , cum scituiii est quae sunt iiirtutes animai* et
quac de eis est uirtuä, quae nonünatur forniatiua, scilicet uirtus
1 animae ex auiina -V anirna Jf' 2 scniiuneut I .seriUD d e 3/'
scientiae | fehlt .vif* 3 intelUi;it I intelligat N 4 sermouis ipsias { eius ^V
ipsiu-« Bcilicel sernionis M"* quud setjuilur ; fehlt S <i etuntfata^ |
cleganüae y. Am Hantlt : Nota iluas uirtules animae magnae exoellentiae.
7 8unt omnea | oiiines S sunt comunes A' U uiuum unum S ;> fuerinl i
sunt 'S Kunl I fueril .V tuerinl •!/' 10 aclu | acta 'S aclu ue) (»peru M*
11 [iroueniul | proueniunt A est cum S fehlt M* 12 etinm ■ fehlt N
in M' et I ex .S (|uia N 12—13 dormienlem | hurregentem (!J S l.'t et \
quia A uiuus | uniuä .V tarnen non | non tauten N 14 quinque | l'A'
2u 15 Dininitio somni N Itaudgiosae dimissio I diuisiü .S.V Mi ui-
deniuH I uideremu!' •>' audimus audiremus S l(i— 17 neque odüramuä |
fehlt S neque adoremus N 17 gustamus l gustarenius S neque Lang!-
mus 1 fehlt .S 17 18 accidente | accidentem 6' 19 cum I est cum ä' de-
scriptioDis est t fehlt sy 19—'^) cum dmiiUit . . . suas | fefät .V 'Ji) in |
de A'' usum 1 usus A' nt 32—24 liatid^osae: Nota Tantasiae descriptiunem
entnque sit uis tormatiua S '£2 hoc, sicut | iam >n' 22 — 2:t tarn apparet
quid I appurt>t quud iam N 23 est l sit S sunt | »iiit }n 24 quae de |
que y de .S quod de X est | fehlt M-
14
Al-Kindi
quae facil no& inuenire formafi rerum indiuiduales sine materia«
scilicet cum alisentia suorum snbiectonini a scnsibuf nostris.
et esl iUa quam nominaueninl antiqui sapicntutii graecorum
phantaäiant.
5 Differenlia nainque int^r sensum et hanc uirluteni funiiati-
uam est ^ quod sensus facil iios Uuienire fornias suonini sensa-
toruni delalas in materia sua. haec autein uirius Tacit nos in-
uenire formas indiiiiduales exspoUatas. sine subiri'tis cuin liiiea-
tione sua el omhiUjus suis quaÜlatibus. el haec quidem uirtus
w pedicit suaiä opcrationes In di^^po^iitlone >M3mni et uigiliae. ueruiii-
tamen in .somnis est. ma^iK apparentis n{ii'nitionis et formalionis.
quam in uiKiüa.
Inuenimus enim quandoque uigilantcm , cuius anima qui-
t>usdam suis uÜtur .^ensibus, ima^inari forniaiii rerum indiuidua-
IS lern , in qua eogitat. et secunduni quantitatem pmfundationis
eogitatiotiiü in eo et dimissionis usu^ sensuuni , est illa fonimtio
magis upparens ei, ita ut quasi testillcetur eam suo sensu, et
illud est ({uonium , quaudo a<iuenit ei occupatio in cogitatioiie
sua, qua uacet a sensibus , priuatur usu uisus et auditus. nos
3(1 enim niultotiens inuenimus <-0|^tantem interrogari et non respon-
det, et, re existente coram uisu ipsius, cum e^editur a cogita-
tione , si inlerrogalur an uifleril eam an non , etmntiat se non
2 sensibus nostris | nostris sensibus SM* 3 quam l per quam^fioero
S nntiqui , antiqnis Ä' sapientuni | 9U|iieut«r S safiientiuin .V Rraeco-
rum I gramatirorum i^ 4 ph&nlasiain | fantdsioiu M*y frantasiatn (!) ^V
fi — f> sensnni ■ ■ . fonnaliuRin | hanc uirlulein r(>rmatiuum et sensum N
(j sensuE I baec uirlui, scilicet seosuä .V :u 3-(> Ramtyloift: Nota ttifTerea-
tiam inter fanta«iam et scnaum. ^ 8 tunnas; in<iiuMualeä ] rormam indiui*
ilualemJtf'A' exspoüatas | expolialas.sexpoliatam J/^exspüailam ^ 8— Ölinea-
a
tione I iMcke S 9 et baec quidem uirtus | et hoi- quidem .Squia haec q uir-
tus N lü j>erfieit suas opei-aliones ; suaa [»erticiloperaliunes NM' 10— U ue-
ruiii tatnen | uerumptamen -A' zu It^ — 14 Hanägionat: Nota quod fantasia in
flOinnis esl magia apparentis operatroDis .V 11 suinnis | sunno Jf' furnoa-
Uouia I fortioris M* 13 uigilaatein | uipilanli AM/' 14 imagiuari | ymagi-
nari SX und so immer i iiiutrinari M* fonnam | formas S LI— 1ü iodiiii-
iJudlem I indiniduales d' Hi dimissionis | obmlssiouisiVdiuisionis «s' lü — 17 esl
illa Tormatio magis | ilt» furniaLio magis est .S 17 quasi ] . q . A' ipse quasi M*
IS illud est quoniam | feltlt S 111 Mua | fehlt X uacet | iaeel .S* uoialur
(für .vacatur'?) N priuatur usu | priuatur usus .V priual eum usu S
prJuat eum pasu (!) M' uisus | uisu i/' :IU mullotJens iauen)mui> | uide-
mus multotiens SM'* 21 cum | non At* 22 uiderit | uidaol S euuntimt
sc I cuuutia^ufe <S' annunUat sc A'
Kiber de somiio et uisiüne.
lÄ
uirtisst» f-nrn. fl similittr accidil ei in reliqiiis sensihus , sccun-
(hini inotliini (hii-iiiii. et hoc quidern est in coinnumitale homi-
num repertum prionim in exi-eilt^ntia, quae est in menlf i't
rationo t-l uirtute discretionis , uirlus aniinnrnm oxcellciis facit
MOS inuiMiiiT* runiiaä reniiii dciaxhUas, v\ uon iiucaiit a pluriMio u
sonsu.
Gutnque profunda(ur cogitatio atleo iit iion utatur aliqiio
sonsiiimi niiiniiio, lunc jicrncnil ei ro^itatin ad soniniiiii , »'t tit
iiirliis i'i lannaiiua lortior quam unqiiani sii , ail fioc iit fai-kil
appnrero operationes suas, cum non oerupotur ad dandnni animao to
suae formain inHentlonum co^itationum sensibitiuiii. uidot aiitcin oas
rum sonsu exspoliatas et non est difforviitia inter eas onmino.
iiiinio cum i-o^iUilioiio sua , in omni in quo co}ifilat . apparrt ('<i
forma e(i{;ilationis dt-nudata seinper firmius et inanifeätiuä i>t
melius (juani sui tiensati. quoniain seiilieiis i*e<ripit sousata sua ir,
insLi-mitento secundo, cui accidit fortitndo et dobilita*; oxlrinswus
et intniisecus sinml. haec auteiri uirtus fonnatiua recipit id»
quod recipit. sine instnnnento secundo, quaro non accidit ei uir-
lus aul dehililas. jinmu non recipit ipsum nisi per animam ex-
spoliatam. non er^'O uccidit in ea conturbalio in'qu<- coirufilio. w
quaumis öil in uiuo recepla cum instnimonto primo, tomnuini
sensui ei rationi, et sit liaec nirtus fonnatiua et aliae de uirtu-
1 ei I fftiU N i inodum | pluritDuni MM* zu 1 4 Hondyittggf : Ni>iu
quod per Lotam Islam r:o]uiiipaain o»leiitlil qui>il uirlus rormatiiia sit per-
ftictior (|uani sensiliua et lioc multis raliunibus et exemplis. iV -^ quiileiii
i
est I y ^ conimunitate | rominutalione S ^ prionini | propriorum uulN'if*
cxcellentia | feXcellentiKin N 4 uirtute f ueritate et uirtus | uniuscuiusifue
S {tcahrtchrinlirJi uni" »tatt aV*) excellens | frlilt X it eos [ enim M'
inueoire | io menle «S ii sensu \ sesus S sensus M* 7 cogitatio cognltio
M* iirtrf HO immer, fehlt S adeo . . . ulatur | fr/iU S H ei l cum eo SW
i* uirtus I fehlt N intus N 10 api^rei-c | apiircre M' unil go immer iipera-
üunes I co^nlatiuncs S non ! nuoquuiii «V 11 inucDliuiium | intentioouiu
SS'M^ coifilftlinnuin | frhit jV (lulcni | . a . S enim A'Jtf' VJ exsfio-
Itatos I expülialaü NM'' unti no immer Ki immu | iino iV />A/r N 14 -lä
uianifesttus et melius | melius et manifestius N 15 sua | suo M* K* in*
strumento secundo | in inslrunientu buo y occidit | accidunl S Turliludn
et delJÜilHs | debilitas et rortitudo A' l'urtitudo debilitKS N 17 id | illiul SM*
IM quod recipit 1 fehlf A' non | fehlt S Ä) crg" | fehtf N iinnic | «l-
i)ue N i-iirruptiii | cüruplio Jtf' '2\ ujuu | uao M recepta cum | re-
ceptalo S coumtuni | cumntunia Af* 2'2 sit | aic iV
\fi
Al-Kimli
lilius animae scilicel in rerebro. hoc ('ttiiii membruni positiuii
est Omnibus istis uirtutibus naturalibus. sensui aulem [sünilitcrj
sunt posila instrutrifiita sfcunda . sicul oculi (cl corebrumj et
aures c4 cai'iinculae uarium et uasus et lini^m et palatum et
.'i viuulat? et oninos nerui t<H'tus. luini sicul cum cerebro superuenit
corruptio iitstmmonlo iitrlulnin ;niimaliiuii administralaruiii Uli
ineii)bm a ccrebro , siiiiilittM* accidit id sensni, et, proptcr id
quod accidit ex islis inslruiiicnlis siK-uiidis in tbrtiludine et de-
bilitati' sua, est ooinprehensio oius del>i]ior quam rnmpreheiisio
I" illius, Olli non äunt instnimonta. acciilcntia i-niiii aeeidunt ei ex
duabiis partibus pluriniuiiv. sciHclH inslninieiitn piitno d secundo.
et salualur piurinium ilüus in prinio. et acciduiil ei accidentia
in secumlo. uiiliis entm formatiuu saluatnr niiiltoliens in in-
slrumentü fjrimu, sieut saluantur aliac el prinanlur in socundo.
ii quure non accidit ei ex parte eius accidens. (inatL- sunt opera-
tiones eius semper el ipsius inuentioni's nudae rl nianifeslae. sensui
uero in oninibus operalioiiil)us aceidit diuersitas propter dispositio-
neni «iluersitatis horum Instnunentomm secmidorum, sinlicel per-
mixtio, sernper. quapropter Mt quod uirtiis formaliiia inuenit sua
s" inut'iita. quae iniicni! smisiis cum malcria, firmins ef nianjfeslius.
Kl iteruiii Ion na , (jnae est in niateria, Si'quilur niateriam.
non eniin omnis muleria i^t susceptibilis otnnis fomiae. nam
si -si^illo nno siKillaueriinus ceram et lutum darum et lutum
turbiduni el lutum ^ypseun». egreciietur improssio in eis dinersa,
2^ secunduni quantitateni luti. quod de eo enim subliliores habet
1 srtliret j suot X in />A// Af* 2 esl | est in .1/* rsimil>t«r| I
fehft A'W 3 oculi i tmuli S (tciilus jY.V* [et rerebrum' [ et ctrebruni
SM^ in cereJmiii* N 4 .lures | ;\uris iV cArunculae | c»rniiHei[i (!» .s'
et linnua | «1 posita instrumtmta .s' litigun Af* palatuin i )>:i]alus ü'
f» uaulae | uuoellee S lai-tus ; IriiftuR .V i» rurruptiu i bin hl* instru-
menlo | inuentio -SM/* adminUlrutiirimi | ndministrantiuit) ^' illi j ille N
7 id I illud A' el ] ijuia JV iij | iltud N H ex isli': ex illi!: jV J<:lU N
H compreliensio i coniprehentfl ^s' romprehensa A' eius | cuius 5' II par-
libu» plurlmiifii ; plerumqiie S partibus plenimque .1/' instniitienlo I in
infltrunieDto SM* 12 et I quia S 13 enim ! aulem SU"* in ! fthU S
W priiiuntiir I priualur M* nliae ! aliae res .V in | fthlt S 15 sunt i St-
ent III iHidaf et l unde A'Af t7 operationilms ! disposilionibus i^M''
17 secundorum I fehlt M' IM inuenit 1 minuit A'^ Ji) et manifestius I ffhll
S 21 El I quia A* niateriam | in bor y 22 est | fckU S omnis t
omnes .S 24 lutum {rypseuni | ^ispuni <!) S bitum gipseum X gipsuin M*
egredietur | egreditur Af» in eis | ffhft S -21) eo | ea .■? enim I uw
k'lar y subliliores habet habet subliliores A'
Liber de somno et uisione.
M
partes et lotjpinquius est a rarilale, est nmtris suÄi^rptibile lormae
et ui'heiiieiiUu.s redilerus descriptionem fonmirmn.
Siniiliter est sensatuni sequens subiecta snoinjin si'iisatorum.
imioninnis enim in eis conlurbationpin et toitiio.silatern et rdi-
quas species diueiNilatis, accidoiites eis l-x parti* materiae. et :.
oiuiiis quideni diiiemtus accidit ei ex paHe materiae. uirtntis
autom fnnnatiuae sensitiilis. euni rnateria sna, non nccidit ronnis
rorniplin accidens ex ihalcria. cl propter ilhul inuenrnnis for-
niani somnialein firmioretii et meliorwn.
Et itoruni ipsa inuHiit quod non inuenit scn.sus oinnino. lo
nam ips» potest coitiponore fonnas. sensus uero fonnns coiii-
ponnr*» nun [lotesl , qiioniiiiti rinn potopl coiiirnUcoro niateriani
nwque opi^iationos rins. ni.sns aiitfni non potfst faceiv nos in-
uenire liomineni habeniein roniua. uut peimas aut aliud ab lioc
de Ulis, quae non siitit honuni in ii;ditra, noqm' tuilmal irra- i^
tional*' ralionaie, non hüim poti-st iltiid, tum non sil innciduni
in niatena sui sensati oninino, cuius est, ut inuoniat fonnas in
ca. cnpilatio uero nostra nou prohibet nos (piin itna^inwiiur honii-
■ncm uolanteni, cnni non sit pennatus^ cl Inpnin rationalem, et
liaH' qnidrm nirbjs rnrniatiitu non est fornuitinii iiisi ro;?riitioniä ^>
sensibilis. qnaeciin(|iii' cot^ilalio arcidil i-i. ei jipud nacationeni snaiu
ab oinnibns sensibus L-xeniptilicalur [uel inia}finahir| forma iJlius co^i-
(ationts nobis nuda absque matoria. quaj*e iuuenimus in somnn
de foniiis sen!*ibilil)us quod non inueniinus cum sensu oninino.
biMi er>fo inanitosltnn est iiottis tpiiii sil nisio, jht illud ^s
quotl Uixiiiuis.
I longinquiusi longius .S' longinqus N est tiuit'« 1 cl mnigis iV ^u•
Kceptiliile I subliliu» S •* et ut >^* iJe«MTi|iliunrin »usL-e|>tionem JV
3 est senealum | sensalum est M'S 4—5 reliquas | reliqua S h jicciden-
le» 1 accidens N 6 ei l eis A' 8 illud | id .s' 8-0 formaiii fehlt S
10 Bt . . . inuenit | quia ipsa iiiueiiisiterumsenaus omaino X tlonrohlrlrulon
11 fonnas [bis) | formara X ii potest | ualeC .VJf^ la neque | neo y
aiileni 1 enim NM^ focere uos | fehlt N 14 aliud 1 aliquod A' aliut M*
li> de iltifi . . . homini | quud non hal)«t homo N Ib—IG irrationale rutiu-
n;dc I raliunale irrationale NiV sui i fuil M* 18 nostra | fthll X pro-
liilx't I proibet S nos [ feMt SN 19 pcnnalus | frhit N et I ut S
'JO fonimliua ] fehlt iV (-o^nitionis I cojplatiünis X 2t ei ) pa X et (
quia X 'ü senüibus 1 .senstikilibuit At' imntjiitutuj- [ frhit S 23 nobjs
nuda I nb' auida (!) .V 3ö quid | quod >'
Heilrlg« II. 5. Nngy Al-Kiiidi. ^
18 AlfClnd!
Vi»io igitur est <.tnn aninia utitur eogitatiboe et dimittit
UHUiii HC'iiäuuin 4*x fiarte tma. ex hnpressiono ufffo siia, ipsa esl
sitfiUatio fffriiuiriiiu iiiin^inalioniä, äU|M*r quam cadit oogitalio )ui-
beiitiujii furiiiaui in aninia cum uirtute fonnatiua. proptereu quotl
fi aniina dimittit usiim sonsuuiii et adhaeret usui cotfitatioiiis.
Qunre utileni nidf'ainii* qiiasdani res antftquam sin! ? el
quarc uideanitis res cum iiitcrpretation«' ^i^iificanles n*^ ati-
tequarii Hint ? i*t quare uideaniuä | quasdam] res lacientes
I" iios uidero oontrarimn oarmii ? et quare uideamiis res et non
uidemitö cns, noqiit' uidermis oanim iiiterpretalionem, [ei] iieque
nid^'inns coiitrariiim earinn omninu?
Ciiiisa in hoc est quod inest animae earum seientia ptT
naluratn cl quod ipsa est locus s|>ecieruui omniiim rertini sen-
i^' K)l»iliuiii fl nitioimliuiii.
Kt iinte nos qtiidrni dixit cliiiiii illud I'hiti» j>hiKisoplius
(■niirurum el aperuit illud et narmuil ab eo pliilosoplius eorum
rnrnnäissimiis Aristoteles in semionibuä naturalibus.
Kt Pinto qnidt^tn non dixit illud nisi quin sunt res notae
2" nmnPH iinl scnsiitm» ant niliomitae, ei est iininiiie innenlio ratio-
nutorniii nun inuenlione seusiitonini. el f'uit illud propter quod
dtxil (]uod aniina ««st sentietis^ seiHi'el ijund ipsa intienit sonsata
in essenlift suu. et dixit quod |ips)i| e.sl rationalis, quomam
ipHa inuenit rulionala in essontiu sua. oi non est sensatum in
I cogilutione el ! roifnutione (!) X 2 inipressincie [ parle -V est t
frhtt S 3 iiiinHiMiliMiiJü i ymuniinis S' quam | quod ^^ 4 propterea i pro-
picr M* f) UBui j uikui iV (l [11| | /VA/r SN 7 uiHeamus | uideinu«« .s'
7—1) el quiit4' . . . »int | fehtt X M uideainus 1 uidemus N cum inlerprc'
taUutii' !)itiriTtl)cai)U>s | iiignillcantes cum interprelntionc M* 8—9 res iDte-
ijniiin i>in( j anUM|uuiu 'siiit* res .s' P uideuiuus 1 uidemus S [quasdamj |
ffhlt SM* üos ' uel uideiuu? no« S li) euruni j eorum S* 11 uiile-
iniis I indcumus SN iicMpie uiiliMnus 1 /V^// .V caruiu I eorum S JDter-
prolaliunum | Inlerprolaliones .V (el) nequc | et nos N Vi earuin | eorum
.V i:i onrum Hcimilm | frhlt JV 14 cl | fehlt X est j feftll S 14-15
üptwlerum . . . rallunnliuin | omnibus senäihillhus rebus el mlionaliDus
SAi* SH II — ir> linmlmift: Nota quoil inest animae (ler naturani quud
•til locus specicrum .V IG Kt | quia N qutdem | quitlam JV etiitni
s
illud I id ^* illu'l eliutu .V IT Graeroniiu . . . eorum | ^coium 3/' ape*
ruit I «)>iermU >' phil(t«ophu9 eorum | ptinriveuä i!) N 18 fumoaissiinus |
fitiuusus jV^* Aristoteles ! Aristotües Jf * naturalibus | f>hU S 19 non |
frhU S ni»i I ftkU S !ao omnes | comunes S f*hlt S äl et | quta tf
^» ipsa] I ftMt SM' quoniam | quift A ti ipsa | ips« N lationaU \
ralionem S et | quU N
Liber de somno et uision^. ll^
animn res ulia iiisl senMons. nam non est ibi aliiTil et alithl,
soilicet non est nisi essentia unfi, siniplox. senticiis i^itur |eiiis|
in disposilione sui sensus non i'st praeter si'nsatiiiii , »jiioniajn
absrisuiii est in ea ipsiuii sensatuni, scilicet forma si^nsati. non
ei*p) foniine in ea sunt res aliae quam ipsa. inmio ipsa in illa s
(iispcfsitinne essentiae suae imienit illnm fonnam. et siniililer
rationatum eins non est nisi uirtus eins nominata ratio^ rnni senno
nostep sensatuni non sitnisi imliuidua et senno no^^terralionatuni nun
sit nisi species el quae sunt supra species usquc m\ Kfuns genera-
lissimuni ; uirtus eniin inueniens sensatnni , quae est eomniunis m
aniinalÜMis onniibus, est inueniens fortnas imiinidnaruni reruni,
Äeiiiiel fonnam indiuiduaU'm , quae est coloratio el ligmatio et
de^istatio et noealio i^L odoratio et laetatio et ornne quod erfl
sie ex Ibrnmtione hubentium niateriam [et rorniamj ; et uirtus
inueniens ralionatum, quod est inuenturti liominis, est inueniens i'-
speeies rerum et discretiones speiitTuin earuni et quae conse-
eunlur eay. cum ergo sensatum est inuenlum in aninia, tune
non est sentiens in aninia niiii sensatum. et similitei' ratio ani-
mue non est nisi rationattnn, in dispositione euni aninia inuenJt
rationatuni. ratio igitur in aninia est raÜonalnni el sensns est t'
sensalum, cum sint inumla anitiiae. ante uero quam inueniatur,
sensatum est (onna indiuiduorum et ralionalum esl ('(»rnia eonun
quae sunt supra indiuidua , scilicet specierum et ^renermn. et
species quidein t;t indiuidua sunt oriinia nola. ipsa igitur sunt
sentientt et rationaiiti, scilicet iTiu^ntu anirnae. siml ergo omnia ^^
1 aiia I aliqua •>' ilii j ibi nidi A 2 simplex l sinipliciler .V
3— .1 eius in I in A in cius S 4 est in ea | in ea esl N est in ea est M*
lensati \ sensata S sensatoruin A' (t fünnae , forma S inimu | imo S
G essentiae suae inucnit illam [ in ueniL essenttae »uue illtiin (uliam N}M^N
et similiter j quia igiliir ,V 7 nun | nichil N nisi uirtus eins | uirtu« uis
ipsiuit 'S nisi uirttiK ipstuü M* nominatji | rationaia N ratio | ideo .S*
H i^pecies | »iie'nem S 11 indiuidnarum i indiuiduorum M* >2 tiguralio )
significatio N fuguratiit JU' 13 tu uocalio Interlintargiog^e : a uuec M'^
udoratio ; hodoratio M* tactalio | taclus uel tactulilos .W 14 [et furmarnj |
fthlt A'i/' *'t I quiu. A' 1H~17 eonscciiutur | eunsequunlur SM^ 17 cuai
ergu sejisHtuni est inuentum | cui est ergu inuenlum sensatum S aninm | ea,
scilicet anima ü (8 nisi 1 uel praeter iiisi M' et | quia N T.t non \
Del praeter non Jf' nisi | frhU S 21 cum | raius S ante | \inkiar >V
uero quam I quam uero if' 22 est forma | forma est N 2^) et ] quia A'
2i et I fehlt y 25 et 1 feMt .SM * raLionanli | raUocinaLio S.
t '
AlKindi
in anima. propler hoc er^o dixtt Pinto, quod anima est lortis
Omnibus rebus sensatis H raitionalis.
Anima igitiir est sapiens per naturam , quoniain ^iontia
oninis non es! uisi swisiii et ralioni **l #77« quae sunt de «ener*
"ceonun ft specie i|isoruni.
El quia iani appropinqtiator ut ostendanms qnae causa sit
in diuersitate diäpositinnuui uisionii> in untecessione ünjae cogni-
tionl« . tunc dicamus quod anima pmpterea quoil est .^pienft
per naturam suam uigilantern .sensibilem , quandoque innuit re«:
lu antequam sini aut indicat eas ipsas. cum ergo est res prae-
parata intetnitati receptioniä cum niuudificatjone accidentium
quibus corrumpitur rercplio uirtiitmii animae, et anima est forlis
ad demonstrandum ut lacial apparere impressiones suas , in in-
strumento esi^futiae uiui , [et] reddit res ipsas antequam sinl
IS et seeundum quantitalem disposilionis suae in bonitate. siniilitor
fit multolit'ns quod ipsu (iat [eis] res ipsas. dispositiones enim
iiriius instniinetili de instniiueiitis animae, scibcet in indiuiduis
habi-ntibus animns rompletas ä<-ilieel humanas. quando<|ue diuer-
siticantur in temponbtis. tpiare fluni quandoqm* Husreptibiliores
9) el qiiandoqiu' dchilioris reri^ptionis. har-r ert,'o est causa in ui-
sione. a qua iUitLci.'dit prufuisio rt'i. and-quaui ip:?« -»it.
Innuitio aulem est quando inätninicnttitn minus est
pnii'pai'atnin ml rwipiendum praeuisionem aiitniae. (|ua enuntiet
'2 vebüB \ fehlt S ;h 1-2 Handnott: nota quod djxll Plalo quod
iiiiiiun i'nt locus oinnil)U9 scn»atis. 3 esl supiens J sapiens est S 3-4 quo-
niani . . . illis | frhlf -V 4 illiit | frtiU NM^ b el specie ipsonim | fehlt S
ipsorum I ipsaruin Jf 0 et quia | ut quid .V nppropinqualur | appropin-
quul f>'^' causfl sit 1 «it caus-a .S' anlecrssinne 1 anlecessiunis Af* 7—8
suae t-ügnitluni» | coi^nilloDiu suae .V 8 quod anima | fehlt N 9 per |
propier S suom i fehlt N quandoque | qm (quonifltn) ^V innuit I minuit
S 10 iiulicttl I iudicnt SN res 1 fehlt X 12—13 anima etd forlis ad
t](m)oii»lrandum | ad demunslrimlum esl forti^^ nnimit S |3 ui Taciul ap-
parere | fehlt SM* 14 essenliae | fehlt .V [et| | fehlt NM* Ipsas ( fehlt
S W> lU I Hl cl ipä« (it S dat [eis] res ipsas | Ipsiis ij res dut X dal res
-Ipeas JU' ilifiKfKiLioncä 1 disr:osilin S 17 udiuf: iustiumenli | instruttieiiti
nnia S.V* in | fehll SM* 18 quandoque | qn N qaoniam S lA-19
"äiueisilic.ihtur A' diueiKuntur N diuersillialur S |>) sui^ctiptibilioreji |
sUMCplittdeB iV 'J* Innuitio »uU'iii { Iniiiul.iliu auloni S inucnlio »ut S
est ; fehU tV* qunndu | quanduque A quoniiiin S minuä e»t | esl minus
/r.W ^ rocipiüUdiiiii praeuisiuneiii | rcceplioneni praeuisiuniü S quia )
vnunliel ) enunciit iV
Liher de soiuno et uisione.
21
de iioinüiibus ab eis. ipsa eniiii tuiic rvubtilinUir ut euenial uiuo
(|UU(I iiuU i'UHiirc H per iniiuilinncin. uorhi ^'»tin , siciit ipsa
uiill nt |ipsH| faciat eum iiidert* uiatorern . (piare facil iiicien»
ipsuiii quod uolaf de loco ad iüciiin , iiinuitnr i-rgo ei triini^inu-
talio. et similiter quando non potent iiisirumciitiini rocipere s
causas cogilalionis nuiiKhii'. ii;iiii sictit iriiirnihir de liotninihiis
uiuis qui cogilal de re anlequam sit el utitur nogitalione sua
sana cum propositionibiis ueris ad sinülitudinoni illius rei, gene-
roitlibiis tin-ilideiii conchtsioiiuiti uil uintu- ilfixl di' quo coffitaiiit
el indioal rrs, ol dcbiliUnlur dis(H>silianes alionini hamiiiuni ab m
hot* ul PKr*-*liatur buiusmodi cogilatio ab i'i.s. quare liuril eorum
i-nHhililab^s ai^slimationi's. et at'SÜtmitio liabol diias rxlremitates
(■(»utrarias, srilkcl ost ita et non vA ila. t'l tunc si arridit
casus at'stitnalionis super rei iifritatoin , est iiera ; el si
uccidil casus super conlnirinm ui^rilatis, est acsUmatio falsa, i^
simililer aoridil iti iiisioiie, cum alibrtiuialiir ab online co-
triiilioiiis in uiilecessioiiihu:^. (|uoniiini lil iogilalio eius aesli-
iiialid, cpiae i|jrilur cadil super ueritateni i*ei, est interj^etatio,
scilicet quod innuilur. el quao cadit super eonirarium uerilalis,
est illud quod si^nilioal, sciliocl contrarium eius quod uidil ni- s"
uuni de uisioiie.
Istae ergo sunl intenliones cogenles aniniam ad uisionem
uel ad innuilionein , et est de assimilatione in uigilatione, si*
cul diximus.
1 tunc I non .V ut 1 et .S' 3 [ipaa| ( ftihlt .Y euin | feMt NM'
ipsuiii M* 3 — i quare facil uidere ipsum | biM i Dittoffraphie) N 4 inniil-
tur t inuenilur *V ergo ei I ei ergo Jtf ' 5 et | quia .V non | i M*
reci|>ere | capere ^' cogitationis i cognlrionis Jlf^ 7 uiuis | unus N
cogitat I cogttant S sua | ffhlt SM^ fl aJ omne | dunlium SM* 10 ah 1
ad .V II e^rftdiiilur I ingreclialur S; da:u InUrfineart^ossri scilicet aliis .V
rogitalio I cogllantem S. So von »püterer Hand corrigirt. ab eis | fehlt
A'Jtf' flunt I ftierit N 12 crediilitates | crudelitulos 3f* sh 12—13 Hand-
nolr: Nota quod aeslimatio habet duas extromitatea, quae sunt est ita et n<>n
esl i(:i y 13 accidit | accidal SX 14 rt:i ueritalem | ueritatent N uori-
liilem rei M' 15 accidil | accidat N 16 ahhreuiatur 1 abreuintur .V
Ifi— 17 cognitionis | cogilnlionis j,V 18 igilur I ergo SM^ rei | ffhlt s l^
(juae I quod .V IJO— :2l uiuum | unum -S' uiuü N 22 cogentes | />/(/( .S'
23—23 ad uisionem uel | ffhlt S 23 innuilionein | inmutalionem N inuen-
tlonem N assimilalione t assüalione N assimulatione S
•J2 ^VPV^ ^l-Kintli
Piitutiu i^tiir , sine aesliniatio hubfiis diias rxtri'UiUaloJS
ucrillcatur i|uuiKt<)(iiif ol mentitur alia uice. instiiiineiituiii eiiim
81 lortc sit urt rocipieiiduni iiiiiuilion**m ueraiii . egredietur
res uenu sicut lacit uesliiiiator aeslimalionis forlis . ca-
iiims cuiri nerilato ivi, qiiamuis ruiii sciat illud scientia completa,
dtinonslraliim, scilicel artniinentatione, qiioniam cadit cum ueri-
latt! rei.
Olli aiilnii est dehüis (•(iKiUitionis »»st .striclae cogitiilUmis
in uiKili'^- ""'" <iiius<|uiH{iU' amborurii coimentt uerilati quarido-
u* tnii* et cüiiuenit tatsitati quaiuloquc. cum autem debititatiir iu-
stniiiit'iiluni u receplione imiiiitioins, quae est siiuilis fortttudiiii
iirslimiiMoiiis , uenit i'cs e cuntrariM. ats^tiinator enirii aesliina-
liiiiiiH ik'biltH fst frraiis. coiiLi-uniiiii igitur senipfr t.*sl ueruiii.
et lioc quidem est iiisio, quam qui uület uid<H contraiiuiii
^^ clUH, quotl iiidel in s<^>miJt<> stio. sicut (|iti uidet honuneni morUium
,•( innlitn^aUir eins teiapus; et nidrl honiiiieni factum pauporem
el cifscit ci'Usus cius, et quae sunt ita, cuni antcni df-hililalnr
inwtrumenlum debilitate cum qua non rwipit aliquem eornm or-
liiiinm, non est eiordo, quo narretm-, ne<pie coudilioiies conueuieu-
ii ' tes, vi diucrsiticatnr sicut est Ulnd. qtind atcidit pcrmäsr-onti copitatio-
IK'K in iilK'lia- (orlassc vn'im ipse unll ntntponere diclionem nc<luni ali-
ciuo öuhtilielui* vx locutiuue communi et |r>quitur plurimo sermonc et
1 siue|ricut S X -V. l'frt/lrichr die ftamtgtosgt. zu 1—2 ifanW-
gtvt$t: Xota quotl pulalio siue Bcstimatio ueriticatur quandixjüe et mentitur
aliii uice N et | fehlt y H innuitionem 1 initnitationem N egredietur |
eifreiiitur AT'A' 4 ftestimator | extniia extiniator N 4—5 cadens cum |
cadeDtis fl ^' A sciat | faciat N illuil | id .s' 6 üenionstrattua | deinon-
strata .V scilicet | fehlt y argumentationt! I arguuientalionein S cum |
A S H qui I q A' est {cor »liebilis'j | fehlt S 10 quaniloque | fehlt X
11 ianuitioaifi I in mulalioiiis ys similis rortitudini | simul rortitudineni 'S
13 igitur I est .V 14 et | quia S ijuidero | q iV 1^ qood | et S nel X
uidet 1 uidil J/* somnio i ^onnls M' sumpaio .V sumpno >' suo | eius .S
17 crescit l prolongatur S census eius | elus census -s* 18 eoruni t horua^
SJtf' 19quo ; qui >'^'quoJ M' tiarretur ' narntur .V nieretur ucl qui uorictur
V 19— SO conuenieates 1 feMt S -Jii ntit-h ,diuersitlL-atuj-* dictiune nedum
quo sublilietur >' Ditto^raphir. ly. Z. 21—«. est illud | id S SO— Sl
tgitAtiunes j rogitationern S 21 — 22 alii|uii | a quo A' allqao . . •
■quitor , excumuiücationi locutioae subtiüelur a quu i*t loquor .V 2*2
t I fthii y
Liber de somoo el uisione.
23
penniscet ipsura. et est de Ulis quos couimunilas nominal plurimi
casus in dictione^ sicul narralur de Harnet filio Nazir, el
aliis, et huiusrnodi iiisto, quae o^t secimfluin haut; siniilitufüneni,
L'5t quat' nomiiialur alilagaL|e], et hoc nomwi non est dt'riua-
tuin nisi ex ipsis ahlagat. ahlagat enini est nimus arboris .*•
nioiluae. ipse cBini est communicans arbori cum nomine, per
siniiütndinern longinquam. siniiliter haec tiisio ei*go est commu-
nicans uisioni morluac nomine, non uerilute intontionis.
Cflusae autein propin((uae tacientes dormire uiuuni sunt lo
infrigidaliü <*erehri et infusio eius. nani cum ipsum hvuiwT.talur
rl infunditur, iii(»lliiicaliir a disposilione suao aequalitalis et
]»raep{tratioMis ad niDlnrii scnsibilem , cuiii int^truntenta scnsus
sint procedentia et cres^ientia ex eeivbro , sicut iam diximus in
similibiis sermonibus ad illud . scilicet in scrmonibus de natuiii is
animaliwm. dijiiittit onim anima usuni nensunm propter ditlicul-
talciri illins rt dcilinal ad fo^ritalionmi et arcidit soninus et
qund iiidetui- in sonuio. al causa hunuHitans cerebrum et infri-
gidans ipsum est protuntlalio r-aliditatii^ in cor]>onhu^ uinis in-
Irinsccus el frifms extremitalum eius et oleuatio uaporis humidi w
sublilis propter submei"sionem laluUtatis in inlerioribu.s corporis
ad cerebrum.
Et de signüicationibns ad illud est quod, quando nos mul-
tutu replemur de cibo liumido et frigido et quiescere facimus
t permiscct ) iiermiäset -V et esl | quia ^V 2 sicul | quos coinmunilas,
sicul -V. iyahr»r.heinlich DiUographie Harnet | anij ü hämo S' Nazlr 1
nassjr >' nasir M* 3 huiustmwli | liaec SM* 4 ahlagat[ej [ agthaffathe N
atliagatlie .S' athgathe M"* et | quia S U nisi { ci nisi M* ohlat^at |
agtagal .V alha^alh .^ alhijalh M^ ahlagat | fehlt M alhagath .S' athgalh M*
0 ipse I ipsum 'S' e^t | fthlt SM* communicaniü ' cuiiiunitasÄ' 7 haec
uisiu ergo est I ergo haet- est uisio ^Jtf' S nomine ( fehlt N C» [III) | ftthU
SSM' 10 autem ' coim J/' xu 10—11 Ranrinote: Nota causas quac fa-
ciunt tlorinire Ä" II infusio | intentio S infasio (uttiiar) \ 12 et | ftMt JT
aequalitas | quaÜtas N 13 cum instrumenta [ in instrumenta N 14 sint |
sicut iV iam frhlt M"^ 15 »iniilibus sermoniliud | sermonibus siinilibus M*
sermonibus N sermonibus ] sermone SM^ IG animaliuni | animalis SM*
fehlt N et | fehlt M* VJ prr>rundalio | redun'latio N dtnu uel suhmersio
(JnterlincaryloitaeJ *!/* 19 — 21 in corporibu^t . . . subracrsionem | fihtt S
fHomoioteltrutotO corporis . . - inlrinsecus | interioribub corporis uiüi Jtf'
{Vffl. Z. 21) elcuatio i uteuatio jV» 2l corpfjris I ö»*» {.cordis') N
23 El 1 fehlt S significationibus l signiKcationis N est I fthtt S quod |
feiilt if' 23-24 multum replemur | replemur muUuni .S 21 de t fehlt SM*
et quiescere ) quiescere y
H AlKindi
culiditatcni nosirutii, tunc infrigidtitur iiuod apparet de corpuribus
nostris vi humecUilur raliditas et molliiicantur sensus et gruii*.-
tu nobU Uli eis, vi illi. quonim usus est cum aportiono, clau-
(tttultn'. et si uinuni sit secundum disposilionem ne ualcat eos
^ olaudori'. natura [iraeparal eis quod ipsos claudat a sensu, sicuL
e«l id quotl accidil ooulis. ipsüa enim rcttiUiTtil uiKrcdineni
(•onun ot oirultnt sub ]>a1pebris .suptTiorihus ; licet sit iiaturn
iUiinmliuni . (|uibu^ poi^sibilt' est iiigredineni sui uisus dilatim* i't
runstnii|j[(Tr. sioul iuueiiitur in catis et leporibus et in rapacibus
,u auibus i*t quar sunt ita. ipsa enim sunt praeparuta ail
roiiHtriuKt'ndum nigrodineni sui uisus et dilatandun^ eaui. el
paliM'liia ronstnn^ta conujfata est constrinpens nignsiinem, ila
id |i-uiii| lial iti disposilione neque sentiat ali^Mid proplrr jji'a-
uefltnmu usus eius in animali cum frigore cerebri el huiriiditate
,A eins, ita ut (-ntii iius iiolunms proviocare soriiiunn , quiescere
faeinnis coriiniii iiostra a iiiutti et Haudimus pal|>ebras et in-
^rHiUMHis leiu'bris loea uostra et elou^Mmus u nobis uoces ut
ilcslruatur usus sensuum, quare lit somnus, quem detiniuinuis in
pi'ineipio.
y,, K) de ^^i^^iilioatioiiduis itenmi ad illiu) r>st quod quando
nos iii^Ttnli luriiiins rovitalioiioti iiosiruin introilii iiebementi et
incui'uamur ail inspicien<luiti in libris. t-uj^italione in eis existente,
et *iuiest'ore Iheinius nienibra noslra ad illud ^ tunc iningidalur
quod apparet de corporibtis nostris proptor priuationem caJidi-
I ruiliditaletü I ijiiulitalein S uL igui caUililHlorn iV liinr | et cum .s*
iiifrigulalur I Jnfrigi*iHl X ti motliticiintur J tiiollilicalur A' inoliMeüatur ^f*
tmch sensus 1 Lückt s noairi M' 'i nobii | ei .V Hti \ ul (!) S illi
qtiorum \ illoruin S afrertiune t u|itr>ne .S* 4 et \ fiuia -V uiuum | uinum (!)
S öa sensu | ascensu >' 6 i<t j illud M' oculis | occulis S iiigreJi-
iiern I \\\ nigredinein JV 8 nigre«lincm sui uisus ' ingredinem sui uisns .V
Bui uisus ingredin^iii ti \} j-icuL tnuenilur i in ililiitura S ciilij | gliütia .V
cutis (!) S lepuribus | Rupotibuä (!) S in > fehlt AP 10 ita | itaque X
II sui uisus I uisus sui S 12 ronstruda curnigalA | ennslricta corngata A'
CfinHlricla t-orrugiilu .V* /V/i// .S" est tüijatringens | ad conslringcndum .s'
1.*) fcumj I ffftlt SM* ne(|uc ] ne M^fchlt S 13—14 grauedinem | ingre-
(linem •**' 16 itn | fehlt S nos i frftit y sümnuni | sornpnium N 16 Ul-
n
ciniu5 I frtfiflnms N paliiebras I p<tlpebns nostras .s' Irt — 17 ingeniamus |
ingeniainus SM* ingeninianub .V 17 uoce?; , MJiÄVflr ^V 18 deliniuimus I -
«lifHniuiniUf S Lfir-kr S 2tl El 1 i|iiia .V iid illud j WWus X 21 nnsLrani !
fthli SM* 22 ini-uruaniur | incurualur S itispjciendum 1 ospiciendum
SM* infi'igidutur | rorrigiilntur ^V 21 prupter | per N
Liher de soinno et uisionc 25
lalLs acridenlis H iiiolliJicaiilur sensui^ }ntAv\ ol griuiis lit nobis
sensus et aciidiL iiobis somiiii$ per illud qutxl eleuut illu»! quod
de calMilale fsl intus quod de uaporc frigido el luunido csl
accedtjns ad oerehni iioslru.
El de lioü ilerurn fst tlliid quod uoctdjt iiobis in succes- s
sione laboris ueheuienlU, duiH rioii est in corporibus nostris
calidilas extreina »'Kredions innata. iiidijfemus imim ul quiescort»
farianuis t-oi-pora nostra a niolu laborioso. eunique ea quiMsreri.*
faciiiuis, iiitral L*alidila.s et oleuatilur ad nostra corebra ilii ua-
pores t^n^Mdi et huinidt «•( adiiiuat uvs natura ad illud nt>he- ii>
menten illud enini boiiuni lit rx aclii eoruni corporibus . q^lo-
niani sonuuis lacil quit-loni nieuibroruui a motu cl euucual bi-
slrumi'nliim dii^i'stiouis difri'^lioni vi fat-it adquiri*re corpus ox
ribo restaurationrni ciuif , (|uod cnrrit t*i et rrsobiluiii est ex
CO pur laborem tun* ho(% ipiod matuat |uel roaduuiii| «*li;mi ca- l^
liditatem ad coqufnduni illud, ipiod est in iutetioribus L-oiporis
foneauitalibus, *'i in suis inlei'i'uribus. et baec quiduiu est causa
bnalis ipsius sonnii.
Crealor enini lotius, cuius subliinis e.sL fania , iiosnil ani-
inali tenipusad quietoniel opprnlioneni instruineiitoruin v\. uirhituin, «^
qnae KUtit ad TiulrLniculntii , laciens quiMsi-ert- corpus uiui cum
est resotulutii i-t riin'<>i]s. uon enini perlicUnr id <|U(id replet et
nutrit corpus uiui cum illo. quod curril ex illo seniper, nisi per
illud, quod assimilatm- quieti ot tranquillitati, /'/ est somno.
1 accidcntir^ accitlenlalis S 2 — 3 somnus ... et iiuod | fehlt S
et «]m>d I frhU M* .'I fngido et humnlo ! humido el frigido N.V' 3—4 est
accedens i fehlt .sj/* et acrwiens A* fi Et quod A' de | frhll S ti dum nun |
fehlt .Y 7 extrem» 1 exlrunea .s' imlijrfums i iiiKreiliemur S II lacinius I
faeiamus A' ad nostra cerebra I terebra nostra Sf* cerebra A' I") adiu-
uat [ iuuat A' 11 aclu taclo S taclu M' 12 euacimt I ua<-uai A' i;(
digestionts S Uigestioni et | rt digredj S di (irä (Pei gralia!) el N adqui-
rere | ad tjuiesfere S ex ' ex a iV' U restauralionem restauralione .n'
cunil ei ' i'ucurrit ei A* «'Uth' curilur >" curil M* unti so immer et f^hU
y l.'i lue] coadunat] | frhlt S etiani I per S l*i coquenduni i de-
ccMiucndum iV illud i etiam illud A" qm<d ; hoc A' est 1 fehlt S
corporis I cor** A' 17 cunciiuitaljbuii \ ineuiil cuncauilalibus S in suis con-
cauiUtibns Jtf * . et 1 fehlt X in 1 fehlt >iV* et haei: ' el hoc >' quia
liuius A' ij>5iu» 1 essenliae SM"* 1« zu somni: uel »d hör ul sit sunnu»
(itoMe ,V' H» eiiim 1 fehlt A' subllnn's est i est sublimis A' 2() ad
quietein cl upenilioneni quietis ud uperallonein A' ad «luiescerä et operalio-
nem .N' 21 quitsoere I eresoere .s* Äf ourrens | i-iosoit JV pcrficilur | pa-
titur N id ' illud AT' et 1 fehlt M' 23 corpus ; corpura SX illo 1
eo Jf' 24 illud ' iü M' assimilalur ' asätmulalur S id | fehlt syM*-
est I et syf*
2f.
AlKinai
cum füriiludine in disestione. imm si non fucrit ei quies som-
uifeni. euacuatur nalui-a a digcslione cum integritate, et pro-
hibi'tur dipfstio in uirliilibus suis propter sensuin, dipestio eiiini
non fil equaiis digesti«» tum adminislralione seiisuum, quao
^ ualtNit ropifre illud quod eua(;nahir de iiienibris corporis uiui el
quadain parie uirtulis. i*t de sitmilicalionibus ad hoc est qin>d
illi quorum uiiintes irifi%'idaiititr propter uoheracntiani laboris
uul ui*l»€iiifiiliani eiiacualionis per oxpul.sionem sperniatis aut
per niwiifinas , percipiunl iii' tlojtnire ut conforlenlur eorum na-
10 turae ad uddeJidum in diKestioue. el inuenimus cos, cum eui-
;rilanl post soniiium fartuin, in lioc, qnod, cum nxcilanlur. iani
rcct^-^sif ab eis debilila.s, i|u.iin leril euaeuatio el expulsio per
laboreni et per medicinas, totn aut plurirnuni eins, el redienuil
iiirlutes eoruni.
,ft et sinidiler a<'(idit ri ciiins peryeuei-a|ueni]nl nijrillue: ue-
bernenlia sictilalis el piuliindalin U'tnporuin el oculoruni el sicci-
las iiili'^ fii^'i«' ^"P*"^ "''' ''^ substraliunliir adipe* |uel pulpae] dua-
rum nariuin et ncuitur nasus el contridiunlur palpebrae el coa-
jfulatur Sputum; siciit aliud ipiod aeridit ei qui euacualur i>er
m inedicinam aul (>er coilutii. el eonsumilm- humiditas innuU.
cuius con-'juniptio est causa mortis propter paruitalciii qua
polest natura de diReslione cum uigiliis, eum uiiius eius sit
diuisa sensui el onioLbu.« oporalionihns aniiime. ila ut ille,
cuius perseueranl uigiiiae, licet raultiplicetur cibus eius, tamen
1—2 somnlfera I sompnifera 6'N sonnifera M' 2 natur» ' <|uiw S
ft *■ y 4 «nsuum , seiums X 5 replere | f'eJitt S membris cnt-
^^ . f<»rbu5 (corporci/ZbusY) membris .V t\ el | quia .V significationibus j
^ ' v.< S ad hoc I ab eo AT 7 illi ( est .V uirtutes infrigiaan-
,„r ...'•'"'"'' "i*"^"**** ^ ^~^ Uboris aut [ feMt M' (//omoiotctrutonj
%mtättw*<^ 1 nioteriat* N percipiunlur i |wrcipjmur Kl ad addendutn \
vm >' H'iifiourti/thit II cxcilantur 1 excitalnr *V 1*2 fecil | facil JV
I latorüm (I) y el per j per .Y l.') el | quia .V ei t fehlt S
i»«I»eru]nl I perwuerant A/'.S perseueiaueruiil .V Hi icmporum | ipöi^
<MoA -^ "I""' ^'* oculorum I Otfculorutn SM' 17 os | hos .V sab-
^'■^~ «ubBlrubontur >' conlrahuntur N [ael pulpae] I ffMt \ uel
. J^utarfflimr M* \ty nariuin | auium (!) N ncuitur i accuitur
. nam I fcpiritutii i!j >' illud t id >' 20 aut per | aut 5? coi-
rii M* ai — 22ijua potest | quaprupter S 22 digestiooe j digeslio
ju vp«rati<>nibu5 i operibus .V
Liber de somno el uisione. 27
festinat consuniptioni humiditatis et morti. et illius, cuius
somiius multiplicatur cum cibis coimenientibus in adiutorium
somni super digestionem , magniücatur corpus et huinectatur
propter multitudinem nutrhnenti.
Postquam igitur iam manifestum est quae sint causae 6
sonmi proximae et longinquae, tune iam apparet iuuamentum
somni in quo sit. Ipse enini, sieut praemisimus, confert in com-
plemenlo nutrimenti , et adiutorio naturae ad ftnnanda corpora
et confortanda ea, scilicet ad i*estaurationeni eius quod elonga-
tum est ex eis. lu
Hoc igitur est sußiciens ad iltud de quo quaesisti secun-
dum k>cum tuum in speculatione. et eius est haec epistola.
Explicit^
1 coosumpliopi | consumptlo S morti | mortis N et 1 quia N
2 adiutorium 1 adiutoris .V adiutorio Jtf' 3 et | fehlt M* 3—4 humecta-
tur propter multitudinem | post humectalur per similitudinem S 5 igitur
iam I iam igitur N quae sint | quaesitum N ti et | fehlt Jf' 7 enim |
cum enim N 6 ftrmanda | tirraandum S 9 confortanda l contirmanda jV
confortando S 12 et . . . epistola | fehlt NM^ 13 Explicit | Explicit liber
Hlchindi N Expliciunt cause sompni S fehlt M'.
Liber de quinque essentiis.
Sapiens Aristoteles ul)i dialecticani inri'|Hl dixit quod scicii-
lin ririiisqm' roi, ijuar' irn[niriti]r, cadit [uol conlinolur| sub phi-
losopliia . qiiac est niimis toi scienlia. oportet fr\!o in priniis
5 ul philosophiuni apiid illarn soicntiani diuidumus, et considernuus
sub qua ipsius partiiun conlineatur rvs.
lUiilosophia i^ntur iliiii(]ilut' in scipntiaiii et oppratiorieiii |id
esl 1ii(.'(>ri(-aiti v\ \tViHl\cniu\. v[ illiid itfi-inn idoo ipionittni aninia
(liiiiditur in duas purti^s, ipiae Mint co^itatio uel ratio et si^dsus.
10 (|iifinad]noclujii üstt-ndiinus in übro catej^oriaruni. quia i^itiir
jthilosopliiji noii rst iiisi onio aniniaü , conuenicns i^st ci iit di-
tihilaUir in itiias pai1r*s. sic-ut aiiima in duas partes tliuiJitur.
sicul enini uninia Hiuidiliir in co||fitationern [iiol rationem] et
sensum, et similiter diiiiditnr pliilot^opliia in seientiam et opera-
in lioiimi . ul seienlia uideat*jr pars; eo(<itatina et openitio pars
snisibiliä.
1 hWter de i|uint]ue essentiis i^ueni Jaroh Alkindi liliu» y^nac compu-
suil r' Incipit alehindus de V essentijs bis, rot und achicars A Incipit
Liber de tiuinque essentijs a Jacobo Alchinrlo Hlio Uaac '«ecundum sentfn-
tiam Ariütotclis <i Alchindij riiiloäuplii De ({uinque esseuliit^. Xih. unus. T'
2 Sapiens . . . incepjL | Philosophus qui dialecttcam fecil T* diulecUcam |
iltaleUcaiit 0 fthU A incepit | incipit 1'^ A cuiusque uniuscuiusque
r* [uel rontinetur] I t'thlt T' uel continelur rar .cadil" A A omn s |
coniiiiunis .[ h philusophiam | pbilnsophyniri I'' und sa immer (> con~
tjneatur 1 coiitinuatur .1 7 igitur i auteni T' 1—8 [id esl Iheorictim el
praclicain] [ />A// T' id est in pracUcam «t ttieoriam I*' 8 illud ite—
runi I illud rT-* islud O quoniam I quia T' 10 categonoi-am I catlie—
gorinrum V-AU calcgoriearum T' igilur | ergo A :u II philosoptijr^i—
ordo est anime Randglotst O 12 sicut . . . diuidilur I frhU T' (Wahr —
seheiitlicJi IlomoioteUuton) J3 diuiditur I fehlt O, rar ,in duas partes* ./C
sicul . . . diuiditur | scilicet V* (Hnhiiiefieintieft Jlomoiott/eHtonJ [nel ratio
neiDj I ffhlt r' 14 el | ffhU r'OV* 14-15 operationem | opiniooem V
ir>cogitatiuu | co^nitain r< (cogitä filr uogitatüj l(t feensibilis t ^enifitiua r
i -l
■ r
— j-
f I
1
Ai-Kindi Liber de quinque ^ssentiin. ^
el pars quideni niiimac coifitatiim diuidilur in toKitalion^'m
quao est diuitiorum et in co(fitaLiont'm quao ^l ailiticmliiini.
Herum fiiini qimedam sunt quai; noti (liiTemiit ah liyle
fsf:ilicet non sunt nisi hyle] , ot uViiw ^unt quannii constiintio
ciiL per hylf [üdlicet qiine sunt pfT ea i]uae sunt ex liyle] et *
sunt separata(^ *?t non loniunclae fsci]i(***t cum Iiyle], »'l aliae
sunt quibus non i*si conlinuttas (ini) hyle pHiitus.
res uero quao ab liyle non diOernnt penitus ^Jiuil suhstan-
lialia sku» corporoa. ot res qnibus non est conlinuilas cum
hyle penitus sunt diuina, skut llu^ologica. c1 oa quao non ^tunt m
coniuncta cum hyle sunt sicnt aninm [uel ea quibus cum hyle
non ost (.'ontinuitns]. oI ipsa quidoni non prdportionantiu* nisi
ex arlilicialibus quao fiunl ox suhslantialilms :iil dunim.
Deus enim summus destinauil |uel ordinauit| oa ol posuit
HTcdia inter spissum [uel crossum], in quo non est sublile peni- »^
tus, f'l inier sn!>tiio, in quo spissiim omnino non oxistit. ot hoc
idoo ul sil sctnila ol nia ex scipntia subslanliarum nd sriontiarn
diiiinoruni. i(uod si iJlu*! non ossot , non ap|U'cln'n<lorolnr rx
spisso [uel crossoj subtile.
Operatio [id est praHica] diuidilnr otiain. nos tarnen re-'<»
memorabinius hie qund molins t-st in h;n- noslra inqnisilinne
1 quidem I quedam (f cogltatiun | nach .diuidiUii-' l'" "ü in |
fehlt r' zii 3—7 Hei um iiiateriales - medie - immateral« liandgloMe o
3 Herum 1 Eurum A enim | igitur O quaednin ' aliae OV hyle | yle
r* rVItV itmi «« i,.mrr 4 [sciHcet . . . byle] 1 frhlt T' liyle | ex yle A
et [ frkli r>r"0 5 esl I est non Ä non est Ol'** hyle | ylem V^VH)S
[scilicet . . , hyle] | fehlt T' quae | que non AV^O per fehlt O
nach ,h.vle' I sicut anima AOV* 6 IstiUcet cum hyle] I feJilt T' cum yle
OV* 7 qnlbus ] ex quibus A cum quibus K" est | frklt T* nach
penilus ) fitgt sicut Itieolugia bfi V* 0 siue corporea I corporu .4 10
penitus I rür ,<"um hyle' O sicut | scjlicel ul A siue O seu I'' ut V*
theolOKic» I theologia JT* anima T' nctn \ fehlt V* 11 cum | scilicel
cum AOV anima [aei \ fehlt T' ' cum liyle ] imrA .continuitafl* A
13 arliflciftlibus | artificialibus u«l inter artiticialia A siibstantialibuü | sen*
Bibilibus r' 14 eummu» I aubümis i'' sumufi I*' (uel ordinauitj {
frhit T' ea | eam 0 vqi- ,uel ordinauil' OV* ITi media | mediani O
[uel croüsum] t fehlt P' et grossuia OV !*> omnino ffhil V 17 ideu |
modo y scicnliam I mrc-A isutistanliarum* V* 17-18 scientiam di-
uinorum | diuinorutn »^icnlium C diulnarum scienlium f* IS illud I id .1
islud O V.i fuel cnwHüj ] fehll V uel grosso on 20 [id est pracliia| |
fehlt'V^O practica uero vor .operatio' I'' 20—21 rememoraÜniua de-
mbnstrabtmns V* 21 (|uod | qualsm («{6* fOr qb*) A
*> Ai-KiDai
wctindtifn sri^Uam reruin et non secundutn operationefn tpsa-
rurii. ivth'tM ifotur nrct'ssarium est ut illas partes in quas diui*
tlilor ftltilf>^phiH ci»nteiiipl(*niii.s et iiulo inuenirmtis haoc nostnuii
iriquisitioncrn. vi hoc est tit Uicaiiiu.s quod reruin aliae sunt
N quai? miul in oirinibuä sutwtantiis, altae qiiae non sanl in omni-
bud Kiib«tanliiM. v\ itftui* qnid4>m qiiav non sunt in omnibus suh-
stantiifi miuiI iiinniii cucloslin, qiiae sunt ex stellis et ortie. et
tii* Miuiliu. et Honim qiiac stinl in oninihus substanUi» sunt
quac Htint in tf*^n4*ntti()u*' et rrorniptione et oomm quae sunt in
10 torro Ol ourum quac ftunt super lerrani et eorum quae sunt
«iipra terrani. quae uuteni sunt in terra sunt sioul mincrae, et
quill* HUiil Kupra Icrram sunt sicut iiriinialia et his similia, et
quae »uril HUper terruni sunt sii-ut ptuuiae et nebulae et cor-
nifti'utioni'S' et tonitnia et reliqua accideiitia . quae. sunt in a^re.
U res auteln (piar sunt in oninibu>; subsfantiis sunt qniiiqiie.
qunnnn una est h,vle, *:l stTunda est tbnna. et tcriia est lui-us,
et qiiurta est niottis. quinta auleiii teinpus. in omni enim re,
in qua est substanlia, est hyle, ex qua ipsa t^t, et forma, qua
uldetur et qua distini/uitin- nb aJÜ^ rebus iiisione, el locus. In
toquo ipsa exiätet in omni tenniuo. et illii<) ideiMiiioniaui uiiIImmi
3 contemplemas > ronlein|il(>mur AV eoniplectemus, am Hantle i coa-
tem|ilentus V inde i tunc y*V' i ^-4 inueniemus | inueniamu» AO
4 rsl I est quidciii A rerutn | res C' Zu 4 — (i: Reruni alle sunt in om>
nibuB fiulisUiitiis ut... • que non sunl in omnibiu subnUnliis ut celesUa
Handf/toue *> •'> aliae I et alie A b — (i aliae. . . substantü« i f«hlt l'*(Uo'
naiotrltHto't) 7 caeleelia 1 ceüesli-i T' orbe 1 orbes 1"' el 1 f^U V* et
in r> 8 his { in hia >'* similia | »imilium AO üimiti V* eorum | ea-
nun »unl 1'*^^ oranibus | fehlt T' 8— !l sunt quae 1 quae »'"Or' I»
«I «Drum f • * 1^"^ '"°^ ' ^' ^^^"> ^"'^t quae A 10 nach .tt^rra' I sunt
nnii mitidr« A t*' — 1' el eorum . . . termm [ ftMt fi 11 auleni | /«A/r O
aj-gl I ff^il A minerae | mure f'-* 11—12 et quae . . . similia | fthU 0
\t mtuI ! Z*^'' ' * '"* I *'* 1' 1' ly sif"l I Z''^''" ^ pluutne el ae-
\r-<t" "il-iilao el pluuine O 15 res | es. Drr Hat: für die Majiukei „U*
..n r* i'Uleni I uero 1' quinque | V A «* ir — 17:
j^ motua • locus • tempus Randgltufs« O 16 et »ecunda ( serund«
^ WrliA teitU AOV est fl»8) ! fekU A 17 et quarta | quarU
' fjuinta -I ot f>» 1** aulem ] fehlt AUV 18 qua ; ex
• qua dbitinguilur | •listintfuilur A qiie disliuguit eum O
Hl ^ a ^«M Ipu 1 in qua est ipsa et locus in qua ipsa A äU in oiunt
dir 'iud id«o I ideu Ulud tf quoniam | quoque A quia 1''
Lih«r de quinqud cssentiis. äl
corpus dirif^itur ut sil nisi in loco et in termino. et in ipsa
etiani est motus, quo ipsius constitutio existit, et hoc est ei
esseriliu in ioru el lernporc toriipiis eniiri i'st iiiiirierus tiiotiis.
pioplrrwi ('i>ro (pHMl 4fsi*'[nJifrnis qiiotl OMinc iorpiis in quo est
iTiolus est cui[us| niotus est de loco ad loctun , lunc iatii maiii- r-
fesUnii est quod in ipso est tetnpus.
Nobis uero necessariuiii est ut prupalentiis si^iia lintitni
qulricpic siibstiitiliuriirn rx arlilicialibus. artiürialia eiiini sunt
i^\)£jMi in siibsüiiiliiä [uet sk\\[ subslantiae] ut, pula, diranuis
quud in naui sunt iatae quinque substanliae. hyle nanique. lo
quQG ex eis est , sunt llgna ex quibus fabrie^ita est ipsji , et
foriita t|uldeni est sicnt anffuli qiii suni in ea , rpiibus ipsa di-
slingnilnr a jfi'aihj el portu et reliqnis ivImis. rl ipsa eliani est
in liK'o et habet inotuni in loco et niouetur etimii in tempore, et
queinadniodum islae subslantiae propriae sunt [uel conueniunt 1 1»
naui, siniälilor sunI propriae reliquis subslnntiis, quae sontiuntnr.
et proplej- ms oportet nl Imni.- libriini seribarnus.
In prinns itaquc oportet nos st-ire quod pi-int-ipia , ex qui-
bus est omnis res, sunt duo istonnu quinque. et sunt byle et
tbmm. quiire neoessiiriuni est iioImh uI iricipiatnus exponi're «o
1 nt sit nUi | nisi sil O ut s\ nisi V* el In | et 0 in | frfitt A
wiederhoit nach .ipsiud' 1*' 2 eliain , fthU AV* 2—3 et hoc est ei
nssentin I et eius c^$sentia est V* ex ({uo nius essenlia est O cL in quo
eins piuentla est V* 3 In loco et tempore | cum tempore et loco COT'
enim | i^ilur O numerus | unklar A 4 proplerea | unldar A ergo |
[gitur AO zu Ü^ iiieiliante niolu (|uaeque res mola est loco seu
conlinuü in tempore Jfamfghvse O 5 est cuius | et uiiinis I*' esl eui A
Je loco I fehlt l'M 4— .*> in quo ... ml locum | in locus est in quo est
eius motuä motus non est ad locum V* 7 uero | uerv nunc A uero iam
V* ergo K* propaleinus 1 prebemus 1* 8 enim I non r* 9 fucl
sicut substanliae] I /V/i// 1' D — K) ut puln . . . substanliae | ul puta in
naui üicimus que sunt islc quinque Huh^ilantie 1' ' ut putdnduin inqaain
(putäd* iq) nauis isle quinque milislanlie A 10 sunt 1 sinl <* 11
ipsa I fehlt A rur ,fabrirata' Ml'-" V2 quiüeni est j c|uiilL>m eius A quod
esl o esl r* 13 (M)rlii 1 ^mrlu o ^radu el porlu |>ürlfl vi gradu
A et i fehll r* est nach loco 1'^ 14 et i et qui.i A habet mo
tum nnilum hat>et A et ninuetur etiaiii in leinpnre | el mouel ipaam
etiani tenipus OV^ et inouel etiatn lenipus jpsam uel in tempore A zu
10 -14 In naui: yle • foi-nia ■ loeu« - inolus • tempus itu/utflostie O If)
proptiae sunt | sunt proprie 1*' proprie conueniunt A [uel ronueniunti |
frittt VA nach .naui' OV Ui quae sentluntur | quas intutuiUü A 17 scrj-
liaqius I describauius O 19 el | hec r> 20 ut incipiamua j felM K'
.^ Al-Kindi
liaec duo ante alia tria. et Ulud ideo quoniaui oportet at
res expo$itione indigens sciatur per expositionem prindpioraD,
ex quibus h«4 res . non quntuor specics tantum , quae sunt
prinripüs roiiipositonini , sed onmi^ res, quae est ex mnleria el^
r> forma, ex quibus sunt ista quatuor: calidiim, frigidurn . bumi*
diiiii et siccum , quae sunt prinripia aninialiuni el arttonmi ei
onuiis rtM in generatione el r-orniplione. hyle autem el fo
sunt principia Itoruai quatuor prineipioraiii rt -ninl principioram"^
priiicipia. ip^t* tainen sunt singulares [uel siinplices], ante quas
10 non est aliquid, quatuor enim sunt corpora . baec uero duo
non sunt corpora . »ed corpora componunt. et quod non esl
corpus non est coniposilima , sed composita sunt ex conipositis,
et quod non est compositum non est ex coiuposilo. quatuor
uero sunt ex aliquo , duo uero non sunt ex aliquo. hinc
16 conuenit nobis ul de eis loqui incipiamus. el quoniam materia
rftipit I'ormam, necesse est nobis ante loqui de eo, quod susci-
j>it aliqnid, quam toquamur de eo quod suscipitur.
et nos quideiri seire oportet quod declaratio omnis rer non
«•t nisi ex ipsius definiÜone. definitio autem senno est cod)-
npogitutt ex (reniTf, ex quo res dofinila exislit , el ex differentia,
ex qua III |>ni4>ter r»iiineiii n-m.
1 %\'M\f«htt V^AV* liMec (Juü I Hffc/i ,tria' T' illud | />A/f K»
quonmin [ qm T* 2 rn . . . wrialiir | iodigens res exponi seist O Indiifeas
re» i'Xpmitioneni **i\*\ iil M-ianl (nnkiar) V per | propter r'OI'" ex-
ptfsilioneiii | exccptluneiu V* 3 est re« | re« est TT' 4 sed | sciUcel A
t. d' K' es ; 'mO 5— ti friifiduni ... slccum i humidum frigidurn et siccam
1*' rrigidum, «IcflUm et liuiuidum >'■ C — 7et omnis | oniniü V^feMtO 7 rei {
res A hhH O mt 7—8 yle ot forma principiorum priocipia et per coose-
quenB printiiiiii 4 elemenlorum Uandglo9t» O 8 boruin | itlarum A isto-
lum V* ei \ quo y*\''*AtJ 9 ipwie | istae OV* [uel simpliceei | fehii
y* 10 aliqujd | aliud IM*' uero duo j duo uero f tu 10 — 13 nni-
ma ergo et imgelui» non Hunl coraiiosita Itandglo8»e C It corpora com-
pununt I forpom c(»niiM»i.itu .-1 ex tiÜ» cujpoiii componuntur 0 12 sed
c<»ttqio8ila I el eortiponita quldcin AOV |3 campositum I coinpositorum V*
ex i-timposito 1 expositio o 14 uero 1 ergo V aliquo **> | ulio OV* duo
uero...uliquu \ fehlt A 1& lw[ui incipiamus | loquamur A quoni»m | q*.
(qiioque) A iiiutoriu | )le A \\\ niibis aiitt^ 1 ante nobis OV. lü— 17 de
i'u ,. . ItMiuuiimr I frUt r* zu Hi— 17 priu» dv iiiiiteria Ruudj/fosttf O |9 ex
ijtttiuü iletUiitiuite | ex diniiiitiune cius .1 periliUiaitioDem Ol'' delinitione [
dillUntiuiie T' \'*A0 uml «o immef nutein \frifU \"^ scrmo est 1 est serniu
A<JV* exlatil ! tiunsUtit T' 'i\ ex quu | qun ^ que O !'■ rem | rationem 1'*
Lil>er de quiuque ei^sentiiä. SM
liyK- nem . queinacJinodum oslendirmis , est ex gonere ge-
neruni , quoniaiu ante ipsam noii vsi peniis. ergo iam mani-
festum est quoil oius declaratio non existil definilionc. dofi-
iiitio riiitii non est ntsi tniis . anpra qnod f^t >;enn«. oportet
ortro iil consiiicrcmus illud, quo derlnratur illiid , qumi siiprn se a
non habet goniis. et es! ut diralur quod est IIIikI , quo de-
t'Iaralur ex rcliqtiis rebus» scilicel differontiis, quibus diülin^'uiliir
ab ilMs, qiiiie sunt praeter ipstim . et propriefatibus , quac sunt
ei propriae. ddiuitione aiitetti indigeiiii]s apud roiri conipasit;iui.
ut sHamus per definitioneiri ex quo eoiuponitnr. apitd rein i»
ucro quae non est «Komposita, content] sunuis differenliis soluiu-
modo. abf^que penere. et ipsae qnidem noniinnntur j>roprielales.
oportet ilaqne ut liyle suis proprietatibus decluremus.
I.
Sei'ino de hvle.
la
Et est ut dieanuis quod hyle est quod suacipit et non
suscipitur. et liylo est quod relinet et non rctinelur. et byle
quidem cum tnllitur, tollitur quod est praeter ipsani , scd cum
Inltilnr ipiod est praeter ipsani , non lolütur ipsa. et ex byle
est omnis res. et Ipsa est tpiai? reeipil contrarin »l>sque cor- sn
ruptione. et byle non habet detinitionem omnino.
l est t /VA/' A ex genere i genere T' genus T'" 3 detlfttalin | af-
firinatio 1' »ffectio uel denlaratio I'' . . . (IStcke) el dedaratio O f>
ei^n I igilur T' ut | quoil V* illu«! Cor .quo') | fW^/f TTM illud f
\iX r" 8 illis I aliis 0 ipsum | Jlluni I'' ipsam V^ H (iropriac | ditTe-
rentiue projiriae I'' definilione aulem | nam ('* 11 auuius contetiti A
12 quidem ] frhtt '<) 13 ilaque I eigo A 15 Sermo de hyle I toth O fehlt
V*Ay* 16 El esl ul dicamu^i | fvhU V* hyle est quod | fehlt A ile quod
K" 17 relinet \ tenctur T' retinetnr | tenel V KS quideiti | fehlt
V*V*A lollilur I /V/i// !'■ praeter 1 /"Wf// V* 18-lÜ cum tollitur
quod ( quod cum tollitur V* cuui quud O 19 non 1 et non V* hyle I
Ula r' Ä« 16--'21 1. Su-^cipil et non suscipitur. 2. Kelinet et non relino*
tur. 3. Abseute ipsa detkiunl reliqua et nnn e contrario. 4. Kx oiiiiunl omni»*
&. Keoipit contraria al'sijue eiu8 coriniptinne. f». ('jirel difllnitione JfamltfloMe
O ai omnino t fehlt V^
BailrKgo II. h. üa^y. At>Kindi. 3
S4
AlKindi
II.
Hermo de forma,
Foniia ucro ost iiomoit cot ujirehf-m Jons diiiorsa. oninis
autem , qui altquid iiiilt expoiicTt-, ncccssaninn est ut, si noiiicn
h niius sii roinrnune, diuulat ('OiiummitatcMii illam et dislin^iial
partem oius rnius uiili expositionom. ol est ul dicat quod roniia
iliiiiditnr in diias ]iai"tes, quanim una est «.piae cadit sut* sensu,
et altera forma quae catÜt sub genere, propler ijuani aliquid lit
genus et dichur de rebus diuersis nuniern. allora uero est qua
10 dislingiiiUir aliquid ui.sione a reliquis robus, substanliis el qua-
litale et quanlitate el reliquis decem generibus; et constituil
omneni rem.
forma autem, quae est sub genere, non est de Ulis princi-
piis singularibus ; quapropter non oportet nos ipsius reuieinorari
lA in lioc tiosli'ft libro. lib^r enirn nnslcr hir est de substantüs
sint<ulai'ibus, quae repenuntur in omni corpore.
forma uero qua aliquid dlstinguitur uisione a reliquis
rebus et prineipiu sinjfularia oportet nos exponere vi eniuiüare
quid sint. et quJa eins expttsitio et enunriatio [scilicet formao]
20 notatur in hyle, oportet in primis ul remeinoreniur illius lo-
2 Sermo de forma j rot o fehlt V*V'A '.\ Forma uem j Formatio,
am Hotnh forma uero O est nomen ! non est (n für n) V" diuersa |
uniuersa O uniuersa diuersa V omni» i omni " onine C 4 qut 1 quod
1« qui corriyiri 'J quod V ' ali<]uid | nach .exponere' A aliquis K' su
4 — ti hoc a[iiii1 ... In sophista Imbotur eLiaiti priticipiuin liatidytosse O 5
diuidal | quoil diuulul O illam | fehlt V'Ä li eius | illam V* fehlt O
dical I Hitkinr V^ Zu G— ^ ItandglotBe fortnamm >^uedam cadit - sub sen-
su ■ genere uel forma speciei " 8 forma | ffhlt V 8— U altquid fit ge-
nus ] ^eiius sit aliquiü O H dicilur | dicilur genus .'1 diuersis | unluer^is A
in uisione ] i\c. uisione 1'' diuisionc T' rnbus rnlif(uis 01'^ 11 dccera |
10 y X A generibus | geneniin V" ooitstiluit | conalilulionem V Xh
13 Rpndglotw: funna que est sub genere 14 nos ipsius ] ilüua nach ,renie-
morari' A \pMus V* 15 libro | fehlt V hie [ frhli A IG repcriuntur ;
sunt A omni corpore i onmibus subslHntiis in coiTU|)tiune A 17 disliu-
giiitur uisione | in nisioae distinguitur 0 distingiiitur V reliquis I cetcrta
y aliis A 18 enunliaro | pronuntiare I'» IM oius | fehlt V el
enuncialio | fehlt AOV [Hcilicet formae] | fdtlt V* Af in prtmis ut | ul in
primis T' imprimis ul fJ rememoremur | rememüremus 1'* renonemn» T'
Liber de quinque essenliis. Sft
(|iiendo. et esl. ut dicamus quod in hyle singulari est polentin,
qua fiunl res ex hjie, et ipsa esl forma, in hov est significntio
quod forma est poteiitia. ueibi ^ratia fx ealiditale el sicoitate,
quae siml sinpulares. cum cononrrunl, fit iguis, hyle iRilur est
in caliditate et sicoitate singularibus. forma aulem esl ignis, sai &
potentia est quae, cum coniniiKuntur, Ol tiyle ignis.
nos igitur oportet nunc definire formaiii. dico ergo qnod
ipsa esl dilTerentia, (pia dilTert aliqnrd ai> alüs uisione , et uisio
est cogiiiliü i-ius. haue ergo est defiiiJUt) , i|uü ditViTt Ibrma ah
aliis rebus. to
III.
Sermo de motu.
Motus auleiii dinidihir in sex species. (|nar(un una fsl
generatio, el senmd;» corruplio^ tcrlia altcratio, qiiarla iiugirieii-
tmn, quinta diniinutio et sexta permutatio de loco ad locum. \s
geiieratio auteni non est nisi in suUütantia, sicut ex cali-
ditate el frigiditali' gciieratiir homo.
et fiiinililer corruplir) non reperitur nisi in substaiitia, sicut
est quanth homo fit terra.
augtnentutn uero et diminutio non sunt nisi in qnanlilale, so
Stent augnH.-nliun quod esl in parte cnrpnRitn. et illiid ideo
quoniani cum uides corpus aliquod, cuius loiigitudo est decem
1 sinRuIari est | est sin^laris A 1—2 in hyle ... est forma l itle
singuliü potentia ist (jue Hunt res yle. el ex Ipsii esl lormn V 3 in hoc |
Iiuhc igitiir 1'" est {fehlt OA signiücaLio i sig"> (si^iiutn) A 'd calidi-
tate I ciillidltate K* u»ä ko immer siccUäle | »ic. et A 4 quue . . . ig^nis |
sensibilibus forma autero est ignis V cum cüncurruul | concurrenles K*
cum occurunl Ä 4— iJ igitur . . . igni:« I ftfiU A (Uvmohlt(ttitON) 4-ä
hyle . . . sin^'uluribus I ff^hlt V^ ."» 6 sed potcnlia . . . igmn | fehlt I'' (I/o-
moiotfifutonj G coniunguiitur | coniunKilur f* iunguutur V ignis yle A
7 igitur oportet ( oportet igitur -I nunc \J'eMl A ergo | igitur !'■' fehit O
S—Ü et uisio est | fehtl >'-* i) c^gnitio eius | eius cognilio O eius cogitalio
K* ergo bec est diffinitio A Iit-c igitur diffinillo est T' 12 Sermo de
motu 1 rot O fehlt KM'-'^I 14 et secunda | »eeumla A et »ccundn est Ü
!> !■'• lertia 1 el terlia est (t (]u:uta | el «{uarta 0 el 4* est {'' Ift
quinta t et quinta A \'' et quinta est O et sfixta \ VI A et sexta eäl 0
sexta V IC in | ex V ex | in, was am Itandf in ,ex' eorrigitrt i»t I'-"
18 re|ierilur | recipitur A 19 quantlo | quod */jV /lt/s''.hr. fit | sjt (t
21 quod est in I fehlt V ideo | uero T' "22 aliquod corpus T' lon-
gitndo I longituln T' decem I 12 I' X A
3 • j
S6 At-kindi
cubitoi-uni, deinrie fit nouom cnbilormu. noniiems Minlmn illuiii
diniinulioncm. vi si uiderLs corpas illiii) racliini undi'cim cubi-
tonim, nominajs niotuin illuni ;iugnit-iiliini. siut» eniin in nnmero,
üiui' in ternpori'. siuc in rcllfpjts rchuj-. (\n:\o rontinenlur siib
A quaiititaU', \h\\ niotii^, si fiu-rit iitaius, nouiliuihis niotuiTi illurn
augnienium, v[ si miiins, noininabis inolum iliiiin (liii)inutionom.
nt ilhid ((uiili ni iion osl iiisj c|iiiinlil;is, quae osl in sub^lantia, quae
Tninuiüir fl aiii-Mnciilaliir. lUuie lüinique partes, qiianini iinius lon-
^'-iiudii fsl iiniiis ciibiti et alU-riiis ipialtior (.'iibiluruin, suiil iiiia
in siibstanlia.
iiller'atio aulein non est nisi in (|ualitate, quae est in siib-
stanlia. sicul res alba ]>c'rmiitatur in nigrarn ol simt frigridum
pernmtaLioni.' fil ralidiini et sicut rlulfe pernuitaLur in ainanun.
motiis uero permutationis tiiniditnr in duas partes, aut
15 enirn est reuülu>))lis aut rin-tus. 4't icuolubilis etiam diiiiditur in
duas j>arles. aul eniin non jierinutat locun» ^ui sitn^^, sed eins
partes permutanl iocum ad iiiuicLiii t*X ^^utii riiolac supra punc-
tum medium, quod est centruni, non recedens a loco sui silus,
sicut uwHxü orbis in naturalibu^ et sicul niotus niolendini et
211 i|ui i-üuuluitu]- in accidenlalibus, ut iacutaloros el soientes in ar-
tibus, aul ptTinulal Iocum sui silus, sicut inolus plausiri. tt bic
quidem est coinpositus ex ri'cto et reiiolnhili, roctu.s ilem diui-
1 fili fehlt A nouem | B T' VI A nominas ] uocaj V 2 ui-
dcris I nidea dA L:orpus | feJtlt V tacluni | frfilt o undecim | I9. !'•
(= 11) XJ Aoy* 'A nominaa I uocäs ('■' motiim illiain | illuni motuni
A enitn ) feMt (f 4 rebus \ fehlt V* substanlijs V sine In reliquis
rebus, qune continenlur | fehlt 0 4—5 quae cDnlinentur sab quantttate t
feitU V ti noniinabis \ uocabis T' \\ el »i minus | et siinililer \'* si
minus O el si fueril miaus I'' iitiminaljis. . . dJniinulioneni ; (liminutionem
ipsum tinfiitwiis y* diminuLionem O 7 quidem I quod V* nisi | nisi si-
cut A(J ni.ii nach quantrtAg' V^ 8 numtpie ( <|uidein ^ [turtes | re«
V^tiV y quatum- j 9. A (— A) It nutem non est \ fehlt A non est
T' enim non est r> 12 roa \ feUlt T* ]>ermulalur ! mutalur A 13
|«nnulatione fit 1 per mutationeni fil A pennutatur in I' 14 uero | an-
tem oy» \h emva\ fehlt K* oliam l/e«l !'■ Ifi duas | 2« V»
Iß— 17 sui silus . . . inuieem I fehlt T* !7 iwrtes ] frhU A permulJihl
. . . inuicem ] ad inukuim mutant locuin T' permutanl nd inuicem locuui A
18 sui Situs I sinislro I'' ' ao iaculatores | unklm- in AV^O iucu latore»
y scieules in | fehlt AOV 22 item j nuteni V'O
Liber de quinque essenlüs. 37
(Htur in duas partes, aut enini est ad medium, sicut motus
aquae et terrae, aiit a niedio, sicut motus aeris et ignis. par-
tes uero motus recti sunt sex , scilicet dextra et sinistra, ante-
rior et posterior, superior et inferior, et isti quidem motus
omnes alteratiui et permutabiles sunt in qualitate. s
IV.
Sermo de loco.
De loco autem dissenserunl quidem philosophi propter
ipsius obscuritatem et subtilitatem. eorum enim alii dixerunt
locum non esse onmino. alii dixerunt quod est corpus, sicut 10
dixit Plato. et alii dixerunt ipsum esse, sed non esse corpus.
Aristoteles uero dixit locuni fore inuentum et nianifeslum. et
illius quidem declaratio est cum dicinms quod est locus et qua-
lis est locus, et incipimus hie ipsius declarationem ab in-
uentione loci. 15
dicimus ergo quod si coipus augmentatur uel niinuitm' et
mouetur, necessarium est ut id sit in aliquo, quod sit malus
corpore et comprehendat corpus, illud itaque in quo corpus
continetur nominamus locum. et illud ideo quoniam tu uides ubi
quandoque est uacuum aerem et ubi fuit aer aquam. et illud ^^
ideo quoniam cum aqua aduenit recedit aer. locus autem cum
1 est ad medium | ad medium est K' est ad emperm (empetum? era-
perium?) --1 est ad motus medium V^ moius \ fehlt V^ 2 terre et
aque A a medio | medius A 3 motus recti | recti motus K-^ motus A
sex I ß K' VI A dexlro et sinistra i dexter stnixter O dexter et sinisler
V* 3-4 anterior l et anterior A 4 superior i et superior ^1 isti |
illi A 5 umnes alteratiui | alteratiui omnes V* omnes alterantur V^
7 Sermo de loco | rot O fehlt V^AV* 8 dissenserunt quidem philoso-
phi ] diJTerunt philosophi K' quidani distinxerunt phi V* 9 - 10 et sub-
tilitatem . . . omnino \ fehlt V 10 non esse omnino i omnino non esse
VA alii dixerunt | eorum K' 11 dixit ! fehlt ÄOV* et | sed ^
corpus I Hier hört V auf 12 uero \ fehlt A et | fehlt AV 13 illius
ijuidem declaratio | eins declaratio quidem A quod [ quid AOV 13 — 11
et . . . locus fehlt V* 14 hie ipsius | eius A ipsius f" 16 dicimus ergo |
dicamus O 17 id sit [ sit illud V aliquo ! alio A 18 comprehendat |
m
comprehendit A in | fehlt A 19 quoniam | q A ubi | in K" 20
est I est fuit A a^rem | aere A fuit aer 1 aer fuit V aquam | aqua A
21 quoniam | q A aqua | aqua : aqua A recedit a$r I aer recedit 0
■>.r:r- -rj. i«.- ." -■...::;.-* n::»: -■?: . >:tÄ"j:iajii srimu« t-ius
.:.--:' ».o-i. . -■: »rr^ — 'j*.!. _- jrctsi. :-:Ci*rüiirr^:i? Dobis et aesli-
•". r^'-T. -.: rj>" --L":'--f ^-z*'. r'. -"-:■.:•: _r. >3t^«LjTit- s^^mper sit
>i:.t rj.: -•: Im: --?•■: :■_ L'^:.»r:aj:- ^.: z.'-ersrriT">o. el e?t falsuin.
„; -r- : ,^:l.>-':^^ t-< r.» •: >.:^i::z- ii-iCLli? kx*um esso oor-
: >. ; .«■ ^t-T-T '•L-j-:.ij-c:"_ :.»:':*i?v e?: :ij?zim. i-nniqut- Ülod
'.. > '.. : : .: -t:-..^ :.■ ■_ t^ •:•r:o^ ?*:-: jcr*rr3«e? quae est extra
*-.::.>. :_■•: -.. _- .■•■r :t>tLrv.ii-^ e: -r:'^ qnkiem iledaratio
.i!^..": .:.:_? t<-". r:-:»" :_ ?*.-.>- C-"'- '■'^"' ^ ^?^^^ singulari est
! :.^-:^: -: ..-.—■:: - Z'r:<:zfi:ii.<^ r*:' ipsa uocatur corpus.
: ., :..-'i.-^: :_• -j.e ":;i.:*r-:-^ l-:c^ü:.;'ir;r«i t4 latitudineni sine
;-:>*;-•:.---.'-. r.-' r: s^"^ --it-.rr-'.-.T^. r-: euiü meditatur hy!e habens
■r.;- -■: .^ - r.r l-.'.'r :i_-T -•: :c^:-f--3d:tate. nominatur linea.
>'j':^- :•'". .-/-,-. -^- -I :,T.^ :-.:.iv h,.ir«et loiuituiiinem et lalitti-
'!!.•,< .-• ;^,"/,.-:. '.-.•-;... v: -->: -. \ hy-r quae habet longitudinem
't iü': ■..-:-,--• . .v- p: r:::::u:v-
i-^iw ■•;■■, .'.i- ;,:::::.:.^. ,:j;;.i distiaguitur locus a reliquis
iiiyii.I'-ütuji. '/('^ ,,^:i, -v/,?/ y^ n...i:ifes:u* manifestius ,4 mani-
ftttluitt i'* i •,'/* Je,;.;- '; ti lo.us /VJff'r .!'.> 7 dicamus ( diciiuus
Of 'f >\<i ,s i^hU ,1 «.i recipi'.ur iieojue el recipimus quoii O
«em(K*r cit fcgin|/'/ 1' J^-Jt ideoque . . . fine /rhlt A 9 cui j aut A
»it ! id t'ht . . UHlJnr. «-sl J inteisecatio iDterseoulio !'■ et | sein-
per et A 10 <fr(fo ] u'-ro ('* II quud uidetur contraJicenti nobis \ fddt
OV'-' w'd Mi'i !•>■" A ]2-Vl extra corpus externa corporis T* 14
cum in | in A ('^ <un. 'y >in;.'ulari ^ingulis 1'^ 15 longitudo | lalitudo
r^ [etj , fi/ilt A V ' UKalur 1 nominatur O 17 nominatur | feJtlt V
18 »in« I Hiuc O r;t . . . nominatur fehlt I'' 19 et | /eWl A dO ex
yle est A 'U est (jrjfo A «(uiddilas ! quiditas U reliquis 1 ceteris T^
iilÜM A '£.\ tion HUiit loi'ijs ! loi US nun sunt <>
Lib«r de quinque esäeaUis.
3»
V.
Sermo de tempore.
Ue Icmporo eiiaiii dissonsei*unl pitilosoplii. iilii euim tiixt*-
runt quod est motus ipse, et alii dixcrunt quod uon est inotus.
oportet itaqne nos ilisceruere ueritalein honim duorurn sermo- s
nuru ;i falsilale ipsonim. et esl iii dininins cpiod nuiliis exi-
stens in nüquo intu'iiilur in proprietatibus [illins] rei molae et
non repm-itur niotus illi! in alio speciei illius nisi in illo.
teinpus autejn inueiiitur in omni re secundum unam speeiorii
uol nioduni unuin , et non existil eins «liuersitas per diuorsi- lu
laU'ni reruiit.
iani igitur iiianifestum est quod tenipus non est motus, et
quod nientiti sunt Uli qiii dixerunt quod tempus est ipse motus.
i't nliaiii qund uelocitas et lanJitas (|uae sunt iti nidtn non <'og-
iKjsrunliii- niäi jjer tonipus. t>t illud ucro quoniain notninamu;; i&
[larditatem uel| tarduni quod in tempore prolixo inouelur et
uelox [uel uelocilatem | quod in tempore breui mouetur.
Icmporis autem cjnldditas non cogiioscitur nisi oo modo
quem naiTo: et est iit dicatnr quod instans comprehendit tem-
pus quod praeteriit et quod est futurum, instans ueru inier ea -m
exislciis non habet constitutionem ■ qiioniam ipsiim non numet
ante nieditalionem noslrani. hoc oryo instans non est tompus.
sed cum meilitatur in nientc ad instans poninins quod inier ea
existit tempus. in hoc ei-jro est sigiiilicatio quod Imipus non
est in tdiquo, nisi prius et posterius: et non est nisi numerus, as
tempus ei-go est mmierus numerans motuin. eius aulem
2 Sermo de tempore l rot O fehlt A K" 3 philosojjiii | fehlt O enini [
fehlt A 4 el I fehlt 1"* non est tnotUH | non niolus est VA 5 ita-
i|ue HO» I nos itaque V ueritat^m | de ueriUte O (i— 7 a lalsiUU . . ,
exislcns \ fehlt K' aliquo | allu A lillius) i/*A/? f>r" 9 inuenilor I
reperitur V* 10 per | propter f'iV* 12 igitur | ergo OV^ 14 quod |
quia AO non | el noti V If) et [ fehlt A illud | priipler lUud OV ue-
ro I ideo (iV Iß lUrdilHtem ue(j I fehlt A quod | quia .1 mouetur |
fehlt ('" 17 uclox lud \ fehlt A quod \ quia A inouelur |/fA/< K*
IS aulem 1 uero o qui^Iditas | quiditas O 19 quem j quo OV 21 non
manet 1 renianet vi ^2 non [fehlt A 23 meiite | insLaiite O instantils 1'^
24 est I non esl O fehlt A V slgnißi'atio | Signum A ^ eat | fehlt V
aliquo I aio A 26 ergo | ueru O
40 AI-Kinüi
quod nimieratur secunduni grammaticos sunt duae species: aliud
numeratum discretum, aliud [est] numeratuni continuum. tempus
uero non est ex numero discreto sed ex numero continuo. et
hacc quidem est definitio temporis, qua nominatur continuum.
5 et ipsa est:
instans meditatum quod [coniungit uelj continuat inter
praeleritum ex eo et inter futurum.
explicit.
1 quud I qui A 1—2 secunduni . . . discretum [ apud i^recus aliud
nurueiatum discrelum O illud est numerationi discretum secunduni gramma-
ticos V^ 2 est I fehlt AV* numeralum | numeratur K' ex numero !
iiuniorus ex K" -i haec \ fehlt V^ est | fehlt V* deflnitio temporis j
distinctio nuininis O 6 instans | instantem 0 meditatum | meditatur V^
[cumun^it uelj | fehlt A S explicit \ explicit alchindus de V essentijs A ex-
plicit Über Alchindi plii de quiaque essentijs (rot) V* explicit . finis (rot) O
Liber introductorius in artem logicae demon-
strationis, coUectus a Mahometh discipulo
Alquindi philosophi.
I.
In noinino piissiini ot inisericordissimi Doi. s
Postquani iam locuti sumus de praedicabilibus quot sint
spocies eorum et qualiter conituigantur sibi ad facienduni con-
clusiones, uolumus nun« ostendere quae sil arguuientatio de-
nionstratiua et quot species eius et qualiter sit ordiiianda et
quoniodo sit utenduni ea ad eliciendum conclusiones. sed prius lo
oportet ostendere quae sit intentio philosophorum in utendo ar-
gunientatione demonstratiua.
Scias ergo quod quamuis uiae scientiarum et cognitiones
ot perceptiones et sensibilitates sunt multae — sicut iam osten-
diiuus de quibusdam earum in epistola de sensu et sensato et is
de quibusdam eariun in epistola de intellectu et intellecto et de
((uibusdam earum in epistola de generibus scientiarum — tarnen
uiae per quas ambulauerunt philosophi in illis disciplinis, in
quibus sua inquisitio fuit de cognitione certitudinis rerum, coni-
prehenduntur in qualuor speciebus, scilicel diuisione et resolu- 20 1
tione. definitione et demonstratione.
Opus est autem ut loquamur de imoquoque istorum et
ost(^ndamus qualiter est uia in illis et quod ea quae sciuntur,
1 — 3 rot N '2 Mahometh | machomat N 3 Alqnindi { aliquindi V
philosuphi 1 philosofi N 8-'J demonstratiua ; demonstratio (i demöatracö)
^Y 10 utendum | ut uö du Am Rande, ton späterer Hand: utendum N
or
11 Oportet \feliU N 15 sensu | sensum (snsü) V 20 quatuor > IUI VN
taid so immer 21 definitione | diffinitione NV und ao immer 23 ea |
illa ^V
42
Al-KimH
sciuntui* per illa et quare sint (luntuor lanluni, nee plures nee
pauciores. causa uero Imius est liaec:
larn cnim osU'nsuni est in calegoricis de uia (iiuisiouis.
quod oinnia ea qua*.' sunt iiocessario ut'l sunt genu» ui-l specics
i uel indiuidiia. necesso est autem ul uia co{,MÜtioiiis uniuscuius-
quo Sit iiliu ab uliu. quod sie oslcnditur:
(Juonium ivrliludo j-'i-nrnim cognoscitur per dluisiorif^m
eoruin in species et specieruni in indluidua. sed per resolutio-
neni cognoscitur certitudo indiuiduorunu scilicet unde <'ompo-
10 nilur uiuunqnodque eorum et ex quibus est coiiiuncluni. per
definiliorteiM fliiiui cognoscilur iH'Hiludo sj»rcii'rum, scilicet cuius
goneri^ sit utiiU]iiaL'que fariiiii ut qua ditTcrvulia discernalur ab alia
a se, per denionslmlionem uero co^nioscitur certitudo generum
quae sunt signiücata uniuersaüa intclUgibilia, sicut postea Osten-
15 dennis.
Prius auteui uoluiiius ostcndere hie uiam resolulionis,
pustcpianj iani ostciutinuis uiam diuisiouis iti categoriciSf et prop-
[vr aliani causam c'liam : quoiiiani uia resolutionis est propin-
quior intelli^fiUiae irilrodiirendonuii. est enim uia qua cugnos-
20 ciiur cerliludo intbuiduoruiu. ittdiutduii uero sunt n'S singniares
seiisibil(„*s, sicut iani ostt-iiditnus. uia autem definitionum et uia
demonstrationuni sunt tenuiores et suhtiliores, per quas non sci-
untur Jiisi res tnsensibil^s, scilict^l species üt peneni.
Scias autem quod intentin de ime, quod fsl indiui<Iuuin,
25 est assignatio quod est eollectio ouinium coniuncta ex rebus di-
ucrsis uel composila ex iiirdlis partibus, -solitaria et discrcta ab
oninibus alüs a se. indiuiibia auteui sunt diiobus mwlis. nani
quaedam sunt coniuncta i^x parlibus coMsimilibiis, nt Uarc spica
et liic lapis et lioe lignuni et alia bis .siniilia iiidiuidua, quoruin
30 omnes partes sunt unius naturae. et quaedani sunt indiuiduu
coniuncta ex parlibus diutTsarum subs;lanttaruin et alteralarum
accidentibus, sicut hoc corjnis et luicc avhav et haec ciuitas et
3 enim | uero N calogoiicis Cülhegnricis ä'.V und ao immer 9 in-
diuiduorum | diutdunrum N 14 quae | 8ecun>lum A significala | 9i|$naia
} n n
(ctttirala si^a) ^V (sigU) V U - !.'> 03lenJeinu<f | ostendaitius ^V 17 lam
oslcnüimus 1 oälendiinus iam ü 21 dcfinitionum | diftlnilionifi N 27 quae-
dam I quidam .\ haec äpicH | h' ^ispica N h' ^pica V
Liher introductnrius in urtero logicae demonstratioms. '13
alia his sitnilla, quae sunt coiiiuncUi ex pariibus diuert^is. Cum
igitiir nolueris scii-e consuetuilinem altcuius tstorurn ituHiiiduunim,
considerabis prius ea, ex quibus.est compositnin. (|iiid siiriL; et
itiquiivs parlt'S, ex quibus esl coniimotuiu, quot sunt.
Seins eniMi <(uod res conqmsitaL' imiftaL' sunt species, quas a
non uuiiierat nisi solns Dous gloriosus. sed tanien omiifs cuni-
prehemUmtur in (ribus genoribiis, quoniain uel sunJ corporalia
luüiiralia, uel corporülia artKieialia iiet spirilaliu spiraiiliu. po-
naiiius iiuteni de utioquoque islüruiti unuui exeinpluiu» in quo
considerfiilur cetera. »o
biiJiuiihia igitnr coi-iiorulia natnralia snnl ul coi*pus lionii-
nis, qu<»d est colleclio coninntta ex mernbris diuersis lit;urfs.
sieiit est capiit, nianus, peetus et pcdes et alia his sirnilia. sed
uuuniqiiodquc istorum est etiani compositum ex paj'tibus diuor-
sis in substantiis ei aecideiitilws , sicut sunt ossa, nerui, uenae, is
tiiro et eulis et alia liis similia. sed uimiuqiuidque istnrum est
ctiam genernluin ex quatiior bunioribn^. unusquisque uero hu-
inomin est complexionalus ex queily. quoilum est autem ex
eoUalioue tiboruiu. cibus uero est ex paruitate planluruiu.
plantae uort> sunt ex :;ul)tililate elemenhuirni. elemeiita nrro a»
sunt ex corpore absoluto cum proprirtalibus quae sunt eis.
corpus uero cotnpositum est ex maleria et l'onna. et baec sunt
duo prima snnplicia; sed corpus bumanum est compositum ul-
timum ; omnia uero alia sunt simplicia et composita secunduui
respectus. 25
Cor(w»ralia antein artificialia sunt ut eiuitas, de qua assig-
nainus quod es! collerlio ex tbns et uieis, quoruni unumquodque
est colleelum ex mansionibus et dnniibus et tendis, et urunn-
quodque istoruni est compositum ex parietibus et teetis. sed
I sunt I «9t J^ 5 cnini | aliquando A^ 6 gbriosus | fehlt y oni-
n r
nes I fehlt N H ii;itur i uo g V 13 caput j capud iVF li^ queilo |
qaeilui (unklar) N queilu} V queilam | queültn (niikiar) N queila5 V
10 paniitate | (luitate xV puitalc V 2() planlue | phincle V 'iA aim-
(
plicii I süpplicin V 25 respettuH t cot' resplus V 2(> eluiUis ; cultus ct-
utLus y
44
Al-Kintli
unuinquotU(ue istoruui est coitiposituin ex lerra et laptde et
lalere el lignis et alüs consimilibus. haei; autoiii omniu sunt
ex t'leiiictitHtis. i'Uüiirntiila iiero rx elfUicntis. et elementa ex
corpore, et corpus ix hy!r et lormu.
5 Spiritalia ucru spirantia »unt ut cantus qui est in iiuinero
sonorum orflinatomin. suiius uero coinpoiiiltu* fx lonis propor-
{iniinlihus et uersibus luclriris. nersus uero coiiipominlur ex
pcüiljiis. sctl pedfs coiupcjnmitur ex syllabis. imu(|UiU'qii(.! au-
tein syllabaruni roiiiponitiir ex Hltrris iiocalibus et consonuiitibus.
itt nemo aulem cojfnoscit hoc nisi qui nouit propottiones rnitsicas.
SiHnirnlnni autcMi» haee exeinpla considenitiis iiiam rt-soliilio-
iiis, quuuäi|Uu luaiiirfstatur tibi i*x quibus ^ittt coiiiuiicta vi coni-
posila ea, quae coiiiposila sunt, el tuiic sries cerlitiKtineiii
oaruru.
15 De ui'a auteni liffinitionunj intentio Iiaoc est, scilicel ut
oogiioscamus certitudincm spucionuii. sed qimliter aguncium sit
in ea ad hoc ut assigiieums aliquam sperienim, hot est M-üicel
iil inquiramus genug eius et numeruni diflertmliaruni i^iuü et
coriiimjriMitnr oninia proprii-s iKiiniiiibiis. ut-rbi ^ratia, sicut cum
£0 in ili'Üninulo lioiiiinciri ilicitnr quotl est aiiinial rationale, aed
si quaeriliir quac osl d^-finitio uninialis, iliretur (pioil t'sl corpus
mobile .seiisibili'. si ucio quanitur quae t:ät defuiitio cor|)ori!?,
dicetur quod est suhstantta lata, longa tH jirolunda. si autein
quaerilur (|aae est dffinitio substantiae, dicetur quod non liabot
i\ definilionern sed dc-^criplionem. quae est ut dicatur quod i?ns
est, slans per se , rweplibilis conlrarianun preprietatmu. si
auleia (juaerilui' (|»ae sunt jimprietates contrariae, dicetur quod
sunt accideiitia quiescentia in substantiis, iiori nicut pars earum.
et sc'CUJiduiu iioc considerabis uiam di^tinitionum. sed iam feci-
30 mus de hoc epistolatii.
Do uia autem demonslrationutn inlenlio quae quaeritur
3 elemeutalu uero ) non ^V -1 hyle | hile VK 5 qai j g y
6 soDorum | suonim N tonis | lhoni5iYr(K »nklar .thonus' oder ,Ü\ün\W)
b syllabis [ sitlabis ^^iiris') yv und »o immtf 9 \\\Xer\% | Iris N liU'ia V
10 qui ; «1 .V 12 ginl I sit *V IH ea | eo .V tl» coniuutjentur j coniun-
gelur JV 2H lala, longa | lata longa lata {IHttographie) VN 25—26 ena
est I e»t ens V 28 quiescentia | fehlt N
Liber inlroductariu» in artefp logirae ilemonstrationiEt. ^»
pst haw, scilieel cognilio lornianun conBUluentinm sin^ulnrin in-
uonta. (liffcrfiitin uero inter ea el intcr formas peHKienteJi ea
est liai'o: quod onirifs sunt pmprielules eoruni. et ilispositionos
quae sMpemi'iiiiint eis, et illii sunt üppiopriala pH* illas. seil
seiisiis iion (iisceniil oa qiioiiiani sunt suhuiersa siiJi liis pro- i
prietatihus el cooperla eis. quapropter opus est specnlKÜmie
subliÜ et inquisitione suflii-irnle ad r(»||fnosceinluni ea et ad dis-
cernenduni Inlor (ni et illa eL vi\ quae rnrnitiuilnr ea el supei'-
ueniunt eia per arifiiiiienlalioneni et demouslratioiieni.
Sfias autem quod plura ei de Ins, quae noiiil homo, sinit u*
adquisita per ;iiviinientatinneni. sed iiidiciutn nrgntnentafinnis
aliquanilo est recluni, ;iIi({u;nidM erroiieuiii. Ideiv u|mrtel nsten-
dere quae sit causa tiuius, ad hoc ut eaut-as illud in uleiido ar-
gumenta tionem. Frius auleni dicam quod argunienlalio esl or-
dinatio propositinnuni, ex qua pr(»nenil conclusio- r-
Seins anten» qnnd pnipfisltiones ;iri;iinienl;if!nnfs siinirndiir
ex eognilis in principio inlflli^'onili. sed priuf.ipia illnruni eoyai-
lorum sumuntur ex sensibus, sicut ostendlmus in epistola do
sensu el sensu to.
F)e hör uuleiti qnod neeessariiun füll lioinii»! uli aryuiiieii- so
talinne ratio haer est: scilicel, quod scusiis rion appretictidunt
nisi singularia, eomposila ex subslantiis simplicibus, quae sunt
in lof.is discretis, et accidentibus pailicularilius in substantiJs dis-
cpelis, i]iTae sunt ilesignata alia ab aliis. sed quantilales et
qualilales nou possunl sein rede nisi arynnienlatiMriiljus laetis^s
de eompositis. uerbi gratia, quaiintis eniin seiret Jionio aliquo
sensu quod aliqna ex rorporibus sunt grauia uel uiuHa uel
magna , tarnen non polest seire quautilateni granitatis eoruni
nLsi ponderando , nee lunltituditieni nisi nunierando. mn: uiagni-
ludtnem nisi niensnrando; et alia bis sitailia. et haec oninia ^
sunt pondei'a el considerationes , por quas eogiioseit lioino qnod
non polest scire per aestimationeni.
1—2 inoenU | in uista (unklarj jV 7 ca 1 ca<| M 8 romilnntur I
coninilantur ?CV 10 ei de | ex I' '21 designatu altn t de sigtuhi uliniii
N )|ualitntes t qualitates et quaulitates {OUtogriiphh) VN. i' miUitri
n n
44 ^^^^^P At-Kindi
Scias ftute»! quod error conliiigit in arguincntatione Iribus
tnodis. iinus esl nun iil jn-r quotl irtonriuralur i-st iniusUini,
soilicol malus vel niirnis. sociiikUis i»si cum uIpiis ai-Kunu-nla-
tionc est irniKTiliis in iiU-iH]ir rii. Li-rtiuiii auteiii itsi cum id
Ä per qucxi iiieiisiiralur t'sL iuslinn tf ntuns co est pcritiis , W
eins intentio esl ad det-ipiontlum.
ir.
Per iiiipcriliain aulem ulenlis continp! error in argiunon-
latinnc hör modo:
10 Scias qu(ii] naturale est iiti ar^unientulione a pueritia situ,
sind naturale e^^l ei uti sensibiis. infans eniJii cuni incipit dis-
cernere et constden^re sensibilia et considei*are parentes et cog-
noscit eofi sensibiliter et disccrnit inter se et ipsos et ineipii uti
opinionihus ot aestimalionibiis, ln?ic si uidorit aliquem puenim
u. sibi coiisiinilem et considerauil oiun, seiet eum habere parenles,
quainuis non uideril eos sensibiliter, consideratione sumpta ex
se. et lioc esl argumentalio uera, in qua non est error, quo-
niani est attestatio quotl uisio cansati est slabüi inen tum causae.
si uert) habueril fnitres, qnos iani uideril sensibiliter , int-ipil
tu tunc putart* et aesliniare quod illc alias puer similitrr habet
fralres, secuiidum consuetudineiii sui. sed in hac argumenlalione
est error, et certitudo eiun est quoniani nisio cansati, quod sinl
aliqni filii sui ^eneris , non esl testinionhirn stabilicndi rausam
suain. similiter etiam ^ eum hie puer uidit niulipreiii nel uirum,
85 putahil et aestiinabil <'os liahrre Rliniu, quiimuis non uideril eos
sensibiliter, secnndurn considerationeni indidi suorum parenliini.
sed iudicium suae considerationis aliquando est uerum, aliquando
esl falsum , quoniain uisio lilioniin j.'on(.'ris ^ausae lestificalio («t
2—3 iniuslum , scüitcl. | iniii^luni est lushim sftd utens em^ e^l perilua
et eiuB inlentiü est ail decipiemluta scilicet i\* 4 — 5 id jier quod | per itt
quoil A'V abrr in V corrigtKvt M per quod' ton tffrselben tfnmi H et ] *ed
yy Eo 1 eo^ .V sed I et AT 10 srgurncntatiune I h' nr^tmicntaliones
jV 1 I opliiionibus | oppinionihus 1' et »estiinalinnibus I ftUt \ pue-
ruiii I uiruni N pueruin (rorrii/irrt) \' l5 considerauerit | consid'auit X
sifuT eum j hitisuffefügt V , fehlt N hJ constidenLlione | considerare N
11» qiiofl I qa quü8 T 22 eins e^ilfthUNV fs^noria \ hin:uffffilgt V,
fthU A lti9(i]nonium | leslini *V i" suiic | huius V
tiiber introductorius ia arteiii togicue demunstralionts. 47
de stabiliniento siii causati. et sofiiindum hoc exetnphnn ronsi-
dernbis quod liorno a pueritia sna ruiuscuniquo rei dispositionell!
inuonerit in se uel in suis pnreiitibus uol in suis fmtribus, pu-
labit consimileni esse in aliis pueris et eorum imronlibiis vi eo-
nini iratribus, c-onsidtTationo sunipta a se et a suis parontibns a
et a suis fratribus. ita quod si accident sibi fanies uel sitis uel
denudalio uel acciderit sibi calor uel friirus ue! comedorit aliqniii
quod t>ene sapiat uel biberit aliquid quod bene sapial uel imhii'-
rit idiquiil quod sibi rion plncoal , ui-l ti-isioüir |>ropU.T iill(|iit(i
quod amiseril , uel j?audeat pntftlcr atiqiiid ([uod iraieneril, pro- »0
feclo, cum aliquid boruni sibi conti^^eril, jmtabit quod iam tale
conlingit celeris puens . qui sunt Mlii sui goneris. et secuniluin
hoi- exenipluni cmrent ceterae eins putationes et aestunationes
in iutlicando de sensibilibus, ifa quod, si fuerit in domo suorunt
parentura pe<ms uel pannus uel aliquid luiiusmodi ue! puteus '"'
aquae salsae , putabit et aestinuibit fpind in alüs donubus alio-
ruiii pueroruni sit siniile huic; .simI poslqiiaiu crLMierit et iult-lk'-
xerit et eonsideraueril res sensibüiter el respexerit dispositiones
aliomm sinfful'jniru, co^oscol certitudines oorurn qui pulabat cl
aeslimiibid in difbiis pucritiae. el manifestabilur ei, unniu post ^
aliud, an certa fuerit eius ai-stimatio an errouca.
Scias igitur quod secundum hoc cxempluni cumint etiam
omnia iudicia iulelligentium et eoruin putationes et aestiniationes
in rebus aut4' iiu|uisitiün(*m v\ i-en(.'l;ili<ini'rn iirrilalis. ptnrcs
enim ex bominibus cum uidcnt in lena sua uentum uel plimiam, -^
uel calorem uel frigus , uel dieni ue! noetem , uel hiemeni uel
aestatem , putant et aestimant quod sinulitor sit in celerts ter-
ris, secimdum considerationem eius quoil tnuenitur in lerra sua.
sieul sülebant putare , turn rrant pucri » quod in doinibus aiio-
2 puerilia | paruitate N 6 i(ä quod \ ita. ri NV S bilicril . . »
uel I fehlt iV 10 amiseril | amtnisit V inueiieril | iniiMiil V 12 filÜ
sui I sui lilii N 14 sensiliitilius | sensibilibus quod in aliis doinibus (üj
in domo | in aliis in domo N V.* singuloruni i sin^ularum AT «irum [
islorum eoruin *V pulobal | pulabit covrigin-t in .putabal' V fif) aesli'
malmt | oxlimabaL iVT und bo immer 3-1 et | frhU N '2Cy hiemeni j ieinem
y yem^ni N 27 sU in | sint V 29 enint ; el {,enim') N
48
Al*Kindi
rinn hominum erat suiiile ei, quod eiat in domibus suorum pa-
rentum, quousque, per experientiam, poslea inanifesletur eis cer-
titufio fius i\Xint] pulahant tunc lU'l fulsitas. sicnt praerliximiis
antr. sie currit etiaiii iiuliriiiin inli'lli^'eiitinin Itouiiiiiiiti in sui;;
s piitiüioiiibiiH c>l suis aesliiii:itio)!iil>iis dt' liiiiiHiruHli i-Hmi^. qii:iH
(lixiiiinsi , ila qntid citin conslderaucrit in Rcii-iilii«) dis(*ipliniitibiii;
et prac'fipiit' in spit-ntia .istrologiac , palain fit eis cortitudo eo-
rum quac pntabnnl lunc, an sit iiorn uol falsa.
Sciits anlcai quoil pacn«' nnlliis honiD liberabitur ab huuis-
tu niodi opinioriibus et aestiimationibus, ncr intelli^ettlos nee seien-
tcs di.sdpliiiari iiw sapienles phili>snphaiib's etiani. quod ruin
ita sit , turtc non orit sociirilus. quin cwlL-rap a[xinnt'nlation(*s
eoniin pnMoitanl cum simili nirsiu et hoc *^t quod sign//*Val
d*'t)ilititatt'ni suae argunicnl^itionis et destruction<»m suae signifi-
I-'' catioiiis. iniienimus enitn quod pinres ox bis qui pulaiiL sc
s<in' phildsopliiani et intelliKÜtilia d d4'in()nstratHim*s , pntani ot
iifsliniant quod Icira tota in suo proprio loro äit grauis, ctiain
considi^rationr grauilatjs, quat* est in qualibet istarum suanim
])aHiu[[i. siiniliter putant pluros ex Ulis quod stalus eorutn qui
-■"sunt in nlio npptosito nobis torrai:- (icnuspbiu'rin transiicrsuni est,
(|ii(>rriad]nniluni si quis sUirel snb siipcrru-ie supi-r tpiarn aliiis
staret pedibus suis oppositis contra podes eins, et siniilitcr plures
putant extra munduni .^it spatiuni tnlinitum plenuia uel uacuum,
scrnndum quod inuroinnt rxtra i^uay <io!nos alia loca ot exlra
25 suas tcn-as alias lerras et ^-xtra siiuin niuijdtiuj luunduiii caclo-
nna. siniililer otiam putant quod Deus, qui est bencdictus,
creaiiit mundum in loco ot tempore, secundum quod inueniunt
sna Opera et sna artificia lU:v\ in locu ft tompnro. et ol) lianc
oau^ani laitauiTunl plun-s t'x Ulis quod J)rus gli>riosus tat 4:orpus,
w 00 qnod inueniunt quofl non est agens nisi corpus, sed Deus
3 |>ulal)ant | putant N tnnc I ffJilt V fi ita quod | iU q AT
8 uel I unUar N !) nulhis t ull'» N 11 phllosnphnnli^H | philoiwrantes X
13 signiHcat sign.it {.Ki^tL'; AT U'> pliitii^uplnain | ph'iii N ph'yiim 1' und
m immet' l'J partium ] ftUti N, trint ul/rr (im Uamif mi/irrt iS) lieiiii«
»phacria | einisjun NV Iran.sucräutii | liiufuerun] V 21 quiä | iiÜquis 1'
'£i eil I a'u'.üi N 2fi iiulauoriitkl | piiUui^ntl 1' i^rpu.«« | frUt X
Libcr Jnlradactoriua in allem logicac deiuoustrationis. iU
est ii|i,^ens. cum uutem se excrcueririt in scicntits diuinis, tunc
nolum fit eis quod res e eonli'aria est, sicul ostencümas in epi-
stolis dminis.
Soias autein quod hnmo non nsoendit gradatini nd alif|uem
üi-dinem sciojitiuriim ol coi^ifatiomini nisi quia aiiparenl ci oa, .*.
(iuorum cogiiiUünciii liabol iinii- niaitifeslationem el delcctioncm,
sicut fuomnl opiniones eius in rebus sensibilibus ante cognilio-
ncm certitudinis earum , cum orat puer, sicut supra ostondiinus,
Scias eliam quod coiiiparalioiii.* .si-itunini, qua».' aiipn-fu.'udH
homo quinque st-nsibus, illud qimd i-oiicludittir ox illis in (»rirniis lu
irdrilt'clibus uiultum est, sicut conipamtione JiLttTaruni siuiplitMum
suiil ruulta alia noniina quae compminnlur ex illis. sfd compa-
ratio scitorum , quae sunt in priinis inlolleclibus, axl illiiil, qund
concluditnr ex illis per demonslrationes et syllogisnios niultamni/
scientiarum, est sicut comparaÜo noininuin ad oratioiies , quaehs
coiuponuntur ex illis, et locutionos et linguas. probatio aulein l
de t'i'ititudine linJu-s quod dicinuis, s(.ilioeL <|uod ca. quao sciun-
tur ai-gumentatione, sunt plura iiuniero quam f-a, ipiae sunt pHnu/
intellecta, est Iioc: quod Euclides in unoqufKjuo tractatu pi*ae-
luittit doccm nola uol plura iiol pauciora , quao sunt prima in- 5.»
ti'llij,'ibiliji , ex qu//jM.s conflusionibus tA'nW indniias, quaestioin's
oognitas denionslralione. ot siuiililop est in libro alniagesli*
el in piuribus libris ptiilosopbiae est hoc iudicium.
l'oHtquaTu antoni iam oslcndimus tpialilor subintrat error
in ai-yntiH-rdulione ex parte an?nnienlanli.s, oporlel unnr- oslen- 1:5
dere quaÜter subintrat error ex parle oreTumentationis.
1 excrtuerint | exercueral N 2 aicuL | fehU N 4 hoino non ] n
hnmo non V 5 ei | ei q A' fi cognilionem | cogrüne S tlclcctionem |
delpnlitincni iV II dernonslraliones | (jcnionslnilioiicm A' mullarum I
am Hundt, j'ehU im Textr \ 17 t|uae | ijusie nota uel plurn A' 18 ea J
fehU N prima | [H-iino AT U) uii(i(|uo<|Uc ! ulroquc (etHgtsrhoben) S
20 lierein 1 fehlt N nuilnw | q'' A' quo 1' j>riitia ! plura S ä'i lor
,PnfiLqiiain' : eapiluluin de ostcndeudo quaUter error incidit in h! Haitis iiiuni
froi) N 25 imrle | pätö N
lleitrBg«» II. &. Nngy, AUKintlL 4
60 ^^^r Al-Kinüi
ni.
Scias quod error qui incidit in arpiiiiienlalionem — ex
hoc ipsa in se iiiliosa est — iiuiUis niodis est. et prolixiim est
oslcndoro. diflimi onii» est in libris logicac. unde nunc uolu-
i mus nominare hie oondiliones argurneiitiitlonis rectae lantum,
ui eas otiserues et eas solas assumas in argumentatiotiibus et
prufttTtiiittas celoras arguiaentaliont'S in quibus potest esse error
i't falliioia. quoniani ex arpuniontationibuÄ cjuao aliquo modo fal-
lunt et ali(|iii7 modo nerae Hiint vi^i ar^iinierilalio qiiai' , seciin-
hi dnm cursuni usur rrgularis, est ar^nJnientatio de parte ad lotuni.
Scias auteiii qtiod ai'guinontatio in qua non cadit error
nee fallacia est illa in ciiius compositione et usu seruantur
ronditiones quas praecepit Aristoteles diseipulis suis, quae sunt
haec: scilicet, ut in omni seientia et diseiplina argumentabili
lA aecipias duas intentiones notas, quae sunt prima intelligihilia,
soilicet an est et quid est. baee autem non praecepit Aristo-
teles nisi cum non est piissibile sciri ig^noluin per i^iotimi [cij
nee ex ii^nuto potest haberi nutiim. necesse est igitur accipi
aliqua ex bis quae sunt nola et prinui intelligibilia, et argumen-
*t lari, et ex bis reliquum quod quaeritur demonstrari.
prima autem inlclIiKibilia duo siinl , s-oilicot esyo rerum et
earimi qnidditas. esse nulem rerum adquiritur in animabus
ministerio sensuum. sed qnidditas earuni adquirilur mcditatione
et consideratione et ro^'7'//ione , sicul ostendimus in rpislola de
2* jjcnsu et sensato. cum aulem iidquiritur esse rerum in anima
minislerio sensuum et carum qu)<]dita>i meditatione et cnnsidera-
üone, tunc dicitur anima iiitflligens. sed cum consideraueris et
2 ruf .äcias': caiiitulum de ostenden<Io qualUer errnr inriüil in sillo-
gisnium et quo modo debct uilari V qui I q *V 7 praeter in ilUis | prae-
mlttlt .V praeiniUit r.orrigierl in .praeteriniltaK^ V 12 usu | usus VN (im
N hat riiie sjxltere Hand das s Hvrchstneken) 13 condiliones | cü d* ös, ran
»püterer Ilanä über der Zeile corn'girrt in ,cuuditione!»' N Aristoteles | srses,
aber der Zeih rou derselben itptiteren Hand .Aristnleles' gesetzt 17 [ei] | fehlt
V 18— TJ nccipi aliqua | aliqua hri accipi N 20 quaeritur | quare iV
21 sunt I fehlt S 22 quiddiluä | quiditas NV immer 2-1 rogilalinne t
ropnitione NV in | fehlt N 25 rerum 1 qUü N 27 inlelligens l y»-
ktar r
Libfi intrmJucturius in nrtcm logicae demonstralioniR. 51
uolucris sciro quid est inlL'lleclus huniiinus: non est aliud jii.si
aninia liumana , quae fit sciens in elVrctii, pnsli|uani fuit aiitoa
sciens in potcntia. non üt aulem sciens in effectu nisi post-
qnam adr[ii!silar siinl in ra Ibrrnae esse reruiri niinislmn si^n-
suuni et ronna quiddilatis earurn per inedilalionem et i-unside- i
rationom. scias ijfitur cfuod seiiiper scientiä horuni duorum,
scilicpt an psl et quid est, initilur tola fabrica scientiaruiii de-
Jiionslralinariun. uerbi gratia : in princ-ipio prinii lihri Eiirlidis
ponuntur noueiti nota — quae sunt prinia itileÜigibiliji , quii)iis
medianlibus probantur coterae quaesliones — quae sunt liaco : u»
(!) quaecunique ac<|ualia eidem, el inier se.
(9) si aequalibus aequalia addanlur, (ota quoque ae-
qualia fiunt.
(3) si de aequalibus aequalia dirinianlur, quae remancnl
aeqiialin sunt. ib
(i) si inaequaJibns aequalia addantur, tota quoque in-
aequatia (lunl.
(5) si de inaequalibus aequalia loUantur, quoo rcnianenl
quoque inaequalia erunt.
(0) dup!a eiusdeni rei aer|naliit sunt. ao
(7) diniidia ornsdeni n^i jirtpialia sunl.
(8) quaeruinriu*^ qiianlitates sibi superpositae non se exce-
dunt, aequales sunt, rtiani:
(0) totum maius est sua parte.
haec autetn onmia imHcia sumitla sunl ex bis ipiae sutd i-.
nota ppimis inlelleftibus aequuliler; el intelligentes non dilTe-
runl in aliquo illoi-uin , sed U\ in qiu) differunt est id quod
consideratur secuncinm ea.
Seias aulem quod liaec et bis siniilia uooantnr prinia iu-
tcllecta, eo quod onnios intoliiffoules noscunt ea; \w.c. didennil iw
in eis, cum considerauerint ea, rnullntn speculantos ea. non est
autem differentia inter intelligentes nisi in his quae seiuntnr
probationibus et arg^unientaliouil>us. causa uero dilTerenliae il-
loruni in illis non est nisi mulliludo maneriarum arginncnlatio-
7 inilUnr I imWffr N (.innitur'?) 22 superposilae 1 supjKwile («/a//
Buifiiosjlo) S 8U]»r|)osUione 1* 25 autem I fehlt V 37 in ii]i«|UO . . .
UifTeruDl | fehlt iV {H»moioteieuton) 31 üpeculnntes | <t(r»:uläLes N
4 *
bS Ai-Kindi
nuiii el tiuiilitates iitendi eis. cuJus rei c-xposiüo prolixa est,
quac iaiii tlkta est in libris logicac et topieae. uolo Uuaon
ostendcre quo modo adquirilur ccrtitudo islarum ptT sc nolaruin
i)i aniniuhus inl[.']liK''ntii.iTn oa.
Ä Scias eniiii qut»! lunx- noia, quae uocantur prima intellecta,
non ad<[iiiriintur in animabus intolligentiuni nisi per inductionem
rurum st-nsihilium iiniiis posl aliam el posl considerationera
nniits parlis post aiiiiin A per mcditulionein uniiis indiiiidui |>o.sl
aliud, cum cnim ex his i'uerint pliira indiuidua cuiilenla sul)
11» una proprielale, adquirelur in animabus houiirium , secumhim
liunc respcrtntii , (juml qiiidquid turrit goncris illiua indiuidui,
tiel pcricris illius paHis. est lior iinli<ium üliiis, quamuis non iii-
ddiiil pailt's oiniies iltius gcnens nee omnia indiuidua illius
specici.
i"! utTbi gratia, puer adultus cum iuceperil aspicere et consi-
dtM'iirc sinj^nla aiiirnaüa nnum posl aliud et iniKMHTil qiind om-
tiia r^entiunt et niouenlur, cognosfit qiirHl quidqiiid <?sl sui gi--
ncris, est quoquc hoc iudicium eius. similitcr cum eonsidorauoril
unainquamque partium aquae et inueneril eamiunnidam, liquidainf
:^' üt uuaiiiquamquc iiartiuni \^na inuenrrit riiltdam, adurtmlem, et
uuumqut^inqm' lapidrui iimoiieril dunmi et siccmn , scitur tiuic
qu(»<l umne quod luorlt. illius goneris , est hoc iudicium eiuöl
spcundum ig-itur hunc rospcctum adquiruriiur nola in principio
intelligendi ministerio sonsuum.
-* Scias autcm quod ordo intelligentium in huiusmodi rebu.s,
quao adquiruntur in anima mtnisterio sensuum, est exredens in
gradilnus. scilic**t quia omnis qüi fuerit in itlis uehomenlior in
spceulaiido el fucrit mi'lioris nuMlilnlionis et siil>tilioris ingenii
et perspicacioris , ea quao Äriiiiitiir i-x priricij)iis iiiti;l(cclunu)
■« plura erunl in anima illius quam in anima eius, qui in toia uita
sua est negligens, Oircupatus circa cibos et potus ol (.antilenas
el delectaliones corporales.
1 qualitates | fjualilas V 7 nliam ' nltpra ;V 9 his | eis V 10
adquirelur I acquiritur X 11 quiilquiil ] iiuicciuid AT uud »n immer I5
Incepfrit I incfpcrint .Y 1!» aquae | fehU N 2t scilur | seit X 23 j^-
lur hunc | hunc ittitur V 2« in | ^ in i ahgeündtrt N
Liber intr-duclorius in »i-teni lu^icae dcnionstraLionis 53
Scias etiapi quod plerumque error accidit coiisidtnitionihus
certitudinum rerum sen.siInJiutn . cum iudicauerint de cerliludinL-
earüm iiin> si-iisu. iieHii gnitia , sicuL q"' nidct a«ariib, et si
bene conriidural, puUil esse sluKna ut lluiniim. sed \iu: errur
non subiatrat üi eum, nisi qui iudicauil de rrTlituditic eius iiuu u
sensu, non enini i'0(:nosoilur certitudo oinnis rei uno sonsu ;
scilicet, ipioniain sensus uUus non apiiR-linnlit nisi colores t-l
figviras. i-erlilntJo ueto aquae non toi<ii(i.sritiir coIür- el lat-Ui,
sed guslu. pluriuni etiam corpornni liqiiitloiiini rotor nidetur
esse i'olor iiquae, sicut acetum subHnmluni vi neplue albnjn lo
sublinialuni et ulia fuiinsniodi.
Scias eliatii quud ununujuüdijin- j;enus üensiUliinii liabet
proprium , quo cognoscilur cerlitudo illius generis. sicul dific-
renlia t|Uorundani üquidorum rorporuiu dignoseitur lat-lu el quo-
nittdarn dilTorentia digno.scitur gustu, si-d eolores eoi-urn dijfiios- m>
cunlui' uisu. unde non oportet eonsideralurcm iudit*arc <le cer-
ttLudine atiquuruni riuisibiliuin nisi per sensuni illuni <(wi pro-
prius est ad cognoseendum certitudineni generis ilioruni sea^ibi-
liuin, sicut oslendiinus in epislola de sensu et sensato,
Hedeanius igÜur ad id in qua eramus. s»
(jinul enini dixiL Aristoteles deben* poni in argumenta-
tione dcniunstratiua priiinim rem, cuius anitus et quiddilas sinl
nota , ul \)er eam sciatur aliud , est sicut hoc quod facit geo-
tiieter cum ponil iinram ab et posti'a lacit snpcr eam trinnpu-
lum aequilateratn , iiel diuidK eam in duu aequalia, aiit jtotiil iA
super eam aüam perpendicularem, uel facit super eam alium angu-
lum, et cetera, quae dieuntur in libro Euclidis et In aliis libris
geomelriae. igitur notum an est et quid esl linoain ab, el qnae-
situm iguotum, ut sciat uel facial, id est Iriangiduin uel aliqnod
aliorum. sie oportet etiati] (leri in arguim^nüdione demonstra-r)
tiua, ul prhnum aecipiantur aliqua, quao sint nota prbniis inlel-f
lectibus et componanlui- sie ul adquüantur per ea res igno-
'J iudicauerint | iuüicaoerit T 3 a;$arub | acarah 1' a canibus [\) N
14 liquiJiirum curpüruiii | trorpurum Uquidurura i'' digooscilur | cugnosci-
tur X l'i sed | scilicel N consiiJerrtlionejn N 22 siiW | sil N all per-
pendicukreui | ylt diculare A' *JÜ ijuid | ri M 2i> id | i-^N illd' V
51
AI-KinOi
tae, qiiae non appreliendunliu- sensibus iioc sciuntur primis
iiitolk'dibus.
Quotl autoin dixil iion opurU-n? in ilfiuotistralioiio uliquid
esse caiisain sibi ipsi , Iiuc e.sL iiiiiniruriUrin priinia iiilelleclibuä,
.% sc'ilicel quiu id quoil uäl causatum non est causa sibi ipsi. sod
plures , qui praciuniunt lio demoiistrationo , aliquo modo causa-
luni pomiiil can-satn sibi Ipsi, iior perdpinnl Imr- iiropLvrprolixi-
LaU'iji stTtnonis. uerbi ^j'ratia, qid j»-:n'siiiiiiL de ycit'tilia riutura-
lium, cutn interro|,'atur quae est causa pluuiaruni in uliquo anno,
10 dicet quod nmititudo nubiuni. si uoro inUTioyahir quae est
ca(i:^a rnuKitiidiuiH milHUiri, rcf^pundt-bil (jucul muUitiKlo iiaponini,
ijiii riL'iianUii- L'\ tnari uL tsta^iiis in ai-mut. .si irto inl.ciTofraiiir
qua».' est causa eleuationis uaponun , dircl iicl pulabit quod
mullitudo accessioEiuin niaris et decursus aquainuii ex Huminibus
i'. et currentibus ad niaria. si auteni interro^^atur quae est causa
huiu:^, re.siK>iKlpl>il quoil iiiullitudo pluuiiiruiii. srcuriduiii baue
i^ntur consklerationtMU sequitur: (-ausa inultiUidinis pluuianuii
est iiiultiludo pluuiaruin.
(^t ideo opus est doeeri ut dieal quod una ex causis est
ii) taJis uel talts^ el sitniliter de secunda tt de tertia et de quarla,
et sie dedint^t uppusilioncm , eo quod potest esse ut uubes sint
inultae et pluuiae paucae. unaquae(]ue enim res causata liabct
quatuor causas, sicut iam ostendiinus in epistola de causis et
causatis.
u Et quod dixit i]uod cauäutuni non est prius quam causa,
et hoc manifestiuu est primis inteilcctibus. causalum enini non
polest prius esse quam causa ob hoc : scilic<;t , quod siuit i\v
gonere relaUuoriini. quae autem sunt de geuere relaliuoruiu, non
sunt uisi siniul quaiilujii ad scnsuni , si liabuerint esse . et
30 quamuis causa sit prior causato uitellectu, adeo quod alitpiando
dubiuui eiit discerni causam a causato. uerbi gralia, si quis
i> de I fcliit N chuftschoben V H prnesuinit | praesuirmnl X zu 9
am Jtnuile: i^uac sit chusu pluuiae JV 20 quartn I qainta 1' 27 <|U<kI | ut
X 29 el| /»■;<// r
Liber introduclr;riu8 \a arltw logicae demonsl talionis. 56
praesuiiiens de gcienlia aätmlogiau ititcrm^^^atur ([uae est ouusa
longituitinis diel in uiia teiTu polius tjiiatii in alia, dieel demo-
ntlio soli.s in loinpore loii^iürc, si aulum coniierlcrit hanc pro-
posilioneru et Hix*.'ril: igitur in quacurnque tcmi so! diutius ino-
relur, dies ibi longior ost, et erit hoc cortuni. sal pluribus, qoi s
non sunt inslructi. discipulis incertuiii est, quid illorum sit causa
niEerius, an detnoralio solis super terrarn sit causa lon^n^iidinis
dici, uel longiLudu diui sil causa donioraliunis solis super len-uiii.
Simlliler est in i^ie et funio. alit^uando enin» erunt siniu!
ot ali{[uanilo unuin inuenilur prius alLero. alitiuandü cnitn lii- lo
ums pi'aestat ignein et aliqiunido ignis poriitur causa essendi
ruinuni. et tunc nesciLur quid illoruin sit causa alterius. scias
autem quod funius el i^niis ununi non est causii alterius. causa
eni]it uirtniis utriusque niaterialis sunt oorpora i'omhuHi'ihiMn t>t
eot-uni causa apens est calor. scd dilTmuil in forma, calnr li
enim cum a^it in corporibus cutiibus\.'i\nhhi\s aliqua actione,
fit i^nis. si uero debilis fucrit in actione proptcr huruiditatem,
tiel fumus uel uapor.
Quod auteni dixil ut non ponantur in arpnmentatione ac-
cidentia inseparahtlia , non dixil lioc nisi quia accidontia insepa- £i*
i-abtlia non sepnrantur a rebus quibus sunt arcidmtia , sicut
causa non scparatur a suo causato. scilic-et, f[Uoniatn si iudlui-
ueris de aliquo, i|uod est causalum, nci-essario tunc causam Iia-
bebit; accidentia uero comitantia, quatrmis non separatitur, non
sunt lanien causa agens. uerbi j^Tatta, i|uaniam mors quamuis •-•
non separatur ab occisione, tarnen non est causa eins, nee
Dccisio ("tiani est essenlialis causa nua-tis; t:K» quod multotitMis
est mors siiie occisione. non est autem causa sine causato.
1 praesamens | ps vivens (!) N zu 1-3 RandtfloHse : quare in una
n u
terra est lunt;ior dies i|u.ini in alia iV 2 terra potiu« quam | qrn pu'' <pu
N 2—3 demoralio | d'mÖaUalio K 3 conuerlerit | conmiUit N ausradiert
und dafRr ^eonuerteril* gcaetst V ö qui | i^ ^V 7 deniomlio | demon-
stratio .V ZH 11 — lä Ufiudglusse'. utrum fumus et ignis s-unl simul H
12 ullerius | unk-lar N 11 uirtulis \ fehlt i' cuiiibustilHlia | L-onuwrliWIia
NV 15 forma I causa forma V 16 combuslibilibus 1 conuertibilibus NV
BclioDO I fehlt N \H flet | erit (unklar) N SO ioseparubilia i inseparn-
bil' ia y 2G nee | sie ^ 27 esscntialis | bü N
5r>
Al-Kindi
Quod atiteiii dixit rjitod causa sit (>ssenlialiä rei, noii est
nisi quia ni ullquu modo sunt causae iiuilUie accidetilales. st^d
noii cuiTunl per onun-s spocu^s ülius pfneris, noo per omnia iti-
diuiiluu specici , sicut oocisio quac est causa accidenUilis inoKi
t, non cun'L>ns per onines speciüs cius. sed neeesso est esse cau-
sam E>s:>t.'ulialcni , ad hoc ut propositio iudicans sit ucra ante
coimersionem et posl . sieut si dixeris: omnc habens coloreni
est curpu-s, vo quod ititiil iimoiiilur habeiis culorem quod noii
siL corpus, i^filur corpus osl causa esseiitialis tiabenti coloreiii.
tn Quod auteiu dixiL quod propositio sit uiuuersalis, est
[iiojilet hoc quo(J cojiclusiones ux propositionibus particularibus
uoii sunt necessariac scd possibiles. sicut si dixeris : lohaiines
est scriba ^ et quidaiu scriba est iurlcx , igiiur possihile est ut
lotiaiines sil iudex, sed cum dixeria quod oinnis scriba legit,
t!, sed lohaiuie^i «'St scpüku tunc iiecessai'io lohaiiiu'S crit Icgens.
^Juod autcin dixit quod praodicalus sit prinio in subiecto,
est proptcr hoc quod pracdicata sunt in subiceLo duobus modis:
qiiaetiarn priiiio , quaedam sccundario. uerbi Kialia , esse ti'es
angulos in omni Iriant'ulo est cssl* primo, eu quud bat'c e.st
ii> forma conslituens eum. sed quod sint anguli acut! uel rccti ucl
amplius, hoc est esse securidatJu. iain igitur manifestum esL,
(piod non uccipit in ar^'unicnlatione demonslratiua nisi proprie-
lales assentiules ^^ll^Jslalllial^'s, tpiue sunt formae ronslitufrdt'S
rem. el per eas iilud iudicimu quaesitum , quoil exihit conclu-
Ä sione, eril rertum.
Scias auteni quod proprietiUes eswentiales diuiduntm* in tres,
scilicet ^fencnitcs, speciales, iridiniduales, sicut iani ostuiulimus in
epistola isagOK'urum. dico autem vi sine dubio iudico ipiod ornnis
proprietas generalis ucra est necessario, cum dicitur de loto illn gö-
nn nere. similitcr omnis proprietas specialis uera est necessario, cum di-
citur de onuiibus indiuiduis ilUus specici. et hac sunt proprielates
quae exeunl in conclusione uerac et certae. exerce igitur eas
in demonstratione el iudica per eus. proprielates autem iadiut-
7 sir.ot I sie iV
13 iudex I i dex A'
flt
10 sit I est ^^ 11 prnposttiünibus | opiiiionibos N
14 dixeris | dixerit AT 16 sil priuto | primo sit V
17 est I fehlt N »uhjeclo | suliiccliu V 22 ajsi ) nee N nee in n ffeßn'
Uvrt V 28 liugogaruni | ysagogärum A* f* el | quod N
I'iber intruduclurius in urtem logicae demoDstratioaU. 57
duales non est ncccssc ueras esse de Iota spl'ci(^ ihh: oniriis
proprielas specialis uera csl de toto goncre. undc non exeivens
eas in deiuoiislraiiono. jiec iiuiices per eas absolute, quoniuni
non eris per eas tertus in iiuiicanrlo.
lam igitui* manifestum est tibi quod sapieutes et philoso- ^
pikantes non posuerunt argumentutiüneni detnoitstj-atimiin nisi ut
per eani scin^nlnr im qnae iumi Sfiunliir nisi per svltof-nsnuirn.
fl Unvi: sunt va i[uae non possunl sciri per sensuin, in't: sunt
de priniis intelleetilnis , nisi sei'undum uiuni desijfnatJonis. et
hoc est quod uocatur demonstratio. w
Si'ias aiiti^'jn ijuoil uniuinao(|ii(_' ara habet ojHfin'Mi *i;uuin.
vi unusquisqtiL- opiiVx cuiusque ariis in niinisterio suo habet ra-
dices, in quibus conueninnt, et habet prima in siia scienlia ^ in
quibus nun diffeinint. prima (*nini uniusrtiiusqne artis snni])t;i
sunt aij alia arte, i\mhv jH-aeecdit t?ani. el scias quud jirirrui '•'■
artis demonstratiuae suinunLur ex bis quae sunt primi iulel-
lectus. priinorum autein intelloctuuiu principia suniuntur a
sensibus, sicul praedixitnus.
Scias etrani (|iiod artis deinonstraliuae sunt duae spctiies,
scilicet peometi'ia et logica. ppinia autcn» quat; sunt hi gcome- «*
tria suniunlur ex alla arte qiuie est prior illa, sicut ea quae
dixil Euclides: puuclus rst nii pars non est. et linea est lon-
pitiido sine lalitudine. superliuifs est quar hallet loii^'ituiliiifin
et latiludineni , et alia bis siiiiilia de axiüuiatihns, quae {>raL>-
niittuiitur in principiis suotniii trai:taluuMi. siiuilittT etiani est -»
iudiciuni de demoustrationibus to^Mcis. quoniam eius principia
sumpta sunt ex alia arte, quae est prior ea , quae nceessariutn
est prauponere distipuHs ante demonstrationi.'ni. qua!e est illud,
quod tlicitur: quod onine quod est, cxeepto Deo glorioso, est
subsliuitia um] aceidens. et qiiuil substaidia est id quod est so
1 nee oranis \ nev. Cm pitciUles ümnis N 5 supionles et | fehlt y
7 eam t ea N syJIuyisinurn \ .silkigisinus NV 11 autom j feW N cit
U-12 Itandjflwse: quod unai|u;ieque ars habet suum ojtificem it^ KI sunl \
suinül' st y 18 s«D5ibus t 5eiisibril)3 V 20 Kwnietria I arte geomelriea
y :u 22—24 Ramf^hsiHf: diftiniliü punclus el tinene el sup*rHi.Mei X 23
sin« laliluiliiic 1 siuc lalitudo iV 21 axioniatibus j anxiuiiialibus A'l'
58
Al-Kindi
cxisletts per sc, reccplibile < uiitrariornm. ei (|uod arcidens est
quoii esl in aIi(iuo , non sicut pars eins , el desLmilur absque
dcslructioiM' illius. et quotl suhslunlia alia esl siniplex , sicul
bytü et forum, uliii est coniposita, ut corpus, el quod oiirnis
» HubsUiiilia uel est causa agens uel causatum patiens. d quod
caiisu agens digiiior esl suo causalo paliente. et quod inier af-
lirmalioiieiii «4 urgatiimtiii non ist medium, nee inter priiialio-
n«!ni i'l rsse esl luediuni. el (]iiotl accideüs non habet acliunein.
et alia his sinulia» quac praeniiUuiilur discipulis ante denion-
Ui stralioties.
Iflr aiileiM qui uult seire denionslrationes logicaä oporlut
ul sil deiuoralus in ^xerciUitioriibus geoinetricis et ul iani acee-
peril L'x eis rejjulas, eo qiioil sinl proxiniiores discipulis ad in-
telligiüitliiui el fuciliures ad speculaiiduni , cpioniani exeinpla eo-
is riini sunt sf-risihitia et uisibilJa uisu , quainuis intenliunes oorum
HUt audibilts, iriLeÜigJbiLes. senstbilia euiin sunt propinqtiiora
intellcclui discipuloruin.
Scias etiaiQ quod demonstraliones , siue siiit geonietriae
siue lugicae, non finnl aisi ex conclu.sionihus cerlis. uni auleni
o.) contUisioni necessiiriae sunt duac propositioiius cerlae uel pbires
quoUibet. uerbi j.'ratiii, iti quod in libro Kuclidis deinoiistraiur,
quod Ires anguli cuiusque IrJanguli roctilinei sunt aequales duo-
bus recÜs , non potuit probari nisi jAi>-t triginla duas figruras.
quod quadralus eordae anguli recli aequalis est quadnilis duo-
wruin laleniti), uon poluil ileinüfistrari nisi post quadrajrinla sex
tiguras, et seiuu'iain hoc cxenipUun esl ixi alÜs quae probanlur.
Hiiniliter etiani ist luHit-iuni de deiTionstralionibus logieis, quin
aiiqnanilo Buflii^tunt ilnai- projiüsiliüiies, ailquando plures. uorbi
gratia in dr-nionstraliunc. rjuu probalui* animain esse in corpore,
iBulfieiunt lr*'s prupositiones , quae sunt hae : (U omne corpus
babet partes [scilieel plagasj. et haee propositio est uniuersalis
1-2 esl quod j quud est N U Ule 1 cum ^K 18 üinl | fnit N
21 id I ita A '2^i puül | p (</. h. prius) N 28 nliquando | aln N
habet I quod habet ^^ Das quod ist in y dttrchntHchen
31
Liber introduclorius in artein logicae demonstratiuni». 09
'•jlfrniatiua certa in priiicipio inU'llei'luuui. \U;u\ nlia est Imec:
(!ä) iiulliini rnrpus polest nioueri ad ohhios partes suas siiiiul.
et hau** eril prupusitio uiiiuer^alis iietrutiiia rerLu in prineipitj in-
lelk'ctus, iertia (.'sl liat-'O : (3) omne corpus quoU moufliu' ad
quanilibct parlmn est ex aJiqua causa tnoucnlc illiul. et haec 5
est pi-opor^iliü uniuorsaiis alliniiatiiia certa in i)rincipiu intellectus.
L'ourlutUtiir itritur ex his pmposilionibiis aniniam t'S^e in cor-
poi'ü. i-eslabat quidem dt^inonstrari, scilicet, qituti ist subslantiu,
Qon accidens. adiunt^itur autem ad lias propnsitioncs praece-
denlcs liaec alia, sciiiceL: (4) inotus oinnis cuusae quae niouet i*>
corpus necessario uol vs[ uim modo , iid ununi parteni . sicui
inoluä t'rauium diforsntn et inultis leuiuni sursuin, et iiaec causa
uocatui' iiaturatis; uel est eius iitotus ad paHes diuersas et
tnodis diuei'sis, per uuluntatejii et elecliüiieni , sicut molus aui-
nialis. et nocatur Uüfuiilarius uel aiiimalis. ot liaee diuisio est i^
inlelligibjits, approhen.su seiibii. unino iKÜur quod iiiuuvt c.urpns
uoiuiilate et electione est substantia, (ptuniani aceidens tum lia-
bel aetioiiem. et Iiae pruposiÜones sunt ret'eplibilt'.s in priru-ipio
intellüctuuin. et concludiliir quod anitna est substantia.
IV. 90
[Capituluni] qualiter deinonstraliu' quod in nunidu uon est
iuauitas.
Sensus auteni de inanitate est hie, quod est lot-us uaeuus.
nullus autcni locus est in niutido qiii sit nee lucidus nee tene-
bi'üsus. et haec est propüsilio uniuersalis ne^atiua cerla in 25
priiicipio intellettus. item alia: necesse est autem ul Jux t-l Ic-
nebrao uel uh7uaque sit subslatdia , uel utniiu(|ue aeridfus , uel
alleruni substantia et alteruin accidetis, et liae diuisionus sunt
intelii^nbiles uerae. item aha prupositio: si auteni utrumquc
fuerit substantia, tunc inanita« non erit. si uero utrumquc fue- ™
1 cerla in principio inlellecluum l rc j)!i inUIcüs (circa principiorum
itiMIcutus) A^ 3—4 cerin in principio intellectus ) circa principium inteUi
gendae N 7— ö corpüri | coi iV H (inoU re^taui ft* (Jemonslrari |
dednrari ücmonslrnri A' lü diuisio | diuersio N IfJ seosu 1 sensui K
18 pro])OsiliüncH I oppositiunes A' 21 — ää j rot A* uitd am liatidf, von «/mS-
terti' Hand: Demonäti'atio i|uo<i In mundo non »it inane "22 inanitas | in*
hanitas 1* und so immfr 24 qui 1 quod A'
w
Al-Kiodi
rit accidens, accidens aiitHiii non est nisi in substanlia, tunc
irmnitus noii eril. si auteiti unutn l'uerit subslantia et altca-uoi
acciduns, siiuiÜler eril iialiciiini.
[UomonsLralio quod oxlra muuduiu ncc est inanitas nee
.% plwlUDl.]
Item demonsliatio quod extra niuiidum nee est aUi|uiil iri-
ane nee plemiin. scias aulein (i»u)d inanitas et plniiliulu sunt
pmprielales loci, tucus ucro est uiia Ue proprielutiims |lolius|
eorpons. si aiiteni fuerit extra caehan alitpiod corpus ^ nos au-
L'-i iv\n in hoc qtiüd didnius inunduiii. noii Jnieltiginius nisi illiid
corpus L-titn fiac tota unluorsilate, tuuc quotnodo t^xlra tnunduin
eril aliquod aliud ?
[Capiluliitn] dv hoc quod supientes dicunt [aliudj quod
inundus uel est antiquus uol est n^uicius.
15 Seil si per aiitiqiiiim inttOli(.njiil Nuii-Htiulini'ni loiiiporis,
tunc ueruui est quud dicnul. si uero inlelligutil quuii non ees-
sault esse stabilis in sua ideiititate , qua ipsc est modo , tuiic
non est ucruni. nuitidus enini non est stabilis in sua idenlitate
in Ulla dispositjouo uno iclu ucuU. tunc ninlto minus cessauit
■■J" secunduni (|uod ipse est modo, item in co quod sapientes no-
minant munduni non intelligunt nisi nmnduni corporeum , qui
est riuaruin specieruni , scilicet eaelestis et naturalis, eorporuui
auloiii, ipiae sunt sul) circulo lunae, sunt tUiae species. una est
elenicnta generalia uL alia generata sitigularia. generata nero
1» semper sunt in goneratione et eorruplione ; sed elenienta gene-
ralia sunt setnper in uarictatc et alteratione. hoc autem mani-
festurii est .speeuhit(.irii)ris naturaliiuu. corpora uero caelestla
sunt seniper in motu et pennutaiiüne seciin<Unn dislantias. ubi
igitur erit stabilitas eius secundum unani disposilionem ?
» Si autem per stubilitatem intelliyimt fortnam et Mgurain
sphaericam , quae est ei in oniuibus horis , sciaiit tum quod ti-
1 in 1 fehlt N eingeschoben V 2 inauitas | inbanilas VN 1—5 |
Randijlosse ton gpHterej- Hand N fehlt V 8 ItuUua] | locius A' fehlt V
VI aliquod | fehlt X ton gp&tern- Ifantl eingeschoben V 14 nouiclus | nouns
S \'.\ HÜml i durrhstrichen V 17 idenlitale | idvmplilule V 18 ideQ>
titale I ydemplitati; .V idemplitate V 22 est i est species N 31 aphaeri'
, cani I sjiicä A' V unti so immer
Über intrüductorius in artein logicae demooBlrationis. Gt
l^um sphaerica et riiotus circularis iion sunt in corpore ex hoc
L]uod est corpus , nee sunt coiistttuf^nüu suani essenliain. sed
sunt duae formae perfectiuae, ex intentiono intendentis, sicul
ostcndiinus in epistola de hylo et forma, oninis autom forma
quae est in formato ex intentione intendentis non csl stalülis .-.
idontilalis nee sempiterni esse, non enim est stabilis idt'nlitatis
et sempiterni esse, nisi per formam constituentem.
Scias etium quod conseniatoi* rnundi in hac forma est ue-
loeilas rnotns cueii cirmnidantis. iiiidor iiero cacli iilius osi a
caelo. »quies quoqne niolus raeli rn)ti pril nisi in ictii oculi , si- lo
cut scriptum est: quod dies iudicii erit in ictu ocnli , url si
minus potcst diel. Scias autem quod si caelum cessarct reuolui,
cessarenl planetae a suo eursu, et signa cessarcnt ab orieiido cl
occiderido, vX dcslnieretnr forma niundi et eins existentia et fie-
rot dios indidi magna, hoc autem sine dubio c^se debcl. qnidquid i'>
enim est possibilc, si positnm fiu-rit tenipus finitum, necosse csl
ut exeal ad effoctum. caelum autem ccssare a reuolulione pos-
sihile est. res enim quae mouet illud potcst faccre ul cessot,
quod est ei facilius. nam ei est potcstas inclinandi itlud ad
(juaiii paHcni uoliicril. sed iaiii ostendiirnis in ('pi?;L4iIa iln |>nnfipiis su
qnai' sunt rausac initii mundi corporun» , et in epistola \\g
reuolutione ostendinuis quae est causa pernianentiae corporun».
V.
Srias etiani quo*! lionin cum ambnlaufril sccundnm fntiMi-
tioneni suae aniniae ralionalis et disposiliones eins ad mmluin, 2^
quo processit in crcalione sui corporis et suae formae, perlin^et
ad ultimum humanitatis et nioinabitiir ordini angeloruni i*l ap-
propinquabit a4l drum snum t^lnrinsinn vi excelsum et rctribue-
tur ei talis retribuLiü, quae dit-i non potest. id aulem secunduni
quod processit in creationc sui corporis hoc est: ipse enim*»
incepit ex spermate, aqua scilicet uili, et deinde coagulalus est
6 sempilcmi | scplü (scriptum) SV nee . . . idenlitntia [ (htrchstri-
ehtn V lij (|uii](|ui(] | quod quidam .V quicquid V 10 enim esi | "est "enim
tf 17 reuolutione | resolnlione y lÜ potestas | pniäs SV ä() parlem [
pncem (!) A' 20—21 i!e principiis ... in ppiatob \frhlt N, am Hantle
nachgetragen V 24 ambuluueril | ablauerit H 31 incepit | inctpit iS* cepit
mit rorgeutztem ,in* übet- der Zeile V
flft Al-KinUi
in matrice, et poslea fuit quoddam iitscosuai. deinde fiiit for-
matus. (leinde fuit animal mobile el sen^ibile. postea puer in-
Iclliffcns. poätea adolesoens excrritabilts. forits. postea seocx
exf)ertu.s, (roffiiilor, sapiens, deintle decrepitus, annosus. sapitmä.
philrisophus. i.-( post mortem fit aniina aiigeli caelestis spiritiialis,
sempitenii esse, delectabÜis pmdore semper.
Scias autem quod sicut tu non comitaris ad aliquem isto-
runi ordinum . nisi quia prius exspoliaris ab aliquibus accidenti-
bas el propriolatibus iniperfectis et deinde uestiris aliis meüori-
1» biis et nobilioribus i)li.s : similiter oportet ut , ad qu^nibuiiique
Kradum rognittonum et soientiaruin te erexeris^ exspolies aniiuani
tdiim n inoribus et consuettidinJbuif et sententiis et operibus . in
quibus te exercueras a pueritia inscienter. quousque sopartTis a
forma hmiiana ot induaris forma angolica, ut sie possis conscendere
i& ad rogtium caelorum et ad latitudinem nmndi caelorum, ubi re-
fribiietiir rclriluitio itiHTabilis et iiiue^ uita felici ema fdiis tili
p^eneris ^ qui praccesserunt te ad illa , scilicet sapieiites et sancti
et propbotae.
Scias cliam quod ita naturale est homini uti argnmciita-
ptione et considcratione , sicut natunde est ei uti scnsibus, sicul
supra diximus. regulae autem argumenlationum sunt diuersae.
sicut ostensuni est in libris logicac ei cnnditionibus topicae pro-
lixa ostensione. aliquas tameii ex illis dicemus bic ul sint
exemplnm ceterorum.
S5 Pueri enim pro reffuüs suanmi ar^umenlationum ponunt
dis[X)sitiones suarum ariimarum et suorum parentum et snorum
1 qoo(I<lani | tjdtlä V 4 nonosus sapiens | sapiens aonosos K sa-
pieni" aonosu»** T' h posl | per V spirilualis I spiiali» (Mullav) A'
spiäl' V l> scmpiterni | sempilerna ^ gaudere ^uderes 1' 7 simt |
sie jV ad aliiiuem \ fehlt S 6 exspoliaris | expoUatis NV H ul ]
fehlt N conscendere | conscedere V 15 uhi i nisi N (n für b) 16—17
cum . . . gcneris | am Rande Hnchyetraffen JV 17 ({ai 1 qaod N 1H nnlumle |
naLaleJ^ uti { das i fehlt iitN und in V tat ron »pätcrer Hanä btiijefRgt
s
20 tili I nl Uli .V 21 supra | siisibj sup 1' m 2J l{amlglos$t: a pueritia
■ecundum ymi datio.- {ffir irnilaliünem) V 1» lanien \ tnc [ßv tm = Un-
tum?) AT ut I wegradirt K sint | sil 2(
Liber iDtrwIuetorius in arlem lo^irae ileiiiuDstiuLiuniü. tt3
fratruriu et id (juod soient facerc in rebus et quod inueniunt
in suis domibus de rebus^ ponunt indici« ci^terarum dispositio-
mun aliorum puerorum , quainuis non uiderint ea, el lioc so-
cuniiun» considerationeni dispasilifiiiuin , quas sciiiiit dp so ipsis.
AduUi uero ro(£ulaÄ suarum urj^meritutionuni pommt ea, .•■
qunc noiicnint suis cxcrciliis de rebus el de dispositionibus
earum , quas exjierti sunt, et sunl eis radices ad id quod con-
sideranl lic alüs rebus, quas non uitlorunl ncc t^xperti sunt.
Sapientes uero, qui prae.sumunt de scientia lopirae et suIh
lititate speculaÜonis, regulas suarum ar^umentaiionuni potinnt lu
id , m quo conueniunt illi et sui aduersarü, et tiacc sunt radi-
oes et jiropositiones, per qnas eonsiderant id in quo dissident
siue [illmlj in quo conueniutU , sit ueruin siue falsum , sine cer-
lam siue eironeum.
St'd exercilati in (ieinonstralionibus peornelricis rt^ulas i&
suanim argumentatinnuin ponunt e;i qiiae sunt in priinis inlel-
leetibus. el Iiaec sunt radices et proposiliones, ox quarutn con-
etusionibus eliciunt alia nota , quae nee sunt scnsibilia nee noia
priniis intelleelibas, sed sunt adquisita demonstrationibus neces-
siiriis. deinde ipsa tota adquisita ponunt pnvposiliones^ ex (pia- an
runi conclusionibus eliciunt alia nota, quae sunt subiiliora quam
ea, quae Tuerunt prius. et sie faciunt scmper in tota uita sua.
Sfias etiain quod de aninmlibus quaedam Imbent unum
sensuni , qnai'<larn dni^s, (piai^dani tres, ipiaedam quatnor, (juae-
dam cjuinque integros. scias etiam quod esse aniniulis in quo 2-''
fuerit plurinium sensuum, liabebit plura sensata. liomo uero
Itahot hos quinquc sensus plcnaric. sed qui ex honiinibus fuoril
pcispicaeior circa sua sensata et iiiaf^is considerans disposiliones
eorutn, ea quae sunt nota priinis intellectibus erunl in co plura;
et qui fuerit huiusmodl ut hie prius nota pönal proposiliones, ^>
el ex eis eüciat canclusiones et nota demonstraliua , erunt in
3—3 de rebiLs . . . pueroram \ hfs N 5 reeulas | r^it)]ares
NV ß nouerunt | nout< «»« liahdr.- nouerint (unkhtr) N 13 lil-
t
ludj I fffitt V plurimuni | jimü [iliiriü I' [iPiuMi S iitii j <iuo iV ex |
est ex iV 29 primls [ Iribus N
?-:■!. lir^Os- rCrCT. ZI'IOL-
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/ - ,
I.— ..•^•.--- OKI. X 5 ei
y
Anmerkungen.
(BloBe Zahlen bedeuten Seite und Zeile des TorU^enden Buches.)
1, 10: den.onntrathtum. Die Varianten fließen wahrscheinlich aus einer
unrichtigen Erklärung des Kompendiums demmitratüm; in der anderen Re-
daktion (2, 1) demonstratittain. Vgl. Baeumker, Auencebmlis fon» nil<u.
Beiträge zur Geschichte der Philosophie d. Hittelalters. B. I Heft 2. HQn-
ster, I89i S. VIII, 20-22.
3, 1—3 (3, 1 — 3): „et hunc intellectum assimilauit Aristoteles sensui,
propter propinquilatem sensus ad ueritatem et quia communicat cum ea
ontnino." Vgl. Loewenthal, Pseudo- Aristoteles über die Seele. Berlin 1891
S. 121, 9—10: ^Cognitio' enim rei non habetur nisi per.anitioaem duarum
formarum cognoscentis et cogniti sine medio, quae unitio non fit nisi per
similitudinem et propinquilatem. '
3, 14—15: ,nec sicut caelatura in corpore" ;.. des näheren besprochen
Ton al-Färäbl in seinem seinem Buche „tte intellecla* (Camerarius* AI-
pharähii opera onmta. Paris, 1G38. S. 48—49. Dieterici, AlfärähVs phiU}'
sophische Ahhandliiugcn. Leiden 1890. S. 42 — 43.
3, 20-4, 3. Vgl. ,rfc snmM et ttisione'* 18, 2(»-19, 2,
4, 9 und 5, \^: j>hantasiam. Das Wort „phantasia* ist — entgegen Jour*
dai n, der es Mr ein Kennzeichen des griechischen Ursprungs einer Übersetzung
hält : „des mots phantasnia , phantasia . . . annoncent assez Temploi d'une
Version grecque" [Ilechtrchea S. 320) — schon ftflh in die syrisch-arabi-
sche wissenschaftliche Litteratur eingedrungen (vgl. G. Brockelmann,
Lccicon st/r/acum, Berlin, 1894. S. 277^) und kommt auch vor in der be-
kanntlich direkt aus dem Arabischen angefertigten Obersetzung von Qusti
b. Liu]ä*s Traktate „de dffferentia spirüus et am'mo«'' (Barach, Bibltotheca
Philosophorum mediae aetatis, 11. Innsbruck « 1878. S. 130, 137, 139) — auch
im Arabischen Ji^U^l^ (Gotha^ cod.or.ll&8 fpL^a Z.5)— . in al-Kindrs
Schrift ,de »omno et nisiont* (U, 4) und anderswo, z. B. auch im Buche
„'/e anima** : »nulla phantasia intehieniente** (Löwenthal, a a. 0. ^.
128, 12).
Beitrage II. ft. Nagy • A1-Kinili. 5
4, K"«. 1 SBi T. 2— 3L Der GeAuAe: .aih.3 ifitiir q«od cft in pi>-
tcnta cxit ad «Ifci fiMi mk per afiai ■{aaj «at in «flecto* kdnrt spitn- oft
wieder- Siefac al-F-irÄbi'» ^ MT^ffligetM- ,ipai taentia cnim ofm fit int^
lectas ia dEerts sn propter ca qoac ssat intdleeta in efierta* fCamera-
rivs. a- a. O S. 30. Dictcrici a. a. O. S. 43.. VfL Loewenthal a. au
O. S. HÄ
5v 5—9- VfL a^J^aräbL «rilr imitueetM: Com enim acquirnntforj ab ea
iateUecta (qsae ipaa afaaCrahit a Bitcrüs , tmic fimit illa inteUecta in effectn,
qoae iprmsqnaB abstnhcrcatar a ssis Batcriis ennt inleUecta in potenlia.
Camerarias a. a. O. S. ¥>; Dieteriei a. a. O. S. 4a
6, 7 — 8 and 7. 7— d: ,«ed cnm mütar com ea fonoa int^fibilis, tnnc
ipsa et intelleetiifl toot m ona tcibcct ialdlifeiu et intelleda.* Vfi.
J^jftJj xSjJÜLtJ --^*^*^ JJU-'J . , . . uut Jy^*^^ J^«* '^l *i^J*^
Bardenbewer. /£? t4'««/>, S, 83. d nnd S. 84, 3 — I. [com fit fonna iUae
eaBeotiae, id qaod inteiliinlar non est aliud ab eo qood est inteUectns ael
inteflifei» in efflndu. Camerarias a. a. O. S. 51; Dieteriei a.a.O. S.44.
6, H—U: ».ratio ifitar «t rationatam sunt res ona ex parte animae" =
de iitmiut *.i utMiimf 10, JVi: „ratio ifitor in aninia est rationatum". Tfl
Aristot«!«« 'Mfiaifk. XII, 7, 1072 b 20—21): Amow 6i rott 6 voOe xaxä
furdXrjt/nr iffH vttituti' vorjr^^ yh^ yiyvetm ^lyyävmv xai romr' wate ravTÖr
roiff ffoi rorjtiiv.
7, 0- />; «Htiliita Ifltur eMt intelligens in potenüa, sed exit ad effectnm
per Jntellffmittaiii primuni od quam cum ipsa respexerit, fit intelligens in
effeclu'. Vgl. »1 KiirÄlii, de irUeUecf.u: .Sic et intelligentia agens est qnae
trahit ad etferluni inlallectum qui est in potentia et facit esse intellectum in
effectu cum n» , quo trii»uilur ei ab illo principio et per illam inleUecta in
potentia Hunt inlollecta in effectu.* Camerarius, a. a. 0. S. 57— W.
Dieteriei, n. a, O. S. 47. am Ende.
9, 3 -17. Vgl. al-Färäbl, de inteUectn, in Camerarius, a. a. 0. S. 53
und Dieteriei, a. a. 0. S. 4.V-46.
1— U. Varianten des Codex C (= LiHenfeld cod. 144 foL I02r_
102t) >): 1, 1- 10 l/ehU 10-11 sed sentenlia eorum 1 SentenUa Piatonis
et Arislotelia 13—14 in acta est 15 qui | qui semper 17 ad | in
8, 2 ea I eo (m/( .ST*) 4 enim | fehlt 5 illa est | illa 6 est iUa quae [
qoae {est quae ASV*) 8 scilicet generaülos | est generalitas scilicel (gene-
ralitas scilicel .s'l'") 10 senwto actu 11 ipse \/ekU 14 nee | et (un-
klar S) 17 «Uam I essentia lest ^ r«) 18eÜaml/eAtt 19 est in ani-
na \/rkU {mit ifV*) sed | et 5, 1 alterum | aliter uirtuüs materia-
lis I materiale {mft S, materialis V*) a dixit | dicit (wut S) 4 in | fehlt
') Ober d«n»«lben rgl. a Sc himek in: AVmiu Bernanüma. Fan «e-
mdm, HamtttAnjUn-Vtrsfit^Hittr drr ri*tfr<'ttm*tr'St*/i« der ötterrHekiae'i-
mgaritirm Or,/f»M/«^,Mw. Bd. I. Wie« I8«l. S. 5» ff. GL Baenrnker
«■: yfciUytwAe* J<i4rAi*,<A. brvg. von C, tiutl>erlet. Bl. VI. Fulda 18öa S
T nri w d*« IVOefitnienen« «u wioer Au!V»be d« Fom» mftae, p. XIV
Anmerknngeü. M
5 exempHflcat ( eiempUcat 7 tone I et tunc 10 adeptae | apte {mit T*)
13 in potentia est j est potentia non est 14—15 inteUigentia .... et
non \ fehlt {mit i^V*) 16 ad effectum | in actum 7, 1 hia efssjet | esset
{wH AM^ysv^V*) 2 ad effectum | in actum 3 anima alia est in-
telligens J inteUigentia 4 ad effectum j in effectum h cum ipse respexe-
rit { respexLTÜ cum ipsa ( Wortumatettung) intelligens | intellectus {mit S)
8 cum i est (e für ö) 9 intelligens et intellecta | intellectu» et intelleclutP
12 effectu intelligens | intellectu intellectum (ähnlich S) ipse j ipsa {mit
AM^XSV^) 14 non | enim Iß una res 17 in \ fehlt 18 seeun-
dum { quam 10 sensatum | sensum igitur | enim 20 secundum \ fehlt
9, 2 tunc I tarn Interim dum | est ... de {IMcke) 3 intelligens in ef-
fectu I inteUectus [mit M*yS) in effectum quidem tertins 4 iam \fehU
{mit SV*) habetur | habet 6 properata 1 praeparata {ASV*) 9 ex
anima apparens {mit M'') propalaueris | probaueris (approbaueris S)
11 igitur I ergo {mit S) 13 [in] | ex {mit S) 15 cum | illum {mit NV^)
adeptio animae (mit ST') quae | qui {mit SV*) 16 praecedit | procedit
17 ex anima ) in ea effeclu | affectu 18 partes sunt 11, l de hoc |
fehH'{mit .*?!'') 2 sufficiat | de hoc sufHciat (ad hoc sufficiat V) 3 |
fehU {mit JVT').
12, 6—9: „hoc uero est de suhtilibus scientiis naturalibus et proprie
in qua transgressio ßt ad loquendnm de uirtutibus animae'. In dem Ca-
non des Aristoteles bei Ja'qübi (Houtsma, a. a. 0. S. 149-150), al-Nadim
(Fiagel, Fibrist, S. 251) und ihn abi U?aibi'a (A. UQiler. t S. 58) schließen
sich die psychologischen Schriften (negi yfvx^s und negi ah^^ems xal
alo&ijTov) an die sogenannten naturwissenschaftlichen dicht an.
13, 15 und 13,19—21. Vgl Aristoteles, de xomtio et uigilia 1, 454 b,
25-26; Albertus Magnus (Jammy) V. S. 70a. Siehe Einleitung XXIII,
XXIV.
13^ 16—18. Dieselbe Anordnung in der Zählung der Sinne bei Ja'qubl
(Houtsma, S. 169 gegen Ende) und Öalirastäni {Book of religioua and
philomphical aeettt ed. Cureion. London 1842—46 S. 128):
- nur kommt der „Geschmack'' vor dem .Gemch*.
1 1, 6—9. Über die Frage, ob Wahrnehmung und Wahrnehmendes ein
und dasselbe sei, und obldie Dinge^durch ihr Wesen und ihren Körper oder
durch ihr Wesen abgesehen von ihrem Körper existieren, handelt nach
Ja'qübi (Houtsma. S.tl50) die Schrift: :teQi':ai0&^aefos ttai a/o^i/roC-.
14, 9--19. Vgl. Albertus Magnus a. a. 0. S. TlbJSiehe XXIV).
14, 5-17, 24. Vgl. Albertus Magnus a. a. 0. S. 71b (Siehe XXIV)
5 •
mC §^»s>«^*-.b» 3MM- mn-tmusm "» f^ * ? amMipi« fmaiB. T.
r— 4.-: ^rtf^wtef VW «<ai*iioiwui o^ tc k. d» popt^iHi . . . . v ^mmimm Ik.
iMnqjdacUiuiHCtr^f>«l«'*nf«r >ifamiaF ImBBDm^t vn
ac7r w jj^Kfv^if^tm Imx lutr m^umieuoBL iza£ 2iis Eaör äes ^«t****« äcfc
«rcti«rk«n4es ciauho. fliaifcJRa &GelenmF ^ Tn.liu.«il>git aüafikhi Wi
'£]];« 7«^ <&Ac 3Et{M «t-««f ' Soe iffnii f^n., jiphiw jrmv .
fixe* xm u/f-w* t^fv^i^ tJMjfSMM;. eäftfbÄe emcMHe. an t^
ixvxailguu . . . . i>ic 1^13 cL
23. 10— SD, 1>^. V|^ AJi«rtiif Safssf a. a. a S. ?Ga. Sehe
XXIV, XXV.,
28, $ cuntifHüttiir. l>Je Variaulie ia C laslel voonÜBmatar*. Kan rnnfi
die tedtiuÜKtw Bedeutusf dieaet Wort» in des ClmatUiuifeii aas don Afa-
biaeb*n, d. h. «Mcfa anmli«» ao^, Jn Vcrliftttnis sieben nit* (v J«'*^^)
in» Kti^H immfefi. Vgl. Bard«ohewer, '-> ««««ü. S. 194 za $ äd).
2f, 7— H, i'\i\\fMft^ui ifitnr dlaidJtar in scietitiam et t^ieratiooeni Jid
aii Ihn'trlf.Mnt «i pnurtioiui,, — PIntarch. De pimr, pki, (Diels, Doxityra-
pM ffrtjueei, lUirUu lffI9, S. 273, 2r>— if74, 5j: M^MFroroüT; Ar xoi 6lrofroiWTOf
Ktti ox'^^ n/srtt: m ntQtnatrixixni AutLorro r^ f-uoaog-ciar ortoK' öfu/xofor
ctfr xIXmvw ävhQa xai 0fOjftr/riHÖr flrcu twv örrorr xai .Tooxrtxöp tmr 6emrwa>r,
— Oimtim HucU 'imt l'lutiu-ch wurde von Qostä b. Lüqä unter dem Titel :
ObemetKi (Wenrich. a. h. 0. S. 22f>, FlQgel, FihrUt. S. 254), woraus lln-
l^amined h, Miu(| al-Nadim (im Fihritt) und Scbarastäni exctfpjert ha-
ben. Htehfl DinlN, a. u. O. S. 28. — Auch ibn-GabiroI:
iv'^yn dVivd C'£3:n p^nr. nsrvDm njj^TDi
(bei Ptthiöra, Miitik, MHaitgtH. ö. ^n, Z. 11. Vgl. S. 5 Z.3— 4 von unten. -
Baeumker. u. a. (>. H. 4, 27-28).
2H, M 10; .aiiltiia in duas partes diuiditur, qnae sunt cogitatio «uel
ratio) et Neiuuii, qunirtttdiiiuduni ostendimus in libro categoriarura". Wenn
die Katogorlpii dM Arintotcte« gemeint sind , so könnte nur auf die Uoler-
aeheidung vtm imM*)ftti und nXo&tiaa angespielt werden, welche beispiels-
weise angt«mhrL wIrt). Allein das «ontenüimus* legt den Gedanke nahe, dafi
alKiadl sich viithitelir entweder aur die Paraphrase der Aristotelischen Kate-
•»"*•• '^•ht, weicht unter dem Titel :
Anmerkungen. ^^
von ul-Nadim, al-Qifli un<l ihn Hbi U^aibi'a Obereinslimmend citiert wird,
oder uucli auf seine Abtianülunt; Ober die zebn Kategorien:
iFibrist, n" 25, Qifji n" VJ , U^aibi'a n» 27, ^a^^gi yallfah VI, 07.
n» 12819).
29, ii—7. Nach Ja'qübi (Houtema, 145 oben) bei Klamroth, ZDHG
Bd. -US. 422: ^über die Naturwesen, Ober das, was an den Körpern sich findet
und mit ihnen vet4)unden ist, über das was nicht an den K-irpern sich findet
und auch nicht mit ihnen verbunden ist' und U^aibi'a, (Mfliler, I, S. 57)
bei demselben (a. a. 0. note 4), wo der angeblich sokratische Ausspruch
citiert wird: ^Forsche nach drei Wegen, d. h. nach der Wissenschaft von
den Körpern, nach der Wissenschaft von dem Un körperlichen, und der Wis-
senschaft von dem was zwar Unkörperlich ist , doch in Verbindung mit den
Körpern ist" — wäre 29, 6 statt „separatae et non coniunctae* ,non sepa-
ratae et {besser „sed") coniunctae"; 29, 10 statt ,non sunt' .sunt"; 29, 12
statt ,non est" „est" — zu lesen.
Vgl. ihn Gabirol, Baeumker a. a. 0. S. 70, 3-5: ^^t sicut anima
discreta est per se a corpore et est ei iuncta, non tarnen cohaerens".
Falqera {Munk S. Cb Z. 4-r). Vgl. 36, 4-5).
\"^bDrj n rpy^ xmt ^^ynrc Ti'^r;^ npiia^: trasn^* iddi
30, 11—14. Ja'qubi (HouUma S. 149) bei Klamroth, a. a. 0. 8.
429: sei es in der Luft oder auf (der Oberfläche) der Erde oder in ihrem
Innern, und die darin vorkommenden Phänomene: wie Wolken, Nebel, Don-
ner, Blitz, Wind, Schnee, Ke^en u. a.
30. 15—17. Ja'qübi (Houtsma (S. 148) bei Klamroth, a. a. 0. S.
428: Darin — in der (fvmxfj dxßoaan — behandelt er die fünf Dinge, die
alle Nitturwesen umfassen , und ohne welche keinem Naturwesen Existenz
zukommt, nämlich Stoff, Form, Ort, Bewegung und Zeit. I^iwän al'^afä
(Dieterici S. 24 Z. 3-4). Siehe Einleitung XXV.
31, 3: „Tempus enim est numerus motus' == I^wän al-^afä:
(Dieterici, S. 35 Z. 6) und al-Färäbi
,^\ :o^ jjwt yj ujI ^.^uyi
(Dieterici Alfärähls philosophische Abhandlungen. Leiden 1890 S. 23
Z. (>). Vgl. Aristoteles, Ph/sik, IV 219b 1 — 2 roßro yäg eaitv 6 XQ^°S,
noi&fw^ xtvrjaefo^ xatä tö jigöreQov xat varegov. — Der Vorrede nach zn
schließen , hat al-Kindi dieses Stück dem oben citierten Werk entnommen.
Doch ist nicht ausgeschlossen . daß er auch de ets^ I, 279 a 14 — 15 :
XQÖvog Ak agtOftoi xiv^aetos, gekannt habe, denn ihn Rudd spricht von einer
Übeisetzung aus der Feder al-Kindrs: De caelo III, expos. 35: .Haec in-
tentio est difficilis ad intelligendum ex ista translatione qaam modo habemus,
et forte deminutio cecidit in hac translatione a translatore. Nos enim non
70 Al-Kindi.
habenius nisi translationem Atkindi. Translaliones auteni ueriores sunt IsaaciB^^-*
Über den Zusatz: ^iViAjI (^des Himmelskreises ") bei al-Färäbi und Jc!=»<d
i^wan al-^ufä siehe Haureau, IIistoiredelaphäo80phit»culastique\l,h S. 13^'TEl).
31. lH-32, 1. Vgl. Ifewän al-?afä (Dielerici, S 24 Z. 5—7). Siehs^^e
S.XXVI. J'aqübi (Houtsma S. 148) bei Klamroth S. 42»: Von diesen füc^Ksf
sind zwei Substanzen , nämlich Stoff und Form , und drei sind substantiell Je
Accidentien.
32, 5 — 7: „isla quatuor: calidum, frigidum, humidum et siecum. qu^^^^
sunt principia animalium et arborara et oninis rei in generatione et cc^ t~.
ruptione". Vgl. It)wän al-^afä (Dieterici, S. 2, Z. 17-19):
>
ide
l^ Jj^J^ ^p>\ ,.\l/^)\
32, li) — 21 ; „definitio autem sermo est compositus ex genere . ex i\_
Tti* definita existit, et ex differentia, ex qua fit praeter omnem rem". V~
Aristoteles, Top. I, 103b 15: d Sßtaftoe ix yfvovs xcu &uupoß&v rottr.
und 140a 27: AeX j'öp tö ^fv yivog ajto tihv &XÄmv xotgiCtt^, ny** Ä« Uta
furo uvo^ Tutv h Tfp avxfji yhei. Siehe Ja'qübi (Houtsma, S. 147 g^en Ei
Klamroth, S. 427).
Vernmtlich hat auch al-Kind: etwas Aber die Topiken geschrieben. de= — ^^^^
wir finden den Titel:
(Fihrist n» 31, Qiflin"»25, U^aibi'a n" 33) Casiri (S. 353): ,De a
topica, siue de locis logicis unde argumenta quaeque sunt petenda*. Ha
mer (III, S. 244 n" ;J2): „Das Buch von der Ableitung der Gedanken
örtlichen Gründen (romxä).''
33, 15. Siehe S. XXVI.
33, l(j. Il)wfin al-safö (Dieterici. S. 24 Z. 8—9):
33, 18. Da qtiidem indes in O umgekehrt Z. 12 fehlt, so sUnddasse "^^*^*
im Archetypus vielleicht am Rande und ist entweder in O, oder in T'f' "^
an verkehrter Stelle eingesetzt, und daher entweder hier, oder Z. 12 ^^
streichen.
'X\ 20 -21 Aristoteles, cat. 4a 10— U : ^äXima de Biw t^ ovc^-**^
doxei rtvai rö rai-rö»' xa/ ev aQtdfAfp — anstatt des »sine corruptione^ ^^
x<av ivavrioiv tivai ösxxixöv.
34. 2. Siehe S. XXVI.
/
Anmerkungen. 71
34, 3 — 5: ^omnis auteiii. si nliquid uult exponere" u. s. w. Vielleicht
li^l in ,<iiiiiie autem, f^uml aUquis uult e^punere, necessariuio est ul, si no-
men illius sit commune, iliuidat" (so l'*) die dem Arabischen geläufige ab-
solute Konstruktion vor, die dann beizubehalten wftre.
35, 12. Siehe S. XXVI.
35, 13 — 15. Buchstäbliche Cbenietzung des Anrangs des vierzehnten
Kapitels der Kategorien (15a 13- 14): Kivtiaetos Hr. iauv xTdr) f^ , yh-eatc,
ffdoQÜ, av^tjats, /ifiojoti, dJiXoifooic; , t) xata xöjtov nexaßoX^, Arabisch (Zen-
ker: Ari'gtoteh'a Categortae, cum uer«ioue haaci IJuueini filii. Leipzig, 189Ö,
S. 47,2-3):
vjLjcu'^"5Mj ^«juJIj j-»*i|j ^LmjliIj ^My*^'-'' *v^ 'o^yjsfiJi Jyi
Vgl. Ibwän ul-^afä (Üieterici S. 32 Z. 2—3):
l\ö, lf> -21. Ziemlich abweichend bei den It'wan fll-fiarü (Dieterici,
ibid. Z. 2-4): <*•
\p jA ^jA **mj*^jI oU'i-^ tXtl*:j jj ijiiji]^ ^'*3 ^j-*>Ji «^LwJÜlj
,l)iis Entstehen ist das Hervorgehen des Dinge» aas dem Nichtsein zum Sein,
uder von der Kraft zur Handlung, das Vergehen ist das Gegenteil davon.
Die Vermehrung besteht darin, daß sich die Grenzen des Kt^rpers vom Hit-
telpunkte desselben entfernen , die Verminderung ist davon der Gegensatz*
(Dieterici, die Naturwisnetuehaft der Araber, S. 11).
36, 11—13. I^wän al-safä (Dieterici, S. 32 Z. 5—6):
i
Das Beispiel vom Weissen und Heissen schon bei Aristoteles, eat. 5, 4a
10 — 20: 6te fikv Xfvx6s, oxe di fiiXas yivcrai, xat 0eQft6s xai yvxQ^. — 34a
31—32: yvxgov yäg ix &£Qfxov yevoftevov fietißaXev (^XXoiattai yög), xai fiHop
ix Ä€Vxov. Vgl. auch cat. 8, 9a 29 — 31: 'Eott de ro Totdde](xot6Ttjtes) oTo»
ykvxvttjs re xai 7ttXQ6xijs xai orQv^vörtjs , xai xdrta xa xavxoti avyyer^, in 6e
OeQfiöx^g xai yvxQfixtis xai levxäitjs ftoi ftelavia.
36, 20: iaculfttores. Hier wohl speciell Schlenderer. Oder ist iocvia-
tores zu lesen? Auch die scientes in artibua sind hier vielleicht Prestidigi-
tateure oder dgl. , Artisten**, da doch an einen Globus u. dgl. als Beispiel
der rflckUuflgen Bewegung schwerlich gedacht werden kann.
72 AlKindi.
37, 1—4. Vgl. Aristoteles Phys. IV. 1, ÄlPb. 17—18: A,6 um rarvö
:toiidxts Ae$ic9 xai dgtaregör etni xai Sna x€ä »ärcu xai noöadrr xai JSctut^rr.
— V, ö, 229b, 7 — 10: xtu ^ äno tfooä r/J xärot' rrartia -^o ropra fr itijjut.
xat fi tti or^ta rfi ki; aoimroa erarrta yag rarra rr :ilaxri. xat ^ «> rö
ffuiQoa^gv Tff tU rö ojttadrr' erarrta yag xai tarta. Siehe Ja'qübJ ( Houtsma
171, Klamrotb 40): das ,wo' , d. h. das den Ort betrefTende, hat die sechs
Richtungen, nämlich vom und hinten, oben und unten, rechts und links.
37, 7. Siehe S. XXVI.
37, 7—38, 23. Die Quelle dieses Kapitels ist Aristoteles, /iAy«. IV,
aOöa 27-217 b 29.
37, H— J». Aristoteles, p/iifs. IV, 1, 2U8a 32— 33: "£>« 6i .toUäi
tutogltK u .Tor' rour 6 rö^ioi.
37, H)— II. Aristoteles, ibid. 209b 11—12: 6to xai nidrtor zrjr
vXtjv xai Ttjr x<^9<^*' ^arro ^atr eirai er t^ TtftaUtt, Vgl. auch 209 b 33
—210a 2.
37, 17-18: nülud iiaque in quo corpus contineturnominamus locum.*
Aristoteles, ibidem. 2IOb 35 — 2tla 1: 'A^iovfur 6rj röv rdbror rtra* .To<Üror
fiev .-re^/or ixetvo of' tö^oi faii. VgL I^wän al-^afä (Dieterici, S. 3Ü
Z. 9):
a^^-*^^ \*ä ^.yA^ ^^'1 l^^\ j_ft5 ^.^'1 ;^4Ü^ AJ^ ^-V-X^^ C^t
37, 19—21. Diese Stelle ist nach Aristoteles, /<Ay«., IV, 4, 2llb 34~3ti
zu verstehen und berichtigen : orrn> xai » röro; Sm rotavtrje uroi rtrcu doxei
qmrtaaiaSt ulifv fxelro fter dtou S tj» ät'iQ, tovro rvr vd<oQj 6 de toxos o o{'
^r ai^Q, erroutf' iati rvr vdoiQ.
38, 7—9. Anspielung auf das Zenonische Paradoxon: Aristoteles,
ibid., 209a 23—30 und 210a 5—9.
38, 13 — 14: „Nunc locus .... est superficies quae est extra corpus,
quod locus comprehendit". l^iwän al-?afä (Dieterici, S. :M Z. I:f~-I4:
3«, 2. Siebes. XXVI. Quelle: Aristoteles phys. IV, 217b 2!»— 222b 3ii.
39, 3—4: li h" enrir 6 XG^^'o^ *"* "V avi<n' ^ ffvots, 6fioio}g ex re r&r
.tagadedofiertor ädrjliöv tau . . . ot fiiy yäg zrjr jov öäov xivtjatr etrai gaair,
Aristoteles ibid. 2l8a 31— 21Hb 1.
39, 6 — 13: eatt A' evtjdixmtegov rö eißtjfteror .... "Aä« de öoxet fiditora
xttijais etrai xai fteraftoi.// ug /gövotf, toCr" a»* etrj axe:txiov. 'H fiir ofv fxdaiof
ftetaßoXi) xai xivtjaig rv avup up fteraßdiXottt ftövor eotlv , tj ov ar Tv^fj or
ai'to tÖ xirovfterov xat fieTaßdXXor. 6 de jj^^'i-o.; oftoloig xai navxaxov xai ^agtt
.Tämr. Aristoteles, ibidem, 218b 7—13.
39, 13 — 17: FTt de fiFTaßolij fiiv iart jräoa iWrrwi' xai ßQaSvrrga, X0droi
d' ovx ioTiV i6 yno ßgadv xai raxv XQ^^H* lOQiojai, ta/v ftir x6 er 6iiy^
Anmerkungen. 73
sioXv xtvovfirvor, ßga/iv /ie rö iv :ioXXf^ okiyov. Aristoteles, ibid., 2l8b
i:\-u.
39, 2<)— 23. instans = tempus praesens (Forcellini, Totim Latini-
Uttia Lexicon. T. III. Pralo, Aldini, 1865. S. 545b). Vgl. Beer, al-OazzatVg
Makdaiä täfalils/fat, Uiden, 1888. S. 13.
39, 20—40, 7. Quelle: Aristoteles, ibid., 218b 21— 22la 2<1.
3ü, 20—23: Aristoteles, ibid. 218b 23—20: Ov doxet i)fttv ytyovevQt
XQoroi .... Svvästiovat yhß rö ngöxegov vvv xtp vaTe(}Ov vvv Hai rv :iot<n>atv
i^tugovvtes dtä ri)V avtuo&rjaiav lö ftera^v. "üajieg oZ-V fi fiij ^r etegov ro vvv
nXXa ravto xai ev, ovx av ^v X6^^» ovrat Hai istei Xav&dvei cregov ov, ov
Aoxtt Ftvat TÖ fina^v Xß'^^^-
39, 24 — 25: orav de rö sTgoiegov xtu vauQOv, x6xt Xeyofiev xQÖvov' roPro
ytig Eonv 6 xß^*'*^i agt&fiog ntvijaeüK .... Aristoteles, ibid., 219a 34 —
219b 1. VgL I^wän al-?afä (Dielerlci, S. 35 Z. ti) und Anmerkung
zu 31, 3.
40, 1—2: „eius quod numeratur .... aliud numeratum iliscretuin,
aliud numeratum oontinuum'*. Aristoteles, cat., tt, 4b äÜ: roC de .Tooot)
rö ftiv iau diojQtafUrov, rö de avvexH.
40, 2—3: .Tempus uero est ... ex numero continuu." Aristoteles,
<•«(., Ö, 4 b 23 — 25: avvexh He . . . ^laga laSra 6 xß^og.
41, 5. = das gewöhnliche: /»-fr^y^ o^-^^j^^ ^' ""^ Qur'än.
41, 15 (und 45, 18, 53, 19). Siehe S. XXX'.
41—46. Siehe S. XXVIII.
41, 18—21: ,uiae per quas an^butauerunt phitosophi in illis disciplinis,
in quibus sua inquisitio fuit de cognitione certitudinis rerum , comprehen-
duntur in quatuor speciebus , scilicet diuisione et resolutione , definitione et
demonstratione." Vgl. Johannes Damascenus, :t^yi/ yvtooems (Dialectica)
Kap. LVIII (Migne, Patrologia graeca T. 94, S. IJ71 b— c): Üegi j&v xeoadQmv
öiaXexTixwv /te&öAtov. — 'lareov , tug xiaaaQti ttoi diaXexnxai fti&odoi , ijyovv
Äoyixai' ötaigerixi/, tjxts dtaigei rö yevo^ «V eTÖt} diä fiioatv xciv dia<fogiöv'
oQiaxtxTj, Ijxis obto Tov yivovs xcu tcüv bta^OQWVf dtv dieilev ^ dtaigtriHi^,
ogii^ti x6 vjToxeiftevov dvaivuxii, t/ x6 ovv&ixtxtöxegov ävaXvovaa eis xä
fvt/.oraxrea' xovxeait rö ac&fta ftV xovg /y/iOtV xovg jfy^oüf eis tovs xagnovs'
xoi's Hagjxoi'S eis xa xiaaaga xä oroi/ffo' rö axotxeZa eis vktfv Hai eidos' obto-
Hnxxtxij fj diä fteaov xivos Setxvvovoa rö stgoxeiftevov. oTov , jxgöxetxai ftot
dei^ai Sri ri yrxV a&ävaxos eari' Xaptßavm xt fiiaov , x6 aetxivrjxov, xcu avX-
koyi^ouai ovrtos. 'H y'*'XV aetxtvrjxös iaxi' rö äeixivtjxov idavaxov' ^ Vt'Z^
aga a&ävatos, (Siehe 42, 3—45, 15.) David, Prolegg. ad Porphyrium (Bran-
dis, Scholia ad Är-stotäem, Berlin 183G. S. 18a 34—35); siehe S. XXVIIP).
4~i, Ki— 17: ,Scias autem quod propositiones argumentationis siimuntur
ex cognitis in principio intelligendi." Vgl. Aristoteles, analyi. post. l, 1,
7 1 a 1 — 1 1 : .TÖfTa didaaxaXia xat :xäoa diavotjxtx^ ix jtgoihiagx'^^^S ylvexai
yvtoaems .... und Ja'qübi (Houtsma, 147. Klamroth, 426): ,Er — Aristo-
74 Al-KiDdi.
teles - - sa^t — in der Schrift der Erkiftrung und des Beweises (avidvttxä voiroal
— : die Prämissen beruhen auf einer ihnen gemeinsamen, nllgeniein anerkannten
Prämisse, welche aus vorher bekannten Bestandteilen zusammengesetzt ist."
45, 21-26: „sei licet , quod sensus non apprehenüunt nisi singularia,
composita ex substantüs sintplicibus, quae sunt in locis discretis et acciden-
tibuB particularibus in substantüs discretis, quac sunt designata alia ab aliis.
sed quantitates et qualitates non possunt sciri recte nisi ai^mentationibos
factls de compositis." Aristoteles, analst, post. II, ä7b 31— "A-J: Oi<6k hi
ala^aetog eoxtv htiaxaa^tu. el yäg xat raxtv ^ aTa&tjms jov rotoirdr. xai ft^
ToS6i uvot, AXX' ata&dvea&ai ye avayxaTov zo^e ri xai Jiov xm vüv. ro dr
xa&6Xov xtü im :iäoiy advrazop ata&dveo&at,
46--49. Siehe S. XXVIU.
50-59. Siehe S. XXVIII.
54, Q — 18. Vgl. Aristoteles, attalt/t. post. II, 96a 2—7: rö Öi xvxlta
to&TÖ iauv ' im dt tüiv ggyiov ipaivexat 'ihde. ßtßQtyfihtji t^ y^f Ain^xn
atfiiüa yivea&at , iovtov de yevofUvov vitpoi , iovtov de yrvoftivov vSaig' jovrov
. Ä« ysvopivov dvdyxri ßeßßix^^ ^h*' X^*"* '«ß'o d* ^v ro i$ dgx^C, aww xvxlip
:jeeuX^Xv&EV ' ivos yoQ amtöv öxovovv övxog hegdv iaxt , xaxeivov aXio , xeu
xovxov x6 XQ&l<tV.
59-61. Siehe S. XXIX.
61, 10—12: ,,Bicnt scriptum est: quod dies imticii erit in ictu oculi,
uel si minus dici potest" — Qur'äa, XVI, 77. In der Übersetzung des
Haracci: „et non erit negocium Horae (i. e. dies iudicii) nisi sicut ictus
oculi, uel ipsum erit celerius". Vgl. auch XXI, 41.
Ol, 18—22. Vgl. Qur'än, XIV, 48 und XXII, 66.
62, 14- 15. Vgl Qur'än, III. 133 und LVII, 21.
i.
(Alleinstehende Zahlen bedeuten Seite und Zeile, als Ex|Mjnente die Nuten.)
Verzeichnis der in der Einleitung und den Anmerkungen
citierten Namen tmd Werke.
Abraham b. Esra XVI.
abü Bi^r Malta b. Jünüs s. Malta.
abu-'l Qasim s. Sa'id.
Abunassar = abu Na^r (Muhaiuuiail b. Muhamiitad) s. (al-jFäräbi.
Adamadim, Adamidim, Atchamaili, Alehimidi = Alchindi WIV s. (al-)Kindi.
Alan US (de Insulis) XXXIV.
Albertus Magnus XI, * Canali/I. p08t.)\ XXI, ' (de iHteUeetu et inteUigibili };
XXIV, '-», XXV, 67, 68 (de somno et ngüia).
al-Birüni s. Birüni: und so alle Eigennamen mit vorgesetztem Artikel Ji.
Alexander v. Aphrndisias XVin, XXI, XXVIII.
Alexander v. Haies (Alesius) XVII.
Anonymen: categorici XXX, 68.
de erroribu» pkiloeopkoram XIV, XVII.
epistüla de causa et causatie XXX.
— de generibus acientfarum XXX.
— de hyle et forma XXX.
— de inteUectu XXX.
— de eeneu et »emato XXX, *.
— i/sagogarum XXX.
epistolae diuintu (theologia) XXX s. (pseudo-)Arislotel«8.
libri logtcae XXX.
— topicae XXX.
istoteles Vll, \ XVII, XVIII, ' (Opera omnia graece rec. 1. Bebker.
Berlin 1831-71),
analytica VIII, IX, », 73, 74.
categoriae 70, 71. 73.
de anlma XVIII, '.
de c.aelo 69.
de somno et uigiiia XXII, XXIII, >, *, 67, 68.
metaphyeica 66.
phyeica Vlll, XXV, 69, 72, 7a
topiea 70.
76 AI-Kind).
(pneado-) krisioieXes de anima s. Loewenthal.
de causis s. Bardenhewer.
theologia s. Dieterici.
Averroes s. (ibn) HuM-
Avicenna a. (ibn) Sina.
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^»/«PrtA/. Leipzig 1883-188*;. VI» », XXV, XXVI, XXVIl, 69, 70,71,72^73.
98 AlKiadL
^ b^iq al-ImHL
Ifll^iq ftl'Israili XXXL
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bä: Kbunrotfa, Cler die Amtzüge oh* yriedtitHtok SekrifUtti-
Urm bei J^qOn. ZDMG, R 41—43: XXTI \ XXTH *.
Jobaones Damascenn« bei: ]li(ne, Patrologia Graeea. T. !>4: 73.
iobanoet Hiapalensia (Hispanoa, •>^^'' XY. XXX.
Joordain, Reeberrbes XIII. \ XV, '. XX. \ XXI. >, 65.
Jftbannä b. BaiUn IX. *. X. >.
iäbanoä b. Misawiab X*.
L M aaawteh.
(al-)KiDdi V, \ '. X-XQ nod pavim. €9. 70.
de inieUectu: V, *. VI, XIII, XV, XVII-XXI. XXX.
de ratitme XV. XX- XXII. XXX XXXI. XXXIV.
de wtedicinamm compotitarum gradibttt : XII '.
de qnin^ye euentÜM: V, Vi, VII, ', VIII, \ XIII. XIV. XX, XXV—
XXVII. XXXI, xxxu.
de 9ex fituinittatibuH {'f): XII'.
de 9'ßmw, et uisione: V, VI, ', XIII. XIV. XV, XIX. XX, XXI—
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&d Al-iCindl.
Steinschneider, Die hebräisehen Überteizttngen des Mithatten. Berlin
1893: XVI«, XXlll*, XXVU».
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45. XXUI*.
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Zenker, Arintotdin categonae cum uerMione arafjica leanci llintetni ßit'i,
Leipzig. 1846: 71.
n.
(* bedeutet die am Pufie der Seite stehenden Varianten.} '
Verzeichnis der im Texte vorkommenden Eigennamen.
Alchindus, aicuinus * = Alkindi.
alkin * = Alkindi.
Alkindi (Jacob) 1,1 [*]. 10,3. 11,:^ (*,. 12,2 (•). 27,18*. 2^,17 -20*. lO.UMf»*.
iuC).
Äl'|ihuruhius * 11,<!*.
Verzeichnis der im Texte vorkommenden Eigennamen. 81
Alquindus -= Alkindi.
aniet (aniä) * 23,26* = Hamet.
anonymi: alii (sc. philosophi) .'J7,9.10. 39,3-4.
»ntiqui (sc. philosophi) 1,2. 8,18.
— sapientum graecorum 14,3.
cüntradicentis nobis (uerba — ) 38,r>.ll.
philosophantes s. sapientes.
philosophi 37,8 (*). 39,3. 41. 11. 18.
Philosophus 28,21 (♦).
primi sapientes 9,18.
sapientes (philosophantes) 48,11 {*). .''»7,5.
— s. primi sapientes.
— s. antiqui sapientum.
Aristoteles 1,9.10.12 (*). 3,1.4. 5,2.ö. 18,18 (•). 28,2 (♦). 37,12. 50,13.16 (♦). 53,21.
Aristotiles * 18,18* =^ Aristoteles.
Arses* 50,13* = Aristoteles.
flremonensis s. Gerardus.
Euclides 49.19. 5!,8. 53,27. 57,22. 58,21.
Gerardus Cremonensis 1,4 — 5, 12,2—3.
Hamet filius Nazir 23,a(*)= yfij ^jJ w\*^l
Hämo* 23,2* = Hamet.
Jacob s. Alkindi.
Johannes (als Beispiel) 5fj,12.15.
Mahomat*. Mahometh 41,2 (*)= jCj=-'^
Nassir*, nasir*, Nazir 23,2(*) = ^.-äJ s. Hamet.
»'lato l,9-10f*).ll. 18,16(*).19. 20,1(*). 37,11.
Themistius* 12.2^)*.
arabisch
•
a^ -^-^' -
Ahmad b. na^r.
^^■)Jt\ _
■ ablast.
^\y^\
■ al*saräb.
Ji^^ -
al-Färäbl.
^\^\-
al*Kindi.
al>ma^ist.i.
wWjs"^ —
Muhammad.
.«£J —
s. ^N-«->-l
Beitr&ge II. .'>. Xiifry. At-Kindi.
SB Al-Kindi.
Verzeichnis der im Texte vorkommenden TiteL
(über; alnugesti 49^.
(epislola de) causa et eaasatis 54,23—24.
(über) categorianim 28.10. 423.17.
(epistola de) definitione 44^30.
dialectica Aristotdu 2SX
(epistobe- dininae 49«3.
(über) EucÜdis 5.'J^. 58^1. (primus üben — 51,18. (traclatus, - 4&,10. ÖT^-S.
(epistola de) generibos scientianmi 41,17.
^alti libri) geometriae 53^—28.
(epistola de) inlelleclu et intellecto 41,16.
(libri) logicae 50.4. — et topicae 52^. 62,22.
(libri) philosophiae 4!).23.
f epistola de) principüs 61. '.^>.
(epistola de) reaolutione (orbis) 61,21 — 22.
scientiae naturales 12,7.
(epistola dej sensu et »ensato 41,15. 45,U). 48,18. 50,24. 53,19.
(de) uirlutibus animae 12,8.
(libri) topicae s. Uibri; Ic^cae.
(epistola de) yle et forma 61,4.
Verzeichnis der im Texte vorkommenden fremden
oder seltenen Worte.
acamb* 53<33* s. asarab.
ahlagat 23.4. 6. = '«o^-JL^I
agtagat*. agthagathe* 23,27—29' s. ahlagat.
a^rab 53<3 = w*'^—*.!
athagat*. athgaf 2:J,27-2I»'. s. ahlagat.
etnpetnm* 37,22* (empetm) für e/t:TFiiov Vgl. 36,lH: ,non recedens a loco
sui situs''.
fantasia* 5,24*. 14,20* — phantasia.
gehenna 64,13—14.
groRSUs* für crossus 2i),37 •.40*.
hyle 29,3—8.10.11. 30,16.18. 31,10.19. 32,7. 33,1.13.15.16.17.19.21. 34^.
35.2,4.6. 38,14.16.17.19.20. 58,4. 61,4. 64,11. ^ vi^.
nepta (neptae suhlimatum) 53,10. = nepita. Diefenbach, Supplementum
Lexici Da Canr/e, Frankfurt, 1857, S. 378" Vgl. Stolz, Jhstorisehe
Grammatik der latet'nüchen Sprache, Leipzig, 1894 Bd. I S. 52.
paradisum 64,15.
phanUsia 4,9. r»,|()(*). 14,4{*).28*.
queilum ^^ISf*^ -= ;i;eiÄoV für xtXöv {oder x"*^ög, ;[Jffc). H. Stephan us,
Thesaurus Gracrae Limjuae, Paris. 18tö. Bd. VIII S. 1499—1500.
yle* 29,24* «|q. = hyle.
Berichtigungen.
Seite V, Zeile 9 statt Ja'qub lies Ja'qüb.
Seite XU zu Anmerkung 1): Ich habe mittlerweile Gelegenheit gehabt
«lie Hs. n" CCXLII der laurentianischen Bibliothek in Florenz zu prüfen; sie
enthült aber lediglich ein medizinisches Werk (in 195 Kapiteln) des abü Na^r
'Adnän b. Nasr al-Färäbi (richtiger: al-'ain zarbi), welches sich auch im Bri-
tish Museum (C^urelon, Cat. codd. mss. Orient, qui in Museo britannico
asservatttiir. Lond. 1844—52, S. 213 col. 1), n» 453 = add. 5931, und in der
Bodleiana (Uri, IJibl. liodl. Codd. Mss. Orr., S. 138) befindet.
Seite XVI Zeile 10 und 18 statt Roäd lies Rugd.
, XVI Zeile 32 statt Sleinscheider lies Steinschneider.
„ 5 Zeile 17 statt exiret lies esset.
, 5 letzte Zeile statt exiret j esset ANl'^V^ lies esset l exiret Jfcf' .
, 7 Zeile 5 und 27 statt respezit lies respexerit,
, 9 Zeile 24 statt est est lies est | est.
, 2.') Zeile 28 statt extranea S lies extranea SM*.
, 29 zu Zeilen 6, 10, 12 siebe Anmerkungen, S. 69.
Inhaltsangabe.
Einleitung S. V-XXXIV
I. Arabische Originaltexte S. V— XII
11. Die lateinischen Cbersetiungen . . . S. XII— XVU
in. Der Traktat ^de intellectu" . . . . S. XVII— XXI
IV. Der Traktat „de sonino et uisione" . . . S. XXI— XXV
V. Der Traktat .de quinque essentiis" . . . S. XV—XXVII
VI. Der „über introductorias in artem logicae de-
monstratioDis" S. XXVIII— XXX
VII. Die handscbriflliche Cberliefprung und die
vorliegende Ausgabe . S. XXX -XXXI V
Text . . . S. I -C4
Liber de intelleetu S. 1 — II
Liber de somno et uisione S. 12—27
Liber de quinque essentiis S. 28 — 40
Liber introductorius in artem logicae demonstralionis. S. 41—61
Anmerkungen S. Gö — 74
Verzeichnisse , . S. 75 — 82
I. Verzeichnis der in der Einleitung und den Anmerkungen
citierten Namen und Werke S. 75 — 80
II. Verzeichnis der im Texte vorkommenden Eigennamen . ,S. 80 — 31
— arabisch . . S. 81
Verzeichnis der im Texte vorkommenden Titel . . S. 82
Verzeichnis der im Texte vorkommenden fremden oder
seltenen Worte S. 82
Berichtigungen S. 83
= f
BEITRÄGE ZDR GESCHICHTE DER PHILÖSOPl
TEXTE UND UNTERSUCHUNGEN.
HERAUSGEGEBEN
VON
DR. CLEMENS BAEUMKER,
O. Ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT BRESLAU.
UND
DK. GEORG FREIH. VON HERTLING,
O. ö. PROFESSOR AN DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN.
BAND IL HEFT VI.
DR. ri.fr:MKNN BAEIT^KER, DIE IMPOSSJBIUA DES 8I6ER
VON BRABANT, EINE PHILOSOPHISCHE STREITSCHRIFT AUS
DEM XIII. JAHRHUNDERT. ZUM ERSTEN MALE VOLLSTÄN-
DIG HERAUSGEGEBEN UND BESPROCHEN.
-^^ ^ ^'^>f'g«VC:^V'v-«^
MÜNSTER 1808.
RUCK UND VERLAG DER ASOHENDORFFSCHEN BUCHHANDLUNG.
DIE IMPOSSIBILIÄ
DES
SIGER VON BRABANT,
/
EIM PHILOSOPHISCHE STREITSCHßlET
AUS DEM XIIL JAHEHHOERT.
ZUM ERSTEN MALE VOLLSTÄNDIG HERAUSGEGEBEN
UND BESPROCHEN
VON
Dr. CLEMENS BAEUMKER.
-'«-v^>v«p«:*te«Dj-^=^
llffÜ!V8TEB I89S.
DRÜCK UND VERLAG DER ASCHENDORFF80HEN BUCHHANDLUNG.
Vorrede.
Nicht ohne einiges Bedenken lasse ich das folgende Hefl
in die Öffentlichkeit hinausgehen. Nicht ganz gering ist» was ich
in demselben erstrebt habe, und andererseits ist dessen nicht
wenig, was ich absichtlieh bei Seite ließ. Habe ich jenes Ziel
wenigstens halbwegs erreicht? Hat nicht diese Beschränkung
dem Gebotenen einen zu fragmentarischen Charakter gegeben?
Verzichtet habe ich darauf, von der ganzen Eigenart Siger's
ein volles Bild zu geben. Hierfür wäre die Herausgabe der
sämtlichen von Siger selbst verfaßten Schriften nötig gewesen, zu
der ich zur Zeit noch nicht in der Lage bin. Für meine Absicht
schien mir auszureichen, was Denifle und andere aus denselben
mitgeteilt haben.
Wenn ich diese meine Absicht auf die Herausgabe und
die historische Beleuchtung der „Impossibilia" beschränkte, so
leitete mich dabei einm<il die Erwägung, daß gerade an diese
bisher nur unvollkommen bekannte Schrift die vielen neueren
Erörterungen über Siger anknüpften, sowohl bei Litterarhisto-
rikern und Historikern der Philosophie, wie bei den Dante-
Korschern, welche auf Siger durch das Lob geführt waren,
das der Sänger der Comödie im Paradiso dem Denker der „in-
vidiosi veri" zollt. Gerade für diese Schrift erschien es daher
besonders erwünscht, eine Einsicht in den litterarischen Tliat-
bostand zu gewinnen.
VI Vorrede
Dann aber tragen die .Impossibilia" einen durchaus eigen-
artigen Charakter, der eine besondere Behandhjng derselben
naiielegte. Als Streitschrift gegen Siger, über dessen t-igeiio
Anschauungen sie niclit eben in urkundlicher Form berichten.
durften sie nicht den Schriften Siger's selbst eingereiht werden.
Ki-gab sich aus diesen Erwägungen die Besctiränkung mei-
ner Aufgabe, so suchte ich andererseits für die „Impossibilia"
alles zu !)ieten, was für ein sachliches und historisches Ver-
ständnis derselben erfordert werden kann. Ich konnte riiicli
deshntb nicht damit begnügen, die von unscnn Autor citierlen
oder sonst direkt benutzten Stellen naclizuweisen und eine kurze
Disposition des Gedankenganges zu geben. Vielmehr war ich
bemüht, wenigKlcns ffir die wichtigsten der in tler Schrift be-
handelten Punkte die historische Grundlage allseilig zu ent-
wickeln, aus der die betreffenden Gedankenreihen erwachsen
sind. Der Leser sollte dahin geführt werden, daß er selbst die
jedesmalige Problemstellung aus den Voraussetzungen der Zeit
heraus entspringen sielit, und da(ä er dem Autor, sowie dem von
ihm bckfnnpften Gegner auf allen Wegen ihrer Gedanlcenbildung
folgen und ihre Motive aus den Anscliauungen und Hülfsmitteln
ihrer Zeit heraus verstehen kann. Nicht bloß wollte ich ein
inhaltlich nicht uninteressantes Denkmal der Vergangenheit wieder
zugfinglich machen; meine Absicht war vielmehr, eine koiiki*ete
Einzelerscheinung des dreizehnten Jahrhundert in ihrer histori-
schen Bedingtheit, wie in ihrer selbständigen Eigenart anschau-
lich vor Äugen zu stellen. Nicht das Gewordene allein galt es
zu erlflutcrn, sondern vor altem das Werden klarzulegen. Das
m^e zugleich die Ausführlichkeil rechtfertigen, mit welcher —
freilich in verschiedenem Maße — der Inhalt der Schritl von
mir behandelt ist.
Mein Interesse dabei war vor allem der litterarischen Er-
scheinung und der Geschichte der Ideen, nicht dem Menschen
als solchem, zugewandt. Nur abgezwungen durch die Unsicherheit
in den Ergebnissen der früheren Untersuchungen und durch die
Vorrede. VII
Bedeutung für die Verfasserfrage ist mir die Abhandlung über
das Leben Siger's.
Wenn ich auch hier nicht synthetisch einzelne Sätze auf-
stellte und begründete, sondern dem Leser bei einem Gange
durch die bisherige Litteralur alle Fragen im Flusse ihres Wer-
dens vorzuführen suchte, so bewog mich dazu das Bestreben,
die Nachprühing einem jeden möglichst leicht zu machen. Der
Ausführlichkeit auch dieses Abschnittes wird der Wunsch zur
Entschuldigung gereichen, dem Leser das gesamte, weit zerstreute
Material in bequemer Zusammenstellung vereint vorzulegen.
Nach dem Gesagten muß meine Schrift es wünschen, in
erster Linie vom historischen Gesichtspunkte aus beurteilt zu
werden. Zwar hofft sie auch für denjenigen nicht überflüssig zu
sein, welcher sie nur mit der Frage in die Hand nimmt, ob der
publicierte Text ihm vom Standpunkte seines eigenen philoso-
phischen Wissens aus Neues oder doch Interessantes bringt.
So sei auf die Untersuchungen über das primum cognitum, über
die psychologische Genesis des Principes des Widerspruchs, auf
die Auseinandersetzung mit dem Determinismus hingewiesen.
Aber die eigentliche Aufgabe, die ich bei jener Publikation und
bei der Behandlung des publicierten Textes mir stellte, war doch
eine historische. Ich hoffe, durch diese Art der Behandlung
manchem etwas gebracht zu haben, wie dem Historiker der
Philosophie, so auch dem Dante-Forscher. Und auch derjenige,
welcher zunächst nur um des sachlichen Interesses willen mit
der Philosophie des Mittelalters sich beschäftigt, wird die Ein-
sicht in den Zusammenhang des historischen Werdens jener Ge-
dankenwelt oder doch einzelner Elemente derselben gewiß auch
für seine Zwecke nicht als unersprießlich erachten.
Was die Anordnmig imd äußere Einrichtung der Schrift,
die befolgte Orthographie der lateinischen Texte und dgl. an-
langt, so wird man über manches verschiedener Memung sein
können. Weshalb ich in der Orthographie auch bei Angaben
aus Urkunden im allgemeinen nicht, wie die Historiker der Ge-
VIII Vorrea*!.
genwart, dem miUelalterUchen Schriftgebrauch gefolgt bin. iiabe
ich S. 7:2 Anm. ^ angedeutet. Für anderes wird man S. 48 f.
um) S. 116 die Gründe angegeben finden.
Das Wort- und Sachrefristcr wird hoffentlich für <lie (»e-
schichte der mittelalterlichen philosophischen Terminologie niciit
ohne einigen Nutzen sein.
So möge denn das bescheidene Büchlein mit Gottes Sogen
in die Welt hinausziehen. Möge es sich als brauchbarer Beitra^r
erweisen für die lebensvolle Erfassung des grollen und reichen
dreizehnten Jahrhunderts!
Breslau, den 7. März 1898.
Clemens Baeumker.
IMPOSSIBILIA
SIGERI DE BRABANTIA.')
lOGr Conuocatis äapientibus studü Parisiensis proposuit sophista
quidam impossibilia multa probare et defendere.
Quorum priroum fuit deum non esse. Hoc enim pri-
mum inipossibile, cum eius oppositum sit primum necessarium. .
. probat tarnen illud multipHciter.
Primo sie. Non omnia habent causam unam. . ergo
deus non est. Non enim omnium est una materia, cum. non*) lo
omnia habeant materiam. Nee una forma, cum entia difierant
secundum speciem. et forma etiam non intelligitur proprie nisi
respectu materiae. Nee omnia habent unam causam in genere
finis, eo quod non omnia uidentur habere finem. in mathematicis
enim non est bonum. finis etiam non intelligitur nisi respectu 15
motus uel mouentis uel ipsius mobilis. intelligentiae autem
separatae a materia nee mouentur nee motus sunt nee mouent
etiam effectiue sed tantum sicut finis*), cum*) moueant sicut
') Titel fehlt in P. Im rnhaltsveneichnis fol. . 262v (Hand des
frühen XIV. Jahrh.): Item Inpomhilia fygeri de brabancia.
') Die Kapitel-Zahlen von mir hinzagesetzt. '
") P: n (d. h. nee).
*) finis corrigiert aas fina P,
') cum aber der Zeile hinzugefügt P.
BtUri^e H. G. Bmomker, ^Ijor von rnt*RBt, 1
S Impos^ibilia
appelibile et inlelligibile, ul patet in duodecimo ^). Neque
est etiam una causa omnium in genere efficientiSf quia efficiens
est unde motäs principium^ et non omnia mouentur.
Praeterea. Non <»st aliquod principium primum entium
» simpliciter. ergo non est deus. Frobatio antecedenÜs est,
quia primum est ante quod nihil. si igitur nihil est ante pri-
mum. non crit aliquid simpliciter primum.
Praeterea. Deus si sit, est ens per se, uel per aliud,
per se non, cum nihil sit sui causa in aliquo genere causae.
10 per aliud non, quia tunc causam haberet sui esse, et sie deus
non esset.
Praeterea. Inteliigentia non dependet ex aliquo extrin-
seco quod sit sui causa, ad cuius non-esse sequatur eius non-
esse. deum^) ergo non habet inteliigentia; et idem etiam pot-
15 est argui de corpore caelesli. si tamen esset deus, esset isto-
rum causa, sicut et aliorum. Inteliigentia enim in sui natura
caret potentia ad non-esse, cum sit forma pura, aut si materiam
habeat, non nisi suae formae propriam, ita quod inteliigentia
non potest non esse; non tantum quia causam habeat talem,
20 sed quia in natura sua est talis. quod si non est ei potentia
ad non-esse : quocunque e;ctrinseco non existente , non ideo
non erit.
El iterum. Nihil potest se ipsum deserore uel illud qaod
est ei proprium, sed 1 si inteliigentia fieret non-ens, oporteret ,*i^*
zi quod idem desereret se ipsum, aut materia formam sibi pro-
priam, accipiens oppositum formae ad quod non erat in poten-
tia. Ex quo sie arguitur: Illud quod possibile est, ex extrin-
seco est possibile uel'') naturam habet possibilis. El a de-
structione consequentis^): quod non est possibile, uel naturam
so non habet possibilis per extrinsecum aliquod , uel per defeclum
extrinseci non habet naturam possibilis. inlelligentiam autem
') Aristot. Metaph. XH 7, p. 1072 a 26: xiyrT A/ to&e r« üofxtov nai
t6 vofiTiir, xii-rX ov xtvov/tera (dort vom ersten Beweger gesagt).
'•■) (leuiii f\ wie unten S. 3 Z. 9 deum evgn tion habet. Die nahelie-
gende Konjektur causam würde den Gang de» Beweises zerreißen.
*) Krgiinzt' dabei rx ejirinsiro.
*} Snti» /'.
äigeri de 6rai>antia 3
esse est tale, quia non uidetur dependere ex aliquö, ad cuius
non-osse ipsam non esse sequatur.
Praeterea. Ulud quod habet naturam impossibilis etiam
contradicloria implicantis, fieri non polest per aliquod exlrinse-
cum uel per defectum extrinseci. sed intclligentiam non esse s
aliquid in rerum natura est impossibile contradictionem impli-
cans, cum de ratione inlelligentiae sit ut sit ens in rerum na-
tura simpliciter pro quocunque tempore, cum aetemitati parifi-
cetur. quare et cetera. deum ergo non habet.
Solutio. Deum esse est uerum, etiam necessarium, lo
et sapientibus per se notum.
Primum sie declaratur. Necesse enim in entibus esse
aliquid quod sit causans tantum. sine enim tali non potest
esse causans causatnm, neque causatum tantum. nisi igitur
esset causans tantum non causatum, nihil esset. sed causans 15
non causatum deus est. deum ergo esse in rebus est uerum,
et oppositum falsum.
Et non tantum uerum, sed etiam necessarium. Quod
sie declaratur, quia causans non causatum non potest non esse,
quia si sie, possibile esset nihil esse; et cum possibile aliquando su
contingat, aliquando nihil esset; et si aliquando nihil esset, ali-^
quando nihil fuit; et si aliquando nihil fuit, nunc etiam nihil
est, quia non fit aliquid nisi per illud quod aliquid est.
Idem etiam est uidere sie. Necessarium est tribus mo-
dis. E^st enim necessarium ex suppositione alicuius non neces- 2»
sarit, ut necesse est animal habere cibum, si debet uiuere; et
est necessarium ex causa necessaria, ut solem eclipsari luna in-
terposita et cum necesse sit statum esse in causis; et etiam ne-
cessarium tertio modo, quod est simpliciter necessarium et sine
causa, quod non dependet in esse suo ex aliquo extrinseco sibi so
uel intrinseco sicut ex causa, cuius non-esse non accidat ex
non-esse cuiuscunque et quacunque de altero positione facta.
Causans autem non causatum oportet isto modo esse neces-
sarium, eo quod primum sit et causa tantum, nullo modo cau-
satum. tunc ergo in esse suo a nullo dependet extrinseco uel 35
intrinseco — tunc enim uon primum, nee causa tantum — , et
I *
4 tmpossibilia
non-esse eius non sequitur quacunquo positlone facta in alio,
cum a nuUo esse eius dependeat
E^ quo etiam et sequitur quod causans tantutn non cau-
satum uec accidcns sit nee uirlus in corpore nee corpus uel
smagnitudo. sed indiuisibile et impartibile, ut dicitur in octauo^).
onmia eniui praedieta in esse suo ex altero dependent. ut acci-
dens ex subiecto, et uirtus etiam corporea et magnitudo ex par-
tibus, quibus partibus esse alterum est a tote.
Ex quibus sequitur tertium, quod deum esse sapientibus
10 sit per se notum^ quia illud quod est causans tantum non
causatuni, non dependens in esse suo ex aliquo sicut ex causa,
oportet quod ex nitione sua haboat esse, non ex aliquo alio.
ita quod est re:^ quae de sui ratione est esse. nunc autem
per se nota sunt principia quac cognoscuntur cognitione termi-
i» norumf eo quod praedicatum sit de ratione subiecti. et ideo
sapientibus quibus nota est ratio subiecti huius propositionis :
,deus est*, cum ex sua ratione sit. non ex aliquo alio, per
se nota est, non ex aliquo alio; ita quod deum esse quaestio-
nem non habet, quia causam non habet. quacstiones enini
e.j aequales numero sunt scitis. non est autem hoc scibile, sed
notum per se sapientibus. Quaecimque autem alia a prinio
sie sunt, quod ex tK)nHn ratione non habont causam sufficion-
tem ut sint, ita quod in omnibus causatis. sicut dicit Boelhius-),
differt quod er^t et esse ipsum. non enim ex hoc quod sunt
25 est eis esse, sicut ex causa sufÜcienti, sed dependent sicut ex
causa ex co quod est esse tantum, quod ex propria rattone,
non ex aliquo alio, habet ut sit.
Et quod primum sit tale esse tantum, apparct. si enim
non est suum esse, tunc suum esse est in eo causatum ex pro-
»» prüs eius principiis uel ex aliquo extrinseco. et utroque modo
accidet primum in esse suo habere causam.
Et iterum. Ex propriis principiis non potest habere esse
') Ariätot. Fhifs. VIII 10. p. 267 b 25: ^'mWn- nuv.-v uu a&tainrjor
toll xai «uro»',- xa'i ovArv F^oy itiye&o-;.
') Boethias, Quomodo .tuhstantinf in v<> qiuMi shtt hnnnr sint, p. 169,
26 ed. Peiper: Diuersum est esse et id quod est.
Sigeri de Brabantia. 5
causatuni nihil enini cuius esse causatum est, sibi causa e\i-
slendi est, ut dicit Auicenna'). esse etiam eius non potest
esse in eo causatum ab extrinseco. tunc enim causam haberei,
est igitur sie quod est esse.
Ex quo consideranti apparet maxima et pura nece&jitas 5
eius in essendo. quomodo enim esse deseret quod esse est?
Est etiam considerandum quod illud quod est causans tau-
tuni, non causatum, habet rationem principii et primi simpliei-
ler, secimdum hanc rationem, quod non habet aliquid ordineni
prioris ad ipsum, nee negatiue dictum, nee priuatiue, nee posi- 10
tiue aclu uel potentia. Non ahquid negatiue dictum ordinem
habet prioris ad ipsum, quia ex negatione eius esse non proces-
sit, ita quod ordine naturae, quantum de se fuerit, prius fuerit
nihil quam aliquid; quod uniuersaliter de quolibet creato diei
contingit. Eodem modo nee ex aliqua priuatione eius esse is
processit, nee ex aliqua potentia maleriali, nee ex aliquo actu
agentis. Et ideo primum est a priuatione ordinis prioritatis
cuiuscunque quocunque modo dicti ad ipsum, ita quod ratio
primi. dicta de eo quod primum est, ante quod nihil, debet sie
inlelligi, quod illa negatione ordo prioritatis negetur; ita ut sit to
sensus: „nihil est ante ipsum," hoc est: „non aliquid est ante
ipsum"; et non debet sie Intelligi, quod ipsum nihil ante ipsum
sit, ordinem prioris respectu eius habens; et per hoc patel so-
lutio tertiae -) ralionis.
Ad primam ■*) uero dicendum quod deus non est causa om- 25
nium entium in genere materiae, eo quod materia in suo esse
innititur alii, sicut formae, et efficitur in esse ab agenle. forma
etiam quantum ad esse suum fundatur in materia et dependet
ex ea et efficilur ex agente. quae omnia rationi primae cau-
sae repugnant; et ideo non est causa in hoc genere cau- a*
sae nee in illo, sed est causa omnium in genere finis. om-
nia enim finaliter quicquid agunt propter ipsum agunt, ut
') Vgl. Aricenna, Mt^aph. ix. I. 1. I. c. 2, wo zwar nicht dieser
Satz dem Wortlaute nach, wohl aber Ähnliches sich findet.
') vielmehr sectmdae/
') Ad primam, seil, rationem. In der Handschrift steht bald, wie
hier, das Femininum, bald, wie sogleich p. 6,31, das Neutrum, was ich bei-
behalten habe.
$ Impowibilis
eideni assimilentur secundum quod sibi possibile, et quaecunque
mouentur, ab ipso finaliter *) | raouentur. omnia enim deuzn /^r
appetunt, nisi quod in diuersis ***«).
Et quod obicitur de mathematicis et inteUigentiis: mathe-
5 niatica cntitatem non habent abstractam a motu. Intelligentiae
etiani non tantum mouent finaliter, sed^) effectiue. si enim
non diflferret forma arcae secundum quod in materia et secun-
dum quod in anima, et esset uera arca in anima, tunc non
tantum forma arcae esset finis motus quem facit carpentarius,
10 sed effectiue moueret. quod contingit in separatis a materia;
de se enim sunt actu intelligibilia. Et iterum ßnis intelligitur
respectu uoluntatis, licet uelle non sit motus nisi metaphorice.
substantiis autem separatis inest uelle et appetere; propter quod
respectu talium potest esse causa ßnalis. Sed quia causa üna-
15 lis praesupponit esse iliorum quae ordinantur ad finem et ad
ipsum habent habitudincm, et non est esse iUorum causa ^),
licet actionis uel motus illorum sit causa, primum autem
principium nihil praesupponit in entibus cuius non sit causa:
hinc est (|uod non est causa eorum tantum in ratione finis,
20 sed in ratione oßicientis. Nee tarnen oportet quud omnia
moueantur. est enim cauHa efdciens immobilium sub hac ra-
tione, quod iiiiniobiliu in (^ssc suo dependent ex deo ^) sicut ox
eo quod est ciiiihu ut sint, licet non dependeant ex eo sicut ex
quo Ht transrmitatiü ad esso aliquod eorum. sicut enim in
2A ipsis mobilibuH ciiiiHa efficiens est unde est transmutatio ad esse
eorum itnniediutt*, et non eausat efficiens transmutationem illam
per transmutationem aiiam quam causet, qua fiat transmutatio
ad esse illius trnnsmutationis — sie enim in infinitum procede-
retur — : sie et in)mobiliuni debet intelligi causa efficiens, quod
90 esse eorum imminliato sit a sua causa.
Ad secundum '•) dicendum quod primum est ens per se
') Über dio HUttverectxung a. Abschnitt I: Die Handschrift.
') Der Text ist hier olfonbar lückenhaft. Ergänze apprtitus iitfjit <ii-
«rrjfttjt oder dergl.
") sfd im Sinne von st'd fHam, wie weiter nnten Z. 10. 20; S. 22 Z. 23.
') D. h.: und weil sie (die Endarsache) nicht Ursache des Seins jener ist.
') AbkOnung in /* unklar.
•) Tielmehr tertium!
Sigeri de ßrabanüa. 7
non posiliue, sod negatiue. „per se" sie, quia non ex alio; sed
non positiue , ita quod ipsum intelligatur habere ralioneni
causalitatis respectu am ipsius. talis enim causalitas niagis
rationis est quam rei.
Ad sequentia omnia per idem dicendum quod intelligentia 5
dependet in esse suo ex extrinseco sicut ex causa. et priuata
causa ') esse alicuius sequitur ipsum non esse, unde si prinium
non sit, intelligentia non erit. Vnde^) auteni intelligentia caret
potentia ad non-esse, ita quod ipsam non esse habet naturam
impossibilis — non tanturn quia suam causam non esse est 10
impossibile, sed naturam impossibilis ex se — : hinc est quod
quocunque extrinseco uel defectu extrinseci non fiet non-ens;
ita quod, priuata causa esse, intelligentiae simul accidunt oppö-
sita, scilicet esse et non esse, quod cum*) sit impossibile, im-
possibile est eam priuari habitudine ad causam suam qua is
semper sit. Hoc autem dicimus secundum sententiam philo-
sophomm.
II.
Froponebat secundo quod omuia quae uobis appai'eut
sunt simulacra et sicut somiiia, ita quod nou simus certi de so
existeutia alicuius rei. Et ad hoc sie arguebat: NuUi uir-
tuti cui apparet aliquid quod est apparentia tantum, creden-
dum est quod ita sit in re nisi alia uirtus hoc diiudicet. Et
hoc probatur duphciter. Primo quia uirtus nata decipi circa
aliqua de illis certitudinem non facit. Aliter sie, quia cum ali- ss
quid apparet sensui quod est apparentia tantum, non creditur
hoc esse apparentia, nisi per aliam uirtutem hoc diiudicantem.
ergo etiani non credetur sensui quod res fuerit quod apparet,
nisi alia uirtus hoc diiudicet. — Aecipiatur ergo haec maior, quod
nulli uirtuti cui apparet aliquid quod est apparentia tantum, 33
oredendum est quod ita sit in re, nisi alia uirtus hoc diiudicet.
sed cuilibet sensui apparet aliquid quod est apparentia tantum,
non tantum dormiendo, sed etiam uigilando. ergo nulli sensui
*) d. h. rov esse. Ebenso weiter unten Z. 13. Vgl. S. 6, 16.
^) Vnde im Sinne von quia, wie S. 28, 17.
^} Nach mim hat P hoc.
8 Impoasibilia
credendum est, quod ita sit in re sicut apparet. Sed nee uir^
tuti supcriori, quia omnis certitudo est per sensum. conchi-
sioncs enim credunlur propter principia, et prima *) principia per
sensum, ita quod, si non habemus eertitudinem esistentiae ali-
.<> cuius rei per sensum, neque etiam per aliam uirtutem.
Praeterea. De nulla re iudieatur unum, quin inueniatur
iudicans contrarium. qua ratione ergo erit in re sicut uni ap-
paret, eadem ratione sicut alii; et cum non possit esse simul in
re illud quod utrique apparet, quod apparet erit apparentia
10 tantum.
Quod si dicas, quod non aequali ratione credendum est
uigilanti et dorraienli, nee sano et infirmo, nee sapienti et insi-
pienti, eadem ratione arguitur. NuUus enim apparet alicui sa-
piens, quin appareat alii insipiens: nullus etiam apparet quod
ts habeat sanum gustum, quin appareat contrarium. in singulis
enim utrumque contradictoriorum iudicem habet Si etiam
iterum detur ratio, consimiliter arguetur sicut prius.
Solutio. Dicendum quod nos sumus certi de existentia
aliquarum rerum, et non sunt omnia simulacra et passiones sen-
20 tientium. Nos enim sumus certi de existentia rerum nobis
ad sensum apparentium, cui sensui non contradicit sensus dignior
uel intellectus acceptus ex sensu digniori. sumus etiam certi
per intellectüm de existentia aliquorum intelligibilium, cui intel-
lectui non contradicit intellectus dignior seu acceptus ex sensu
SA digniori, nee etiam sensus dignior; ita quod qui non distin-
guunt inter sensum digniorem et minus dignum ut ei credatur,
incidunt in diuersos errores. Quidam enim, attendentes quod
illud quod apparet alicui sensui est apparitio tantum, ut cum
uidetur terra moueri nauigantibus in flumine, omne quod appa-
30 ret quacunque uisione credunt etiam esse apparentiam tantum.
alii e contrario attendentes quod illud quod apparet aliqua sensa-
tione ita se habet sicut apparet, accipiunt hoc in omni sensa-
tione. alii uero sensu minus digno uel intellectu uel phanta-
sia et opinione non accepta ex sensu digniori, sensui digniori
Si contradicentes, in errorem incidunt, sensum dimittentes. in
') Abkflrzung in P unklar. Jedenfalls nicht prius wie Haur^au,
Nctieea \, p. 89 liest.
Sigeri de Brabtmtia. 9
quo jncrepatur Zeno ab Aristotele VIII. Physicorum '), qui di-
109V *^^*^^ omnia quicscere, per rationem sensum dimisit, \ qui dignior
ut ei credatur quam illi rationi. Cum autem omnes sensus
concorditer conueniant in iudicio alicuius rei sensibilis, quibus
etiam intellectus acceptus ex sensibus dignioribus non contra- 5
dicit, credere opposilum illius supernalurale uidetur et miracu-
losum magis quam naturale, nisi forte aliquibus accidere possit
ex consuetudine a pueritia *). sapientibus tarnen et prouectis
hoc contingere non uidetur naturale, saluo iudicio melius dicen-
tium. — Triims igitur modis dictis errant homines in iudicio de n)
rebus. Recte ^) autem iudicant et opinantiir qui credunt ea quae
apparent per sensum, cui non contradicit sensus dignior nee in-
tellectus acceptus ex sensu digniori, uel qui credunt aliquid quod
apparet intellectui, cui non contradicit intellectus dignior seu ac-
ceptus ex sensu digniori, neque sensus dignior. Non enim is
omnes sensus sunt aeque digni ut eis credatur. habenti enim
gustum sanuni magis credendum est de sapore quam habenti
gustum infectum, et uigilanti quam dormienti, et ei qui est prope
quam ei qui est a longe, et de sensibili proprio quam de sensi-
bili communi, et de sensibili per se quam de sensibili per ac- 20
cidens, et sie de multis aliis. Qui autem aliquem sensum esse
digniorem quam alium et alicui sensationi per se credendum
non accipit, sed huius rationem quaerit quae ostcndat quod sit
ita sicut apparet: huic nihil probari potest, iste de nullo certus
esse potest. non enim possibile est aliquid esse cognitum uel «»
creditum, nisi sit aliquid quod per se, non per aliud, cognosca-
tur, cui per se, non per aliud credatur.
Ad rationem primam in oppositum dicendum quod*) quam-
quam alicui uirtuti una eins sensatiorie appareat aliquid quod
sit apparentia tantum, et illi sensationi eins non credatur, non ao
tamen oportet quod illi uirtuti secundum aliara eius sensationem ■
') Aristot. Phi/H. VIT! 3, p. 253 a 32-34: rö /lev ovv .lävz" i/Qeftetr,
xa't TovTov C^""' ^-öyof ätft'vTai: ri.r madtjair, aQQfooti'a xi'e: eou Siaroi'ag.
0 Damit vgl. (Al-Kindi). Liber introd. in art. log. p. 62, 19 ff. ed.
Nagy (Beitr. zur Gesch. d. Phil. d. M-A. II, 5.)
■') Prone, am Rande rce. . .'
*) qnam F.
10 ImpoMÜHli«
non credatur per so qiiorl ita sit in re. non enim onines sensatio-
nes eiusdem sensus .sunt aKfue dignae ut eis credatur. niagis
^nim credendum est ei quod apparet df prope quam de looge.
et uigilando quam dormiendo. et sano quam intinno. ~ Et quod
5 tu dicis: «uirtuti quae nata est decipi non est credendum quod
ita sit in re", uerum eü^t in sensatione in qua nata estM decipi;
sed non oportet quod, si -) uirtus aliqua nata sit decipi aliqua
eius sensatione, quod alia. non enim onmes sensationes
aequaliter se liabent ad deceptionem. sicut dictum est.
10 Et quod iteram arguitur quia. cum ^^«nsui aliquid apparet
quod est appareniia tantum. non hoc creditur nisi ex alia uir-
tute; ergo uniuersaliter, cum sensui aliquid apparebit, non cre*
detur quod iUi sit in re. nisi alia uirtus hoc diiudicet: dicendum
quod non wquilur et huius ratio est quia sensus cui apparet
ib aliquid quod est apparentia tantum , non habet secundum suam
naturum iudicare quod hoc sit apparentia tantum. et ideo ei
non creditur, ftf*d »lii cuius est iudicare, ut intellectui. cum
tamcn sensui digno, in quo non apparet deceptio per alium
sensum di^niorem uel intcllef.'turn a^ceptum ex sensu digniori,
20 aliquid appiireiit, ei cn^dcndum est quod ita sit in re sine uir-
tute siiperiori, i.*o quod ud ipsum pertineat fidem de tali facere.
Ad 8<Tundum clicendnm quod ratio deficit eo quod in per
se notis raticwieui quiU'Ht, omniuni quaerens rationem — ad
quod secjuitur, nulliuH habere rationem — , et in omni credito
25 quaerit aliud per (|uod s<-ialiir esse uerum illud quod creditur.
quod si ita, non eswl status in creditis et notis, neque prima
causa creduIitiiÜH uel opinionis; quare neque esset causatuni cre-
dulitas uel opinio.
111.
3(> Proponubatiir tertio (piod bellum Troianuni esHet in hoc
instant!. Quod sie lu-guitur:
Instans praesens non est aliud ab inslanti in quo fuit ue-
nini dicorc quod erat bellum Troianurn; non quod intelligamus
') seil, uiriut.
^ Gt P.
Sigeri de Brabantia. II
qubd esse belli Troiani agonis uel motus esset in iiistatiti; sed
quia de tempore non est nisi instaiis , in quolibet instanti
temporis alicuius est tempus illud, et illud quod habet esse in
illo tempore. si ergo instans in quo fuit uerum dicere quod
erat bellum Troianum non est aliud ab instanti praesenti: nunc s
est igitur bellum Troianum.
Quod autem instans praesens non sil aliud ab illo, proba-
tur, quia instantia plura non possunt simul esse, sicut neque
mutatuni in diuersis ubi, quoram unum non continet altenim.
et instans in quo fuit bellum Troianum etiam non est corrup- w
tum. ergo manet idcm cum instanti praesenti.
Quod autem non sit corruptum, probatur sie. Omni cor-
rupto per se uel per accidens est assignare quando primo non
est, ut in termino suae corruptionis, quae est eius corruptio per
se, si per se corrumpitur, uel corruptio per accidens, si per is
accidens corrumpitur. omni enim corruptioni est aliquis ter-
minus, cum nihil semper corrumpatnr. Sed non est assignare
quando instans primo non est. tunc enim cum est, non primo
non est; neque posterius *) immediate, cum non sit instans in-
stanti immediatum 2), quia termini non est terminus; neque primo 20
non est in instanti mediato; simul enim esset cum instantibus
niultis, quod est impossibile. Non est igitur dare quando
primo non est instans. ergo neque quando primo cor-
ruptum est.
Solutio. Bellum Troianum non est in hoc instanti, quia 25
hoc instans est aliud ab instanti in quo uerum erat dicere quod
erat bellum Troianum. illud enim iamdudum corruptum; et
non quaerit ratio nisi qualiter instans corrumpitur.
De quo est intelligendum quod non est assignare quando
instans primo non est, quia primo non esse est in aliquo ter- so
mino temporis in quo tempore habuit esse, et in principio tem-
poris in quo est suum non-esse; ita quod cum terminus non
intelligatnr nisi respectu continui et diuisibilis, non est assignare
primo non esse nisi in eis quae permanent toto aliquo tem-
pore, instans autem non est tale.
*) püaf Pf was wohl verschrieben für pfiaf.
») Vgl. AriBtot. Phifs. VI 3, p. 2S4a 6—8.
12 Impotfsibilis
Et ad rationem dicendum (|Uod comipto per se est as-
signare quando primo non est. quia m termino suae corruptio-
nis. — Et corruptum per accidens est duobus modis. uno
modo ita quod sit Iransiiiutatio ad non-esse aiieuiiis per ä-, ad
s cuiuä non-esse sequitur non-esse alterius. quod ideo corrumpi- jjjli;
tur per accidens illo comipto : et in tali comipto per accidens
est assignare quando primo non est. quia in termino suae eor-
niptionis. Instans auteni non sie corrunipitur per accidens.
neque esse mutati quod coniinue ') mulatur-). tune enim opor-
10 teret quod esse mutati quod continue mutatur et instantis
illud esse consecfuentis -) toto aliquo tempore permaneret. et
ideo alio modo corrumpitur esse instantis et esse mutati quod
eontinue mutatur. per hoc uidelicet quod mutalum continue inuta-
tur. ex hoc enim accidit quod nulluni esse in spalio*) retinet
15 quiscere ^) enim accideret. et ad '■) comnnpi sie per accidens,
sicut corrunipitur esse ipsius mutati per hoc. quod mutabile
continue mutatur. non sequitur quod sit assignare sie corrupto
per accidens quando primo non est. cum nee corrumpatur toto
tempore alicuius corruptionis seu transmutationis permanens.
»^ Quanquam tarnen esse mutati toto motu non maneat neque
esse instantis toto tempore, mutabile tarnen in substantia
sua toto tempore niutationis est unum, aut mutatio non esset
una et continua; et instans, mensura substantiae eius quod fer-
e
') qti /*: ^tenno im FoffffHcli-H. Daß nicht tftwa rontinun zu schreiben.
zeigt Z. 20: qnnitqttaHt tamrn esir mutati ttito tmitu nun manfot.
') Man beachte, dafj hier das inutatnm, welches kontinuierlich renlndert
wird, und das r>*Hf desselben, welches dabei in jedem Augenblicke ein anderes
ist nud instanten vergeht, unterschieden werden; vgl. Z. 20 ff.
'■) qntif i*. Das conMequi ist wohl in demselben Sinne zu verstehen,
wie oben Z. 4—5: ita qnwl sit traHMtimt'ttio tui non-eyse aÜruiitti jitr nf.
Hfl ctiiutt iiOH-ensr sequitur HOH-vsne alteriutt, nicht im Sinne eines Nach-
folgens, Spftterseins, sondern eines Zugleichfolgens. Verbundenseins.
*) Natürlich bildlich zu verstehen; kein ,sich erstreckendes" Sein.
'•) Vgl. Aristot. /%x. VI 8. p. 239 a 26 ff.
*') od rorrumpi lir. nbhftngig von höh .tequitnr, wie oben Z. A — 5 «rf
ruiuK nun-vxite uequitur non rtfav ultrnHi*. Der (substantivierte) Infinitiv ab-
hSngig von einer Präposition findet sich auch sonst in der Schrift, z. B. S.
14 Z. 14 f.: per moueri medii. S. 14 Z. 18: ex inoneri ipaitut tnedii; ebd. Z. 9
per m&ueri grauis.
Sigeri de ßrabantia. 13
tur, toto tempore in substantia sun est unum aut tempus
non esset unum et continuum ^).
IV.
Quarto proponebalur quod ^raue existen» superius non
proliibituin non descenderet, quia motus requirit mouens et 5
mobile; graui autem existente superius non prohibito non
est exterius quod moueat U(>I impellat. Et in graui ipso
non est assignare duo, quorum unum sit inferius mobile et in
potentia ad ubi inferius, et aliud mouens actu tale quäle mobile
in potentia. nam in partibus quantitatiuis ipsius grauis non 10
est assignare talia. unius enim rationis sunt eins partes quan-
titatiuae, ut nee sit assignare in eis dißerentiam mouentis et mo-
bilis. in partibus etiam ossentialibus grauis, uidelicet ma-
teria et forma eins, non est accipere differentiam mouentis
et mobilis. materiae enim non est per se esse in loco; quare 15
nee moueri. ens enim in potentia non mouetur, sicut dicitur
V. Physicorum -).
Solutio. Secundum Auerroem-') sie ista dubitatio dis-
') Vgl. Aristot. PhifH. IV 11, p. 219 b 9—12; xal uja^teg »/ xivt^atg
aei äihi xal n/M], xai 6 XQÖffK. 'J Ä' afta :täi /gr'»^- 6 ai'Toq' xö yag vvv
{in»tans hat die arabisch-lateinische t)beraetzuDg, t. c. 103. fol. 148^ F der
ed, Venet. 1560) rö avro S .tot* iJv ro d' tivat uvx^ Tregor, zo de vvv zav
xgöfov ftfigei, fj .tqötfqov xai voregov. Vg!. ebd. b 26—27. 220 a 5.
-) Aristot. Phi/s. V 1, p. 225 a 21 f.: ft^^te tu xara avy&EOtv 1} diai-
geaiv (sc. fti/ ov) fvÖej^etui xtveio&ai fti'jre tu xara Svi'a/Jiy.
^ Lesung nicht ganz sicher. Der Kopist wullte zuerst Anifennfim
schreiben, strich dann aber aui durch und setzte eine unklare Abkürzung
hin, die indes jedenfalls Aneffoem bedeuten solL In der That heißt es bei
Averroes De caelo IV com. 22 (Tomas Qaintus opemm Ariatotelis Siagiri-
tae, Venet. 1560, fol. 252^ £): Taliter (andere Lesart naturaliter) autem ignis
et lapis mouebunt se accidentaliter. et est dicere qnod aliquid mouet se
accidentaliter, id est quod non mouet se nisi propter motionem saam in roe-
ditim, quod defert Ipsnm, nt gubemator naais monetnr cum ipse moueat
nauem. Et causa in hoc est, quia motor et motum in lapide et igne et aliis
simpltcibns non distingunntur in acta ab inuicem, sicut diatingunnttir in ani-
malibus, sed motor et motum idem sant in subiecto, sed tarnen differunt se-
CDodom modum. grauitas enim in lapide est motor secnndom qnod est
forma tantum et ipsa est mota in quantnm est in prima materia. Vgl.
Averroes Df mi'/oIUcom. 28, fol. 202'- Bff., Vhy». Vlll com. 82, ioX.ZAh^ B
und IV com. 71, fol. I30v D ff.
14 ImtKwsibili«
soluHur quod aliquid potest se ipsum mouere per accidens, et
in illo motu, cum ipsum mouens moueatur per accidens, aliud
est quod ibi mouetur per se — sicut nauta inoaendo naucm
mouel et mouetur; sed non est per se mobile in illo motu, sed
5 per accidens, et nauis est per se mota — ; ita quod in omni
motu mouens per se et motum per se oportet esse abstracta,
sed mobile per accidens potest esse idem mouenti. et sie dicit
esse in graui, quia graue mouet semet ipsum per accidens, et
per se mobile a graui est medium in quo est graue, et in illo
10 et cum illo mouetur graue medium impellens.
Sed contra hoc arguitur quia graue non uidetur medium
impellere nisi per suum moueri. quare natural! ordine et cau-
sali prius mouetur graue quam moueat. hoc autem non con-
tingeret, si moueretur per hoc quod medium moueret et per
16 moueri medii.
Praeterea. Nauta mouens nauem se ipsum mouet, eo
quod sie se habet ^) ad nauem quod motu nauis oportet ipsum
moueri. graue autem non uidetur oportere moueri ex moueri
ipsiüs medii, nisi moueri medii sit causaliter per moueri grauis.
20 Et ideo dicimt aliqui aliter quod idem non potest esse
mouens et mobile ita quod sit utrumque illorum per se, eo
quod non conuenit aliquid esse in potentia per se et in actu
respectu eiusdem; quod tarnen graue, quantum de natura sua
est, actu sit inferius, et per accidens, hoc est per aliud tenens
25 superius, sit in potentia inferius, non est inconueniens; et ideo
quod moueat et moueatur absque hoc quod aliud detur mobile,
non uidetur inconueniens.
Et si quis arguat: »graue motum in fine motus per se
est inferius , ergo per s e mouebatur * : non uidetur sequi.
80 mobile enim per accidens sie quia existens in eo, quod per se
mouetur, accidens uel pars eius-), in fine motus non est per
se in termino, sicut nee per se mouebatur; sed mobile per
accidens tali modo quia per aliud erat in potentia, et non per
naturam suam, nihil prohibet in fine motus per se esse in illo
85 termino.
') Habens P.
'} d. h. tanqtiam accidena uel pars eins.
Sigeri de ßrabantia. 1$
Et si iierum arguatur quod non mouetur aliquid per acci-
dens, nisi sit in illo motu aliquid quod moueatur per se, prae-
dictus auteiii modus respondendi non dat per se mobile in motu
grauis, immo medium nioucri in motu grauis ponit aliquid non
necessarium ad motum grauis, et illic esse motorem et mol»le, 5
quanquam solum spatium mathematicum immobile Habens prius
et posterius transitui grauis assignaretur: euaderet aliquis eodem
modo, sicut prius, quodjn motu mobilis per accidens, non quia
sit in alio quod sit mobile per se, sed quia aliud facit ipsum
esse^in potentia ad illud ad quod debet moueri, cum de sua 10
natura illic esset, non oportet assignare aliquid quod per se
moueatur.
Quanquam uero haec sententia probabilis sit, tamen stare
non potest. Quod primo sie apparet, quia quanquam aliquid
per accidens sit mobile hoc modo, quia per aliud est in poten- 15
tia et non de natura^sua ad illud ad quod debet moueri, nisi
per se motus sit in eo per quod est in potentia, non mouebitur
per accidens, [ita quod ille ') modus motüs per accidens qui
assignatur graui requirit aÜquid quod per se moueatur, ut pro-
hibcns ipsum graue ne sit inferius columnam sustinentem -) 20
uel medium amola columna sustinente.
Praeterea. Quod in motu sie moti per accidens, sicut
mouetur graue, requiratur aliud mobile a graui quod per se
mouetur docet demonstratio Aristotelis IV. Physicorum, capi-
tulo de uacuo ^), ubi uult, et rationabiliter, quod ablato medio n
i^7v "^t^''^^* pleno aufertur successio | in motu, quare et motus
naturalis ^), quia extra rationem est ut sit motus in aequali tem-
pore per spatium plenum et uacuum aequalia, quantaecunque
raritatis seu subtilitatis plenum intelligatur. sed dato tempore
in quo graue descendat in medio non pleno, sed uacuo, habenti so
') illud R
■) inferhu* mit dem Accusativ, wie S. 20 Z. 24 und 27 a^^ua.
=) Aristot. /%«, IV 8, p. 214 b 28—215 a 14; 215 a 24—816 a 7.
*) 80 zu losen statt natura P, als Übersetzung der xaxa tpvoiv xivrjaie,
p. 215 a 2. 3. 4. Auch der Kommentar des Averroes (Phy^. IV com. 67)
und die zweite demselben beigegebeno alte Übersetzung (Aristotelis opera,
Venet. 1560, T. IV fol. 128 0 haben motus naturalia.
18 tmpoanbilift
prius et posterius, sicut consideranti apparet, erit dare pl^mm
tantae subtUitatis, quod in aequali tempore traositus erit per
ipsui'ii; quod est impossibile. — Quod autera illud contingeret,
hoc apparet. sit enim spatium z uacuum finitum], aequale
^ spatio pleno finito h. si a mouetur per spatium 2 uacuum in
aliquo tempore, ut in tempore e^ et per spatium plenum in
tempore c^ ex quo utmmque tenipus finitum est, etsi minus sit
tcmpus e quam c, tarnen est aliqua eorum proportio, et non
refert qualis. detur enim quod tempus c sit centuplo maius
Kf quam tempus e, accepto igitur spatio centuplo subtiliori quam
h ei aequali, u mobile transibit ipsuni in tempore f, in quo
transit spatium uacuum z.
Nee dicatur quod impossibile <) accidat ex hoc, quod poni-
tur*) subtilitas ipsorum corporum in infinitum procederc, quia***
IS et hoc dato non tamen ex hoc contingere debcret quod aequa-
lis esset mensura transitus per plenum et uacuum, cum ^) ple-
num resistat, eo quod oportet ipsum diuidere et impellere, non
autem uacuum. quanquam ergo detur medium in motu
grauis, ex quo anfertur medium mobile, et in motu eius nuUa
suponitur natura mobilis nisi graue ipsum, successio in motu eius
aufertur, quare et motus eius naturalis ^); et hoc rationabiliter,
quia graui existente superius grauitas ipsa perfectam habet uic-
toriam super ^) graue, graui de sua natura non resistente ut sit
inferius, noc habente naturam mobilis quae debet esse resistens
25 ad motorern. quare etsi extra graue ipsum non detur natura
mobilis resistentis ''), stntim sine successione debet esse inferius;
et haec est ueritas.
') Das soeben gefolgert« impossibih, daS nämlich ein Körper in glei*
eher Zeit einen leeren und einen erfüllten Raum durchlaufe.
') nämlich in jenem Beweise, oben Z. 1 f. Im Folgenden scheint der
Zusammenhang durch eine LQcke gestört zu sein. Man vgl. Averroes,
Pftys. IV com, 71 (fol. 134«- A f.) und Albertus Magnus. Pfttja. IV tr. 2
c. 6, p. 171 b-172 a Jammy, wo der hier mit Nee dicatur anhebende Ein-
wand widerlegt wird.
'') ri(m von mir hinzugefügt
^) Auch hier hat 7*, wie an der gleichartigen Stelle oben S. 17 Z. 27, naturn.
'') ^V ^^> ^^ <^^'' Itegel nach Abkürzung für nemptr ist.
*) refit»'" P.
Sigeri de Brabantia. 17
Tarnen contra hoc arguitur quia prius et posterius est in
motu a priori et posteriori in spatio, cum non possit mobile
simul esse in diuersis partibus spatii. sed uacuo dato manet
prius et posterius, cum et maneat quantitas mathematica.
quare manebit successio et natura motus. 5
Albertus Coloniensis*), uolens sustinere demonstratio-
nem Aristotelis praecedentem , concludentem quod aufertur
successio in motu grauis ablato pleno , dixit quod in uacuo non
erat prius et posterius, inducens textum Aristotelis*) in eodem
capitulo, quod ipsius uacui nulla est differentia , sicut neque lo
non-entis; quare in eo neque prius neque posterius. — Sed
hoc non ualet, quia uacuum non habet diflferentias naturae,
propter quas graue impositum magis mouealur ad unam par-
tem quam ad aham; ex quo tarnen uacuum de sui ratione
intcUigitur dimensio non plena sensibili corpore: qui intelligit 15
uacuum, intelligit aliquid Habens prius et posterius, positiones
magnitudinis.
Et idco Thomas de Aquino'') aliler considerang dixit
■) Albertas Magnus, Phya. lY tr. 2 c. 7 (T. II p. 176 col. a ed.
Jammy): Per idem patet solatio ad Becandnm ettertium, qaoniam in nehtate,
et sicut Anicenna dicit, in uacuo non est aliquid quod sit linea uel punctus
uel dimensio, nee inferius nee snperius, nee ante nee post, quia istae diffe*
rentiae sunt entis; uacuum autem ponebatur non ens, sed priuatio entis ab
Omnibus antiqnis. — Der hier in betracht kommende Einwand, auf den diese
Worte die Antwort enthalten, lautete (p. 173 col. a): Adhnc, Aristoteles nos
docuit, quod prius et posterius in motu est propter ante et post quod est in
spatio, et prius (Jammy; post) et posterius est in tempore propter prius et
posterius in motu. Sit ergo spatium, sicut dlcunt, separatum. constat quod
illud est dimensio quaedam, in qua est pars ante partem et pars post parten
io ascendendo et descendendo. igitur motus qui est per ipsom necessario
habebit prius et posterius, ergo necessario erit in tempore, et non in indini-
sibili temporis.
') Aristot. Phys. IV 8, p. 215 a 9—11: diamg yog zod fttjdtvos o^dt-
ftta iati dtatpoga, ovxtoe ttai rov fi^ Sno^. x6 Üt xevdv ßif Sv ri xcu areQtjate
doxeZ elvat.
') Thomas Aqa. Fhys. IV lect 12 (ed. Antwerp. 1612. T. II. fol.
53 a CD): Sed faaec (gemeint sind die,AasfQhmngen des Averroes) omnino
uidentur esse A-iuola. Primo qaidem quia licet quantitas tarditatis non sit
secundum modum quantitatis continnae, nt addatur motus motui, sed socun*
dum modum quantitatis intensiuae, sicot cum aliqnid est albins: tarnen quan-
Beitr&ge II, <• B«eiiiDk*r, Sigw tos Bnlrnnt. 2
iä tmposaibiliil
motum grauis in uacuo esse secundum successionem et deter-
minatam uelocitalem naturalem et tempus aliquod, et est sibi
tempus addituiii ex medio pleno prohibenti uelocitalem natura-
lem, nam secundum ipsum graue ex hoc, quod existens in
5 uno extremo non potest simul esse in diuersis partibus medii,
successiue Iransfertur per medium uacuum, inducens pro se
iUud quod dicit Auempace^), quod corpus caeleste non moue-
tur per medium, nee iuclinalionoiu habet ad contrarium motum
illi motui quo mouetur a suo motore resistens motori, et suc-
10 cessionem habet-) in suo motu ex hoc solo quod corpus mobile
caeleste non simul potest esse in diuersis sitibus^*).
Quod autem Aristotelis intentio uidetur esse contra ip-
sum, qui uult auferre successionem iDedio existente uacuo,
dicit ^) illam demonstrationem Aristotelis non esse nisi ex
15 suppositione aduersariorum contra <juos disputat; qui suppone-
bant esse uacuum ut non impediretur motus, et sie secundum
eos causa motus erat ex parte medii quod non impedit motum;
titas temporis, ex qua AriBtoteles argumentatur, est secundum niodum quan-
titatis continuae, et fit tempus mains per additionem temporis ad tempus.
unde subtracto tempore, quod additur ex impediente, remanet t«mpus natu-
ralis uelocitatis. Deinde quia in grauibus et leuibua remota forma, quam dat
generans, remanet per jntellectum corpus quantum, et ex hoc ipso quod
qnantum est, in opposito situ existens, habet resistentiam ad motorem. non
enim potest intelligi alia resistentia in corporibus caelestibus ad suos meto-
res. unde nee etiam in grauibun et leuibus sequetur ratio AristoteUs aecan-
dum quod ipse dicit.
') Auempere iV— Vgl. Auerroes, Fhtfs. IV com. 71, ed. Venet. 1560
fol, 131v 0 ff. und besonders Albertus Magnus Phi/s. IV tr. 2 c. 7 (p.
172 b ed. Jammy).
^) habens P.
^ Thomas Aqu. Phys. IV lect. 12, fol. 52^ H.
*) Thomas Aqu. Phijs. IV lect. 12, fol. 53i- a D (nach den soeben
angeführten Worten): Et ideo melius et breuius dicendnm est quod ratio ab
Aristotele inducta est ratio nd contradicendum positioni, et non ratio de-
monstratiua simpHciter. I'oncntes iiutem uacuum hac de causa ipsum pone-
bant, ut non impediretur motus; et sie secundum eos causa motns erat ex
parte medii, quod non impedit motum. Et ideo contra eos Aristoteles orgu-
mentatur, nc si tota causa uelocitatis et tarditas esset ex parte medii —
Die wörtliche Übereinstimmung in diesem Citat beweist, daß auch im Vor«
aufgehenden die Ausführungen in der Physik des Aquinaten gciicint sind,
obgleich dort das Heferat sehr frei gehalten ist.
Sigeri de ßrabantia. 19
ei ideo contra eo3 Aristoteles argumentatur ac si tota causa
uelocitatis et tarditalis esset ex parte medii; ita quod apud
ipsum ratio Aristotelis est ad contradicendum positioni, et
non demonstratiua simpliciter.
Sed ista positio non ualet, quia etsi aliquis totam causam s
uelocitatis et tarditatis non supponat esse ex parte medii, pro-
bat deinonstratio Aristotelis simpliciter quod successio aufer-
tur posito niedio uacuo, ducens dantem oppositum ad impossi-
bile praedictum, quod in aequali tempore transibitur plenum et
uacuum ; quam rationem simpliciter concludentem praedictus lo
Thomas soluere non conatur.
Praeterea. Dato uacuo graue non est mobile a se nisi
per accidens. et iam prius ostensum est quod in motu ali-
cuius mobilis qui est eins per accidens, etiam, sicut graue moue-
tur per accidens, necesse est dare, quod per se moueatur. quod is
non potest dari medio existente uacuo, cum uacuum sit im-
mobile.
Et ideo tenemus sententiam Commentatoris •) quod graue
mouetur a se per accidens, et quod in motu eius necesse est
dare quod per se moueatur, sicut medium plenum, ita quod 20
ipso ablato aufertur motus.
Ad rationem autem ^ qua arguitur quod ablato medio
pleno et posito uacuo non auferatur successio motus, quare no-
que motus, propter prius et posterius, quae sunt in spatio
uacuo, in quibus mobile non potest simul esse: dicendum est S5
quod, cum ablato medio pleno auferatur quod per se moueatur
et resistens mobile naturae grauitatis, ad quam sequitur esse
inferius, nisi sit impediens, aufertur motus, et per consequens,
si intelligatur graue esse inferius, quod hoc erit sine motu^
!?}q ^* Q"*s tarnen intelligat graue se facere | inferius occupando so
quamlibet pnrtem spatii uacui medii, non potest mtelligi quod
hoc tiat sine motu. et ideo spatio uacuo posito, si quis in-
telligat graue se facere inferius, in illo incompossibilia accidunt:
et sine successione et cum successione. quorum uno utebatur
') 9m r. Die Worte des Averroes siehe oben S. 13 Anm. 3.
■) Siehe S. 17 Z. 1 ff.
2*
Sigeri de Brabantia. 21
ipsa: Urne inedio conlinenle nioto, ii quocunque alio niouerelur,
ipsum ^aue moueri oporteret.
V.
Quinto proponebatur quod in liiiRianis mttibus uon esset
actus malus, propter quam malitiam actus ille deberet prohiberi &
uel aliquis ex eo puiiiH. Et hoc sie arg:uitur:
NuIIus actus eueniens secumlum ordinem prudenÜs proui-
soris puniri debet uel prohiberi, praecipue punitione ordinata
per eundem pi*udenteui prouisoreiii. sed actus huniani, etiam
niali, proueniunt ex ordiue primi prouisoris prudentissimi. quare i<»
uidelur quod non debet aUquis illorum prohiberi, nee pro eonim ali-
quo aliquis puniri; et hoc praecipue punitione ordinata per pri-
iiunn prouisoreni.
Praeterea. Actus qui non est malus ad totum aspiciendo,
prohiberi non debet; sicut actus aliquis in ciuitate, etsi sit ma- l^
lus paniiicis ^), ex quo tainen referendo ad totam ciuitatem non
est malus, non prohibetur, nee aliquis ex eo ratione punitur.
sed quilibet hunianorum actuum ad totum referendo bonitatem
habet, quanquam alicui uel aliquibus posset esse malus. prop-
ter nullum ei-go actum humanum debet homo puniri. 20
Praeterea. Si actus humani omnes sunt ordinati a primo
proui^ore, tunc uidelur quod nulli illorum punitionem ordinal,
aul, si punitio quorundam actuum humanorum ab eo sit ordi-
nata, tunc uidentur illi actus non ex eius ordine processisse.
Praeterea. Homo in bis quae necessario null et necessario 2*
facit puniri non debet, nee in bis ulilis punitio seu prohibitio. sed
quaecunque uult homo et facit, necessario uult et facit, quia nuUus
effectus euenit nisi u causa, respectu cuius suum esse necessarium
est, sicut et dicil Auicenna -), causa enim, ex qua res potest
') Unrichtig Haur^ao panificius, waa gar kein lateinisches Wort ist
Die Hnndschrift hat panifici, wobei das « übergeachrieben ist, wie öfter,
wenn das Wort, wie hier, am Ende der Zeile steht.
•) Vgl. Auicenna Mtiaph. tr. I lib. II c. 2 {ed. Venet 1495, fol. 5 r
col. b): Tgitur manifestum est quod qnicqnid posaibile est esse non habet esse,
nifti cum necessarium est respectu snae caosae; und kurz vorher: Dicemas
igitur quod oportet iUud fieri necessarium esse per causam et respectu
22 Inipossibilia
esse et non esse, non determinat rem ad esse. quare liidetur
quod honio pro nullo actu quem faciat, uel uoluntate quam ha-
beat debeat puniri. nee eidein illius prohibitio fieri.
Solutio. In actibus humanis r^unt actus qui simpliciler
5 sunt mali naturae huniauae speciei, et debent prohiberi, et ho-
mines etiani pro illis puniri; et punitionem ctiuni habent ordi-
nalam a primo prouisore. cum secundum ordinem primi proui-
soris sit quod legnmlatores •) nialos puniunt.
Et ad herum intellectum primo sciendun» quod actus hu-
lü manus dicitur malus, qui üt extra rectam rationem, sieul et bo-
nus, qui fit secundum ordinem rectae nitionis.
Et secundo sciendum quod actus malus humanus reducitur
in ordinem causae primae sicut in suam causam, non ita tarnen
quod effectus qui est in illo actu per defectum qui sit in prima
IS causa contingat. sed cum deficiat ratio in actu humane, ita
quod per eins defectum defectus in actu contingat, aliquid acci-
dens et ei occurrens sua actione facit eam deficere. agens au-
tem illud et eins actio, quod rationeui deficere fixcit, ni ordinem
causae primae reducitur, sicut in suam causam. Et hoc in
20 exemplo potest patere. delectabile enim obuians sua actione
in sensum rationem facit deficere. natura autem illius delecta-
bilis et eius actio in ordinem causae primae reducitur, non tan-
tum ipsum in se, sed =*) oceursus eius ad rationem.
Tertio sciendum quod rectae rationis Immanae est ordinäre
2A actiones hunianas in bonum humanuni. bona enim et perfec-
tiones aliorum entimu naturalium nou subiacent actionibus hu-
manis. propler quod non rectat* rationis est ordinäre de bono
aliorum, nisi pro quanto agibile est ab iiomine illud bonum et
uenit in usum hominis et ad bonum Immanum ordinatur. et
30 ideo iudicatur in humanis actibus actus malus non referendo nee
eius. Ebd. tr. VI c. 2 (fol. 24f col. a): Orane enim quod iiicipit, iani debet esse
tnnc poatquam non debuit, propter necessitatcm suae cauäac Freitich pasavn
diese Stellen nicht genau; doch kann ich eine Stelle, an der das Citat wört-
lich sich fände, nicht nachweisen. 8. auch S. 25 Z. 8.
') leglatorea F, was legutnlcUores oder hgislatofe« bedeuten kiuin.
Ebenso immer, wo im Folgenden das Wort vorkommt.
0 S. S. 6 Anm. 3.
Sigert de Brabantia. 23
lOj^v atteudeiido ad totuni uiiinersum, sod ad ] ipsam hominum coni-
iminitatem, ita quod fiequenter lit nialuni in actibus huinanis
cum bono et perfectioiu.» in agendo quorundam aliorum agentiuni
quae rationem in actu suo deflcere faciunt.
QuaHo scienduni quod ad rectani nitionem humanam por- R
tiriet ordinäre punitioneru actibus hunianis nialis. cum enim
rt^cta ratio tendat ad hoc quod actioues humanae sie liant quod
liomines bene uiuant, punitio autem quorundam actuum huma-
norum in hoc ordinem habet: hinc est quod rectae rationis hu-
manae est punilionem actibus humanis malis ordinäre. lo
Quinto sciendum est quod simul stant quod actus mali or-
dinal! sunt a primo proulsore — non tamen contingentes per
eius defectum. sed propter defectum rationis et uoluntatis — , et
nibilo minus tamen punitio illorum a primo principio est ordi-
nata. cuius ratio est quia primum principium ordinal et bo- »
nuni humanimi et bonum et actiones etiam eorum quae ratio-
nem delicere faciunt; et unde^) ordinat ea 'et actiones eorum quae
8ua actione et sie suo bono rationem deficere faciunt, quodam
modo ordinat actus humanos malos, qui rationem tamen de-
fectus tiabent proprie secundum quod referuntur in agens iq
proximuni, non in agens primum. in specie =*) enim actionis
aj.'entis primi, secundum quod actio eius est, nullus cadit defec-
tus. secundum uero quod prinmm etiam intendit bonum hu-
manuni, et non tantuni bonum aliorum, punitio autem humano-
rum actuum raalorum ordinem habet in bonum humanuni: hinc 25
est (|uod punitiones quibus legumlatores malos puniunt ex or-
dine primi contingunt. legumlator autem in ciuitate solum bo-
num humanum inlendens, actum eundeni non punit et ordinat,
sed quem ordinat non punit, et quem punitjion ordinat. aliter
autem est de primo proulsore, eo quod sub eius ordine cadit et so
bonum liumanum et bonum aliorum, sicut dictum est. Cuius
simile in naluralibus dari polest, quod, quia primum principium
ordinat non tantum quod fiat calidum, sed etiam quod fiat fri-
^Mdum, non fit autem calidum nisi corruptione Irigidi, nee frigi-
') Zu mide vgl. S. 7. Anra. 2.
'-') rpe R Dieselbe Konstrnktion von eetdere auch unten Z. 30;
S. 24 Z. 23. 26.
24 Impossibüia
dum nisi corruptioiio calidi: hinc est quod primum principium
ordiiuit quod fiat calidum et corrunipatur frigidum, et o contra-
rio. Sic etiam et ordiuat quod fiant actus huniani mali, et
quod uon liant, sed punitione coiTumpantur. sub eius enimor-
b dine multi cadunt ordines contrarii.
Per hoc soluta est tertia ratio.
Et ad primam etiam solutio palet per ideru, quia atlu*
ordinatus a prudente prouisore, qui tantum ordinal bonum hv»'
nianum, sicut legumlator, puniri non debel, secundum quc^
10 uisum est. actus tarnen <ontingens ex ordine prouisoriÄ nc^" ^^
tantum intendentis bonum humanuni, sed etiam bonum aliorun -*^'
(juae aliquando sua actione rationem deficere faciunt, punitioner -**
bene potest habere ordinatam secundum rectum rationem eC^ ^
humanam et diuinam.
15 Ad secundam dicendum quod ratio malitiae in actu hu«-^-*"*
mano et ratio punitionis non considerantur attendendo ad totui*'* *^
genus entis, sed ad genus humanuni. et quia sunt actus hu.*i^JU-
mani qui, etsi fiant cum bono quorundam entium, redundan«~«^-»nt
tamen in malum commune ciuitatis uel regni, hinc est quo^<::»od
20 sunt mali simphciter humana malitia et prohibendi et puniend' M^^.
Ad quartam dicendum quod necessarium potest intelligia..aES ad
praesens tripliciter. Vno modo sicut est necessarium coactici^üo-
nis; et tale necessarium non potest cadere in uoluntate, qutÄUiia
uoluntas in uolendo cogi non potest. quicquid enim uult, apW'Ä^^ta
2s uult, et non contra eius impetum; necessarium uero coaction-«r:Ä:nis
cadens in actione hominis puniri non debet. non enim pun«:"« öi-
endus est aUquis nisi pro eo quod facit. quod autem quisc»^^co-
actus facit» facere non uidetur, eo quod uoluntarie non faci^i^cit.
punitur enim ne iterum illud ueHt et faciat; nunc aute-^^-^f"
3tj illud uolens non faciebat, et in ipso etiam non est ut eunde--^^ -^™
actum alias sie faciat uel non faciat. unde necessarium coa-*^3C-
tionis punitionem non habet. — Secundo modo potest intellff Ä ligi
necessarium in uoluntate et actione humana, si quis ex cau: *^-J^
quae non potest impediri uelit aliquid, et per consequens C^ ^^'
as ciat. et si tale necessarium esset in actibus humanis, non pr -^ö-
nirentur. punitio enim a recta ratione ordinatur sicut impe(&^^'
mentum causae ex qua causa homo aliquid uoloit et per co^*'"
y
Sigeri de Braltantin. 25
sequens fecit. quod si nostrae uoluntates et acliones fierent
ex causis non natis impediri, otiose le^mlatores punitiones or-
dinarenl. — Tertio modo est necessarium in actibus secundum
quod effectus proueniens ex aliqua causa quae nata est impe-
diri, a qua tarnen existente in dispositione illa in qua effectus »
ab ea prouenit et ipsä non impeditd neeesse est effectuni eueuire.
sie enim omnis effectus respectu suae causae est necessarius, ut
uult Auicenna^), aut a sua causa non eueniret. et hoc ne-
cessarium et secundo modo necessarium multum differunt. com-
estio enim calidorum aliquando mortem inducit *) et composi- "
tiu uiuentis ex contrariis etiam mortem inducit; sed una istarum
causarum non nata est impediri, et ideo semper effectum indu-
cit; alia autem quanquam non impedita ad actionem sit neces-
saria, non tarnen semper, quando ponitur, effectus ponitur, pro
eo quod aliquando recipit impedimentum; et tale necessarium is
in actibus humanis non excludit punitionem, sicut etiam nee
exciudit alia impedimenta in aliis. quanquam enim ex aliqua
causa aliquis uelit aliquid et illud agat, et causa illa existens in
dispositione illa , in qua causa effectus est ^) non impedita,
necessaria esset ad effectum: quia tarnen in se non est necessa-zo
ria, ne alias, ipsä positü, effectus ponatur, ordinantur contra
eam impedimenta et persuasionum et punitionum. — Vnde di-
centes quod omnia de necessitate a suis causis eueniant, propter
hoc quod effectus respectu suae causae existentis in dispositione
illa, u qua effectus euenit, necessarius sit ab ea, peccant. di- w
citiu' enim effectus necessario euenire ex causa, non quia neces-
jj*jj, sario ab ea euenit quando ab ea euenit, | sed quia semper ab
en euenit, ita quod quandocunque ponatur causa, ponatur et
effectus.
Quod si tu dicas: „quandocunque ponitur causa a quaiw
effectus euenit non impedita, semper effectus ab ea euenit,
ita quod non tantum effectus necessario euenit a sua causa
quando euenit, immo ab illa non impedita semper euenit* : est*) di-
■] S. oben S. 21 Anm. 2.
») inducunt P.
') et P.
*) Auch hier hat P el. Vtelldoht liegt indes ein tieferea Verderbnie
vor, da auch im Folgenden der ZnsammeDhang gestOrt ist.
26 Impossibilia
cendum ad hoc quod eine dubio causa, ut in plunbus, cum est
***siue^) actualitale'-'), ad eflfectum est necessaria, et quandocun-
que ponitur non impedita, ponitur effectus. sed ex hoc non
sequitur quod tales efifectus a sua causa per se de necessitate
5 eueniant, quia ipsa absentia impedimenti non est causa effectus*
per se, sed tantum sicut retnouens prohibens; et ideo, cum con-
sidcraueris illud quod fuit causa per se ad effectum^ inuenies
eflfectum ex illo non seniper euenire. Si uero omnes actiones
humanae et uoluntates ßerent ab aliqua tali causa per se, quae
10 necessaria esset ad effectum, ita quod non nata impediri: actus
humani non haberent punitioneni. sed necessarium tertio modo
in actibus humanis, quod est necessarium ex condicione, non
remouef*) punitioneni in actibus humanis. unde comestio ali-
quorum calidorum, cum fuerit considerata ut non impedita,
1» mortem necessario inducit; sed propter hunc modum necessi-
tatis non omittit medicus quin alias, aliquo comedente talia
caHda , medicainenta apponat , apponens medicamenta noti ut
comestio talium calidorum non impedita mortem non inducat,
sed ut ipsa comestio calidorum per se posita mortem non in-
20 ducat, sed medicamentis impediatur. sie et punitiones medica-
menta in actibus humanis ipsis hominibus apponuntur, non ut
causa ex qua uolebant et agebant, considerata ut non impedita
et ut in dispositione illa in qua erat causa effectus, ipsius causa
non sit — hoc enim esset otiosum --, sed ut ipsa causa per
25 se ab effectu impediatur. absentia onim impedimenti nihil fa-
cit ad hoc ut sit effectus, nisi tantum remouendo aliquid quod
prohiberet ab effectu illud quod est causa per se effectus.
Quod autem praedictum est quod actus mali ordinati sunt
a causa prima, sane inlelligatur. non enim intelligimus quod
80 ex defectu causae primae contingant , sicut prius dictum est.
nee etiam intendimus quod actio quae est primi prineipii defec-
tiua sit; sed defectiua est actio humana secundum quod ab ho-
*) Das Wort kann auch sine gelesen werden.
') Lesung unsicher; P hat ac^. Ich möchte eine Lttcke annehmen
und lesen: cum ent in actiuitate (oder Gleichbedeutendes) aitie actualüate. —
Die Worte ad effectunt sind wegen Z 10 zn necesrnria zu ziehen.
■) rj (= r«t) P. Unrichtig Hauröau rrquirit.
Sigori Je Brabantia. 27
niine procedit, per defectum uoluntatis et rationis, contingens
non per defectum primi principii, sed magis perfectionc et uni-
uersalitate suae actionis, quae causa est oniniuni» etiam eorum,
quae rationem et uoluntatem in agendo deficere faciunt.
VI. 5
Sextü ponebalur, quainuis illud primo tugiat intellectus
sicut impossibile, quod continpt aliquid siuml es«e et iiou esse^
et contradictoria de se iuuicem uel de eodem ueriticari. Et
hoc arguilur sie:
Quod contingit opinari et non potest reprobari, illud uerum lo
est, quia onine falsum contingit reprobari, nisi sit falsuni primo
manifestum in süa falsitate, et tale non contingit opinari. sed
contingit opinari contradictoria simul esse uera, et non contingit
hoc reprobari. ergo uerum est. — Minor probatur quantum
ad primam eius partem in incontinente qui, cum habeat rectam i*
opinionem in uniuersali, in particulari illius uniuersalis contra-
dictorium opinatur, etiam opinando utrumque in actu, sicut do-
cel Aristoteles VII. Ethicorum ^). Quantum uero ad aUam
eius partem sie probatur, quia uult Aristoteles in IV. Me-
taphysicae -) quod non contingit probare non contingere ali- 2
quid simul esse et non esse; immo conantem probare petere
quod est in principio accidet. et si hoc probari non contingit,
uec eius oppositum reprobari.
Praeterea. Nauale bellum cras fore. quod est futurum
contingens, non est uerum, quia tunc non posset non fore, sicut -'*
uuU Aristoteles II. De generatione "). et si non est uerum.
') Aristot. Eth, Nic.VU 6, p. lU6b 35— n47a4 (es ist vom axga-
rtj? die Rede): rzt F.Tfi fivo roo-Toi tmv .Tgorao«o)r, fjfOFT» ftev dfitpojigas
oröev H'oÄvei zioÜTtrtv :iaQa. rijv ejitar^fttjv, xß^i^f^^ov t^^ot 'ff xa&öiov diia
(Uj Tf) xata ficQOi' :ioaxTa yag rö xad* exacra.
') Aristot. Mtiaph. IV 4, p. 1006 a 3 ff: ^i*tig de vvv eiX^tpa/iev wc
nftvmrov ovTog äfta eivat xai firj eivai . . , d^ioSai Ar/ xai tovto Ajtodtixvv'
%-ai nve^ 6t ä.Ta«9f roiav . . . oxct>£ fisv yaQ &ndvt<ov advvatov anödet^tv
sivat . . . (a 15:) tÖ d' iXeyxxix&s &xod$ZSai Hyto diafpiQeiv xtu to dütodet^aty
ort 6 a:io6eixvvo}v fiev av 66^euv alzEia&at t6 iv ä^xS-
") Vgl. Aristot. De gen. rf corr. II U, pag. 337 b 4—5: o ftev yoQ
dX^&ks tbietv Ihi ioxai, 6eX to0to elvai jtovt Ahf^tc Sti jon•^ Aristoteles fthrt
38 ImpoBsibilia
ergo est falsum. quare eius oppositum est uerura, quod nauale
bellum non fiet cras. Et consimiliter arguitur quod nauale
bellum non fore cras non est uerum; tunc enim non fore esset
necesaarium. et si non est uerum, ergo est falsum, cum sit
5 enuntiabile quoddam. quare eius oppositum est uerum. Simul
ergo uerum erit nauale bellum cras fieri et non fieri. quare
contradictoria simul uera.
Solutio. Intelligendura est quod duplex est operatio in-
tellcctus. quaedam est quae est indiuisibilium tntelligentia, ap-
10 prehensio ipsius quod quid est, alia compositio uel diuisio inlel-
ligibilium apprehensorum, et in utraque operatione intellectus
oportet esse aliquid primo intelligibiliter notum quod naturaliter
aduenit intellectui. sicut enim demonstratio est ex aliquibus
complexis primo notis, aut aliter nihil esset scire per demonstra-
lAtionem: sie et definitio ex aliquibus primo intelligibiliter appre-
hensis, quae per alia intelligibilia non definiuntur. Primum au-
tem apprebensum de unoquoque est ens, secundum quod docet
Auicenna in principio suae Metaphystcae ^). nam uniuersalia
sunt prirnum nobis npta. ente autem nihil latius est, et se ha-
» bent omnia per informationem ad ens, ut in Libro de causis»)
dann freilich fort: o 6i vvr äXridk^ ehetv oti ftsJüet, ovdev xiokvet fiij yevi-
aOat' fUXXior yao nr ßadi^rty m ovx av ßadiaeisv, waa der Diapatant wohl-
weislich übergeht. — Das Beispiel von der Seeschlacht selbst ist genommen
ans Aristot. l'eriherm. 9» p. 18 b 22—25: rt dk (it)xe eazai ftijzs firj foiai
aT'Qiov, ovx av rtt] ro 6:T6teQ hi'x^, oTov varftaxta' diot yag av fujrr yevia0at
ravftaxiav ai^gtov ftfjtf fit} yevso&ai.
') Auicenna, Afetaph. tr. I. 1. II c. 1 (fol. 4' col a. ed. Venet. 1495):
Dicemos igitur quod ens et res et necesse talia sunt quod statim impri-
muntur in anima prima iropressione. Das Citat ist auch sonst beliebt; vgl.
s. Thomas Aqu. De ente et essentia, wo es sogleich Im ersten Satz ver-
wendet wird.
*) Gemeint ist wohl Liber de cansis §4. (B^denhewer, Die pseado-
aristotelische Schrift Über das reine Gute, bekannt unter dem Namen Liber
de canais. Freiburg i. Br. 1882. S. 166, 20 ff.: Qnod est quia esse est
supra aensnm et supra animam et supra intcUigentiam; et non est post
causam primam latius neque prins causatum ipso. Vgl. weiter anten (Bar-
denhewer 8. 167, 16): ex esse causato primo propterea qnod dinersificatar
rent fonnae intelligibiles infinitae.
ful
llOv
äigeri de Brabantia. Sd
dicitur. esse enim est siniplex mcntis conceptus ad nihil determi-
natus, post ens autem ^) et per ipsum intelleclum apprehensiuum
notum est non-ens eidem oppositum. et quia de ratione entis,
cuius primo est apprehensio, est quod sit ens siue quod non sit
non-ens, quod idem est: hinc est quod complexum primo notum »
in operatione intellectus, quae est secundum compositionem et
diuisionem, est quod non contingit ens esse non-ens, seu aüquid
simul esse et non esse, quod idem est. cum enim principia
cognoscamus, in quantum terminos cognoscimus, in terminis
quorum ratio primo nota est habet fieri complexio primo nota. >i>
et cum praedicta complexio primo nota sit in ueritate, eidem
opposita primo falsa cognoscitur et in falsitate per se nota.
apprehensiones tarnen terminorum, in quibus praedictae com-
plexiones formantur, naturaliter primo fiunt. et cum ex ratione
entis et consequenter ipsi *) fiat nota ratio imiuscuiusque entis, 15
consequenter etiam ei quod est quod non contingit aliquid simul
esse et non esse fit hoc notum in unoquoque ente special!; ut
quod non contingit aliquid simul currere et non currere, uel
quod currens non est non-currens; et consequenter ueritati ta-
lium cognoscuntur opposita esse falsa. so
Ex praedictis ergo dicendum quod non contingit aliquid
simul esse et non esse, | neque contradictoria simul esse uera;
immo hoc est primum quod intellectus refugit sicut impossibile,
ita quod alia impossibilia fiant nota in sua impossibilitate, cum
ex eis accidere manifestum sit praedictum impossibile. 25
Ad primum in oppositum dicendum est quod non contin-
git aliquid opinari simul esse et non esse, neque contradictoria
simul esse uera, quia, si sie, cum opiniones sint contrariae quae
conlradictoriorum sunt, sicut dicitur in fine secundi Periherme-
nias^), contingeret eundem simul habere opiniones contrarias, w
unde non contingere aliquid simul esse et non esse est tale in
») aia P.
*) ipsi (seil, rationi entis) abhftngig von eonifquenter. Ebenso die
Konstruktion im Folgenden. Z. 16. 20.
»c
^ P hat die Abkflrsnng pyar = peryannenias. Die mit dem so ent'
Rtellten Namen gemeinte Sohrifl; xegi igfi^vtia^ {De interpretatione) iet in dei*
arabisch- lateinischen Übersetzung und bei Averroes in iwei Bflcher geteilt,
so ImpoMifaiii«
quo nullus errare potest oppositum cred^do. et natnraliter nenit
ad babeiUem, non ex aliqua ratiocinatione notum nee ex con-
dicto seu suppositione alicuius acceptum.
Et ad illud quod arguitur quod contingat hoc opinari, in-
r, telligendum quod contradictio est aflfirmatio et negatio non no-
niinis tantum nequc rei tantura, sed rei et nominis. propter
quod uniuersalis affinnatiua et negatiua eiusdem praedicati
de aliquo singulari illius uniuersalis non contradicunt, qaan-
quam de eadem re, ut de singulari illius uniuersalis, aliquid af-
10 flrmetur et negetur. incontinens igitur opinatur aliquid in uni-
uorsali, et de singulari illius uniuersalis oppositum opinatur« non
pori^ractans illud singulare esse sub illo uniuersali nee habere huius
rationem, opinans quod nullus actus fornicarius sit faciendus, cum
hoc simul habens opinionem quod iste sit faciendus, quanquam
15 ueruni dicere de illo quod fornicarius, illud non auertens nee per-
tractans. cum enim sciBtur maior et minor alicuius syllogismi
cum applicatione, impossibile est ignorare conclusionem in pro-
priu forma, eo quod ista habeant sufficientiam causae efficientis
generatiuae ') scientiae conclusionis; sed cum sola maior et uni-
si> uersalis non liabeat generare scientiam conclusionis et singulans
in propria forma, existentis sub illo uniuersali: binc est quod
potest seiri maior et uniuersalis, ignorari tamon praedicatum ma-
ioris inesse alicui singulari illius uniuersalis, et per consequens op-
positum credere in singulari eius quod credit in uniuersali; sed su-
tt> mendo affirmationem et negationem eiusdem et de eodem non se-
cundum rem tantum, nee secundum nomen tantum, sed secunduni
rem et nomen, nee inconlinentem nee alium eontingit affirma-
mationem et negationem sie acceptas simul opinari.
Contingit autem affirmationem et negationem contradicen-
w tes tripliciter accipi. primo modo in singularibus, ut: «Callias
currif et „Gallias non currit". secundo modo in uniuersa-
libus negationem praeponendo: „omnis homo currit", ,non omnis
homo currit". teriio modo sumendo uniuersalem et particula-
rem eidem opposilam, ut: „omnis homo currit", »quidam homo
deren zweites bei c. 10, p. 19 b 5 beginnt Die Stelle, welche hier angezogen wird,
Irt C. 14, p. 24 b 7 — 8: ivavxiat /lev yag at :tfQi m cirnxri/m'a (sc. 66iai).
*) goate /' ^vielleicht yenerantem scienfiam).
Sigöri de ßrabantia. äl
non currit". Quarto autem modo, sumendo uniuersalem et singu-
larem sub illo uniuersali, ut: „omnis homo curril", „Galliasnoncur-
rit", non est contradictio, eo quod, etsi Gallias sit homo, alia tarnen
ratio Calliae et hominis; et ideo non est affirmatio et negatio
de eodem secundum rationem; quare neque secundum nnmen. s
Ad aliud dicenduni quod naualc bellum cras forc non est
uerura. Quod probatur dupUciter.
Primo quia de ratione ueri est ut sit, et ideo uerum non
potest non esse, pro illa diflferentia temporis pro qua uerum di-
citur, ita quod illud de quo uerum dicere quod currit, non potest lo
non currere tunc; et illud de quo uerum est dicere quod fuit
aliquando, non potest non esse quin fuerit tunc; et illud etiam
de quo uerum est dicere quod erit aliquando, ut nauale bellum
erit cras, non potest non esse quod non fiat cras. cum enim
aliquid est de ratione alicuius, oppositum illius non est do eo is
possibile; et ideo si uerum est quod nauale bellum erit cras, cum de
ratione ueri sit ut ipsum esse habeat, non tantum uerum est quod
nauale bellum erit cras, immo nee eius oppositum est possibile.
Secundo idem apparet. Futurum contingens antequam
sit, ad neutrani partem contradictionis determinatum est, sed 20
potest esse et non esse, et ideo neutrum absolute acceptum ue-
rum est, sed unum sub disiunctione ad alterum; ita quod nauale
bellum forc cras uel non fore est ueruni, fore tamen non
est uerum, nee non fore est uerum. unde et Aristote-
les dicit in Perihermeniis^), quod uerum est in illis de con- zs
iingenti futuro sicut necessarium in illis de praesenti contingenti;
ut sicut Socratem currere uel non currere est necessarium, non
tamen currere est necessarium, nee non currere: sie nauale bel-
') Nachdem Aristoteles Periberm. c. 9 p. 18 a 33 -b 25 die oben
8. 27 Z 24 ff. geltend gemachte Schwierigkeit entwickelt hat, giebt er p. 19
a 23—32 seine Lösung: x6 /tiv ovy shai x6 Sv Szav ^, xm tö fi^ ov (lij tlvat
orav fiij ^, aväyxt]' ov ftrjv ovte t6 ov obiav ävdyxrj flvai ovze t6 fti] ov fiti
tivnt. ov yriQ lavxöv iozt rö ov (viav elvat e^ aydyxrji oxe iaxi, xai rö cbrAö);
fivat e^ dv(XYxr}i. Sfiotois 9k xai iai xov fiii Jiroff. xai ijtt x^g dvxitpdaeo}; 6
avTog JLoyoi. etvat ftkv »/ /i^ elvai a:xav ävdyxt}, xai eoßO'&ai ye ^ fttj' ov fiev*
xot Siekövxa ys euxeiv &dxeQOv dvayxatov, Xiyto 6e oTov dväyxtj {ikv roec^t
vnv/taxiav avgiov 1} fti) BOEo&at, ov fthxot eaeo&ai yt aifQtov vavfiaxtar dvay-
xaToy ovde ftf] yheo^at' yEvia&at fterxot t/ ftif ysvEo&ai drayxaTov,
luin (ote uel noo fore est uenim, non tarnen fore est aaum,
nee non fore absolute acceptom, et hoc sapponendo coatingen-
tiam istorum fiitiiroram; et haec est intentio Aristotelis in
Perihermenüs ■), quamuis aliis uariis modis de ueritate illanim
sde fiitaro contingenti soleat dici, de quibus non est ad praesens
curandnm.
Dicendum igitur quod nauale bellam fore non est uenun.
Sed cum arguitur: ,ergo est faJsum", non sequitur. eadem
enim uia qua probatur quod in altera parte de fiituro contin-
■0 genti accepta non est neritas, eadem uia etiam manifestum est
qnod non est falsitas. Et quod arguitur: »sequitur: non est
uerum; ergo est falsum, cum sit enuntiabile". in Ulis de prae-
senti et praeterito uerum est, in quibus est ueritas in altera
parte contradictionis absolute accepta, et in altera falsitas.
ifi non enim sequitur: ,hoc enuntiabileaffirmatiuum non est uerum:
ergo est falsum", ntsi fuerit enuntiabile tale in quo oporteat esse
neritatem uel falsitatem cum fuerit absolute acceptum, et non
tantum in disiunctione ad contradictorium. talia autem non
sunt illa de futuro contingenti, sicut iam uisum est et ideo
so sicut uerum est quod nauale bellum cras fiet uel non fiet, nee
tarnen uerum est quod fiet, nee uerum est quod non fiet: ita
fore uel non fore est falsum, nee tarnen fore est falsum, nee
non fore est falsum ^).
') Ad der S. 31 Anm. 1 citierten Stelle.
*) Der Sinn dieses letzten Satzes dQrfte sein: Obwohl es falsch ist,
daß die Seeschlacht zugleich sein oder nicht sein werde (dafi es gleichbe-
deutend sei, die Seeschlacht werde sein oder nicht sein), so ist es doch nicht
falsch, daß sie sein werde, eventnell nicht, daß sie nicht sein werde.
TerzQiCluiis der in den ImpossibiUa SigeH
angeführten intoren.
Albertus Cploniepsis 17,6.
Aristoteles B,]. 15,24. 17,(1,9. 18,12.14. 19,1.3.7. 27, 1«. 19. 26-
31, A4. 32.3.
Parihenneaias 29. 29. 31,25. 32,4.
Pbys|ca4,&. 9,1. 15,24.
D4 g^ndrat|one et comiptione 27, 26.
MeUphysica 2,1. 27,19.
Ethica Nicqmachea 27,18.
Auempac« 18,7.
Auerroes 13,20. (Commcntator:) 19,18. 20.6,
Auicenna 5,2. 21,29. 25,8. 28,18
Liber de CaUsis 28, 20. .
Thomas de Aquino 17,18. 19. II.
Zeno (bei Aristoteles) 9, 1 .
ßeitrftge II. i>. Baenmkar. SiKor von Bralinnt.
Wort- und Sachregister.
Absentia 2G, 5. 25.
absolute 31,21. 32,2. 14. 17-
absolulas 20.1.
abstractus 14,6.
Accidens 4, 4. 6. 14,31. 22. 16. per
accidens vgl. per
actio (J,17. 22,17 ff. 2ö. 23,16 ff.
24, 12. ai 2D, 1. 26,8. 31 f. 27,3.
actualita» 2G, 2.
actus /. Wirklichkeit b,n. \Ci. 6,11.
13,9. 14, 22 f. 27,17. IL nätig-
keit 21,4 ff. 22,2 ff. 15 ff. 23, 2 ff.
24, 3 ff. 31. 25, 3 ff. 26, 10 ff. 30,13.
Vgl. humanus, malus,
aeternitas 3, 8.
affirmare 30, 9.
afflrmatio30,5. 25. 27. 29. 31,4.
amrmatiuus 30. 7. 32, 15.
agens 5, 17. 27. 29. 2i, 17. 23, 3.
agens prinmm, proximum 23,20 ff.
agere 5,32. 23,3. 2.% 18. 26,22. 27,4.
agibilis 22,28.
agon 11, 1.
aliquando 31,12 f.
altquid, oj)fi. nihil 5, 14.
anima 6, 8.
animal 3,2(;. 20,9.
antecedens 2,5.
apparenlia 7, 22, ^6 ff. 8. 9. 10, 1 1 ff
apparere 7, 19. 22 ff. 8, 1 ff. 9. 12.
24. 29. 10, 3. 10 ff.
apparitio 8, 28.
appetere 6, 3. 13.
appetibllis 2, 1.
epplicatio 30, 17.
apprehendcre 28,11. 15. 17.
apprehensio 28,8. 2^), 4. 13.
aptus 24,24.
arca 6,7 ff.
assimilare G, 1.
auferre 15, 25 ff 16. 19. 21. 17. 7 f.
18,13. 19,21. 22 ff. 20.3.
Bellum: nauale 27, 24. 28, 1 fiT. 31,
6 ff. 32,7. 20. Troianum 10,30. 33.
11. 1 ff.
boniUs 2t, la
bonum 1. 15. 22, 25 ff. 23, 16 ff. bo-
num humanum 22, 25. 23, 15 ff.
24,8. 11. boDum aliorum 24, II.
quorandam 24,18.
Caelestis 2.15. 18,7. 11.
oalidus 23,33f. 24, 1 f. 25,10. 26.14.
18 f.
Callias 30, 30 ff.
carpentarius 6, 9.
causa 1, 9. 13. 2,2. 9. 13. 19. 3, 27 ff.
4,11. 19. 5,1. 3. 30. 6,16 ff. 7. G.
7. 13. 21. 28 f. 22, 13. 24, 33. 37.
25.2 ff. 30 ff 26,4 ff. 22 ff. 27, 3.
' causa prima, proxima vgl. primus,
1 proximus.
j causalis 14, 12. 20, 7. 11.
causalitas 7, 3.
causaliler 14, 19.
causans 3, 13 ff. 33. 4, 3. 10. 5, 7.
causare 6, 27.
causalum 3, Uff. 3:1. 4,3. 11.23. 5.8.
10,27.
centupluni 16,9.
certitudo 7, 25. 8, 2. 4.
certus 7, 20. 8, 18 ff. 9, 24.
ciuiUs 21, 15 f. 23,27. 24.19.
coactio 24,22. 25. 31.
cogere 24, 24. 27.
cognitum 9,25.
cognoscere 9, 2G. 29, 9. 20.
columna 15.20 f.
comestio 25,9. 26, 13.
Wort- und Sachr^ister.
35
communis: malum uommune 24,19.
communilas 23.1.
cumplexio 29, 10 ff.
complexus 28.14. 29, 5.
conipositio 25,10. 28,10. 29,6.
conceptus (mentis) 29, 1.
conclusio 8,2. 30,17. 20.
condicio 24), 12.
condictum 30, 2.
consequens 2,29. 24,34.
consequenter 29, 15 f.
consuetudo 9.8.
contingens 27, 25. 31, 19 ff. 32, 5.
rgl. futurus, praesens,
contingenlia 32, 2.
continue 12, 9 ff.
continuus 11,33. 12,23. 13,2.
conlradicere 8,21. 35. 9, 5. 12. 30,8.
conlradictio 3, G. 30,5. 31,20. 32,14.
contradictorius 3, 4. 8, IH. 27, 8. 1«.
28, 7. 29, 22. 27 f. 32, 18.
contrarius 8, 7. 24,5. 25,11, 29,28.
corpu.s 2,15. 4,4. l(i, 14. 17,15.
18,7. 10. 20,29. 31.
cornimpere 11, 10. 12 ff. 12, l ff. 24.2.
corruptio 11,14 0". 12, 2. 7. l9. 23,
34. 24,1.
cras 27,21. 28,2 ff. 31,6. 14 ff. 23.
32, 20.
creatum 5, 14.
credere 7,22. 2ß ff. 8. 1 ff. 9,0. 17-
30. 10, 1 ff. 25. 30, 1. 24.
creditum 10, 24. 2fi.
credulitas 10, 27.
purrere 29, l!i. 30,31 ff. 31, 10 f.
27 f.
»eceptio 10,9. 18.
decipere 7, 24. 10, 5 ff.
defectiuus 26,31 f.
defeetus 2, 30. 3.5. 7,12. 22, U.16.
23, 13. 2(J, 30. 27, I f.
deficere 22, 15. 17. 23, 4. 17. 18. 27,4.
detinire 28, 16.
definitio 28, 15.
delectabilis 22, 20 f.
denionstralio 18, 14. 28, 13 f.
demonslratiuus 19, 4.
dependere 4, 2. 6, 22. 23. 7, 6.
descendere 13,5. 15,30.
deslructio 2,28.
determinare 22, 1. 29,1. 31,20.
deus 1,6. 10. 2,5. 8. 14. 3,9. 10. 16.
4,9.17.18. 5,25. 6, 2. 22. jy. causa-
primus, principium, prouisor.
differentia 13,12. 14. 17,10. 12. 31,0.
dignus: dignior 9,2. sensus dignior
8,21 ff. 9,5. 12 ff. 10,19. inlel-
lectus dignior 8,24.
diiudicai-e 7,23. 27 ff. 10, 13.
dimensio 17,15.
disiunctio 31.22. 32,18.
disposilio 25,5. 19. 24. 26,23.
diuidere 16,17. 20,32.
diuinus 24,14.
diuUibilis 11,33.
diuJsio 28, 10. 29, 7.
dormire 7, 33. 8, 12. 9, 18. 10. 4.
ESectiue 1, 18. 6,6. 10.
effeclus 21,28. 22,14. 25,4 ff. 31 f.
26,3 ff.
efficiens (causa) 2, 2. 6, 20 ff.
ens 1,11. 2,4. 3,7. 5,26. 28,17.
19 f. 29, 2 ff. 15. 17. ens per se, per
aliud 2,8. entia naturalia 22,26.
ens speciale 29, 17. ens in potentia
13,16. non-ens2,24. 7,12. 17,11.
29, 3. 7.
enunliabile 28,5. 32, 12. 15 f.
errare 30, 1.
error 8, 27. a5.
esse 4,2.ff.24ff. 5, 1 ff 15. 7,6f.l3f.
11,1.3. 29,1. conceptus esse 29,1.
esse causatum 5, 1. esse instantis
12,21. esse mutati 12,9.20. esse
in loco 13, 15. esse opp. quod est
4, 24. esse npp. non esse 7, 7. 14.
22,1 27,7.21. 29,8.17.22.27.31
31,21. non-esse 2,13. 17. 21. 4, 1.
7,9. 12,5.
essentialis vgl. pars.
exemplum 22, 20.
existenlia 7, 21. 8, 4. 18 ff.
extremum 18, 5.
exlrinsecus 2, 12. 2). 27 ff. 3, 4 f. 30.
35. 4,30. 5,3. 7,6. 12.
Falsilas 27, 12. 29,12. 32,11.11.17.
falsus 27, II. 28, 1. 3. 29, 12. 20.
32, 8. 12. 16. 22 f.
flnalis (causa) 6, 14.
finaliter 5, 32. 6, 2. 6.
finis /. Ende, Grenze 14, 28. 31. 34.
//.2«rMfc 1,13. 15.18. 5,81. 6,9.11.15.
3*
36
Impossthilia Sigeri de Brabantia.
flnitus 16,4.7.
flumen 8,29.
forma /. phymek 1, 11 f. 2, 17. 18. 20
26. 5,27.6,7.9. 13,14. IL logiach
30, 18. 21.
fornicarius 30, 13. 15.
frigidus 23, 33 f. 24, 2.
futurus (futurum contingens) 27, 24.
31, 11». 32,5. 9. 19.
Geaus 24, 17.
graue 13.4. 6 ff. 14,8 ff. 16, 19 ff.
17,7 ff. 20,2 ff.
grauitas 16,22. 19,27.
gustus 8, 15. 9, 17.
Hnbiludo ü,16. 7, 15.
homo 22, 2. 5. 28 f. 23,1. 8. 26, 32.
30,32 ff. 31,2 ff.
humanus: genus humanum 24, 17.
ratio humana 21,14. actio humana
22, 25 f. 24, 33. 26, 9. 32. actus
humanus 21,4. 22,4 ff. 23, 2 ff.
24,3. 26,11 ff. bonum humanum
22,25. 23,15 ff. 24,8. II.
Ignorare 30, 22.
immobilis 6, 21. 22. 29. 15, 6. 19, 16.
imparlibiliä 4, 5.
impedimentum 24, 36. 25, 15. 17. 22.
26,5. 25.
impedire 18,16. 18. 24,31. 2.5,2. 4.
12 ff 31.33. 26,3 ff.
impellere 13,7. 14,10.12. 16,17. 20,
10. 24.
impetus 24,25.
impoBsibilis 1,4. 7. 3, 3. 0, 7, 10.11.
19, 8. 29, 23 ff.
impo^sibilitas 29,23.
inclinalio 18,8.
jncompossibilis 19, 3;^. 20,4.
inoonlinens 27, 15. m), 10. 27.
jndiuisibilis 4. .5. 28,0.
inesse {lof/isch) 30,23.
inlectus 9,18.
inferius 13, 8 fr. M.'Jlf. 16.24. 19,2!».
20,4.
inftnilus: in infinitum (1,28. K',, 14.
infirmus 8, II 10, 4.
informalio 28,20.
insipiens 8, 12. 14.
instans 10,31. .^2. 11,1 ff. 12,8 ff.
intellectus /. V^ernunf't 8, 23. 9, 14.
10. 17. 28, 8. 11. 13. 29, 6. 23
//. mgriff 8. 22 flf. 9, 5. 14.
10, 19.
intelligentia /. Gei*ticeaen 1,16. 2,13
ff 3, 5. 7. 6. 5. 7, 5 fT. TT. Ver-
nunfteinsicht 28, 9.
intelligere 17,15 f.
intelligibilis 2.1. 6,11. 8.23. 28, 10. IG.
intelligibillter 23, 12. 15.
intermedium 20,2.
intrinsecus 3,31.
iudicare 8, 6 f. 9, 11. 10, 16 f. Vgl,
diuidicare.
iudicium 9,4. 10.
Irfgumlator 22,8. 23, 26 f. 24,9. 25,2.
locus 13, 15. 20, 2.
longe 10,3.
luna 3,27.
Bfagnitudo 4, 5. 7. 17, 17.
maior {propoaitto maior) 7, 29. .30,
16. 19. 22.
malitia 21,5. 24,15. 20.
malus: aclus2I, 5.14 ff. 22, 5 ff. 23,6ff.
24,3. 26,28. malus als Substantiv
22,8. 23,26. malum 23, 2. malum
commune 24, 19.
manere 12, 20.
manifeslus 27, 12.
raateria 1,10. 2,17. 5,20.28. 6,7
13, 13. 15.
materialis 5, 16.
malhematicus: spatium mathematieum
15,6. quantitatis malhematicn 17,4.
mathematica (P/«rai) 1,14. «J, 4.
medicamcntum 26,17. 20.
medicus 26, 16.
medium 14, 9 ff. 15, 4. 25. l(j, 18
18,3 ff 19.2 ff 22 ff.
mens 29. 1.
mensura 12, 23. Iß, 16.
metaphorice 6, 12.
minor (proposttiominof) 27,14. 30,1*1.
miraculosu^ 9,6.
mobilis 1,16. 6,25. 1-3, 6.8. fT. 14,
21 ff. 15,5 ff. 16,24. 19, 12.
mors 25,10 f. 26,15. 19.
motor 16, 25. 18, 9. 20, 23.
motus 1,16. 2,3. 6,12.17. ir. 1.
13,5. 14,2 ff. 15,26 f. lü, 18 ff
17,2 ff. 18,1 ff 19. 19 ff. 20,3.
11. 14 ff
mouens 13, 5. 9 ff. 14, 21 ff.
Wort- und Sachregister.
37
mouere 1, 16 f. 2,3. 6,2.21. 13,«» ff.
niouere per se 14, 3 ff. per accidens
14.1 ff.
inutabilis 12,16. 21.
mulare 11,9. li,9 ff.
mutatio 12,22.
Natura 2,20. 28 2ii. 31. 3, 3. 7, 9.
17.12. 19,27. 22,5.
naturalis 0, 7. 9. H, 12. 15,27. 16,21.
18,2r. 20,7.11. 22,26. naturalia 23,32.
naturaliter 20, 12. 28, 12. 29, 14. 39, 1.
nalus 10, 7. . 25, 4. 12. 2(j, 10.
naualis njl. bellum.
Dauigare 8, 29.
nauis U,.l 5. 17. 20,15 ff.
nauta 14. 3. 16. 20, 15 ff.
necessario 21, 25. 27. 25, 2(). 32. 26, 15.
necessarius 1,7. 3, 10. 18 ff. 21.28.
26.2 ff. 28.4. 3I,2ö ff. necessa-
rium, drci' Arten 24,21 ff. 25,9 ff.
necessitas 5, 5. 2(>. 4. 15.
negare 30, 10.
negatio 5, 12. 20. 30. 5. 2."). 28. 29.
negatiue 5,10 f. 7, l.
negaliuus 30,7.
nihil 2,6. 3,21 f. 5,14. 19.21 f.
nomen (opp. res) 30, 5 f. 26 f. 31,5.
nolus 3,11. 4, 10. U. 21. 10,23. 26.
28,12.14. 29,5. 10 ff. l.'-). 17. 30,2.
Vyl. primo, primutii.
Occursus 22.23.
operatio (intellectus) 28,8. 11. 29,0.
opinari 9,11. 27, 10 ff. 29.27. ;«),4.
10 ff.
opinio 8,34. l(t, 27 f. 27, IG. 29,
28. 30.
oppositum 7, 13. 9, (i. 27. 23. 2«, 1. 5.
29,12.20. 30,1.23. 31.15.
ordinäre 21,21 f. 22, 24 ff. 23,6.10.
15 ff. 28 ff 24, 3 ff 36. 25,2.21.
ordo .5,13. 14,12. 20,7.11. 21,7.24.
22, la 18. 22. 23.9. 26 ;)0. 24,5.
otiose 25,2.
otiosus 26,24.
Panificus 21, 16.
pariKcare 3, 8.
Tarisiensis (studium Paris^iense) 1,3.
pars /. iJAy«/sc'A 4,7. 8. 14,31. 17.13.
18,5. 20,30.32. //. fo^wcÄ 31, 20.
32, 9. — Partes quantitatiuae 13,
10 f. essenliales 13, 13.
particularis 30, 31 in particulari 27, 16.
passio 8, 19.
per: per se 2, 8. 6,31. 7.1.9,22.26.
10, 22. 11, 13 ff 12, 1 ff. 13, 15.
14.3 ff 15.2 ff 19,15 ff. 20,19.
26.4 ff. 19. 24. 29, 12. per aliud
2, 8. 9, 26. per accidens 11. 13 ff.
12, 3 ff. 14. 1 ff. 24 ff. 15, 1 ff. 19,
13 ff 20, 17 f.
perfectio 22,25. 23,3. 27,2.
permanere 12, 19.
persuasio 25,22,
petere quod est In principio 27,21.
phantasia 8,33.
philosophus 7, 16.
plenus 15,26 ff. 16, 1 ff. 16 ff. 18,3.
19, 20. 23 ff
positio Lphi/sittch 4,1. 17,16. //. lo-
gisch 19,3. 5.
positiue 5, 10. 7, 1. 2.
possibilis 2,27 ff. 6, 1.
posterius 1.5,7. 16,1. 17,1 ff. 19,24.
potenlia 2, 17. 26. 5,11. 16. 7,9. 13,
9 f. 16. 14,22 ff. 15,10. 15 ff
praedicalum i,\b. 30,7. 22.
praesens 10,32. de praesenti 32. 12.
praesens conlingens 31,26.
praesupponere 6, 18.
praeteritus: de praeterilo 32, 13.
pritno 29,10ff. primo no1um28, 12. 14.
29, 5. primo apprehensum 28, 15.
prirous: primum 2,6 f. 3.3(J. 4.21.28.
5.8.19. 6,31. 7,7. 2.3, 2 J. 27. 2.%
23. primum princlpium 2, l. 6, 17.
23, 14 f. 24,1. 27,2. causa prima
5, 29. 10, 26. 22, 13 ff. 26, 2.1 f.
prouisor primus 21.10. 12.21. 22,7.
23, 12. 30. ageas primum [opp.
proximum) 23, 20 ff. primum ap-
prehensum 28,15. primum notum
28. 19. primum necessarium 1, 7.
primum impossibile 1,6.
principium /. physisch 2, 4. 4, 30. 32.
5.8. 11,31. primum principium ty//.
primus. IL logisch A,\^. 8,3. 27,
22. 2i»,8.
prioritas 5, 17. 20.
priuatio U, 15. 17.
priuatiue 5. 10
prius 15,6. 16,1. 17,1 ff 19,24.
prubare 27, 20 f.
38
Impossibüia Sigeri de Brabantia.
prohibere 21,5. 8 ff.
prohibitio 21,26.
prope 10,3.
proporlio 1 6, 8.
propositio 4, 16.
proueclus 9,8.
prouisor 21,7 ff. 2i,7 ff. 23,12. 30.
24, 7. 10. Vgl. primus.
proximus 23,21,
prudens 21,9 ff. 24,8.
pueritia 9,8.
punire 21, 6 ff. 22, 3 ff. 23, 28 f. 24,
20. 26 ff
punUio21,ai2. 22f.2G. 22,6. 23, 8 ff.
14.24. 24,4.14.16.32.36. 25,2.22.
Quaestio 4. 18. 19.
qualiter 11,28.
quantitas 17, 4.
quantitatiuus 13, 10 f.
quiescere 9, 2. 12, 15.
quod est {opp. esse) 4,24. quod quid
est 28, 10.
Baritas 15,29.
ratio /. Vei-nunft 7, 4. 9, 2 f.
10, 22. 11,28. a-AlO ff. 24 ff. 23,
4. 5 ff. 13 ff. 27, 1. 4. ratio humana,
diuina 24, 13. recta ratio cgi. rectus.
//. BegriJ 3, 7. 4, 12. 13. 15. 17. 22.
5,8. 18. 17,14. 24,15 f. 29,3. 10.
15. 31,4. 8. 15. ///. Grund 8, 17.
9,23.28. 10, 23 f. 21,17. 2 V. Be-
ziehung, Verhältnis, Weise 6, 19 ff.
7,2. 8,7 ff. 13,11. 30,13, 31,5.
ratiocinatio 30, 2.
ralionabiliter 15, 25. 16, 21.
rectus: recta opinio27, 15. recta ra-
üo 22, 10 f. 24. 27. 23,5. 24,36.
refugere 29, 23.
legnum 24,19.
remouere 26,26.
reprobare 27, 10 f. 23.
res: in re 7,31. 8,1. 10,13. res,
opp. nomen 30,6. 26 f. rerum na-
tura 3, 6 f. causalitas rei, opp. ra-
tionis 7, 4.
resistere 16, 17.
Sanu3 8,12. 9,17. 10,4.
sapiens 3, 11. 4, 9. 16. 21. 8, 12 f.
9,8.
sapor 9, 17.
scibilis 4, 20.
scientia 30, 20.
scire 28, 14.
semper 25,27. 31. 33. 26,8.
sensatio 8,31 f. 9,22. 29 ff.
sensibilis 9,4. 17,15. sensibiie pro-
■ prium, commune, per a'-cidens 9, 19 f.
sensus 7, 26. 28 ff. 8, 2 ff. 9, 2 ff.
12 ff. 10, 2. 10 ff. 22. 21.
separatus 6, 10. substantia seporata
6,13.
siccus 20|31.
simplir.iter 19, 4. 10. 22,4. 24,20.
simulll,8. 19,25. 23,11. 27,7.21.
29, 16. la 22. 27 f. 31.
simulacrum 7, 20. 8, 19.
singularis 30, 8 ff. 20 ff. 31, I.
Situs 18, 1 1.
sol 3,27.
somnium 7,20.
sophista 1,3.
spatium 12, 14. 15, 6. 28. 16, 4 ff.
17, 2 ff. 19, 24 ff.
specialis 29, 17.
species 1,12. ^2,5. 23,21.
Stare (bestehen, gelten) 15,13. 23, 11,
Status 3,28.
Studium Parisiense 1,3.
subiectum 4, 7. 1 5. f.
substantia: substantia separata 6, 13.
in substantia, opp. in esse 12,21.
13,1.
subtilis 16, 10.
sublilitas 15, 29. 16, 14.
subtus 20, 24. 27.
successio 15, 26. 16,20. 17,5.8. 18,
1. 9. 13. 19, 7. 23. 34.
successiue 18, 6.
sufficiens: causa sufficiens 4, 22. 25.
sufflcientia 30, 18.
superius 13, 6 ff. 14, 25. 16, 22.
Supern aturalis 9, 6.
suppositio 3,25. 18.15. 30,3.
Syllogismus 30, 16.
Tarditas 19,2. 6.
tempus 3, 8. 11. 2 ff. 31. 35. 12, U. 10.
21. 13,1. 1.0,27.29. 16,2 ff. 18.2.
19,9. 31,9.
terminatus 20, 31.
terminus 1. Endpunkt 11, 14 ff. 30.32.
12,2. 7. 14,32. 35. //. Wort 4, 14.
29, 9. 13.
Wort- und Sachregister.
39
textus 17,0.
terra 8, 29.
totum 4, 8. 23, 1.
Iransire 16, 11. 19, 9.
Iransitus 15, 7. 16, 2. 16.
transmutatio 6, 24 fl. 12, 4. 19.
Troianus vgl. bellum.
Vacuus, uacuum 15,25. 28. 16,4 ff.
16 IT. 17. 3 ff. 18, I ff. 19, 12 ff.
20,2 ff
ubi 11,9. 13,9.
ueUe 6,12 f. 21,25 ff. 24,24 ff. 25,
18. 26,22.
uelocitas 18,2 f. 19,2. 6.
uerita3 16,27. 29,11. 19. 32,4.10.17.
uerificare 27, 8.
uerus 3,10. 10,32. 11,4.26. 27,10
ff. 25 f. 28, ! ff. 29, 22. 28. 31, 7 8ff.
22 ff. 32, 1 ff 7 ff
uictnria 16,22.
uiKilare 7,33. 8,12. 9,18.
7. 21. 23 ff.
10,4.
9, 29.
10,
uirtus 4, 4. 7.
5. 7. 13. 20.
uisio 8,30.
uiuens 25, 11.
uniueräalia 27, 16. 28,18. 30, 7 ff. 10 ff.
31 ff. in uniuersali 27, 16. 30, 10.
uniuersalitas 27, 2.
uniuersus 23, 1.
unus 12, 22 f. 13, 1 f. 20, 30.
uoluntarie 24,28.
uolunta.«« 6, 12. 22, 2. 23, 13. 24, 23.
33. 25,1. 26,9. 27,1.4.
Zeno 9, 1.
I. Die Handschrift
fef vorstehend zum ersten nmte^ «ftllständig verftffentHehte-
Traktat ist uns, soweit bekannt, in einet •inzigen HirftdÄrikrin.
überliefert:
P Purin, BibUotheque mitionale, tat, 16297, «bemals Sor>-
honne 1334, Pgmt., 262 fol. 4^ zwei Ä«lumnen„
XIU. Jahrh.
Die hitpitmbilm Sitferi reichen von fol. 106*^ col, b bis fol. 11*0'*
col. b. Wie sie mitten in der Kolumne anfangen, so füllen «fe*
auch fol. 110^" nicht völlig aus; vielmehr stehen fol. IIO^' col. b"
uml dann uniet beiden Kolumnen dieser Seile uocti mehrere
SatÄp,- die zum folgemlen SliK-k gehören ^).
bie Handschrift ist eJn Miscellancüdex, von renjchiedenen
Händen, doch durcliweg im Xllf. .^»hphundert i^'esihricben- Wie
■wir aus einer Notiz auf fol. 262^' ersehen -'), ist dieselbe au«
deui Legate des Gottfried von Fontaines (Gwlofreflux ih Fou^
Ubwf) an die Sorbonne gekommen'*). Dieser, »in berülmiteii"
Lehrer der Theolojjio an der Pariser Universität, voTftv Kardinal
Johannes Monachua (Lomoine) nls , grau de lunien" de.* Pariser
Sludituxts ge(«i»rt '), war zuglelcli Kanoniker von Lütlich % Aul
') S. S. 42 Anm. 2.
1 l8to liböT est coUegii paupenmi de »rbona studentiuni in theologica
facQlUt*. « l«ga.^o moglBtri godefredi dt* fontiboB.
^ f'twr liiea Legat und die au» ihm atammeiwlen HandachriftoD der
P»riaor NatiünalWbÜoi ^^^^ ^8*- ^' l^ölislc. U Qthim-t ^hs manu^eritö de la
*J Chtirtultirfitm't «'"'''''''"■''''•* i>i '•»"«'''»«'>» "U. H. Deniflü, anxilianto
'J ^icoU u» IV BchT. -''^t 12^2 März 15: ... ac magistro Godefredo de
"''V caaoai T» V"'U.-il« "' ''ß'''^' ^''*"''"" '" theologia. DenifU. Char-
Die Handschrift.
LfUtich weist auch ein freilich von anderer Hand als unser
Traktat geschriebenes Stück dei' liaudschrift, die Konstitutionen
der Lütticher Kirche (fol. 233—237). Gottfried von Fontaiucs
lebte noch ^) zu Anfang des Jahres 13<H-), scheint aber bald
darnach gestorben zu sein '^). Einige Zeil nach 1304 also ist
unser Manuskript in die BibUotlick der Sorbonne gelangt. Es
ist nicht mehr ganz in der ursprünglichen Gestalt, da es zu
Anfang einiges mehr aufweist, als das fol. 262" sich findende,
von einer \h\ui\ des friibea XIV. Jahrhunderts stammende Re-
gister ongiebt %
tut. II. p. 53. — Daß Göttfried von Fontaines hier zugleich als Magister re-
gen» und Canonicus bezeichnet wird, erklärt sich daraus, daü or, dem nll^ü-
meiiicn Privileg entsprechend, von der Hesidenzpfliclit entbanden war.
') Delisle. r^ ,f. O. II. p, 150. Denifle. «. n. 0. II. p. 91 n. L
'l nach modenier Itechnnng: Kehntar 1308 nach alter Hezeicliiiung.
\ Denine, Cbartiil. It p. 91 n 1.
') Da Hnurt^ao In Rcini>^ sogleich zu crwflhncnd'ün Beschreibung der
Haiidachrift dioaee tnhaltsrerzeiohnis nicht mitteilt, ao sei es hier abgedruckt:
In hoc volumine contincutur it^ti ühri (]ui Hecuntur.
liiier de perfectione vite apiritualia.
Quodlibet cuLoadam magiatri.
Qucdam queationes naturales.
Item über de por'ectione vite apirituali».
Kpiatola thome ad duciauam brabancie.
Itein tractjitua de forinn abaulueiidi.
Item In|ioHHibilia Lygen de brabani-ia.
qucsttones higicalea et gramm.nticalcs.
i^uinnia dictaniinla. lUihhitfr, rtm nmifier uiut HHtschfinen'i JÜit-
gtfer Hand: magi^tri guidoni» valdo bona.
Item quodlibet (*vjm :/. Ilnnfi ohm quolibet horvi'jieri) ruiuiidam
niagiatri. Ihthinter mn derafilhen 'J. Utind, wir bei <ier rori-
gw üuiHmfr: de statu ciiratomm (?, Abküt'ZHng unklnr) reli-
gioanrum sacrorum (?, Schrift ttnd Ahkürzuttg unklar) bene
atilium.
ClemeDB papa de articulia fidoi.
De regnlia tlieologie.
lih{T de intelligentits.
Intilulariones ecciesic Icodieusia.
De corpore Christi et eiua fato
qaedam queationes de corpore Christi.
(Juodam alia.
1
^2 Impossihilia Sigeri de Brabantia.
Eine summarische InliaUsangabe des Manuskriptes ftndel
man h) der Hihfiothfifjue fh Vintlr f/r.s rharfrs, T. XXXI. Annee 1870.
Paris IS7I, p. 136. Ausrührlich ist dasselbe von Haurc'au l3e-
Ni'hrii'lK-n '), der auch FrapHonte aus verschiedenen voji den in
der Hiiudschrifl cnllialtoneM Stücken miUeilt. Seine Besohrei-
t)ung ist in allem Wcsf^itlichon /utrcfTend -'). Wenn er aber
meint "), wit* schon vor ihm Le (Herc ), dt-r Ti-aktal sei in un-
jierpr Handschrift unvollstlndig, so cnlh(^lirl diese Annahme jedes
(Jpundes. Vielleicht ist dieselbe dadurch entstanden, da& Le Clerc
und Haureau einige Sätze, die in der Handschrift hinler dem
Daniiitor der oben S. 40 Äom. 2 abgedruckte Provenienz- Vermerk Dann eine
AnKiibe Ober Hen Preis (40 soll und ein verwischte!* Wort, dns Le Clerc,
llixtoii'f lito'raife lic ta Fitim-f. XXI. p. 121 — wenn ich seine Notiz richtig
bfsieh« — ala cathrnabitur (ntttnlich zum allgemeinen Gebrauch) liest» das
ab«r anob den Namen eines Benutzera enthalten kann.
') B. Hauri^au, Xotirf^ ri vjrtmittf de qm-hinfs rnnmutf-rU« IttiimM
,lr h hiMütthftfUti nntionalit. T. V. Paris 189*2. p, 80—108.
') Ungenau ist, waa Hanräaa, o.tt.O. S. 99, Ober daa den lm/*osttibi-
Hn Sijffri folgende St^ck, die <^uodHhft(t eines ungenannten Autors, bemerkt.
Ifli licriclitige difts hier, weil vermutlich dieser Irrtum schon Le Clerc und
niicli ibni Hauräau zu der gftnzlich unbegründeten Anäicht verleitet hat, die
IinjMtHMthifia Sitjft'i seien unvolUtändig.
Jene (^uotiHhvftr beginnen oÄrolich nicht erst auf fol. IIK mit der
Krage: «Vtnim dialoctica sit scientia," sondern e« geht ein Teil vorher, der
noch auf fol. 110^, dem Blatte, aitf dem die fmpmitibitia Si-yeri scfalieQen,
«tohi. Dies Stück boginut fol, 110'' col. b; .Cum in omni specie entis «it
nliqiiiid siininuiin boiinin pusstbile, 4juia constat quod cullibet speciei eotis est
aliquod bonum posäibile: ai ergo in illo ad finem non contingeret deuenire, ul
utiaet aliquod summum et ultimum bonum cuiuslibet speciei, tunc esaet «li-
qnod hnnum poiutibile »peciebus enti» ad quod impoesibile esset ipsaa deae*
iiire.* Dieser Text setzt sich dann unter beiden Kolumnen von fol. HO*
und am unteren Uande von UU fort Hierauf erst folgt III r: ,Vtruni
dialcctica sit scientia* n. s. w.
Zu bemerken ist, daß die Blattversetznng. welche den Text der Im-
hifiu Siffrri in Unordnung gebracht hat, auch in dii?sen <^mnilibrta, die
uf der andern R&lfto der betreifenden in der Mitte gefalteten Blätter stehen,
riederkohrt. Fi>l. 112 muß hinter fol. 114 (wie dort fol. 109 vor fol. 107).
■■) A. a. 0. S. 92.
') Hiät. litt, de la Frnncr. XXI, p. 121. — Wenn auch ich {Arvkie f.
^e$th. der PhUos. X. iferlin 1897. S. 150) dies wiederholt habe, ao kannte
eh eben dumala die Handschrift noch nicht.
Die Handacfarift. 43
Schluß des Traktates auf derselben Seite stehen, aber zur fol-
genden Abhandlung gehören, mit der sie auch in der Schrift
übereinstimmen, irriger Weise noch zu den Impomb'dia Sigeri
zogen. Im übrigen erledigt das VI. Kapitel, wie die Inhaltsana-
lyse zeigen wird, seinen Gegenstand ganz programmmäßig. Die
Annahme aber, daß noch weitere Kapitel geplant, oder ausge-
führt, aber uns verloren seien, würde gänzlich in der Luft
schweben:
Die Textesüberlieierung in unserer Handschrift ist ziem-
lich rein. Zwar linden sich einzelne Versehen, die den Gedanken
zurückweisen, als hätten wir in der Handschrift das Autograph
des Verfassers; aber sie bietet doch einen mit wenigen Aus-
nahmen wohl lesbaren Text. Die Klagen Po tvin's ^) sind über-
trieben.
„Wohl lesbar" freilich nur für den, welchem die zahllosen
Abkürzungen solcher Handschriften völlig geläufig sind. In
der That hat der Schreiber in der Anwendung dieser Siglen
eine wahre Virtuosität gezeigt. Man glaubt oft eine Art von
Steno- oder Tachygraphie vor sich zu sehen. Der erste Satz
des „Sophista" z. B.: quorum primum fuU deum non esse. Iwc
') Bulletina de l'Academie Royale de Belgique. 1878. p. 348 (vor den
von ihm mitgeteilten Fragmenten): ,Je n'ai pas la Prätention d'avoir cntiere-
inent compris ces fragments. Je n'en pablie quelques uns que pour montrer
combien tonte ^tude de ces pbilosophes est impossible sans le concours pr^a-
lablü de deuz sciencea speciales: la pal^ograpfaie qai fixe le texte des manu-
scrits et la pbilologie qui le corrige et lui donne un sens exact. Encore
faudrait-il ici que le philologne füt familiarisä avec les idöes et les for-
mules de la scolastique . . . J'ai trouvä des phrasee, des passages entiers
d'unc clartä irräprocbable, et mfime d'une conciston forte; d*antres oii le sens
s'obscurcit sans que la construction grammaticale nous ächappe; d'autrea enfin
oü la phrase comme le sens se d^robe, ce qui fait supposer que le copiste a
orois des mots et que ces cahiers de claases ont des laconea. J'ai supprimä
ces derniers autant que posaible. Les ätudiants du moyen &ge s'y retrou-
vaient sans doute; pour s'y retrouver aujourd'hui, il fandrait des savants." —
Wie ich hoffe, liefert die vorliegende Ausgabe den Beweis, daß es damit
so schlimm nicht bestellt ist Freilich weicht allein bei dem erst«n von Pot-
vin's Fragmenten, dem Anfang von Kapitel I (p. 1,3-5,6) die im Vorstehen-
den gegebene Lesung von Potvin's Text, wenn ich recht gezählt habe, in 15
Fällen ab.
44 Impossibilia Sigeri de Brabantia
enim primum impossibile, cum eitis oppositum sit pritnum necessa-
rium (p, 1, 6 — 7), sieht in der Handschrift ungefähr folgender-
maßen aus:
m m__Ie_9 m mm
quo^ p fdit dm n ee • h* . n . p . ipo ca ci opp sit p ncc.
Als weitere Probe mögen die Schlußworte des Traktates (p. 32,
18- -23) dienen (die Abkürzung für quod kann hier nicht genau
wiedergegeben werden):
O)
taUa a n rt illa de fato otigeü sie ia visu
_ ._ _ lo „ a
e . & io sie vm -!- q na bella es fiet
_ 0 _ _^ c _
vi* n fiet n tn vm ~ q fiet n vm -^
a „_ c
q n fiet . i fore 1' n fore -^ f •" n
_ o _
tn fore e f"* n n fore -— f™
d. h.: talia mitem non sunt illa de futuro contingenti^ sicut tarn
visum est. et ideo sicut verum est quod nauale bellum cras fiet
vel vfm fiet, nee tarnen verum est quod fiet, nee verum est quod
non fiet: Ua fore vel non fore est f oleum, nee tarnen fore est fal-
sum, nee non fore est falsum.
Indes geben diese Abkürzungen zu Zweifeln so gut wie
niemals Anlaß. Sie sind eben zumeist feststehend. Wo dieses
nicht der Fall, oder wo die Abkürzung an sich mehrdeutig sein
könnte, ergiebt sich doch aus dem Zusammenhange die Auflö-
sung durchweg mit Sicherheit.
Interpunktion hat die Handschrift nur ganz vereinzelt.
Beim Einbinden ist in der Handschrift eine Blattver-
setzung vorgekommen. In dem Quarternio, der jetzt durch die
Blätter
107—
lös—
109—
110-j !
IIU I
112— I
113—1
114- _!
gebildet wird, war das Blatt fol. 109 und 112 ursprünglich das
äußere, so daß die richtige Ordnung folgende ist:
Die Handschrift. 45
109
107— !
108— j I
llU'
113—
114 — ^1
US—'
Wie man sieht, ist nicht nur unsere bis fol. 110 reichende
Schrift, sondern auch die folgende Abhandlung von dieser Blall-
versetzung betroffen *).
Gedruckt sind von unserm Traktate bisher nur Teile.
Von den wenigen Notizen daraus bei La Giere-), die zudem
durch arge Lesefehler entstellt sind, dürfen wir füglich absehen.
Den Anfang des ersten Kapitels und kleine Bruchstücke aus dem
zweiten und dem fünften vei-öffentlichte Gh. Potvin''), das
zweite und das fünfte brachte B. Haureau zum Abdruck ^);
das dritte, vierte und sechste Kapitel, sowie ein großer Teil des
ersten, waren bisher noch unediert. Aber auch die bei Potvin
und Haureau abgedruckten Stücke sind in manchem unveretänd-
lich, teils wegen unrichtiger Lesung oder falscher Auflösung von
Abkürzungen'), teils wegen gänzlich verfehlter Abteilung der Sätze
und Satzteile. Möge es mir gelungen sein, hier die Fehler
meiner Vorgänger zu vermeiden und auch in den Teilen, in
welchen ich ganz allein auf mich angewiesen war, wenigstens
nicht allzu oft und nicht in Wesentlichem zu irren!
In der vorliegenden Ausgabe sind Abweichungen vom Text,
i^oweit sie nicht bloße orthographische Dinge betreffen, stets in
') S. oben 8. 42 Anm. 2
■■') A. a. 0. S. 121.
^) BHllftinn de rArmlemie Rot/ah de Belgiqite. 1878. p. 349—354.
*) Notici'-H V. p. 89-92. 92-98.
'■) So liest Potvin z.B. aliquant statt animai, tanto statt tef-iio, tarnen
statt teiiinm, pritatum statt praedicatum u. s. w.. Haaräau fei statt re-
sperfH, Ulmen statt Uintum, r&jnirit statt remottd u. s. w. Ich habe es nicht
für nötig gehalten, dergleichen jedesmal anzumerken. Wohl aber habe ich,
wenn meine Abschrift von Potvin's oder Hanräau's Text abwich, jedes-
mal meine Lesung nach der Handschrift revidiert.
<tfi Iniposaibilia Sigeri de Brabantin.
den Anmerkungen angegeben. Mit Konjekturen habe ich ge-
glaubt, recht sparsam sein zu sollen.
Die Sc'hreihweisc habe ich» t^ntgegen der Gewohnheit der
Historiker, dem klassischen Gebrauch angepaßt, von dem icli
voraussetzte, daJi er der Melirzalil der Leser geläutiger sein
würde, hn übrigen habe ich mit der Interpunktion, der Orlho-
graphie u. dgl. es gehalten, wie es sich mir bei der Ausgabe
von Avcncebrols Föns uilae bewüJirte. Einen großen Anfangs-
buclislaben verwentlele icii nur, wo eine neue Gedankenreihe
beginnt. Namentlich bei kompliciortcren Beweisführungen scheint
mir dadurc'ii die ÜbLTsichtlichkeit zu gewinnen, da so der Unter-
schied der eigenllirhon Wendepunkte des Beweises und der
bloUeii l'nlerglieder scharfer hervortritt.
n. Charakter und Abfassungszeit der
„Impossibilia Sigeri*'.
Schon auf den ersten Blick stellen sieh die hiposnihilia Sigeri
dar als eine Streitschrift. Die kurze Einloiluiig führt uns
nach Paris in eine Versaminhmg der Gelehrten der Universil.1l ').
In rlerseü>en Irilt ein „Sophist" auf. um eine Reihe kühner
Thesen aufzustellen und zu begnmflen. Daran wird jedesmal
eine WidcTlegnug geknüpft, die zuerst die i'nlgegcngeselzle Be-
hauptung zu beweisen unterniinnil und dann die Argumente des
„Sophisten" einzeln zurückweist. So entsteht die der Scholastik
des XIII. Jahrhunderts seit Alexandei- von Haies geläufige,
(hirrh Thomas von Aquin in der Surnnta tke<^inj'u'n mit vir-
tuoser Kürze geiibte trirhotomisfhe Weise des Aun>aiis, indem
die Erürtenmg der einzelnen Fragen nach dem <Ireiteiligen
Schema: Gegengnmde. positive Beantwortung, Auflösung der
Objektionen, erfolgt, freilich sind liier die Objektionen und der
diesen zugrundeliegende, im Folgenden durch die entgegensie-
hende Behauptung bekümplle Salz von einem bestinmiten Gegner
aufgestellt. Nach dieser Seile hin wiederhoU die Schrill die
") S. 1,3: „Conuoeatis a&pientibas studii FariBienBis." Wir sollen ftlsu
an eine allgemeine UniveräitäUvorsaitmilung denken, nicht blo& an eioe
Bolcbo der AriiKltQfiikuÜttt.
Cbarokter und Abfasaimgszeit. i7
Technik, welche wir z. B. in dem Traktat des Garncrius von
Rochefort gegen die Amalrikaner finden i) und die auch Ray-
mundus LuUus in seiner Schrift gegen unsern Si^cr und
dessen Gesinnuiis:sgenossen, poetius den Dünen, einp;ehallen hat=).
Ob eine solche Versammlung wirklich stallgt^fundcn hat»
etwa bei Gelegenheit eines der gewöhnlichen Disputalionslage,
oder ob wir in derselben nur eine schriftstellerische Einkleidung
zu sehen haben, wird sich nicht mit Sicherheit entscheiden
lassen. Die Analogie mit der genannten Sclu-iJl des Rayraundus
Lullns spricht für die zweite Annahme. Auch üi dieser Sciirlfl
bietet die Einleitung eine kurze Scenerie. In einem Walde vor
den Thoren von Paris wandelnd, trifft Raymundus den Sokrates,
welcher eine lange Reihe von Sätzen aufstellt und begi-ündet.
Diese Sätze — es sind die 1277 von Stephan Tempier ver-
worfenen Propüsitionen — sind aber nicht bei einer einzigen
bestimmten Gelo^enheil, nicht einmal von einer einzigen Per-
sönlichkeit, aufgestellt worden. Die Einkleidung ist also schrift-
stellerische Erfindung.
Wie dem aber auch sein möget jedenfnlls sind Thesen und
Begründung derselben von dem in der Schrin. bekämpfen
Gegner in der Hauptsache so vorgebracht worden, wie sie hier
wiederKCgehen werden"). Der knappe Ton, die rasche Folge der
Gedanken in den Trugschlüssen des .Sophisten" gegenüber der
oft profusen Darstellung des ihn bekämpfenden Schriftstellers
zeigen, daü der letztere bei der Wiedergabe der Ansicht des
') Kiu Tittiflftt ifeyt'M <iif AmnfririaHei' aus tirm Anfang rfcj* XUI.
Jahrhuuiifrtii, hnig. vr»n Clement ßaeumker. Padorbom 1893. Die von
Manilonnet, Hfnii- Tlmtnist,: T. I. Paris 1B93. p. 261 tf. g<^ßpn di*» Urlie-
boracbaft des Garnerius geUciid gemachten GrQnde haben mich nicht über-
xengt; vielmehr halte ich an dcrsellwii um so mehr fest, nachdem ich mitt-
lerweile andere Werke de» Garnerius, vor allem die hdgofjne ihi-»it}ni»itinnn itffm-
hulicitf, in den HnnJächrilttiii von Troyea vergleichen konnte und zugleich po-
«Itive Iteweitio dafUr fand. daG Gamerias 1216 noch am Leben ist. DarQbor
demnächst Näheres an anderer Stelle.
^) IM>fr amtnt errorcu Boftii ft Sigerü (ich benutzt« daaselhc im Cod.
MooBC. Ittt. 10495), worüber weiter untt-n zu handeln ist. Preilii-h hat Ray-
iiiundnH die Gründe des nnter dein Namsn Sumtles eingeführten Gegners
nur den ersten Sätzen regelmttfjig, spAter blofi veromzoU. heigefUgt.
'} Gegen Hauräau, Nt*firet rt eMmits. V. p. 88.
ImpossiTiiltR Si^ri äe Brabaotia.
Gegners sich an etwas Gegebenes hielt, mocliten dies nun Aii^
Zeichnungen aus einer Disputation, oder, was mir wahrschein-
licher ist, Auszüge aus einem Lelirvortrag oder einer Sclirifl sein.
Wenn die Sätze als Imiyosaibilia bezeichnet werden, so soll
dadurch von vomherem ihr Charakter aiisgetlrückt werden.
Natürlich darf inan das Wort nicht mit den InmAuhUht ver-
wechseln, die aus der logischen Theorie des Mittelalters bekannt
sind '). Freilich schillert das Wort in der Schrift in verschie-
denen Bedeutungen. Bald wird es im Sinne des , Sophisten*
gebraucht, welcher den von ihm bek5mpflen, von den übng<.'D
allgemein anerkannten Satz als unniöfcdich zu erweisen versucht -),
bald im Sinne der gewöhnlichen Meinung, der das von ihm B^
hauptete als unmöglich vorkommen werde *).
Indem wir die saeldiche Würdigimg von Rede und Gegen-
rede in unserer Streilsclirifl für einen spateren Abschnitt vorbe-
halten, wenden wir uns zunächst der Frage nach der Abfas-
Hungszeit zu. Von der Bezujj^nahnie auf Siger von Brabant.
mit dem das alte Inhaltsverzoicimis den Traktat in Beziehung
l»rintitf sehen wir dabei vorläufi;^' ab; denn einmal ^rhelU aus
jenem Titel „ImpftftsihUht Sit/fn" nicht, ob wir eine Siiirifl von
Siger selbst oder eine Gegenschrift gegen ihn vor uns haben,
die möglicherweise erst liingcre Jahre nach Sigers Tode ver-
ladt sein könnte. Dann aber ist die Zeit Siger's und seine
ganze Pcrsönlichfceil eine umstrittene. Wir worden daher die
Frage nach der Aljfassungszoit unabhängig von der Frage nach
dem Verfasser zu behandeln suchen.
Eüien AnhalL^^punkt dafür giebl uns die Handschrifl, in
welcher der Traktat uns überliefert i.st. Diese ist aus dem Le-
gal desGullfried von Fonlaines (Godofredus deFontibus)
an die Sorboime gekommen *). Gottfried von Fontaines ist gegen
') Pruntl, üMfhichte der htgik im Abendlamle, Bd. iV. Leipzig 1870.
S. 40-44. 89—93. 110—114. 1S8-140 und öfter.
') So gleich bei Satz I (p. I, 6—7): deum non eaae. ,Hoc ©niin pri-
mnm inipi>ssil)i]e, cain eius opposituni sit primum necf^warium * .
') So bei Suta VI (p. 27.fi f.); Sezto poiiehatur. qaamui» illud primo
fugiat inMlectos sicut JmposBibile, etc. — In di'r Rlnleituiit; tritt dieser Dop-
pelsinn nicht schon hervor.
*) Sü d*'r Vernurk fol. 262^ ; s. 8. 40 Anm. 3.
I
I
ä!ar Biographie Siger's von Ur&h.ant. 40
1304 goslorben ^J. Die Schrift kiimi jiIho nicht apSler als etwa
1304 rerfafät sein.
Nach vorn hin ahor jfcbfrn dio in ihr vorkominendon Zi-
tiiln f.inen ausrciidieiulmi Aiihall. l)or dem ,Sopliisleii" ani^ir-
höiige Teil bei-ufl sich auf Schrillen des Aristoteles, welcho ei-sl
im XIII. Jahrhundert in Frankreich verhi*eitet wurden, wie die
Physik, die Metaphysik und dio Ethik-), Dabei beweist der ganze
Sland der Kontroverse eine i>ereiU län^fere Zeit arnlaucrndt' lio-
kannlsdiafl mit den durch «lieae Schriften angeregten Problemen,
wie sie wenigstens vor Wilhelm von Auvergne nicht mfiglich
war. — Der Gepier setzt sich, autücr mit Avicenna, Avcm-
pace uitd Avcirocs •*), auch mit Albertus Magnus*) {von
ihm als Aihertug Coioni^nsis ■') bezeichnet) und Thomas von
Aquino'') auseinander. Da die letztern ausdrücklich mit Namen
genannt werden, was bei noch lebenden Scluifbsteliern im Stittel-
alter nicht ühhch ist, ^o hat Haurean wohl recht, wenn er aus
diesem Grunde die AbCassung der Schrill in dii' Zeit nach dem
Tode Albert's des Großen, also nach l^*HO, setzen will").
III. Zur Biographie Siger's von Brabant.
LeUeu uud Schritten.
Wie schon bemerkt wurde, entbehrt der Traktat in der
Handschrift jeder Obei*schrift oder Verfasserbezeichnung, wird
aber in dem alten Inhaltsverzeichnis als ImjwasihUia Sigeri auf-
gezählt ').
Dem Verfasser dieses Verzeiclinisses. welches der Schrift
nach, wie schon oben bemerkt wurde, dem frühen XIV. Jahr-
hundert angehört, zu militrauen, liegt kein Gnmd vor. Zwar
bezeichnet er irriger Weise die Ars fifhi des Alanus de In-
') S. ol>en S. 41.
"*) S. das Ver&eicbnia der in d«r Schrift benutzten Aotorcn S. 33.
") Vgl. das Verzeicbnis S. 83.
*) Vgl. S. 17,6.
') So gewrshnlich in jener Zeit. EboDBo z. B. bei Dante, IStrad. X, 9ä f.
«) Vgl. K. 17.18. S. 19.11.
*) Hnur^au, Sotirfs V, p, 99.
*) S. oben 9. 41 Anm. 4.
ßeitrl^ II, c. BaMinUr, Siger ««B Bnbul. ^
^ Imfiosaibilia Sigori de Bmbaniia.
sulis. welche iii unserer Schrift einem Nikolaus von Amiens
zugeschrieben ist'), als Ciemetts papa de arficulis fid^i^); aber
zu diesem Irrtum gab ihm der Widniungsbricf der Schrift an
Clemens pitpu Veranlassung. Offenbar giebt er sonst lieber keinen
Verfasser an, al? einen falschen, wie z. B. bei den anderswo Tho-
mas von Äquin zugescliriel)enen Abhandlungen l)f jterfectione
uit<i*; spln'hialis und /> forma uhsuliwmfi *). Die nnzm treffende *)
Beilegung der in unserer Schrill sich findenden l^uinma dicia-
winitt an einen Guido ^) rührt nicht von dem Schreiber des
allen Verzeichnisses selber lier, sondern von einer zweiten an-
scheinend etwas Jüngern Hand. So ist gar nichl abzusehen,
wie der Verfasser dieses Registers zu Siger") von Brabant hätte
kommen sollen, wenn ihm dafür nicht ein positiver Anhalts-
punkt zu Gebote stand ^).
Wer ist dieser Siger von Brabant? Mag nun die Schrift
von ihm selbst verfaüt sein, oder mag sie eine Gegenschritl
gegen ihn darstellen — was wir erst entscheiden können, wenn
wir von seiner Person uns ein Bild gemacht haben — , sc muU
er nach dem, was oben über die Zeit der Schrift, und zwar
beider Bestandteile derselben, bemerkt wurde, seiner Wirksam-
keil nach jedenfalls dem XIH. Jahrhundert, und zwar der zwei-
ten Elälfle desselben, angehören.
') fol. 1R7'' : Ar« fidei catholico ßdita a Nico(Iao) Amb(ianeiisi).
») S. obfin 8. 41, Anm. 4.
') Ufturöau, iV(rfi«Ä V. p. 87.
*) Uaureau, a, a. 0. S. lOS.
"■) Nicht Guido de Valdohona. wie das inoderne, auf dem vorderen
Voraatzblatt« eingetragene VerzcicIiniB «chreil't, Der ZuaaCz ruhte h^m» \m
alten Regtst«r ist Adjektiv and bezieht sieh anf das Torher stehende f^uutma
tUctaminU,
*) Sitjfr, Sfffer, Sptfer, Sigitri, Sfgher, Siffhirr, Zeghrr sind vervchie-
deoe Formen desaetbeii Namens.
*) Man kSnote etwa rennuten, daß der Titel Inpruoiibifia Sigeri dt
brttbaneitr zur Zeit, in der Jones Verz^^ichnis angefertigt wurde, am äufiorsUtn
oberen oder unteren Rande »land und dann, wie so oft in ähnlichen Pftl-
len, bei einem späteren Neaeinbindon darch acharfos Beschneiden verloren
ging. Daa Manuskript liegt uns n&mlich, wie Uanr^au. a. <u O. S. 8t, mit
Redit bemerkt, nicht mehr in der Form vor. in der es von Uottfried von
Fontaines der Sorbonne vermacht wurde.
Zur BiogTBphie Siger'» von Brabant. &1
In dieser Zeit nun fnidon wir einen Sigcr, de!>sen Namen
Dante's unsterbliches Werk vor Vergessenheit bewalirt hat.
Im zehnten Gesänge des ^Pamtiiso" führt uns der Dichter zur
Sonne, wo die seligen Gollesgelehrlen, die vierte FamiUij des
liiimnlischen Vaters, wohnen. Mit hellem Glanz und süßen
Tönen umschwebt ein Kranz von Lfchlern Bealrice und den
Dichter- Nachdem er zur Ruhe gelangt ist, erhebt sich aus
seiner Mitte eine Stimme — es ist die des hl. Thomas von Aqiiin
— und belehrt den Dichter über die Blumen, welche jenen
Lichtkranz bilden: Albert von Köin, Graltan, Petrus Lombardus,
Salonion, Dionysius der Areopagite, Orosius, Boelhius, Isidor,
Beda, Richard von St. Viktor. Dann heißt es von dem letzten:
,Und dt>r'), von dem dein Blick zu mir zurückkehrt,
»lat eines Oeiates Leuchte, dem in ernsten
.(rodftnken allzuspät daa Sterben vorkam.
.Da» ew'ge Licht Siger'a iot sntchea. der. eiuHi
«Vorlesung haltend in der Halmenstra&e,
^Durcb Schlüsse darthat manch midfäH'ge Wahrheit.*
ir»rad. X 133-137).
Bekanntlich ist diese Stelle Veranlassung gewesen, daß man
den von Giovanni Villani in seiner Florentiner Chronik-) und von
Boccaccio in seiner Biogi-aphie Dante's ^) in die Zeit von Dante's
') Questi, onde a me ritoma il tuo riguardo,
E il luine d' ano spirto, che in pensieri
Gravi a morir gli parvö venir {tiHdfrr Lf.wH esser) tardti.
Essa ä la luce eterna di Bigieri
Che, leggendo nel vico degli strami,
Sillogiszö invidioai veri.
Die oben gegebene übei-seUung ist die von PhiUlethes. — PQr Siifieri
finden sich hier ttuefa die Leaarten Sit/t/irri and Se^ffhri ivgl. den Abdruck
der vier ältesten Ausgabeu von Lord Vornon. London 1858. S. S74, und
die kritische Ausgabe von C. Witte. Berlin 1862).
') Villani. C7im». IX. c. 136 (Firenzo 1828. p. 12«): 11 dettoDoiite er»
de' maggiori governatori dellu nostra cittÄ e di queHa parte, bene che füsae guelfu ;
e pcrü sanzn altni i^olpa colla dctta parte biancA fu cacciato e shandito di Firenze,
et andosaene allo Studio a Bologna, o poi a Parigi, e in piii parti dol mondo-
") Boccaccio, VHa di DanU: (II Comonto dl Giovanni Boccaccio ao-
pra la Comntedia, preceduto dalla Vita di Dante Allighieri scriita dal metle*
.simo: per cura di GaetAuo Milaciesi. Vol. I. Firenze 1863 p.24): Ma poichc
vide da ugni furto chitidei-ai )n via alln tumaU, e piii di dl in dl divenire
vana la sua speranza; non aolamente ToacAna, ma tutta Italia abbandonnata*
4*
52 ImpoSKibilin Sigeri do Knibnntia.
Verbannung verlegten ungebliclien Aufünlhnlt des Diclitcrs in
Paris vordatieren zu müssen geglaubt hat. Dante soll schon
in der Zeit seines Werdeganges Paris aufgesucht und dort zu
den Füßen Sigcr's gesessen haben ').
paesati i monti clie qnella lÜvidono rlnlip proviiici> di üallin, come potÄ. s« n'
andö A Partgi; c quivl tutto si diedp hIIo studio df'lla teologta e della Bio-
Bofia. ritornandü ancora in BÖ delle altro scicnze ciö che forae per gll altri
impcdimeDti üwli se n* cra parttto. Vg]. auch ihd. p. 40 und De f/mmlifi/ia
(ii'orum XV, 6. — KUr die iiiaf^irieiche Brauchbarkeit von Boccaccio'a Vita f/i
liiinft hat hf>kanntlich Paul 8ch«}ffor-Uuich(irst, Ati« Dornte« IVrfxin/iMny.
StraGburg 1881, ^. l&t ff (s. bes. S. 210) eine gewichtige [«aoie eiogelegt.
') Zuerst meines Wiasenabohauptet dies A. F. Ozauam, iMnt^ rt in jikito-
gojfhir rttthotitjiir rin trrizihne »iMf. 2. ed. Taris 1845, p. SI& ff. Ozanam giebi^
hier zugleich eine Biographie Siger's, die sich auf Mitteilungen von Le Clero
«tfibtt: a. ct. 0. S. 820—823. Le Clero selbat wiederholt in seinem noch
nlLher zu bosprerli enden Aufsatz über Siger in der Histoire Itftt'mirr dr In
Fi'iincf (T. XXI. Paris 1847. p. 96—127) die schon in der Mitteilung an
Ozanam vertretenen Ansichten (a. a. O. S. 124 fl*.), will sogar eventuell einen
doppelten AufentliHlt Dantes in Paris annelimen (■/. n. 0. S. 127), Den 6o-
nanntf-n fulgt Franz Xaver Wegele i Ituittt'.-' Libru und IVerhr. Jena 18Ö2.
S. 84), d^r alleniinga schon in der 2. Auflage vom Jaiire lft65 S, 91 die Behaup- '
tung ziemlich preisgiebt, wenn er auch noch immer meint, daß die Erwäh-
nung Sigcr's ihm nicht ohne Beweiekraft zu sein scheine. Ebenso schlichen
eich an Le CIcrc an Fr. Bergmann, fttinfe, m ri> rt neM trurre». 2ö äd.
Straasbourg 18-SI. p. ]78 und Antonio Lubin, Vito e ^ert äi DuHtr Ali'
ghieri (.in seiner Ausgabe der Commfflio, Padova 1881). p 52 f. — J. A. 8car-
tazzini, t>*iM(f Afiffhirri, Seine Zrit. Mrin Lr-hm nml seine Wefke. 2. Aufl.
Krankfurt a M. 1879. S. 882 fahrt gleichfa'Is fOr den angeblichen Pariser
.Aufenthalt vor allem die rQbmende Erwähnung Siger's ins Feld, verlegt den-
selben aber mit Giovanni Villani und Boccaccio in die Zeit der Verbannung.
In den der zweiten Autlngo bcigofUgten NachtrJigen 'S. 558) will er freilich
das, was von ihm Über Danto'a Aufenthalt in Paris gesagt ist, nur als Hypo-
these, nicht als sicher feststoheude historische Tbutuacbe, gelten lassen. Jeden-
ruHs liegt' kein Grund vor, die Reise nach Paria, wenn sie sich beveiaen
lasse, in eine andere Zeit ata in die von Vitlani und Boccaccio angenomuieue
8pät«re zu verlegen. Im Kommentar (V^ol. III. Leipzig 1882. .**. 2()S. zu v. 136)
sagt er in bezeichnender Kürze: Crednno alcuni che Dante conoscesae a Parigi
queaio maeatro. E leciti» dubiUrne. Vgl. auch »ein Donte-lIanf/l/Hrh. I^cipzig
1892. S 122 f l^a i. (Dante um 1808 alt Docenl in Paris). Dagegen hAlt
Karl Witte, DiutirfavuchHngei». Bd. IL Reilbronn 1879, S. 278 die Pariaer
Reise überhaupt für zweifelhaft. Adolf Bartoli, Storiti delht h'Uerntnrn itn-
Ihtiii. T. V Kirenze IHÜd. p. 214—218 wenigstens nicht fOr sicher. Ebenso
Adolf Qaspary, Ofttehichi« der UalieHi»eken Lit.Ttittir. Bd. I. Berlin 1886.
Zor Uiographie Siger's von BrabauLia. ÖS
DieseJi Zug wtM-tleii wir freilich aus dem Bilde Siger's
streichen müssen. Ist die Reise Dante's nach Paris überhaupt
schon sehr zweifelhaft, so ist sie jedenfalls, wenn sie wrklicli
slaHfaiKl, in die spätere Zeil des Dichtei-s zu verlegen, als Siger
nicht mehr unttr den Lehi-iiden weilie. Auch ohne in Paris
sein Schüler gewesen zu sein, konnte Dante von SigiT erfidiron.
Analysieren wir die Worte des Dichters, so sind es mir
eüiige allgemeine Züge, die wir aus ihnen iiir das Bild von
Siger gewinnen kftnnon. Er lehrt zu Paris in dor ntr. iht
fauftrre. Dorl hatten die Artisten ihren Platz '). Siger gehörte
also, wie wir sogleich noch weiter werden bestätigt sehen, der
Artistenfakultät an. Darauf weist es auch Iiin, wenn Dante ihn
.Syllogismen" vortragen läUt {^iftof/izzo). Auf Streitigkeiten, die
an seine Lehrthatigkeit sich knüpften, deuten die »mifäliebigen
Wahrheiten" (invidiosi verijj von denen der Dichter rodet; wohl
eher (eben wegen der httllrniiitai Vf-ri] auf einen trüben Lebens-
abend, als auf eine ascetische Sehnsucht nach dem Himmel, das
Wort, daU es ihm „spät zu kommen schien, zu sterben". Welcher
S. 285. Wenn diese Reise über je wirklicli stattgefunden Labe, meint
Gaspurj', so sei sie zwischen 1307 und 1310 anzusetzen. Nucli spfticr —
zwischen 1316 imi3 1319 ~- datiert Cipolln die»o Ruise, die er hIh geschieht*
liehe Tliflt!*oc]ie mit neuon und jedenfalls beachtenswerten CirQtiden darzu«
thun sich bemäht: Giornolc niorico dflln ieUmiium italifi/io. Vol. VIII. Torino
■ 1886. p. 54 - 67. An die Zeit zwischen 1308 bis 1314 denkt K. X Kraus, DuhU.
Berlin 1897. 8, 68. Dann bat sie fQr ann Indes keine weitere Bedeutung.
In dieser Zeit lehle Siger nicht mehr («. u. S. 54). — SuUte der Siger
Danti«'« wirklich identisch sein mit dem maufm Si'jhicr, der nach Durante's
Bearbeitung des Hoinan ih la Hone in italienischen Sonetten am riimlschon
Hofe zu Orvieto einen traurigen Ausgang nahm, so würde dadurch, wie sehen
Ciatots in soioer Ausgabe (^. 102), Gast<Mi Paris in der ftiTne *'htüjne
fthistoirc rt d« Utt/mture. T. Xt. Paris 1881. p. 400, Ad. Bartoli. a. a. 0.
S. 217 f. bervorfaehen. dein aus der Bekaiintschaft mtl Si^er entnommenen
Ai^umente fiir eine Reise Dantc's nach Paris die Beweiskraft genommen Er
kennte dann sehr wohl durch den Aa''entlmlt Siger'a in Orvieto nähere Kunde
von ihm erhalten haben.
'} Die n/r Hn fouarre wurde zwischen 1202 und 1225 im rlw* JAiu-
roiWii, einem Teil der Sriffni'Hric de Gtirfande, gebaut und war der Sitz der
Artisten. Vgl. Jaillot, li^chn'chi-s ct'ttüjut« suf la viHt- dt Htri». XVJI.
Quartier St. Benoit. Paria 1774. p. 62-65. fl. Denifle, Die UnirfTMitütm
(/«K MitieluUrrH hvt NOO. Bd. I. Berlin 1885. S. 667.
54 Inipo^ilnlia Sigeri (]e BrabanliA.
Art jene Lfilirstreitigkeilen waren, ob rein philosophiäclier, oder
theologischer, oder auch kirchenpolitischer Natur, erfuhren wir so
weni^, als was es war, was den Siger den Tod herbeisehnen
lieli. Dieser Tod aber ist vor 18(.KJ erfolgt. In das Jahr IHOC)
versel/A bekanntlich Dante seine Reise zum l'aradiese, und
dementsprechend fuhrt er uns dai*in, so weit wir kontrollieren
können, auch nur solclie Personen vor, die vor t300 gestorben sind.
Vergeblich ist unsere Hoffnung , etwas Näheres aus den
alten Dante-Kottinientaloren /u erfalireti. Die Nachrichten,
welche sie uns geben , sind ziemlich bedeutungslos. Abgesehen
davon, daü es sich bei Dante um Siger von Brabant handelt '),
bringen sie, wie schon Dante's Sohn Petrus -). an Glaubwür-
digem nichts, was nicht aus den Worten des Dichters selbst
herausgezogen werden konnte ^). Was sie sonst hinzufügen, ge-
') Nur ein thOricht«r Einfall ist es, wenn bei Henry Francis Cnry,
Thf Viaion, or llrlt, Ptinjatmy, nmi htradine of Ihtnie Afiffhieri. Vol. HI,
London lS3t, fUr Sigiori Sigcbert erscheint, ,a nionk of tho nbbcy of Gem-
blours, who wab in high repute at the end of tho eleventh, and beginnJng of
Üie twelfth Century" (8.212). Eh^nsi» unmöglich ist es, mit Nicolö Tomas^o
{Comrdiit di Danfe. T. III. MiUno lB<i6. col. 195 f.) an den .\bt Suger
von St. Denta (1081— 1151) zudenken. Im XII. Jahrhundert gab es noch keine
rut du fouarrf (vgl. S. 53 Anm. 1), in der doch der Sigieri Dante's gelesen.
*) Fetri Allegherii 'iUf/n- Dintiin iptiHt fffnitorit cttmoediam coffi-
ntfiitarium, ed. Vernon, cur. Nannticci. Florenttao 1845. p. 623: Item
Sigeriuin, qui maenus phüoäophus fuit c-t thootoguä, natione de Brabanlia, et
qui lf>git diu in viu straintnum Pariäiis. ubi plitluaophia Icgiiur.
") So deuten Jncopo delInLana (um 1325) und der sogenannte
Ottimo des Aleesandru Torri, ebenso Üuti {A&r Anontmo Fiomitino Fanfani's.
den Scartaz7.ini in ^oinein KuniinoDtar 111. p. 2ß8 noch anftihrt, kommt
nach dem, was C. Hegel, l'bn' den htstoriitrheu Werth der ^Itn'fiH Dunic-
Cotmin'tiftiir. Leipzig 1878. S 48 und Scartazzini selbst IV. p. 533 bemer-
ken, natürlich nicht iuhetracht) die iuridimi reri auf Vorlesungen über
die mphintiri rfeiirfii des Aristotelt^s; aber im ßegensata zu Oipolla, tt. a.
(K 8. 1^2, kann ich darin keim* historische Tradition sehen, sondeni nur eine
nalielicgende Kumbinatiun. Man vcrgleicho mit Potnia AUighieri's bündiger
Kürze etwa Lanii's (Text nach der FoUo-Ausgaho von L. ScArabell) zu Ehren der
Stadt Bologna. Milnno [ISGci]. p. 378) ßerinht über Siger; ,Qucsto Tue maestro
Sigieri, il qualc compose o lesse loica in Parigi, o tenne U cattedra piii auni nel
vice cio^ neUa vicinanzn delli Strami. che ^ uuo luogo in Pangi, iwe si legge loica,
e veiidesi 11 striiuii da cavalli, e p^rc-iO ^ appellata quetla centrtMl* Vico str&roinum.
[nridiojti eeri, cioö oho loggeva li Kicucht (nutUrlich die des Aristotelea;
Zar Biographie Siger'a von Brabunl. 55
hört offenbar der Lefe^ende an. Es ist die Erzählung von der
nächtlichen F^rscheinung eines wef^'en seiner sophistischen Philo-
sophie zur Holle Verdammten, durch welche Siger bewogen
sein soll, che Philosophie zu verlassen und sich dem SLiKÜum
der Theologie zuzuwenden, eine Ei-zählung, die, wie es scheint.
bereits Benvenuto von Imola gekannt hat') und die dann in
mannigfachen Variationen wiederkehrt^).
Lubin'a haltbae Vermutung, dafi die Imjtottnibilia Sij/eri gemeint seien,
bßdarf keiner Widerlegung), nclli quali si siltogizza aillogismi Apporcnti e
non veri ; e pero sono aillogianii che Hanno Invidia id vero." Jeder, der den
mittelalterlichen Betrieb der Logik und das mittelalterliche Paria kannte, ver-
mochte solche Erläuteruugen zu Dante'a Worten ku gehen, auch wenn er von
der Peraönlichkoit .Siger'a g&r nichts wußte. Dazu beweist der BchluEi der
Stelle ganz deutlich, daß der Verfasser die Deutung des iuvuiuitii aus eigener
Vermutung gegohen; denn nur, wer von Siger keine weitere Kenntnis besaß,
brauchte zu einer solchen gezwungenen Erklärung zu greifen, die das inei-
HiiNti im aktiven Sinne nehmen muD.
'( Ich setze die ganze, über Siger handelnde Stelle aus Benvenuto'e
Kommentar, in dessen Druckausgabc die KrziÜilung jener Legende leider bald
mit einem eU. abgebrochen wird, hierher: Qittfgti. Htc ultimo Thomas deacn-
bit duodecimum et ultimum apiritum. Ad quod aciendum quod rate ultimua
spirituiS fuit quidam doctor modernus Pariüienaia, qui diu legit Pariüiua in
lopcalibua, cut quidam disclpulus pracmortuns nppartiit coopertus sophiamati-
bua etc. Dieit ergo: (^ui^-^ti. omh il tito ri'iitarilo ritorna a wt», quin inspecto
ipso ultimo spiritu coronae reducrs uisum ad me, ^ i7 himt d'iino Mpirfo, che
in peniiirr t/H pftrre ttt^er tartlo n morir: ubi enira mors nnturuliter uidotur
festina omnibos, isti uisa est tarda. Et aubdit describens enm a nomine et
s doctrina, fsttn i In luee Hfmn di Si^ttri, che Irygtndo, scilicet in cathedra
publice. H({ riro detjli strumi id est Parisltis in contrata ubi leguntur omnes
scicntiae et artcs. qaac appolUlur uicus etrainiuum, quia ibi ueuduntur etiam
Btramina, aicnt foenum, palea «le., »iUoyizzh id est disputsnit, inridituti rvri
id est felicea ueritaa relinqucna faltaciaa logicales: inuidiosoa onim est Ule
cut inuidetur propter siiam felicitatem, et sie capilur in bona parte; inuidos
uero est ille qui inuidet altert, et sie capitur in mala parte (Benvonuti de
Rnmbaldi» de Imola Onnntfio» nHittr Iktniix Ahihjhfi-ij Comi^rdiam nunc
primum integre in lucem editum sumptibus Ouilielmi Warren Vornon, curante
Jocobo Philippo Lncaita. T. V. Florentiae 1887. p. 47).
^ Beispielsweise sei der Kümmentar des ätefano Talice da Rical*
dooe angeführt, mit dem Text der Dlvina Commedia herAOSgogoben von
V. Promis und C. Nogroni. Bd, \\l Turin 1888. S. 138 f.: Iste ultimos
fuit ^igerius, Doctur Parisiensia. Ute iuter ceteras acientias fuit maxime lo-
gicus. Sophisticos quidam apparuit sibi post mort«m, totua territus; et mn*
5A riiipnHsibilia Sigeri de Bniltflntia.
Indem kli den woileren Nachrichten naoligehe, welcJie
ober das Leben Si^fer's bekannt tfeworden sind , will ich mich
möglielist an die Ueihenfolge )iallen» in der sie in der Litleratur
hervorgetreten sind. Das Interesse für den belgischen Gelehrten
erwaclite erst alUnäJilieh , die Nachrichten über ihn kamen nur
vereinzelt zu Tage, nnd so entstanden mancherlei Fragen, die
wir dann am besten verstehen und vielleicht auch beantworten
werden , wenn wir das allmähliche HeiTortreten derselben ver-
foVon- Ich werde dal)ei zunächst in dor Hauptsache referierend
vorgehen, um dann, wenn die Fragepunkle klarer sich herausge-
stellt haben, selbst Stellung zu nehmen. Die Zerstreutheit dos
Materials, das zudem zum Teil nur schwer zu beschaffen ist, wird,
wie ich holte, mein neslrehen , tlie Akten vollständig voi-zu-
legen , auch bei deinjcnigt'n rochtltirtigen , dem an sich eine
Skizzienmg des gegenwärtigen Standes der Frage ausreichend
ersclieinen möchte.
nifesfAiiit sc. diceiia: ego sum talis. El oetMidH qualiter ßahnt, quin «rat
onerntus brouibus; et illa erant sophistica quibus ntebatur in uita. Et ostendit
»ibi quam put'Dam dabant sibl; (|uia cepil ninDtim oiuH, ei pnsuit ad uuum furo-
men unius broriis; cl cxiiiit hwAot qiii iiisus osl perfurure nun solum inuiuim,
sed rur ipaiua corporis. Timc iste diaposuit 86 nd non amplioä atudendum in
snpbisticnlibiis, sod iß sflcra ÜieologJa. — Eine andere, aoinor Meinung narh
aUB ßenvenuto von Imola geHossene Ver»ion bei dem Orvietaner KominimUt'Or
teilt Lc rierc, //fV. Uff. ftf ht Fmnn: XXV. p. 113 T. mit. Wenn ea bei
Paeudo-ßoccaccio (CVmukc fio/jra Dantr. testo inedi'o [ed, Vemool- Firenxe
1846. p. &67) von Sigor heifit: et era infedelo, so lie^ft auch dem sicher diese
Legende zu Grunde.
Über den Ursprung j^ner Siger-hegendc hat E. Rconn in der Hintoir*
litt, »h hl Fmni-f. T. XXV. Paris 1869. p. (i.jl f. eine interessante Ver-
mutung anfgestellt. Er denkt an eine Nnmoiisvem-ecliiiolung. Das i'olimtrrr
Chrfutii^o» (MG. SS. XVII, 253) erzählt unter der Rubrik Dr uinimtr tt'i>tnbumii
^Vrrr von einem Verkehr Sezcrs mit den Verstorbenen. Dieser Sezer
(Seeor, Seczer), den Mor, Haupt {XeitHt'hriff für rifut^rkr^ Attifrth$tm. Bd. VI.
Leipzig ]84.S. S. 39f)) mit dem Minnesinger Dietmar dem Setzer (Von der
Hagen. Minw-Himfr IL S. 174. IV. S. 186 ff. Über ihn auch Roethe. Art.
SrU^r in der AUy. daitHchen SUogfuphu: Bd. 34. Leipsig 1892 S. 48 f.)
identißeiert, dflrfle vielleicht in jenem Siger udor Scgcr wiederzufinden aein.
Freilich i»t der Inhalt dessen, waa die Verat^irbpiH'n hier und dort bcrii-hton,
nicht dasselbe — im Chronicon Cnlniariense handelt es sich um Vorausaagun-
gen des Zukünftigen — ao dafi der allerdings »nffaUcnden Ähnlichkeit des Na-
meaa doch aachlicb nur ciuc üulJorc Analogie entspricht.
Ztir Biographie Siger'a von ßmbftnt. 57
Wenn ich dabei aus den Quellen und der Litleratur alit^s
sammle, was mit Linserm Siger von Brabant in Beziehung ge-
bracht werden kann, mag diese Zugehörigkeit auch von einem
oder dem andern bfstritlen worden, so bedarf es dafür wohl keiner
besonderen Rechtfi-rtigiing. Nur diircli die Vorlage des gesamten
Maleiiales kann für die Frage, was <1avon dein Siger der Im-
possibUia Sigeri de Brnbantia angehört, eine ausreichende Grund-
lage gescliaffen werden.
Als Mitglied der Arlistcnfakultüt zw Paris und bald als an-
pi'sehenen Parteiführer in einer der Verwallnngs3lreitii,'krilcn,
welche in jener Zeit an der Pariser üniversitUl nicht selten mit
großer Erbitlerimg ausgebuhten wurden, lernen vnv einen Siger,
in dem man nirjslens unsern Siger von Rrabanl wiederfinden
zu müssen gcgliiubl hat'), aus zwei Urkunden kennen, die im
Jahre 1066 durch Du Boulay veröffentlicht wurden-) und jetzt
in Denifle's niommientalem Urkundenwerk zur Geschichte der
Pariser Universität verbessert vorliegen ').
Keide sind Entscheidungen des Kardinallegatcn Simon
von Brie, Kardinals von St. Caecilia '') , des spftleren Papstes
Martin IV. (Papst 1281—1285). Die e-rste vom Jahre 1266
August 27 frdll das Urteil in Streitigkeiten , die zwiselien den
lesenden Magistern der Artistenfakultät ausgebrochen waren,
und bei denen sich teils die drei Nationen der Pikarden , Nor-
mannen und Engländer einerseits, und die GalÜkunische Nation
andererseits, teils nur die beiden Nationen der Pikard(!n und
*) So zuletzt Denifle in den Anmerkungen zu Jonen Urkunden. Wi-
derspruch legte tilletn Cipolla in dem später zu lieeprech enden Aufsatz ein.
*) Du üoulay, Ilintorio unirergiititis htriaifutfitt. T. UI. Paris 1666.
p. 375-3B1. 411 — 418. Die Kegeale bei C. Joardain, Imhj' chmnolotji-
ci(M rhftrffii'um pt'>iinfntin»i ad hiitortnin HHiefi'it\ta)i-< fttrifiirn.tiH. Paris 1862.
n. CCIX (p. SO) und n. CCXXXIX (p 36) cntbalten die Nachrichten Qbor
Siger nicht.
') ChntiHinriwn HnirerMitniin I^rMmMis, collegit H. Denifle. auxi-
lianto Aem. Chatelain. T. [. Paria 1889. p. 521 -580. — Dua Uesaeni 'IVxtes
und der leichteren ZugHnglichkeit vrpgen citiero iuh Itn Folgenden die Ur-
kunden nach <licH4'in Chartnlnr, nicht natih Du Bulay.
*) Er war Kardinal von I2fl2 Dec. bis 1281 Febr. 21: Franc. Chri-
stofori. Storiu dei Cardinali di Santa Homnna Chifsa. Roma 1886. p. 67.
58 TmpoanbiliA Sigeri de BrRbuitia.
der Galliker gegenübei'standen. Zugleich sucht der Kanlinal-
legat durcli verständige ailgemeine Anordnungen der Wieder-
kehr solcher Streitigkeiten zwischen den Nationen vorzul>eugen.
Bei jenen Streitigkeiten zwischen den beiden Nationen der Pi-
korden und der Galliker nun linden wir einen Magister Siger
aus der Fikardischen Nation lebhall beteiligt. Er hei^t dort
einmal mmjUter S^tjerm de mittöne Piatniontm '), ein anderesuial
einfach imu/ittfer .Siyeruy -) , an einer dritten Stelle steht ma/fistri
Üiffferus ei Si/mon tle Brahantia ■). Nicht gerade unmöglich ist es.
dalj an letzlerem Orte die Heimatsbezeichnung de BrabfitUia nur
zu dem an zweiter Stelle genannten Siiuon gehöi*en soll; aber
wahrscheinlicher ist es doch , dalä die nachgesetzte Heimatsbe-
zeichnutig de Br(thfinlni ebenso auf beide zusammenzufassenden
Namen sich beziehen soll . wie die vorgestellte Slandesbezeich-
nung mayiittri , bei welcher der zusammenfassende Plural so-
gleich auf den an zweiten Stelle genannten hinweist *). Jedenfalls
aber hv^ Bndjant, speziell Lüttich, im Bereich der natio Picar-
dorum ^), so daü Brabant als Heimat für den magister Sigerus we-
nigstens nicht ausgeschlossen ist. Freilich würde, wie schon hier
bemerkt sein möge, auch das vläraische Gourtrai zum Gebiet
der natio Picardoruni gehören.
Die Streitigkeiten t um die es sich doK handelt, sind frei-
lich nicht eben erbaulicher Art. Zwei Magister der Pikardischen
Nation waren vdii den Prokuratoren der Gailikanischen ange-
klagt, daiä sie einen Kanoniker Wilhelm (Guillennus) von Toul
gefangen genommen hätten , und der Magister Siger wurde be-
schuldigt, daß er gleichfalls wegen dieser Freiheitsberaubung
verdächtig sei '). Noch bedenklicher war der zweite Klagepunkt,
Einige von der Pikardischen Nation , unter denen die .Magister
Siger und Simon von Brabant die Hauplrädelsfuhrer gewesen
sein sollten, hätten einige Magister der Gailikanischen Nation,
') Chartitl I. p.450.
*) Ebd. p. 456.
•) EM. p. 451.
*) In der betreffenden Urkande ist »onst keine Penon ohne ii^eiw)
eine niihere Bezeichnung golaflseii.
*) Man vgl. 2. H. den uniningliclion Rotulus der AiüsLcnfakulUt von
1362, Chartul. 111. p. 82 ff.
") Chartul. \. p. 450.
Zur Biographie Siger'a von tirabunt. £9
als diese bei einer unter Teilnahme der Magister der ganzen
Universität In der Dominikanerkirche fiir den verstorbenen Ma-
gister Wilhelm von Auxerre abgehaltenen Totenfeier auch^ wie
die ubriKcn, lesen und singen wollten, daran zu liindcm gesucht,
liütien ihnen die Bücher aus den Händen gerissen und hätten
sogar an einige derselben , trotzdem sie Kleriker gewesen , fre-
ventlich Hand angelegt'). — Vielleicht wird man daraus, daJa
hier nur einige von den Verletzten als Kleriker hezriclinet wer-
den — way dann eine besondere kanonische Slrale nach sich
zog — , den Schluß ziehen dürfen, dali die Melir/atd der an der
Rauferei Beteiligten, speciell auch die angeblichen Rädelsführer
Siger und Simon, noch nicht dem klerikalen Stande angehörten.
Andernfalls wäre diesauch wohl bei jenen tadelnd vermerkt worden.
Hinsichtlich des Siger scheinen die Prokuratoren der Gal-
likanisehen Nation indessen mehr behauptet zu haben, als wahr
oder wenigstens als beweishar war. h\ der Entscheidung des
Kardinallegaten wird der Nation der Pikarden aufgetragen, den Si-
ger zu veranlassen, daß er sich von der Beschuldigung, an der Ge-
fangennahme des Magister Wilhelm teilgenommen zu haben, durch
einen Eid mit zwei Kidcshclfern (,tertia manu") reinige, oder ihn
mit seinen Genossen aus der Nation auszuätolicn und nicht eher
wieder aufzunehmen , in welcher Fakultät er auch studieren
möge, als bis er filr sein Sakrileg die Buße geleistet und von
der Exkommunikation losge^^prochen sei ■'), IHo bei der Leichen-
feier vorgekommenen Unordnungen betreffend, wird die Pikar-
dische Nation als solche freigesprochen , da in dieser Sache
nichts ausreichend bewiesen sei. Doch \vird es den Einzelnen
aus der Gallikanischeu Nation freigelassen , ihre persönlichen
Ansprüche gegen Einzelne im Klagewege geltend zu machen ).
') Et^d. p. 451.
^ h'lHf. S. 456: Det (ac. natio Picardoram) aimilitar opem et operftm
bona fi<Ie quotl siipradictus ningister Sigerus super captione ipsias magiatri
(.luillermi ierttA manu se purgei. nlioqaiii ipsos a consortio suae natidnis excln*
(tat, non priu^ ru.miiiicnilos nil illutl in quacimtjUG studuerint facultate, quam
emcndara praestiterint sie iniunctam, et dicti sacrilegi ab eicüuiinunicatioDis
scnt^Dtia quam prüpt«r sacrilogiain sie commissnm incorrisse iiOBCimt«r ae
rit« docaerint absolutos
") thd. S 466 f.
60 Tmpossibilia Sigcri de Hrabanti«.
Laßt der jugendliche Charakter dieser wirkhchen oder an-
geblichen Ausschreitungen es als wahrscheinlich erscheinen, daß
Siger im Jahre 1266 noch zu den jüngeren Magistern zählte, so
tritt er uns einige Jahre später in ernsthalten Slreiligken als
angesehene Persönlidikeit entgegen. Um das Jahr 127:2 war
CS in der Artistenfakultät zu argen MiUheliigkeiten gekommen,
welche die ganze Faknltilt entzweiten uihI rnit ihren Folgen sie
mehrere Jahre lang nicht y.uv Ruhe gelangen lassen wollten. Die
Majorität der drei Nationen der Galliker, Pikarden und Engländer*)
sowie ein kleiner Teil der Normannen hatte zum Rektor, dessen
Wahl damals vier mal im Jahre statllinden sollte-), den Magi-
ster A Hierin- von R heims erwrdill. Seiner Einführung hatte
sich die Majorität der Norniannischen Nation nei)st drei Magi-
stern aus den drei erstgenannten Nationen , welche gegen die
Persönlichkeit Albcric's Anklage erhoben, widersetzt. Die An-
hänger Alberie's sahen darin einen Zwist der Nationen, den,
außer nus wirklich schwer wiegenden Gründen, zu erheben, der
Kardinallegat Simon schon in der soeben besprochenen Ent-
scheidung vom Jahre 1260 untersagt, und zu dessen Verhü-
tung er damals Bestinnnungon gelrofTen und Strafandrohungen
ausgesprochen hatte ^). Unter Berufung auf diese Fesli^etzungen
brachten sie daher den Streit vor ein Schtei.isrichter-Kolleg von
drei Magistern der theologischen Fakultät und vier Dekrelisten *).
Aber dadurch war die Sache nur noch schlimmer geworden.
Nach Ablauf von Alberic's Rektorat^pcriode hatte eine zwie-
spältige Rektorwahl stattgefunden; die Proknraloren der Natio-
nen und selbst die Bedelle waren doppelt gewählt, die akade-
mischen Grade von beiden Parteien erteilt. Der Führer der
*) zu iji'i- uuch dio Dout«eheii, Holländer, Schweden, Norweger, Dftnen.
Polen, Ungurn u. s. w. gehörten. Vgl. z. B. DonifU-Chatelnin, Aufttta-
rinm Chartulnfii UHitientitttfiM /Vi i'iViVw^iV T. I. Paria ll?94. p. XVI ff,
') Ksch dem Dekret des Kardinallegaten Simon in dem oben besproche-
nen Entscheid von 1266 Auguat 27 (Chmiul, I, p. 455 unten).
■) Chatt. l. p. iH. 455. - Wegen der Stellang des Rektore in die-
ser Zeit vgl. Dentfle. Diu Vnleefititaten d^A Mitlehiltfru. Bd. I. Berlin
1885. 8. 120.
•) Chnrt. r, p. 522.
Zur ßiogrnphie Siger s von Urabaot. 61
Partei der Normannen war Siger. DuU derselbe zur Nalion
der Normannen gehörte, Folgt daraus natürlich nicht, da ja auf
der S«'ilu der Normannen, wie oben bemerkt, auch einzelne Ma-
gister der drei anderen Nationen standen, — Während die eine
Partei in der Entscheidung des Kardinallegalen als pars Alherici
bezeichnet wird, heißt die andere ptirs Sigeri %
Der Kardinallegat Simon de Brie, vor den die Anhänger
Alberic-'s sowie die Siger's ihre gegenseitigen Beschwerden und
Anträge auf Nichtigkeilserklärung und Bestrafung gebracht hat-
ten, konnte in seiner Entscheidung von 1375 Mai 7*) keiner
rier kläijeri^clien Parteien Recht geben, üni den Streit ku be-
enden^ erklärte er die von beiden Parteien vollzogenen Akte in
dpr Hauptsache für gültig-'), hewog die zeitigen Hektoren, Pro-
kuratoren und Bedelle beider Parteien zur Abdankung^), er-
nannte einen neuen Rektor und neue Prokuratoren der Nationen
und traf auch wegen der Bedelle Vorsorge '). Diejenigen, wel-
che sich gegen die trüberen V^erfügungen (von 1SC6) vergangen,
und besonders die Anstifter der Zwistigkeiten, sollen strenge Be-
strafung erfahren '•). Daß unter diesen Anstiftern Siger initge-
') Cfutrtiii. 1.523: Procurator uero partis aduersaci, quo faraSigerii (!)
commuDiter Dominatur. p. 527: ex parte qiiae Sigori (!) dicitur. p. b2S: per
partem . . . i^igeri.
■) Wegen der Datierung am Schlüsse vgl. Deaifle im ChnrtuL I.
p. 530 n. 14.
") Charta/. I. p. 527. 528.
*) Chartul 1. p. 526.
») Chart»}. [. p. 530.
*] Omi-tuf. I. p. 529; lIlomTn ctiam qui contni ordinationom nnatram
notatiiliter excesseruDt eorumque quos tanqiuim diabolj satettites et ministros
in Hominiittr>]i(> ac conti nimtiom^ di^HunHinni» [iniedictiie fuiSMO inneiiunfnuA prin-
cipalca, condcmnat)i>iiem ac impositionem poeDarum. prout diJicti qualitas et
eulpae modus Dxo^erint, propter cxompü peniictem iiostru arbitrio, ordinationi,
dispo^itioni ac beneplacito retinemua, ut mucrone iustittac in »ollertia penierso-
rum tiiliter feriaiur qimd poena dijcento <ogno«ra»t, quiiiti grau(\ quam poricu-
losum, quam praesumptuo-ium quamque actori pacis odiosum existat in agro
pHrisieosis studii uims diacordiae scminai-c. ei ultionia condignae gladius uidea-
tibus trHD&eat In exemplom et aures audientimn timiiri' faciat prao Ümore. —
Natürlich i«t trotz des uUlonis ramfii/nnr ytarlins, voo dem denen, die es hö-
ren, vor Furcht dio Ohren klingen sollen, nicht an die Todesstrafe, sondern
an bloße Kirchenstrufcn su denken, wie dor Logat »ie rerhangeo konu-
tö (mpossibilta Sigeri de BrAbantis.
meint sei . wird niclit ausdrücklich gesagt « ist iiber ininierhin
nicht unwaJirscheinlich.
Hier dOrfle der Ort sein, einer andern, auch von Du
Boulay ') gekannten Nachricht zu gedenken, welche uns Siger
verwickelt in <len heflij^'sten Kampf zeigt, der um die Mitte des
Xlll, JahrhunderU die l*ariser Universität bewegte. Aus dem
Streite , der seil 1 252 zwischen dem Sfikularklcrus und den
Mendikanlonorden um die volle Lehrfreiheit auch der letzteren
an der Universität und um ihre Zulassung zu den akademischen
Graden wogte, ist bekamit die heflige Slruitsi^hrid des Fülirers
der ersteren Partei, des Wilhelm von Saint-Amour — so
benannt nach seiner Heimatsstadl im Departement Jura — , die
den Titel führt'. De jurinuUs noui,tshnnnn)i femporum^) und die
im Jahre IÜ55 geschrieben wurde '). Auf sie antwortete be-
te. Hatte er doch in den Veronlnuiigi'n (von]26fi Augn8t27l, auf die er hier
Ueziifi; aiinnit, nis schwerste S(rnro die Exkommunikation angedroht:
Ckartui. I. p. 455. Wir werden uocli auf die Sache zurückkommen.
') Du Boulay, Wal. Kniim-H. Jitris. lU 382.
") Gedruckt in Magiatri Gaillielmi de Suncto Amore ■ . . Oprrn
oniMta (/imr r<ffifnn' }»)tut'rnut. CtinHtantiiie. Ad Iiisigne Bunae Fidei Apud
Alithophitos. I(i3*2 (in Wahrheit l'aria, hei Vjilm^n de Flavtgn}'). Itih konnte
das sehr seltene Werk in dem Exemplar der Königlichen Bibliothek zu Berlin
hcnuisen Zwei Sermonen Wilhelra'a (f>y»i'-fi p. 7 ff. 41*1 ff.) bei Kdword
Brown, Appendix ad ra-sciculum Keium Kxpetendarum et Fugiendarum ab
Orthuino Oratio editum CoUmiae AD. MDXXXV. hondini IÖ90. p. 43— 54. —
Petit-Kadel, (iHUinume </*• Saint Aiuour, in: UM. litt, de In Fronet. XIX.
Paris 1888. p. 197—215. Über den ganzen Stieit sind die Akten am vullstJlndigstea
hei Deniflo, ('hntiul. iiHiiwru. Ihriti. T. I., wozu die HerauügeUer der Werke des
hl. Bouaretiiurti, die Herren V. Ignatiua Jeilcr und Hyacinth Deimet, T. V.
Quarucchi 1891. p. VI ff. wertvolle ErgänzuDgeu bieten. Wie diese Schrift
und damit der Streit in die weite.ston KreiäQ hinaiugctrngun wardo, beweist
nicht nur die Thataache, daß von der Schrift /v peritnliH »fiuixMimorum
temjMtrum eine franztisiacho Übersetzung angefertigt wurde, sondern noch
deutlicher die starke Benutzung der Scltrift in der FnrtaetzuDg des liomau
üe la Uti^e des Guillaume do Lurria durch Jehaii de Mt>ung (Eniest Langlois,
Ori^im'ti vi Murren du Homnn de la Hoxr. Paria l^9\}. p. 153 — 160), welche
uns spAter noch beschAftigen wird.
"j Nach Petit-Kadel, Jlist. lUt. XIX. p. 202, crachien die Schrift
1'2S6. Dagegen weist Denifle, C/mrtiil. I. p. 296 n. 6 nach, dati wenigeteoa
ihre AbfaBSung achon in das Jabr 12ä.*> fUllt.
Zur Biographie Sigers von Braltnnt. 6$
kannllich Thomas von Aquin in seiner Schrill Contra im-
puf/mmies tlei cultum *), Bei Abfassung jener Schrift, welche den
Kampf weit über die Grenzen t'iner bloiii'n Organisationsfrage
für die Universität Paris hinaustruj^ und ihn zu einem Streite
gegen die Hrrechtiguntf der RetieionJen überhaupt und gegen
das von ihni'n aufgestellte Ideal evangelischer Vollkonimeidicit
erweiterte , hatten , wie Wilhflm von St. Amour uns selbst er-
zAhit, ilin andere Magister und Scholaren der Theologie, sowie
auch Magister im kanonischen Recht durch SatnmUmg verwend-
baren Materiales unterstützt-). Daß unter diesen auch Siger
sich befunden . wird durch eine Notiz des Biographen de;^ hl.
Thomas von Aquin, dos Guilelmus de Tocco (Thoco) , wel-
cher noch Sciiüler des Aquinaten gewesen war und diesen per-
sönlich gekannt hatte, uns nahegelegt. Nach Tocco nämlirh
schrieb Thomas eine Widerlegung ^) gegen Wilhehn von Saint-
Amour, Seger und andere ihrer Anhänger*). Wenn die Her-
') (J/fujw. XIX (die Reihenfolge der drei Opuscula XVIF. XVIIT. XIX iht
falsch). — Wegen der übrigen Streitschriften in diesem Kampfe vg\. Victor
Le C-Ierc. (i »UUtiime. ile Sninf Amotir ftGrnird iV Ahlii\r\tlf„ in: Hi.iloirt' litt,
de In Fr. XXI. Paris 1847. p. 468-499. Deniflo, Chnriul. I. p. 4IÄ n. 2.
p 497 n. 1. S. Bonaventurne Opeivi. T. V. Quaracchi 1891. p. VM.
'j Guilelm. de Sancto Amore, IifjitiiOH»ioHfs nd ubieeta (Op/va p.
109): De Itbello autem, qui dicitur reprobatus esse a dumtno Papa et cuiu^
editio mihi impoaitur, dico quod cum praelati Kranciae, soUicitati ut cauerent
ecclesiae rtalllcauae sibi commissae a pcriculis nouii^iiiiriram tcmporum . . .,
requisinisaent uingiatros Pariaiensea ut autoritatoa diuinae et canonicao scrip-
tnrae de hac materia loqucntes colligorcnt et in scriptis traderent. quia non
puterant uacare iuspectiDni libroruui. egu una cum aliis magistris et
scholaribus theologiae (als magister in artibus kunnte Sigor sn den
subolnri!s tbeologtac golii>ren) et magistris decretorum eollegi autorit^teB
praed ictas per mul taa collecl ionea, quaa ego et alii pracdicti in ununi
aolumen sub certia mbricis redegimua.
') Wie die ganze Stelle zeigt, ist hier die Schrift Omtra impiUfMfittfes
dei cHltum gemeint. Über die gegen (Jerhard von Abbevillo gerichtete
iweite (Opusc. XVlIl.): Df ptrfrctione nitae tipirihtaliH and die dritte (opusc.
XVIL.): Contra prittiffram doctrinatn rfiruhfntium Iwmimff a relüfionis im-
ffresusH vgl. L« Clerc, //«rf. litt. XXI. p. 491 ff. 4Ö6 f.
*) (iuilolmua de Thoc», Vita S. Tliomne Aqtiin»ifi» cap. 4 n. 20
[Aiiii Stihetonim. Mart, I. Antuerpiae 16ß8 p. 6fi6j: Pust huoc errorem (den
der Averroisten) praediclus Docior Partsiia destrnxit alium de nouo exurtura,
qni error non fuit ab infideli commentAtiono cxortus, aed a fidelibus, in hoc
64 ImposatbiliA Sigeri de Brnbantia.
Ausgeber der Römischen Edition der Werke des Aquinalen (von
1570) dieses ohne nähere Quellenanj^abe wiederholen*), so haben
sie als Gewälirsinann anscheinend keinen andern als Tocco gehabt.
Daß Siger von den kirchlichen Gensuren getroffen sei , die
Alexander \V. gegen Wilhehn von St. Aniour richtete , der inil
mehreren GefTilirleii aus Frankn-ich vt?rbainil wurde -) und fern
von Paris in seinem Geburtsort, den» burgundischen Saint-Amour
starb ■') , erfahren wir nicht. Wohl aber berichtet uns der eine
der Verfasser der •Stu-lptores otuiiniH Pi'uetiicffiorum, Eehard, von
einem späteren gegen Siger von Brahant schwebenden Ver-
fahren. Aus einem früher im Dominikanerkloster zu Houen,
später in St. Honore zu Paris befindlichen Manuskript hatte
ßchard die Notiz entnommen . daU der GeneruIin(|uisitor für
Frankreich» Simon Duval (Simon ih V>dle.} ') in einer zu St.
I
non fidelibus, Gnilclnio de Stiucto Ainorc. Segero et aliis eormn anquacibo*
adinueiituH
') In der VorbeTnerkiing im OpHnr. XIX (auch in die spftteren Aua^a-
bpo. z. B. dip von Antwerpen icri, Ueröborgenommon! : Tempore aancti Liidooici
t'rancTorum regia VVielmus de Sancto Amorc Sigcriuaqae inngialri Pari&ieo-
ses mulfcique sequuces in bunc inciderunt errorem, ut religiosornin nicndican-
Liiini »tAturn dainnntam assi^rereiit; librumque sacrileguni niiiltis sncrae pa-
ginac snnctüniTDque autoriatibu», liret rtiala tatellectia et penierae expoaitis.
refertam Clementi IV. Sumiiio Ponttfici obtulerunt. — .^uch was hier Über
den fnlifllt der Sf.Iirift Wilhohn's and deren Sendung an Clemens IV. gesagt
wird, iöt offenbar Tocco t-iitnomuien.
*) 1256 Juoi 27 fordert Alexander FV. von Anagni aas Ludwig IX.
von Frankreich auf. er solle Wilhelm von SHint-Amour nebst drei anderen
nnmentlii'h genaiintec LioOlhrten. falls sie dem Hefehle des Papstes nicht
naolikAmen. aus Frankreich verbannen, event. den Wilhi-Ini von St. Amour
mit noch oinom Gerioasen einkorkern laasen {Charf. l. p 824 ffV 1257
August 9 teilt er Wilhelm von St. Amour die Strnbentenz mit, die ihn aas
Frankreich verbannt und ihm die akademische Doklion sowie das Predigen
untersagt (Chaii. I, p 362f. Den Krmig von Frankreich ersucht er iwei
Tage apfttor, den Wilhelm am Betreten tVankreicha zu hindern (Chari,
J. 363).
') Donifle. Chnii. t. p, 498 Note 1 zu n" 439.
*) Er wurde um 1226 geboren und predigt« 1281 und 12S2 in Paria:
Quetif et Kchard, iy'ertptore» ordinis Pffifdinttonan rrfntsUi. T. I. Paris
JVlfl. p. 394,
I
I
Kar BJographiA Stger'» vnn ßrahftnl:. 65
Qiiontin in V4M'tinan(?oi.i gefällten Snilenz aus dem Jahre 1278
den Doliiinikaner- und Minorilenbrüdern auftrug, die Kanoniker
von St. Marlin in Lüttich, Sigcr von Brabant und Berner
von Nivelles'). welche des Verbrechens der Häresie höchst
verdäclitig seien und die in Fninkreich dieses Verbrechen l>egan-
(fen haben sollten, in Fomi Rechlens vorlade, damit diest'lhen
in Person vor seincni Hielitorstuhle zu Sl. Qiientin in Verman-
dois erschienen ^).
Worauf diese Lehrstreitigkeiten sich bezogen, erfahren wir
aus diesem Bericht ebenso wenig, als wir es aus Dante's Wor-
ten ersehen konnten, Wohl al>er bietet er uns das weitere
Neue, daß Siger ein Kanonikat in LQttich bekleidete und weni|?-
sletis damals Frankreich bereits verlassen hatte. Ob er das
I) I^opold Del isla, U (Jahinet den mantuurU/i. IL Pu-ia 1874. p. 144 f.
Fnrd. Caatetfl, // fiotv par IfuraMtr, Montpellier 1881. p, 151, und Andere
schreiben Bemier flr Nivelfp. Aber die alt«, um ein 647 von [da, der Ge-
mali]in Ptpin's von Landen gPAtifteteri Nonnenkloster orwnchaents 28 Kilo-
meter HQdtich von HrttAsol in der Provinz Brabant gelegene (lauptattidt dea
gletcbDamigen Arrondiaacmcntj) und Cantons, vlAmiscb yifrt'i, heißt Sirfl/cK.
Vgl. V'ivien de Saint-Martin, Noutetm dictinunttire df (JMyrapkir nm-
rerMlU. T. IV. Paris 1890. p. 168.
*) SrripfmeM nrii. lYtirJ. l. p. 8D5 (in dem Artikel Über Simim i/r
Vatte, weU-her von di>ni zweiion der Herausgeber, ^chard, horrtihrt): Inqni-
sitorem in regno Franciae generalein «duerstw hneretico» egit etiam noster
Simon de Valle, et in codice saec. XIII. fol. niemSi. olim domus noetrae Ro-
thomagen^ia, nunc uaro ex permutatione pro aliie libris domna Parisieuaia ad
S. Honorati. sex aunt sententiae eins nomine latae anni» MCCLXXXVII et
MCCLXXVtll Cadomi, Aareliae, Kbroicia et Qitintinifani in Veromanduia. In
bac ultima FF. Praadicatoribua et Minoribun committtt, itt Sufjyerum de Bni-
haniia et BerMenitti ifr- Sirrtfa S. Moiiini J^mdieHgifi t'ttHOnietm de erimiHf
htiereHM pi'tiiMthilHet' et uehemeiUer mutfiectos, et yKi in regno Fiiinciae i/irr-
bantHi- tufe crime» tNCHrriitve, iuridice cüettt ad eomjHtrt'nduiu j/ermmotiter
roram «uo trihnnnli apud .S. Quintinttm im Veiitintinduis, digerus da Bra-
banüa et Hamonis de Niuelta eraiit S. T. magiatri et aocii Sorbonici ea aetat«-
Bcriptie ittm clari, qui in BUHpitionen] erroris uenerant, quam tarnen purgarint,
cum in communione Eccleaiae obierint, multuaquo Codices Sorbonne legarint,
inter alioa Sigenis primani partem Suiuniae 8. Thomae, prünam Secundao,
Quodlibeta. et Quaestionea djsputataa de potentiu Dei, HemiTns primam »••
cundae et secundain äucundae, codiceä certe aummi pretü.
Bttitrttg« II, ri. BuvDinktr. Stger von BrAbftak. 5
66 Impossibilia Sigeri de Brabantia.
Kanonikat erst damals erhalten hatte *) , oder ob er es schon
bekleidete, als er noch in Paris verweilte, wie wir Gottfried von
Fontaities zu derselben Zeit, in der er als magister regens zu
Paris thätig war, gleichzeitig im Besitze eines solchen Kanoiii-
kates in Lüttich finden ^), ist nicht zu entscheiden. Auffallend
aber erscheint es, wenn der Inquisitor hier so sehr betont, daß
Siger sich während seiner Thätigkeit in Frankreich der Hä-
resie verdächtig gemacht habe und daher von den Dominikaner-
und Minoritenbrüdem in Person vor sein Tribunal gebracht
werden solle. Der jetzige Aufenthaltsort Siger's , Lüttich , lag
außerhalb des Machtbereichs des Inquisitors für Frankreich.
Wenigstens nahegelegt wird dadurch der Gedanke, daß Siger
sich einer ihm drohenden Verfolgung durch die Flucht nach
Lüttich entzog.
ßchard fügt seinem Berichte über diesen Proceß noch
eine Bemerkung über den Ausgang desselben hinzu. „ Siger
von Brabant und Berner von Nivelles," fährt er fort»), „waien
Magister der Theologie *) und damals schon durch Schriflen
berühmt. Diese waren in den Verdacht der Häresie gekommen,
haben sich aber von demselben gereinigt, da sie in der Gemein-
schaft der Kirche gestorben sind und der Sorbonne viele Hand-
schriften vermacht haben, unter andern Siger die prima pttrs
der Summa des hl. Thomas, die prima secundae , die Quod-
libeta und die Quaestianea disputafae de potentia Dei ^ Berner
die prima secttndae und secunda secutidoe, Handschriften von
hohem Wert*.
') Wie GastoD Paria, RePiie politüpie et litteraire. Ille a4r. T, 11.
Paris 1881. p. 583 anzonehmen acheint, uhne daü er dafür indea einen Be-
weis beibrfichte.
') S. oben S. 41 Anm. 5.
■) A. a. 0. S. 395; s. oben S. 65 Anm. 2.
*) S. T. magiatri, was sacrae iheologiae magigtri heißt, nicht «attcti
Thfunae, wie Ch. Potvin, Bulfet. de VAcnd. rwjale de Belgique. XLV. p. 335
die Abkürzung auflöst. Natürlich will Potvin nicht Siger und Bemer zu
Lehrern des h. Thomas machen; aber auch angestellte Lehrer des Tho-
mismus gab es damals noch nicht. Schon Cipolla, Giornale storico della
Irttei-fitura itatinna. \ll\. 1886. p. 115 n. 2 macht auf diesen Irrtum Potvin's
aufmerki'am.
Zar Htograpliio f^igei-'a von l3raliant. 61
Ich will es hier ganz beiseite lassen , daß Siger und
Berner bei Echard als Majrisler der Theologie bezeichnet wer-
den. Wenn Siger an lier nie dn Fonarrt! lehrte, unii wenn er
noch 1S75 in der ArlislenfakullTil eine l)edeulsame Kolle spielte,
so- war er, wie ()l)*-ii sction hervorgehoben wurde'), und die
Identität jener Siger vorausgesetzt, magister in arUbus. Den
Verfasisem cter Si-nft/orts otfft'jii.t Praedica forum stand für ihre
Behauptung schwerlich eine positive Unterlage zu Gebote , viel-
mehr (hlrfle dieselbe eine blülje Vermutung sein, geschöpft aus
der Thatfrache, daü die beiden Lütticher Kanoniker wegen An-
fechtung ihror Reclitgläuhigkeit in einen kirchlichen Proceß ver-
wirken wurden.
Ebenso ist es offenbar nur eine Vernuitung, was uns Aber
den günstigen Ausgang des Processes berictitet wird. Die fJe-
.=!clii4titschreiber stolzen ihre Meinung einzig darauf, dali von
den Angeklagten wertvolle Büehervermäclitnissc an die Sorbonne
gemacht seien.
Von Berner von Nivelles -) darf icli hier ganz absehen.
Seine S<'.henkung an die Sorbonne wird noch jetzt durch den
Vermerk in nicht wenigen Manuskripten bezeugt, die ans der
Sorbonne in die Pariser Nalionalbibliothek gekommen sind -).
Anders steht es in dieser Beziehung mit Siger von Brabant.
Aus der Sorbonne stammende Manuskripte, die von einem Ver-
niHchlnis des Siger von Brabant hern"ihrten, lassen sich nictit
nachweisen^). Wohl aber hören wir, dali im Jahre 131! aus
') 8. S. 5a und 67 ff.
*) ülwr donselbpn vgl. L. DoIiMle, /*(■ Cuhinft itfif nianiinrritg. T. II.
p. 144 f. Er vermficbtti der Sorbonne 25 Volumina, die «iif £0 livres ge>
achfttzi wurilen.
") Sieho dfln Nachweis bei DeltHlo n. n. (i. Dort wird auch gezeigt,
(Infi das VennächtDis Bcmor's nicht schon im Jaltre 1277 der Sorbonne
N6el, wie F. Lajard, Bist. litt, de In Frone*. XXI, p. 366 voraussetzt, da
Bernor noch 1283 aIb «iner der Testameutsexekutoren des Kanonikua B. d«
Beneasia in Tongern in der Lfitticher DiOceae erscheint.
') Wenn CipoUa, Giorn. xtor. tl^Un hlt. itnt. VIU, p. 118 es Potviii
vorwirft, daß er ein solches Legat Siger's von Brabant in Abrede sUlle, ohne
dii' znblrfi(.'hi>n Handschriften von Werken dps h. Thomas Band fltr Hoiid
durcbgefteht-u zu haben, die aun iKt Sorbonne in die National-Bibliutliek ^v-
kommen sind, su Übersieht er, d&h cbun diesr Arbeit von Deliale schon für
Äft '^^rtnpoBwbdia Sigeri de BrnlrnntiA.
dem Legate di*s Magister Sipor von flourlrai (Sif/ents de Cor-
frocit) , DechaiUeu an der Kirrli« Sta. Maria zu (lourtrai und
vordem Genossen der Sorbcinne, acht ßSnde von Werken des
heiligen Tiiomas (oeto uolum'ma mnieti Thomae) kamen , von
denon Dolislo drei unter ilen Bänden (ier Pariser National-
bibliothek wiedererkannt hat ').
Anscheinend hat Ecliard Sig<'r von Brabanl und Siger
von Courtrai als dieselbe Persönlichkeit genommen. Bei der
Aufzflhlun^' der Schriften des heil. Thomas-) nämlich weist er
für sämtliche Werke, die nach der obigen Stelle aus dem Le-
gate des Siger von Brabant an die Sorbonne gekommen sein
sollen ■'') , Handsrhriilen aus dem Le^falf^ des Siger von Cour-
trai nac-h^), keine einzige aus einem Legate des Siger von
Brabant. Freilich ist die Unklarheit bei ihm groli. Au der
(las VorzeichDia der Douatoren (Ctibinrt tifs mnnunrr. U. p. 143 ff.) gemacht
ist, ohne JbIj dahei inileB irgend oini* auf Sigt^r von Brabant weiAC'ado
Spnr gefunden wäre.
') Ij. DüMbIo, CahiHrt rffw miiutinffits. II S. 173 f.
O Aucli der Artikel al>er ThüinnK von Aquin ist vun RchArd.
^ Zwar beißt es bei Ang&bi> des Legats uur einfach äiger, »hoe wei-
toren Ztuatz; aber ea kann nur der gorade vorher genannt« Siger von Hrn-
bant gemeint sviin, da ja das hegat aU Bpweia Rlr die spätorv Steltong de«
8iger von Urabaiit angeführt wird.
*) Quotif et Ecbard, Script. Onf. I'raed. 1. p. 288: AIt«r fol. mag.
mcmb. n. 26 ex logato Sigori do Cortruco decani Cortracensis et aocü
Sorbon. qui ex actis eins gyiunasü aeiate 8. Thumae florebat. lusunt solam
QQ. df /mtrnti» Dci F. Thoma« lir Aqitino etc. ttt imp. — EM. p, 290: In
Sijrbon. est codex fol. mag mcnib. n. 30O3 ox legato Sigeri de Cortraco
aupra laudati anno 1277 clari, in quo est prima parit Summtt* S, />. et
ad calccm i^nofllifni S. I>. — Kh<L p. 295: }*rimnt' »rrnndat- sunt octo Codices
quoniin tres potissimum notandt, pHmus n. 121 ex legato Sigeri do Cor-
traco dfCADJ ecclesiao B. M»riae Ciirtracensis, qui e primis Robi^rii de Sor-
bona aociie fuit ex actis gyniiiR>-ii, sancfnniquf' dnctorpm uiilit AU^'r n, 180
ex legato Rerneri de Niv«*llis cmiuriici S. Martini Leodiens., qui cain St-
gero de Ürnbaniia concaiiouico suo Lcodiam iam so recepcrat menat* nouembn
]'_'77, ut c^nstat ex actis F. .Simonis de Valle Or. Prai'dic in rt-gno Kranrtao
luni inquisitoris generalis. Sic enim habetur in Lud. mn. iiifuib. aüits conucn-
tUA iioatri KothomagenMis eiua aetalis, ubi acta plura eiua inquiaitoris. Tertins
ex h'gnt«) iani hiudiiti Ctiirini lU' Sedcloco u. 2-Jlt - - .
Zur Biographie Siger's uon Brabant. 69
einen Stelle *) hören wir von dem Proceü gegen Siger von
Brabant und Bemer von Nivelles, sowie von dem Legate die-
ses Siger von Brabant-) und des ßemer von Nivelles; an
der andern-^) von der Schenkung des Siger von Courtrai, der
zu den ersten Genossen Hobert's von Sorbonne gehörte und
Thomas von Aquino noch gesehen hatte % und des Bemer von
Nivelles und von dem Proceß gegen Siger von Brabant und
Bemard von Nivelles. Aber daß fichard von zwei Schenkungen,
einer des Siger von Brabant und einer des Siger von Courtrai,
reden wollte, ist bei der völligen Gleichheit des Inhalts dieser
Schenkungen ^) ebenso ausgeschlossen , wie daß er etwa zwei
wirklich verschiedene Schenkungen zusammengeworfen hätte");
denn auf eine von der bekannten Schenkung verschiedene des
Siger weist auch nicht die geringste Spur '). Echard hat viel-
mehr Siger von Brabant und Siger von Courtrai für dieselbe
') A. a. 0. p. 395. S. oben S. 65 Anm. 2.
•) S. S. 68 Anm. 3.
') A. n. 0. p. 295. S. oben S. 68 Anm. 4.
*) £chard beruft sich hierflir auf die „Acta Gymnosü*'. Es dürften
darunter die Sorimnae oi'ii/ines des Claude Häm^rä (Hemeraeus) zu verstuhen
sein, die in cod. Paris. Bibl. nat. lat. 5493 handschriftlich erhalten sind und
denen, wie Cipolls, Giornalt uton'eo dfila Jett, itnh VIII. p. 129 gesehen
hat, auch Petit-Kadol, Hht. litt, de In Fr. XIX, p. 802—303 gefolgt iat,
wenn er bei seiner Aufzfthlung der Genossen Robertos auch den Sii</rr de
Coutiraif erwähnt. — Hömerö, über den man die Noucclle Biographie gene-
rale. XXIU. Paris 1858. col. 896 vergleichen möge, 1611 Mitglied der Sor-
bonne, gest. 1650, wurde 1638 Bibliothekar der Sorbonne, welchen Posten er
sechs Jahre lang bekleidete. Dieser Thätigkeit entstammen seine Origines,
die nicht etwa eine zeitgenössische Quelle sind, vielmehr selbst auffallende
lind grobe Irrtümer enthalten; vgl. Denifle. Chartular. I. p. 350, Note 2
zu n. 302. Seine Nachricht, daß Siger von Courtrai einer der ersten Ge-
nossen Robert's von Sorbonne gewesen, bietet darum durchaus keine sichere
Gewähr. Wir werden auf die Sache noch bei Besprechung von Gipolla's
Aufsatz zurückkommen.
■') S. S. 65 Anm. 2, Ende, verglichen mit S. 68 Anm. 4.
") Potvin, a. n. O. S. 336: Lea deox donatione, de Siger de Courtrai
et de Berner de Nivelles, n'ont d'autre rapport que de contenir des Oeuvres
de Saint Thomas; elles ont dü Mre faites säparöment, k la mort de chaque
donateur et ä de dates non indiqnäes.
0 S. 0. S. 67 Anm. 4.
Tnipo&aibilia Sifceri de BwibflnTift
Prrsoii xclialten , imlein or etwa atinalim, 4la!.i der lvaiK»iiik<^f
von Lütlich später Dedianl in Courtrai geNvordt^n ^ei, im<l inaclil
diesen Siger von Courtrai , den aiiKehlichen Brabanter, zum
Zeilgoiiossen des Robert von SorboniU' und Thonms von Aquiiio.
Den Irrtum Kchard's iibenialun Lc Klerc» der V'erfas?jiei'
<Ws ausfCilirlichen Artikels ober Öiger von Braimnt — aus deui
ic'li liier nur das ln-rvorliebrn kiinn. was er /u ridnor Zeil N'eue.s
brachte -- in der Histoirr Utfentire Jt iit Frani-f *) , dessen
Hauptinhalt übrigens schon vorher durch eine Mitteilung btilcaiml
wurde, die in Üzanam's viel gelesenem Werke über Dante
vr-rölTcnllicbl worden war^). In dieser Arbeit sucht er die Men-
lität des Siger von Brabant und des Siger von (lourtrai
zu beweisen *). Er stützt sich auf die Angaben Krltard's über
die Legate an die Sorbonne sowie über die Lebenszeit des
Siger von Courtrai *). Das enlg^egenstehendo geographische Be-
denken , daß Courtrai doch nii^lit in ßrabant li^e , triaubt er
entkrälten zu können. Der Name «Brabanf habe damals eine
weitere Auädebnung gehabt als jetzt, so da& auch jemand, der
in dem vlfnuischen Kortryk geboren war, als Brabanter Iiabe
bezeichnet werden können. AulJcrdem brauche der Beiname
ile Cufifiu'o überhaupt nicht den Geburtsort Siger's zu bezeicli-
nen. Dieser sei viehnehr wahrscheinlich Lüttich, da die .Schriften
Siger's in ManuskriptfU enthalten seien, welche von Kanonikern
der Lütticher Diöcese, Heinrich Pistoux und tiottfried von Fon-
taines, der .Surbonne vermacht seien.
Indem Le Clerc den Siger bei Du Boulay und tchanl,
tlen Ueifuer der Mettdikanten, den in die .Streitigkeitt-ri der Uni-
versität verwifkeilen Parteiführer, den vom Inquisitor für Frank-
reich der Häresie bezichtigten Kamtniker von Lfittich, mit Siger
von (Courtrai , dem Donator wertvoller Handschriflen von Wer-
ken des Aquinalen^ idenliticierte und diese Persönlichkeit in den»
') Le Clerc, Sigrr rfc Bratumt, pi'of^rjtifeHr aujf «*«>/fjr rftt la nw tht
Founn-e, in: Hisfohr iUt^ntin- tt,- la Fntncr. T.XXI. Pari» 1847. p. 96— 127.
Zuerst oracbicncn im Jmirmil di-a Dvlmt«, 184ö, 2U. und 29. August.
*) S. 8. 52 Auni. 1.
=) A. ff. 0. S, 99 ff.
*) S. oben 8. 65 und 68.
Zur Biograpliie Si{i;er*8 von Brabant. 71 .
Sigieri widerfand, den Dante in das Paradies unter die selijfeu.
Theologen versetzt und dessen Lob er Thomas von Aquino in
den Mund legt, ergab sich ihn» tür Siger von Brabant das Bild
eines Mannes , der in seiner Entwicklung einen vollständigen
Wandel seiner Anschauung durchlebte. Von einem wegen Hä-
resie Verurteilten und in seinem Irrtum Verstorbenen würde die
Sorbonne ein solches Legat nicht angenommen haben *). Siger,
der früher von Thomas von Aquino bekämpfte, wurde vielmehr,
wie die Schenkung mehrerer Schriften des Aquinaten an die
Sorbonne beweist, später selbst Thomist und gefeierter Lehrer
der Sorbonne, wo Dante ihn hörte. Den Nachhall dieser Wand-
lung finden wir in der Erzählung jener Dante-Kommentatoren
von der wunderbaren Bekelu'ung Siger's infolge einer nächtlichen
Geistererscheinung -). Ein Protest gegen die Bekämpfung Siger's
soll es sein , wenn Dante ihn , den durch die Dominikaner
Verfolgten , gerade durch den Dominikaner Thomas von Aquino
unter den rechtgläubigen Lehrern vorgestellt werden läßt ').
War, wie wir sehen werden, diese Verschmelzung der
beiden Siger zu einer einzigen Persönhchkeit ein verhängnis-
voller Irrthum Le Glerc's, so mulä es dagegen als sein beson-
deres Verdienst angesehen werden, daß er uns zuerst den Leh-
rer und Schriftsteller kennen lehrte. Es geschah das einmal
durch den Hinweis') auf die zwischen 1305 und I;J()7 verfaßte
Schrift De rerujteratione terrae mnctae ^) , als deren Verfasser E^
Boutaric '') den königlichen Anwalt im Amtsbezirk von Cou-
') A. u. 0. S. lll.
'-') S. oben S. 55. Le (Uerc kennt die Legende aus anonymen Glos-
sen, die Andreas von Orvieto 1389 kopierte: HiKt. litt. XXI, p. 113.
^) A. a. S. S. 105.
*) A. a. O. S. 105 ff.
'') Zuerst ohne Kenntnis des Verfassers veröffentlicbt von Bongars in
den Uestit Dei per Ftaiiron sine orientaHum expedUionuni et reyni Fnttico-
nun IIU'fonoIomitfiHi hintoria. Hanovlae 1611. T. II. p. 816—361. Eine von
Bongars, wohl aus politischen Rücksichten, ausgelassene Stelle wurde Auf-
grund der (einzigen) Handschrift in der Vaticana (reg. Christin.) durch Ver.
mittlung von Abbä Duchesne von E. Renan mitgeiheilt {Hint. IHter. de la
Fraua: T. XXVII. Paris 1877. p. 738). Neuere (vollstfindige^ Ausgabe: De
rficuperaiünie Terrae sanrtae. Tratte de polUiqite ifinerale par Iterre Did)ois,
publik par Ch. V. Langloia. Paris 1891.
*') E. Boutaric in: Notices t4 extraits des manuscrits de la Biblioth^ite
imperiale et aittrea bibliothkiues. T. XX. Paria 1865. 2^« partie. p. 174 f.
72
Impüasiliilia Sigcri de Brnbantia
taiiccfi in der Norniaiidie. Pierrt* Dubois (Petrus de Buscu) *)
nachgewiesen hat, den Pollhasl (.'inen , überaus merkwürdigen
Traktat" , .voll niodenier Ideen" nennt •). In diesem Werke
erwilhnt Dubois den Siger zuerst bei Gelegenheil des interessan-
ten Erztehungsplanes , durch den er für die Wiedererlang'uiig^
und Verwaltung des heili^^en Landes die nötigen KrÖfte zu g'e-
winnen vorschlägt. Nachdem die dafOr ausgewählten Knaben
bis xuni vierzehnten Jahre die notwendigen elementaren Kennt-
nisse erworben, auch neben dem gründlich zu betreibenden La-
tein Grieclii^eh oder Arabiseh oder sonst eine fremde Sprache
erlernt huben , sollen sie in die Naturwissenschait eir»j?efuhri
werden. Dafür werden, außer einem Auszug aus den einschlä-
gigen Schriften Albert's (des Großen), Auszüge aus den Schritten
des Frater Thomas {von Aquino) und des Seger empfohlen").
') über Pierrp Dubois vgl. NataÜB de Wailly in: WinmiTi* Je
V Armivmk de» inMrnptmtü et bcllf» Idirf». T. XVIII. 2" partie, Paris 1855,
p. 482 ff. biblwth^fiH« tlf ritmh dea CharteSf 2« 8^. T. IH. Paris lS4*i.
p. 273 ff F.. Boutaric, Im Frnnrr Mf»w Philippe h Bei. Paris 1861.
p 410 ff. E, Hfnan. f« pttbliri^tc de PhHiji/M- le Bvt, in: Hrnn' dr» dnur
iHtmdcH, 15. fövr. PanB J871. p. 620 ff. HiMmre Wt. ri« la Franef. T, XXV.
Paris 1873. p. 471 ff. l woselbst p üOH-524 eine Analyse der Schrift De ret-u-
prratiünr trrnte- tutHctne gegeben wini, deren Verfasser Kentui durch Bouta-
ric*» Aufsatz Jii den Sot.ff 4>j-fr. k4>iinen gelernt hatte). S. Kiezter, Die /it'
lertiriitchi'N ti'idn'xachtt dvr Ifljistf znr Zfit Litdirijiti dtM ltnif.rn. Leipzig
1874. 8 143 f. Fr. von Schulte, Die Gf^hiehi* der Quethn nid Lieir-
nitttr dnt Cnnonixrhfu Uerhtx. Bd. If. Stuttgart 1S77. S, 179. Ch.-V. Laa-
glois in «einer Ausgabe p, VI ff. D'Ancona, V»riet(\ tdon'chr e lette' ,
mriP. Si>rio 11. Milano 1885. p. 125 f.
*) Ang. Potthftst, M'etfireUcf duivh (He (leMihirUtnuerk^ den euntpäi^
itcUfH MittvMtet-s his IMHt. 2. Aufl. Bd. II. Berlin l-^gß S. 915.
=•) I)f ifcitp. T. s. c. 46 g. 72. p. 337 Bongars. p. 00 f. Langloi»;
. . . Qood (der mehr elementare rnterricht) sie perfici deberet infra qaatuor-
deoimum annuun. Tuuc incipiant iitidire naturalem seientiain. Propter cuins
pralixitntui» vt pro"uriditat<.-in expedtl N'aturulia fratria Alberti, continentia
proltxc totam intentitmem Phibsophi {den Aristoteles) cnm inultjs additioni*
huH ei digreasionibuH, quautuin ningia lieri pottset, abbreuiari, tain plane quod
intelligentes legen' pos^ieitt hoc extractuin Hufficiont«r sine ncriptis. Hov
cxtractum nudireot iuuenes totum primo anno quataor lectionea in die tnine
quoestionibus; hoc ideni audireni secundn vice cum quaestionibus. Postmotliiin
nudirent semel libros prout legantur in scholii«. Item ezpediret quod quo«-
stionee naturales habcreat extractas de scriptis tarn fratris Thoinae qaiua
Zur Biographie Siger's von Brabant. 73
An einer spätem Stelle erzählt der Verfasser — der auch bei
einer Predigt des „sehr gelehrten Frater Thomas von Aquino"
zugegen gewesen war^) — , daß er Schüler Siger's — und zwar
ist hier ausdrücklich Siger von Brabant genannt — gewesen
sei , als dieser , ausgezeichnete Lehrer der Philosophie** die
Politik des Aristoteles erklärte. Er erwähnt aus diesen Vorle-
sungen eine Äußerung Siger's, ,,es sei besser, wenn der Staat
von guten Gesetzen , als wenn er bloß von rechtschaflfenen Per-
sönlichkeiten regiert werde; denn es gäbe keine so rechtschaf-
fenen Männer und könne keine geben, bei denen es nicht mög-
lich sei, daß sie durch die Leidenschaften des Zornes, des Has-
ses, der Liebe, der Furcht, der Begehrlichkeit beeinflußt werden
könnten* *).
Segeri et aliorum doctoram, ordinatas omnes de una materia, ut de niateria
prima, de forma, compositione eioa; generatione, corraptione; de quolibet
seDsn, eius obiectis; de qaalibet potentia animae, operationibus et nataris
earam; de elementis, natans (Langlois: Hotitre) et operationibus conim; de
corporiboa caelestibus, nataris, infinentiia et motibus eomm ... (ich habe
hier und in den sonstigen Anführungen die Orthographie nach dem klassischen
tiebrauch geregelt, um den Leser nicht durch eine bunte Mannigfaltigkeit zu
fttören. Nor bei Mitteilungen aus Handschriften, bei denen möglichste Ge-
nauigkeit erwünscht war, wurde die mittelalterliche iJchreibnng beibehalten.)
') A. a. 0. c. 40 § 63. p. 335 Bongars, p. 58 Lauglois: Ex qno con-
cludebat ille prudentissimas frater Thomas de Aqaino, ut audiui in quo-
dam suo sermone etc.
') A. a. 0. c. 80 § 132. p. 358 Bongars, p. 121 f. Langlois: Si qnia
autenv hunc prouisionis modam reprobare nitator, quoniam retro principes do-
mini regia antecessores nunqnam taliter consuenerunt armorum semitia exi-
gcre: reaponderi polest quod, prout in lege ciuili canetnr, „non est respicien-
dum quod Romae factum est, sed quid fieri debuiaset', et qood ,non est exem-
plis, sed legibus iudicandam". Ad hoec facit id qaod super I\>litiea Arinio-
Min determinaoit praecellentissimus doctor philosophiae, cnius eram tunc
discipulus, magister Segerus de Brabantia. uidelicet, quod ,longe me-
lius est, ciuitatem regi legibus rectis quam prol^s uiris, quoniam non sunt,
nee esse possunt aliqui uiri tarn probi quin posaibile sit eos cormmpi paasio-
nibus irae, odii, amoris, timoris, concapiacentiae'. — Es ist nicht klar, wie
weit die Worte Siger's gehen, ob bis zum Ende der hier abgedruckten Stelle
oder — wie Langloia, wohl mit Unrecht, annimmt — nur bis zu den Wor-
ten „probis «»•(«".
Es ist das indes ohne sonderliche Bedeutung, da das Ganze jeden-
falls kein originaler Gedanke Siger'a ist, sondern schon dem von Siger erliu-
74 ImpossihiliR Stgeri de Hrnhsiitia.
Von noch größerer Be(leutiu)g für die Kenntnis Siger's nis
Leiuvr und Schiiftsleller tiber. als dieser Hinweis auf Diibois.
wnr es. dal^ Le Clerc über die aid der (*anser NaLion;ilhibliolhek
belindliclien Werkr Siger's ziemlicli eingehende Mitteilungen
machte *). Leider veniiindcrle t*r dies V^erdiensl — auch abge-
sehen davon, daiä die von ihm begangenen l^esefehler eigentlieli
doch über das Mals des Enlscliuldbaren hinausgehen -) — da-
ilurch einigermaüen, dalä er auch hier Siger von Brabant
mid Siger von Courtrai vermengte. Doeh isl der SchatJen
nicht so groti, da er jedesmal gewissenhaft angiebt, wo in den Hand-
schriften der eine und wo der andere als Verfassop genannt ist.
hl Le Clerc's Bahnen wandelt Kervyn de Leltenhove.
In e-ineni IS53 erschienenen Aufsalz ') glaubt er den Geburtsort
Siger's von Courtrai, den er mit dem von Dante gefeierten Si^ori
identiticiert, gefunden zu haben, Untei- den Dechanton des Kapitels
von Nolre-Dnuie ku Courtrai nämlich, das 1199 durch Balduin
von Konstantinopel und Maria von Champagne gestiHet wurde,
terten Arislotelea angehört, der sich damit gegen einen bekannten Ue<lank«n
Plftto's (/vV»7ft7M -297 D ff.) wendet; vgl. Arietot Ii}tif. IH 16, p. 1287 m 18i
■t6v äga i-d/ior Ofjj^eir m^rttöiritov ftäXknv tj vtör .-loÄtrwr Fva tträ . . , (a 28r>
6 fUT ohv Jov v6ftov xtln^tur o^/fff (loxri ntkgvrn äo^nv tüv -^mov xai jAv rat-r
f.i6rovf, 6 H' Sr&gayjtor itrXtvofv :tQoouih]Oi ttat ßti^ior' f} te yög m&vftia rm-
ovtov, Xtti o (h'fioc ägj^ofiai xai lot .; a^/otot'i ätÖtMy Aia^^tiqu. 6t6^tm
Äf«' &Qi^eoii vovs «J vA^w<: irniv.
Völlig UDrerstXndlich ist. was Kr. Bergmann, Itanff, mi riV «tf sm
<r«priw. 2" etl. Straülwurg 18ftl. p. 17S, aus dieser Stolle macht: ,I.e profos-
beur qiii k Paris a e^iercä le pltis d'intiiKincf^ snr l'esprit de Daitto etait lt>
doctcur Siger du Brabant, qai ^veilla c-n lui le sons et le jugemi>ut politiqua,
parcc que rf> docteur, eu commi^ntant la Politiquo d'Arist^te, transmit a Dant«
ecttf tdeo sijcinle, qu'il a toiijoui^ mainieniio dppuia, ä »avoir que la bonnt-
djrectinn den haut, 1«-»^ l)onneä iiustitutions, et le.s honnea luiü out plim d'ein-
pire flur lea individaa et lea peuplcs, quf tea prdoepts de la ÜM^ologie et de la
mortle.* Welche Konfasion!
') Hilft, litt. ,te ia Francr XXI. p. 115— 124.
^ Man sehe die ZaBammenstellung einiger dietier Fehler bei Ch. Pot-
vin in: Bufl. ih- t'A'-aiL de /ffh/üjur. XL. 1878, p. Üb.
*) Kervyn de Lettonhove, .S'iyw //<• fUtUHfhftn^ tioctcur rn tkrofo^ü-
tfr rCnivrrsitt' ilr Fiirix tut X/ll'' sii-rlv, in: ÜfilletinH tfr i'Acntifynir tfr Bei-
gi^ne. T. XX, 1" part. Bnutellos 18Ä3 p. 252—259.
Zur Biographie Siger*8 von Brabant. 75
findet sich als neunter in der Reihe ein Siger von GuUeghem.
In GuUegheni, einem Städtchen eine Wegstunde von Courtrai
entfernt, muü man also den Geburtsort jenes berühmten Leh-
rers des XIII. Jahrhunderts suchen. Wann Siger Dechant von
(Courtrai wurde, ist nicht bekannt j li58 hatte er aber schon
einen Nachfolger in Aegidius von Gent. Vielleicht hat ihn Lud-
wig der Heilige, als er Flandern besuchte," an sich gezogen, um
seine Kraft für die von ihm beschützte Sorbonne zu gewinnen •).
Demselben Siger begegnen wir in einer Urkunde vom J. 1:292
April 9, nach der er bei einem Akte anwesend ist, durch den
die Äbte von Citeaux und Clairvaux gegen die Vergewaltigung
ihrer Güter protestieren*). Freihch ist dort, wie Kervyn de
Lettenhove bemerkt, die Lesung unsicher'*); doch meint er, daß
durch den Zusatz olim decatio Cortraci jeder Zweifel ausgeschlos-
sen sei.
Die vermeintliche Entdeckung Kervyn de Lettenhove's,
durch die er Le Clerc's Resultate ergänzen wollte, fand nur
vereinzelt Beachtung^). Der Aufsatz Le Clerc's selbst da-
gegen beherrschte fast die ganze neuere Litteratur. Histo-
riker"'), Geschichtschreiber der Philosophie**), Dante -Erklä-
■) A. a. 0. S. 253.
») A. a. 0. S. 256 flF.
''} Zu den Worten der Handschrift (Ms. von Dunes, u<> 359 Liber eon-
linens nariuH lUU'ran etc): preteHtibus . . . domitto Sugero olim decnno Cor-
frnri bemerkt er (n. a. O. S. 258 Anm. 1): Le copiste a mal transcrit le
pr^nom. La premiöre lettre ressemble k an /, et le eigne abbr^viatif a 6i6
omis h 1a demiöre syllabe; go. Mais les mots qm suivent: olim äecaiio Cor-
tnu'i, enfflaent pour rendre tont doute impossible.
*} Z. B. bei Scartazzini in seinem Duite- Kommentar, III. S. 267.
'') Z. B. A. Budinezky» Die Universität Fiiris und die Fremden an
derselben im Mittelalter. Berlin 1876. S. 176 f. in seinem unbedeutenden
Artikel über Siger.
") Barth^lemy Haar^aa, De la philosoptiie acolastique. Bd. II. Paris
1850. S. 290. Hitstoire de la philoaophie scolastique. Bd. 11, 2. Paris 1880.
S. 131 — 137 (aber Haur^aa's spätere Arbeiten s. weiter onten). J. H. £rd-
mann, Grundriß des Geschichte der Philosophie. 3. Aufl. Berlin 1878. Bd. I.
S. 373. 394 (in der von Benno Erdmann besorgten nVitMAnflage Bd. I. S. 408 f.
ist die Sache berichtigt). Ueberweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der
Philosophie. 7. Aufl. Bd. II. Berlin 1886. S. 254. Albert StOckI, Geschichte
76 Impoääibilia Sigeri de Brabantia
ror ') folgten ihm. Siger, so hören wir, iirspi-ünKHcli Gegner der
Mendifcanteiiorden und einer freieren Richtung huldigend, dnruni
in einen hiqnisition-eprozeÖ verwickelt, verfinilerte später seine
Richtung, wurde Anhänger des lieiligen Thomas -) und führte
die Sorlxvnne dem Thomisiuus zu ").
Der schon bei Ecliard hervorgetretenen, durch Le Giere 's
vielgerühnilou Artikel vergrüläerteu und weil verbreiteten Ver-
wirrung trat zuerst Leopold Delisle entgegen. Er zeigte*),
dali Siger von Courtrai. Procui-ator der Sorbonne im Jahre
K^lö, dessen Wruiäclitnis von acht Bilnden der Werkt* des hl.
Thomas erst 134-1 an die Sorbonne kam') und der darum nicht
gar lange vor i:^4l gestorben sein wird, nicht einer der ei*stcn
Getidu-ton Robert's von Sorbonne ") und Zeitgenosse von Tho-
mas von Aquino s-ein konnte. Noch weniger natürlich kann
dieser Siger von Courtrai, wie hier schon hinzugefügt sein möge,
mit dem von Kervyn de Leltenhove hervorgezogenen Siger von
tttr rhilwtftpJtie flw MUtefaltrrt. Bd. II. Mmoe 1865. 8. 774. Ebenso im
Grunde Cipolla. Abor ijpss4>n Ansicht weiter tinU'n zu handeln ist
') S() FhiUlctIiu3 (KlJnig Jobann von Sucha^'n), Witte, Labia,
ScftrtazKini. Aitcb Friinz Hettlngor, Dantc*a<.>istosgang. Köln 18K8. S. 89.
') Nach Hauri'au. flUr. dt fa phU. »col. II, 2. p. 132 ist die Lehre
Siger'e »im üninde reiner Thomisinua*. — Daß gerade Haur^aii s^pätcr dieat;
irrii^e AnHicht widt'rUgt«, werden wir weiter unU>n sehen.
') So z. li. Hauri*au, Stdckl, Uebcrweg-UeinKä an den 8. 75
Anni. 6 angegebenen Orten.
*) Leopold Delisle, Lf ('nhinei tle« mumteeritn de la Bibliothrtfur nti-
tionatf, T. II. Faria 1874. p. 173 f.
"1 Anco Domini MCCCXLI uenArvot ad socioü doinua de Sürbima octo
uolumina Hsncti Thomc, ex legato magistri Sigeri de Cortracu, decani eccle-die
lieate Marie L'ortracensia ot condam socü liuiua doinus. Et ordinatum fuit
per deputatos quod pro anima eius iieret anniuersarium (Ms der Pariser Na-
liooalbibUothek lat. 16&74, fol. 32v . bei Üeliale, «*. u. O, 11, 174 Ann. 1).
— Wenn man Hiich annimmt, dafi jene BQclier nicht unmittelbar nach dem
Tode des Legatara an die Surbonne gekommen seien, ao kann doch nach
R»rht und Herkommen ein Uageror, etwa mehrjähriger, Zeitraum zwiMhen
dem Tode Siger's und der .Ahtlorerting das Legate nicht liegen Siger mafi
darnach I-'i^l oder doch iirt^ht langD vor i'MI gestorben sein.
") Kobert von .Sarbiinne (Ober ihn vgl. F'etit-Radel in: //«V. litf. rfr
h Fninee. XIX. p. 291—307) und Tbomaa von Aqnino starben beide im
Jahre 1274.
Zur Biographie Siger's von ßrabant. 77
Gulleghern identisch sein, oder mit dem Siger Danle's, den der
selbst bereits 1321 gestorbene Dichter schon 1300 im Paradiese
weilen läßt. Siger von Brabant — der aus der Pariser Univer-
sitätsgeschichte und dem Inquisitionsprozeß von 1278 bekannte —
und der weil spätere Siger von Courtrai, so war Delisle's
Resultat, sind durchaus von einander zu unterscheiden.
An Delisie schloß sich Älfons Wauters an ^) in dem
Überblick über die philosophisch-theologischen Schriftsteller Bel-
giens im XIII. Jahrhundert, den er einer Arbeit über Heinrich III.
von Brabant einfügte.
In einem längeren gediegenen Aufsatz *), aus dem hier na-
türlich nur das mitgeteilt werden kann, wodurch der Verfasser
seine Vorgänger berichtigt oder ergänzt, widerlegte dann Ch.
Potvin die Le Clerc'sche Identificierung der beiden Siger. Mit
Recht stellt er Le Clerc's Meinung, der Vlame aus Kortryk habe
auch wohl als Brabanter bezeichnet werden können, auf eine
Stufe mit dem Schnitzer Walter Scott's, der in Lüttich vlä-
misch reden läßt. Außer den schon von Delisie geltend ge-
machten Gründen führt er") vor allem die Handschrift n. 1C!222
des fonds latin der Pariser Nationalbibliothek ins Feld, in deren
Verzeichnis offenbar Siger von Courtrai und Siger von Brabant
als zwei verschiedene Personen behandelt werden *). Zugleich
') Bulletins de VAradhnie royale de Itelgiqtte. T. XL Braxelles 1875.
p. 357.
*) Ch. Potvin, Siger de Brabant, in: Bulletina de VAeadhnie royale
de Belgique, T. XLV. Braxelles 1878. p. 330-857.
') A. a. 0. S. 339 f.
*) In dem aus dem XIV. Jahrhundert stammenden Verzeichnisse heifit
es nach Potvin's Angabe:
r. Summa Modorum significandi tmtgiatri ^ggeri de Cortraco, quondam
sucii in oollegio de Sorbona
IIP. Summa totius Logices tnagiittri S^geri de Cortraco PREDICTI, etc.
XI". Quedam detenninatio Sygeri MAGNI, de Brabaneia, de Eternttate
inundif si qua nU.
Man beachte, daß hier nicht nur die verschiedene Heimatsbexeichnung sich
findet, sondern daß der Znsatz predtrti, welcher bei der zweiten Erwähnung
des Siger von Courtrai steht, dem Namen «Sygeri de Brahancia* nicht
beigefügt ist. — Dem Zusats Majui bei dem Namen „Sygeri de Brabaneia"
76 tinpossibilia Sigeri de Brab&ntia.
gab er weitere Naclirichten über tlie SchrifltMi Siger's nehsl Pro-
ben aus den Fwponjtihih'ft und Dr auhna ').
Haben Delisle und Potvin - auch Scheffer-Boichorsl
stinnnite zu *) — Rt'cht mit ihrem Widerspruch gegen die Meii-
lificierung" Siger's von Brabant mit Sigcr von t'ourtrai, so wer-
den wir nicht mehr den ersleren zum Thomismus übergehen
lassen dürfen, weil der zweite der Sorbonne Schriften des Aqui-
nalen vermachte. Wie Siger von Brabant zu Thomas von Aquino
steht, werden wir nur aus anderen Momenten» vor allem aus
der Einsichtnahme in seine eigenen Schriften, entscheiden kön-
nen. Zugleich ist mit der Aufgabe dieser Identificierunp das
Bild hinfällig geworden, das Kctiard sowie Lc Olerc von dem
späteren Leben Siger's begehen hatten. Was sie über den
Ausgang des von Simon Duval angestrengten Pnjcesses und
nber die spätere Stellung Siger's schlieläen zu dürfen glaubten,
würde nicht einmal mehr den Wert einer Vermulun^f lutlu^n.
Wir wisi^en ni«'Ms Ober das spülen' Leben Siger's,
Einiges Licht in dieses Dunkel schien eine Publikation des
Jahres 1881 zu bringen, niclii freilich, ohne daü durch dieselbe
neue Probleme gestellt wurden, und nicht ohne daß gegen dio Ver-
wendung dieses Fundes Widersprudi erhoben wäre. Im .liihre 1881
veröffentlichte Ferdinand Caslets^) nach einem Manuskript der
mochte ich dagegen nicht das Gewicht beilegen, wie Potvin (p. 240). Hier
wird wobi ninffMiri zu lesen sein, wie in ao vielen FftUen, wo die Anfiörtang
de» Kornpendiuma tNarji verkannt ist. Dio Handschrift selbst einzusehen,
hatte ich iHslang keilte tiejegönlieit. Daü aucli n&ch dem Zcagnis von Dante'a
Solm Siger mit dem Beinamen ,der (iroliie' {Mrifftiuft) verherrlicht wi
{G. Paria, füme polititjue et lUt. 111" »dr. T. 11. Paris 1881. p 583. M. Üe
Wolf, HiMotrr ttf hl phH. urot. datt» Im Piti/n-Baji, p. 275; vgl. auch Ci-
poUa, anomale xtorieo lUUft hiteroturu itiiiiamt VIII. p, 92. 124. 131) trifft
nicht zu. Petms Alighieri berichtet tiur: Item Bigertiim, qtii nmgnns philo-
aophuB fuit et theologus; s. oben S. 54 A. 2.
'} A. a. 0. S. 842-345, 348—357.
'1 Xritfchrift für nmuniUrhc l'hiMojfit: Bd. V-l Halle 1888 S. 46& f.
') li Fion\ poöme iUlien du XIII*" aiöole. En CCXXXII «onneta.
iniit^ t]a honinii de hi HoHf, par Durante. Texte In^dit publtö avec fnc-aimile.
Intriidurtiou et Nuteü pur riTiliiinnd Caetetn. MunipeltiiT (Pari«) 1H«|,
Zur Biographie ^iger'a von firabaut. 7d
Medizinischen Fakultät zu Montpellier eine (verkürzende) Nach-
ahmung des französischen Rmnan de la lio9e des Guillaume de
Lorris und des Jehan de Meung in 232 Sonnetten. Ihr Verfas-
ser ist ein nicht weiter bekannter Durante, wie es scheint, ein
ungefährer Zeitgenosse des Dichters der Göttlichen Komödie —
seines Namensvetters; denn auch Dante ist Durante^).
In einer Episode des Gedichtes*) — sie gehört der weit-
schichtigen Fortsetzung durch Jehan de Meung an — berufl
Amour seine Vasallen, um das Schloß zu erstürmen, in welchem
Jalousie den Bel-Accueil, den Sohn der Gourtoisie, eingeschlossen
hat. Die Barone beschüeüen , daß Faux-Semblant und Con-
trainte-Abstinence den Anfang machen sollen. Amour möge
(lern Faux-Semblant, den er haßt und dem er mißtraut, verzei-
hen und ilm unter seine Kämpfer aufnehmen. Jetzt erscheint
Faux-Semblant und enthüllt in einer langen Unterredung seine
Natur ■^). Der Dichter hat darin ein Zerrbild der Mendikanten-
Ocden gezeichnet, zu dem die leidenschaftlichen Streitschriften
Wilhelm 's von Saint-Amour zum Teil die Züge geliehen haben*).
An einer in ihrem Zusammenhange nicht völlig klaren Stelle ^)
[l'uhUcatuniH speeialett lie ht Soeirif pour V^ttde des laHguea rotHnne»,
9^ public). ~ „II Fiote" hat der Heraasgeber das Gedicht geoannt, weil
ea statt der Rose des Romnn de ht Rone onbestinunt eine Blame einge*
setzt hat.
'} Castets versucht in der Einleitung zu seiner Ausgabe (S. XIV—
XVIII) den Verfasser mit dem Dichter der Gottlichen KomOdie selbst zu
identifizieren; allein diese Ansicht hat allgemeinen, zum Teil, wie bei 6a-
spary (Gesch. der Ital. LH. I. S. 505 Note zu p. 198), ziemlich scharfen
Widersprach gefunden. In Sonnet CCII v. 14 nennt der Verfasser sich selbst
Sei- Ihwante. Er war also Notar, folgert Gaspary (a. a. 0.).
^ Le. Roman de la Rose par Guillaume de Lorris et Jean de
Meung. Edition accompagn^e d'ane traduction ea vers, par Pierre Mar-
teau, Orleans 1878. Chap. LIX ff. (T. III. p. 32 ff.)
') Chap. LXI-LXIll.
*) Vgl. Ernest Langlois, Origines ei sonrces dn Rnman de la Rtme.
Paris 1890. p. 153-160.
'') Aufiällig ist es, dafi die Auseinandersetzang aber dieFftllc. in dcnm
das Betteln nach Wilhelm von Saint-Amour erlaubt sei, dem Fanx-Sentblant
in den Mund gelegt wird (denn die Beilegung von v 11987 ff. an den Dich-
ter selbst kann vregen des Sclilnsses der Stelle nicht richtig sein). Nur in-
ßO Impossibilia Sigeri de Brabantia.
der an scharfen, zum Teil vergifteteten Pfeilen reichen Unter-
redung läßt der Dichter Faux-Semblant seiner Gewalt sich rüh-
men. So habe seine Mutter Hypocrisie den Meister Wilhelm
von Saint Amour, der zu viel von ihrem Leben enthüllt und
sie vom Betteln an die Arbeit gewiesen habe, in die Verban-
nung gejagt 1).
Dur ante, der italienische Bearbeiter, fOgt hier zu Wilhelm
von Saint-Amour noch den Meister Siger hinzu. Auch bei
ihm rühmt sich Falsenbiants seiner Macht. „Mit meinem Truge
richte ich jeden zu Grunde. Denn wenn irgend ein großer Ge-
lehrter kommt, der die Absicht hat, meine Sünde aufzudecken,
so vernichte ich ihn mit der Gewalt, die ich habe. Meister
Sighier hatte sich nicht zu freuen. Ich ließ ihn sterben ,a gkiado,
a gran dolore^ ^)^ am Römischen Hofe, zu Orvielo. Meister
Wilhelm , dem guten von Sant-Amore , ließ ich Frankreich
dem der Dichter das Lob Wilhelm's von Saiut-Amonr im weiteren Verlaufe
ins Ironische wendet, hat er einen Notbehelf gefunden, um das Vorhergehende
notdOrftig dem Zusammenhang einzureihen.
>) Ich setze die ganze Stelle (v. 12049 ff. ^d. Marfceaa, t. 12424 ff: M.
Francisque-Michel. Paris 1864) mit Martean's moderner Übertragung her:
Qni grocier en vodra, si groace,
Qtti correcier, si s'en corronce.
Car ge ne m'en teroie mie
Se perdre en dovoie la vie,
Ou estre mis, contre droiture,
Gomme saint Pol, en chartre oscure,
Ou estre bannis du roiaume
A tort, cum Ai meetre Guillaume
De Saint-Amor, qu'Ypocrisie
Fist essilier^ par grant envie.
Ma möre en essil le chafa;
Le Taillant horame tant bra^
Per V^rit^ qu*il soostenoit;
Vers ma möre trup meeprenoit,
Por ce qu'il fist ung noTel livre
Oii aa vie fist toute escrivre,
Et voloit que je renoiasse
Mendieitä et laborasse,
Se gc n'avoie de quoi vivro.
En grogne, uia foi, qui vondra
Et s'en courronce ä qui plaira;
Pour moi je ne m'en tairai mie,
En du9s4-je perdre la vie,
Ou contre droiture me voir,
Comme saint Paul, en cachot noir
Plonger, ou bien de ce royaume
A tort bannir comme (ruillaame
De SaintrAniour, qn'exiler fit
Ma möre par trop grand döpit.
Tant fit ma m&re Hypocriaie
An vaillant homme d'avanie,
Poar Värit<S qu'il soutenait,
Qu'il fnt chass^; car il avait
Trop d^voilä d'Hypocrieie
Daus uu nouveau Hvre la vie,
Et me voolait voir renier
Mendicite pour travailler,
Si je n'avais pas de qaoi vivre.
Über diese Worte siehe weiter unten S. 83. 84. 86 f. 94 ff.
Zur Biographie Siger's von Brabant. 8l
verbieten und ihn verbannen aus dem Königreich mit großem
Lärm" %
') // Finre, Son XCII (p. 47 dd. Castets):
C'on mio baratto ciaafihedan afondo.
Chö sed e* rien atcun gran litterato
Che Toglia discoTiir il tni* peocato,
Co la forza ch' i* o, i' aül confondo.
Maatro Sigbier non andö gnarl lieto.
A ghiado il fe* moiire a gran dolore,
Nella Corte di Roma, ad Orbivieto.
Maatro Gaillelmo, il bnoo di Sant-Amore,
Feci di Francia metter in dirieto,
E sbandir del reame a gran romore.
Obrigens hat nicht nur Sonett XCII aus der 8. 80 Anm. 1 ciÜerten
Stelle des Roman de la Jtoae gescbSpft, sondern auch Sonett CXIX (p. 60
äd. Castets):
Chi se ne tuoI adirar, b\ se n' ariiri,
Ch6d i* vi pur conterö ognie mio fatto,
S' i' dovess' eser istratto intrafatto,
0 morto a torto, come furo i martiri,
0 discacciato come fii *1 buon siri
Guillelmo che di Santo-Amor fa stratto.
CoB^ '1 conciö la mogle di Baratto,
Perö che mi ronpea tutti mie' giri.
Ghöd e' si fu per lei m discacciato,
E sei per veritä che sostenea,
Ched e' fu del reame isbandegtato.
De mia Tita fö libro, e si legiea
Che non volea ch' i gisse mendioato.
Verso mia madre troppo miaprendea.
«Wer sich darflber erzttmen will, der erzflme sich; denn ich verde
ench all mein Werk erzfthlen, wenn mir auch sofort der Procefi gemacht
oder wenn ich zn Unrecht get&dtet werden sollte, wie die ]ABitjrer wurden,
oder verjagt, wie der gute Wilhelm, der ans Saint-Amour gesogen wurde
(hier scheint vom italieniscbon ÜberseUer der französische Text mi&verstan-
den zu sein). So richtete ihn das Weib von Baratto (Betrog; gemeint ist
die Hypokrisie) zu, deshalb weil er mir alle meine Kreise stOrte. Denn er
wurde so von ihr veijagt, mid das allein um der Wahrheit willen, die er
Beitrtg« 11, 6. Biiaiunker, Stgvr von BrabtDU ^
tt fwpoiitilm Sigeri da BrabMtia.
Näheres über die. Person dieses .Meister Sigliier* imd
den ihm gemachten Procefi teilt Dorante nicht mit. Wir
können es auch nicht ans einer andern Stelle erschliefien 0. an
der- er den Fakenbiante von Inqnisitionsprocessen reden läfit^ die
in verschiedenen Orten Italiens gefuhrt würden -); denn beide
Stellen stehen weit auseinander und weisen keinerlei gegensei-
tige Beziehung auf. Nur um die Luft und die Stinunang- zo
erkennen, die an der ersten Stelle harscht, kann und darf die
zweite dienen.
Der Heraasgeber des Gedichtes, Ferd. Castets^, sah in
«tttzte, äM& er mm dem KSoigracfa Tcrbannt wurde, über ment Leben tct-
iftfite er «in Bodh, and nuui las, <Ufi er nicht wollte, dafi idi beitdii g^n^^
Gegen meine Matter rergiag er aieh gmr adir.'
Vgl sneh noch den Anfang von Sonett CXX (p. 61 id. Castets).
') Oaston Paris in seinem sogleich tn ervlhn«iden An6iatz in der
Kfrnr polU. H litt, bringt beide Stellen in nnmittelbsren Zaaammenhang.
0 In Sonett CXXVI (p. 64 id. Castets) sagt FaiMembiamte:
Nö non si ndi giä in Escritture,
Chi saccian die eo' mie' mastri divini
r pnnrerö died e* son Paterini,
E fard lor sentir le gran cahue.
Od i' faro almen che fien morati,
0 darö lor si dore penitenze.
Che me' lor fora che non fosaer nati.
A Prato, ed a Arezo, e a Firenze
IT b io distmtti molti e iscacciati,
Dolente k qae' die cade a mie sentenze.
,Und man rertraae nicht auf die heilige Schrift; denn man roSge wis-
sen^ daß idi mit meinen Gottesgelehrten beweisen werde, dafi sie Patarener
(ein« manichAische Sekte) sind, and ich werde sie die große Hitxe fühlen
lasden (Scheiterhanfen), oder wenigstens einmaaem lassen (lebenalingliche
Haft), oder ich werde ihnen so schwere Strafen auferlegen, dafi e« für sie
besser wftre. nimmer geboren zu sein. In Prato und in Arezzo und in Flo-
renz habe ich viele von ihnen vernichtet und veijagt. Wehevoll ist, der
meinen Urteilen verflült.*
In der zugrunde liegenden Stelle des Roman de 1a Rmt, r. 12312—
12946 4d. Uarteau, die hier sehr frei wiedergegeben ist, findet sidi nichts
¥tm diesen speciellen Beziehungen.
'j A. tu 0. 8. 160-162.
^ur Biographie Siger's von BraWi 8S
dem mastro Sigfner den Siger Dante's und des Pierre Dubois,
den Gegner der Mendikanten im Streite mit Wilhelm von Saint-
Amour, der von dem Inquisitor Simon Duval vor sein Gericht
citiert wurde. Er glaubte, in jenem Sonett die erwünschte Nach-
richt über den Ausgang jenes Processes gefunden zu haben.
Die Worte
A gbiado il fe' morire a gran dolore
stellte er mit Dante's Versen:
che in pensieri
Gravi a morir gli parve esser tardo
zusammen, und indem er den Ausdruck a ghiadfi im bildlichen
Sinne nahm , fand er in der Stelle den Sinn , da& Siger zu
Orvieto im Elend gestorben sei. ' Die Worte nella corte di Roma
heißen nach ihm : „in dem Territorium, das der Jurisdiktion des
Papstes unterworfen war" *). ,Er war also zur Verbannung
verurteilt und dann in einer Stadt Italiens interniert* *).
Castets' Entdeckung fand vielseitige Beachtung. Vor allem
regte sie Gaston Paris zu selbständiger Behandlung der Frage
an ^). In der Hauptsache, der Identificierung des mastro Sighier
und des Sigieri, stimmte er Castets zu, während er die Le Clerc-
') A. a. 0. S. 152.
*) A. a. 0. S. 151. — Anf eine andere Vermutung Castets' glaube ich
nicht näher eingehen zu sollen. Er meint (S. 151), die Erinnerung an diesen
Aufenthalt Siger's in Orvieto sei wohl der Ursprung der Anwendung gew».
sen, die Andrea da Orvieto von einer Alteren Legende anf Siger machte (s.
oben S. 55 Anm. 2 und S. 71 Anm. 5). Dem gegenüber m&ohte ich daran erin-
nern, dafi Benvennto Rambaldi von Imola, der seinen Gommentar 1379 ver-
faßte (Scartazzini, La IHvina Commedia, IV. S. 528) diese Legende be-
reits kennt (s. o. S. 55 Anm. 1), wfibrend Andrea da Orvieto jene Glossen
erst 1389 copierte {Hist. litt, de la Franee. XXI. p. IIS).
^ Gaston Paris legte Castets* Ausgabe der Acadhnie des inacriptiona
et belhs lettres am 6. Mai 1881 vor. Über seine dabei gemachten Hemer*
kangen berichtete J. Havet in der Revue crUique. N. S. XI. Paria 1881.
p. 400. Eine Anzeige des Buches brachte 0. Paris selbst in der Bomania,
X. Paris 1881. p. 460 f. Äusf&hrlich handelte er fiber die Frage in einem
Vortrag vor den vereinigten fBnf Akademieen, welchen er in der Rerue polt-
titpie rt litteraire, 111« sÄr. T. 11. Paris 1881 (p. 582-586: Siger de Brabant)
verüffentlichto.
6*
si tmpossibilia Sigeri de Brabaniia.
sehe Identificierung von Siger von Brabant und Siger von
Courtrai, wie Gastets selber*), ablehnte-).
In einem Hauptpunkte aber wich er von Gastets ab. Der
letztere hatte die Worte a ghiado a gran dolore, Im Hinblick
auf Dante, so verstanden, daß Siger zu Orvieto in der Verban-
nung, im Elend verstorben sei. Dieser Deutung trut G. Paris
mit Entschiedenheit entgegen'). y,A ghiado" heiM: „durch das
Schwert". Siger wurde zu Orvieto verurteilt und hingerichtet,
und zwar durch das Schwert.
Ebenso bekämpft Paris die Deutung, welche Gastets den
Worten nella corte _di Honia gegeben ^). Dieselben hei&en nicht
„in dem der Jurisdiktion des Papstes unterworfenen Gebiet*,
sondern „am Römischen Hofe". Siger's Verurteilung erfolgte
am Sitze der Kurie, und zwar zu einer Zeit, wo diese in Or-
vieto verweilte.
Damit glaubte G. Paris zugleich einen Anlialtspunkt ge-
funden zu haben, um die Zeit von Siger's gewaltsamem Ende
näher zu bestimmen. Zwischen 1278, dem Jahr, in welchem
Siger vor den französischen Inquisitor citiert wurde, und 1300,
dem Jahr, in welches Dante seine Reise zum Paradiese setzt,
finden wir den päpstlichen Hof dreimal in Orvieto, in den Jahren
1281 — 1284, 1290—1291, 1297 (unter Marün IV., Nikolaus IV.,
Bonifaz VIII.) % An einem dieser Termine muß sich der Pro-
ceß gegen Siger abgespielt haben, wahrscheinlich, wie das Fehlen
aller späteren Nachrichten über Siger nahelegt, schon während
der ersten Anwesenheil der Kurie in Orvieto in den Jahren
1281 — 1284. Er wäre dann, was jene Annahme besonders em-
pfiehlt, unter demselben Papst Martin IV. erfolgt, der als Kar-
dinallegat Simon von Brie schon 1266 und 1275 in den Pariser
Universitätsstreitigkeiten gegen Siger vorgegangen war*').
^) Castets, a a. 0. 8. 150.
*) Rente jiol. ef lüt., a. n. 0. S. 584.
■) Romnnin X, p. 460 ff. Rertte pol. et litt, l c. p. 584 ff.
*) S. oben S. 83.
^) Man vgl. Aug. Potthast, Regesta Ihntifiatm Rommiorum. Vol. H.
Berolini 1875. p. 1757 ff. 1774 ff. 1873 ff. 1962 ff.
•*) Rrnie pol. et litt. p. 584.
Zur Biographie Sigcr's tod Brabant. 85
Angeregt aber war dieser Prozels durch die Mendikanteii.
So glaubt G. Paris aus der Art und Weise folgern zu dürfen,
wie FaUenbiante des Processes in Orvieto als Beweis seiner
Macht Erwähnung thut ^),
Aber wie konnte, fragt sich G. Paris, Dante, dessen
Rechtgläubigkeit, trotz seiner Opposition gegen die weltliche
Macht der Päpste, doch unbezweifelbar ist, einen Mann in das
Paradies , in die Umgebung des hl. Thomas von Aquino , ver-
setzen, der an der Seite Wilhelm's von Saint-Amour gegen die
Orden gefochten hatte und dann von Thomas von Aquino bekämpft
war, gegen den schon im Jahre 1277 ein Proceß wegen Häresie
schwebte, und der am Sitze der Kurie verurteilt, ja mit dem
Tode bestraft wurdet
Mit all diesen Schwierigkeiten hat sich Paris ab^.ufmden
gesucht-). Von jenen alten Streitigkeiten zwischen Siger und
Thomas von Aquino, die ein halbes Jahrhundert zurücklagen,
wuüte Dante , dessen historische Kenntnisse sehr fragmentarisch
und oft sehr unexakt smd , vielleicht nichts , und wenn er sie
kannte , so war es ein feiner Zug von ihm , „eine Art von
furchtbarer Ironie , sehr entsprechend der Greislesanlage des
Dichters*, daü er den Heiligen, der über seine Ordensbrüder in
der Gegenwart ein so scharfes Strafgericht hält, einen alten
Gegner des Ordens, der auf Betreiben dieses verurteilt war,
rehabilitieren läßt. Die Gitation von lä77, wo Siger der Hä-
resie angeklagt wurde, war wohl wahrscheinlich der Anfang
seines Unglücks, hatte aber möglicher Weise nichts mit seinem
Tode zu thun. Auch ist es denkbar, daU Dante nichts davon
wußte.
Was endlich die Vei-urteilung zu Orvieto anlangt, so be-
weist gerade die Verherrlichung Siger's durch Dante, ebenso
wie die Art des Todes, daß jene Verurteilung nicht wegen
Häresie erfolgte. Die Strafe der Häretiker, wenn sie zum Tode
verurteilt waren, war der Feuertod. Wurde Siger also nach
Durante's Bericht mit dem Schwert hingerichtet, so kam bei
') HecHc pol. et litt. p. 585.
») A. a. 0. S. 585.
86 Impussibjlia Stgcri de Urabantia.
jenem Proceiä, folgert Paris, nicht die Hcligion, sondern die
Politik in Frage. Siger wurde verurteilt als Gegner der Macht
des Papsttums in welllichen Dingen. So werde es t>egreiflich,
dalj Pierre Dubois, der Lrgisl im Oienstt» PhiUpp's des Scheinen»
so gut wie Dante, ik-r Verfechter der Universalmonarchie des
Kaisers und als solcher Feind des französischen Königs , in der
Wertung Siger's übereinkommen ; denn obwohl verschieden im
Positiven ihrer Ansii-ht , stimmten doch beide unter einander
und mit Siger überein in der Negation , dem Gegensatz gegen
die Herrschaft des Papstes in weltlichen Dingen. Und wenn
es Marlin IV. war, der Siger vemrleitte , so hatte Dante, meint
Paris, um so mehr Veranlassung, jenen zu erheben. Denn
dieser französisclie Papst, Freund des Kapetingischen Hauses,
Verlechter der päpstlichen Weltherrschaft, i»abe ihm antiputhisch
sein müssen, wie sich auch darin zeige, daü er ihn bloü wegen
eines geringen Fehlers, wegen seiner Leckerhaftigkeit, unter den
im Fegfeucr Bestraften vorfuiiro ^).
Trotz des Einspruches von Gaston Paris blieb indes Ga-
slets in dem entscheidenden Pimkte bei seiner Auffassung und
fand darin die Unterstützung von A. Boucherie =*) , der etwa
an eine lebenslängliche Gelangenschall als Strafe Siger 's itenken
wollte *). Bi'ide wiesen an einej* Reihe von Beispielen nach,
daß wenigstens im Altfranzösischen *) fjlmve, allein stehend oder
mit dolor verbunden, den übertragenen Sinn hat. Diese Beispiele^,
») RAfne ptfK rf liU. p. 584 f.
*) A. BoneheTie, A dolor et ti ifhiirn, in: fienn' tlen luHt/Mfn ittinnnf^,
Hh' eir. Montpellier et Paris 1S82. p. 297—300. In diesen AufsAtz ist auch
eine Mitteilung von Ferd. Castetti aufgenünunea.
') Rtvue ilat InnffueA romanfy. 111. p. 298.
*) Auf die zahlreichen GAlHcisnien in Durantc's Gedicht hatt« Oa-
afcels schon iu seiner Auägabe S. XXIII fiofnierkaBm gemacht. Übrigena
braucht der Ausdruck a ghirido im bildlichen Sinn nicht einmal ein eigent-
licher tiallicismua zu sein» damit die altti'ajizöaischeD Parallelen Bc<]ea-
tung haben.
') Von den durch Boucherie nach gewiesenen Beispielen sei mir ge>
stattet, eines herzusetzen, das mir beäonders überzeugend zu aeiu scheint. Im
Chanson von Jouriinin de Bln^e {v. 1189 ff.) heißt es;
I
I
Zur Biographie Siger'» von ßnibnnt. ft7
«leren Zahl sich übrigens noch vermehren lälät ') , und von
denen einige die größte Ähnlichkeil im Ausdruck mit iin-
seref Stelle zeigen*), thun meines Erachlens überzeugend dar, daß
die von Castets gegebene Deulunj^ ^Ur wohJ inöglieh ist.
Ebenso hatte, wie ich hinzutügeri möchte, der Kardinallegul
Simon de Brie, dem wir schon so oft begegnet sind, denjenifren,
die seine Verordimnjreti für die Pariser Universität fdierLreten
wüi'den, mit diün i^ychtceH der gerechten Rache (uÜiunis cun-
iVt(ftiae tjlm/ius) gedroht , obwohl es sich dabei um unblutige
Kirchenslrafen handelte ').
Indem ich die Eiörtening der Frage, ob wir ausreichenden
(irund haben , Dnranie's Sighier uiil Siger von Brabant zu
jdenliticieren , vorläufig noch zunickstelle , will ich doch schon
hier Inusichtlich eines Punktes in dem von G. Paris auf Grund
von Castets Entdeckung; erilworfenen Lebensbilde meinen Zweifel
ausdrücken. Derselbe betrtin den Zeitpunkt von Sigers Tod.
Paris glaubt, wie oben bemerkt wurde '), denselben in die
Zeit von Marlin's IV. Aufenthalt in Orvieto (H81— IfR4) an-
setzen zu soHen. Allein Martin war in dieser Zeil vorwiegend
von politischen Dingen In Anspruch genommen. Namentlich
Sicilien , wo am 30. März \^S'2 dir „sii-iliauisclit- Vesper^ ge-
wiltet, und der Kampf zwischen Karl I. viui Anjou und Pe-
ter III. von Aragonien machte ihm, dem Freniide des Anjo-
viners, unaufhörlich zu schaffen'*). Von einer lebliufteren Ein*
Se i1 noä prt'nnenC, noz serons niurt a i/lufr,;
Et 1107. metrunt en liuies ut en cbartre.
Tait i morroiia *» tiotor ft n <jifiircif.
«Es ist oflenbar/ bemerkt Buucheric, «dnO man uicbt ilaniit «nf^gt, ihnen
don Hftlä Abzuschneiden, nnd sie dann in Banden and (Jefängnis wirft."
') Mein Kollege Herr Professor Dr. Knrl Appel, der selbst gleicbfatU
der TOD Castets gegclranen Deutung zuatimnit, hatte die Freundlichkeit, mich
auf die Belege anfmerksam zu machen, welche bei Vr^däric (rodefroy,
UictionHOtn- (/f l'aHt'ifHitf IfUif/m- fntm;ni.sf. T. IV. Paria 1885. p. 286 Rlr
die übertragene Bedeutung von <//r/<>f (calamitd, äpid^mle) nachgewiesen werden.
») S. S. m Anm. 5.
') S. ob. ä. 61 A. 6. Der Ausdruck schlieft sich wohl an Laca» 2, 85 an.
*) S. S. 84.
") Im Jahre 1281 fand sogar in Orvieto, bei Gelegenheit eines Besuches
Karl's von k33^a\x an der Rflmischen Kurie, ein heftiger Kampf zwischen Sol-
8S tmptwsibilifl Sigeri de Brabantiii
zellJultigkoit in Glanhenssachen hören wir dagegen nichts, Weiia.
dor Papst l!äSI Novemher 18 gegen den griechischen Kaisei—
Michael Palaeo]ogus die Exkoiiinitinikalion atissprach, der von .a
den auf dem Konzil zu Lyon (1274) mit don Griechen getrof-
fenen Vereinhamngen wieder abgefallen war '). so war das eine
die gjuize Kirche l>elreOende allgemeine Thätigkeil. Nur einmalÄT j1
in jenen drei Jahren begegnet un.s in den päpstlichen Akten .^ z\
eine Beschäftigung mit der Inquisition in Glaubenssachen. ÄuÄ- .Msf
Klagen der Inquisitoren in Frankreich über den Mißbrauch de^^r-— s
Asylrechts HAretikeri] gegenüber schninkt der Papst in eineDw^MDa
UundschreiJjen an den französischen F!piskopal {l^S\ Okt. älj^ J)
jenes Recht ein *).
Könnte eine lebendige Phantasie in diesem Rundschreibei :^ -sn
viellei4*ht gerade eine Beziehung auf Siger's Flucht nacli LütÜch-Ä^Ji
in sein Kanonikat erblicken, so tritt doch diese Erwägung sehc^ mt
in tlen Hintergrund, wenn wir auf die lebhafte Thäligkeit in In- -^-
quisitionsangelegenheiten bli(rken, die uns während des Anfeni.^ — -
halts von Nikolaus IV. in Orvieto enlgegentrill. In Terhä]tiiis--^s-
iiiiitiig kurzer Zeit (1290 Juni bis 1201 Oktober) ej-folgen Knien _«-
uungen von Inquisitoren '), Anweisungen für ihr Verfahren ^Jl^S.
Maßregeln zu ihrem Schulze ^) in groiäer Zahl. Gegen die vei
dntoa de» Königs und Bflrgem von Orvieto statt: CoMthtiOtth jMmtifirum Rrr^m^
mtiHtt, ed. Weiland, MG. SS, XXII, 477; vgl. Raynoldust Antmlf»* rrcU/rir — ^*
tttiei [mit Noten von Manai), T. III. Lurae 174S. p. 523 b. Nach der ganze^^^m
Situation in Durantc's Gedicht ist vh sehr wenig w»hnicheinlicli. djiß srK~ ^io
mflätro Sighicr etwa bei dieeer Gelegenheit mit unigekomtnen sein sollt«,
*) Potthast, Hf(P'Ma Pötttif. Rom, II. p. 1763. n* 21815- Vgl R>^^n T
naldus, «. «. O. III. S. 527 ff.
') Potthast. 'I. «. O. 11. p. 1763. n" 21806. Raynaldua, n. .». <^ ^\
III. p. 525 b.
*) Potthast, Hfii. Ihnt. Rom. II. p. 1878. n" 23297, d« 23298; p. 189;
n" 23621; n" 23628.
*) Potthast U. p. 1878. n" 23-102; p. 1873, n" 23312; p. 1879
23391; p. 1881. n" 23410. n" 23421; p. 1891. n" 23588; p. J899. n« «8
p. 1901. n. 23751.
») Potthast n. p. 1901. n*" 23752 (Rund-schreiben an den Epiakopi
«nr Empfehlung der Inquisitoren); p. 1895. n"^' 23656; p. 1905. n" 2381^^*
p. 1908. p. 23849 ^Proceli gegen zwei Dominikaner, welche zwei InqDigHon)* ""
Zur Biographie Siger's von Brabnnt. 89
schiedensten häretischen Richtungen, unter ihnen auch gegen
die bei Durante gelegentlich erwähnten ^) Patarener, werden
Strafbestimmungen erlassen -).
Bonifaz VIII., aus dessen Orvietaner Aufeiilliirt (1297)
eine Anweisung an den Inquisitor in Garcassonne stammt "),
kann für Durante wohl nicht mehr in Betracht kommen.
Für den Fall freilich, daß der mastro ßighier Durante's
nicht mit unserm Siger von Brabant identisch sein sollte, und
daß daher die ungefähre Zeit des Todes des ersteren nicht aus
den Grenzbestimmungen abgeleitet werden könnte, die sich
aus den Lebensdaten des zweiten ergeben, würde auch ein
früherer Aufenthalt der Kurie in Orvieto in Betracht gezogen
werden können. So weilten in Orvieto 1262—1264 Urban IV.,
1266 Clemens IV., 1272—1273 Gregor X.*). Allein wegen der
lebhaften Beschäftigung der Inquisition gerade m der Zeit von
Nikolaus des IV. Anwesenheit in Orvieto würde mir jene Da-
tienmg auch dann die wahrscheinlichste bleiben.
Ausdrücklich sei hier hervorgehoben, daß die zugänglichen
Quellen zur Geschichte der Stadt Orvieto in jener Zeit*)
aoa dem Minoritenorden in ihrer Thfttigkeit behindert hatten); vgl. Sbara-
lea, Bullar. Francisc. T. IV. p. 802).
0 S. oben S. 82 Anm. 2.
*) Nicolaus IV. 1291 März 3, apud Vrbemaeterem, unimrmis Chriati-
fidelibus. Nouerit uniuersiiaa ueatra qnod nos ezcomiuunicainus at anathe-
matizaraus aniueraos haereticos, Catharos, Patharenos, Panperes de Lagduno,
Paasaginos, Josepinoa, Amaldistas, Speronistas et alios quiboacunque nomini-
bas cenaeantur, facies quidem habentes diaersas, sed candas ad inaicem col-
ligatas {Magnum Bullarium Homanum Äugustae Taurinorum editum. T. IV.
1859. p. 105 ff.; vgl. Potthast, Reg. Bm/. Rom, U. p. 1891. n** 28589, wo-
selbst auch die irrige Beilegang der Bnlle an Nicolana III. rnrückgewift-
aen vird.
•) Potthaat, a. a. 0. p. 1967. n« 24580.
*) Potthast, a, a. 0. S. 1496 ff. 15iM. 1656 ff. Annale^ Vrbeuetani
MG. SS. XIX, 270.
*") Weder die Annahs Vrbeuetani, heransgegeben von L. C. Bethmonn,
MG. SS. XIX, 269—278, noch die von Weiland seiner Ausgabe der Chronik
Martin'a von Troppaa angehängte, für die Geschichte von Orvieto zur Zeit
von Martin'a IV. dortigem Aufenthalt siemlioh reichhaltige OnfeJMua^io ponti'
90 'mpoMtibilJii Sigeri de Brabantia.
kein Material zur Beantwortung der Frage bieten.
Die Entdeckung von Castels wurde durch Bartoli*) ui die
Dantoforschung eiiigeluhrl. Auch Renier'-), Ü'Ancona-'') und
Scartazzini*) stinimleii bei. De Wulf*), um diesen schon hier
anzufütiren, legte die für manche nicht leicht zugänglichen For-
schungen von Castets und G. Paris den Historikern der Philo—
st)phie vor.
Entschiedenen Widerspruch dagegen setzte dem durch Ca-.
stets und üaston Paris aufgestcliten neuen Lebensbilde Gra
Carlo Cipolla entgegen. In einem sehr ausführlichen und seh
gründliclien Aufsatz über ,Siger in der Göttlichen Komödie* **
unterwarf er die ganze Siger-Frage einer weit ausholenden Bi
pf-iou UomnHn. MG. SS. XXII, 475—482, noch endlich das von Alex. Hii
moISBtern, Eine ottgeblicli* utid eine irlrk-litrhe Chronik rtm Orrtetu. StrsC
biirg 1882. 8. 28—37 nach einer MQncliener Handschrift hersuagogcboa.i
Bruchstück einer ('hroNiA- von Ofrirto, das wenigstens der Thütigkeit Bon
faz dfis VIII. Erwtthnnng thut (a. h. O. S. 36;. bieten zur EnUcheidung de
Frage die geringst« Handhabe. Ebensowenig ist. das der Fall bei der
Benntziing von Archivalieu goatfltzten Chronik- Orrirto'n von Mancnte IHiMor
di Oiprian Mnucntc da Orvicto. «W/c qtwli patiitametttt' yi ruceontano
fttiti t$teeeiMt dnl DCCCCLXX, qttondo cotmnei^ V itMptrio in Gfrwaniay «h^^bM'
Htno ni MCCCC. In Vinegia 1561)^ obwohl in derselben von der Anwesei^^V-
heit ürban'a IV. (S. 127 f.), Clemens IV. (.S. 130 f.), «regor'a X. (S. 188 f. V
Martins IV. (S. 145 ff.), Nikolaus' IV. (S. 155 f.) und BonifazVlII. (8. 164 ^■■•1
xiemlich ansfQhrlich gesprochen wird.
') Adolfu Bartcili. Stoiiu tiella liitei'atura itaiicmi. T. V.; DtUa fim
di Iktttte Aliifhieri. Fireiize 1884. p. 217 f. Vgl. oben S. 52 Aam. 1. Gnd-
') Rudülfo Renier in oinor Besprechung von Bartoli'a in Anm. 1
nnnntem Band Über Dante in : Giornale ittorico delfa lettei'ittur^ itathtn
T. III. Torino 1884. p. 109.
■') D'Ancona, VartftA «tortche e fetterarir, Seri« II. Mil&Do 18(==*-!8S'
p. 13. 30 f. — In der Deutung ron n ghindo tritt D'Ancona Gaston Paris h -a^"^*'
*) G. A. Scartaztini, D*inte-HaHdbueh. Einfilhrumj in d<t.f Stttdii'^^i/m
des LfhfHs und der Si^-hriftm DtinU- Alitjkierl'H. Leipzig 1892. S. 124.
"} Maurice De Wulf, Hintmre de /a phit(Moj)hie seola^i^ue dann Av
Jhifit-Itnit rt In prinri/taKt^ de Lit*fr juitqu'h In rf'tolHtion fransige. Loava- ^-«b
et Paris 1895. p. 276.
*) C. Cipolla, Siffieri ttdla lUrina Cammgdia, in: fiiornaU «tor *to
della letteraiura italiana. Vol. VIII. Torino 1886. p. 53—189,
Znr Biographie Sigcr'a von Bnü>an(. 91
sprechung. Neue Quellen hat CipoIIa nicht erschlor^sen ').
Nichtsdestoweniger ist er aufgrund des ziemlich vollslilnclig von
ihm gesammelten älteren Materials, das er überall mit selbstän-
tren Augen anschaute, zu einem völlig neuen Bilde Siger's ge-
langt. Wenn Ich auch dasselbe in seinen Hauptzügen für ver-
felilt erachte, so verdient es doch eine eingehende Darstellung
und Besprecimng. Der Kürze halber halle ith bei der Darstel-
lung mich nicht an Cipolla's an Wiederholungen und Exkursen
reiche Reihenfolge, sondern greife die Hauptpimkte in freier
Wiedergabe lieraus.
Daü Siger von Courlrai, dessen Bücher 1341 an die
Sorbonne kotiinien, nicht mit deni Siger von Brabant identisch
sein könne, den Simon Dnval 1278 vor sein Gericht lordert und
den Dante 1300 im Paradiese vorführt, nimmt auch Clipolla mit
Delisle und Polvin an *). Aber wenn wir aus den Berichten
ausscheiden, was auf diesen Siger von Oourlrui geht, so bezieht
sich der Rest - - und dies ist das Eigentümliche in Cipolla's
Ansicht — nicht auf einen Siger — Siger von Brabant — ,
sondern es müssen von jenem Siger von Courtrai zwei weitere
Siger unterschieden werden, der von Brabant und ein älterer
Siger von (lourtrai =*). Während von jenem Siger von Bra-
bant, dem von Dante gefeierten Lehrer, mit vieler Phantasie ein
ideales Bild gezeichnet wird, werden auf den angeblichen filteren
Siger von Courtrai alle diejenigen weniger erfreulichen Zöge zu-
sammengetragen, die sich jenem IdealbiUle nicht fügen wollen.
Den Ausgang bildet für CipolIa die Dantestelle. Warum,
fragt sich Cipolla, hat Dante in den Gesängen, in welchen er
die beidi'ii Heiligen Thomas und Bonaventura im Kreise der
seligen Theologen vorführt, diesen beiden das Lob dei* beiden
großen Orden des hl. Franz und des hl. Donünikus in den
Mund gelegl? Deshalb, so meint er, weil so nicht nur die bei-
0 Doeh nnrht «r merBt dsraiif Aufmerksam {a. a. o. S. 128), dft& die
von Le Clerc angezogene Nottr der Editoi-es Romani Ober die Adresse von
Tliomiw' Opiiaculum gegen Williclm von St. Amoor und Siger auf Tocco sich
stützt; B. oben S. 63.
') A. o. 0. 8, 71. 93.
•) Ä. a. 0. S. 117. 130 u. ö.
92 Impossibilia Sigeri d« Brabaniia.
den ihr Leliramt als Pariser Professoren auch im Himmel fort-
setzen, sondern weil zugleich der Dichter selbst auf diese Weise
seine Mißbilligung des Kampfes andeuten kann, den die Univer-
sität Paris gegen die Zulassimg jener beiden Orden geführt
hatte *). Thomas von Aquin und Bonaventura hatten in Jenem
Streite die Sache der Mendikanten verteidigt Wie könnte nun
da der Dichter, so fragt GipoUa weiter, den Aquinaten zwischen
Albert und Siger vorföhren und ihn längere Lobesworte dem
letzteren widmen lassen, wenn dieser Siger mit dem Siger iden^
tisch wäre, der nach den aus Tocco schöpfenden römischen
Herausgebern der Werke des hl. Thomas an der Seite des Wii
heim von Saint-Amour gegen die Mendikanten focht und "i'*^ —
diesen von Thomas in einer eigenen Schrift bekämpft wurde -)?^"
Jener Siger Tocco's und der Editores Romani muß also von
dem Siger von Brabant bei Dante verschieden sein.
Dieser Siger Dante's ist durchaus Thomist. Nach fehard^
vermachte er der Sorbonne Werke des hl. Thomas. Daß Echartl
hier den (jüngeren) Siger von Gourtrai mit dem von Brabant.
verwechselt, hat Potvin *) nicht erwiesen. Warum konnten nicht
beide ähnliche Schenkungen machen^)?
Als Thomist erweist sich Siger auch durch die Schrift, von
der Potvin einiges veröffentlichte, die Impossibilia. Der dort ge-
führte Gottesbeweis ist ganz thomistisch, wenn auch in der Art,
wie die Existenz Gottes als etwas dem Einsichtigen aus dem
Gottesbegriff" selbst Evidentes betrachtet wird, noch mehr die
Gedanken Bonaventura's anklingen ^]. Außerdem citiert nach
Le Clerc's Angabe Siger den hl. Thomas ausdrücklich, doch
sicher nicht, um ihn zu bekämpfen ^.
0 A. «. O. S. 88-90.
■ '> A. a, O. S. 128. 184.
^ Gipolla spricht stets von ^chard und Qaetif als Verfassern dea
Artikels. Er hat das Zeichen nicht beachtet, durch das £chard den Artikel
als von ihm allein herrQhrend kenntlich macht.
*) S. oben S. 77.
^) A. a. O. S. 115 ff.
") A. a. 0. S. 101 ff.
0 A. a. 0. S. 109.
SSar Biognpbie Siger^s tob ßrabaoi dS
Freilich wurde Siger von Brabant nach dem von Echard
benutzten Bericht im Jahre 1278 der Häresie bezichtigt. Aber
von dieser Anklage ^) wurden auch die Werke des hl. Thomas
von Aquin betroffen*). Außerdem berichtet Echard ausdrück-
lich, daß Siger von dieser Anklage freigesprochen wurde. Für einen
solchen Ausgang des Processes spricht nicht nur das Vermächtnis
an die Sorbonne, das ja freilich von Potvin angezweifelt wurde,
sondern auch der 'Ausgang des Processes gegen Berner von Ni-
velles, von dem der gegen Siger unabtrennbar ist. Denn daU Ber-
ner in der Gemeinschaft der Kirche starb, kann nicht bezweifelt
werden ^).
Man kann dagegen nicht mit Gastets und G. Paris sich
auf Durante's Fiore berufen. Der mastro Sighier Durante's
wurde nicht wegen irgend welcher kirchenpolitischer Gründe
bezichtigt, wie Paris dies annimmt, um zu erklären, wie ein
von der römischen Kurie Verurteilter von Dante in solchem
Maße gefeiert werden konnte. Auch die Berufung auf Dubois,
der uns über die kühnen politischen Anschauungen Siger's be-
richte^), ändert daran nichts; denn was Dubois erzählt, betrifft
nur eine theoretische Frage der Philosophie, die kein Echo im
praktischen Verhalten haben mußte ^). Vielmehr stellt Durante
den Meister Siger mit Wilhelm von Saint-Amour zusammen.
Er denkt also an eine gegen die Mendikantenorden gerichtete
Agitation als Grund des Orvietaner Ereignisses % Einen solchen
Mann aber konnte, wie schon bemerkt, Thomas bei Dante un-
möglich so preisen, wie wir thatsächlich bei dem Dichter lesen ').
Jener Gegner der Mendikanten, gegen den Thomas von
Aquino schrieb und über dessen Ende Durante berichtet, ist
') Cipolla denkt wohl an die von Stephan Tempier, dem Bischof von
Paris, 1277 censurierten SAtze, sowie an die Briefe des Johiuinee Peckham.
") Ä, o. 0. S. 185.
») A. o. 0. S. 119.
*) Da&hier in Wahrheit nicht Siger spricht, sondern Aristoteles, des*
sen Interpret jener ist (s. ohen S. 78 Anm 2), hat aach CipoUa nicht gesehen.
'') A. rt. O. S. 95.
*■) A. «. 0. S. 122 f.
») A. a. O, 8. 128 184.
04 tmtKMaibilut digexi de BrabaiitüL
also von Siger von Brabant zu unterscheiden ^). Ohne hin-
reichenden Grund hat man ^chard's Angabe, ein Siger von
Gourtrai sei Gefährte Robert's, des Stifters der Sorbonne, ge-
wesen und habe Thomas von Aquino gesehen, als unhistorisch
betrachtet und gemeint, er habe Siger von Gourtrai und Siger
von Brabant verwechselt % ßchard hat das Archiv der Sor-
bonne sorgfältig studiert ^) und jedenfalls dorther seine Nachricht
entnommen. Dati dem in der That auch in unserm Falle so
war, ersieht man aus einer Notiz von Petit-Radel ^), nach der
in der handschriftlich erhaltenen Gründungsgeschichte der Sor-
bonne (Sorbonae origines) von Hem6r6 unter den Gefährten
Robert's von Sorbonne zur Zeit, als dieser seine Stiftung be-
gründete (1253), ein Suger von Courtray sich fand ^).
Natürlich muß dieser ältere Siger von Gourtrai von dem
jüngeren, dessen Vermächtnis 1341 an die Sorbonne kam, un-
terschieden werden. Derselbe ist wohl identisch mit dem ma-
gister Sigerus*), der uns in den Unruhen von 1266 und 1275
an der Pariser Universität begegnet '). Denn daß dieser Siger
mit Siger von Brabant identisch sei, ist durch nichts erwiesen **).
Dieser ältere Siger von Gourtrai dürfte, wie GipoUa an-
nimmt, es auch sein, von dessen Lebensende der Dichter von
11 Fiore spricht. Dem Ausdruck a ghiado an dieser Stelle darf
man nicht mit Gastets eine von der gewöhnlichen abweichende
Bedeutung geben wollen; a ghiado heißt soviel wie di coltello.
So erzählt auch Villani, daß Albert von Österreich ") a ghiti/io
von einem seiner Verwandten verräterischer Weise ermordet
») A. o. 0. 8. 124. 128.
*) A. a. 0. S. 117. 124.
») A. a. 0. S. 118.
*) Bist, litt, de la France. XIX. p. 292. 302 f. S. oben S. 69, Aam. 4.
') Ä. a. 0. S. 129 f.
') A. a. O. 8. 126 f.
0 S. oben S. 57 ff.
^ BesoDdeis tritt CipoUa dem Versaohe entgegen, aas den Worten
magistri Sygerus et Symon de Brabant (s. oben 8. 58) etwas za folgern; de
Brabant gehöre nnr zu Symon {a, a. 0. S. 127).
") Gemeint ist Älbrecht II., Herzog von Österreich and deutscher KSnig,
der 1808 von seinem Bmdersohn Johannes Parricida and dessen Mitverschwo-
renen erschlagen wurde.
Zar Biographie dig«r'e Ton Brabtnt
^
wurde ')• Einen solclien gewaltsamen Tod durch Messer oder
Schwert, nicht auf dem Richtplatz, sondern bei einem verräteri-
schen Überfall, meinte Dunuile, wenn er Falsenbianle sich rüh-
men laßt, daß er den niaesiro Siphier sterben licü it tfhindo a
ij»an litiloir. Die WoHo u (jmn dolore soflen dabei, meint Ci-
poUa, niclits Besonderes betleulen, sotideni dein Reime zu Liebe
hmzugeselzt sein •).
Freilich verhehlt sich Cipotla nicht, daß er bei seinem Be-
streben, den Siger von Brabant zu exkulpieren, \on der Scylla
in die Charybdis geraten ist, indem er nun gar die Mendikan-
len zu Meuchelmördern stempelt. In dieser Verlegenheit scidägl
er einen etwa» seltsamen Ausweg ein. Durante soll nicht be-
richten, was sich wirklich zugetragen, sondern was die Univer-
sitats- Professoren in Paris erzählten. i:>iger (von Courtrai), so
Icirt sich Cipolla die Sache zurecht, sei nach Italien gekommen,
nm vor dem Papste die Sache der Universität gegen die Mendi-
kantenoFflen zu führen, sei aber unterwegs in Orvieto gestorben.
Die Professoren in Paris hätten dann daraus gemacht, daß er
meuchlings in Orvieto von den Mendikanten umgebracht sei^).
Ich brauche wohl auf diese lel/.terwähnte lu!lig<' Hyiwthese,
die jedes Ihatsächlichen Anhalts entbehrt, nicht näher einzuge-
hen. Wie sollte auch der italienische Dichtei', der doch sonst
gerade von italienischen Ereignissen NäJaeres berichtet*),
dazu kommen, hier ein in seiner nächsten Nähe vorgefallenes
Ereignis in der völlig veränderleri Form wiederzugeben, die das-
selbe in weiter Entfernung, in Paris, durch das entstellende
Gerüclit gewoimen hätte? Lind woher niuuut Cipolla den Grund,
ohne weiteres die Pariser üniversitätsprofessoren zu Erfindern
solcher böswilliger Gerüchte zu machen?
Ebenso ist es eine ganz grundlose Vermulmig, Siger sei „durch
Verrat** gefallen; nichts steht davon bei Durante. Im Gegenteil
passen die Worte a gran dolore gar nicht zu einer solchen schnell
'} GioT. Villani. (U'on. VIII. :)4: fu morto a ghiado da uno Mio ni>
pot« a tradimvnto.
') A. a. 0. 8. 121 f.
•) A. a. O. S. 180.
') Vgl. X. B. Sonett CXXVl (S. 82 Anm. 2.)
M tmpossibitia Sig«n de Brebantia.
beendigten Messeraflare ; und wenn Cipoll^ meint , dieselben
ständen bloß des Reimes wegen da, so ist das reine Willkür.
Im Gegensatz zu jenem Siger von Courlrai. dem von Tho-
mas Ton Aquino bekämpften Unpulipsliftpr, sieht der von Dante
gefeierte Thoinist Siger von Brabanl. Vemmllieh ein Schuler
des lil. Thomas >), ist er ein berülimter Lehrer, dessen Ruhm
zum Wachstum der Schule von St. Genevieve beitrug '), und den
nocli die Nachwelt mit dem Beinamen des .GroÜen* feierte").
Seine LelinTfolge , so verslelil f'ipolla die i»vüIio»i reri bei
Dante, weckten den Neid anderer, vermutlich seiner Kollegen
an der Pariser Universität. Diese miügünstigen Konkurrenten
wohl waren es, welehe den ProceU vor dem Grotjinquisilor von
Frankreich gegen ihn eireglen. Darin war er ein Leidensgeiahrte
des hl. Thomas, gegen dessen Lehre im XliL Jahrhundert von
Gegnern gleichfalls Anschiildigimgen erhoben wurden^). Von
Lüttich, woliiii er sich /eitwt-ilig l)egeben, kehrte Siger nacli
Piiris zumek. Hier hörte ihn Üubois; hier liinterlieü er seine
hiipmsihilM, ,ein hochgeschätztes Textbuch für die Schule* %
Hingerissen von seinen tiefen philosophischen und theologis«Jien
Beti'ai'htungen, sehnte sich Siger aus den Banden der Leiblich-
koit; wie St. Paulus, verlangte er aufgelöst zu sein, um die Ge-
heimnisse der Gottheil sm schauen. Das heifit es, wenn Danto
von ihm sagt, ihm, dem in tiefe Ge<lanken Versenkten, habe der
Tod spät zu kommen geschienen'). — Dante selbst war zwar
nicht sein persönlicher Schuler, da er erst zwischen I3I6 und
1319 in Paris war ■) , wo er seine philosophische Bildung
nicht begann, sondern vollendete*); aber er fand in Paris die
lebendige Universitiilstrndition Ober Siger, dessen Bücher dort
hochgeschiltzt wurden. Ihm setzt er ein Denkmal in jenen Ver-
») A. a. 0. 8. 186 f.
») A. a. O. S. 118.
") S. 8. 77 Anm. 4, Ende.
*) A. a. 0. 8. 136.
•) A. a. O. 8. ]31.
') A. n. a 3. 125. 18ft.
T A. <t. 0. S. 66.
") A. /i. 0. S. 86.
^ur Biographie Siger's voo ßrabant. d?
3en der Komödie, in denen er Tbon)as zwischen Albert und
Siger vorführt, Atbert, dem Lehrer des Aqufnaien. und Siger,
seinem SHinler 'J.
Auch hier wieder ielilt es nicht au unbewiesenen Voraus-
setzungen und gezwungenen Deutungen. Eine leere Vermutung
ist es, data Siger ein Schüler des hl. Thomas war. Was über seine
h(du' Schätzung gesagt wird, die ihm den Heinanien di's „Großen"
eirtlrui^ ^), die Schüler nach St. Genevirve lockte und ihm den Ni-id
seiner Konkurrenten zuzo^^ ist nichts als freie Ausschmückung.
Dali Dubois erst nach 1278 Zuhörer bei Siger war — und damit
stützt ('ipolla seine Ansicht, Siger sei von Lültich nach Paris
zurüfki?okelirt — , ist wenig wahrscheinlich, da derselbe auch
ThoniaK von Aquino hörte'), der s(:hon 1274- slarh und schon
vorher Paris verlassen halte. Und die Deutung der Dantestelle
vollends wird niemand, der ohne Vorurteil an dieselbe lieran-
tritt, anders als höchst gezwungen und gewaltsam finden.
Aber nicht auf <iiese einzelnen VVillkürUclikL'iten in der
Durclifühmng soll hier der Hauptnachdruck gelegt werden; viel-
mehr sind schon die Fundamente, auf denen sich Cipolla's An-
sicht aun>aut, unhaltbar und damit seine ganze Ansicht, soweit
sie Kigentütn liebes enthält, hinfällig.
Man weiß, welcher Mißbrauch etwa mit den Bericliten des
Aristoteles über die ältere Philosophie getrieben ist. Wie oft
hat man nicht, zum Schaden einer wirklich allseitigen historischen
Würdigung, argumentiert: Aristoteles berichtet tVu^s, und nur
dies; also ist es so wahr. Eine solche Unlrüglichkeit wird
auch hier dem Dichter der Komödie zugelegt. Und doch
tliut man dem groüen Florentiner gewitä nicht L^nrecht, wenn
man mit Gaston P^iris 'j seine historische Erudition nicht eben
auf eine Stufe mit seinem philosophisch-theologischen Weissen
und mit seinem dichterischen Genie stcUt. Sehr gut ist es denk-
bar, daß der Dichter von jenem Professoren streit in Paris nicht
viel wußte oder kein Gewicht darauf legte, oder dali er doch
') A. «. O. S. 91. 196.
') dazu vgl. oben H. 77 Anm. 4, Ende.
') DuboJB, Dl' rtviifjfr. tfrraf Honetne c. 40 g ß3. p. 53 ed. Langlois.
*) S. oben S. 85.
Bsitrftge II, C Baflamkar. Sigar von Brabaal. 7
66 Im)>o»Bil)ilia Sigeri de Brabanlia.
mit der Beteiligung? Sifrer's an deiiiselben nicht bekannt war.
Wird dieser doch in keiner der auf diesen Sli'eit bezüglichen Ur*.
künden, specipll nicht in denjenigen, die den pApstiiciien Ur-
teilsspruch enthalten^), genannt, sondern nur von Tocco als
Genosse Wilhelms von Saint Amour erwährit. WAre er ein
Führer in jenem Streite gewesen, so würden auch die Urkunden
seiner t,'e<ienken.
Dann aber legt Cipolla's Beweisführung dem Dichter ein
weiter gehendes Mab von Hücksichtnatime und selbst Äiigstlich-
kett bei, als er es Ihalsächlich besessen. Wenn er jemanden in
das Paradies versetzt, so ist dem kein sorgfaltig geführter Ka-
nonisationsproceü voraufgegangen. Und wenn er Thomas das
Lob eines Seligen verkündiget! läül, so hat er dabei wohl ebenso
wenig vorher ängstlich die Stellung der beiden erwogen, wie er
das in anderen Fällen gethan. Nach beiden Seilen hin ist ffir
das V' erfahren Dante's charakteristisch eine bisher in diesem
Zusammenhange niclit betrachtete Stelle, die in mehrfacher Hin-
sicht zu der unseren eine überraschende Parallele bietet.
Wie im zehnten Gesänge des Paradiso Siger der letzte
unter den Seligen ist, die der lil. Thomas dem Dichter vor-
führt, so schließt im zwölften den Reigen derer, die den hl.
Bonaventura umgeben und von diesem vorgestellt wertlen,
Joachim von Fiore,
Der Kalabreser Abt, dur Joachino,
Der mit pruphet'öchem Geiste war begäbet ■)-
Gewiü ist Joachim (f 1202) eine beachtenswerte und aclitungs-
wördige Efsclieiirnng. Das vierte allgemeine Laierankonzil vom
I
*) Vgl. besonders das Schreiben Alexanders IV. an den Üiacbof Rvgi-
natd von PariR von t250 Jiuii 17 (Denifle, i'hnii. uHitiern. f^riii. \. p. 319ff.)3i
. . . Guillürtiiiim de Sancto Amore et Odonem de Duaco, doctoros thecilngiaet
ac raagistrus Nicolamn de Barm SDper Albam et Cliristiiuiain caiiunicuin Bei-
URireQsum tantiuani principalea huiusmodi rebellionia et contuuaciao inoen-
tur».s omiiJbtiK digniialibtiH et bpnefi>riis »ms eccIeftiaHticii* ac officio magtstrali,
dictuinqitL- G. eapell&nia noatra priuamuH etc. {ti h. i), S. 321).
") U Calftbrcse abate Giovacchino
Di Hpirito profetico dotato.
Jitra<I. XU. UU f
!{ur btogrophie .Siger'» von Brabant. Vv
Jahi'c 1215. welches seine Trinilätslehre, die er in einer gejfen
Petrus Lombanlus gericlilelen Schrift vorj^elragen halle, ver-
warf, will ausdriicklich die Verurteilung nicht auch auf die Per-
son des Verfassers ausgedehnt sehen '•; Konzil und Papst neh-
men Joachim 's Stittuni^, seine Abtei und seine Kloslerkongrega-
Iron, in Schutz. Auch Männer, wie Willielni von Auvergne,
Vinnenz von Beauvais, Alheric von Troisföntaines, gedenken sei-
ner lobend-). Al)er das hebt die Verurteihing seiner Lehre
dureli das Laterankonzil niehl auf. Dazu war bekanntlich gerade
der Orden, den der hl. Bonaventura als ürdeiispeneral leitete,
auf das tiefste von den traurigen Verwirrungen betroffen, die
(lurch Joachim'« Weissagung eines anbreclipiideii neuen Zeilalters
des heiligen Geistes, in dem der spirituelle Sinn der heiligen
Schriften als ^ewiges Evangelium" gelton solle, angerichtet wur-
den. Die Spiritualen schworen auf jene Prophezeiun^ren und
stüt/len xum Teil auf sie ihre von Bonaventura's Richtung ab-
weichenden Ideen. Gerhard von Borgo San Donnino hatte zu
den Hauptscbriften Joachim's, die er unter dem Namen des
hAtangdiuw ftrifrnum zusammenfaßte, einen Infrodudoriux ge-
schrieben, <h'r nebst jenem l'juanfjefium ueternum selbst wr^idMch
von der Partei Wilhelm's von St. Amour in dem Kampfe der Pa-
riser Universität gegen die Mendikantenorden ausgenutzt wurde-'),
nel)enbei bemerkt, auch ein Beweis dafür, wie wenig Dante aul
jenen Pariser Streit überhaupt Hücksicht nimmt. Da ist es
denn kein Wunder, wenn derselbe hl. Bnnavcnluni, d^m Dante
im Puntffiso ein Lob des propheti.schen Kalabreser Abtes in den
Mund legt, nach der Geschichte in seinem Leben eine ganz andere
Stellung eingenommen bat. „Aus Unwissenheit tadelt Joachim,"
,sngl er von ihm, ,.dori Lclirer" (Petrus Lombardus ist gemeint),
gUnd weil er einfältig war, so hat er den Lehrer nicht geachtet,
*) Labbe -HanBi, .S'.!9. t'oMcUiontm nana et ampiiHsitfta collfctio.
T. XXn. Venetiis 1778. col. 981-986.
■) Franz Ebrie in: Wvfxrr utul Wrltr'x K'tt'rkente^k'fm. 2. Aufl. Bd. VI.
Freiburg i. B. 188Ö. Sp. 1474.
=•) DenifU, Chart. Hmuev». l^ris. l. p. 272 ff. 297. Vgl. auch Denifle,
JMih Ecantitlium aHtrituw ifml lüf i'imtmiAmmt zu Annffitt, in: Ai'rhir fi\r
Litteratiir- und h'in-hfHi/fjtr/tirlifi' tten MUt^MtriH. Ud. 1. Uerlin IB^Ö,
S. 48 ff.
100 ImtiiMwibili« Sigeri de Brabantii.
und darum wurde nach dem urerechteii Urleil Gottes sein
Schriflchen auf dem l^aleiankonzil verdammt und der Satz des
Lelirers i^ebillif^l- *). Und ebensowenig giebl er etwas auf
Joachims Prophezeiungen. Wenn er ihn auch nicht ausdrück-
lich nennt, so zielt er doch offenbar auf ihn in seinen Reden
über das Seclista^ewerk, wo er betont, daü nach dem Neuen
Testamente kein anderes sein we!*de, weil jenes das ewige Te-
stament ist =<). Kr Ätirnml darin mit Thomas von Aquino überein,
der das, was in .loachim's Propliezeiuiigeu zugetroffen, nicbl auf
göttliclie Offenbarung, sondern auf menschliche Koinbinations-
gabe zurückführt j, und mit der Synode von Arles (1263).
welche jenen prophetischen Joachimismus verurteilt und die
Verbreitung seiner Schriften untersagt '). Wie aber der hl. Bo-
naventura praktisch, als Ordensgeneral, sich zum Joachinii:*.
mus stellt, das ersehen wir daraus, daß er sogar seinen Vor-
gänger im (leneralat, Johann von Parma, wegen sejner zu eifri-
gen Verteidigung Joacliim's zur RcchonschaR zog. Der Fratei
Angelus de Clarino, welcher uns dies berichtet, bat ihn darum
in seiner, der Verteidigung der Spiritualen gewidmeten Hisiona
sifpUtn tribHlafhnum ordinis Mt'nonim bitter getadelt^).
') Bonavent. im f. Sent. d. 5 dub. 4 (N. Bonaeenturnf opeitt t>mm»,
rti, stutiio vt rtirii PI*. CoUegii n S. BouarfHturo. T. 1. Ad Clarns Aquu
[Quaracchi] 1382. p. 121, a): Et ideo i^narAnt«r Juncliim roprchL-ndit Majp-
strum, et quiu, cum esaei simpli^x, doq est reuerituo Magiatruin, ide« ituto
Dvi iudiciu ilamiiAtiiH fuit libellu» ejus in Lnteraneniji Conrilio, et positio Hn-
yiatri upprubata.
'I Unnavont. Coftaf, in Hfx»tmfroH XV'I, n. 2 {(ipera, T. V. Qu»-
raochi 1891. p. 403, b); Poet noanni testaiuentum noii erit alind, neo aliqood
aicrainrntutn nuuae legin aubtrahi poteot , quia illud testamentum oot^rnum
oat. Vgl. ilfii Horiiiisgebf^r, 1'. Igoatiutj Jeiler rinl. p. 438, b.
*) Thomas Aqu. in IV. Srnt. d. 48 q. 1 a. 8 [Opera, ed. Anivtrp-
1612. T. VIE, fol. 203'' a): ... quarnuis ab ei§ qui hoc patant exqaiait« el
ingotlioac illa ttingulu (die Plagen Ägyptens) bis Hingulis yAen Verfolgungen
der Kirrbe) ci»iiparutn uidcantur. mm prophetico »pintu, ned coniectura taen-
tia humanao, quue altquaiiuü ad ur-niin peruenil, aliquandu fallitur. Et eimili-
tor uidetur esse de dictis Abhatia Joachim, qui per talea coniectnras de futn-
ria aliqua nt<ra praedixit, et in oliqulbus deccptua fuit.
*j Lftbbe-Mansi, «. ". 0. XXIII. Venetiia 1779 col. 1002-1004.
'l Vgl, die Veri^fTentlichang dttrHvIUBU van Fr. Ehrle, Arrhir f, Litie
rtrtw*^ u Kit'i-ht^ffeMrh. rf. M.-A. Bd. lt. Rtrlin 1H86. S. 277. 284 f.
Zur Hiographit^ Sif;<>r't! von Brabant. 101
Nun zeigt zwar Danle in seinen Urteilon und seinen Re-
lorniKodaiiken manche ßenihrunjfcn mit der Arbor uitae crucifixae
hau des Ubertino von (lasale, eines Hauptvertrelere der spi-
rituafislischen Kiditung, in de^^seii Sclirilt die Prophezeiungen Joa-
chim's eine verhängnisvolle Rolle spielen '). Aber keineswegs nimmt
er Partei für jene Spiritualen, tieren Einseitigkeit er durch den
Mund des hl. Bonaventura ebenso sehr vemrleiU, wie das ent-
p^^'engesetzle Kxlretri des Matleo d'Aiiuuspartii -'). Auch l'^ber-
tino gepenühei- wahrt er Kritik**). Sein Maiin ist nieht Uber-
tino, sondern Bonaventura. Daß er mit Wissen Bonaven-
tura's Urteil Ubertino zuhiebe geffilscht haben sollte, erscheint
ausgesrhlosseti.
Wenn als*^ Dante dein lil. Hofiaventura solt-hen Preis des
Kalabreser Abtes in den Mund legt, so wird man nach dem,
was über Bonaventura 's histurisclie Stellung zu Joacliini soeben
heitrelirae.ht wurde» entweder zu der Ungeheuerlichkeil seine Zu-
lUichl nehmen müssen. Üante's Abt Joachim sei eüi anderer als
Joacltim von Fiore, oder aber man inuü zugestehen, daß der
Dichter in historischen Dingen, *lie nicht gerade ihm nahe lie-
gende Verhältnisse hetrefTen^ eiitw«H!er nicht allzu ^enau unler-
riehlel ist, «Hier nicht eben allzn ängstlich wägt. Ü:irui aber wird
man auch liei don Versen, die über Siger von BrabanL handeln,
sich nur an das halten können, was der Dichter wirklich sagt.
Nicht aber wird man auf »lie angebliche Unvereinbarkeit dieser
Verse mit solchen Thatsachen, von denen Dante schweigt und
von denen wir j,'ar nieht wahrscheinlicfi machen können, daii sie
ihm bekannt sein niuUtcn, den Schluü aufbauen, jene Thatsachen
könnten nicht urisern »Siger von Brahant betrelfen, sondern müß-
ten einem andern Siger beigelegt wi-rden. Und hatte Daute von
jenen Streitigkeilen Siger's eine gewisse Kenntnis, wie er von
den Joachimilischen Wirren sie doch haben muüle: warum soll
er nicht, sich an tias tianze der Persönlichkeit oder irgend eine
ihm sympathische Seite derselben haltend, in dem einen
Falle so gut wie in dem andern davon abgesehen hatjen-*
') F. X. Kraus, Vnnie. Sein Lthtn und «etim Werke, win VvrhäUnis
sio' KuHfit und Jhlitik. Berlin 1897. S. 786 ff.
■•} htmdUo XII 134.
*) ErftUB, a. u. O. ä. 745 f.
lOfi Impossibilia Sjgeri de Brabantia.
Eine zweite Grundlage von Cipolla's Argumentation ist die
von ihm behauptete Existenz eines Älteren Siger von Courlrai.
Es sei keine Vcnvech.sUin(f mil Siger von Brabant, wenn EcJiard
berichte, nacli ileii Akteai der Sorbonne liabe Siger von Courtrai
noch Thomas von Aquino gesehen und sei einer der ersten Ge-
fährten Robert's von Sorbonne gewesen; denn auch H^mert
bericlile das I-.etztere.
Allein jedenfalls denkt Erhard nicht an die Unler-schei-
dung eines filteren und eines jüngeren Siger von Courtrai. Dem
angebHchen Geführten Robert's von Sorbonne sclireibt er die
Schenkung von Werken des hl. Thomas zu, die bei jenem von
tlipollii konstruierten Alteren Siger von Courtrai, dem Gegner
des At|uiiialen, sifdi ^elir wunderlieh ausnehmen würde. Bei
Echard ist das sehr erkiärlieh. Denn das Jahr, in dem jene
Manuskripte an die Sorbonne kamen (1341), fand erst Delisle in
einer tlandschrifl ^or ehemahjren Sorbonne. Echard kennt das-
selbe überhaupt nicht. Er konnte also selir wohl jenes Vermächtnis
firOher ansetzen, wenn er irgendwo einen Siger von Courtrai als
Zeilgenossen von Robert und Thomas von Aquino envAhnt fand.
Wie schon der Umstand, ilaü Echard dieses von Delisle
herangezogene Maiuiskript der SorbonnL* übersehen hat, ui»s be-
weist, Iiat l^chard keineswegs, wie Cipulla meint, alle Urkunden
und sonstigen Manuskripte der Sorboime sorgfältig din*chstudiert.
Für die St-nittorcs or<hni^'< Pnietiinttot'um war das ja auch nich!
nötig. Vielmehr dürfte er sich hier auf die Schrift des Heme-
raeus (Claude Hem^re): Sttrboiuie oriyiiie», discipHwi, uirt iUth
gtres stützen, auf die auch Cipolla nach Petit-Rade! sich beruft
(.lipoUa scheint diesen Hemeraeus für einen alten Gewälirs-
mann zu halten. In Wirklichkeit ist er ein motierner Schrift-
steller (t 1650), dessen Werk keineswegs eine zuverlässige Quelle
bildet •)■ Wir düHen ihm ruhig zutrauen, daß er den spälereu
Siger von Courtrai mit dem aus der Universitütsgeschichte be-
kannten alleren Sijfer verwechselte.
Handelt es sich aber bei Ecliard, und auch wohl bei He-
meraeus. wenn sie von Siger von Courtrai reden, um den, der
nach Deiisle's Entdeckung um 1341 starb, so erhält dadurch
0 Siehe oben H. 69 Äom. i, wu dws Niherv angegebeo ist.
Zar Biographie Siger's von Brabant. 103
Cipolla's Versuch, den Siger, der 1266 und 1275 in den Univer-
sitätswiiTen auftritt, von Siger von Brabant zu unterscheiden und
ihn mit dem angeblichen älteren Siger von Courtrai zu identi^
ficieren, einen harten Stoß. Diese Annahme Cipolla's iet aber
in der That völhg unhaltbar. Ich will nicht Gewicht darauf
legen, daß die Ausdrucksweise in der einen dieser Urkunden:
magistri Sygerus et Sym&n de Brahimty Avie sehen oben hervor-
gehoben wurde, trotz Cipolla's Einsprache es doch mindestens
nahelegt, die Heimatsbezeichnung auch auf den erstgenannten
Siger mitzubeziehen ^). Aber auch CipoUa wird nicht leugnen, daß
Siger von Brabant in jener Zeit bereits der Universität Paris
angehörte. Ist es denkbar, daß da in einer offiziellen Entscheidung
nur von einem magister Sigerus, ohne Heimatsangabe oder son-
stige nähere Bestimmung, gesprochen wäre, wenn unter den
Magistern der Artistenfakultät zwei Siger sich fanden, die zudem
beide zur Nation der Pikarden zählen mußten?
Wie aber steht es mit dem Thomismus Siger's von
Brabant, durch den er sich von dem angeblichen älteren Siger
von Courtrai unterscheiden soll?
Diese Behauptung, eine diitte Hauptstütze von Cipolla's
Ansicht, gründet sich zunächst auf das angebliche Vermächtnis
Siger's von Brabant von Werken des hl. Thomas an die
Sorbonne. Daß Echard, indem er von diesem er/ählt, Siger
von Courtrai imd Siger von Brabant verwechselt hätte, habe
Potvin mit nichten erwiesen. — Die Art, wie Gipolla dies dar-
zuthun sucht , ist das Musterbild eines rein advokatorischen
Plaidoyers. Nirgendwo wird mit positiven Gründen operiert,
sondern immer nur mit negativen: „es ist nicht bewiesen, daß"
u. s. w. Demgegenüber sei hier nur ein Doppeltes hervorgehoben.
1) Wenn auch nicht Potvin, dem Cipolla diese Unter-
lassung vorwirft, wohl aber schon Delisle hat den gesamten
Handschriftenschatz, der aus der Sorbonne in die National-
bibliothek gelangt ist, hinsichtlich seiner Provenienz einer ge-
nauen Durchforschung durchzogen, dabei aber keine Spur
einer Schenkimg Siger's von Brabant gefunden %
') S. oben S. 58.
=) S. oben S. 67 Anm. 4,
I(M ImpoMihilia Sigeri do ßrabantift.
ä) Nichl mir eine einzi^^f Sclirilt des Aquinaten, wie »icl)
bei Cipolla die Sache darstellt, liat nach Echard Siger vou
Brabant der Sorbonne vermacht, sondern vier. Alle diese
vier kehriTi (ln^ wo Kchard in d»^r Biographie de? Thomas von
Aquiiio dii^ Mariiiskriple sciiii'r Werke, die er {jeseheii, nainhatl
macht, wieder als che Gesrlienke des Siger von Goiirlrai').
Wenn bei einer Schrill auch denkbar wäre, daß das gleiche
Werk von zwei Sigoreu geschenkt sei, so ist diese Annahme bei
vier Werken doch geradezu absurd.
Diese Schenkung aber ist. wie hier nebenbei gegen (Üpolla
bemerkt sein möge, der einzige Grund, auf den hm EtthaH
seine Behanpltm^' von der späteren Stellung Siger"s sowie
Berner's von Ntvelles .stülzt. Das wird keiner leugnen, der die
Stelle ■} unbefangen liest. Wenn nun die Berufung auf rlie
angebliche .Schenkung Siger's von Brabant liinfällig geworden
ist, so beweist auch die Parallele mit Berner von Nivelles, an
die Cipolla sich ferner anklammert, nichts. W'issen wir doch
nicht einmal, ob beide wegen derselben Sache angeklagt
vparen.' UtuI waniin sollte sich das Schicksal der beiden nicht
versL'Iiiedcn gestillten V
Hinföllig endlich ist der Versuch Cipolla's. den Thomismus
Siger's aus den wenigen Fragmenten von Siger's Werken mid
den paar Notizen darüber, die ihm zugänglich sind, zu er-
«iveisen. Bei Le Giere hat er gelesen, daß in den Impossihilk
Thomas von Aquino citierl ist. DaU das ges<:hehen sei, um
Thumas zu bekämpfen, erscheint ihm ausgeschlossen *). in Wirk-
lichkeit ist das gerade Gegenteil der Fall, wie man aus vorlie-
gender Ausgabe schon kann '). Und daß auch sonst die vo
Cipolla gegebene Charakteristik nur teilweise zutrifft, wird spAt
gezeigt werden. Dabei mag hier noch zudem davon abgeseh
werden, ob Siger jene Schrift verfaßte oder ob er nicht ^icime^■Äl
in ihr bekämpft wird. <
') S. oben S. BS Anm. 4. Auch hier sind es nur eben dieselben xm^
Werke, keine weiteren, die als Oeaclienke Siger's von ConKrai angcfDlCj
werden, ein l'mstand, der die tlbereinstininmn^ noch Hcbla(^ender macht
') S. oben S. 65 Anra. 2.
') A. M. 0. S. 109.
*) Vgl S. 19, .i-Il.
Zur Biographie Siger's von Brabant. 105
Sonach ist der Einspruch Gipolla's nicht im Stande, das
durch Delisle'y und Potvin's Kritik von Le Glerc's Aufsatz fest-
gestellte Bild Siger's von Brabant zu erschüttern. Beachtens-
werter ist sein Widerspruch gegen die Identificiei-ung des Mastro
Sighier bei Durante mit unserm Siger.
Gerade über diesen Punkt hätte man Auskunft aus der
gewaltigen Regestenpublikation erhofft, welche die jetzt unter
Leitung Duchesne's stehende französische Ecole de Home seit
der Eröffnung der Vatikanischen Archive durch Leo XIIL
veranstaltet. Indes bringen die bis jetzt veröffentlichten Hefte
keine Erwähnung jenes Processes in Orvieto ^). Wohl aber be-
stätigen sie die lebhafte Thätigkeit der Inquisition unter Niko-
laus IV., welche schon oben (S. 88 f.) der von Gaston Paris
gegebenen Datierung aufgrund der bereits diesem vorliegenden
Quellen entgegengestellt wurde*).
Eine immerhin nicht ganz unbedeutende Anzahl von Daten
zur Lebensgeschichte Siger's war es, die so durch die Arbeiten
verschiedener Gelehrter festgestellt worden war. Was dagegen
seine Lehrmeinungen anlangt, so wußte man verwunderlicher
Weise über dieselben so gut wie gar nichts. Zwar hatte Le
Giere über die Werke Siger's einige Notizen gegeben; Potvin
hatte ein paar kleine Stücke aus einzelnen Schriften ver-
öffentlicht; aber die einzige Schrift, von deren Inhalt man ein
klein wenig melu* als nichts wußte, die Impossibilia, war nicht
in ihrem wahren Charakter erkannt und hatte nur zu falschen
Schlössen Anlaß gegeben.
Die Aufklärung kam zunächst auf einem Umwege. Be-
kanntlich hatte im Jahre l!277 (neuen Stiles) am vierten Sonn-
tag der Fasten (März 7) der Bischof von Paris, fi t i en n e
*) Die Regesten gerade Martin'a IV. fehlen leider noch. Die von
Urbau IV. (von Dorez und Guiraud), Clemens IV. (von Jordan), Gregor X.
(von Guiraad), Nikolaus IV. (von Langlois), Bonifaz VIII. (von Digard, Fan-
con, Thomas} erwähnen den Proceß nicht
0 Zu den Nummern 2776. 2779. 2780. 2781. 3186. 3220. 3378. 4475.
4476. 5179. 5423, 5724. 6039. 6193. 6715. 6716, welche den S. 88 Anm.B-5
und S. 89 Änm. 2 sngeftlhrten Nummern bei Pottfaaat entsprechen, kommen
noch hinzu n" 2777 (wichtig!). 2778. 2913. 2914. 4035. 4093. 4253 (die
Apostelbrttder betreffend). 5425. — Die hier erwfthnten in Orvieto geehrten
rrocessua (n** 4404—4407. 6704- 6706. 6724—6726) sind anderer Natur.
106 Fmpaasibiljfl ^igeri de BrAbAntia.
Templer i St eplianus de A urelianis), 2 1 \) Sätze venirti-ill ')
die, wie es in dem Briefe desselben heiüt, von Anj^ehörip?« der
Arlislenfakullät zu Pnris als dtskiUierbar *) aufgestellt und als
wahr in der Philosophie, wenn auch falsch in der Theologie
vt'ilL'i(]ifc't waren ■^), Anscheinend ist jenen Mäijneni die Philo-
sophie mit Aristoteles und dem. was sie unter Aristotele:? ver-
standen, identisch. Diesen Sätzen, welche zu einem groUen Teil
dem Averroismns entstammen, waren schon I :i andere filin-
lichei! t:harakk'i-s voraufgegaiigen, welche im J. 1270 Der. 10
voti demselben Stephan Tempier verworfen wurden *). Gegen
Will (He Wruileilung •'>ich lichtete, ist in den betreffendt«»
l^rkunden nicht jf'sajil. Einzelne von den 1277 verworfenen
SÄtzen, die das ln<lividuationsprincip betreffen, hat mau zwur
auf Thomas von Aquino bezogen^); aber weder steht in
einer einzigen Handschrift der anfrcbliche Zusatz contra fratirm
Tliomitm '•), noch palJl iiul diesen die in dem Begleitbi-iefe von
ilen Urhebern jregebcne Schilderung'. Es handelt sich da wohl
nur um ein zufälliges Zusammentreffen. Die wahren Adressaten
wiireti in Vergessenheit i.'<^raten.
Da niachlc Ilaureau, zuerst im Jahre ISSö^. auf eine noch
unKcdruf-kte .Schrill des itaymuiidus Lullus (vollendet im J.
I^(*7) ;^u^m^^^kÄam, die unter dem Titel Ihdurut'm Bfii/rnnttiU
^iff nun/um tfiifhffi et/itfi nmfra uliqum'um philomphorutn et eitruiH
sequacium optuiottf.-i erroneas ff tUtmtHtta,t a urnerftbifi jtfttte ifmnin»
episcopo Pfirifirttsi, welche der Keihe nach jene :il9 Sätze be-
') Denifle. Cfrnrt. uiiütrrs. htn'x. I. p. 543 ff.
") A. n. O. S. 543. . , . quod noiittulli student^s Pari&iaa iu arfibu»
projiriae Vaciiltrttis ümitt'ft excedieiites (juosduni mftnifestos vi cKeeniliil«
errores . . . quasi dubiUhiles in scholis tractare et disputare prsestimunt
"*) vi. n. 0.: Dicant enim t^a esse u«ra aecviudum philucHiphiain. w^
nou secundnm fidr>m rathollniTn, quAüi aiiit duae contrariae at>ritat«a.
•) Denifle, Charfnl. I. p. 486 f.
") Schon Aegidius von Born und Gottfried vou Fontainea be-
merkten, daß mehrere 8jltzc von S:ephaii mit Unrecht verworfen eeiea. De-
nifle, .1. a. O. 8. 556.
") Denirio. a a. O. I. p. 557 Note 45.
T B. Haur^ftu in: Jlht. Hit. th la France. T. XXIX. Paria I^
S. 333 f. (in der ausführlichen Abhandlung: Hainwnd LuUe^ a. a. 0.
8. 1—886).
Zar Biographie Siger'a von ßrabant. 107
spricht und zurückweist i). Haureau vermutete mit hoher
Wahrscheinlichkeit, da& diese DechraUo, welche unter jenem
Namen in dem aiten Verzeichnisse der Werke LuU's vom Jahre
131 1 nicht vorkommt, identisch sei mit dem daselbst erwähnten
Liber contra er raren Boet'ti et Siyerit ").
Diese Vermutung wurde zur Gewißheit durch einen
weiteren Fund Haureau's, welchen er 1886 in einem Aufsatz
über Boetius den Dänen veröffentlichte^). In einer Handschrift
der Pariser Nationalbibliothek (lat. 4391) nämlich sind die ^19
durch Etienne Tempier verworfenen Sätze unter der Rubrik:
Contra Segerum et Boetiutn haereticos \erzeic\mei*). In der That
konnte Haureau einen Teil jener Sätze, wenn auch nicht wört-
lich, so doch dem Sinne nach, in den handschriftlich erhaltenen
Werken des Boetius nachweisen^). Das Thema von der Un-
freiheit des menschlichen Willens aber, das in mehreren dieser
Thesen psychologisch und metaphysisch variiert wird, ist, wie
Haureau 1892 hervorhob"), in den Impossibilia Sigeri dem
„Sophisten* als fünfter Satz in den Mund gelegt. Freilich
geht Haureau wohl zu weit, wenn er meint, vpenigstens drei
jener Thesen 0 gäben fast Wort für Wort die Argumente wieder,
welche Siger in jenem fQnflen Kapitel verwende. Aber die
Gleichheit des Grundgedankens ist unverkennbar. Außerdem
beschränken sich jene Übereinstimmungen mit den in den Jahren
') Eine Begründung findet sich nur bei den ersten Sätzen und sonst
ab und zu; meist folgt sofort die Widerlegung. (Wegen der benutzten Hand-
scbrift siehe oben S. 47 Anm. 2).
') Hi€t. litt, de ia Franee. XXIX. p. 334.
*'') B. Haureau, Vn des h^rAiques condamn^« A flim en 1277. Zuerst
erschienen im Journal den sacanta. 1886. p. 176—183, wiederabgedruckt in
Hiat. litt, de la France. XXX. Paris 1888. p. 270—279.
*) JoHi-tt. dfJi sacants. 1886. p. 177. Hist. litt. XXX. p.271f. Xotieen
et extraita V. p. 98 f. Vgl. Denifle, Chaii. p. 556. Dadurch wurde zu-
gleich die Subskription im Cod. Paris, bibl. nat. lat. 165S3: Principalia asaer-
tor iatonim articnlontm fuU qttidam clericua bot" appellatita aufgeklärt, die
Haar^an frfLher {Hiat. de la pkifoa. acoL II 2. p. 97) mißverstanden hatte.
^) Journal des mrants. 1886. p. 180 f. Hist. litt, de la France. XXX.
p. 275 f.
") Hauröau, Notices et extraOs. V. p. 99.
0 Prop, 194. 208. 209.
108 Inipossibilia f^igcri de Br&bnnHa.
1270 und 1:277 verworfenen Sätzen keineswegs
fünfte These der Impwsihiliit, Wir werden im folgenden Ab-
schnilte mehrere nnderweitige Hen"ihrunK<'n nachweisen, die,
wenn auch vieHeirlit iiichl ebenso auffallend, nichtsdestoweniger
fast ebens»j bezetclinend sind.
Daß aber Si^er in der That dem Averroismus huldit'te.
aus dessen Gedankenkreiso die wichtigsten der 1370 und 1277
verworfenen Siltzo stammen, zcijrfe Dcnifle in den ErlAute-
runtfen, die er (iSStI) in dem Chartiilai* der Pariser UniversilAI
zu jenen Sätzen brachte *). Die Abhandlung des Thomas von Aquiiio
Von der üÄnkeit den Intelhkfes fjegeti die Averroisfen ') fuhrt im
Cod. Monac. la(. KOOl fol. d9 die Bezeicimuni:: Trmiatus frutri»
Thmm' nmtra wttijiatntm Sitjetum de tttttttiff inftUdiutt. Aus dw
Scliritl Sit,'er's De aninm und der QuitcsHu detenninata u imuji-
nfro Sifjnv de limbtiittio : Viruvt hftec sit uent ^Hottto est (titimai,
nullt/ liinnhu fxistfnff't*^ ^) erhellt, dali Siger vom Standpunkte
pliilosopbisc'lier Betrachtung' ans /.. B. die individuelle Verviel-
fältigung des Intellekts in den einzelnen Menschen als unenveis-
bar betrachtete und dieselbe nur aufgrund des Glaubens zugab.
Er stützte die philosophische, d. h. averroistische, Lehre von
der Einheil des Intellekts auf den Salz - welchen er geiren ,dic
in der Philosophie hervorr:igtnden Männer Alherl und Thomas' '|
verteidigt - , daß die intellektive Seele in ihrem Sein ohne Be-
ziehung auf die Materie sei, und daUsie mit dem Körper nur in ihrer
Thätigkeit (also nicht als suhstanziale Form) verbunden sei ■'■).
') Denifle, tltart. uniuerM. J^i-i.t. I. p. 487; vgl. p. 556.
") OpitMf. XVI: Dt HHtUttr iHUUfctwi co»trfi Anffrvüt»*.
*) Vgl. weiter unton S. 115.
*f ,cüntrA prAeciiiiiüs iiiros in |iliilü8opliin AlbKrtum ft Tbomaiu*. Siger
bei Denifle, /(. n. i>. 8. 4H7.
^) Mit Recht erinnert Denifle an in-ttfi. 7 der 1277 verworfenen Sütiv:
,Quod ititelU'ctus non est formn, '^niai akui riHitta nnitis, nee <*st perfectto
essentialia hominis', sowie nn jirop. S-1: nQuod ex aensitiuo et intellectiao in
homiiie nun fit Lininn pßr esserittam. nist sicat ex inteUigentia et orlw, hoc
est, unuim per operatiunoni*' Aus (lfm kleinen BruchBtIlok, welches Potvin,
HulU(i»)t iU l'A'-aileinir tlt- /til<tiqiti: XLV. 1878. p 356 f. aits der Schrift iJf
animti Ober die anima iatellecttua veröffentlicht, ob aic actus corporis et dans
esse corpori et ut figura cerao. itii ut nit ei unit^ 1a easendo et non t«ntuin
2,m fetographte Siger's von Brabant. 109
Eine Natur aber, die in ihrem Sein ohne Beziehung zur Materie ^)
ist, wird mit der Vervielfältigung der Materie nicht mitverviel-
föltigt. Zugleich kehrt hier auch die averroistische 2) Aus-
rede von der doppelten Wahrheit wieder, nach der etwas falsch
nach dem Glauben, aber doch wahr in der Philosophie sein soll,
eine Ausrede, über die Stephan Templer in seinem Begleitbriefe
bittere Klage führt ^).
Natürlich ist es nicht nötig, anzunehmen, daß diese anstö-
ßigen Sätze den Hauptinhalt von Siger's Lehre ausmachten oder
auch nur alle seine Schriften und Vorlesungen durchzogen. Es
gab weite Felder der Philosophie, 2. B. die Natitrphilosophie
und die Erläuterung der aristotelischen Politik (vgl. Pierre
Dubois), auf denen er sich unbestrittenen Ruhm erwerben
konnte. Zudem scheint wenigstens bei den 1277 durch Stephan
Templer verurteilten äl9 Thesen Boetius der Däne noch mehr
beteiligt gewesen zu sein als Siger.
Als »den großen Repräsentanten des averroistischen Arl-
stotelismus im XIII. Jahrhundert" betrachtet darum P. Man-
donnet den Siger ^). Leider ist seine umfassend angelegte Ar-
tikelfolge über die averroistische Polemik Siger's von Brabant
und des hl. Thomas von Aquino") bis jetzt noch nicht über die
Vorgeschichte hinausgekommen.
in operando, in esse eeparata, lehrt nichts Aber Siger'd Meinung, da dort nar
die Stellen des Aristoteles mitgeteilt werden.
'} separata a materia.
') Vgl. Philosophie und Theologie rfc« Aterroes. Aas dem Arabischen
Obersetzt von Marcos Joseph Maller. München 1875. S. 15. 16. 17. 22. 26.
='} S. oben S. 106 Anm. 1.
*) Revue Thomiste. V. Paris 1897. p. 109: Siger ... est le grand re-
pr^sentant de raristot^lisme averrolste au XIIl^ siöcle. H forme Tantith^se
la plus forte et la plus brillante de la Philosophie indöpendante ä IVgard de
1a Philosophie christianis^e par Albert le Qrand et Thomas d'Aquin. A raison
de sa räputation, Dante V& placö au Paradia et en a fait faire l'^toge par
Saint Thomas, comme de la personnification par excellence de la science
philoBopbique.
^) Mandonnet, I^l^migue averrotsle de Siger de Brabant et de Saint
Thomas d'Aquin, in: Remie Thomiste. T. III. Paris 1895. p. 704—718. IV.
1696. p. 18-35. 689-710. V. 1897. p. 94-110 (noch anvollendet).
112 Impossibilia Sigeri de Brabsntia.
politische Stellung des letzteren nicht das Geringste. Erscheint
doch bei Dante wie bei Dubois Siger zwischen Albert dem
Großen iind Thomas von Aquino. Diese [aber wird doch
niemand zu kirchenpolitischen Gegnern des damaligen Papst-
tums machen wollen.
Weit eher denkbar ist die Identität beider Siger, falls
Castets mit seiner Deutung der Stelle bei Durante sich im
Rechte befinden sollte. Freilich ist , wie eingeräumt werden
muß, das treibende Motiv .für diese immerhin nicht zunächst
liegende Deutung eben das Bestreben, Dante und Durante in
Einklang zu bringen; aber unmöglich ist sie ja nicht. Bei dieser
Deutung bliebe als thatsäcblich nur zurück, daß Siger zu Orvieto
am Sitze der Kurie im Elend gestorben ist, und zwar im Zu-
sammenhange mit der Gegnerschaft der Mendikanten. Daß ein
Inquisitionsproceü gegen ihn vorlag, ist nicht einmal gesagt *).
Wenn nun die Verfolgungen, welche Siger von Brabant seitens
des französischen Großinquisitors Simon Duval thatsäcblich er-
fuhr, und die Verurteilung mehrerer seiner Sätze durch Stephan
Templer Dante nicht hinderten, den Siger unter den großen
Theologen anzuführen, so war es immerhin möglich, dafi er
auch gegenüber dieser Fortsetzung des früher schon B^onnenen
nur den hohen Ruhm ins Auge faßte, welchen Siger als Lehrer
genossen hatte. Jene Verurteilungen mochte er vielleicht ebenso,
wie die früheren (wenn er von diesen Kunde hatte) als solche
betrachten, die bloße Schulfragen betrafen. Er mochte darum
eine solche Verhandlung — allerdings unter Mißkennung ihrer
eigentlichen Bedeutung — auf eine Stufe stellen mit der Ver-
urteilung, die der Erzbischof von Canterbuiy, Robert Kilwardby,
selbst Dominikaner, 1277 März 18 unter Zustimmung sämtlicher
lesender und nichtlesender Magister von Oxford über 30 Sätze
aussprach -), darunter mehrere, die von Thomas von Aquino ge-
lehrt waren, sowie eine Anzahl von grammatischen und logischen
Quisquilien '). Daß Siger, der berühmte Magister von Paris, am
') S. oben S. 82.
') Denifle, Chartuf. nntHern. Pnn's. I. p. 558 f.
^ z. B. werden die SftUe verworfen: J'Jgo rurrit, tu rurrit, r^rrit «t
tnt Biograpliie Siger^s von firabant. lll
Daß aber Siger noch bei den Zeitgenossen Dante's in der
That eine solche Wertschätzung genoß, sehen wir aus Dubois'
Schrift De recuperatiane terrae sanctae. Drei theologisch-philo-
sophische Schriftsteller seiner Zeit erwähnt er, die Schriften von
dreien will er in seinen ünterrichtsplan einfügen ; und das sind
— wie bei Dante — : Albert, Thomas und Siger von ßrabant ').
Aber wie verhält es sich mit dem mastro Sighier Durante's,
der zu Orvieto am römischen Hofe a ghiado a gran dolore den
Tod fand? Ich gestehe, daß ich große Bedenken trage, in ihm
den Sigieri der göttlichen Komödie wiederzufinden. Einen Mann,
der mit dem Schwerte hingerichtet wurde, hätte Dante gewiß
nicht in das Paradies versetzt, ohne jenes Umstandes zu geden-
ken und ohne seiner Überzeugung von der Unschuld desselben
Ausdruck zu geben. So ist er bei Pietro delle Vigne verfahren,
dem er wegen seines Selbstmords in der Hölle seinen Platz
anweisen mußte, den er aber von dem Vorwurf des Verrats an
seinem Herrn freispricht, welcher ihn in den Tod trieb -). Und
daß etwa eine Gemeinschaft in kirchenpolitischen Ansichten Dante,
wie Pierre Dubois, mit Siger von Brabant verband, daß dieser
wegen eines Angriffes auf die Herrschaft des Papstes in weltlichen
Dingen zum Tode durch das Schwert verurteilt wurde, ist eine
gänzlich unbewiesene Annahme von Gaston Paris. Unter den
Schriften Siger's findet sich keine gegen das Papsttum gerichtete.
Die Erläuterung der aristotelischen Politik, an die Paris denken
möchte, bot kaum Anlaß zu solchen Exkursen. Das Wenige,
was wir von diesen Vorlesungen wissen , zeigt einen engen
Anschluß an den aristotelischen Text % Auch Wilhelm von
Saint-Ämour, in Verbindung mit dem wir Siger als Gegner der
Mendikanten fmden, steht jenen Kämpfen zwischen Papsttum
und Kaisertum gänzüch fem. Der Umstand aber — G. Paris
legt Gewicht auf ihn ^) — daß Dante und Dubois in der rühmen-
den Erwähnung Siger's übeinstimmen, beweist für die kirchen-
■) S. oben S 72.
') Inferno XIIl 31 «f.
') S. oben S. 78 Anm. 2. S. 98 Anm. 4 and weiter unten S. 115 f.
') S. oben S. Sti.
tu imposaibilm Sigeri de ßrttbuitJa.
4) Von den zumeist averroislisclien Sätzen, die durch
Stephan Teinpier 1:^77 verworfen woirden, geht ein Teil auf
Si^er von Brabanl zurück. Wahi'Si^hoinlich hfinffl es hiermit
zusaniiiien, «iaU Simon Duvaf, der Groliinquisilor von Kraiiki*ei'h,
ihn I ^78 vor sein Gericht foriJerte,
Ti) Damals Iialle sich Sl^cer bereits wieiler in seine Heimat
naoh LüHicIi begaben, wo er ein Kaiioiiikat bekh^idete. ObiT
sein späteres Leben hal)en wir keine siciiore Kunde.
G) Es ist möglich, dalä Siger von Brabant identisch ist
mit dem iuimfytt Sigfiiff^ der nach der itahenischen Bearbeitung
des franicAsisfiien Rns.'tiroinans zu Orvietn am Sitz der rTunischfii
Kurie im Kleml starb, und zwar wahrsolieinHclier lä90 oder
1291 als in den Jaliren I28I bis 1284. Vorausgesetzt ist
dabei, dalJ diese Stelle nicht von einem Tode durch das Schwert
sprirht, in wc^eiinm Falle die IdrntilK'ii'nmg fallen zu lassen wäre.
7J Siger ifehörle zu ilen berühmten Lehrern tler Pariser
Universität. Zeuj^re davon ist Pierre Duboia, der ihn nebt'ii
Albert den Grotien und Thomas von Aquino stelll, und Dante,
der sein Lob ilem fil. Thomas in den Mund tcgL
Sclirifteii.
^
Schriften Siger's von Brabant sind uns erhalten zu-
nächst in drei Manuskripten der Pariser Nalionalbibüolhek. Icli
gebe hier nach l'.h. Potvin ') das Verzeichnis derselben.
I) injutsnihiVut Stff/eri ifr lirtitttutrla (lat. HJ:i97, s. XIÜ..
fol. lOG). Im Vorstehenden gedruckt. Über die Verfasseifmgo
im folgenden Abschnitt.
i*) (^uftiftm licfcrtttlnatio St/gert Mttyn'i (? jedenfalls tnnffiatn)
f/f Hntl*ftuna tfe I'^ernitaif. murnfi, st qua sit. (lat. Hiä2li.
s. XIV, fol. 74— 7(;. ohne fnn'pit und hUpUdt. Der Titel nach
dem aus dem XIV. Jahrh. stammenden Register).
M DtfJh'fius fif rAttui. ,rr litlt/ipif. XLV. IS78. p. 343. — Die Notiieii
ilus tiivi'utairee in iler Ifih/iolhifjitr >ir f'/rolr ilri rhaiirM. T. XXX.I. Ann«
INTÜ. Pm-is IH71. p. 40. 4$. 136 aind sehr dürftig. Die Cberaiclit bei
Ci|)nllu, ffinnt. .stnr. t/i'iht iHt. ih$i. VIII, p. f!ß— HU MÜtZt BH'll auKiwliliri)-
Iti-li nur l'utvip uuU Le Clcrc und )>ringt uii;h.U nouos.
Schriften Siger's von Brabant. 115
^) hmphmf QueMhnes naturales a magiairo Sy<fevo de
Brabancia (lat. 10133, fol. 33v, in roten Buchstaben; ohne
J'Jj-plieit).
4) IiH'ipiunt Quesfhues de Anima inteUecftuu, ordhtafe a
nHujistro Hygevo de Brabaneiu (ehd. fol. 58^).
JLrpliriunt Questiones de Anima intellectfua ortUnate a magi-
sfro Sigero de Brahuncia (ebd, fol. 58v).
Zwei Fragmente daraus veröffentlicht von Potvin.
5) Incipiunt Queafioties logicales ordinafe a magUtro Sigero
de Brahancia (ebd. fol. 58v, ohne Explicif).
Dazu kommen noch zwei weitere, von Denifle nach-
gewiesene Stücke,
i\) die Questio dehrminafa a maginiro Sigero de Brahancia:
Vtrum hec .s/7 aera „Hwno est animal nuUo existente**'^ in einer
Handschritt des Dominikanerkonventes zu Wien (XIV. Jahr-
hundert) '), und
7) eine Sanmdang von Sfiphiamen „magisfri Segeri de Bra-
iMinna^ welche zusammen mit dem Sophisma Omnis fenix est
(_'le. des Petrus von Alvernia-) in einer fragmentarischen
Ilnndschrift des Vatikanischen Archivs sich befindet ^).
Eine Täuschung war es dagegen ohne Frage, wenn Ker-
vyn de Leltenhove ^) in einer Handschrift der Abtei von
Dunes „das Werk des Siger von Gulleghem*" (über diese Be-
zeichnung siehe oben Seite 75), „an das der Verfasser des
Buches De Hecuperatinne terrae sanetae anspielt", glaubte wieder-
gefunden zu haben. Freilich zeigt, was er aus derselben ab-
druckt-), Ähnlichkeit mit dem, was Dubois aus Siger's Vor-
trägen mitteilt'). Aber der Grund für die Übereinstimmung
') Denifle, atai-tul. uniners. Fbr. I. Paria 1889. p. 487 Note.
■) Vom Kardinallegaten Simon de Brie 1275 bei Schlichtung der
Streitigkeiten zwischen der pars AJberici und Aer ptirn Siyeri (8. oben S. 61)
zum Rektor der Pariser Universität bestellt: Denifle, Ckortul. I. p. 530.
') aiartul. UMtuers. Fttr. II [1]. Paria 1891. p. 65. n" 590 Note.
*) Btttlet. de VÄcad. de Belgiqtie. XX, 1. 1853. p. 255 n. 1.
'') A. ii. (K: Homo habet passiones sibi conianctae Passionea autem
distrahunt uolunti;teni et faciunt deuiare a recto fine et peruertunt iudicium
rationia. Lex nullaa habet pasaiones et non potest deuiare a recto lino.
*') S. oben S. 73 Anm. 2.
8*
11«
tmpofuibilJA äigeri du ßrabantiA.
liegt offenbai darin, dafü beide dieselbe Stelle der Aristotelischen
Politik umschrieben '). Was Kervyn de Lettenhove sonst anftihrt,
ist ohne jedes Gewicht ■).
Ehensowenij? brauchen wir wohl nricli einer Schrift Siger's
über die Sophisdri ehttrhi des Aristoteles zu suchen. Was
ältere Dante-Kommentatoren von Voriesungen Siger's über diese
Schrill berichten ■'}, ist nur zur Erkirmnig der invUUosi veri bei
Dante ausgedacht.
rV. Inhalt, philosophiegeschichtiiche Stellung
und Verfasser der Schrift
Die mancherlei und zum Teil nicht geringen Schwierijf-
keiten, welche die vorliegende Schrift dem Verständnis bietet.
werden eine Analyse der Hauptgedanken der einzelnen Kapitel
wünschenswert erscheinen lassen, bei der sich zugleich die Ge-
legenheit biel4't. verschicdeno Finzelhfiti;n sachlich und historisrb
zur Besprecliuu|if und Erklärung zu hringCM.
Ich werde dabei, um diese Schrift nicht allzu sehr zu be-
schweren und nicht mehr zu bringen, als zur flharakterisierung
notwendig ist, nur zwei Kapitel, das erste und dritte, ausfilhr-
liclier behandeln, dits erste wegen seiner sachlichen Beileulung,
das dritte, weil es in seiner knappen Kürae die beste Gelegen-
heil giebl, fast Satz für Satz die Quellen und die Stellung zu
den zeitgenössischen Problemen zu verfolgen. Eine genaue
sachliche und historische Analyse dieser Kapitel, verbunden mit
einer kürzeren Übersicht über die übrigen, wird genügen, um das
Veriahren des Verfassers und seines Uegners aufzuzeigen und so
die Grundlage für eine Würdigung imd philosophiegeschichtiiche
') Arifltot. i^^ht. HI 16, p. 12B7 a 18 ff. (die Stelle ist schon obeo
8. 73 Anm. 2, Kndi?, mitgeteilt).
^) Denn Ualj in dem Tniktat die Phrase ttylhgizantem nnt instarifüiw
ffrentem vorkommt iK4>rvj*n de Lettenhove. o. n. 0.) und sogleich darauf das
Wort siflhijtziirt' erklart wird, beweist nicht das Geriiigato, da kein Kenner
der mittelalt erlichco scbaliuftischen TtTtninoIogie in dum Gebraaobe dea Wor-
tes mjlfoffiiiirr etwas Charakteristisches finden wird.
") S. üben S. 57 Anm. :l
Tahnlt, phiLi^apbit^gesrliiuhtlirhn Stolliing und Verfnaaer der iSchriFt. 117
Charakterisierung zu bieten. Änfginiud dieser kann denn auch,
tioweil das Material os /.ulfißt, dio Wrfasserlrage ihre aus-
reichende l^iicdigung (iiidon.
1.
Oegonüher dem weniKsteiis in der ontologist-hen Fa&iun(?
diirctiaus iinzulärnjtliclien (Jottesbeweit^e Ant-ehu's '), welcher aus
deni [JegrilTe lloltes als des vollkommensten Wesens — den selbst
der Thor, wenn er nach dem biblischen Wort in seinem Herzen
spricht : „Es giebl keinen Gott" , doch in seinem Verstände
findet — die Existenz Gottes auch autaerlialb des Verstandes dar-
thun sollte, hatte einst Gauniio» der Mönch von Mannouliers, die
Verteidigung dieses Thoren fibernomnion. Viel weiter geht der
«Soplijst", den imsere Schrift iti der Versarnniluii^' der Pariser
Magister seine Thesen antslellen lüüt. Nielit btuU einen be-
stininilen einzelnen Beweis füi* die Existenz Gottes, we den on-
tologischen Anselni's» den mit Thomas von Aquino •) fast die
ganze Scholastik verwirft, sondi'm die Existenz Gottes selber
greift er an. Allen Be^weisfülnMingen gegenüb(T sucht er die
Atmahme Gottets als überflüssig und den in diesen Beweisen
vorausgesetzten Begriff Gottes als widersprechend dar/.uthun.
Der erste Angriff rirhtet sieh gegen die Beweisfühnmg,
welche Gott daraus erschließt, dali sie die Atuiahme einer ein-
heitlichen Ursache der Well als notwendig erweist. So hatte
z. B. Alanus von Lille in seiner Ars fidel cathofmie (I c. 1 ff.)
in fein gegliederter Darstellung, welche durch Bestimniung des Ver-
hältnisses der Ursachen zu einander von der Vielheit iler Ur-
sachen zu der einen göttlichen Ursache aufsteigt, die Existenz
') Auf die dorch Bedn Adihtich's eiadringende L'ntcrsuchuogen
[litiiwiojthUchrit Jiißtrburh. YIU. Fulda 1896. a 52-69. 37-2— 3^9. IX. 1896.
a 280-2117. X. 1897. S. 261—274. 394—416) wieder akut g*.wordene Vrtt^e,
ob da» ArgumeDt in Anselm'tj l'roslogium im oDtoLogischeu oder im psycho-
logischen Sinne gemeint sei, kann hier nicht eingegaogcn werden.
^ Tnier ausdrftclcüclif^r NamenRiiennnng ftihrt Thomas Aqu., Dv lu-ri-
tfifc q. 10 a 12 obiect. 2 das Argument ausi Anaelui's ProMlogium an, um
PS dann (ad 2.) zurUckmw eisen. Vgl. aach I Sntt. d. 3 q. 1 a. 3 ad 4.
Beda Adlhoch hat dies, a. a. O. Vlll, S.' 389 und X. S. 262 ff., doch nicht
genügend xiir <ieltung kommen hkssen. indem er sieb aiuschlic&lich auf das
corpus arliculi stützt.
118 Impoesibilia Sigeri He Brabftntia.
Gottes dargethan^). und ähnliche Gedankenreiiien sind in jener
Zeit ganz gewöhnlich. Dem gegenüber soll bewiesen werden,
dati nicht alles Eine Ursache habe. Dabei wird die aristoteli-
sche Vierteilung der Ursache zugrunde gelegt : Material-, Formai-,
Zweck- und bewegende Ursache. Einfach liegt die Sache hin-
sichtlich der beiden ersten Ursachen. Daß auch nicht alles
Eine ZAveckursache habe, Avird daraus gefolgert^ daß eben nicht
alles einen Zweck habe. Denn Zweck ist das Ziel, das erstrebt
wird. In dem Mathematischen aber giebt es ein solches Ziel
nicht, und darum hat es auch keine Zweckursache. Ebensowenig
haben die Intelligenzen eine solche. Denn ehien Zweck giebt
es nur für die Bewegung, oder für das Bewegende, oder für
das Bewegte. Die Intelligenzen sind aber weder Bewegung,
noch Bewegtes, noch im eigentlichen Sinne ein Bewegendes;
denn sie bewegen, wie unter Berufung auf eine vom ersten
Beweger handelnde aristotelische Stelle gesagt wird =*), nur hi
soweit sie von anderem begehrt werden, nicht so, daiä sie selbst
anderes bewegten. Endlich hat nicht alles Eine Wirkursache,
denn diese ist Princip der Bewegung, Bewegung aber hat nicht
alles (S. 1,9-2,3).
Schon dieser erste Beweisgang ist in hohem Matie charak-
teristisch für den Standpunkt des Beweisführenden. Für ihn
gilt nur der averroistische und neuplatonisch moditicieite
Aristotelismus, von dessen V'oraussetzungen aus dann freilich
die wichtigsten Sätze eben dieses Aristotelismus bekämpft werden.
Aristoteles hatte den Gottesbeweis aus der Bewegung des
Weltalls geführt "). Darum ist dem Disputator die bewirkende
Ursache nur da vorhanden, wo Bewegung, und zwar, wie offen-
bar gemeint ist, Bewegung im eigentlichen Sinne vorliegt. Auf
Averroes oder auf den Liber de cuusis aber werden wir gewie-
sen, wenn den InteUigenzen hier eine so bedeutsame Stellung im
BeAveise zufällt. Außerhalb des averroistischen und neoplatoni-
') Vgl. z. B. dio Zusammenstellung bei M. Baumgartnor, Dif Iftilo-
snphif (ie.t Alnitm th- IhxhUm. Münster 1896 {Beitrdi/v. z.G. d. Phif. d. M.-A.
II, 4) S. 107. Anm. 2.
■') S. S. 2 Anm. 1.
') Aristot. i%«. Vlll 5, p. 256 a4tf. MiUiph. XU 6, p. 1071b3flf.
lubiilt, pliili>»uphiegescliichtliche Ste'luug um) Verfusst'r der Schrift. 119
äierciuleti Kroises findet muri sich mil diesen natiiraUstisch gefax-
ten Geislwesen ab, stellt sie aber nicht iii den Vordergrund.
Der zweite und der dritte Beweis operieren in wenig
origineller Weise mit nit'hrdeutigen Aiisdrricketi. Schon An-
sei ni im Mitnoltttjiuin liatte sich mit dem-n bescliüHigt, welche
die Lehre, dali Gott die Welt aus nichts geschaffen, dahin ver-
standen, daü sie das Nichts hyposlasiertea und üur Materie der
göttlichen Weltschöpfun^ machten. Dem gegennher stellt er als
den Siim der Lehre den fest: aus ,nii*l»ts", d. h. , nicht aus
etwas*. So sage man auch von jeniundem, er betrübe sieh
über nichts, nicht als ob das Nichts (iegensland seiner Be-
tiübnis sei, sondern weil er keinen Gruiui habe, sich zu tje-
Imben '). Mil derselben Amphibolic argtmieiiliert unsei* Uis-
IHitant: fc^ jriebl kein erstes Princip sctileclithin, denn das Ei-ste
ist, wovor nichts ist; wenn aber ein Nichts vor dem Ersten ist,
so ist es nicht n»ehr das Erste (S. ^, 4 — 7).
Ähnlich steht es mit dem folgenden (dritten) Beweise.
Den Bahnen Augustinus folgern!, hatte Anselm im Mouologiuni
eijien dreifach gegliederten Gottesl>eweis entwickelt, der alles
(lUte, Grolie, Seiende auf ein hijchstes Gut, ein erstes Grölätes,
ein ei-stes Seiendes zurückführt, das durch sich (per ne) gut, groLi,
seiend ist. Um j<'iles .Miiäverständnis zu entfernen, uniersucht w
dann, in welchem Sinn man etwas ^durch sich seiend" nennen
köinie '% Ausdn'iiklich scliliet.^1 er die Annahme aus, als Sfi
liabei an die hewirki-nde Ursache, oder an die StoÖursachr,
oder an irj^'t-ndwelcbe Instruim-ntalursache zu denken. Seine
eigene Meinung erläutert er durch ein Gleichnis. Wie das
Liebt 'futrfi sich leuchtet und «^in Leuchtendes ist, wo gilt vom
höchsten Wesen, daü es i/uiwh sich ist und ein Existierendes
ist**). Durchaus vermeidet es deshalb die Scholastik. Gott als
•) Anselm. SJ.moltMj. c. 8 UMigne, Patrol. Ut. T 15K cu(. lö« f.) Vgl.
auch ThomasAqu., />«' ptttmiitt qaaeat. 3 'tf rrntt. a. l ad 7. Hi'knnntltch
Jialwii durch deii^i-Ibcn TmgsciiluG Wolff und Haumi^art cii veniiicht, d««
Ge.seU der Kausalität auf das di>H Widot-ttpruchH zurtlckKU führen.
*) Anselin. Mmmhuj. c. 1—3.
") A. a. 0. c. 6.
*) A. a. O. c. 6 (Migne, Patrol. lat T. 158 col, 152 f.): Vnomodo ergo
(andern ense intnUigend» est per ee et ex ae, tii (der Druck bei Migoe fUJsch-
lüO
ImpOBsibilift Sigcri de Brnbantia.
Cfitisa tsi4i zu bezeichnen. »Nichts ist Ursache seiner selbst',
sa[ft ja Hchon Alanus von Lille') schlechthin und ohne von
diesem Satze für das absolute Sein eine Ausnahme zuzulassen.
Jener bcsonriers dun-h Spinoza') verbreitete Ausdruck ist der
rdleren Sofioiastik so fremd, wi*.* di-r Bc^rifT — oder vielmehr Un-
begriff — , der durch jen^n Ausdruck, will man seinen Sinn niclil
völlig miideuten, allein bezeidmet werden kann "O- Sie stellt nicht
das durch sich selbst Verursachte (eausatttut /)cr se) und das
durch ein anderes Verui*sachte fraumtum jtrr nUuil) in Gegens;itz.
sondern das durch seine Wesenheit Seiende ietis per essentiamK
d. h. das Seiende, dessen Wesenheit es ist zu sein (existieren),
weil es lauterer Akt ist. und das durch Anteilnahme Seiende
(e}m fjer itftrticijjfffhmemf, d. h. das verursachte Scientlc, bei dem
die Wesenheit erst durch eine Äußere wirkende Ursache Existenz
erhält. So z. ß. Thomas von Aquino*).
Unser , Sophist* ist hierdurch nicht beriihrt. \Veim iJoll
ist, argumentirt er, so ist er entweder durch sich, oder durch
ein anderes seienii. Im ersteren Falle müfäte er Ursache seiner
selbst sein, was unmöglich ist; im andern wäre er, weil venire
sacht, nicht GoU (S. 2,8-11).
lieh sie) nee ipaa »t? fecit, iiec ipsa eihi materia exöttiit. nee ipsa «e qHolilvel
modo, iit (]uuil nun oral esset, adiimit, nisi forte eu modo intcUigmidum aulv-
tor, quo dicitar quia lax luc^t uel Ittcena est por se ipsam et ex s« ipsa? Qnoni
aiT modum enim bcbc habent aä Inuic^m lux ot luccro et lucens, sie sunt nA
HC inuirem «'saentia, e^se nt piio. hoc «at existena aiu«? Hubaietena. Krieo
summa easentia et sainme esse et summe eiis, id eat summo existetis aiue
aumme Bubsistens, non diasimiliter sibl conuenieiit, quam lux et lucere
et Iticcns.
■) Alanue. .hw fitfei I. prop. 8 (Migne, Patr. Ut. T. 2IU col. 600 A;
vgl. Beweis von prop. 10, i-M. B),
') Spinoza, Eth. I. def. 1: Per oansain aui intelligo id cuius essentt«
inuoluit exifitentiani, siue id cuius natura nou pot«st concipi nisi existent.
^ Auch die nt-uereu Schriftsteller, welche den Standpunkt der Schola-
stik vertreten, enthalten sich sameiHt jenoa Ausdrucks. So bezeichuet ihn
z. B. J. B. Heinrich, DotjmuUHche Thrafotfit. Bd. III Mainz 1879. S. 351.
Anna. I als .minder pnasend".
*) Man vergleidu' darUbor die Üarlegungen von Gnndisalv Keldner,
DiV SOfjenitunte Asfitfit fiottct rt/.v konniitiitirf» Princip deiner W'iisnthrH, in:
Jiihrimch ßp- Ittifomj^lr uAtt nfjff,uflatirf llieohgie. Bd. VH. Paderlwm 1893.
S. 421-444, der biermr reiche Belege giebt (bea. 3. 480 t[.).
Inhalt, philosophie^ii'Hchichtlirhe Stellung und Verfii8«or dor Ü>clirift.. 121
Es folgen «Irei Beweise — oder vielmehr rlrei Variationen
Eines Beweises — ^ die uns auf das deullichste die Abhängigkeit
unseres „Sophisten" von dem durch die Araber verniitteltcn
Neuplatonisnius beweisen. Der GnnKigectanke von allen drei
dürfte dem — auf des Proklus orotxfJtoats OeoÄoytxt'j zurfiek-
gehendon — Lther tit rausis oder einer andern älmlichen Quelle
entnonunen sein. Unter dem höchsten Sein der ersten Ursache,
das noch über der Ewigkeil steht, werden in dieser Schrift iin-
tersciiieden: das Sein der InleHigenz, das mit der Ewigkeit
gleir-hslrtit; diis Sein der Seele» welches nach der Ewigkrti imd
i5bor der Zeil — im Horizont der Ewigkeit - ist'): endlich
die zeitlichen Wesen =). Was in der Zeit entsteht und vergeht.
Ist entweder aus Teilen zusammengesetzt, die sich loslösen
können, oder bedarf zu seinem Bestände eines Sul)strate.s von
dem es sich trennen kann. Was dagegen, wie die Intelligenz =*),
nicht zusammengesetzt ist und nicht in einem andern Dinge
subsistiert, sondern einfach ist und darum nicht durch seine
Teile, sondern durrh sioh selbst subsirftierl. ist ewig, un-
veriinderlich und unzerstörbar*). Denn ein solches einfaches
Wesen, welches durcli sich selbst subsistiert, ist nicht hervor-
gebracht von einein JUKh'rn Dinge ^), es hat nicht eine von ihm
verschiedene Ursache seines Besteliens, von der es sich trennen
und so vergehen könnte, sondern wegen dieser seiner Einheil
ist in ihm die Ursache und das Verursachte zugleich. Darum
bleibt es stets in Vexhindung mit seiner Ursaclie und ist des-
halb unzerstörbiLT. Wenn das durch sicti Bestehende vei-gehen
') Liber de cattais § 2 (0. Bardonhewer, Die pfieHtio-firiatatriijtchr
Sf^hrift V^er /hts eint Guff, ftekaHnl unter tiem S'ftmen Liber de enit^ht.
Freibiirg i. Br. ]8^"2).
•) A. a. O. § 29 ff.
'-') NutKrlii'h hier nicht nls nienschliche Vernunft, suiidern uls fDr »ich
siibüretiereiided Weaeii gedacht
') Liher de raiuis § 26. Quelle ist; j( 48 der atatitirami des Proklus.
— DtT Kurze und leichteren Übersichtlichkeit halber habe ich müh hi«r und
im Folgenden nicht äDgstlich on die HeihcnfuI};« gehalten, in der die einzel*
nen Gedanken im Liber de rnw*iA and bei Froklus sich aneinAnderreiben.
'') LihrJT de cotttii» % 24 {axoiitiayetc % 45).
122 Impossibilift Sigeri do BrAbftntiR
soMti\ so infitite i?s sicli von sirli selbsl trennen, und e-; nu'ilite
zugleich diircJi ^kh sp)hst :;ubsi>jtieivii und unlier sich s^iii *).
Wcim lier Lihn- de atuttt's ini Ansclilusse an Proklus der
Intclli^rcnz eine Ursaclie absprichl und sie durch sich selber be-
strliL-n li'iüt^ so i$l. dic^e^ in rlrni Sintio i^tMneiut, data das S<-in
ilor Inlellig^enz nkliL durch «las Sein ihivr Teilo -- denn sie ist
ungeteilt in ihtem Wesen — oder durch das Sein ihres Trägers
— denn sie hat kein solches Substrat — bedingt sei. Sie exi-
stiert durch sich , weil nach dem in der gesamten ncuplato-
nisdien Littciatur ^'ciruiligen Anslulelisclieu Sat/e die Konn das
Sein verU'iht ■). Üic hitclli^^eiiz ahn- ist reine Form % Dati die
Intelligenz nicht eine bewirkende Ursaelie habe, wii-d damit
in keiner Wei^e he!t<m)>teL Eine solrhc Anschauung st/lndn in
vollem Widerspruch xu fler Stellung, welche der ersten Ursache
in der ganzen Schrill beigelegt wird. Sie ist zudem dadurch
völlig ausgeschlossen, daß tlic Intelligenz in derselben ausdrück-
lich als das ersle geschaffene Seiende'), das erste Erschaffene ^),
bezeichnet wird.
Unser pSophisl" dagegen macht sich jene Gedanken des JMter
de nfn^iH in dem Sinne zu eigen, daü das „durch-sich-Sein*
der Intelligen/ nicht ihr Suhsistieren in einem Träger, sondern
ilire Verursadmiig durcli eine bewirkende L'i*sache ausschlie-
iäen soll.
Die erste Wendung des Argiunentes sucht zu zeigen, daü
die Intelligenz, weil sie des Vennögens zum NichUt'in entbehrt,
nicht mit dem Äufliören eineä Auüeren selbst aufliören wenle
und daher keine Ursache habe. Wenigstens für die Intelligen?.
') hfhfr ttv ttntJttH ft 25 (on»;f*^(V'>oN- S AG).
") Vgl. z. B. Curruns, /^tV r/rw Bm-lhinM fährhlifh nt^eneiirifhrHc
.V'hiuuUiouj tlf^ IhininirtiM fiumltMfv! Dt miUnh- • Beitiilfft' I, 1). Mttnster
1891. S- l'ßf. 37. Auch hei Arcnccbrul (tbn Gcbirol); vgl. dio Ziuammen-
stellang b. v. egse, '^, ti. im Index meiner Atisgabe ip. -431).
') Über tte ninsiH § 8. Ober das durch das mibkannte Ol«
bei den Lateinern horbeigefllhrte Mi6v4?rständniB dieser Stelle siehe unten
S. 124.
M Lihrr itr cntufin g 15.
^) A'W. S 22
Inhalt, philoaophiegeschichtltche Stellung und Verfasser der Schrift. 123
gebe es also keinen Gott a!s Ursache. Dasselbe gelte iür die in-
korruptibilen Himmelskörper (i2, 12 — ü^).
Die letzte Bemerkung führt uns in den Kampf, den der
Averroismus an der Pariser Hochschule erregt hatte.
Die erste Voraussetzung dieses Beweises ist die am schärf-
sten durch Avicenna*) entwickelte Fassung des Begriffes der
Ursache, nach welcher das Verhältnis von bewirkender Ui-sache
und Wirkung sich nicht auf das einmalige Setzen eines Seins nach
vorliergehendem Nichtsein beschränkt, sondern ein andauerndes
ist, derart, daß mit dem Aufhören der Ursache auch die Wir-
kung aufhört {cesmitk' aium r^sat effectas). Hier wird ein solches,
einem Dinge äußerliches, Seiendes Ursache dieses Dinges sein,
wenn auf dessen Nichtsein auch das Nichtsein des Dinges folgt.
Daß aber der Intelligenz das Vermögen zum Nichtsein
fremd sei, und zwar nicht etwa nur deshalb, weil sie eine äußere
Ursache hätte, von welcher ihr dieses verliehen wäre, sondern
weil die Unmöglichkeit des Nichtseins in ihrer Natur liegt, soll
daraus folgen, daß sie reine Form sei, oder, wenn sie eine Ma-
terie liabe, dann doch jedenfalls euie solche, die nur ihrer Form
eigentümlich sei, die also, so werden wir diesen Gedanken er-
gänzen, nicht das Substrat für wechselnde Formen bieten und
darum auch nicht den Grund zum Untergange der Intelligenz
enthalten kaim. — Nach dem , was soeben über die dem
Liber de rimsitt zugrunde liegenden Anschauungen bemerkt
wurde, bedarf wohl nur noch der Gedanke einiger Erläuterung,
welcher der Intelligenz das Vermögen des Nichtseins auch für
den Fall absprechen will, daß sie nicht reine Form sei, sondern
eine Materie einschUeße. Eine solche geistige Materie der Intel-
') Avicenna. yft'fa/ih. VI c. 1: Et fortaase putabit aliqais quod agcnte
et cftuaa non est opus nisi ut res habeat esse post non-esse; aed postquam
res habuerit esse, si d^truatur causa, erit tarnen res sufficiena in se. ergo
pntauit (lies putabit) quod res non indiget causa nisi ad incipiendam esse; sed
postquam incepit et habuerit esse, iam non indigebit causa. Dies wird dann
widerlegt, die entgegenstehende Ansicht auf ein Mißverständnis der „causa
agens" zurOckgefOhrt und geschlossen: Iam igitur manifestam est quod cau-
satum eget aliquo quod det sibi ipsom esse per se tantnm, sed inceptio et
alia hniusmodi sunt res qaae accidunt ei, et qnod cauBatum eget datore
sui esso semper et incessanter qusmdia habnerifc esse.
124 Impossibilia Sigeri de Brabantia.
ligenz, die von der Materie der Körperwelt verschieden und
nicht, wie diese, das Subjekt eines fortwährenden Wechsels von
ein- und austretenden Formen ist, nahm bekanntlich z. B.
Avencebrol (Ibn Gebirol) in seinem Fotis uitae an 0- Auch
Avicenna kennt eine solche Ansicht, wenngleich er sie be-
kämpft 2). Ebenso ist sie der Philosophie des Abendlandes nicht
fremd, wo wir sie z. B. bei Augustinus, Bonaventura,
Duns Scotus finden^). Aber auch der Liber de caush in der
Form, in welcher er dem lateinischen Abendlande vorlag, bot
dafür Anknüpfungspunkte. Gerhard von Cremona hatte in sei-
ner Übersetzung an einei* Stelle ^ das arabische AVort sli>
— etwa , Ganzheit" — , das er sonst mit uniuersitus *) oder
uniuerifalitas*^) übersetzt, als Fremdwort in der Transkription /le-
lyatin beibehalten. Durch Umsetzung und andere Verderbnis
war daraus hylmckim (ylmchim) oder Ähnliches geworden, und
dieses Wort glaubte man zu deuten, indem man es mit i^fle
in Verbindung brachte. So z. B. Albert der Groläe^ und
Thomas von Aquino*). Damit war der Unterschied von Ma-
terie und Form in den Geistwesen auch in den JÄber de caush
hineingebracht^). Bei dem engen Anschluß an den Liber de causiSj
') Vgl. die ZusammenstolluDg im Index meiner Ausgabe dea I-^ons ritac
B. V. inteUiffentia 3 c, S. 469.
') Avicenna, Metaph. 1. IX c. i.
^) Vgl. CorrenB, ff. a. 0. S. 42 ff.
*) Liber de caiutia § 8, p. 173, 9—12: Et intelligentia est habens
hclyatin et forniam, et similiter anima est habens belyatin et natura est
habens belyatin. et causae quidem primae non est belyatin* quoDiam ipsa
est esse tantum. Vgl. daza Bardenhewer, ff. a. 0. S. 194.
'•) Ä. «. O. § 27 (p. 187. 13 = 108. 9 Bardenhewer).
«) vi. fl. 0. § 29 (p. 189, 19 = 113,2. 3\
') Albertus Magnus, De cattsis et procesu» uninersitatiit tr. K c 18
(T. V. p. 600 a Jammyj: propter hoc a quibusdam pbilosopbis hyleachim
nocatur, quod denominatum est ab hyle.
") Thomas Aqu., De camis 1. IX. (ed. Antwerp. 1612, T. IV. fol. 7r
b A): dicitar enim ißcaehim {so fälschlich der angegebene Dmck) ab jfie,
quod est materia. Vgl. auch Bardenhewer, a. a. 0. S. 274.
") Wenn Albertus und Thomas den Unterschied von hetyatin und
forma in den Geistwesen anf den Unterschied von Wesen ((/wxl e/it) and Exi-
stenz {esse) zurückfahren wollen, so hängt das zusammen mit der sachlichen
Inhnlt. philosAphiu^eHchiühtlirhe Stellung und Verfesser der Schrift. 125
welclion unser Verfassei- in dtesom ganzen Zusammenhange auf-
weist, greifen wir wohl nicht felil, wenn wir für ihn auch hier
jene Schrift als Quelle annehmen.
Dfitj nun auch bei Annahmt* einer soh^lien geistigen Ma-
terie in itor Inleiligenz dieselbe dennoch, weil nur zu ihrer eigen-
lümlicliim Form hingeordnet, nicht das Vermögen des Niciilsein»
für die Materie herbeiführe, ist ein über den Liher (h caunia
hinausführender Gedanke. Originell braucht er dannn nicht zu
sein. Ähnliches IrelVen wir aucli sonst m der zeitgenössischen
voraufgehenden Litteratur ').
Dieselbe Erweiterung begegnet uns in der zweiten Wendung
jenes Argumentes. Nichts kann si<;h selbst verlassen -) oder das
was ihm eigentünilicli ist. Wenn aber die Intelligenz ein Nicht-
seiendes würde» so müßte entweder dasselbe sich selber ver-
lassen, oder die Materie müßte die ihr eigentümliche Form ver-
lieren, um dafür eine andere aufzunehmen, zu der sie nirlit in
Möglichkeil war. Daran schlieüt sich folgender dialektischer
Beweisgang: Was möglich ist, ist durch ein Äutäeres (ein von
ihin verschiedenes Seiendes) möglich oder lial duich ein solches
die Natur des Möglichen '). Also, wenn wir die Abfolge in ihr
negatives Gegenteil verkehren *) : Was nicht inügliclj ist, dem
kommt es entweder durch ein Äußereres zu, daü es nicht die
Different, in der sie sich bekannilich in der Krage nach dor Natur der Geist-
weeen mit der KrAnziskanerschule beHiuIon.
') Ich will nur an Domintcua tiundisalri erinneni, der bei einem
seiner Beweise fUr die Cnzerstürlurkeit der Seele auch die zwei Andabmeii
aufstellt: 1. die Seele ist reioe Form, 2. sie l>estelit aus Matorie und Funii
^Uundiösiilinuö, Dr imtiiortofitfifr unitttur p. 2K, 14 -29, 10 Üülow)
*) Vgl. Liber dr eatuti» % 2\ p. 186, 2 ff.: Omnia subatantia stans per
ae ipaara est non cadens sub corruptioue. Si autem aliquiä dicat: .posaibile
est ut substantiii stans per ae ipsam cadai aub corniptione,* dicemua: h\ pos-
aibile est ut subatantia stana per ae ipaam cadai aob carruptione, poaaibile
e»t ut sepnretur eiuH easenlia et iiit fixa, atans per easentiam suam sine
essentift »ua. A hoc est incoiiiipnieiis, impoaaibilc. — Lber die BorQlirungcn
mit mehreren der im J, 1'277 verworfenen Sätze wird später jH;i=}iÄn<li'U werd(>n.
■■) d. b. nichts ist durch sich — unabhlin^g von allem WirkÜclien —
möglich, sondern ea mu£ ein Wirkliches sein, damit von einer Möglichkeit
geredet werden könne.
*) So verstehe ich die datntetio eoHsfquentis p. 2, *29: oegatire Um-
kehr siner Abfolge.
1^6 lmp(t«uiiiWilta Sigeri de Brabantia.
Nalur des Möj^'lichen hat, oder aber es hat wegen Mangel?
eines Äußeren, durch das es möglich gemacht werden könnte,
die Natur des MA^'^i^'^^en nicht. Ist schon bis hieher manches
in dt^ni Beweise dunkel, so sclieinen sich die abschlioüenden
Worte desselben — vielleicht wegen tiefer greifender Texlver-
derbnisse — dem Verständnis völlig zu entziehen. Ich glaube
sie in folgender Weiso deuten und ergänzen zu sollen. Da die
Intelligenz, wie srlion bemerkt, nicht niehtsein kann, so folgt
aus der Unmöglichkeit ihres Niciitseins, daü dies Nicidsein ent-
weder nicht mögheb ist, weil eine flufiere Ui'sache macht, daü
das Nichtsein der Intelligenz unmöglich ist, oder weil kwne
fiuljere Ursache da ist, die jenes Nichtsein möglich machte.
Schon im vorigen Reweise aber war bemerkt, dati die Unmög-
lichkeit des Nichtseins für die Intelligenz nicht durch eine Ur-
sache bogründel sei, die ihr diese Unmöglichkeit verliehe, sondern
daö sie durch die eigene Natur der Intelligenz gegeben sei ').
Diese in der Natur der Intelligenz selbst liegende Unmöglichkeit des
Nichtseins ergiebt sich also daraus, daß jede Ursache mangelt,
die ihr Nichtsein möglich machen könnte. Das Sein -) der Intelli-
genz ist mithin drrart. dal.i sie nicht von irgend elwas abzuhängen
scheint, auf dessen Nichtsein ihr eigenes Nichtsein folgte. Dann
ahiT lial sie, wie schon im vorigen Beweise bemerkt wunle '),
keine Ursache. Wenigstens für die Intelligenz ist also ein Gott
als Ursache nicht nötig {-2, 2:t— 3, 5).
Eine alifiriialige Moditikation im Anschluü an die Erörte-
rimgen des zweiten Beweises über das, was unmöglich ist, hringl
der dritte und letzte Beweis dieser Gruppe. — Was unmögtich
ist, so iUiü es einen \Mdersprucl\ einschließt, kann nicht tlurcb ein
ÄuUeres oder fturcli den Mangel eines Äußeren zur WirklictUieit
gelangen. Daü aber die Intelligenz nicht etwas m der Realität
sei, ist unmöglich, weil einen Widerspruch einschließtmd. Denn
*) p. 2» 18 — 20: tta quod iDl:«lligeiitiA non potest noti eaae; onn tan-
tum quia causam habent talom, seil quin in iiuiura stia est talin.
') Dio nalieliegcntle Konjektur »"u estr statt r.H-te p. 3, l scheint mir
iti-Q Zusainuifnhaiig vüllig zu zerstören. Diiä folgende ijuia uebine ii'b Jm
Siniie von tluß, nbhilngig vuti ftt fnlr.
") Vgl. p. 2. 18.
Inhalt, philosophiegeschicfatlicbe Stellung nndi Verfasser Aer Schrift. 127
da die Intelligenz mit der Ewigkeit gleichsteht, so geliört es,
wie im Anschhiß an den Liber de causia *) ausgeführt wird, zu
ihrem Wesen, daß sie schlechthin und zu jeder Zeit etwas in
der Realität ist. Von da aus ergiebt sich, wenn dieselben
Zwischengedanken, wie oben, hinzugefügt werden, wiederum, daß
die Intelligenz keinen Gott (als Ursache) hat (3, 8 — 9).
Wenden wir uns nmmiehr der Lösung zu, die unser
Autor jenen Einw^endungen entgegenstellt. Dreierlei will er dem
Bezweifler der Gottesbeweise gegenüber darthun: daß Gott ist,
ist wahr, ist notwendig, und ist dem Einsichtigen an sich
evident.
Schon früher 2) wurde bemerkt, daß Cipolla in diesen
Ausführungen den reinen Thomismus erblickt, in den freilich
bei dem dritten jener drei Punkte Gedanken eingeschoben seien,
die mehr dem Gedankenkreise Bonaventura's, als dem des Aqui-
naten entsprächen. Er will unsern Autor deshalb zu einem Schüler
des h. Thomas machen ^). Ich habe schon oben *) angedeutet,
daß dieses Urteil Cipolla 's auf einer nnvollsländigen Kenntnis
unserer Schrift sowie der zeitgenössischen Scholastik beruht.
Freilich entwickelt unser Autor in diesem wie in den folgen-
den Kapiteln eine Reihe von Ansichten, die mit den Leh-
ren des Aquinaten recht wohl übereinstimmen. Doch reicht
dies nicht aus, um in ihm einen eigentlichen Schüler des letz-
teren zu erweisen. Wo er mit Thomas übereinstimmt — und
gelegentlich ist die Übereinstimmung so groß, daß in der That
liier Thomas die unmittelbare Vorlage gewesen zu sein scheint —
') De cftnttin § 2, p. 165, 5 ff.: Esse quod est cam aeternitate est laUsl-
ligentia, qaoniam est esse secunduin habitudinem unam qaod non patitar ne-
qtie dcstruitur ... Et intcUigentia opponitur (d. h. entspricht) aeternitati,
quoniain extendltur cum ea et non alteratar ncque destruitur. g 6, p. 170,2:
et intelligentia quidein non est cum tempere, immo est cum aeternitate. g 10,
p. 174, 24: et esse suum (sc. intelligentiae) est sempitemum quod non cor-
nimpitur.
■-') S. S. 92.
") S, S. 96.
*J S. S. 105.
128
ImpoAsibilia Sigeri de ßral>antifl
handelt es sich meist um Getlanken, welche nicht zuerst t
diesem nuft?oste!U wurden, sondern welche so ziemlich Gemeingut
der Sirholastik bü den. S p t* z i f i s <^ li Thom istisches läßt sich
wenigstens in diesem Kapitel nicht mit Sicherheit nachweisen,
und auch in den andern begegnen wir keinen engeren Unter-
scheid ungslehren der thomistischeii Doktrin, obwohl vielem, was
auch diese mit anderen RirUtungt^n Ifill^ manchem auch ziem-
lich genau in der Form, die es bei Thomas erhalten. In an-
deren Punkten dieses und der tolgenden Kapitel weicht luiser
Autor dagegen von dem Aquinatcn ab. Dann aber geht er nicht,
wie Cipolla meint, mit Bonaventura, sondern stellt sich zu an-
deren Kreisen und Vertretern der vielgestaltigen Scholastik.
Der Satz: Uotl ist {so lautet der erste Satz unseres
Autors), ist wahr. Unter der Gesamtheit dessen nämlich, was
ist, gibt es etwas, was nicht verursacht, sondern nur ver-
ursachend ist. Denn andernfalls gäbe es kein vorui-sachendes
Verursachtes und kein hlos Verursachtes. Jenes nicht ver-
ursachte Venirsaehende aber nennen wir Gott (3, 12 — 17).
(Üpolla') hat vollkommen Recht, wenn er hierbei an den
zweiten der fünf Wege erinnert, durch die Thomas von Aquino
in der Iheologischen Summe ^ im Anschluii an das (uueohte)
zweite Bucli der Aristotelischen Metaphysik *) das Dasein Gottes
darthut, den Reweis tx rat'mn*' cnumv. fffiämtU. Gewiß ist in
den Auföhrungen unseres Auloi-s nichts, was der thomistischen
Doktrin widerspreche. Freilieh tritt das Charakteristische dieses
Beweises, die Unmöglichkeil eines re^ressus hi infinifutn bei den
einaiidfr über- und untergeordneten VVirkursachen in der Natur
und die daraus sieli ergebende Nifl wendigkeit einer ersten tie-
wirkenden l'rsache, bei unserm Autor nicht entscheidend hervor.
Bei ihm beruht die Beweislulirung vielmehr auf der Unterscheidung-
des bloß Verursachten, <les V^erursacht- Verursachenden und des blo6
Verursachenden. Diese aber entspricht der Aristotelischen tlnter-
sclieidungdes blofäßcwegton, des Bewegt-Bewegenden und des blofi
I
I
I
1
') aioim. stör. Hella lett. ital. VIIL p. 103.
*) Tbomas Aqa., Stimma throK I. q, 2 u. !J; vgl. Cont. gent. \ c. IS
gegea Knde.
') Aristoteles. Metnph. II 'J, p. 994 u il-l9. Tbomaa banaft
ftioh Cont. grnt. 1 c. 13 ausdrQckUvfa auf dies« Stelle üeH Aristoteles.
Inimk.. philuiiupliiei:e3cliichtliclio Stellang iiiii] Verfasser der Schrift. 12d
Flowogomlt'ii. Thomas baut auf sie im Anschluß an das achte
Buch der Physik des Stngiriten den ersten seiner (lotlesbeweise,
den ex parte motttJt, niacfit diij^^egen nicht die Anwenihniir jentT
Dreiteilung des xtvoi\uevoy, xn'ovfuvov xai Htyorv und y.tvovv auf
die bewirkende Ursache. Elier könnte man hierfür, wenn man
nach Analogien suchl, an gewisse Ausführunj^en von Alanus
von Lille ') erinnern. Noch mehr Ahnlidikeit hat die Beweis-
führuriK in einem bisher noeli nielit ven'itTcntlichtpn pliilosophi-
Hclien Traktat /> 'mtvIlitjeniHs, welcher den Optiker Wilelo
(Vitello) zum Verfasser hat und der um die Mitte des XIII.
Jahrliunderts oder nicht lunfre nachher enlslandon ist. In dem-
selben erscheint ziemlich deutlich die Anwendimg der Aristote-
lischen Dreiteilung' auf die Ordnnn;^' der bewirkenden Ursachen,
freilich .so, daü ilieselbe in der weiteren Ourchfidirung wieder
mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit eines ref;re^sua in infini-
tmn in Verbindung tritt, welcher unsenn Autor fern ist ^). Der
letztere dürfte sich vielmehr an eine Stelle der Aristotelischen
Metaphysik anschließen, in'welcher jene Dreiteilung des Bewejf-
ten, Bewegt-Bewegenden und hloß Bewehrten zu einem Beweise
benutzt wü'd, der aus der Bealität der beiden letzten Eintei-
lungsglieder unmittelbar auf die He;ilifäl der ersten schlie&t •).
') Alaniia, Arn fiih-i I yvu\>. 1 (cul. 597 Mignt^): Ijiiicquid cwt canwi
raasn«, est cnusii causati.
*) W'itelo, 7v iMtriiujruliis, prop. I: Si est caasam et cauBAtum
ponerc, neoesso est causnni prtmani ossc. ExpoBitto liiiius est. quia
ratio ciiiiNHliler inetit omnibiip) aliis a causa prima, qaare tii non sit caiiaam
primain Tponere, neque alias c4iiiBaa; et si hoc, neque causatum. Qnod eui-
(leiitiiia patet ileducendo ad iiiipoitsibilo. Si fnim non sit cftUHii prima, et ta-
m>pn pununtiir cnu»ac et cnusHta: uiit ^tempor ponere cAUHam ante causntum
in infinitnm. erjio. ciitn tofinita non coritingat pertranairi, tion erit necipere
aliqnod primum cauanluni; et ai non ait cattmitum primum, neqU4f ipsuiii po-
terit esKi' 4 ausa'^fl^i^nmlaria ronscqucntiiim. qunrc nuHum erit primum uel
oonsequens cauaatiim. similitcr autem aequo cauaa. quare necesse est ponerc
fausiiui priinam, »i est poaere causiim et cnuäiituni. — hli werde dieeen
wiclitigon unti intereBuanlen Tralttat uU^Hnfl. 2 dt« III. Bande« diemr Bti-
ffüije veriiffeutlichen.
O Aristoteles, Mrt,iiih. XII 7, p. 1072^a 23-25. Die kritisch
liiVc-hat unsichere Stelle lautet in der Übersetzung des Wilhelm von Moerbek«
(V. VIII foL SIJGv D ed. Venet. ITjöü); Kat^ue aliquid quod mouei. Cum uero
Scitrlg« II, 6. BiviiBkar^ Sigar dod Bnl^aol. ^
IdO Imposaibilifl Sigeri do ßrAbantta.
Die Ersetzung des Bewegl-Btfwegten und des bloß Bewo^pn
aber durch das Verursaeht-Verursachende und »las bloÜ Ver-
ursachende aber dürfte auf den Liin^r de caush zunickgehen *),
dessen Botrachlungswoise sehr wohl init der Aristutelisrhcii s\c\\
vereinen Üeü.
Der zweite Salz unsers Autors lautete: Dali Gott sei, ist
nicht nur wahr, sondern auch notwendig. Das Sein Gottes —
so wird dieser Satz iin Fol^cndini pefaLit -ist ein notwendiges
Sein. Das iitsarhlost; Verursiuln^nde kann nicht nichlsein. Denn
in diesem t'alle wftre es möglich, daß einmal nichts wäre; und
id quuil iDuuftar et inoui>t medium sit, c^it ctium uliquiJ quod noii niutum
moiiet, qund aetemiim ot subsiHTitin et Actns rat. Kr lint also wobi geleaen:
«in tot'rvr ti xat u ttttEi. e.rel Ae rrl xit'oi'/iJirov itai xtvoPr fieaof, ratt iattt*r
rj xai o or Kt%-ovf.ifvov xiftT, otAtov xal ovfiia xat M^yeia ot-oo. Alexander
ApliTodisieosis hat dies ohne jede Kezagnnbme iiuf einen rtyre»»»» in inßmi-
tum erklärt. Reine Worte siud iius durch Averroes erhalten; vgl. .1. Frou-
denlhlil, />(> durch Arernn^x vrhuUtuii'u f-'nniinnttc AlrTitnäers :>w MrJn-
phtfaik difs .U'istottleit. Abh&ndl. der Berliner Akademie der WiBsensrh. aus
dum J. 1884. Berlin 1886. S. 107 f. Uiiserm Autor Ugtun aie in Ut«iiu-
scher Überaetrang vor {Mft, XII i'om. 3n, fol. 336^ E): Dixit Alexander:
Ista est ratio quod aliqtiod inou<.>u» not) inuiietnr: et e»t dicta breuiter ei re-
memoralio ciua quod dictum eat iu \W{. Pbyaicoruin. Rt est fiindaüi super
dnns proposiiiones. Quamm nna est qaod omne compositom ex duobns.
quoruni alterum poteat t>8se per se, poäsibüe eril cÜam uUerum e»A^ ptT sc,
nisi compositiü ait subütintiae et lU'cidenti«: uerbi grHtiii quod hydruniel.
quta componitur ex aqua ot nielle, et tnol iniieuitar per se. nocesae est ergo
tit aqua inueniutur per bc. Et quin inuenimus iiliqnod motum et mouens
quasi coinposilum ex iiiuuente «t InI^to. et inufriitnus illiquid mottim per se^et
non moui^n»: manif<>Htum eat quod eat necesse nljquod luoucu» esMO et* »an
inutum. Uoc igitur mouens immune est a potcntia et in nulla materia existit.
Auch Moses Mainionidea in seinem „Dorlttr periilejrorum" II c. 1 hiil
d)i>SL< Siolte mit Alexander'^ Ktmiiiuntiir bpi »einüm zweiten (lüttusboM'oiae be.
nutzt; vgl. Guid^ drs r'ffttrra, publ. pur ä. Munk, IL Paris lö61. S. 3G— 38
V Vgl. 2. B. Liber de eausit § 5, wo ausgeführt wird, daß das Erst«
iilleiu sittb der Bezeichnung entxiehl, weil es Über demselben keine f^r^ache
giebt, durch die es erkannt werden kannte. Ein jcdoa Ding nilnilich werde
ans seiner Ursache erkannt und nuch ihr bezeichnet. Wenn also ein Ding
nur Ursache und nicht Vorursnchtca sei {cKut erijit rfi rtit catcta tati-
/■»n et non enujuiim», p. 16^^ 4), ho kOime es nirht durch eine frühere l^r-
tacbe erkannt oder bezeichnet werden. Das aber sei beijder ersten l'r-
ascbu der Fall.
Inhalt, philosophiegeschichtliche Stellung und Verfasser der Schrift 131
da das Mögliche nur dadurch als möglich sich erweist, daß es
irgend einmal wirklich zutrifft, so würde in diesem Falle eimiiül
nichts sein. Wenn aber einmal nichts wäre, so wäre auch
schon irgend einmal nichts gewesen. Dann aber wäre auch
jetzt nichts, da nichts wird, außer durch ein solches, das schon
ii^'cnd etwas ist (3, 18—23).
Die entfernlere Quelle für diesen Beweis ist ohne Zweifel
wieder das zwölfte Buch der Metaphysik des Aristoteles.
Dort wird bewiesen, daß das erste Princip reine Wirkliclikeit
sein müsse. Wenn nämlich alles bloß möglich wäre, so würde
nichts von dem jetzt Seienden dasein; denn in diesem Falle würde
es zutreffen, daß einmal alles möglich wäre, aber doch nicht
existierte ^). — Aber in der Art, wie das Aristotelische Argument
hier formuliert wird, erinnert es doch so sehr an den dritten
der von Thomas vonAquino in der iSM«///w theologica gegebe-
nen Beweise, daß ich hier Gipolla-) beistimme und eine Be-
nutzung des Aquinaten ^) durch unsem Autor für mindestens
höchst wahrscheinlich halte *).
Näher erläutert wird jener Beweis durch eine Erörterung
des Begriffes des Notwendigen. Anknüpfend an die von Ari-
stoteles in der Metaphysik (V 5) gegebenen Unterscheidungen
des Notwendigen^), doch in freier Weiterbildung derselben,
') Aristot., Metaj/h, XII 6, p. 1071 b 19 iF.: Sei äga flvat ägzi/v loi-
avirjv 1/i ^ ovaia iveoyFta . . , xaixoi ojiogia' doxel yoQ lö /lev ivEQyovv när
bvvaadat, t« di dvrd/tfvov ov :räv eye^yeiv, wart ^tgotegov elvat r»;»- Övrafnv.
dJdä ftijv Fl toBto, ovdev roiai xdtr Syroiv' cvdix^on yäg dvraa&ai fifv eh'ai,
fn]:to> A' ctvai. Vgl. auch Metaph. IX 8, p. 1050b 16-19.
') Cipolla, o. a. O. S. 103.
^) Maimonides, Führer U p. 38 ff. Munk, hat zwar den ganzen Ge*
dankeugang, steht aber iu der Form weit ab.
**) Da Thomas vor Vollendung der Summa starb und dieselbe dotier
wolil erst nach seinem Tode in weitere Kreise drang, so wäre dieses ein Be-
weis fQr die Abfassung der Impoasibilia nach 1274. Siehe oben S. 49.
^) Man vergleiche gleich im Anfange zu den Worten: Est enim neces-
sariuro ex suppositione aliouius non necessarii, ut neccsse est animal habere
cibum, si debet uiuere (p. 3^25 f.) Aristoteles, Äfetajth. V 5, p. 1015 a 20 -23:
avayxaior iJyerat, ov &viv ol>x evdixerat fjj»- <5c avveutiov, oTov xö aytuxyetv xai
r) rgotfi/ ziö Cvv dvayxaiov advvaxov yoß ävev xovtov elvai. • — Die Natur des
an sich Notwendigen im Gegensatz zu dem bloß hypothetisch Notwendi-
9*
I3ä ImpOHsibilia Sigeri de Brabantia.
werden drei Arten dt« Notwendigen aufgestellt: das hypoUietisch
Notwendige (z. B. ist die Speise för das Lebewesen nötig-, wenn
es leben soll), das Notwendige durch eine notwendige LTrsache
(wie z. B. eine Sonnenfinsternis notwendig ist, wenn der Mond
zwischen der Sonnt; (ind der Erde stellt und wenn diese Stel-
lung durch die Ursachen notwendig herbeigefölirt wird); eidlich
das schlechtweg und ohne Ursache Notwendige, das in seinem
Sein weder von einem ihm Äu&ercn, noch von einem Inneren
als seiner Ursache abhängt und dessen Nichtsein daher von den»
Nichtsein keines Andern herbeigeführt wird, wie auch iniiner
die Stellung di(»ses sich gestalten möge. Dieser Art ist da:«
nicht vcmr-sachle Verursachende (:{, 24— 4, i).
In ziemlich engi>ni Anschluß an Aristoteles *) >vird dann
auf die Substantiaiität, Unkörpertichkeit und Unteilbarkeit des
nichtverursjichten Verursachenden geschlossen (4. 3 — 8),
Es folgt der dritte Satz: Die Existenz Gottes ist dem Ein-
sichtigen durch sich selbst evident (unmittelbar gpwi&j.
Das unverursachte Verursachende nämlich, das in soinent Sein
von keinem Andern abhängt , mul^ das Sein seinem BegriCTe
nach haben, so daß es zu seinem Begriffe gehört, zu sein. Nun
ist alter ein Satz durch sich evident, wenn das Prfidikal ini
, Begriffe des Subjektes enthalten ist, so daß für die Einsicht in
gen ivi bei Aristoteles iietnph. V 5, p. 1015 a S3— 3&: fn ru /ti/ evS^xvfu-
i-ov SXXtae »Z"^ Airayxaiöv g^afjtr tJrai nur erst Kleinlich im iillgeincinen ang»
geben. Unter den Aristofelikern lint sirli liosoudera Avicennn beniQht, dem
Unt*>rdc)iiede dos durch aein Weseu notwendig Existierenden nnd de«« durch
ein imderea Notwendigen scliftrfer tu befttimmen. Vgl. ScbarastAni's ÜTWf-
ijloHgjmiihcien und FhitomphfHsrhulrn, Ql>er&etzt von Tb. HnarbrQcker.
Bd. IL Halle 1851. S. 250 fi. S. Muuk. Mehntgt^ de phUmophie juirt at
arnhe. Paris 1869. S. S58 f. und Munk's Anmerkung zu Maimonidea.
II ]ntrod. prop. 9 <fiuUh deit igarr'it Jl p. 48 n. H). Ebenso Thomas von
Aquiao an zahlreichen Stellen, von denen tdi eine hersetze, da sich ooser
Autor auch im Folgenden in eini-m gleichen Gedankeogaogo bewegt. Cont.
fffh(. I 15: Omue autetn necessarium nel habet causam suae neceaaitatia
aliunde, uel non, aed est per ae ipsum neceasarium. Non est autero procedat«
in infinttuin in nec«>»9Ariie quae hahent causam suae necessitatis aliunde; «rgo
oportet ponere aliquud priiuuni neeeasarium, quod est per se ipaom ni
rium; et hoc est deus, com alt prima causa.
') Ariatot. Phy^. VIM lU und Meta,>h. XH 7.
I
I
Inhalt, pliiloöO}iUieguscliichUtche Stellung rittd Verfttasor der Scbrift. 1H3
die Richtigkeit des Satzes nur das Verständnis der Begriffe er-
forderlich ist, aus denen er besteht, mit andern Worten» wenn
derselbe, modern gesprochen, ein analytischer ist. Dieses Ver-
ständnis der Begriffe aber, auf dem die Kvidenz innes aiialyti-
riciicn Satzes beruht, ist nicht immer jedem Düükfähig:en sofort
gegeben; vielniehi* bedarf es nianehmai besonderer wissenachall-
licher Einsicht, um den vollen Begriff des Subjektes und damit
das Enthaltensein des Prädikates in ihm zu erfassen. Es giebt
solche Sätze, die einem jeden, und solche, die nur dem Einsich-
tigen otler Sachvei-ständigen an sicli evident sind. Der letzteren
Art ist der Satz: Gott ist. Er ist an sich evideriL, denn das Sein
wird Gott nicht durch eine von ihm verschiedene Ursache verliehen,
sondern kommt ihm seinem Begriffe nach zu. Darum ist das Dasein
Gottes auch im eigentlichen Sinne keine wissenschaftliciie Trage,
d. h. ein Problem, das durch einen wissenschaftlichen Beweis,
einen Syllogismus, erledigt werden müßte. Denn Fragen giebt
es nur so viele, als es beweisbare VVaiirheilen giebt, d. h. Sätze,
die durch einen Schluß zum Wissen erhoben werden. Der
wissenschatlliche Beweis ist ja nach dem bekannten Satze des
Aristoteles ') ein Ableiten aus der Ur.^aclre, Was daher keine
Ursache hat, wie das göttliche Sein, ist nicht Gegensliind einer
deduktiven Ableitung, eines wissenscliaftlicht-n Beweises, sondern
ist dem Sachverständigen durch sich selbst evident-) (3,9 — 21).
Älle-s andere aulüer der ersten Ursache dagegen 1ml den
hinreichenden Gnmd seines Seins nicht in seinem eigenen Be-
griff, so daß in allem Verursachten, wie Boethius lehrt ^),
Wesen (quod eist) und Dasein (esse) unterschieden werden niuiä.
Denn nicht durch das, was es ist — sein Wesen — , liat das
Verursachte sein Sein, sondern dieses liängt ab als von seiner
Ursache von dem, was sein Sein selber ist, was aus seinem
■) Aristot. AHal. po^t. 1 2, p. 71 b 9 ff. Vgl. Zeller, hin Philo*&-
phk Her Griechen. U, 2. 3. A. Uipzig 1H79. S. 162. 232.
') Durch die vonttcheiide ^rgftnzpudc UmBclircilmiig hi»ffe icli den
Sinn der etwas dunklen Wort« 3, 18~2U richtig getroffen zu haben.
■^ 8. B. 4 Anni. 2.
134 Impossibilia Sigeri de Brabantia.
eigenem Wesen und nicht von irgend einem anderrt htz iun
daß es ist (4, 21—27).
Daß aber das erste Verursachende sein Sein =»eift«flr k.
ergiebt sich daraus, daß im andern Falle sein Sein x^rurwa.
wäre, und zwar entweder durch seine eigenen Principicsi ftäff
durch eine äußere Ursache. Unter beiden Voraussetzungen ^^
wäre es nicht mehr das Erste (4, 28—31). Speciell würde die «sl^
Aimahme zu einem Widerspruch mit Avicenna's Satz Äb»hl
daß nichts Verursachtes Ursache seiner Existenz ist '). and wie^
die zweite mit dem Sein des Ersten auch das ursachlose £b^
selbst zu einem Verursachten machen (3, 32—4, 4).
So ist es die höchste und reinste Notwendigkeit. da£ dt:
Erste, ursachlos Verursachende ist; denn sonst mü&te es. da <£
sein Sein selbst ist, von sich selber getrennt werden (4, 5 — 6i.
Zwei Sätze sind es, um welche in diesen Erörtenm^
sich alles dreht, ein sachlicher, ontologischer : dafi in Gott —
im Gegensatz zu allem von Gott Verursachten — Wesenheit umä
Dasein zusammenfallen, d. h. daß es sein Wesen ist, zu sein, and
ein formaler, logischer: daß darum die Existenz Gottes für den
Sachkundigen durch sich selber evident, unmittelbar gewifi ist
Hinsichtlich des ersieu Punktes herrscht unter den Scbola-
slikem die allgemeinste Übereinstimmung. Der Aristotelische
Begriff Gottes als des lauteren Aktes sowie die biblische Bezeich-
nung Gottes als des Seienden waren die allgemein anerkannten
Voraussetzungen dieser Lehre. Welchem unter den Großen in
jener Zeit unser Autor speciell am nächsten steht, wird sich
schwer entscheiden lassen. In Einzelnem erinnert er ganz be-
sonders an Thomas von Aquino-').
Anders der zweite Punkt. Daß der Satz: Deum esse ,w-
pientibus est per se notum, eine einigermaßen singulare Anschauung
vertritt und der Ansicht des hl. Thomas nicht recht entspricht,
hat auch Gipolla gesehen ='). Er nimmt an, daß der Autor
') Hier wird also der Begriff einer vauAti nni zurückgewieseD. Ve).
oben S. 120.
') Vgl. p, 3,32—4,4 mit Thom. Aqu. Sitmma theol. I q. 3 a. 4 (er*
ater Beweis).
") Ä. a. 0. S. 105 f. Vgl. oben S. 92. 127.
Inlialt, philoeophiegedcliichtliche Stellung und Verrasaer der Schrift. ISo
hier ileii Aquinaten durch Bonaventura ergänze'), ohne damil
indes den wirklichen historischen Znsammenhang zu erkennen.
Darüber kann /.unärli.st kein Zweii'el bestehen — und das
liat .'lueh Cipolla l)enierkl — (lala wir in jenem Salze einen
Nachklang des Oottesbe weises aus Anselm's Monolo^nuin vor
uns haben. Hier wie dort handelt es sich um den Versuch,
das Dasein Gottes unmittelbar aus seinem Bogriffe zu ersrhließen,
oder mit andern W^ortmi, i!ar/-uthun, lialä der Salz: Gott ist,
als ein analytischer durch sich selbst evident sei. Bezeichnend
ist es, dalä Thomas ven Äquino jedesmal, wenn er in seinen
Schrillen die Frage betiandelt Vfrnm ffmm ense sit jter se uotuw,
als Einwand gegen j^eine niigative Antwort das ontologische
Argument sowohl uiit den Worten Anselm's wie in der Wendung
unseres Autors vorbringt ^).
Thalsüchlich freilich ist die Stellung jenes Argumentes
bei unserrn Autor eine andere, als l)ei Anselin. Thalsächlich
ersetzt nicht bei ihm das apriorische Argument das aposteriori-
sche, sondern ergänzt dasselbe. Zuvor hat er vom Verur-
sachten auf die nichl verureachle erste Ursache geschlossen;
jetzt zeigt er, diiß diese, als in keiner Weise verui-sacht, das
Sein in ihrem eigenen BegrilT einschlieiien muli und darum nichl
nichtsein kann. Weil das Sein der ersten ürsiiche keine Ur-
sache über sicli hat, so kann es auch nichl deduktiv aus einem
Höheren als aus seiner Ursache abgeleitet werden; es ist für
den, welcher das göttliche Wesen als ein Reales durch den
aposteriorischen Kausalilätsschluü erkannt hat^ unmittelbar
gewitj, daü dieses reale göttliche Wesen sein Sein notwendig hat.
') A. it. 0. S 107 f Cipollft berurt sich auf OtiHpend. thtoL wni. I, 1,
ftuf scn»'> IX. j'm Ht-sitn». und »uf dus itinrrur. ntfitt. in t/fiitn c. 5. Aber
die erste Schrift rOhrt übcrlinupt tiiciit vum hl, üonavoniara b^r, und sudem
tnthätt sie ao wenig, wie die beiden andern, die fSr nnsem Aator cbaralEteri'
»tische Wendung.
^ Tkomaa A qu. I. Sfttt. d. a q. 1 a. 2 obi, 4. De Vtrit. q. 10 (rf«
Afmte) a. 12 obi. 2 und 4. l>e FtiUntüt q. 7 a. 2 ad II. Coni. ymt. \ c. 10
obi. 1, 2 und 3. Sutttma theol. I q. 2 n. 1 obi. 2 (an der tntztom Sielte nur
die Anseimische Form). Dber die Geschichte dieser Frage vom Xllf. bis
zum XVI. Jahrhundert findet man viel Mntonal bei dem gelehrten Qnbriol
Vazquez, /« /. l\irtem S. Thomae, T. 1, disp. 19.
186 Iniposstbilift Sigeri do Brabanti«.
Hier nun liegt der Aniaß zur Unklarheit. Indem unser
Autor dii- Krapro nach der logrisclien Natur des Satzes ,(>otl ist*
(Theht, ]jiUt er ganz aulicr A<rht, dalä er nie Grundlage seiner
l)jirh;tfung, die Henlität einer ursachlosen ersten Ursache, zuvor
bewiesen hat, und zwar durch einen a|)Osteriorisclien Beweis.
Kr behandelt <ien Begriff Gottes als einen intuitiv gegebenen,
dessen obj<'ktive Giiltlgketl von vornherein festütehen würde,
Lind leitet so di-n Satz : ^Gott ist" ans dem Bi'grifTe Gottes
analytisch ab als einen solchen, di^r njclit nur hypothetische
Gellung haben soll („wenn (tutt gedactit wird, muii er als seiend
gedacht werden"), sondern den» absolute Gcltiuig beigelegt
wird („der ol)jt*klive Inhalt des GotiesbegrifU*s existiert Ihat-
sächlich").
Thomas von Aquino hatte in seiner Kritik den Denkfehler
treffend hervorgehoben. Er unterscheidet ') ein an sich unmittelbar
Gewisses (/i^r sr notum tttrumium iteß und ein für uns unnuttiübar
Gewisses f/wr »t noium tjuoftU nos). An sich ist jeder Satz un-
mittelbar gewili, dessen Prädikat mit dem Subjekt gegeben ist :
über diese objektive unmittelbare Gewiüheit wird nui* dann aucli
eine subjektive Tür uns sein, wenn wir den Begriff' des Sub-
jektes klar erfassen, in welchem djus Prädikat eingeschlossen ist.
Dabei kanti, wie im Anschluß an eine Unlers<Ju>idung des
Boethius-) dies Letzlere näher ausgeführt wird, der Grad der
subjektiven unmittelbaren Evidenz hinsichtlich der größeren oder
geringeren Leichtigkeit, mit der wir zu üir gelangen, ein ver-
schiedener sein. Entweder nämUdi ist ein jeder, der überhaupt
des Denkens fähig ist, im Stande, jene Begriffe richtig zu er-
■) An den S. 185 Anm. 2 oiticctcn StoU«iL
*) Boethius, i^wtmodo fwfciftiHliW w to ^tmä mmt hnmt «int foder l*t
Mdamm^ibwf \ p. 169, IT— 2'> P«iper: Cw ■»» luüini conccptio (di« x'urij
rnma der Stoiker) eet pnuotiatio quun qonqw probat utditam. H«ram du*
plf X modus eoL Kam una iU comroania «st, ut omniam sit hominum, adati
81 baac proponas. si dnobas aequalibua aiaqualia aofena, %■■• relin^anntar
aeqoalia esse, nullus id iBtcUigcna aefel AÜa uero eai doctonim tantvm,
qua« tarnen ex taÜbos oomnunts animi conoeptibos aoul, ot eal, qua* cvr*
poralia sunt, in ioeo mam tmm, ei eetara qnut wm «■Iguih uad AmU vom-
probaat.
InhaU. philosojiliie geschieh Hl die Sielhing and Verrasser der Sclirift. 137
fassen, und danitt die unmittelbare Evidenz des auf sie gebau-
ten Satzes zu erkennen, oder aber nur die Verständigen und
SaclikinidigoM Imbeti den hierfür crfonierlen klaren Begriff der
Sache '). — Von GolLes ^V'esen lial, so lange wir auf Erden wallen,
niemand, auch nicht der Gelehrte ■), eine Anschauung, weldie
dieses Wesen durchdränge"). Auch der Einsichtige und Sach-
kundige kann daher nur durch (aposteriorischen) Beweis dar-
thun, daii mit dem \Vt»sen Gottes seine Existenz gegeben ist;
uucli für üin, lehrt Thomas, ist das sachlich unmittelbar Ge-
wisse kein subjektiv unmittelbar Gewisses.
Unser Autor schlieft sich zwai* in dttr allgemeinen Auf-
fassung des logischen Problems an die aucli von Thomas ver-
Irelene Ansit;hl an, und zwar so nahe, daü sich selbst im Aus-
druck die engste Berüfirung riiil Thomas bei ihm findet; da-
gegen IfiSt er den Unterschied des objektiv und des sub-
jektiv Unmitteibaren völlig bei Seite. Ihm genögt es, daß
der Sachkundige die sachliche Identität des Wesens und des
Üaseins bei der ersten Ursache erkennt, ohne daß er noch
weiter fragte , wie denn der Sachkundige zu dieser Ein-
sicht gelangt, ob durch unmittelbare Intuition, oder durch ver-
mittelnden Beweis. So ist ihm der Salz: ;,(iott ist" im An-
schluß an die Boethianische Terminologie eine Wahrheit, die
für den Sachkundigen urnnittclbar gewiß sein soll.
') /V Vei-U. q. 10 a. 12. Stwitun thml. I q. 2 a. 1.
*) DaB auch diese Kweito Art de« prr sr Hnhun iituntd Htin fUr die
menschücke Krkeimtuis auf Erdon h«i Thomas ausgeecbli}6sen ftein eoll, er-
sieht niKii gauz klar aus De VcritaU q. 10 a. 12. Wenn dir kürzeren Auh-
ftthruDgen Sumnm fhcot. 1 q. 2 a. 1 nach dieser Seite hia noch irgend einen
Zweifel übrig lassen sollten, so wird er durch jene aosfUhrtichere Darstellung
beholien.
^ Thomas Aqa. Contra grnt. \ c. U: Sicnt nobia per se notum est
qnod ixttwm aiia parte sit maius. sie nidentibus jpsam diuinam oasciitiam per
se notissimuni est deum ease, cz hoc quod aun casentia est Huum etuie. Scd
qnia eina easentlam nidero non poasumus, ad eins esse cognoscendum non
per S3 ipamn, sed per eius effectua peruenimua. I>e Vtrit. q. 10 a. 12 ad 4:
Dicendiim quod ratio iJla procederet, ai hoc nobia ess^t per ae notum, quod
quidem nunc non est nohis notum per sc, aed indigemus ad hoo tenendum
ucl domonatratione uel flde.
188 ImpOMibilia Sigeri de Brabnntia
Haben wir liier eine persönliche Auffassung unseres Autor»
vor uns, oder folgt er darin einem anderen? Dali Cipolla'?:
Meinung, tlor hl. Bonaventura s<.m die Quelle, uicht zuLnlTl,
wurde schon oben bemerkt, hides steht der Verfasser niit
jener Ansiclit doch keineswegs alleui. Er hat sich, was Cipolla
entgangen ist, an Albert von Bollstfidt angesclilossen, der in
seiner timümjiKrhen SutiiiiK^ gleichfalls iiu AnschluÜ an Boethius.
die gleiche Ansicht weith'uitig entwickelt '). Trotzdem in der
allgemeint^n logischen Bestimmung des unmittelbar evidenten
Satzes unser Autor fast wörtlich mit Thomas übereinstimnit.
hat er in röcklüuliger Bew^img damit Alberls Gedanken zu
kombinieren versucht.
Die fragliche Ansicht luit übrigens auch sonst im XllL
und dem folgenden JahrliunderL Verfechter. So finden wir sie
bei dem Hauplvertreter des Augustinisnius in dur späteren
Scholastik, Aegidius Colonna (Acgidius Hotnanus). dem ersten
Augustiner-Eremiten, welcher an dtr Pariser Hochschule einen
') Albertna Magnus, Sntutiiu ifuul. I tr, '^ q. 17 (T. XVII. p. 63 b —
64 A JAmmy); Ad id quod quaeritur: utnim flit par ae notuni. diccndum qnod
/M*r nr luttum diritur irilm--i modts, Prlmo quidcm ex parte noscciiti« /«r
NC ttotum est, vwxw» notitia in noKCt^nte v-^i per Imbituiu extrinsocuin nun »c-
(]uiHitfl; et sie üciim esse per ne notum est. sed ex liuc nun evqnitur qniti
uiu poKsit haheri per rutiuiiom ud otsteiideiidum ipsuin. >'ecundo dicilur //fi* -w
tmtuin ex parte noacibilia. od quod medium non linbotur qaod si (lies: srtt
priuR ipsD. pi'v quod eogiioscatur; et sie demonstratio dicitur ox per ae nutis.
Med non RcquJlur gx huc quin ex pf>at«rioribu8, quiin Hunt priura quoad no«,
nia hsbeatur ad ipan cognoacenda. ot sie principia dicuiitor per so not«.
Turtio inudo firf nr mita dioitur propo^itid quae ex terminis in se poaitii«
omnibtiu ae nianifcstat t[uibua uuti sunt ttTuiini. huc enim per doctrinam
non accipitur. Eüt haec duplex est est onim uonini prr se, in quod ronu^
niunt ticl omnea, uel aapieuteä. Et sccundum hoc diulinguit Boethiu«
(vgl. oben S. ISti Anin. 2) diio genera difaiilatiiin. iinuni e»t qmMl di>tnitas
est quam quisque probat audititni, siciit totiini ninius äiin parte esse; uotii»
eniui t4>rminis propositionis, qui sunt totmn ot pars, quilibet statim acqaipacit
secundtim est propoaitio quam ex hubitudme temiinorum probat quilibet sa-
piens, ut apiritualia Biue iucurporalia in loeo non esse. — Priino »^rgo modo
et tertio per 8i* iiutuni est deuin esse, secundo autem modo uon est per
80 nutnm. dico autem tortio modo quoad aftpientes, qoihiia notuin e^t
quid druit aigntfieet, et quid tmr, et quod ihm, secundum quod deua est,
principiuiQ ut fons eat Ofm:
Inhalt, pbiloaopbiL'geschichtliche Stellung und Verfasser ck*r Schrift. 18i)
Lehrstuhl erlangte (+ I31G) '). Obwohl Schüler von Thoiuas
von Aquino und in vielem der Verteidiger seiner Lehre, Itat er in
ijian(_'heni doclj abweichende Ansichten. Drei Bedintriuigen stellt
er für den unmittelbar gewissen Satz auf: dalä das Pi-ädikat
zum Sul>jekUbi'^riir gehört, (laß der Satz, wenigstens direkt,
nicht geleugnet wenlen kann, und dali jeder, der die Bedeutung
des Satzes erfalJt, ihn für wahr eraehteL Alle drei Bedingungen,
so wird zu zeigen versucht, treffen bei dem Salze: (iotf w/, zu.
die letzte freilich — und hier wird wieder Boelliius angezogen
, — niclii hei allen, sondern nur hei den fachkundigen und
Verstündigen. Der Satz: „Gott ist", ist also ein durch sich
evidenter, nicht fm* alle, wotil aber für den Einsichtigen -). Die-
selbe Lehre stellt der gelreue Schüler") des Aegidiu.s, Thomas
von Slraüburg (Thomas de Ärgentiua, f 1857 zu Wien) auf*)-
Diese auflallende Übereinslimmung in einem ziemlich sin-
gulären Punkte könnte, wie schon liier bemerkt sei. die Frage
nahelegen, oh wir nicht in Aegidius Colonna den Verfasser
unserer imfunsAibiUa Si</r.ri zu sehen haben. Aber dagegen
spricht schon, daß die ganze Entwicklung bei Aegidius eine
reichere ist- Den JinjmsAibi/nt S'ujvi-i ist vor allem die zweite
der von Aegidius lur den uimiittelbar evidenten Sul/. aufgestell-
ten Bedingungen fremd. Überhaupt hält er sicti in der Fassung
') über ihn vgl. beaondrrs die aasfUhrlichü Danst«llaug hoi Karl Wer-
ner, Dev Äiigtislirngmits in thy Srhofnutil' de« 9pdUrf\t Afitfrlnltvra [Bd. UI
der SeJwitiiftiA- dr« .i/ttirrt-fn Mittelulteri*). Wien l88Ji.
*) Aegidius Kom., I. Smt. d. 3 q. 2 (Venetiis 1492. ExempUr in
der Breslauar Univeraitatäbibliothek). Aegidius wendet sich, wenn auch ohne
Namensnennung, direkt goKcn Thuroas von Aqaino. „Sed ista ratio" (des hl.
Tluiiimsl. sagt er, ,non e^t bona". Er selbst lehrt {a. a. it. nd 2): Dict-ndum
quod non eist per ne ntitum omiiibu» daJ^ Uutt sei . sed hoIuid »iipientibus;
el ideu a iiiiUo tiere sapicntu negutur. Zur suchlichen Kritik dua Acgidju^
vgl. Vasquez an der S 135 Anm. 2 angeführten Stt-lie.
^) Werner. «. «. 0. S. 15.
') Thomas de Argontinn. I. Smt, d. 3 q 1 a 3 lArgent U90.
pur Martimim Flach. Exemplar in der Breslauer üaiTersitäisbibliotbck);
His pracmissis dioo quod haec prop^mitio: tUtf^ etti, per ee nota est sa-
pientibuu, quumuts non communiter et indifferenter »lue uulgarit4*r oinnibus,
qnia illa propositio eat per se nota ad mimia sapientibus, cnins pracdicatum
est de esaoutia subiecti; sed esse est idem quod oBSontia dei; ergo etc.
140 Inipu^siliili« Sigort dv KntKnntia.
des logischen Problems, wie schon oben ') bemerkt wurde, an die
schlichlere Fassung bei Thomas von Aquino. Diese BeLrach-
lung wird uns dt'shalh eher iltihin fuhren, den Verfasser der
infjto{*itbifi(i zwischen AlbeiL und Afgidius zu suchen.
An die Behandlmup des Gottesbeweises schUeßt sich eine
Bemerkung über den Sinn, in welchem wir von einem t-rslen
Princip sprechen, dem niolils voraufgehl. Dieselbe leitet ObtT
zur Beantworlung der vom Gegner erhobenen Einwendungen.
Das erste Princip ist dasjenige, dem nichts voraufgehl,
weder seine einfache Negation — wie bei allem GeschafTenen — ,
noch eine Privation - - wie nach der ArisloU'lischen Tej-mino-
logie beim Werden die arr^rjatg dem fMoc — ; auch keine mate-
rielle Potenz und kein Akt eines Wirkenden. Wenn wir aber
sagen, dem Ersten gehe nichts vorher, so soll das nicht heiüen,
(tau das Nictits vor ihm sei, sondern daCt es nicht etwas vor
ilmi gebe. Damit ist zugleich der zweite Einwand-) gelöst
(5, 7-24).
Wie aus dem oben Beriierklen ^) erhellt, geht diese Zu-
rückweisung t'iner Ilypostasiernrig des , Nichts', die dem geg-
nerischen ArgunietiL zugnunle lag, (indirekt) auf Anselm zurück.
Gegenid)er den» ersten Einwand *) wird zugegeben, dati
Gott nicht die allgemeine Materie ~ wie David von Dinan
wollte , und ebetisowi-nig die allgemeine Form alles Seienden
sei (5, :äö-;^|). Dagegen ist er die allgemeine Zweckursache,
der alles sich nach Vermögen ähnlich zu machen strebt imd von
der alles final bewegt wird (5, 31— G, 3). Es ist der alte
Aristotelische Gedanke^), den Dante "^j ausdrückt;
Ich glaub' tiD i?inea t/in'gen
Und ew'gen <iott, der da. den ganzen Himmel
Bewegt, »elktit unbewtfgt, durch Lieh' und Sehnsuchl.
Von dieser Zweckbewegung zum Ersten hin hatte der
.Sophist* das Mathomatische und die Intelligenzen ausnehmen
') 3. 187.
^ S. oben 8. 119.
') S. 119.
*) S. oben S. 117 f.
») Ariatot., Mi-taph. XIT 7, p. 107'2 « 26. b 3 f .
") Dante, htraä. XXiV, ISO ff.
Inhalt. philosophi&j^OHc-hidittirhe Stellung und VerfnHSor der f<rht4ft. Ut
wollen'). Unser Auttir nrwiilert auf jene Einwände, daß das
Mathemalische überhaupt kein eigenes Sein hat, gesondert von
der Bewegung (durch welche es konstruiert wird). Ks ist also,
mninl er ofit-nbar, oben in «lieser Rfwogimg in die Zweck-
strebigkeit oingeschlossoii. Dio Intellig-enzen aber, denen jener
das aktive Wirken und damit die eigene Bewegung zu einem
Ziele hin hatte absprechen wollen, bewegen nicht nur, insofern
sie selbst Ziel für anderes sind, sondern auch als bewirkende
Ursache. Wenn der Tischler etwa eine Truhe hcrsleUt, so sind
die reale Form der Truhe in der Materie und die ideale Form
derselben im Geiste des Künstlers verscliiedeii, und danmi ist
die Tnilie nur Zweck för die Tlmtijfkt-it des Künstlers (der durch
andere Mitlei jene intendierte Form verwirklicht), unti bewegt
nicht selbst aktiv. Wären dagegen beide Formen nicht ver-
schieden, imd wSrc die wahre Truhe im Geiste des Künstlers,
so würde jene Form nicht nur als Zweck, sondern auch als
bewirkende Ursache bewegen. So aber verhält es sich bei den
von der Materie gesonderten hitelligenzen, die aus sich (ohne
voi-gangige Abstraktion) actu inteUigil>eI sind (bei deren her\or-
bringendor Thätigkeit es sich darum nicht um eine in der Materie
XU verwirklichende Form handelt, sondern das üervor^jubringende
sein Sein im Geiste hat). Autierdem ist den Intelligenzen ein
Wollen und Erstreben eigen, was wenigstens in übertragener
Bedeutung Bewegimg Ist; und dannn giebt es für sie auch in
dieser Beziehung eine Zweckursache (ti, A — li).
Es IjleilH noch übrig der Nachweis einer ersten bewe-
genden Ursache. Entsprechend der gewöhnliehen Terminologie
der zeitgenössischen Scholastik tritt bei diesem Nachweise statt
der spezitisch Aristotelischen Bezeichnung «bewegende Ursache*
{o&ey i) rfpjtv T^«: xivifoswc u. dgl.) die „bewirkende Ursache*
{cmtm efficiem) ein -).
Das erste Princip, so wird zunächst gezeigt, muß bewir-
kende Ursache sein. Detm die bloüe Finalureache ist zwar
Ursache der Thaiigkeit oder Bewegung dessen, was zu ihr als
seinem Zwecke hingeordnet ist, dagegen ist sie nidil auch Ur-
<) S. cbeD S. 118.
*) Vgl. scboD oben S. 129 f.
14S ImpoMibilia Sigeri de BrabaDtia.
sache iör seiu Sein, sondern setzt dieses vielmehr schon voraus.
Das erste Princip aber setzt nichts voraus, dessen Ursache es
nicht würe. Es kann also niclit hlos Zweckursache, sondern
TiiulJ bewirkende l'rsaclie rfein ((», \i — -20).
Der zugrunde iii»gende Gedanke, daU die Wirkung der
Urs;ii:he um so weiter reiclic, ji' höhei' die Ursache ist. und dali
ilesluilh dies erste Princip l'rsache dessen sein müsse, wjiä diis
Allgemeinste in dvn Dingen ist, nanilicli ihres Seins, ist hekanntheh
vom Neuplalonismus, speziell von Proklus *), formuliert. Er
ist im Arischlüü an Proklus eine Grtiudanschautmg des Über ät
rnuAiH -), In vertiefter Form Iiedient sich 'Ilntum< nm Atjuhw
seiner zur Entwicktunj; des Schöpfuugshet'riffes ■').
Sonach hleibl nur noch zu zeigen. daU diese erste bewir-
kende Ursache bewegende Ursache für alles, und also Ooll,
sei; denn dagefjen war eingewandt*), dati nicht alles bewepl
sei. Bekanntlich stellt ni;in ja das krirperliche Seiende als owt
Mobilr dem unbeweglichen uukörperlichen entgegen. Demgegen-
flber wird hervorgetioben. daß Gott darum bewirkende Ursache
auch der imvenuiderlichen Substanzen sei» weil dieselben in
ihrem Sein, dessen Ursache er sei, von ihm abhangen. Dieses
Sein aber brauche nicht durch eine eigentliche Bewegung, eine
in einem Proeeli sich vollziehende Veränderung (ttuumnutatiu),
von ihm auszugehen. So bewirke auch auf dem Gebiete der
veründerlicliL'u Dinge die bowirkemle Ursache durch den Proceli
der Venlnderung (die tninmuufatinj unmittelbar das Sein des
brIrcfTenden Dinges, nicht aber bewirke sie zuerst jene Ver-
') Proklus, mmx'ioMti § 70. 101. 138. In Ifut. theoJ. 1 13. p. SK
PorfuB. Vg]. Zellcr, I^itoMopItif tlcr Gn'frhrn, Bd. 111, 2. 3. Aafl. Leipzig
1881. S 7!>1. — Sclioii Inline vor Prvklua findul sich lÜeecr G^dAnke, frei-
]leli in «incr oigciitriniIicIu>ii tlicK>]oKiät:]ion Aiiw-ciidunK, \m Origenoa. in
seiner Jugeiidäcbrift //tut u(>/tüv. Durt heiEt ea [I fr graec. 8; in der CWr-
aetzung des Kufiiius p. ß2 Ruacus it^t daa Het^rodoxe einigermaßen gemil-
dert), diili der EintitiD de» Viit^^rs, der jeilcm von den Seienden daa Sein frelw.
bJR zu jpdem der Dinge reJclie; iler dea SoUnea — di-s Logos — nur bis zu den
vcrnQnltigeii Wesen; dur dos heiligen Ueistes nur bis xu den heiligen Seelen.
') Libcr df catisis § 1. 4.
") Thomas Aqu., Snmum tfmoJ. I q. 44 a. 1 und 2.
■*) S. oln-ri S. IIH (vgl. p. 2, 1-3).
Inhalt, philosophiegeschichtliohe Stellang und Verfasser der Schrift. 14$
ünderung; denn das würde ja ins Unendliche so fortgehen
müssen (6, 20-30).
Leicht hat es der Verfasser, den dritten Einwand zu-
rückzuweisen, der in dem Begriffe des „durch sich Seienden'*
einen Widerspruch finden will. Das durch sich sei nicht; er-
widert er, wie es der Sache nach schon Anselm gethan '), im
positiven, sondern im negativen Sinne zu nehmen; durch sich,
d. h. flicht aus einem andern. Wenn man dem Ersten eine Kau-
salität sich selber gegenüber zuschreiben wolle, so mache man
eine Unterscheidung, der keine Realität zukomme, sondern die
allein auf der Auffassung durch den menschlichen Verstand be-
ruhe (6, 31—7, 4).
Bei der Zurückweisung des mehrgestaltigen letzten Ein-
wandes-) stellt sich unser Verfasser auf den Standpunkt „der
Philosophen", d.h. der neuplatonischen, vor allem durch den
Liber de causis vertretenen Lehre. Hoc autem dicimus, sagt er
(7, 10), secundum sententiam philosophorum. Wenigstens hier
behandelt er also wie zwei verschiedene Gedankenwelten die
von den Philosophen allgemein recipierten Lehren der aner-
kannten philosophischen Autoritäten und die eigene Auffassung
von der Sache. Das ist höchst charakteristisch. Es ist kein
Wunder, wenn uns ein solches unvollkommenes Äuskunflsmittel
bei dem Begründer der durch die orientalisclie Spekulation er-
weiterten Scholastik, Doniinikus Gundissalinus, begegnet*).
War doch noch Albert der Große nicht selten so verfahren,
in seinen Paraplirasen und Kommentaren einerseits, seinen
darstellenden Werken andererseits^). Aber Thomas von
Aquino hatte diese noch nicht völlig ausgeglichene Betrachtungs-
weise vollkommen überwunden. Auch bei Aegidius von Go-
lonna wäre sie schwerlich mehr möglich gewesen. Unser Ver-
fasser rückt auch durch diesen Satz in die größte Nähe Albert's
von Bollstädt.
0 S. S. 119.
*} S. oben S. 121 ff.
") Vgl. C. Baeumker, Les ^crit» philosophiques de DominietM Gutf
distialinus (Rente Thomiste, V. Paris 1897. p. 728—745) p. 740.
*) Vgl. G. von Hertling, Albertus Magnus. Beiträge zn seiner Wür-
digting. EMn 1S80. S. 26 Anm. 1.
144 Impoalsibilia Sigcri de Brnbanita.
Mit dem Liber de cttmis also will der Verfasser annehmeu.
dafi der IntclliKenz die Mö);Hchkcit zum Nichtsein nicht zu-
komme, so daü es iimin'fi^lich sei, daü dieselbe nioht s^ei. Aber
dieses schließt nicht aus. dati dieselbe in ihrem Sein von einer
fiuSeren Ursache abhangt , von der sie eui derartig^es Sei»
erhallen hat. Da also die rntelligenz, weil von dem Ersten
verursacht, nicht mehr wAre. wenn das Erste nicht wäre,
wAlirend .sie andererseits itirer Natm- nach nicht nichlsein kann.
so folgt hieraus nichts anderes, als daü die Intelligenz, wenn sie
nicht zugleich s^^n und nichtsein soll , eben dieser Beziehung
'/.u ihrer Ursache nicld beraubt werden kann, durch die sie
immer ist (7, 5—15).
2.
So radikal, wie der erste, ist auch der zweite Salz des
Sophisten: Alles, was uns ersciieint, sind nur Bilder,
wie die Traumvorsteilungen, so daü wir über die reale
Existenz keines Dinges gewiü sind (S. 7. 19— äl).
Der Beweis dafür geht aus von der Erwäg-ung, daß ein
Vermögen, das tauschenden Vorsti'l langen ') zugänglich ist, über
die Realität des Erscheinenden nicht sclhsl urteilen kami, son-
dern daxu der Entscheidung durch ein anderes Erkenntnisver-
mögen bedarf. Denn eine Erkenntniskraft, die überhaupt iler
TAiischiuig zugänglich ist, kann aus sich keine sichere Entschei-
dung gphen ; und wenn wir in solchen Fällen nur durch eine
andere Erkenntniskran, die über die Aussage der ersteren ein
Urteil füllt, numlieti durch den Wrstand, zu der Ei-kenntnis ge-
langen, daö eine SinnestänstHinng vorliegt, so ist ein solches Ur-
teil eines andern Vermögens auch nötig, um zu erkermen, doli
') Hit ti/tftfirfHtia tantHM wird hier offenbar die SinneaUiiacliung W
reicbnet, die nur Schein, »imnf(irniin. ist. Apptirmlin alUin. ohne Zusatz,
wQrde dan tfairöfin-ny bi>zeichnf>n, *ii\s natQrlich als Erscheinung idte ja nicht
Schein zu sein braucht) auch £räc'hcinuug eines Realen sein kann i.vgl- og
pnffre p. 8, 1). Der Fstssung der Vorstellung als Bubjektiver Affektio«?
ontsprchend dem itäOoi der griechisehcn Philosuphie, begegnen wir p. 8, 19,
wo die Ansicht Eurflek gewies«» wird, daB alle VorstaUangagegenstlada ;m*-
WoNM »tmtientium seien.
Inhalt, phi1o9opbiegeschicfatIiche Stellung und Verfasser der Schrifi 145
die Sache in Wirklichkeit so ist, wie sie erscheint. Ein solches
Superarbitrium könnte entweder ein Sinn über die Aussage eines
andern Sinnes, oder der Verstand über den Sinn abgeben. Nun
ist aber jeder der Sinne solchen Täuschungen unterworfen,
nicht nur im Traum, sondern auch im Wachen. Keiner der
Sinne kann also beurteilen, ob die Sache sich in Wirklichkeit
so verhält, wie sie erscheint. Aber ebensowenig ein höheres
Vermögen — der Verstand — ; denn da die Beweisführungen
des Verstandes von den Principien abhangen, die Principien des
Denkens aber durch die Induktion aus der sinnlichen Erfahrung
bedingt sind, so stützt sich schließHch auch alle Verstandes-
gewißheit auf den Sinn (7, 21—8, 5).
Ferner giebt es kein Verstandesurteil, dem nicht bei einem
anderen Urteilenden ein entgegengesetztes gegenüberstände. Wenn
also das Erscheinende real wäre, so müßte Entgegengesetztes
wirklich sein (8, 6-10).
Wenn man endlich zwischen normalen und anormalen
Wahrnehmungen unterscheiden will, so ist zu erwidern, daß es
nichts giebt, was dem einen anormal erscheint, das nicht dem
andern normal erschiene. Es wäre also zur Entscheidung ein
Urteil nötig, bei dem Widerspruch der Urteile darüber wieder
ein Superarbitrium, und so fort (8, 11—17).
Wie man sieht, sind es einfach die Gründe der antiken
Skepsis, welche hier gegen die Zuverlässigkeit des menschlichen
Erkennens aufs neue ins Feld geführt werden, um dasselbe als
ein bloß phänomenales zu erweisen, das einen sicheren Weg
zu einem transcendenten Realen nicht bietet. Dabei dürften
weniger Cicero *) , Gellius -) und Augustinus ■') , auf die Jo-
hannes von SaHsbury *) seinen Bericht über den Skepticis-
mus stützt, als Aristoteles*') mit seiner Darstellung der Pro-
') Cicero, Acad. II, 15, 47 ff. 24, 77 ff
-) A. Gellius, Noctes Attieae XI, 5.
') Augustinus, Contra Acadfmieos (besondere II c. 5; III c. 10—12).
*) Johannes Saresberiensis, PoUcraticus VII, 2-3.
") Aristoteles, Metaph, IV, c. 4 und 5—6. Xf, c. 6.
U»itri|r* I[, s. Bneumker, Siger von llnhint. 10
14tf ImpoMibilia Sigori de ßrabantia.
lagoreischen Skepsis, aus dem auch Heinrich von Gent ')
die von ilini widerlegten skepüsclien Argumente entnahm, seine
Quelle gewesen sein. Ihm hat er z. B. j^ewili den Gedanken
entnommen, daß dem Widerstreit der Sinm^saussagen gegenüber
ein höheres Urteil notwerulij; würe, daU ein solches aber nicht
zu finden sei ■'). Nicht für unmfiglich würde ich es halten, daß
unser Philosoph auch aus Sextus Enipiricus geschöpft hat,
dessen nvQQWvftoi Imoxvmoatt^ mit ihren verschiedenen 2u-
sjitnnienstellunjfon der skeptischen Tropen ') dem laleinisclien
Mittelalter in einer direkt aus dem Griechischen geflossenen Über-
tragung vorlagen*)- »"^einc Hauplquolle bleibt aber Aristoteles.
Wir tinden hier dieselbe Beobachtung, die wir sction bei
dem vorigen Satze machten und die wir noch mehrfach machen
weixlen, daü nrinilich zwar die Thesen des .Sophisten* einer
gewissen kecken Originalihll niciit entbehren, daü aber dk* Gründe,
welche er für dieselben anführt, ziemlich mühsam hier und dort
gesammelt sind und nur SchwicriKkeili^n uuthehmen, welche
andere Denker Ifnigst sich einKowciuiel und widerlogt liatten.
Tiefer griff er.^l etwas über ein hidbes .lahi'humlerl später Niko-
laus von Aulrecourt (Nicolaus de Ullricuriaj die Schwierig-
keit auf''). Kr dringt in den Kern des Problems ein, indem er
') Henricaa a Gandauo, Summn fh^f. I ort. 1 q. 1. Vgl JoimUin
in der Anm. 4 citiertcn AbhanillunK, S- ''It dor KTnifgUm*.
*) Ariututtilea. Met>if»li, IV 6, p. lUll a 3 — 6: «'<»' hr rtvr; w 6:n-
oof^tu xai Ttär ra&rn .7f,T*io/jr»*mr xai töir hh>s loyovi lo^rntv ftnwov Iryörtwr,
CfjroPot yäg lit fi xoirtov rov vytaiyorin xai ^Ict-i rör -Tfpi txnora xonvvrta öo^Vw.
*) Sextu« EmpiricuB. If/rrh, hifp. I 36 flF. 164 ff. 178 ff. o. «.
*) Krlislten in rod, l«t. 147üO *\vv Pariser Nationalbibltotlipk (ehemals
St. Viktor n. 32}. Vgl. ('horles .Inurttain, Sr^tuf Kmpirirti» rt h jthtloKo-
phie aeolaatitpie. Paris 1858, wloderabgedmckt ia dessen ETcur»üma hi»to-
riqneg rt phUonojihüjttvit d tracer» Ir inoiffH tifjr. Paria 1888 p. 201 — 217.
F. Picavet, Vn dotumcnt imfnjrtttHt poxtr t'hitftoire ttu pyrrUoniitmf. Paria
1888. Einige mit Proben auHgeutatteta Mitteilungen — bei denen mir leider
die beiden vorstehendeti Äufsfttze noch entgangen waien -- habe ich Aber
diese Überaetiung im Atrhiv für ftvjirhirhlii der Phihsitpitif. Bd. [V. .Berlin
1891. S. 574— r>7" gemacht.
'') Vgl- dazu meine Bemerkungen im Arrhir für Geurhichte rfcr
liiilosophie. Ud. X. Hcrlin 1897. S. 252—254 Aber den Zusammenhang, in
wek'beni die betreffenden im J. 1346 verworfenen S&tzc des Nikolaus von
Autreoourt atehen.
Inhalt, iiliiloi^ophie^oschichtliche Stellang und Verfasser der Sclirift. 147
auf die Abhän^igrkeit unserer (kritischen) Überzeugung von der
transcendenlalen Realität des in unsern Vorstellungen Erfaßten von
dem Kausalgesetz zurückgeht. Indem er nun, der begriflnich-de-
duktivcn B(?trachtungsweisc seiiior Zeit entsprechend, nur solche
Sätze anerkennt, welche aus dem obersten Denkpfsotz, dem Princip
des Widerspi-uchs, zwingend abgeleitet wei-den können, verliert
für ihn das Kausalgeseb- als nicht ansdytisch seine Beweiskraft.
Dann aber haben wir von der Kxislonz einer AuÜenwelt kein
ovidenleri Wissen mehr '). Diiinit ist durch Nikolaus von
Autrecourt das Problem an die Stelle gebracht, an der Hume
und Kant uns später genötigt haben, die Scl]wierigki.'il anzu-
jireifen, um uns mit dem Skepticismus und rlcrn Idpalismns aus-
einander zu st'lzen. Der ^Sophist* der liuiJt/ssl/üliu dagegen
bleibt mit seinen Einwanden auf dem Standpunkte stehen, den
im Grunde schon Aristolcles überwunden hatte.
Nicht sonderlich tief ist auch, was der Verfasser unserer
Schrift seinem skeptischen Gegner erwiedert. Er stellt den Satz
auf, daß wir jede Erscheinung für real zu halten haben, der
keine glaubwürdigere .Sinneswahrnehmung -) oder kein auf eine
glaubwürdigere Sinnes waiirnehmung gestütztes Denken wider-
streitet, Irrtümer entstehen hier, wenn man entweder, weil man
einzelne male durch die Sinne getauscht ist, nun alle Sinneswahr-
nc'hmunpon tür Schein hrdl, oder wenn man in umgekehrter un-
zulässigor Generalisation alle Siniiesaussageti für objektiv wahr
hält, oder <-ndlich wenn man, mangels einer Unterscheidung der
glaubwürdigeren und der unglaubwürdigeren unter den Sinneswahr-
nehmungen und unter den darauf gestützten Urteilen, die Sinnes-
*} Vgl. den zuerst van Denifle, ChartHt. tiniuerg. Phrin. \l, p, 583
publicierteu wichtigen Sntz: Qaod in lamine natnrnli intollectus niatorts non
ptiteat habere notitiani euidentlae de cxi»t«utia reriim rednct.T seu reducibüi
ad eoidentiain seu cerlituJmoin prinii principii.
''] SenmiH düjniof. Dnlj damit nichfc zwiachon den vorscliiedenen Sin-
nen uin Rangunt^i. schied gornarht wiiidun soll, derart, dafi z. G. das Gesicht
über den Tastsinn zw stellen w8ro, zeigt p. 9, 15 ff.: Non ciiini omncs sensus
sunt aeque digni ut eis credatur, was dann an dem Beispiele deu gu^ius
sanuH und des gustua infectua, der Wahroebmung im Wachen und im Soblaf,
aus der Nübe und aus der Feme, erlkntert wird.
10*
148 Impossibilta Sigeri de Brabanlia.
Wahrnehmung überhaupt bei Seite stellt (8, 18 — 9,3). Er hebt
dann licrvor, wie der Wirklichkcilsglaube, falls keine entgegen-
gi^setzte Instanz vorhanden, bei der Sinneswahrnehmung ganz
natürlich sich einstelle (0,^ — 10). Hierauf werden die Gesichts-
pniikttr ffir die grt^fJtere oder geringere Glaubwürdigkeit der
Sinne.s Vorstellungen angegeben, wobei zu den Unterschieden der
normalen und anormalen Wahrnehmung noch die bekannten
A^stoteli:^chen Unterscheidungen ') des jedem Sinne eigentüm-
lichen, des mehreren Sinnen gemeinsamen und des bloß acciden-
lelt verbundenen Objekts hinzutreten (9^ II — 21). Zum Schluß
werden diejenigen zurückgewiesen, die auch dafür einen Beweis
haben wollen, dati einige Sinneswahrnehmungen glaubwürdiger
seien als andere, und daß niaa den ersteren um ihrer selbst
willen glauben müsse. Solche bemerkten nicht, daß aller Be-
weis mit etwas anfangen müsse, was um seiner selbst willen
geglaubt würde (!>, lU - ä7). — Man sieht an dieser an sich
sehr riclitigen und doch in dieser Allgemeinheit die Sache um
nichts tördenideii Beitierkuiig, wie wenig dem Verfasser das
eigentliche Problem klai* geworden ist.
Der Hinweis auf die verschiedene Glaubwürdigkeit der
Sinne soll denn auch den ersten Einwand enlkrälTen (9, 28 — 10, 9).
Und wenn dort gesagt war , ein anderes Vermögen , als der
Sinn, urteile, data der Sinn geirrt habe, also auch ein anderes,
daü er Wahres berichte, so wird diese Abfolge geleugnet. Der
Sinn , dem keine glaubwürdigere Aussago gegenüberstehe . biete
in sich selbst die Gewähr der Glaubwürdigkeit (10, 10 — ü\). Das
Gleiche wird gegen den letzten Einwand geltend gemaclil. Es
sei einmal in dem, was geglaubt und gewußt wird, ein erster
Anfang zu machen , der nicht mehr durch ein anderes gewußt
wird, sondeni durch sich selbst (U), 22—28).
3.
W^ie bei vielen anderen Fragen , so ist Aristoteles auch in
der Physik dort, wo er den Begriff der Zeil bespriclil '-) , von
') Aristoteles, Dr anima II, c. 6.
«) Arlaiot. Fhy». IV, c. 10—14.
Tnhalt. philosophiegeschichtliche Stellung und Verfasser der Schrift. 149
der Erörterung einer Reihe von Aporieen ausgegangen. Ein Teil
dieser Schwierigkeiten ergiebt sich aus dem in verschiedenen
Wendungen variierten Problem , wie der im ganzen Zeitverlaufe
jedesmal wirkliche einzelne Moment, das „Jetzt" ') , zu der Zeit
selber sich verhalte. Es wird dort auch die Auffassung berührt,
nach der das Jetzt im Laufe der Zeit stefs als dasselbe ver-
harre , und dieser Auffassung entgegen gehalten , daß nach ihr
auch das, was vor zehntausend Jahren geschah, mit dem heute
Geschehenden zugleich sein müsse; denn der Zeit nach zugleich
sein heiße nichts anderes, als in demselben Jetzt sein -).
Was Aristoteles hier anführt, um den Gegner ad absurdum
zu führen, hat der „Sophist" sich positiv zu eigen gemacht. Es
giebt nur Ein unvergängliches Jetzig in dem alles zugleich ist.
Um den Gedanken recht drastisch auszudrücken, kleidet er
ihn in ein Beispiel, das ihm wieder Aristoteles geliefert hat.
Derselbe hatte an einer späteren Stelle seiner Untersuchung über
das Wesen der Zeil einmal die Bemerkung dahingeworfen, man
gebrauche das Wort „jetzt" auch wohl in minder exakter Rede-
weise, wo es dann nicht den ausdehnungslosen Moment be-
zeichne , der sich zu der Zeit verhalte , wie der Punkt zu der
Linie, sondern ii^end eine nahe Zeit; z. B. „er wird jetzt kom-
men" , wenn er heute kommen wird, „er ist jetzt gekommen",
weil er heute ankam. „Die Ereignisse vor Ilion aber sind nicht
jetzt geschehen und auch das Diluvium hat nicht jetzt stattge-
funden ; und doch ist die Zeit bis dahhi kontinuierlich , aber
man sagt nicht so, weil sie nicht nahe sind" ^).
') Die Aristotelische tiezeicbnong i,y^v* wird in der arabiach'Iateini'
sehen Übersetzung, und so auch in unserer Schrift, durch instans wiedergege*
ben. Vgl. S. 13 Anm. 1 und A. Nagy, Al-Kindl {BeUräge II. 5) 8. 73,
Anra. zu 39, 20-23.
') Aristot. PÄya. IV 10, p. 218 a 21: dlXa fir/i' oi'iÜ' äet rö avTo öta-
ftn-etv (seil. tÖ vvr) övvajov . . . (a 25—30:) eu rl ro äfta eivai xara xS^ov
Kai fit/je :tQÖTeQor fi^te vaiegov x6 iv xfp avitfi elvai, xal ev x0 vüv imtv, ei tA
TC Jigotegov xai tä vaxtQOv ev tqJ vvv xcßdi iaitr, afta äv etri xa «iV eroe yev6-
(leva ftvQtoaroy xoti yevoftevots xi^/ttgov, tcai ovxe ^göxcgor ov&' voxkqov ovdev
äU.0 akkov,
^ Aristot. Fhy». IV 13, p. 222 a 20—24: xb fuv ovxta lirexai rcSv
vvv, SXXo d^ otav 6 xQovo^ 6 xovxov eyyvs ff. ijSei vür, ö« xi^fugov ij$€i. ^xn
tfiO Impossibilia Sigeri de Bralrnntia
So kommt der in übernaüliger dialektischer Laune aufge-
stellte Satz zustande: „Der Trojanische Krieg ist in diesem Jetzt
{im gegenwörtigon Augenblicke)".
Es soll das, so wird eHätilernd liiiizugcrfigt, nicht so ver-
standen werden, als ob der Trojatii-scUe Krieg sidi in einem ein-
zigen Augenblick abgespielt hatte oder abspielte. Vielmehr soll der
Sinn dieser sein : der Augenblick , in dem es wahr war, zu sa-
gen: .der Trojanische Krieg ist", ist niiht verschieden von dem
gegenwärtigen Augenblick; und weil von der Zeit nur das jedes-
malige Jeizt istf und darum in jedem Jetst die Zeit selbst und
das, was In dieser Zeit besieht, ist, so ist, wenn jenes Jetzt und
das gegenwärtige Jetzt zusammenfallon , auch jetzt der Troj;mi-
sclie Krieg (10, 30 — 11, ü).
Offenbar wird durch eine derartige Deduktion die objektive
Geltung unserer Zeitvorstellung auf das entscliiodonste angegrif-
fen. Als objektiv wirklich wird nur ein unveränderliches, dau-
erndes Jetzt betrachtet. Die Zeit ist nur eine Auffassungs-
form des menschlichen Verstandes.
Bereits Aristoteles hatte die Frage aufgeworfen, ob die Zeil
zum Seienden oder zum Nichtseienden gehöre '), und ob, wenn keine
Seele wäre, dann auch keine Zeit sehi würde-). Aristoteles selbst
hatte diese Fragen bekannlHcli so beantwortet, daß er für die Zeit
oder doch für das Fundament der Zeit die Healtlät festhielL
Aber daü im Xlll. Jidirhuridert die Ansicht von der bloßen Idealität
der Zeit mit Entschiedenheit verfochten wurde, ertahn^n wir aus den
Urkunden über die Vorgänge an der Pariser Universität. Unter
den 219 Sätzen, welche 1277 von Stephan Tempier verworfen
wurden, begegnet uns auch der, da(i das Aevum und die
Zeil nichts in der Realität, sondern nur in der Vopstel-
I
yO», Sxk ^k&B n^fUQov. rä d^ iv *I/Liq} yfyover ov niv, ovd^ ö xataxivaftAi fifo-
vtv r^v xtitxoi owt^tjc ;fp(f>'of tli a^td, al** öri ofjx iyYVi. Du» letztere ia
der arabUeh-lntfiHifchen C Ersetzung (t. c. 122, ed. Venet. 1560. T. IV. fol.
160>^ A): Bulluin neru (]uud fuit in Miun nun eat nuuc, quuinuia tempos sit
ipai continnmn, quoniam tcmpas eioa non est propinquum. Vgl. aucli <i. a. O.
p, 222 b U-12 (t. c. 126. fo!. 161v 1>).
') Ariatot. /%«. IV 10, p. 217 b 81.
') Ebä. c. U, p. 223 A 21—22.
InhAlt, Philosoph iegrachichtlicbe Stellang und Verfasser der Scfanff. 151
lung sind *). Diese im J. 1277 verworfenen Sätze aber hatten,
wie schon oben bemerkt -) , zu Urhebern Boetius den Dänen
und Siger von Brabant.
Während jene Thesis nun ziemlich modern kHngt, trägt deren
Begründung einen ganz anderen Charakter. Man würdejsehr
irren, wenn man glaubte, die Unvergänglichkeit des Jetzt würde
von imserm ^Sophisten" auf eine erkenntnistheoretische Deduktion
gestützt, welche aus der Natur des menschlichen Erkennens die
Subjektivität der Zeitvorstellung darthun will , oder auf eine
pantheistische Metaphysik , welche das , was dem endlichen In-
tellekt in der Form einer Zeitreihe auseinandergezogen erscheint,
in dem ewigen Jetzt des Absoluten versinken läßt. Zu Kant
oder Spinoza führen, sobald wir auf das Einzelne eingehen, keine
Fäden. So frappierende Vergleichungspunkte in der Thesis sich
zeigen, so hält sich dagegen die Begründung ganz an die Aporien,
die Aristoteles geltend gemacht hatte.
„Femer gerade von dem Jetzt, welches die Abgrenzung
des Vergangenen und Künftigen zu sein scheint,** heiüt es bei
Aristoteles ^), „ist es nicht leicht zu erkennen, ob es als ein
und dasselbe immer beharrt, oder immer ein anderes und wie-
der anderes ist. Denn wenn es immer ein verschiedenes und
wieder verschiedenes ist, von den Teilen der Zeit aber nie einer
mit einem andern zugleich besteht (außer denjenigen, wovon der
eine der umfassende, der andere der umfaßte ist, wie nämlich
die kleinere Zeit von der größeren umfaßt wird) , alles aber,
was jetzt nicht ist, früher aber war, notwendig einmal zugrunde
gegangen sein muß, so werden auch die einzelnen vielen Jetzt
nicht zugleich mit einander bestehen, sondern es muß das jedes-
mal frühere zugrunde gegangen sein. Nun aber ist es nicht
möglich, daß es während seiner selbst zugrunde gegangen sei,
weil es damals ja war. Daß aber in einem andern Jetzt das
') Frop. 200: Quod aeaum et tempua nihil sunt in re, sed so-
lum in apprehenaiono (Denifle, Chartul. unitters. Paris. I. p. 554).
••) S. S. 107 f.
"0 Ariatot. Phyit. IV 10, p. 218 a 8—21. Die oben gegebene Über.
Setzung iat die von Prantl.
152 Inipossibilia Sigeri de ßrabantift.
frühere Jetzt zugrunde gegangen sei , geht auch nicht an , denn
es möge als unmöglich gelten , daß die einzelnen Jetzt sich an
einander anreihen wie Punkt an Punkt ') ; und wenn demnach
das frühere Jetzt nicht in dem nüchstfolgenden zugrunde gegan-
gen ist , sondern in einem andern , so würde es während der
dazwischenliegenden einzelnen Jetzt, welche unbegrenzt viele
sind, zugleich sein; dies aber ist eine Unmöglichkeit."
Damit vergleiche man die Beweisführung in unserer Schrift:
Das gegenwärtige Jetzt ist nicht verschieden von dem Jetzt , in
dem der Trojanische Krieg war. Denn mehrere Jetzt können
nicht gleichzeitig sein , so wenig ein Bewegtes an mehreren Or-
ten zusammen sein kann, von denen der eine den andern nicht
einschließt. Das aber würde, falls das Jetzt des Trojanischen
Krieges und das gegenwärtige Jetzt verschieden wären, der Fall
sein ; denn das Jetzt , in dem der Trojanische Krieg stattfand,
ist noch nicht vergangen. Dies letztere aber, die Grundlage des
ganzen Beweises , soll daraus hervorgehen , daß das Jetzt über-
haupt nicht vergehen könne. Denn da das Vergehen nicht ins
Endlose fortläuft, so müßte man, falls das Jetzt verginge , einen
Grenzpunkt angeben können, in dem das Jetzt zuerst nicht
ist. Das aber kann nicht während dieses Jetzt selbst sein ; denn
dann müßte es zugleich sein und nicht sein. Auch nicht in
einem unmittelbar folgenden Jetzt, da das Jetzt kein unmittelbar
folgendes Jetzt hat (nämlich weil — so dürfen wir aus Aristo-
teles ergänzen — die Jetzt sich nicht aneinander reihen , wie
Punkt an Punkt, sondern weil die Zeit, die das Jetzt enthält,
kontinuierlich fließt gleich der Linie). Ehidlich auch nicht in
einem mittelbar folgenden Jetzt (d. h. in einem Jetzt, das durch
eine dazwischenliegende Zeit mit dem vorhergehenden Jetzt ver-
bunden wäre) ; denn in diesem Falle bestände es (da ja jene
verbindende Zeit selbst wieder eine Anzahl von Jetzt einschließen
müßte) wieder mit mehreren Jetzt gleichzeitig, was unmöglich
ist (U, 7—24).
Man sieht, wie eng die Beweisführung sich an jene Ari-
stotelische Aporie anschließt, so eng, daß die zum Teil mehr
') Dies wird oäher eriftutert an der S. 11 Anm. 2 citierten Stelle.
tnlmU, philosophiegeschichtliche Stellung und Vorfosaer dor Scbrift. 158
andeiiteniJe als ausführende Argumcntalion erst uus der Aristo-
telischen Stelle ihr reclites Licht erhAlt.
Aristoteles selbst hat in der Physik jene Apon'e nicht aus-
drücklich aufgelöst. So hlieb hier iinscnn Autor bei der Be-
kämpfung des «Sophisten" einige Gelegenheit zu selbständiger
Behandlung- der Frage. Freilich reicht auch bei ihm die Kraft
halinhrecliendeii Denkens liier nicht sonderlich weit.
In die allgemeine erkenntnistheoJetische und metaphysische
Erörterung des Zeitproblenis tritt auch er, bis auf einige Bemer-
kungen am Schluii. auf die wir noch zu sprechen kommen,
nicht ein , obwohl schon Aristoteles selbst das besondere Ver-
hältnis untersucht , in dem die Zeit zu der Seele steht '). Daß
der Augenblick, in dem man sagen konnte: «der Trojanisciie
Krieg ist," längst vergangen, wird als selbstverständlich voraus-
gesetzt, und nur gefragt, wie denn das Jetzt vergehen könne
(II, ä5— ä8).
Zunächst wird hierbei mit Recht die Voraussetzung des
Gegners zurückgewiesen , man müsse , wenn das Jetzt vergehe,
') Ariatot. Pbiju. IV 14. p.*223 a 1^1 ff. Tlioma» vou Aqiiino, der
diese Ausführungen des Aristoteles in neineni Koinrnuiit^ir {T'hij/t. IV lect. 23)
genau trürlcrt, sagt I St'ttt. dist. 10 q. .*> u 1, iiidcni t>r die von Ariatotelefl
erhobenen Fragen durch eine fein unterscheidende und nShor begründende
Antwort erledigt: Qunednm sunt, qnne hahent rundiimentuin in re extra am-
tnam, »ed ct>niplein'E*ntnin ratiiini>i i^oruiti, rjimntuni ud id qnori fni formnle,
est per operationeni ttnimn*', ut patet in uniuc-rsali . . '. EJ aimiliter est de
tempore, quod habet fundAmentum iu motu, scüiret priua et puäteriu»
ipifiua motus, aed quentum ad id quod est formale in tempore, sciücet nu-
meraliu. comptetiir per operationom intellectus numerantis. Vgl. ritd.
q. 2 a 1 : Ex quu patet quod illud quod est de tempore qnasi ma-
teriole fandator in motu, scilicet prioa et poaterios. qaod antem eat fomialo,
conipletur in Operation^ animae numcrantis: propter quod dicit Philosophus,
quod ax non eaeet anima, non esset teuipos. Darin bestellt ein unterschied
Kwiaohen Raum (d. h. Ort: locttK^ nicht apatittm) und Zeit, quin locus est
idem per eäsentinm qaod superficies corporis Eocaniia, tempus autem non cat
idem numero cum ollquo accidenle in substantia fundnto; et practerea latus
totum complemeniuni fsuum habet in re, sed tenipori» ratio nliquo modo com-
pletur ex actione animae numurantis. Vgl. Tilmann Pesch, ImtKtäiom's jthi-
f'miftJtiae nntitralis. Vol. II. Kreiburg i. Br. 1897. p. 168 ff. — Weit zurQck-
haltender ist Albertos Magouä, Üiifu. IV tr. '6 c. 3.
XU
ImposaihiÜB Sigeri d« Brftliantt«.
einen Grenzpunkt angeben können , wann es zuerst nicht sei.
Dies sei nämlich nur bei einem Kontinuierlichen und Teilbaren
möglich, (las eine gewisse Zeitdauer hindurch bestehe; also niclit
bei dem Jetzt (11, 29— H5). — Schon bei dieser Antwort stützt
sich übrigens unser Verfasser auf bedanken dfys Aristoteles,
der ira C. Buche der Physik scharfsinnig beweist , data , wie es
nichts gieht, in welchem als erstcni das Beweglwerdende be-
wegt wüiYle. üQ auch nichts, in welchem als erstem das Halt-
machende Halt machte '). Die Anwendung von dem Haltmachen
auf das Vergehen war leicht.
Die Begröndung jenes Satzes aber, daÜ bei dem Jetzt nach
einem solchen ersten Moment des Nichtseins niclit gefragt wer-
den könne, geht wieder aus von einer Cnlerscheidung, die Ari-
stoteles an die Hand gab. Das Jetzt verhält sich in vielen Be-
ziehungen zur Zeit , wie der Punkt zur Linie. Wie kaon das
Teitlose bewegt werden?, hatte Aristoteles gefragt, und bewie-
sen, da& es nicht an sich bewegt, sondern nur nebenbei mitbe-
wegt werden könne , nämlich mit dem Ganzen , in dem es sich
befindet *). So wird auch hier zwischen dem unterschieden,
was an sich (p^'r se) vergeht, und bei doin dainim ein Punkt
angegeben werden kann, waim es zuerst nicht ist, und zwischen
dem, was nebenbei (per arcidens) vergeht. FreUich mu& bei
dem accidenlell Vergehenden zunächst wieder der Fall ausge-
sondert worden , in welchem das uccidcntell Vergehende ehifaci»
das an sich Vi^rgehende begleitet. In diesem Falle kann —
wegen der Verknüpfung des beiderseitigen Vergehens — ein
Punkt angegeben werden , wann das Vergehende zuerst nicht
ist. Anders das Jetzt. Das Sein des Jetzt verhält sich im
Flusse der Zeit , wie hier wietler ganz im AnschluU an Aristo-
teles ausgeföhri wird, wie das Sein des Veränderten wahrend
der Veränderung. Nur das Veränderte (als Subjekt oder Trä-
') AriBtoi Phya,Yl8, p. 238 b 36-23S a 3: ^ta^i» di rö Hivw'ftrror
ovx ÄiT«v fv (f» ,Tp<ÖT(t> xifiiTat, ovTttK 0V&' rv ffS Tmnffii jü inftfuytn'' ovm
yuQ jov xiffta&at orrf roi" TnraaOfii fail n rroütror, Atirli Albertus Magnus,
/%«. IV tr. 3 c. 1 t. c. 90 End« (ed. Jammy T. II col. 184 Mitten knüpft
an diese Ari8tot«lische Lebre an.
*) Aristot. I*hyii. 10, p. 240 b 8—9: rö äftt^k oC'H iv&txttm Hmio&ai
xXifv xava ovfißtßrjxöf.
Inhalt, philosophiegeschiohtliche Stellang and Verfasser der Schrift. 155
ger der Bewegung) bleibt; sein Sein aber verändert sich kon-
tinuierlich, weil das Veränderte kontinuierlich verändert wird.
Könnte man für das Sein des Veränderten einen Moment an-
geben, in dem dies Sein zuerst nicht wäre, so wäre die Ver-
änderung nicht mehr eine kontinuierliche; das Veränderte müßte
dann während eines gewissen (wenn auch noch so kurzen) Zeit-
raums ruhen. Ist aber für dies stets wieder vergehende Sein des
Veränderten kein solcher Moment anzugeben, in dem es zuerst
nicht ist, so auch nicht für das Sein des Jetzt, das mit dem
jedesmaligen Sein des Veränderten so gegeben ist, wie die Zeit
mit der Veränderung, deren Zahl hinsichtlich des Unterschie-
des des Vorher und Nachher sie nach der Aristotelischen De-
finition der Zeit ist i) (12, 1—19).
Eigenartig und wohl eine selbständige Leistung unseres
Verfassers ist der Versuch, eine doppelte Art des acciden-
tellen Vergehens nachzuweisen. Freilich nur die Durchführung;
denn alle Grundlagen sind dem Aristoteles entnommen.
Schon oben ^) wurde gezeigt , wie die hier zugrunde lie-
gende Anschauung, daß man für den einzelnen Moment der
Bewegung keinen Punkt angeben könne, in dem er zuerst
nicht sei, auf die Lehre des Aristoteles von dem Anfangen und
Aufhören der Bewegung zurückführt. Ebenso aber ist Aristo-
teles die Quelle für die Art und Weise, wie hier das Jetzt und
sein Sein mit dem stets wechselnden Sein der Bewegung zu-
sammengestellt wird. Da die Aristotelische Stelle auch für die
folgenden schwierigen Ausfuhrungen unseres Autors den Aus-
gang bildet, so gehe ich genauer auf dieselbe ein.
„Wie die Bewegung stets eine andere und andere ist,*
heißt es bei Aristoteles , »so auch die Zeit , die gesamte Zeit
zusammen aber ist dieselbe; denn das Jetzt ist dasselbe, als
Subjekt genommen ftd avTÖ 6 ttot tjv) , sein Sein aber ist ein
verschiedenes. Das Jetzt mißt die Zeit, insofern es ein früheres
') Äristot. Phi/8. IV 11, p. 219 b 1 — 2: tovxo yug iattv 6 jugOTOf,
doiO/aog xtvi}ae<og xaxä t6 ingöregov xat voieQov. Vgl. 220 a 25. De caelo,
I 9, p.279 a 14—15. Vgl. Zeller. Fhil. d. Griechen II, b. S. 398 f. Peßch,
a. a. 0. S. 162 ff.
») Siehe 8. 154.
]öß
Impossibilia Sigeri de Brabniitia.
und spfiteres ist ; es ist aber dieses Jetzt in Jfe^visse^ Beziehung
dasselbe , in anderer nicht dasselbe, hisofeni es nilmlich in
einem anderen und wieder in einem anderen Zeitpunkte ist , ist
es verschieden; das aber machte aus, daü es eben das Jetzt
war ; insofern dajfepen ilas Jetzt ein Subjekt (ii narr SrJ ist*
(— d. h. das, was immer in einem anderen und wie<ler in einem
anderen Zeitpunkte ist — ) „ist es dasselbe. Es folgt n»lmlich,
wie bemerkt, iler Grube' (— d. h. der extensiven, kontinuierliclien
Quantität — ) ^die Bewegung,', dieser aber die Zeil, wie %\-\t
sagen; und in gleicher Weise folgt dem Punkte das Bew^e,
vermittelst dessen wir die Bewegung? selbst und das Früher und
Später in ihr erkennen '). Dieses Bewegte mm ist als dies Sub-
jekt 0"} jioTc ov) dasselbe; denn es ist entweder ein Punkt oder
ein Stein, oder sonst etwas derartiges; dem Begriffe nach" (— Äöytf*
d. b. hinsichtlich dessen , was diesem gleichbleibenden Subjekte
in dem jedesmaligen Falle seine besondere Bestimmung giebt,
entsprechend dem vorher uml nachher gebraucliten tiyai — ) ,lsl
es immer ein anderes. So wie die Sophisten es als ein Ver^
schiedenes nehmen . daß Koriskus in» Lyceum ist und dati Ko-
riskus auf dem Markte ist, so ist denn auch jenes da<barf'h. daß
es anderswo und wieder anderswo ist, ein immer wieder Ver-
schiedenes. Dem Bewegten aber folgt das Jetzt, sowie die Zeit
der Bewegung : denn durch das Bewegte erkennen wir das
Früher und Spfiter in der Bewegung; insofern aber das Früher
und Spüter zählbar ist, ist es das Jetzt; so daß auch hior das
Jetzt als Subjekt (6 nore ov vöv) dasselbe ist, denn fm her und
später ist das was in der Bewegung ist-); sein Sein f^lratj
') Dana: ^ xinjatt diä t6 Mtvovftarot' xai 1/ ffOQa Am rö ffeoöfitmy (sciL
yrtüfttfor)' tÖÄ« j*ap n tÜ rfeoä/ievov, r) dr. xitnjati; ov [I'hjf$. IV 11, p. 219
h 29-80).
^) Dae Jetzt, desaen Bewegung die Zeit bildet, wie die Bewegung
des Punktes die Linie, ist ala Suhjekt dasselbe, da der UaterHchied des
yrQlicr oder Spütcr ihrn nicht zukommt, insofern dieses Subjekt in sich be-
trachtet wird. Bondera nnir in»efem es als Bewegtes — rö h- xtvt'ftui — ond
darum als quautitutiv bestimmbar {fujfi>nijtöy) hinaictitlich de» Früher und
Später betrachtet wird, sowie der Punkt nicht ata Punkt ein Früher oder
Später hat, sondern nur als bewegter Punkt.
Inhalt, philosophiegeschicfatlicfae Stellung and Verfasser der Schrift. 157
aber ist verschieden ; denn eben insofern das Früher und Später
zählbar ist, besteht das Jetzt* ^).
Der Grundgedanke dieser Aristotelischen Ausführungen liegt
in dem Versuch, das Verhältnis des Jetzt zu der Zeit aus der
Analogie der Bewegung zu erklären. Die Zeit folgt der Bewe-
giuig, die Bewegung der Größe. Wie wir uns daher etwa einen
Punkt bewegt denken können, so daß er durch seine Bewegung
eine Linie bildet, so können wir uns die Zeit vorstellen als ent-
stehend durch die Bewegung des Jetzt. Den drei analogen Glie-
dern: Zeit, Bewegung, Gröiäe stehen darum als weitere analoge
Glieder gegenüber die drei : Jetzt , Bewegtes , Punkt, Wie der
bewegte Punkt als das Subjekt ^) , welches bewegt wird , sich
gleichbleibt, sein Sein in der Bewegung aber nie ruht, sondern
ein kontinuierlich wechselndes ist ^), so ist das bewegte Jetzt *)
') Aristot. Phijs. IV 11, p. 219 b 12—28: xai wojteQ ij xivrjaie dei
äkXrj xai äXX^, xai 6 XQ^^' ^ ^' ^A*^ ^^^ /ßo>^ 6 aviot' tö yÖQ vvv ro
avTO S Jtoj ^v' tÖ d' elvat avrqfJ irrgov» rö dl vvv xov XQ^ov fiergeT, fj nQÖrp-
Qov xai vaxcQov. rö de vi>v faxt ftev tos t6 avxo, tan d' mi ov x6 avxo' ^ ftsv
YOQ iv äli(p xai o^U^, izegov (tovto &' ^v avxtp to vvv)' ^ 6i S noxe Gv eaxt
t6 vvv, x6 avxö. dxoXov&eT ydg, an iXix^t ''<? f^ fieyi&et t) xivtjots, xavxjj 6'
6 XQOVO^y ats <pafiev. xai Sfioiüig drj xfj axiyfifj x6 <ftQ6ftiv{iV, t^ xt}V peivrjaiv
yv(OQiZofiev xai x6 ^igöxegov iv avxfj xai x6 vaxsgov, toCto de S ftiv Jiore fh> x6
avx6 (tj axtyfitj yäg § Xt&o^ ij xi &lXo xoiovtdv iart), rtp X6yq> 6e äi.ko' (oojieQ
Ol ao^taxai Xafißdvovoiv ixegov x6 K6gtaxov 'iv Avxeitf> eivai xai rd KdQtaxov
iv dyog^' xai to{>xo Ötj X(p äXXo&t xai äÄXo&t ^ivai ezegov, xtfi de qjegofiivfp
dxoXov&et x6 vvv, Moneg 6 xQÖvos xf) xtVTjcei' rcp ydg iptgo^ivcfi yvmglCotxev x6
jtgdxegov xai vaxsgov iv xiv^aei' ^ ö' dgi&fitjrov to ngdxegov xai voxegov, x6
vvv iaxiv' maxe xai iv xovxotg, o ftev xoxt ov vt>v, iaxi xo avxo' jiqoxeqov yag
xai vaxegdv ioxt xh iv xivt'joei' rö d' eivai exegov' p dgidfifjxbv ydg xo jrg^xrgov
xcu vaxEQOv, x6 vvv iaxiv.
*) Inwiefern die Bewegung in dem Bewegten als Sobjekt sei, »rf7.t
Aristoteles Phys. HI S auseinander.
"} Die Ähnlichkeit wfirde voUkommen sein, bemerkt Albertus Mag-
nus, Phya. IV tr. 3 c 7 (col. 192 Jammy) treffend, wenn wir ans vorstellen
wollten, daß die durch den Flufi des Punktes gebldete Linie nicht in ihren
Teilen fortbestände, sondern dafi jedesmal der frUhere Teil verginge, wenn
der spätere nachfolgte.
*) Man vergleiche auch Pkys. IV 11. p. 220 a 3-4, wo die Zeit (als
Zahl der Bewegung) und das Jetzt (als die dem Bewegten entsprechende
Einheit dieser Zahl) gegcnttbergestellt werden.
1^ tnpOMibilia Sigeri de Brabaniia.
als Subjekt der Bewe^ng dasselbe, sein Sein als Maß des Fnl-
her und Später in der Zeitbewegung aber ist ein kontinuierlich
wechselndes.
Diese Anschauung nimmt unser Autor herüber, um aus
ihr heraus die erhoberie Scliwierigkeit zu lösen. Er befindet
sich darin in t^bereinstimmung mit dou Srholastikem seinor Zeit,
mit Albert dem GroUen '), Thomas von Aquino -) Aegj-
dius Colonna ') und vielen anderen.
Aber so ganz einfach war die Sache doch nicht. Was
heiläl es, dafi die Zeit durch dio Bewegung des allein wirklichen
Jetzt enlsleheV Existiert dmin in der That dit» Zeit nur io
dem Jetzt, in dem Sinne eines unteilbaren Augenblickes, oder
existiert sie in ihren vorübergehenden Teilen, die, weil Teile
einus Koiilinuums, für den analysierenden Verstand selbst noch
ins Unendliche teilbar sind?
Das Erstere ist die allgemeine Anschauung bei den Philo-
sophen der Epoche . in der unsere Schrift entstand. Man fand
diese Lehre bei Aristoteles '): Albert der Groüe '•) , Tho-
mas von Aquino '"') stimmt*Mi ihr bei. Erst Durandus von
>) Albertus M&gntis. /'Ay/f. IV tr. 3 c. 5— R.
*) Thomas Aqn. Sumnta tUeol. I q 10 a. 4 ad 2: Nunc teniporia est
idtn »ubiecto in toto t4>nipurf.', 8t>d «üfTereiia rntinnt*. eo quod, sicut tempu»
m^ntli>i motui, ita tiuiic icinporis ro-»ptiiidnt inubili. Mobile atitem eal idem
aubiecto in toto decurau temporis, aed difforeos ratione in qnantom eftt btc et
ilii. Kt ista altornatio cät motud; similiter fluxua ipsiua nunc secundum quod
alternatiir ratione, eut tempus. — AtisfOhrliclu-r /'Ay/t. IV lect. 23 und tJjmf»\
36 />*■ inxtnntifßm, c. 2. Vgl. auch I Srnt. d. 19 q. 2 A 2. IV Sent. d. U
a. 2 ad 2»"> quaeat ad 2.
*) 8. unten S. 164.
*) Man stützte sich dabei auf Ariatot. PAyx. IV 11, p.2l9 b 53— 220
a l (vgl. Vin 1, p. 251 b 19— 20i: ifaregov Ae xai 3tt fUm jrmiyos firj glt}, tö
wirv orx ai» rt^, the t'o viv jii} fTtj, Z6^*^ ***^* ^•* "*!• ^*D Konimentar tiasa
leitet ThomHS von Aquino, Phyti. IV lecL 18 mit den Worten ein: Deinde
cum dtcit: Muniff^'iin r^t nniem i-tc, aaaignat ratiünem eonim quae dicuntur
do Hunr, et primo eiua quod dicitur quod nihil est temporia niai nunc.
VgL Complutenacs (s. S. 159 Anm. 2) I'hif». disp. XXI. quaest. 5 nam. 51.
*"} Albertus Magnuu, l'hi/t<. IV tr. 3 c. 6: In routu non (sst nisi
tiiouientum curren^, et in tempore non cat nisi nunc tluena.
') AuBer der Aum. 3 citiorten Stelle vgl. Üutntna theoL i q. 46 a 3
ad 3; q- 66 a. 4 ad 5. Opunr. 36 Dt hutniitibus c. S.
Inhalt, philDSophie^eschiclitlicbo StoIlDiig und Verfasaer der Sclirift. 159
St. Pourijain ^), dem später Franz Suarez -) beitrat, suchten
dem get'enüber die Anschauung zu begi'fmden, dalä die Zeit nicht
so sehr durcli die unteilbaren .Jetzt" existiere, als vielmehr durch
ihre ins Unendliciie Ifilbaren, Hieöenden Teile; denn das Sein
des Successiven, begründete dies Suarez ), sei eben das Werden,
und es sei darum nur dann richtig, zu siigen, die Zeil exi-
stiere nicht anders als in den wechselnden ^ Jetzt", wenn man
frage, was von der Zeit ganz zugleich ftotum simul) sei.
Der »Sophist" hatte ausdr-üclclich den Sab. aufgestellt, daß
die Zeil nur in den einzelnen Augenblicken, den ^.Mzt", existiere *).
Unser Autor erhebt in der Lösung der von dem „Sophisten"
geltend gemaciiten Schwierigkeiten nirjrondwo Widerspruch gegen
diese Anschauung. Wir greifen daher gewiß nicht fehl mit der
Annahme. daU er in diesem Punkte mit dem (iegner auf gemein-
samem Boden steht und ;iuch seinerseits der in seiner Zeit allge-
mein angenoniiuenen Lehre folgt.
Aber nun erhebt sich aufs neur die Frage, was denn unter
diesem Jcfzt zu vei*stehen sei, das durcli seinen Fluß die Zeit
hervorbringen soll, und wie denn im Flusse der Zeit das Jtitzt blei-
ben könne. Unser Autor macht darüber am Schlüsse (li, 20 —
13, 2) einige Andeutungen, die aber in ihrer rStselhaflen Kürze
') DiiraDdua, II. SVn/. d. 2 t^. 4 n. 14 (ich benutzte die Ausgabe
If^ron 1595. p. 299 1*): Ti^mpus non finbet aase per nunc, »ed per vxiälentiftin
aaanun partium, quae »vre et renliter Imbent ettse, qaamuis noa simul: nee
istad ease requirJtur ad os8<! reiile, aat] snluin «d esse pernini]<>ntium. quonim
Cüaditio oät sinmltuä, uou autem requiritui' ad esae succusstuomin.
-) Suarez, Metaph. tiitiput. L sect. 9 n. 22. Unter den Thomisten lat
Pliilippus tt SS. Trinitate, Sutinnn phifono/thicf (ich benutzte aie in der
Ausgabe Coloniae 1665, 1 '2'*" q. "21 a. 4, der gleichen Meinung, wilhrend
die Meisten der «ntgegcngesetaten Ansicht folgen, die besonders von den
C 0 m pl u to n so s J^ CothjU ComphUeN^ti« DUcatceiifornm Kr. li. Mürtae de
Utimte ('{irmefi tlispu/ntifmet in ncto libro» Physirontm ArUloteii» ich be-
nutzte dio Ausgabe Lyon 1668 — ) disp XXI quaest. ti ausfQhrltuh begründet
vird. Unter den Neueren boacbaftigt sich Tilmann Pesch, Itmfitntioneti
piiiiomphiac nntiifalia. Vol. II. p. 170 f., ntther mit der Krage.
") So Suares, n. a. <)., uüter Berufung auf A.verrues, Phya. III
oomm. 57 und auf Thomas Aqa., II. StnU d. 1 q. 1 a. 2.
*) S. 11, 2: de tempore nou est nisi in&lans.
160 Imposaibüia Sigeri de Brabadtia.
aus sich kaum verstanden werden können. Deutlich werden sie
erst, wenn wir sie im Lichte der zeitgenössischen Lehre betrach-
ten, über die uns die Schrift des Thomas von Aquino De
instantibiis die beste Auskunft giebt.
Aristoteles hatte am Schlüsse seiner Ausführungen über
die Zeit \) zu zeigen gesucht , daß nicht, entsprechend der Viel-
heit der Bewegimgen , auch eine Vielheit von Zeitreihen neben
einander anzunehmen sei, sondern dali die Zeit xar' ^^o/i/v
durch die regelmäßige Kreisbewegung des ersten Bewegten , der
Fixstemsphäre, gegeben sei. Da nun nach Aristoteles das Jetzt
dem Bewegten folgt -) , so waren manche der Ansicht , das im
Flusse der Zeit seinem Wesen nach ^) stets gleichbleibende Jetzt
sei auf das erste Bewegte, die oberste Himmelssphäre, zu be-
ziehen. Dieses erste Bewegte selbst aber Heß man , weil nach
der Aristotelischen Naturphilosophie in der supralunarischen
Welt kein substantiales Werden und Vergehen stattfinden , son-
dern alle Veränderung auf die Ortsbewegung beschränkt sein
soll, nicht der Zeit unterstehen, sondern dem aeuum, einem
Mittleren zwischen Zeit (tempus) und Ewigkeit {aeternitas)^ für
dessen Begriff jener Zeit Augustinus und Boethius einerseits,
der Neuplatonismus des Pseudo-Areopagiten und des Liber
de causis andererseits maßgebend waren *). Während das Sein,
welches von der Ewigkeit gemessen wird , jede Veränderung,
auch eine bloß accidentell mit ihm verbundene, ausschließt, das
Sein, das von der Zeil gemessen wird, dagegen in sich vergäng-
lich ist und in sich ein Früher und Später aufweist , ist das
') AriBtot. Phys. IV 14, p. 223 a 29 ff. Vergl. auch Mrtaph X I,
p. 1053 a 8 ff . Wie die ausgebildete Scholastik des XIII. Jahrhunderts die-
sen Satz auffaßte, sieht man aus Thomas Äqu. Summa tUeol. 1 q. 10 a. 6.
•) Aristot. Phya. IV 11, p. 219 b 22—23: Kit &i if^rfio/thuti uxoXov&ri
tö rvv. Vgl. oben 8. 157 Anm. 1.
'^ Sicat et essentia instantia est tota simul, und: instans ... est
unnm secundum rem, cam nihil perdat de substantia ipsius mobilia,
heißt es bei Thomas Aqa., Opnsc 86 De instant, c. 2 bei der Darstellung
dieser Ansicht.
*) Man siebt das besonders deutlich aus Albertus Magnus, Sntnmn
theoi I q. 23 membr. 2 a. 1.
Inhalt, philosophicgeschichtliche Stellung und VcrTnniwr der Schrift. 101
Sein . welches vom aeuum gemessen wiitl , in sich unverfliider-
lich , aber die Verfinderliohkeil und damit das Fnlher und Spä-
ter sind accidentol! mit ihm verbunden ').
Daraus sollte die Eijrentümliclikeil des Jetzt, das seinem
Wesen nach sich gleictibleibt und mir der Beziehung nach ^) sich
ändert, ihre Erklärung (niden. Der Sache nach stets dasselbe
aber ist das .Tetzt, weil es unabtrennbares Mala lur das erste Be-
wegte selbst ist, dessen Wesen ganz zui^leich ist und keine Auf-
einanderfoljife kennt. Dagegen ist es der Beziehung nach ein an-
deres und wieder ein anderes, weil das erste Bewegte accidentell
in Bewegung ist; und diese Verschiedenheit niarht die Zeit ihrem
Wesen nach aus'*). Diese Zeil ist als Accidens in keiner Bewe-
gung eines veränderlichen Seienden als ihrena Subjekte, sondern
nur in der Bewegung des unverAnderlichon Seienden. Der Be-
wegung den veründcrliclien Seienden iidulriert sie nicht, sondern
mißt sie nur äuüerlich. Jenes utiverandcrlictie Jttzt steht also
nicht in der Zeit. Es ist vielmehr das Jelzl des antuni , das
verschieden ist von den Jetzt, welche in der Zeit selbst das Ver-
gangene beenden und mit dem Zukünfti{j;en verknüpfen. Diese
') \ gl. z. B. TliüTnu« Aqu,, Summa tht'uK ! q lü a. 5.
*) i-fitiom; als t^berfiotzung dea Aristoteli&cheu kttyio (vgl. S. 156).
*) ThoiDAs Aqu., O/niAr. 36 De intttaiit. c. 2 (pd. Antverp. 16J2 fol.
SIÖ"" « D (f.): Motu» enim est in mobili iit in subiocto, bicuI dicitnr in
Itl. Physiroram; nu-ntjurn aiitem ip^iiiä tiioliiüs est iiiHtaiiH, quta iiistiins
g«quitQr id quod fertur, ut dicitiir IV. Physicorum. Rt qiiidani referunt
lioc ad iimtanH neui, dicentee ipaum easc idem »ecundum rem cum
iimtariti temptn-iH. difl'urenü tarnen rafciune . dit'ent«s quod prinuim mobile?,
CUJUS mensuiQ est instana, quia easentla aua eat tota simul et non in
aliqun svccesslone. sicnt et essentia instantia ent tuta aimul, idcK) est untmi
et id(>m realiter in t-ntn motti ttiio , scd diuersum et (tiuer»um rntione ;
et hflec eins diuersitas i^st t<>tu8 motus eins, cuin» ipsuin molille hpcuh-
dum csscntiam nihil est, seil e»t pmitus extra gunits elu», cum ip»ain Bit
BuUtantia, uiotua uero aixidens. Eodem tiera modo insifloa, quod eat meii-
aura ip^ius mobilia Bequen»« ipsunt. eat unuuj secundum rem. cum niliit pt'rdafc
de subataiitia ipaius mubilia. ruins inatniiH eat lueiifiura iniM>ptirabilis, sed di-
nerauiu et dtuersain secundnni rationom; ot haeo eius diuersitas est iempua
enenliiiHler, ciüus ipsiim instana, quod est nienaura prtmi mobilia, nihil eat
SMUnduni eoB. et idi-u uljjd in caäeiiiia auu cai instjina, cjuod est unum in
toto tempore, a quolibet inalnnti. quod est in tot« tempore a«l nt contJnuan^
uel ut tcrminua.
Heitrag« II, ii. H.ifjn in Ic er. Sigcr von DmSnnt. H
168 Impossibilia Sigeri de Brabaotia.
in der Zeit befindlichen Jetzt sind darum überhaupt nicht für
etwas in der verflnderlichen sublunarischen Welt ein Ma&, das
ganz zugleich wäre, und als solches einem Sein folgte^ das ganz
zugleich ist; denn in dieser sublunarischen Welt giebt es kein
Sein, dem jenes Jetzt verbunden sein könnte, da es eine imver-
änderliche Substanz dort überhaupt nicht giebt ^).
Thomas von Aquino hat diese Ansicht bekämpft *). Er
weist überzeugend nach, daß sie dem Sinne des Aristoteles
nicht entspricht, der schlechtweg, wie die Zeit zur Bewegung,
so das Jetzt zum Bewegten in Beziehung setzt % Er bleibt da-
bei stehen, da& dieses Jetzt (instam) das Bewegte messe, inso-
weit es in der Bewegung ist und während der ganzen Bewegung
dasselbe bleibt. Aber dieses Jetzt — und hierin berührt er sich
mit der ersten Ansicht — muß unterschieden werden von den
Jetzt, welche die Teile der Zeit verbinden *) und welche nicht
bleiben , sondern mit der Zeit dahinschwinden '•'). Wohl aber
sind beide Formen des Jetzt auf das innigste verbunden. Indem
das Jetzt, welches Maß des Bewegten ist, in der Bewegung
stets andere und andere Daseinsformen fdiuersa essei erhält
und so die Zeit hervorbringt« bleibt es in seiner Wesenheit zwar
unverändert, ebenso wie das Bewegte, wird aber kontinuier-
lich in seinem Sein variiert; und diese wechselnden Seinsfor-
men sind die wechselnden Jetzt, welche die Teile der Zeit
verbinden % Diese wechselnden Seins formen fdimersa tsge >
') Thomaa Aqa., a. a. O. c. 2.
*) J. «. O. c. 3.
") Siehe oben S. 156.
*) A. (t. 0. c. 2 (foL 216v a F): Ex qoibna manifrwhmi est aüam esM
nataram iostantis qaod mensarat mobile aenmdiun illad qaod est H secvadom
id qood est idem ia toto mota. aliad autem est qood contiDaat t^mp^w
*) A. a. O. c. 2 (fol. 216' b H): Cob aatMi dicitv qaod aikü est
pracsenB de tanpore niai mumc, ikmi significatur aliqnod rwr^in qood est e«»-
tianans partes tempwis adinuieeni, qood enm tempore labitv nee 1 1 1 iiiiart
*> A. a, O. fot. 216'' b H -I: Sed boc diritv de mmmr qw»d seqwtw
id qaod fertur. Id enim maDet idem senrndam ess^oiaai ia tat» Maapore.
aariatam tamm per ratiooem, et ia isla diaeraitate ems iaaeaiaaiar malia
instantia, aemper tarnen labentia com tempore. Caiatai aatcm aaDam tabam
iastantiom labeotiam esse causam tnnporia. m aalhaa ipaecam maaeas in
toto tempore, sed tnuiaeat eam qaalibet parte frmpsfii Ipaa eaim s^
Inhalt. p]ii]o&Ap1üege3chic)itHche Stellung und Verfftsaer dor Sclirifl. 168
(k'S Jetzt, obwohl sie nicht das Jotzt selbst sind ') , atrtcieren
das Jetzt der Zeit docli innerlich; und hierdurch untei-schddet
sich das Jetzt der Zeil von dem Jetzt des aeuum -). Dieses Jetzt
der Zeit ist darum, wenn auch nicht selbst Zeit, so duch etwas
an der Zeit ■*). So wird nach dieser Ansicht, wie hier nebenbei
bemerkt werden mflge , das Sein der veränderlichen Dinge doch'
durch die Zeit gemessen; zumal ja das Jetzt nur in sofern iMaiJ deS
veränderlichen Dinges ist, als von der Veränderlichkeit des subötaft-
tialen Seins dieses Dinges während der Bewegung abstrahiert wimi-*).
aae rationea ipBtus instnntis. qtiod est idom in tato tempore, i-t idoo uociintiir
(der Druck fatacli uocaturi iusUntia. Vgl. eld. fol. 21ß'^ G,
') A* a, 0. fol. 316v a 0: Bicot a parte 'mobilia, its et a parte instam-
tis, qnod »fquitnr mobile, est accipere diuer^a et diuarsa fHse. Et hnec oius
diuer^itiis conaistit in ipj^is indiuiHihilibus (4:>mpori6. qiiau «t dicurjiur iivjn-
snrata r^sf; et inta tiiensurnta e^se sine intorpolutionfi sunt tiistHntin qiine
i:ontiauant t^nipus; et haec niliit aJiud sunt nisi diuersa ut diuersa ratio oius-
dum instaitlia, qiiod idom «st realiter in tuto tempore, seqiiens mobile in
qiitintuiti oät idem ro in toU* iiiotu. ''
') A. ti. O. fol. 2Miv II I: ^uJA diatTBttas oon aitingit essentinm aeaV*
Ueat ei coniungator; »cd attingit nunc tomporia. |
^'l A. u. O. fol. 216^' A I: Ipsurn iiero instaiiH quod in ^e alterntur diut^a'
«t diuersa rntiime quoad sua csxf, i*^l nliqiiid tempuris, sed non tompus.
*) Ea war ein Da;-b den verachiedenstcn Richtungen hin diskuticr-
tea ProVein in jener Zeit, wodurch denn das aubstnntiollc Sein der T«r-
Mndt'rlicNen Dinge geniesayn werde. Albertus Magnua, VhifH. IV lr. S c.-
lU Endo ip. |1»7 a Jammy} und Tbomas von Aqnino, Snmmn thuol. 1 q.
lü a. 5 sagen: durch die Zelt (wie düä mit dem Satze, das Jetzt begleite
die Suba^tanz des bewegten, au vereinen, ist oben im Text angedeutet): Du na
Scotua, 11 S,'»t. d. 'i q, 4-, gegtri Kndi?: diircli Hhh tiftnim tda bei dem Kort-,
bestand auch der veränderlichen Ir^ubstanzen nur die AhhÜngigkeit von der*
erhaltenden Ursache inbetracht komme, die stets gleichförmig sei). Duran-
dua. II Srnt. d. 2 q. 6 hielt nach dem Vorgänge von Alteren (wie wir aaa
Albertus Mjignua c n. 0. eraelien) an der Au^drurksweide der Ariatptäli-
scben Physik l'eat, dalk das bleibende Jrtzf der Zeit Mafi jenea Suina sei *— ^
eine Ansicht, die auch in dem Thomas von Aqutno XäUchlich beige-
legten OpnM,\ 44 iJf tfmfjf'r<' c. 3 {fol. lOr b K) sich auageHprochen findet —
will die» aber von dem Jttzf der didkreten. nicht der kontinuierlichen
Zeit lüber dicaen Cnlcrsclüed dua Nähere II Sunt. d. 2 q. 4 n. 4;, ed. Lngdim.
1595. p. 298 h) veratandcD wiasen (II Sent.d. 2 q. 6 n. 6, p. 302 a: T.x. quo
patet quod fsae aubutantiac generabiüa et corruptihiliä, sjue quantuni ad esae
furmne in uiateria, üiue quantum ad esae cumpoaiti quod hi;bot n forntii, hübet'
durationeiii rmwc teniporia diacreti).
11*
164 Imposflibilia Sigeri de Hrabantin.
Auch Aegidius Colonna (Aegidius Homanus), den wir
schon beim ersten Problem der Imposnibilia anzogt-n'), vertritt,
wie hier nebenbei bemerkt sein möge, im Wesentlichen die
gleiche Ansicht, wie Thomas von Anuino ').
Wie man aber uucli den Sat>^ fassen machte, da& das Jetzt
im Wechsel der Zeit in sich das Gleiche bleibe: jedenfalls er-
sieht man aus dem MitgeleiUen, worauf die zeitgenössische Spe-
kulation hinausging. Es handelte sich darum , im Anschluli an
die Aristotelische Physik zu zeigen , wie ein in sich gleichblei-
bendes Jetzt durch seinen konstanten Fluß die wechselnde Zeit
hervorbringen und zugleich die Einheit der Zeit bewirken könne.
Demnach werden auch die rätselhaften Worte keine Schwierig-
keit mehr machen , mit denen der Verfasser seine Ausfiihrung
Fchliefet , um zu zeigen, wie trotz des Vergehens des Jetzt , das
er dem Gegner gegenüber als möglich zu erweisen gesucht hat,
doch in anderer Beziehung das Jetzt etwas Bleibendes sein
müsse, wenn man nicht aus der Scylla in die Charybdis ver-
fallen und den Zusammenhang der Zeit verlieren wolle: , Ob-
gleich aber das Sein des Veränderten nicht während der ganzen
Veränderung bleibt, ebenso Avenig das Sein des Jetzi (iuntnn.ii
während der ganzen Zeil, so ist doch das Veränderliche in seiner
Substanz während der ganzen Zeit der Veränderung eines,
oder die Veränderung wäre nicht eine und nicht zusammenhan-
gend ; und das Jetzt (insian^i^ das Matä der Substanz dessen, was
bewegt wird, ist wälirend der ganzen Zeit in seiner Substanz
eins, oder die Zeit wäre nicht eine und nicht zusammenhangend'
{\% 20—13, ä).
Wie man sieht, ist es im Wesentlichen die von Thomas
von Aquino aufgestellte »zweite) Ansicht, die hier zugrunde
liegt. Noch mehr freilich als an diese, mehr auch als an die
kouipliciertere Darstellung bei Aegidius Colonna, erinnert die
einfachere Gestalt derselben an Albertus Magnus ■'). Mit die-
sem stimmt es auch übercin , daU unser Autor von der sich
^ S. obea 8. 188.
*) Werner, ÄmjmtiniatHm, Ö- U8 f. Vergl. auch fint. S. 119 t^
(Gregor von Rimitii Über daa minc). S. schon oben S. 158.
=') Albertus Magnus. Phffs. IV tr. 3 e. 5-8.
InliAlt. pliilosophies^schichtlichc Stellung und Verfasser der Schrift. 165
gleichbleibenden , Substanz* fsuhntantia) des Bewegten und des
JelxL spricht, ein Ausdruck, der Thomas von Äquino selbst
fremd ist ^) , wfllirend er bei Albertus niehrfju-h sirh findet-).
Seine Quelle ist wohl die ialeinisclie fl »ersetz ung von Averroes"
Kommentar zur Physik '^); wie denn jene panze Theorie der
Zeit und des Jetzt, durch die man die Augustinische und
die durch Üionysius Pseudo-Areopagita und den LÜter de
rausi» übcrkoinniene neuplntonische Lehre ergänzte *) , von
Albert dem Groläen mehrnials ausdx-ücklich auf die Araber
zurütrkgeffihrl wird ^).
4.
Auch der vierte Satz beschäftigt sich mit einem natur-
philosophischen Problem. Wie kommt es, hatte sich schon
Aristoteles gefragt, daß das Schwere herab zur Erde fällt,
') Bei Thomas steht fubiet-tum, rHUftttin, nfcntidtim [rem oder if iifmi;
8nbntaMtm atebt nur einmnl Opmc. 36 c. 2 In wenig bezeichnender Weise
und zudem bei der DarMtellung einer bukämpften Ansicht. Ebenso IV SfHt.
d. (1 a. 2 ad 2*'^^* quaettt. ad 2: f.t idcn alii dicunt quod, aicut probatur
IV. Phy.-i.. in toto tempore non est accipere niai unum'tiMHr secundum
subfltantiam.
0 Albertua Magnus, /%/i. IV Ir. S c 7, p. 192 o Jsmmy; Nump
ruB partium motuit ettt tempus, et unitaa eiua tn toto niutu est »mif, qiiiid
est idem in substantia propter inromipiibilitAtem et inuai'iabilitateni mobi-
lia BJue eiuB quod fertur secundum subicctum: <?t ost in esse (das beiJamniy
nach in fttehcnilfi .tniiui/nw ist wohl cinfni'h r.ii fttreirben) diuersum, in quan-
lum Unit a pnure in ponterias EM. pag. 19*2 b: Id enim est aut punctum
uuum aecundum substantiam etc.
^ Auerroea. i'V- IV eomm- 105, fol. löO* D (zu IV 11. p. *J19 h
33 IT.): Cum declarauit quod instans est unum quodam modo et plura alio
modo, uult declarare subatantiani eiua quid t^it.
M Vgl. schon oben S. 160.
") Alhortas Magnus. Pfii/t*. IV tr. 3 c. 6 Ende: Sed haec de tero-
puris natura sent^ntitk est Arabiini, licet nmlti Latinorum nliter aapiaut,
qui^s ego Aet-uius alitrr fortu dixi et t»cripNi (Über die Ahfasaiiugszelt vgl. die
trefflichen Ausführungen toh Mandonnet, Üentf thmiiUfi- V. 1897. jt.^Ö ff.).
Sed bic per omnia Arabes at-qui dispoHUt, quia puto qnod intellectus eorum
de tempore est ucnis. Ebtt. c. 7. p. 192 (unten) Jauimy: Et sequiiiiur per
omnia Arabea, aicut supru diximns
166 ImpDäftibiliA Sigori 6b Br&l-&nt4B.
das Leichte, z. B. die Flamme, dagegen nach oben steigt?
Seine Lfeung ') gehl von ileni Gedanken aus, dali ein jedes der
vier Element»' .winni nalu]Iic;h(;n Ort in dem Slockwerk-Bau des
WelLgebÄudes tiat, nu dem es akh in Huhc belnidet. Ist dieser
Gedanke doch bekanntlich für Aristoteles ein Hauptgrund , aus
dem er die Realttül des Raumes beweisen will. Hat das Ele-
ment seinen Ort oben, so ist es leicht; hat es ihn unten, so
ist. es schwer. Nun kann rs aber vorkommen, daü ein Teil
des Elementes sich nicht an seinem naturgenifltäen Orte befindeL
Der Grund defür kann entweder darin lie^^en, data, enlsprecbend
dem [^ber;;ange lier Elemente, das leichtere in ein schwereres,
das schwerere in ein leichleres sicti verwandelt hat, oder es hat
ein ätiljerer Zwang den betreffenden Körper von seinem natür-
lichen Orte entfernt und auDerbalb desselben festgelialten. Dann
ist der Körper, der seinen naturgemäßen Ort oben hat, wie
Aristoteles seiner Terminoiü^'ii' peniäh sich ausdrückt, nicht ak-
tuell leicht, sondeni poltMilitll leicbl; derjenige, der seinen
naturgomäläen Ort unten hat, nicht aktuell scliwer, sondern
potentiell schwer. Wie verwandelt sich nun das potentiell
Leichte tu ein aktuell Lim-htcs, das prylciitiell Schwere in ein
aktuell Schweres, da doch kein Potentielles sich selbst aktuali-
sieren kann, und da bei ilen unorganischen Körpern auch nicht,
wie bei ilen lebenden Or^ranismen, ein bewegender Teil einem
bewegten gegenübersteht? Eine Seihst bewegiuig der Ele-
mente ist für Aristoteles aus deti angeführten Gründen aus-
geschlossen. Spricht er auch in einer logischen Schrift -) ge-
legentlich von einem inneren Antrieb {öofu}). welcher den Stein
mit Notwendigkeit unvh unten ziehe, so hat er in seiner Natur-
philosophie, wo er die Frage eigens behandelt, diesen Gedanken
nicht weiter verfolgt. Hier führt er den Gnmd jener Dewegung.
d. h. des Oberganges aus der Potcnzialität in die Aktualität,
auf eine äußere, bewegende Ursache zurück. Dai leichte oder
') flns NSherG hoi Cl. Bneumker, /Mw i'ttifitfm ilrr ^nlrrtt in fUr
i/nfchigrht'n I'hUmaphir, MDiist^r 1890 S, 273 tf. Dawlbst tludet) sieh
auch für jedvn dar. einschlägigen Sttixe die Belege aus Aristoteles zusAnv
iiitingeKtellt. •» .
') Aristoteles. A$ial. jtotit. II 11, p- ^o a 1—3.
Inhalt, Philosoph iegoschichtlicbe Shilling und Verfasser der Schrift. 167
schwöre Element hat, weil es kein Lebewesen ist, nicht das
Princip aktiver, sondern nur das Princip passiver Bewegung in
sicli. Verliehen wird ihm diese Bewegung in dem einen Falle
— dem des Überganges der Elemente in einander — durch die
bewirkende Ursache, welche diesen Übergang herbeilTihrt, also
durch das. was das neue Element erzeugt; in dem zweiten durch
die bewegende Ursache, welche das Hindernis hinwegräumt. Üaii
aber in diesem Falle die Erde nach unten, das Feuer nach oben
sich bewege, das liege in der jedesmaligen Potenz des betref-
fenden Elementes begründet. Jede naturgenu\üe Veränderung
erfolge nur in der Richtung, die durch das .Vermögen" des be-
treffenden Gegenstandes gegeben ist. Hier noch nach einem
weiteren (iruride fragen, wäre so viel, wie wenn man frage, weshalb
das der MOghclikeit nach Gesunde gesund, und nicht weiU, das des
Wachstums FAhige groti^ und nicht gesund werde.
Man wird nicht betiaupten, daö dieso Ausführnngen des
Aristoteles sonderlieh ilberzeugend klingen. Daü sie so unbe-
friedigend ausgefallen sind, liegt vor allem daran, dati dem Sta-
giriten die Kenntnis zweier Grundanschauungen der modernen
Pliysik fehlt: des Beharrungsgeselzes in der Form, in welcher
Galilei es als allgemeine Hegel des Verhaltens nlt-ht nur für die
Uuhe, sondern in erster Linie für die Bewegung aiilstelUe, und
des Newton'schen Gesetzes der Gravitation. Freilich ist zuzu-
geben, daU das Gravitalionsgesetz keine letzte kausale Erklürung
der oinschUgigen Vorgänge giebl. Es leistet im Grunde nicht
mehr, als daiä es uns Fall und Auftrieb und alles Verwandte
auf ein gemeinsames Grundphänomen zurückzuführen erlaubt.
Niemand war weiter davon entfernt, als Newton selber, die
Gravitation zu einer geheimnisvoll wirkmdi'n EntitAt zu hypo-
slatisieren. Aber jene Aristotelischen HüHsmittel des natürlichen
Orts, der Potenz zu diesem natürlichen Ort u. dergl. sind doch
durch diese Gesetze definitiv zu Grabe getragen.
Die Scholastik übernahm im allgemeinen die Aristotelischen
Anscliauungen. So z. B. in dinsem Punkte auch Thomas von
Aquino*), der freilich hinsichtlich des Unterschiedes des Falles
im (hypothetisch angenommenen) Leeren und des Falles im ge-
') Ka uittge geuQgen, auf Stiwma theo!, i q, 18 h. 1 url 2 hinzuweisen.
166 Intposaibilia Sigeri de Brabaniia.
fülllen Räume Anschauuiipren vertritt, welche den modernen
diir<*haus erilspre^'hen '). Aber uucli iiuf dem ßoden der Aristo-
telischen Anscliauung entstanden nmnrherlei Schwierigkeiten.
Ein Hindernis wegr-üumen oder ein Element, das eigenth'oh nn
einen beslhnmten Ort trehörl, an einem andern hervorbringen,
beiül doch nicht, den Anstoü zu einer Bewegang. und zwar zu
einer bestimnil gerichteten Bewegung, geben. Selten hat Ari-
stoteles mit seiru*a s<j Ipjrhl zu bequemem fiedankens|>iel verlei-
tenden Bogriflen „Akt" und „Potenz" so dialektisch operiert.
wie hier. So entstanden denn mantherlei Meinungsverschieden-
heiten, die sich schließlich alte um den Punkt (bebten: wie
macht es das Schwere, daü es, losgelassen, herunterfällt? ^Das
macht eben die Schwere, deren Natur t^s ist herabzudrucken.
Dos Schwere fällt durch sich selber**, so lautete im Grunde die
etwas überraschende Antwort des Duns Skotus-), und andere
griffen, wie man aus dem Verfasser unserer Impassibititi ersieht,
wieder zu anderen Erklärungen ■').
Unser „Sophist" einsieht gewandt die Schwäche. Ein oben
befindlicher schwerer Körper wird, auch wenn er nicht
zurüekgehulton ist. doch nicht herabfallen (13, 4— 5>.
Die Begründung knüpft wieder an Aristotelische Ge-
danken an. Bei jeder Bewegung ist nin Bewegendes und ein
Bewegbares erforderlich. Hier aber fclilt das Bewegende. Denn
ein von aulAen Antreibendes ist nicht vorhanden. In den» Be-
wegten selbj^t al)pr können wir nichl ein Bewegendes und
ein Bewegtes unterscheiden , so dali das ei*stere aktuell — in
unserm Falle also aktuell unten — , das zweite potentiell
— d. h. potentiell unten — wäre. Denn die quantitativen
Teile sind allo gleichartig. Ebensowenig karm der Uiiter-
scliied von Materie und Form herangezogen werden: denn die
') Siehe uTit«'ii S. 174.
-) Duna SevtuB, 11. .SV«/*-»/, d. 2 q. 10.
'] Wie spatere Tliomiaten, Skotisten. Nominalisten durObcr flacbt4>n,
Btellt %. li. .loanriuit LHlenmndel, Cnr.mji phUumtphh'uA oompirctrmf lattufut
«ii.HriitifHS ('oHtroio')'i'inn i/niHf^ o Lotfirin, Fhtjgiri», }fft(tjfiiitgici>»ftu tiffiinri
ttofitas, praettriiim nnne Thitminlirnr, Sctitieaf. et Xomimifiuin SV/ty/iJ* nutinfftn
cicHt. I.ugduni lB5tJ Disput. IX. partitio VI, p. 488 ff. bequem zusammen.
\
(nJioIt, philosophiegeschichtliche St«'lnng und Verfaiwer Aar Schrift. 169
Materie ist etwas rein Potentielles, kann also nach Aristoteles ')
nicht bewegt werden (13, 5 — 17).
Ob unser „So]>hist'* sein Paradoxon in einem tieferen Ge-
dankcnzusamiiienhange aulifcstellt hat? Etwa dem, daü dadurch,
wie durch die Paradoxa Zenon's des Eleaten, die HealiLät der
Bewegung und des Raumes bestritten werden sollte? Ob es so
ein Atialopon zu der dritten These bietet, die alier Wahrschein-
lichkeil nach mit dem Satze von der blolien Phanomenalität der Zeit
zusiiitjnienhätigt, weicher uns unter den 1^77 verworfenen Sätzen
begegnet^)? Oder ob es ein bloües Spiel dialektischen Scharf-
sinnes darstellt, das in übermütiger Laune eine unklare Lehre
ad absurdum füliren soll, ohne einer neuen Anschauung den
Boden beri-ilen zu wollen, wii' ein keckes Reiterstückchen, das
VerwirrunfT in die Reihen der GegTier tragt, ohne aber den
Fortffang des eigenen Heeres zu fördern? Wer kaim (»s wissen?
Da uns indes von einer enisthaFlen Bestreitung der Uealität des
Raumes in jener Periode keine Spur begegnet, so dürfte wohl
das Letzten? das Wahrscheinlichere sein. Das Paradoxon stellte
sich dann dem ersten, ,es giebt keinen Gott", an die Seite, das
auch gewiß nicht ernsthaft gemeint ist.
Für den Gegner des , Sophisten" entstand nun die Auf-
gabe, zu zeigen, daÜ bei der Abwärtsbewegung des Scinveren
in der Thal ein Bewegeruieö und ein Bewegter^ unterschieden
wei'deu könne. Er unterzieht sich seiner Aufgabe, so gut es
von der Arist<»ti.'lischen Betrachtung des Problems ans über-
haupt möglich ist. Mit Averroes nimmt er an ^) («rste Kr-
Wläi'uii^rh daü das Schwere zuerst das Medium bt-wegt, in dnn
es sich befindet, und dann mit diesem bewegten Medium zu-
gleich mitbewegl wird, wie der Schiffer, der das Schiff mit
seinem Ruder vorantreibt und dadurch zugleich selbst mit fort-
bewegt wird. Bas Schwere bewegt also sich selbst nur nülK*nbei (in
accidenteller) Weise, nämlich insofern sein passives Beweglwerden
accidentell mit der Bewegung des umgebenden Miltels geg<'hen
ist, welch letzteres es direkt und an sich bewegt {i'A. IS— 1 1-. 10}.
^> 8. 8 IS Anm 2.
■) S. oben S. 150.
') S. S. 13 Anm. 3.
170 TmposBibilia Sigeri de Brabantia.
Dagegen erheben sich freilich Einwände. Das Schwere,
scheint es. bewegt das Medium nur dadurch, daß es selbst
schon bewegt ist (erster Einwand); und außerdem ist das
Verhältnis des Schweren zu dem umgebenden Medium nicht
dasselbe, wie das des Schiffers zum Schiffe (zweiter Einwand)
(14, U— 19).
Mit spitzfindigem Distinguieren hatten sich, wie unser
Autor berichtet, einige hier zu helfen versucht (zweit« Erkit-
rnng). Freilich kann, so meinten diese, dasselbe nicht ak-
tuell zugleich bewegend und bewegbar sein ; nichts aber hindert,
daß dasselbe zugleich als Aktuelles bewegend und als Poten-
tielles bewegbar sei. Bewegend aber ist das Schwere, inso-
fern es — seiner Natur nach — aktuell seinen Platz hat; be-
wegbar ist es, insofern es — wenn es oben festgehalten wird,
nur in der Potenz zu dieser Situation sich beündet. Da es
nicht durch seine Natur {per se), sondern nur durch eine äu^re
Ursache, also accidentell, an einem seiner Natur nicht ent-
sprechenden Orte sich befindet, so kommt es ihm anch nur ac-
cidentell {])er accUlens) zu, bloß in der Potenz zu seinem natür-
lichen Orte sich zu befinden. Wenn also das Bewegte als actn
inferiutt sich selbst als ptjtenth inferius bewegt, so bewegt nicht
dasselbe sich selbst per se — was unzulässig wäre — , sondern es
bewegt d.asselbe sich selbst nur per accidens. Es bedarf also
nicht des bewegten und bewegenden Mediums, um die passive
Bewegung des Schweren zu erklären (14, ^0 — 27). — Man sieht,
wie der unzulängliche Aristotelische Gedanke, daß die Richtungs-
anlage zu dem natürlichen Orte jedes Elementes es sei. was
dem Anstoß seine bestimmte Richtung gebe, hier noch über-
boten ist. Das Element selbst, insofern es aktuell an seinem
natürlichen Orte ist, soll sich, insofern es nur potentiell an diesem
natürlichen Orte sich befindet, dorthin treiben. Eine wunder-
liche Art, durch das Spiel mit Begriffen physikalische Probleme
~ nicht zu lösen, sondern ~ zu verschleiern.
Dieses Begriffsspiel setzt sich dann noch eine Weile fort.
Wenn das Schwere, wendete man den Vertretern jener Ansicht
ein, am Ende seiner Bewegung an sich (per se) unten ist, so
mußte es doch auch durch sich selbst bewegt werden, nicht
Inhalt, Philosoph iegeschichtlicfae Stellung und Verfasser der Schrift. 171
nur accidentell {per accidens)^ wie oben vorausgesetzt wurde.
— Diese Folgerung, wird erwidert, trifft nicht zu. Denn wenn
ein Bewegtes darum nur accidentell bewegt wird, weil es in
einem an sich Bewegten wie ein Teil oder wie ein Accidens
desselben sich befindet, so wird es allerdings, wenn die Bewe-
gung zu Ende ist, auch nur accidentell am Ziele sein; nichts
aber hindert, daß etwas, was durch etwas anderes und nicht
durch seine Natur in Potenz war, am Ziele der Bewegung an-
gelangt, an sich, d. h. durch seine eigene Natur, an jenem Ende
sich befindet (14, 28-35),
In ähnlicher Weise würden die Vertreter jenes zweiten
Erklärungsversuches einen andern Einwand zurückweisen , der
zugleich auf die von dem Verfasser selbst im Anschluß an
Averroes gegebene erste Lösung polemisch Rücksicht nimmt
und dadurch die Diskussion weiterfuhrt. Wenn etwas, lau-
tet dieser Einwand, accidentell bewegt wird, so ist das
nur möglich, wenn es bei jener Bewegung ein an sich Bewegtes
giebt. Ein solches ist aber bei jenem zweiten Erklärungsversuche
nicht vorhanden. Auch das bewegte umgebende Mittel, das der
erste Lösungsversuch als an sich Bewegtes ins Feld führt, giebt
keine hinreichende Erklärung. Ein solches Mittel nämlich ist
für die Bewegung des Schweren überhaupt nicht nötig, da ja
auch im Leeren Bewegung möglich ist. Ferner wird so nicht
erklärt, wo denn in dem bloß mathematischen Räume, wo doch
das Vorher und Nachher, auf dem die Bewegung beruht, sich
findet, der Beweger und das Bewegte sei. — Auf diesen Ein-
wand, meint unser Autor, würden die Anhänger dieses zweiten
Lösungsversuches antworten, gerade wie auf den ersten Ein-
wand, nämlich daß auch er den Sinn des „accidentell Bewegten"
verkenne. Nur wenn etwas deshalb accidentell bewegt werde,
weil es Teil oder Accidenz eines anderen sei. müsse man ein
an sich Bewegtes aufweisen; nicht aber, wenn es, wie hier, des-
halb bloß accidentell in Bewegung sei, weil es nicht durch
seine Natur, sondern durch ein anderes aus seiner Ruhelage ge-
bracht und so accidentell in Potenz zu seinem natürlichen
Orte sich befinde (15, 1 — 12).
Unsem Verfasser befriedigt indes dieser zweite Erklärungs-
172 Impossibilia Sigeri de Brabantia.
versuch nicht. Auch bei ihm, meint er, müsse als Voraussetzung
der accidentellen Bewegung ein an sich Bewegtes vorhanden
sein, und zwar müsse diese an sich erfolgende Bewegiing bei
dieser Ansicht in dem sein, was das Schwere zu einem bloß
potentiell unten Befindlichen mache, das heißt, was sie hindere,
unterhalb der tragenden Säule oder, wenn diese fortgenommen,
unterhalb des betreffenden Mittels zu sein (15, 13 — 21).
Auch aus einem Satze des Aristoteles soll folgen, daß nur
dann, wenn ein an sich Bewegtes vorhanden sei, das Schwere
accidentell bewegt werden könne. Derselbe lehrt nämlich, daß,
falls kein umgebendes Mittel vorhanden, eine Succession in der
Bewegung und darum eine natürliche Bewegung unmöglich sei.
Denn da im Vollen der Körper um so schneller falle, je dünner
das Mittel sei, so würde, falls der Körper im Leeren eine suc-
cessive Bewegung habe, ein Grad der Verdünnung des Mittels
denkbar sein, bei dem der Körper ebenso schnell falle, wie im
Leeren. Da aber ein noch so verdünntes Medium noch immer
den Raum fülle, so würde hier also der Denkwiderspruch sich
ergeben, daß ein Körper im Vollen ebenso schnell falle als im
Leeren, was unmöglich sei (15, 22—16, 12).
Man dürfe dagegen nicht einwenden, daß dieser Wider-
spruch nur aus der Annahme einer unendlichen Verdünnbarkeit
des Mittels folge, also nichts beweise, weil jene unendliche V^er-
dunnung nicht ausführbar sei. Denn nicht darauf komme es
an, wenn es sich um einen Denkwiderspruch handele, ob etwas
physiscli ausführbar, sondern ob es denkbar sei; denkbar aber
sei jener höchste Grad der Verdünnung') (16, 13 — 14-).
Aber wie es hiermit auch stehen mag^), in keinem FalU'
würde es für die Bewegung durch das Volle und das Leere ein
gleiches Maß geben; denn eine in zeitlicher Folge sich vollzie-
hende Bewegung durch das Leere ist noch aus einem anderen
Grunde unmöglich. Dieser zeitliche Verlauf im Durchschreiten
des gefüllten Raumes ergiebt sich nämlich aus dem Widerstände.
') Ich habe den lückeohaften Text nach Averroes und Albertus
Magnus ergänzt; vgl. S. 16 Anm. 2.
') Vielleicht sind die Worte et hoc dato nicht Anfang des neaen Ar-
guments, sondern es ging auch hier noch etwas vorher.
iTihtili, philusophicgeachichtlicbe BtellutiK nun Verftmser der Schrift. 173
welclien der lallende Körper an dem Mittel, durch das er sich
bewegt, findet. Im Leeren, wo ein solches Widerstand leisten-
des Mittel nicht vorhanden ist, würde also ein schwerer Körper
nicht in einer successive verlaufenden Bewegung von oben nach
unten gelangen, sondern er würde oline zeitlicJi verlaufende Be-
wegung sofort unten sein. Eine Bewegung im Leeren ist also
unmöglich (10, 14-27).
Unser Autor macht diese Äusfühnmgen zunächst deshalb»
um zu zeigen, daü ein accidentelles Sich-selbst-Bewegen des
Schweren nur dann möglich ist, wenn zuerst ein an sich Be-
wegtes — das Mittel — vorhanden ist. Der gegen den ersten
Lösungsversuch gerichtete, bisher unerledigte Gedanke, das Mit-
tel könne nicht deshalb das an sit-h Bewegte sein, w'eil auch
ohne ein solches Mittel Bewegung möglich sei, nämlich im Lee-
ren '), ist damit zurückgewiesen. Im Leeren giebt es keine Be-
w^egung. Beides, da.-^ Vorhandensein eines Mittels und die Mög-
lichkeit der Bewegung, scheint also an einander geknüpft zu
sein. Aber die Sache und die vorgebrachten Beweisgründe
erregen ein selbständiges Interesse beim Verfasser. In weit-
schichtiger Darle^'ung behandln er den Fall im Leeren und die
Meinung des Aristoteles ilaiüber [Kxkui-sj. Was er sagt, hängt
zwar mit dem zu beweisenden Salze noch zusammen, kommt
aber auch auf femer liegende Punkte.
Eine Bewegung im Leeren, wende man ein, sei dennoch
möglich. Denn für eine solche sei nui* der Unterschied des räum-
lichen Vor und Nach erforderlich, und dieser bleibe auch im Lee-
ren, in dem ja die mathematische (Quantität verbleibe (17, I —5).
Schon Albert von Köln und Thomas von Aquino
hätten sich mit diesem Einwand abzuünden gesucht =*).
Unter Berufung auf Aristoteles, nach dem es im Leeren
sowenig wie im Nirhtseienden Unterschiede gebe")i leugne
Albertus Magnus den Unterschied des Vor und Nach im
Leeren. Aber diese Erklärung Albert's, meint unser Autor,
treffe nicht zu. Denn solche Unterschiede, welche die Bewegung
>) S. oben 8. 171.
*) Diß Nachweisung4<n kuh Albert und Tbomaa siehe in don An-
merkungen zum Text, 8. Iti und 17.
■'} S. S. 16 Anm. 2.
174 ImpOBÜliilia Sigcri de Brobantia.
eine6 im Leeren befindlichen Körpers gerade nach einer be-
alimmten Bichlung hin. und niclit nach einer anderen, erfolgen
ließen (wie das Arisloleles vom natürlichen Ort der Elemente
lehrt), gebe es zwar im Leeren nicht; wohl aber seien dem
Leeren, da es eine Ausdehnung, wenn auch niclil eine \*on
einem sinnfälligen Körper orffillto Ausdeluinng. darstrlle, die
Unterschiede des Vor und Nach eigen (17, (»-I7).
Ebenso wenig billigt der Verfasser der IrnjMssibilia den
Ausweg, den Thomas von Aquino eingeschlagen hat. Nach
dieser — in Wahrheit, trotz unseres Autors, — durchaus zu-
treffenden Ansicht hat diT Tal! im Leeren ein bestiniiiiles MaÜ
seiner Geschwindigkeit. Das raumfüllende Mittel dagegen hat,
wie Thomas nach Avempace ausführt, nur die Bedeutung,
dnü es, je nach seiner Dichtigkeit, den Fall mehr oder minder
verUmgsamt (17,17 — LS, 10). Die Beweisführung des Aristoteles
gegen die Möglichkeit einer Hewegung im Leeren sei nach Tlmiuas
von Aristoteles nicht aus seinen eigenen Voraussetzungen geführt.
Dieselbe stütze sich vielmehr, als oiufumenhim ati homiunn,
auf die V'ürausselzungcn der von ihm bekämpften Gegner, Denn
nach diesen sei das Leere nötig, damit die Bewegung möglich
sei. Für sie »ei also in der That das Fehlen des Mediums der
Gnmd der Bewognnjf, und ebenso aussi-hltcölich das Medium
Grund der gröüeren und geringeren Schnelligkeit beim Fall;
der mathematische Unterschied des Vor und Nach als solcher
komme (tir sie dagegen nicht inbetracht (18, II — 19, 4).
Unser Autor meint demgegenüber nicht eben mit
Recht — , dab der Beweis des Aristoteles selbst dium noch kun-
kludent bleibe, wenn jemand auch nicht den ganzen Unterschied
der Geschwindigkeit und Langsamkeil allein auf die Unterschiede
in der Dichtii^kcit des Mittels /urückführe (10, 5 — 11). Dali
einem imemllicli ilünnen Mittel eine unendlich kleine Verzögerung
parallel gehen würde, die aber doch nicht verschwinden und
keine völlige Gleichheit in der Geschwindigkeit zwischen dem
Fall im Leeren und dem im erfüllten Kaum zulassen wünle,
sieht er nicht.
Einmal von dem strengen Faden des Beweisganges ahg
kommen, fügt der Verfasser ein zweites Argiunent hinzu, welches
Inhalt, philoaophiegeschichtlicfae Stellung und VerfaBser der Schrift. 175
das ursprüngliche Probandum zur Prämisse nimmt. Das Schwere
könnte im Leeren sich nur accidentell bewegen. Dann aber
müiäte es zuvor ein an sich Bewegtes geben. Dies kann der
leere Raum nicht sein, da das Leere unbeweglich ist. Eine
Bewegung im Leeren ist also unmöglich (19, 12 — 18).
So kehrt denn unser Autor zu der ersteu Erklärung,
der des Averroes, zurück. Das Schwere wird von sich selbst
accidentell bewegt, indem es zuerst ein anderes, das umgebende
Mittel, an sich bewegt und nun durch dieses accidentell mit-
bewegt wird (19, 18—21).
Wenig Neues bringen die Antworten, die der Verfasser
auf die einzelnen Gegenargumente giebt.
Daß, auch wenn das Mittel fortgedacht wird, doch der
mathematische Unterschied des Vor und Nach bleibt, leugnet
unser Verfasser nicht. Aber daraus folge nicht, da& das Schwere
nur successive falle, sondern vielmehr, daß es ohne eine in den
Unterschieden des' Vor und Nach verlaufende Bewegung unten
wäre (19, 22—29).
Wenn aber einer meine, daß wegen des Vor und Nach
des Raumes auch im Leeren das Schwere successive fallen
müsse, so sei zu erwidern, daß so vielmehr eine Antinomie
entstehe. Wegen des Vor und Nach müßte das Schwere
in successiver Bewegung nach unten gelangen — und dieses
Glied der Antinomie habe Aristoteles ins Auge gefaßt — ; wegen
des Fehlens eines Mittels müsse es dagegen ohne Bewegung
unten sein. Diese Antinomie aber beweise, daß die Voraus-
setzung zu verwerfen sei, aus der sie sich ergebe, nämlich die
Möglichkeit eines Falles im Leeren (19, 30—20, 5).
Den ersten der beiden gegen die Ansicht des Averroes
geltend gemachten Einwände ^) sucht unser Autor durch
eine Unterscheidung zwischen dem, was das umgebende Mittel
aufgrund einer wahren Selbstbewegung aus innerra Princip
bewegt, wie dies bei einem sich selbst bewegenden Lebewesen
der Fall ist, und zwischen dem, was bloß accidentell sich selbst
bewegt, hinwegzuräumen (20, 6 — 13). Daß darin eine petitio
principii liegt, sieht er nicht.
0 Siehe S. 170.
17A lmpo«jtibi1iA Sigeri de Brabniitia.
Auf den zweiten erwidert er mit einer Analyse der Ähnlich-
keiten und der Unterscbiede, die zwischen einem in sicii fest zu-
sammenliangenden, alles in iluii Befindliche fortfühi-endeu Schiffe
und einem nicht festen Medium vorliegen (20, 14—21, 2).
S.
War die vierte These und noch mehr die Begi'ündting der-
selben verslündlith nur von dem Boden ganz bestimmter Vor-
aussetzungen aus, so fühK uns die rünfte zu einem Problem,
das die Philosophie alier Zeiten boschfiflitjt hat. Es ist die
Grundfragt' der Thoodicee, wie die Thatsaehe des Übels und
des Bissen in der Welt mit der allgemeinen g6ttlichen Kausalität
und mit der göttlichen Wellregierung vereinbar sei.
In der Zeit unsors Autors ') ist es ein allgemein recipierter
Satz, daß kein endliches Seiendes und kein positives Wirken
der Kreatur Wirklichkeit oder Sein haben und behalten kann
ohne den alles ilurclidringenden EinlkiU der ersten Ursache,
Kniipfle die speciello Formulierung dieses Satzes außer an die
christliche Metaphysik Augu.slin's zum Teil auch an dun Neu-
plalonismus des Pseudo-Areopagiten und des Über dt cawtU
an, so orgab sich der Satz sell>st doch als zwingeniie Konsequenz
aus der gesamten bisherigen philosophisch-theologischen Enl-
wicklinig.
Die nähere Durchfuhrung jenes Satzes machte keine be-
sonderen Schwierigkeiten für das Gebiet der Naturkausalität 'K
Auf dem CJebiete iler freien Willenshandlungen tührte er
zu dem Problem, wie die allumfassende göttliche Wirksamkeit
mit der mensch liehen W i 1 1 en s f r e i h e i t zu vereinbaren sei.
.Gott bewegt eine jede wirksame Ursache ihrer eigenen Natur
gemflJa, die notwendige, so daLt die Wirkung ihr notwendig
folgt, die freie, so dali sie ihren Akt frei setzt', war die ge-
wöhnliche L(Vung, welche man dein Problem in jener Zeit gab^).
') Zam Folgenden vgl. IgaatJus J ei 1er, N. HomtrentHnw prittripia tU
eonrHf/tu Ufi i/rtu-rali tul ardmirM cnttmirum nfcumfnntM rnUeetn rt S. Thomne
docinnu confinmiht. Ad CUruA Aqiiiui IH9T.
'') Vgl. s. B, Thomas Aqu., QuitcHt. dUp. </(• l\ai>nfhi q. 3 */•• rrtttf. a. 7.
*) Vgl. 2. K Thuinas Aqu., Summa theol. 1. Itnn q, jq ft. 4 e. und
ad 1 ; iie V'frit. q. 6 a. ii ad 3 ; q. 24 a. 1 ad S u. %. w. Der pbilosophiacb«
Tnh bH, pniToHDplii egesch iohtliche Stellung nnd Terfassor der
CJnIt diese Schwierigkeit pleichmäßig für alle freien Akte,
so entstand eine neue Schwierigkeil für die bösen Handlun-
gen. Albert d. Gr.') stellt hier (nach Petrus Lombardus) die
Lösung eines Teiles der Alten der von den Modernen ge-
teilten gegenüber. Nach der ersteren soll der freie Wille
nicht zu einer guten oder indilTerenten Handlung, wohl aber
/u einer bösen Handlung für sich aliein hinreiclien. Als Ver-
treter dieser Ansicht kennen wir aus dem XUI. Jahrhunderl
2. B. den Magister Praepositivus *). Die herrsohende '^j An-
sicht joner Zeit knüpft dagegen mit Anselm*) an den Gedan-
ken Augustin's (und des Dionysius Pseudo-Areopagita)
aHi dalä das Üble als solches (d. h. als Übles genommen)
nichts Positives sei, sondern nur der Mangel eines schuldigen
Guten /prittatio bmii debiti}, und dalj daher das Üble nur in
einem Guten sei. So könne und müsse denn auch die üble
Handlung, insoweit sie als Handlung etwas Positives sei, von
Gott als der ersten Ureache ausgehen. Der Mangel an ihr,
der nicht eine wahre bewirkende Ursache (räum efficiem)
habe, sondern aus einem Mangel oder Defekt (causa deficite)
Ausgangspunkt für die Fonnulierang ist der dem Liber df cmtJtig t§. 9] ent-
noinniune |rgl. Bardenhcwer. a. ti. O. 8. 265 f.) ShIz: Quioquid recipilur,
per niodum rccipientis recipitur — Audera Durttndus, I Scni. d. 47 q. 1
n. 9 («d. Lagdun. 1596. p. 27» o).
') Albertus Magnus, U Srnt. q. 85 a.7: Antiiiui circa lianc quae-
stionem . . . dnobun itiodl« opinabantur. Qnidam t^iiiiii dicebant uoluiitatein
per 8e sufficeri' ad actum inaluin, seel nun ad actum buuum uel indiffercnt«ni;
et ilixerunt: ,Ex hoc oon »equitur duü prJncipia esse, quia uoluQtas pL^r so
agit nctam niahim, tamon ipKa noa oät a se; tn eo aut<^m quod est primum
principium exigitur quod sit a ac et agat a se* . . . Qaia uoro nioderni
uideniat quod perfectius est agere quam ease, uidemnt quod id quod uon
est a se dcc potcst a bo mnncrc in osae, molto minus potesL agere n ae iptw.
Et cum actus malus sccnndnm conaer§toaem ad materititn eit HJmplicifer actus
egrudiona a pot«ntia actiua perfecta bccundum naturam, ideo concluseruat
quod noD egredtlur ab ea nisi set-undum quod mouetur a causa priiriH; alio-
quin aequeretur duo principia e8«e Et haec est causa quare et alta opiaio
fere cesait ab auta et a multis inodernoium reputatur har^ri^ticn.
") Jeiler, n. n. <>. S. 3 Anm 1. Praepuöitivua war 1207 Kanzler der
Pariser tJntversitAt (Ilnlaeua III. p. 70 ).
1 Vgl Albertus Magnus am Schluß der Auiu. 1 citiertan Stelle.
Kbeoso Thomas Aqu., II Smt. d. ä7 q. 2 a. 2: quam (sc. opinjoncm) ad
praesens oulli uel pauci tenent, qaja propinquiastma est erruri duplici. DeoD.
wie Aegidius Coloonn II Senf. d. 37 q. 1 a. 3 dazu sagt: ?0Ht«riure8 exi-
steDtea super humeros priomm longiua uidcnt quam priores.
*} Anselm, Dr com-ortlia praffcleHtiae etc. cum Ultero urititrui q. 1 a. 7.
Beitrage II, (1. BaoamkAr. Sigor von BrAbanl. 12
l78 impoasibilia Sigeri de Brabftntia.
entspringe, habe dagegen seinen Grund nicht in Gott als der
ersten Ursaclie, sondern allein in der Kreatur ^).
Stimmen in dieser Grundauffassung, trotz einzelner Modi-
fikationen im Ausdruck, fast alle Denker jener Zeit überein -),
so ist der in unserer Schrift bekämpfte Gegner anderer An-
sicht. Anstatt sich zu bemühen, die darin liegenden Schwierig-
keiten zu lösen, stellt unser »Sophist" frischweg den Satz auf:
Unter den menschlichen Handlungen giebt es keine
schlechte Handlung, so daß wegen dieser Schlechtigkeit
jene Handlung verhindert oder einer wegen derselben
bestraft werden müßte (21, 4—6).
Der erste Grund, der dafür angeführt wird, ist der, daß
alle menschlichen Handlungen aus der von dem weisesten Welt-
regierer gesetzten Ordnung hervorgehen, also weder verhindert,
noch bestraft werden dürfen, zmnal durch eine Strafe, welche
jener oberste Regierer selbst bestimmt haben sollte ßl, 7 — 13).
Der zweite geht aus von dem Gedanken, daß alles Übel
nur relativ sei. Wie im Staate eine Anordnung für die Brol-
bäcker z. B. nachteilig, für die Gesamtheit aber heilsam sein
könne, so habe jede menschliche Handlung, wenn sie auch für
irgendwelche Einzelne übel sei, doch im Hinblick auf das Ganze
ihr Gutes. Der Mensch dürfe also wegen derselben nicht be-
straft werden (21, 14—20).
Der dritte Beweis variiert den ersten. Entweder sind alle
menschlichen Handlungen vom obersten Weltregierer begründet;
dann aber kann er für keine derselben eine Bestrafung angeord-
net haben. Oder er hat für einige menschlichen Handlungen
Strafe angeordnet; dann aber sind nicht alle menschlichen Hand-
lungen durch seine Weltordnung begründet (21, 2t — 24).
') Alexander Halens., SnmniaU q. 100 membr. 3 a. 6 §. 3. Albertus
Magnus (außer der S. 177 Anm. 1 citierten Stelle) Siimmu theol. I tract. 20
q.79 part.3. Bonaventura, llSent. d 37 a. 1 q. 1 (vgl a. 1 q.1-3). EM.
a. 2 q. 1; d.34 a. 1 q. 2. Thomas Aquino, \lSent. d.37 q. 1 a.2; q. 2 a. 2.
Ebd. Quaeitt. disp. de Mnio q. 3 a. 2. Summa theol. 1. 11»© q. 109 a. 2 ad 2;
Cont. gettt.m c. 66.67.89.90.162. Aegidius Rom., H .SV«/, d. 37 q. 1 a. 3.
Richardus a Mediauilla, II Sent. d. 87 a. 3 q. 1. Duns Scotus, 11 Sent.
d. 37 q. 1 u. 2; Hepoti. II d. 37 q. 2. Heinrich von Gent, Qnodl. XIV, q. 1.
') Vgl. auch Maimonides, Führer, III c. 10, wo freilich nicht vom
moralischen, sondern vom physischen Übel die Rede ist.
Inhalt, philosopliiegeschichtlirhe Si(>Uung und Verfasser der Sclirift. 179
Beruhen diese drei bezw. zwei Gründe auf einem tlieolo-
gischen Fatalismus^ so stützt sich der foIf?ende auf eiuen
psychologischen Determinismus. Keine Wirkung, so wird
unter Berufung' auf Aviccnna') au^^efCihrt, kommt zustande^
auiäer 'durch eine Ursache, hinsichtlich derer das Sein der
Wirkung nol wendig ist. Denn eine Ursache, bei der etwas
sowohl sein, als nichtsein kann, würde dasselbe nicht zum Sein
determinieren. Was der Mensch also wiil und Ihul, will und
thut er mil Notwendigkeit. Für das. was einer aber mit Not-
wendigkeit will oder thut, darf er we*ler bestraft werden, noch
hat die Strafe hierbei irgendwelchen Nutzen (2 t, 24—22, 3).
Bereits De Wulf-) hat darauf hingewiesen, daö die hier
entwickelten Anschauungen sich fast wörtlich unter den iä70
Dezember 10 von Stephan Tempier censurierten dreizehn
Sätzen'*) wiederfinden; und die von ihm gegebenen Nachweise
lassen sich noch stark vermehren, wenn wir auch die 1277
MSrz 7 verworfenen 2 lU Sätze') heranziehen. Schon nnter den
Sätzen des Jahres 1270 begegnen uns die beiden, daß der
Wille des Menschen mit Notwendigkeit will oder wählt '•}, und
dali der „freie Wille" (das Uherum urhitnutn) ein passives, kein
aktives Vermögen ist, und daü er mit Notwendigkeit von dem
iusten-egenden Objekt (dem apf)etihik) bewegt wird'*).
I
M Siehe S. 21 Anm. 2.
') De Wulf, Iii>*toire rif. In phitm. iftvi. dann /w i^iiitt-Baa, p, 277.
'j Denifle, Outriul. nniuerH. Pttrix, I, p. 486 f. Siebe oben S. lOTi ff.
*) Denifle. n n. (). S. 543 ff.
') Proji. 3: Qnod uoluntas hominie ex necossitat« ault u«l eljgit (De-
nifle. S. 487).
') Pi'oii. 9: QiiO(] liberum arhitrium esi püUintiu paatiiuu, nun uctlua;
et qaod neceaaitate mouelur ab ai>i>etibili. — Wenn /V-o^. 12 dieser Thesen
die ^öttliohe Providenz leugru-t, indem liott die Erkenntnis des Individael-
ien {fi-np. 10: averroiatiach). überhaupt die Erkenntnis einea von ibrn ver-
schiedenen Objektea (Projt. 11, — aucb Prop. 3 der Sftüte von 1277 — nach
AriBtot Mftnph. XH 9, p. 1074 b 21 ff.) abgesprüchen wird, so stellt ^
nicht mit dem bottui prottisor unseres .Sophisten* im Widerspruch, denn
bei diesem bonnn pronimr bandelt es sieb um allgemeine Anordnungen,
nicht um die speziellen und individuellen der Prnvidenz. Und wenn p, *2l,
21—24 auch auf dieses Judivjduelle und Spezielle gehen BoUte, so stellt
JHner Beweisgang sich als Antinomie dar.
12'
1^ Imposaibilja Sigcri de Brahantia.
Der hier ausgesprochene psychologische Determinis-
mus kehrt wieder in den Fropositionen von 1S77. Der WilJe
wird stets durch das stnrker«! Motiv liesliiiimt ')- Die Affeklionen
üben eine zwingende Gewalt aui* den Menschen aus ■); die Vor-
stellung bestimmt das Wollen des Menschen eben so wie das
Begehren des Tieres ") ; so lange die Disposition — die Affektion
oder die Vnrsteihnig — })li'ibt. bleibt aurh das Wollen *). Der
Wille, der. wie die Materie, aus sich weder zu dem einem, noch
XU dem anderen determiniert ist, wird von dem Objekte des Be-
gehrens so bestimmt, wie die Materie von dem Agens '^).
Auch der fatalistische Gedanke, der alles Geschehen,
auch das des Mensclien, in einen nötigenden allgemeinen Welt-
zusamnierdiang verkettet sein laut und — mit den alten Mega-
rikem ^ — nichts als möglich zulfiit, außer was wirklich ist %
tritt uns in jenen Sätzen entgegen. Zinneist zwar ^vird diese
üitalistische Gebundenheit aus dem Ein/Iuli der Gestirne "*), des
') Prof. 164: <^ui>d humo in omuibuH actionibus stus 8«qaitar appeti-
tum, ei Kempfr nmiorem. h'tijt. 208. Qaod duobuK bonta proposittA, qaod
foriius est, fortiiis inouet. Vgl. /Vap. 134.
*) }St>p. 136: <iuo^ homo agens ex passione coaeto agit.
") I^'oß). 159: Quod uolantas bumiuia tiecesaitatnr per saain oognitio-
nem, sicut appoLitua bniti. Vgl. I'rop. Iö8. IBä. 173.
*) I'rnp. isr. Quoll iioluntaic existcnto in tali dispositione in qua nata
pst moueri, f>t nianento sie dtHiiosito quod nutuni est nioueri, inipoaaibUe est
uoluntalcm n«n nelle. Ih-np. 1*29: Quod uoluntas, monontc paasiooe et »cieo-
tia partictilari in acta, iion potest agcre contra eam.
") h-t'p. 135: Quod QoluntaH secundnm ae est indvtenninat« ad oppo-
Sita sicut niaitiria; det«nniuatur uutt^m ab appetibili eicut roateria ab ageat«'.
Vgl. h-op. 1H0: Quod nulluni agena est ad utninüibet, Immo detcnninatar.
Ähnlich h'op. 128.
'■) Vgl. Zeller. IttHosopkie iier Gntchcn. 8- Aufl. II. 1. S. 220. 280 f.
') }*iop. 21: Quod nihil fit a casu, aed omnia de neccuwitAte enat.
et quae oon erunt, impoaaibile est esse; et quod nihil fit contingenter, coasi-
derand» oninea raosa».
') /Vo/j. 183: Quod uoluntAS et intellecttts non tnonentur io acta per
se, sed per caosam senipiteniani, scilicet corpora caelestia. Vgl. l^-op. 182.
143. 161. 162. 19Ö. 207; auch 2ü9, wenn dort unter dem motor primns, wie
der Zusatz dos Stephan Tempier nahelegt, der Fixstemhimmel Twatanden
wird (diese Deutung giebc offenbar auch Raymundus Lullus als mA^ieb
zu. weno er — nach Ciid Monac. 10497 — zn der These bemerkt: Et aic
uemm dieia, ai int<?lligis de primo motore qui est deus). Ebenso .«ichon unter
den 1270 verworfenen Sätzen f*rop. 4: Quod omnia quae hie in inferioriboa
aguntnr Mibsunt necesaitati corporum caeleatiuni.
Inhalt, phüosopbiegeschichtlicfae Stellung und Verfasser der Schrift. 181
Klimas u. s. w. ^) erklärt. Aber daneben tritt doch, wenigstens
in hypothetischer Form, der Fatalismus auch in specifisch theo-
logischer Fassung auf: Ein Vorauswissen des künftigen Kontin-
genten seitens der ersten Ursache ist unmöglich, da das gött-
liche Vorauswissen die nötigende Ursache des Vorausgewuß-
ten ist 2).
Auch einzelne mehr nebengeordnete Gedanken finden unter
den Thesen von 1277 ihr Analogen. So fast wörtlich der Satz,
daß nur eine nötigende Ursache, die kein Sein oder Nicht-
sein zuläßt, die Wirkung herbeiführt ^). Und wenn unser Autor
von der Bestrafung menschlicher Willenshandlungen nichts
wissen will, so fehlt auch daför unter jenen Sätzen wenigstens
ein Anklang nicht *).
So hat sich uns auch hier nicht der Verfasser unserer
Schrift, sondern der von ihm bekämpfte „Sophist* als Sigerus
personatus enthüllt. Hören wir, was unser Autor demselben
entgegnet.
Unter den menschlichen Handlungen, ist seine These, giebt
es solche, die schlechtweg dem menschÜchen Geschlechte übel
(mali) sind, die deshalb verhindert werden müssen und für
welche dem Thäter Strafe zukommt; imd diese Strafe ist von
dem obersten Regierer der Welt verordnet, da es auf seine
') Pfop. 142: Quod ex diuersitate loconun acquiruntur necessitates
eaentuum.
') iVo/>. 42: Quod cansa prima non habet scientiam futurorum contin-
gentium , . . Tertia (ratio) est ordo caosae ad causatum; praescientia enfm
diuina est causa necessaria praescitorum. Quarta est ordo scientiae ad sei-
tum; quamuis enim scientia non sit causa sciti, ex quo tarnen scitur, deter-
minatur ad alteram partem contradictionis; et hoc magis in scientia diuina
quam nostra.
'*) Mit 21, 27 ff.: Nnllns effectos euenit nisi a causa, respectu cuius
säum esse neceaaarium est . . . causa enim, ex qua res potest esse et
non esse, non determinat rem ad e^e. Vgl. Pi-op. 128: Quod illud quod
de sni natura non est determinatum ad esse uel non esse, non deternii-
natar nisi per aliquid quod est necessarium respectu sui.
*) Prop. 158: Quod post conclusionem factam de aliquo faciendo uolun-
tas non manet libera; et quod poenae non adhibentur a lege, nisi ad igno-
rantiae correptionem, et ut correptio sit aliis principium cognitionia.
ItfS ImposAibilia Sigeri de Britbaufci«.
Anordnung zumckgehl, wenn die Gesetzgeber die Ül^ieltliäter
(m(äon) bestrafen (32» 4—81.
So interessant auch die Begründung ist, so lehrreich ihre
Vei-gleicliung mit früheren und späteren Lösungsversuchen jenes
wichtigen Problems» von denen die zeitgenössischen oben (S. 177 f.(
wenigstens kurz angedeutet vvurtlen, uuch sein würde, so kann
ich doch hier we<ler in eine m'diere iiuellengcschichÜiche Beleuch-
tung derselben, noch in eine sachliche Wünligung der nicht ganz
belriedigenden Theorie eintreten, da dieses zu weit führen würde.
Ich beschränke mich dalier auf eine kurze Skizzierung.
Der Unterscliied der guten und cler üblen Handlungen er-
giebt sich aus dein Verhältnis zur richtig ui-teilenden Vernunft
(rerta ratio). Gut ist das Vfrnunflgem;"iße, übel das Vernunft-
widrige (^:f, 9—1 1).
Zwar muß auch die für den Monschen üble Handlung auf
die ersle Ursache zurückgeführt werden, aber nicht hinsicht-
lieh dessen, was mangelhaft*) in ihr ist. Dieser Mangel
(defectus) in der Handlung geht hervor aus einem Mangel der
Vernunft, die ihre vernüntlige Entscheidung nicht durchsetzt;
dieser letztere Mangel aber aus dem accidentellen Zusanimen-
treflen nitl einem Agens, z. ß. einem sinnlich angenelimen Ob-
jekte, das die Vernunft zur Sinnlichkeit hei-abfallen fdeficei-e) lAfil.
Das Agens, seine Wirkung und sein Zusammentreffen mit der Ver-
nunft geht aus der von der ersten Ursache gesetzten Ordnmag
her^'or, nicht aber das Fehlen {tiefecfuH) der Vernunft iü, 13 — -3)^).
Die rechte menschliche Vernunft hat die menschlichen
Handtungen zu dem hinzuordnen, was für den Menschen gut
ist, nicht was für andere Naturwesen, die dem menschlichen
Handeln nicht imterslehen, gut ist. Darum kann — und dies
ist der Giiindgedanke unseres Autors — etwas für den Men-
schen ein Übeles sein, was vom Standpunkt des Universums
BUS dies nicht ist (23, 24— 2:J, i).
Da die menschUche Vernunft die mensclilichen Handlungen
auf das Gute im richten hat, hierfür aber die Bestrafung der
Übertrelongen ein geeignetes Mittel ist, so ist die Einsetzung
von Strafen für die menschliche Vernunft Erfordernis (33, 5—10).
') StAtt ig£Ctu» S. 22 Z. 14 ist drfeettu n Bchrellwn.
•') Vgl. damit z. B. Albertus Magaus, S. tMcot. I tr. 20 q. 79 p. S
Inhalt, philosopfaiegeschichtliche Stellung und Verfasser der Schrift. 183
Obwohl also auch die üblen Thaten auf die Ordnung des
obersten Weltregierers zurückgehen — nicht freilich hinsicht-
lich dessen, was mangelhaft in ihnen ist, da dies vielmehr aus
dem Mangel der menschlichen Vernunft und des menschlichen
Willens hervorgeht — , so ist nichtsdestoweniger auch die Be-
strafung jener Thaten vom obersten Princip angeordnet. Beides
schließt sich darum nicht aus, weil es in verschiedener Beziehung
steht. Bei dem Ersten ist das Wohl des ganzen Universums,
bei dem Zweiten das für den Menschen Gute Gesichtspunkt.
Der menschliche Gesetzgeber hat nur das Wohl des Menschen
ins Auge zu fassen; unter die Ordnung des ersten Princips da-
gegen fallen viele unter einander entgegengesetzte Ordnungen
(23, 11—24, 5).
Damit sind der dritte und erste Einwand gelöst (24,6—14).
Wenn aber der zweite meint, solche Handlungen, die nur
von einem besondem Gesichtspunkte aus übel seien, dürften
überhaupt nicht bestraft werden, so ist zu erwidern, dafä bei
einer menschlichen Handlung für die Frage ihres moralischen
Charakters und ihrer Strafwürdigkeit eben die Beziehung auf das
Menschengeschlecht inbetracht kommt (24, 15—20).
Eingehend wird der vierte, auf die Wirkungsweise der Ur-
sache gestützte Beweis behandelt. Ein dreifaches Notwendiges
(necessarium) wird unterschieden. Das erste ist das des äu&eren
Zwanges oder der Gewalt {coadionis), welches beim freien Wollen
nicht stattfinden kann und die Bestrafung ausschließen würde.
Das zweite Hegt vor, wenn einer aus einer Ursache, die nicht
behindert werden kann, etwas will und thut. Auch bei einer
derartigen Notwendigkeit — es ist die durch innere Determi-
mination gemeint — könnte von einer Bestrafung nicht die
Rede sein. Die dritte Art des Notwendigen hajaen wir dann,
wenn die Wirkung aus einer Ursache hervorgeht, die zwar ihrer
Natur nach behindert werden kann, aus der aber dann, wann
sie in der Disposition sich befindet, in welcher die Wirkung aus
ihr hervorgeht, und wenn sie eben nicht behindert ist, die Wir-
kung mit Notwendigkeit hervorgeht. So ist — nach Avicenna —
jede Wirkung in Bezug auf ihre Ursache eine notwendige Wir-
kung (24, 21— 25,8).
IM ImposribilU .Sigeri de BrabauotU.
Die beiden letzten Arten des Notwendigen sind scharf von
elimiider zu untf^rscheiden. Zum Beispiel führt sowohl die Zusam-
inr^nnetzung des Organismus aus Gegensätzen, wie der Genuß
von etwa« Glühendem den Tod herbei. Aber während jene
ZuHumrrHfngesetztheit des Organismus ihrer Natur nach an
ihrur Wirkung nicht behindert werden kann und dalier als
Notwendiges der zweiten Art schließlich immer den Tod
herbeiführt, kann die Wirkung jenes Glühenden durch Gegen-
miltel behindert werden. Dasselbe fuhrt daher, obwohl es un-
behindert eine notwendig wirkende Ursache im Sinne des Not-
wendigen der dritten Art, ist, doch nicht stets jene Wirkung
herbei (25, H— lö).
Wie ein solches Notwendiges der dritten Art also über-
liaupt nicht ausschließt, daß das Eintreten seiner Wirksamkeit
eine Verhinderung erfUhrt, so wird speciell bei den mensch-
lirlien Handlungen diese Art des Notwendigen — sie wird
später*) das bedingt Notwendige (necessarium ex cotidiciom)
geimnnt — die Behinderung durcli Strafe und Strafandrohung
niclit ausschließen.
In der Disposition, in der jemand etwas will und thul,
wird er die Handlung natürlich nicht unterlassen. Da verhält
er sich wie die Ursache, aus der die Wirkung notwendig her-
vorgeht. Aber weil eben jene Disposition für den Betreffenden
nicht uiiauniobbar ist, weil er also an sich nicht notwendig zu
jener Handlung detenninieit ist, so ist die Behinderung jener
Handlung durch freundliche Zurede und Strafe sehr wohl
mt^glioh; an sich ist der Wille nicht notwendig determiniert
Darum sind diejenigen uu Irrtum, die deshalb, wel die
rrs;u'he in jener Disposition zur Wiritung notwendig deter-
miniert ist, schlechthin sagen, daß alles mit Notwendigkeit aus
sdnor Ursiiche horvoigoht. Denn nicht schon in dem Falle sagt
man s^'hUvhthin. die Wirkung gehe mit Notwendigkeit von der
Trs^iche aus. wenn sie notwendig von ihr ausigeht dann, wann
sie von ihr ausgt^it. sondern erst dann, warn sie immer von
Inhalt, philosophiegeschicbtUcfae Stellang und Verfasser der Schrift. 185
ihr ausgeht, d. h. wenn immer, wenn die Ursache vorhanden
ist, auch die Wirkung eintritt (25, 22—29).
Gegen eine solche Unterscheidung könnte man freilich einen
Einwand erheben. Wenn die Ursache unbehindert ist, könnte
man sagen, solle nach dem Gesagten die Wirkung stets von
ihr ausgehen. Von der unbehinderten Ursache gehe also die
Wirkung nicht nur notwendig dann aus, wann sie von ihr aus-
geht, sondern sie gehe immer von ihr aus. Die unbehinderte
Ursache (so werden wir den Einwand ergänzen) ist also not-
wendig zu ihrer Wirkung determiniert (25, 30—33).
Der Verfasser setzt dem eine scharfeinnige Erwägung ent-
gegen, bei der allerdings die mangelhafte Textes -Überlieferung
einige Unsicherheit läiat. Der Fehler dieses Einwandes (so glaube
ich den Verfasser verstehen zu sollen) liegt darin, data hier das
Ganze: „die unbehittderfe Ursache*' als Ursache gefaßt ist. Keines-
wegs nämhch darf man das Unbehindertsein, d. h. die Abwesen-
heit eines Hindernisses, zur Ursache machen. Diese Abwesen-
heit eines Hindernisses bewirkt nichts, sondern hebt nur das
Vorhandensein eines Hindernisses auf. Wenn wir daher das
Verhältnis der Wirkung zur Ursache betrachten, so dürfen wir
nur die Ursache- an sich (nicht die unbehinderte Ursache)
ins Auge fassen. Wir müssen uns fragen, ob die Ursache an
sich {causa per se) die Wirkung mit Notwendigkeit herbeiführt.
Wenn bei den menschlichen Handlungen deren Ursache an
sich mit Notwendigkeit wirkte, so hätten Strafen keinen Sinn.
Aber es verhält sich damit vielmehr, wie — um auf das obige
Beispiel zurückzukommen — mit etwas Glühendem, das genossen
ist. Obwohl das Glühende, unbehindert, den Tod notwen-
dig herbeifuhrt, so giebt dennoch in diesem Falle der Arzt
Heilmittel, damit dasselbe eben verhindert werde, jene Wir-
kung auszuüben; denn an sich führt das Glühende nicht unauf-
hebbar den Tod herbei. So ist es auch mit den moralischen
Heilmitteln, den Strafen, Sie können deshalb angeordnet wer-
den, weil das, was Ursache der menschlichen Handlungen ist,
zwar nicht in der Disposition, in der es als Ursache wirkt,
wohl aber als Ursache an sich betrachtet an jener Wirkung
gehindert werden kann (26, 1—27).
186 ImpoaBibilia Sigeri de firabantia.
Unser Verfasser hatte oben den Satz aufgestellt, daß auch
die bösen Handlungen von der ersten Ursache geordnet sind
(quoä actus mali ordhiati sunt a causa prima). Er hatte zwar
schon oben alles gethan, um das Mißverständnis auszuschließen,
als prädestiniere Gott den Menschen zum Bösen. Aber er glaubt,
doch noch einmal gegen solche Mißdeutung sich verwahren zu
sollen. Was mangelhaft (defectiuum) in der menschlichen Hand-
lung ist'), rührt nicht her aus einem Mangel des ersten Prin-
cipes, sondern aus dem Mangel des menschlichen Willens und
der menschlichen Vernunft. Keinen Mangel, sondern vielmehr
die Vollkommenheit und Universalität des göttlichen Wirkens
beweist es, daß dasselbe das ganze Reich des Wirklichen her-
vorgebracht hat, mag einiges von diesem dem Menschen, der
wegen der Mangelhaftigkeit seines Willens und seiner Vernunft
im einzelnen Falle nicht die rechte Stellung dazu nimmt, auch
zum Falle gereichen (2G, 28—37, 4).
Wie eine Kriegserklärung an alle Logik, ja an alle Philo-
sophie erscheint der letzte Satz unseres Sophisten: Es ist mög-
lich, daß etwas zugleich sei und nicht sei, und daß kon-
tradiktorisch Entgegengesetztes von einander oder von
demselben Dritten in Wahrheit ausgesagt werde (27, 6—9).
In der That die formellste Leugnung des Principes des Wider-
spruchs. Und damit nichts fehlt, dies sowohl in seiner meta-
physischen, wie in seiner logischen Form.
Wer in der Begründung freilich sonderlich Beachtenswertes,
etwa einen mittelalterlichen Hegel, zu finden erwartet, wird schwer
enttäuscht sein. Wie ein rechter Jiomo disjmtax hat unser «So-
phist" aus dem Aristoteles alles zusammengesucht, was den
normalen Menschen ärgern kann, ohne das Problem selbst auch
nur im geringsten zu fördern.
') Der technische Sinn der Wörter defectiia, dtfectimis, defieert darf
hier, wie im Frfiheren, als bekannt vorausgesetzt werden. Die von mir ge>
braachten deutschen Ausdrücke wollen natürlich gleichfalls im Sinne der
lateinischen verstanden sein, deren Übersetzung sie sind.
Inhalt, philosophiegeachichtliclie Stellung und Verfasser der Schrift. 1S7
Wenn einer etwas glaubt, und man kann es nicht wider-
legen, so ist das wahr. Denn was ohne Widerlegung als falsch
einleuchtet, das kann einer überhaupt nicht glauben. Nun glaubt
aber thatsächlich, wie man aus der Ethik des Aristoteles')
sieht, der Unenthaltsame kontradiktorisch Entgegengesetztes: die
allgemeine Regel des Sittengesetzes, daÜ jene Art von Hand-
lungen nicht erlaubt sei, und den besonderen Satz, daß seine
Handlung dies dennoch sei. Widerlegen aber kann man ihn
nicht, da — wieder nach Aristoteles ~ das Princip des Wider-
spruclis nicht bewiesen werden kann, vielmehr der Versuch, es
zu beweisen, zu einer petitio principii führt (27, 10—23).
Ein weiteres Ai^ment wird — abermals nach Aristoteles,
und zwar nach einer Aporie desselben — dem kontingent Zukünf-
tigen entnommen. Daß ein Seekrieg morgen stattfinden werde,
ist nicht wahr, weil es dann unmöglich wäre, daß er nicht statt-
fönde^) — und es ist doch bloß ein kontingent Zukünftiges, um
das es sich handelt — . Also ist es falsch, daß der Seekrieg
stattfinden wird. Aber ebenso kann ich umgekehrt argumen-
tiren: es ist nicht wahr, daß der Seekrieg nicht morgen statt-
finden wird. Denn dann wäre es notwendig, daß er nicht
stattfinden wird. Also ist es falsch, daß er nicht stattfinden
wird. Also wahr, daß er stattfinden wird. Mithin sind die
kontradiktorisch entgegengesetzten Behauptungen, daß der See-
krieg morgen stattfinden wird, und daß er nicht stattfinden
wird, zugleich wahr (27, 24—28, 6).
Diesem disputatorischen Unftig gegenüber entwickelt unser
Autor zunächst seine Auflassung von dem Entwicklungsgange
des menschlichen Erfcennens und von der Stellung des Gesetzes
des Widerspruchs in ihm. Seine Theorie steht in Übereinstim-
mung mit Avicenna und Thomas von Aquino.
Es wird eine doppelte Thätigkeit des Verstandes unter-
schieden, das (begriffliche) Vorstellen (indiuisibiUum intelligen-
tia) und das Urteilen {cotnpositio uel diuisio). In beidem giebt
es ein Erstes, durch sich Bekanntes, einen durch sich bekannten
Begriff und ein nicht weiter beweisbares Urteil. Der erste Be-
') Die genaueren Nachweisungen hierzu, wie zum Folgenden, s. in den
Textesamnerkungen.
') Vgl. S. 112 Anm. 3 Ende.
]B8 ImpoaaibilU 8igeri de Brabantiii.
griff in der Entwicklung der Erkenntnis aber ist, wie unser
Verfasser mit Thomas unter Berufung auf Avicenna sagt, der
des Seienden. Mit diesem aber ist der des Nichtseienden
als sein Oepensal^ gegel)en. Da es nun in der Natur des Seien-
den liegt, daÜ es das Seiende ist, oder, was dasselbe ist, daB
es niclit das Nichiseiende ist, so ist das erste aus diesem Vor-
stellen sicli ergebende Urteil, daß das Seiende nicht nichl-
seiend sein kann, oder, was dasselbe ist, daß etwas nicht zu-
gleich sein und nichlsein karui. Dieses Urteil ergiebt sich un-
niiltelbar aus dem Verständnis der in Uim enthaltenen Begriffe;
und da die Begriffe des Seienden und Nichtseienden die erster-
kaiinten Hegriffe sind, so ist also das Princip des Widerspruchs
der Natur nach das erste Urteil. Wie der Begriff des Seienden
jedem engeren Begriff zugrunde liegt, so erfassen wir auch das
ailgeuieino Gesetz des Widerspruchs in allen speciellen Anwen-
dungen (^H, 7-21), äO).
Uiiü etwas zugleich sei und nicht sei, ist also in Wahrheit
das erste hn2}os!iibi(e (29, 21 — 25).
Dem ersten Einwände gegenüber ist zu sagen, daß in
Wahrheit niemand kontradiktorisch Lnlgcgengeselztes zugleich
glauben kann, falls er anders verstellt, was er sagt. Der aus
Aristoteles konstruierte Fall patit nicht. Hier ist der psycho-
logische Sachverhalt ein ganz anderer. Der Unenlhaltsame
sieht eben nicht oder heuchlet nicht, dali seine Handlung unter
dii- allgemeine Kegel (j'dlt. Aus dem allgemeinen Obersatz aber
ergiehl sicIi noch kein Schluß auf das Besondere; hierfiir ist
vielmehr noch der Untersatz erforderlich, der das Besondere
dem Allgemeinen imterordnct (ilO. li — 28). Durch eine AuDsäh-
tung der verschiedenen Weisen, in denen Bejahung und Vernei-
nung eitiander entgegengesetzt sein können, wird dieses auch
nadi der logischen Seite hin durchgeführt (30,29—31,5).
Dorn zweiten Einwände gegenüber entscheidet unser Autor:
,Daß der Seekrieg morgen stattiinden wird, ist nicht wahr" (3I,6-7|.
Dies aus doppeltem Grunde. Was wahr ist, muii sein.
Was wähl ist, kann also für die Zeit, für welche es wahr ist,
nicht nichtsem. Wenn es wahr ist, daü jemand läuff, kann er
nicht für diese Zeit nicht laufen. Das Gleiche gilt für die zu-
i
I
I
I
Inhalt, philoBophiegeschichtliche Stellung nnd Verfasser der Schrift. 189
künftige Zeit. Wäre es wahr, daß der Seekrieg morgen slatt-
.findet, so wäre dies also nicht nur wahr, sondern es wäre
auch das Gegentheil unmögÜch (31, 8—18). — Wir werden
also, so dürfte wohl der Sinn unsers Autors seui, nicht sagen
dürfen: „Es ist wahr, daß der Seekrieg morgen stattfindet",
sondern: „Es ist möglich, daß er dieses thut".
Der zweite Beweisgang unterscheidet im Anschluß an
Aristoteles die Behauptung der Disjunktion von der Be-
hauptung der einzehien Disjunktionsglieder. Auch bei dem
Kontingenten der Gegenwart ist die Disjunktion — z. B. daß
Sokrates läuft oder nicht läuft — notwendig wahr, obwohl
das einzelne Glied, welches wirklich zutrifft, nicht notwendig
ist. Ebenso bei dem Kontingenten der Zukunft. Wahr ist es
darum, daß der Seekrieg morgen stattfinden wird oder nicht
stattfinden wird. Das einzelne Disjunktionsglied für sich ge-
nommen {absolute acceptum) ist dagegen in diesem Falle, wo es
sich um das kontingent Zukünftige handelt, nicht nur — wie
beim wirklichen (gegenwärtigen) Kontingenten — nicht not-
wendig, sondern auch nicht wahr (31, 19 — 32, 6).
Daraus darf man nun freilich nicht eine Schlinge drehen
wollen und sagen: „Also ist beides falsch, und es findet also
keines von beiden statt". Denn in einer Disjunktion sind bei
dem einzelnen Gliede „nicht wahr" und „falsch" nur dann logisch
identisch, wenn es sich um Vergangenes oder Gegenwär-
tiges handelt. Bei dem Zukünftigen aber ist zwar nicht bei
der Disjunktion im Ganzen, wohl aber bei dem einzelnen Dis-
junktionsgliede zwischen „wahr" und „falsch" noch ein Mittleres
(32, 7—23).
Zum Schluß erübrigt es noch, daß wir aufgrund des Vor-
stehenden zu der Verfasserfrage bestimmt Stellung nehmen
und zugleich versuchen, die zerstreuten Züge, welche durch die
voraufgehende Untersuchung des Inhaltes unserer Schrift uns ge-
boten wurden, zu einem mehr persönlichen Bilde zusammen-
zufassen.
lfi*0 tmpossibilia Sigeri de Brafaantia.
Analyse und Quellennachweis haben uns die schon oben')
aus dem schriftstellerischen Charakter entnommene Ansicht
durchaus bestätigt, daß wir in der Schrift eine Streitschrift
vor uns haben, in welcher die Thesen eines bestimmten Gegners
samt deren Begründungen von einem Anderen widerlegt werden.
Die Meinung, welche Gaston Paris über die Absicht der Im-
pomhiUa aufstellte, kann nicht mehr aufrecht erhalten werden.
Nach ihm hegt nämlich der Schwerpunkt der Schrift, ihre
eigentliche Tendenz, in den Thesen selbst. Wenn der Verfasser,
und dieser ist für ihn Siger, auch jedem der Sätze eine Wider-
legung beifügte, so mußte doch die ruhige und — wenigstens an-
scheinend — indifferente Erörterung entgegengesetzter Antworten
auf diese Probleme Verwirrung unter die Geister bringen ^). In
Wahrheit ist der ganze Gedankenkreis des „Sophisten" ein völlig
verschiedener von dem, welcher aus der Bekämpfung spricht.
Das hat sich uns deutlich bei der Analyse der Gründe erwiesen,
welche hier und dort angeführt werden. Bei dem „Sophisten*
finden wir einzelne, aus dem Aristoteles, dem Averroismus und
der neuplatonischen Litteratur herbeigesuchte Gründe; in der
Widerlegung dagegen eine systematische Entwicklung, die zwar
einmal, in einer rein physikalischen Frage, auf die Seite des
Averroes sich stellt, sonst aber zu Albert dem Großen, Thomas
von Aquino, vielleicht auch zu dem Gedankenkreise Aegid's —
natürlich auch zu Aristoteles — die nächsten Beziehungen auf-
weist. Der „Sophist" verdankt also seine Existenz nicht emer
litterarischen Fiktion; es sind vielmehr zwei reale Persönlich-
keiten, der „Sophist" und sein Gegner.
In welchem dieser beiden haben wir den Sigor von
Brabant zu suchen? Das kann nach dem Vorhergehenden nicht
mehr zwcMfelhaft sein. Im weitesten Umfange fanden wir ^) zu
der fünften These, Avelche die Willensfreiheit leugnet und der
Strafe die Berechtigung abspricht, sowie zu der Begründung
'J S. 47.
-) Gaston Paris in: Renie polititiite et lifteraire. III« s^r. T. 11 p. 585:
Chacune de ces tbf.ses est, 11 est vrai, suivie de sa r^fatation; mais qu'on
jagA da trouble que pouvait jeter dans les esprits la discossion tranquille»
m^thodiqae et, en apparence au moins, indifferente de parails probl^mea.
") Siehe S. 179 ff.
Inhalt, phiiosophiegeschicbtlicbe Stellung nnd Verfasser der Schrift, idl
dieser These Pai-alleien unter den Sätzen, die 1270 und 1277
von Stephan Tempier vei'worfen wurden. Haupturheber dieser
Sätze aber waren Boetius der Däne und Siger von Brabant.
Für die „Impossibilia Sigeri** kann natürlich von diesen beiden
Boetius nicht inbetracht kommen, sondern nur der zweitgenannte.
Ebenso erhielt die dritte These erst Zweck und Sinn, wenn wir
sie im Zusammenhange mit dem 1277 kondemnierten Satze
von der bloßen Phänomenalität der Zeit betrachteten '). Auch in
der ersten fanden wir 2) neuplatonische Gedanken, die sehr wohl
zu dem neuplatonisch modificierten, averroistischen Aristotelismus
stimmen, als dessen Vertreter wir Siger kennen^). Und wenn
dies [einmal feststeht, so werden wir auch solchen Anklängen
an die Sätze von 1277 in der ersten These eine gewisse Bedeu-
tung beilegen dürfen, die an sich nicht viel beweisen würden ^).
Auch sie fügen sich jetzt als Glied in die Beweiskette ein.
Daß wir aber nicht alle sechs Imposstbilia unter jenen
Sätzen wiederfmden, darf uns nicht befremden. Mehrere sind
derart , daß sie in dem Kreise , in den unsere Schrift uns
führt, schwerlich von jemandem im Ernste aufgestellt wurden.
So die Leugnung der Existenz Gottes (These 1) und der Gül-
0 Siehe S. 150 f.
='; Siehe 8. 118 f. 121 f.
") Siehe oben S. 108 f.
^) So beruhen die Einw&nde p. 2, 12—3, 9 auf dem (wie oben S. 121 f.
nachgewiesen, dem Liber de cnnxia entnommenen} Gedanken, daß die Intelli-
genzen ihrer Natur nach das Vermögen zum Nichtsein ausschließen sollen.
Eben darum soll dann weiter Gott ala bewirkende Ursache ihres Seins un-
nötig sein. Zum mindesten deutliche Anklänge daran begegnen uns in ver-
schiedenen der 1277 verworfenen Thesen. Daß in den Intelligenzen Sein
und Wesen nicht verschieden sei, sagt Pi'op, 79: Quod substantiae separatae
sunt soa essentia, qnia in eie idem est quo est, et qimd est. Daß die In-
telligenzen nicht Gott zar bewirkenden Ursache im eigentlichen Sinne haben,
behauptet I^-ojt. 70: Quod iatelligentiae aiue substantiae separatae quas dicunt
aetemas non habent proprio causam efficientem, sed metaphorice, quia habent
consemantem causam in esse; sed non sunt factae de nouo (d. h. in der
Zeit erschaffen), quia sie essent tranamutabiles ; vgl. Ü-op. 45: Quod primum
principium non i^t propria causa aeternomm nisi metaphorice, quia consemat
ea, id est quia, nisi esset, ea non easent. Nur hinsichtlich dessen, was in der
Potenz der Materie sein Sein hat, aoU Gott bewirkende Ursache sein:
Prop. 46. 55.
Id2 tmpossibUia Sigeri de Brabantia.
tigkeil des Gesetzes des Widerspruchs (These 6), Auch bei den
andern ist es ja nicht ausgeschlossen, daß sie nicht gerade der
vollen Überzeugung unsers Urhebers entsprechen. Sie konnten
als disputabel hingestellt sein, ohne daß ihr Urheber ein
festes Bekenntnis zu ihnen auszusprechen brauchte. Wen
dialektischer Übermut zu den keksten Behauptungen führt, bei
dem entspricht der Grad der positiven inneren Überzeugung
nicht immer dem Maße der zur Schau getragenen Sicherheit.
Auf eine solche Auffassung dürfte auch die Schilderung
führen, welche Stephan Tempier in seinem Einleitungsbriefe
von dem Urheber jener 1277 März 7 verworfenen Sätze giebt.
Einige Artisten sollen, über den Rahmen ihrer Fakultät hinausge-
hend, irrtümliche und frivole Sätze behandeln und in Disputatio-
nen als solche hinstellen, über die man verschiedener Meinung
sein könne (qrntsi dubifMles) •). Und im weitern Verlaufe jenes
Briefes heißt es, daß niemand jene Sätze fürder als Wahrheit
lehren (dogmatizare)^ verteidigen (defendere) oder irgendwie zu-
lassen (sustinere) solle ^). Auch hier scheint, wenn ich die Stelle
recht verstehe, der ernsthaften, überzeugten Annahme jener
Sätze eine mehr disputatorische Vertretung zur Seite gestellt
zu sein. Durch die in diesem Schreiben gleichfalls berührte aver-
roistische Lehre von einer doppelten Wahrheit") erklärt es sich,
wie eine solche Unsicherheit in die Gedankenwelt eindringen konnte.
Zugleich giebt uns dieser Brief des Pariser Bischofes einen
Fingerzeig, wie wir den Ursprung der Schrift uns zu denken
haben. Das Ganze ist, wie schon oben hervorgehoben wurde ^),
schwerlich der litterarische Bericht über eine wirklich stattge-
fundene Disputation. Denn obwohl der „Sophist" — also Siger
— in der Versammlung der Pariser Magister auftreten soll, von
') Deniflo, Chaiiul. I. p. 543: Nonnulli Parisius atadentes in artibos
propriae facaltatis limites excedentes quosdam manifeBtos et execrabiles er-
roreB, immo potiua uanitates et insanias falsas . . . quasi dubitabiles in scho*
lis tractare et disputare praesnmunt . . .
'-') A. a. 0.: ... excommunicantes omnes illos qui dictoa errores ael
aliquem ex illis dogmatizauerint aut defendere aeu sustinere praesumpserint
quoqno modo.
") Siehe oben S. 106. 109.
*) Siebe oben S. 48.
Inhalt, pbüüsophiegeschichtliche Stellung und Verfasser der Schrift. 19S
der die Einleitungsworte sprechen, so dreht sich doch alles um
die Widerlegung jener Sätze. Diese Widerlegung trägt aber
einen durchaus einheitlichen Charakter. Wir hätten also eine
Disputation blo& zweier Persönlichkeilen — eine im wirklichen
Leben jener Zeit gewiü nicht vorgekommene Einrichtung. Aber
neben den Disputationen spricht Bischof Stephan auch von Ab-
handlungen in den Schulen 1). An die Lehrvorträge Siger's
würde ich daher, wie schon oben ^) bemerkt, am ersten denken
als an die Quelle, aus der unser Autor jene Thesen und deren
Begründung geschöpft hat, wenn nicht vielleicht eine uns nicht
näher bekannte Schrift Siger's ihm vorlag. Indeik glaube ich
nunmehr das Erstero als das Wahrscheinlichere hinstellen zu
können. Solche extravagante Sätze wie den ersten und den
letzten, hat auch ein eigenartiger Denker, wie Siger, wohl schwer-
lich in einer Schrift veröflentlicht.
Aber wer ist der Verfasser der Im/MJSsibUia selbst? Das
wird sich schwerlich mit Sicherheit ausmachen lassen. Es wurde
gezeigt, daß er Albertus Magnus und Thomas von Aquino
voraussetzt, auch mit Aegidius von Oolonna verglichen wer-
den kann. In einem nicht unwichtigen Punkte, der Frage nacli
der Natur der Gotleserkenntnis, fanden wir ihn im Gegensatz
zu Thomas von Aquino auf der Seite Albert's stehen. Das
muß uns wenigstens zur Zeit genügen.
Wenn wir nun zuletzt nach den Zügen fragen, die unsere
Schrift für ein Bild Siger's liefert, sowie nach dem Charakter
seines litterarischen Widersachers, so brauchen wir nur schon
Gesagtes zusammenzustellen.
Von dem specifischen Averroismus Siger's giebt unsere
Schrift keine sonderlich hervorstechenden Belege. Wohl aber
zeigt sie uns, wie das auch für die arabischen Aristoteliker
charakteristisch ist, in großer Zahl neuplatonische, auf den Liber
de causis oder verwandte Litteratur zurückgehende Gedanken.
Dazu tritt eine unter den Lateinern gerade den averroistisch Ge-
richteten eigene Abhängigkeit von Aristoteles entgegen, welche
') Vgl. S. 106 Anm. 2.
') S. 48.
Bdtrli;« II, 9, B««Dmkor, Si^r von Bnbut 13
194 Imposaibilia
Aristotelische Beweise auch da festhält, wo sie zu den religiösen
Üherzeugungen in Widerspruch treten.
Als Denker kann derSiger unserer Schrift auf sonderliche
Tiefe keinen Anspruch erheben. Mancher wird durch das Bild
enttäuscht sein, das die vorstehende Publikation von ihm bietet.
Die Probleme von neuen Seiten anzufassen, die Fragestellung
zu vertiefen, und so, wenn er sie selbst nicht fand, einer zu-
künftigen vollkonunneren Lösung wegeröffhend vorzuarbeiten,
das ist nicht die Sache dieses Siger. Mit hier und dort zusam-
mengetragenen Argumenten unterstüzt er seine überraschenden
Thesen, die mehr wie ein kecker Vorstoß, denn als das Ergeb-
nis systematischen Durchdenkens erscheinen. Er ist kühn im
Behaupten und voll spitzfindigen Scharfsinns im Begründen; in
den Kern der Probleme dringt er nicht ein. Wahrer Tiefsinn
ist ihm nicht zu eigen, wie ihm denn auch die rechte Festigkeit
zu felilen scheint, die stets das Ziel klar festhält und nur Voll-
bedachtes aufstellt, diesem aber getreu bleibt.
Im Gegensalz zu ihm steht in manchem Betracht der Ver-
fasser der Schrift selbst. Zwar ist er gelegentlich, namentlich
bei der Behandlung des vierten Satzes über den Fall des Schwe-
ren, ein wenig breiter als nötig und unterscheidet sich hier
nicht immer zu seinem Vorteil von der Knappheit seines Geg-
ners. Aber was er sagt, ist stets um der Sache willen gesprochen.
Bloße Disputiersuchl liegt ihm fern. Dabei ist er im allgemeinen
klar in seinen Unterscheidungen, scharf in seinen Beweisgängen.
Obwohl er sich ferner mit der zeitgenössischen Litteratur, spe-
ciell mit Albertus Magnus und Thomas von Aquino, auf
das mannigfachste berührt, ist er doch nicht einfach ein
Abschreiber. Er faßt stets die Frage scharf ins Auge und ge-
staltet aus der jedesmaligen Situation heraus in folgerechtem
Gange die Darlegung seiner Ansicht. Nicht so interessant, wie
Siger, ist er gediegener als dieser.
Beide zusammengehalten aber veranschauhchen uns die
beiden Hauptrichtungen des Aristotelismus der damaligen Zeit.
Bei der engen Beziehung unseres Autors zu Albert dem Großen
können wir den Gegensatz in die Worte fassen: Hie Siger, hie
Albert; hie arabischer, hie christlicher Aristotelismus.
Sigeri de Brabantia.
195
Namensverzeiclmis \
Adlboch 117.
Aegidius Colonna (Romanus) KM!. 138.
139. 140, 143. IfÄ KW. 177 178. Uß.
Acgidius von Gent 75.
Alanus de Insulis 4!>. 117. 120. 12».
Alberte von Rheim!; 60. til. 115.
Alberic von Troisfontaines M.
Albertus Magnus 16. 17. 18. 4fl. 72. 92.
i»7. 108. lat. HO. 111. 112. \\4. 124.
138. 140. 143. V&. 154. 157. 158. HW.
163. 1G4. 165 172. 173. 177. 178. 182.
190. 193. 194.
Albrecht II. von Österreich Ol.
Alexander IV. (Papst) 98.
Alexander von Aphrodisias 130.
Alexander von Haies 46. 178.
Alighieri, s. Dante.
Alighieri. Petrus 54. 78.
AI Eindi 9.
Andreas von Orvieto 71. 83.
Angelus de Clarino 100.
Anselro von Canterbury 117. 119. 135.
177
Appel 87.
Aristoteles 2. 4. 9. 11. 12. 13. 15. 17.
27. 31. 49. 54. 72. 73. 74. 93. 97.
106. 111. 113. 116. 118. 128.129. 131.
132. 133. 140. 141, 145. 146. I4a 149.
150. 151. 153. 158. 159. 160.166. 167.
168. 172. 173. 179. 187. 188. 189.
190. 193.
Augusün 119. 124. 145.160. 165. 176. 177-
Avempace 49. 174.
Avencebrol {ihn Gebirol) 122. 124.
Averroes 13. 15. 16. 18. 19. 29. 49.
HKJ. 108. 109. 110. 114. 118. 12;S.
13f). 159. 1G\ 160. 172. 175. 100. 193,
Avicenna 5. 13. 21. 28. 4». 123. 124.
132. 134. 179. 183. 187. 188.
Baeumker 42. 47. 143. 14li. im.
Balduin von Konstantinopel 74.
Bardeuhewer 28. 121. 1.'4. 177
Barloli .'»2. 53. 90.
Baumgnrten 110.
ßaumgartner 118.
Beda 51.
Benvenuto Ramhaldi von lniula.55. 83.
Bergmann 52. 74.
Berner von Nivelles G5. «Ö. 67. 68.69.
93. 104.
Bethroann 89.
Boeraccio 51.. ^2. PseudoBoccaccio 56.
Boethius 4. 51. 133. 136. 160.
Boetius der Däne 47. 107. 109. 151. 191.
Bonaventura Ol. 92. 98—101. 124.
la**— 138. 178.
Bongars 71. 72. 73.
BDnifa2 VIII. (Papst) 84. 89. 90. 105.
Boucherie 86. 87.
BonUric 71. 72.
Brie, Simon von (Papst Martin IV.),
s. Simon von Brie.
Brown 62.
Budinszky 75.
') Die im Texte der ImposaibiHa vorkommenden Autoren sind schon
S. 38 verzeichnet.
13*
196
Impossihilia
Bulaeus, s. Du Boulay.
Buti 54.
Cary 54.
Castels 53. 65. 78—83. 84. 8G-87. 90.
93. 112.
Gausis, Über d« ^8. 121. 122.123.124.
125. 127. 130. 142. 143. 165. 178. 191.
193,
Chalelain 40. 57. 60.
Gbristofori 57.
Chronicon Colmariense 56.
Cicero 145.
Cipollu 53. r>4. 57. 66. 67. 69. 76. 78.
90-105. 110. 113. 114. 127. 128, 131.
134. 135. 138.
Clarinus de Sedeloco 68.
Clemens IV. (Papst) 89. 90. 105.
Complutenses 158. 1'9.
Correns 122. 124.
D'Ancona 72. 90.
Dante Alighieri 49. 50-Ki. 65. 70. 71.
74. 77. 79. 82. 84. 85. 86. 90. 92. 93.
96, 97. 98—101. 109-113. 140.
David von Dinan 140.
Deimel 62.
Delisle 40. 41. 65. 67. 68. 76—77. 78.
90. 102. 103. 105.
Denine 40. 41. 53. 57—64. 6i». 98. 99.
106. 107. UJ8-109. 112. 115. 147.
151. 179. 192.
De Wulf 78. 90. 179.
Dietmar der Setzer fi6.
Digard 105.
Dionysius Pseudo-Areopagita 51. 160.
165. 177.
Dominikus 91.
Dorez 105.
Dubois (De Bosco\ Pierre 72. 73. 74.
82. 86. 93. 96. 97. 109. 111. 114. 115.
Du Boulay 57-62. 70. 177.
Duchesne 71. 105.
Duns Scotus 124. 168. 178.
Durandus 158. 159. 163. 177.
Durante 65. 79. 80. 87. 88. 89. 93. 95.
105. 111—113. U4.
Duval (De Valle), Simon 64. 65. 68.
78. 82. 90. 112. 114.
fechard 64-70. 76. 78. 92. 93. 94. 102.
Ut4. 113.
Ehrle 99. 100.
Erdniann, B. 75.
Erdmann, J. H. 75.
Fanfan i 54.
Faucon 105.
Feldner 120.
Fiore, ed. Castets, 65. 78- -80. 93. 94.
Francisque-Hichel 80.
Franz von Assisi 91.
Freudenthal 130.
Oamerius von Rochefort 47.
Gaspary 52. 53 79.
Gebirol, ihn, s. Avencebrol.
Gellius 145.
Gerhard von Abbeville 63.
Gerhard von Boi^o San UoDoino 99.
Gerhard von Cremona 124.
Godefroy 87.
Gottfried von Fontaines 40. 41. 4&
50. 66. 70. 106.
Gratian 51.
Gregor X. (Papst) 89. 90. 105.
Gregor von Himini 164.
Guido ^angebl. de Valdebona) 50.
Guillanme de Lorris, s. Lorris.
Guiraud 105.
Gundissalinus (Gundisaivi), DominikuSf
125. 143.
HaarbHlcker 132.
Haupt 56.
Hauröau 21. 26. 41. 42. 45. 49. 50. 75.
76. 106 - 108.
Havel 83.
Hegel. C. 54.
Hegel, G. W. F. 184.
Heinrich 120.
Heinrich von Gent 146. 178.
Heinrich Pistoux» s. Pistoux.
Heinze 75. 76.
H6m^r6 (Hemeraeus) (». 94. 102.
Hertling 143.
Hettinger 76. HO.
Himmelsstern 90.
Hume 147.
Ida, Gemahlin Pipin's von Landen 65.
Isidor von Sevilla 51.
Jacopo della Lana, s. Lana.
Jaillot 53.
Jehan de Heung, s. Heung.
Jeiler 62. 100. 176. 177.
Joachim von Fiore 98—101. 110. 113.
Johann, König von Sachsen, s. Pbila-
lethes.
Sii,'eri de Brabantia.
197
Johannes Honachus (Lemoine) 40.
Johannes von Panna 100.
Johannes Parricida 94.
Johnnnes Peckham. s. Peckham.
Johannes von Salisbury Uf).
Jordan 105.
Jourdain 57. 140.
Kant 147. I.M.
Karl I. von Anjou 87.
Kervyn de Leltcnhove 74 — 7ü. 76.
lir>. 116.
Kilwardby, Robert 112.
Kraus, Fr. X. 53. 101.
l.abbe 99—100.
Lajard 67.
Lalemandet 168.
Lana, Jacopo della, 54.
Langlois 62. 71. 72. 73. 79. 97. 105.
Irf Clerc 42. 45. 52. 56. 63.70-74. 75.
76, 77. 78. 91. 92. 104. 105. 113.
Lemoine, s. Johannes Monachus.
Leo XUL (Papstj 105.
Lorris, Guillaume de, 62. 79.
Lubin 52. 55. 7Ö.
Lucas (Evang. Luc.) 87.
Ludwig IX. von Frankreich 75.
LuUus, Raymundus, 47. lOÜ— 107.
Maimonides 130. 131. 132. 178.
Mandonnet 47. 109. 165.
Uanente 90.
Mansi 88. 99. 100.
Maria von Champagne 74.
Harteau 79. 80.
Martin IV. (Papst) 57. 84. 8ü 87—88.
90. 105. S. Simon von Brie.
Martin von Troppau 89.
Matteo d'Aquasparta 101.
Meung, Jehan de, 62. 79.
Michael Palaeolt^us 88.
Milanest 51.
Mueller, M. J., 109.
Mnnk 130. 131. 132.
Nagy 9. 149.
Nannucci 54.
Negroni 55.
Newton 167.
Nikolaus IV. (Papst) 4t). iU. S8-8J).
90. 105,
Nikolaus von Amiens 50.
Nikolaus von Autrecourt 146. 147.
Origenes 142.
Orosius 51.
Ottimo, r (Kommentar zur Divina
Commedia) .')4.
Ozanam 52. 70.
Paris, Gaston, 53. 66. 78. 82. h3— »5.
90. 93. 97. 105. 111. 190.
Peckham 93.
Pesch 159. 1.53. 155.
Peter HL von Aragonien 87.
Petit-Radel 62. 69. 76. 94. 102.
Petrus Alighieri, s. Alighieri.
Petrus von Alvemia 115.
Petrus de Bosco, s. Dubois.
Petrus Lombardus 51. 99. 177.
Petrus deVineip, s. Pietro delleVigne.
Phiialethes (König Johann von Sach-
sen) 51. 76.
Pliiiippus a SS. TriniUte 159.
Picavet 146.
Pierre Dubois, s. Dubois.
Pietro delle Vigne 111.
Pipin von Landen 65.
Pistoux, Heinrich 70.
Potlhast 72. 84. 88. 89. lOö.
Prantl 151.
Praepositivus 177.
Proklus 121. 122. 142.
Promis 55.
Quetif 64. 68. 92.
Raymundus LuUus, s. LuUus.
Haynaldus 88.
Reginald, Bischof von Paris 98.
Renan 56. 71. 72.
Renier 90.
Richard von Middletown (de Media-
uiltn) 178.
Richard von St. Viktor 51.
Riezler 72.
Robert Kilwardby, s. Kilwardby.
Robert von Sorbonne 68. 69. 70. 76.
94. 102.
Roethe 56.
Rose, Roman de la, 62. 79-80. 82.
114.
Ruaeus 142.
Rutinus 142.
Saint-Martin, Vivien 65.
Salomon 51,
Sbaralea 89.
Scarabelli 54.
ScarUzzini 52. 54. 75. 76. 83, 90. V.O.
198
ImpoBsibilia
Schanistani 132.
Scheffer-Boichoi-st 5*2.^78.
Schulte, Fr. von, 72.
Scott, Walter 77.
Scotus, Duns, s. Duds.
Sextus Empiricus 146.
Sezer 56.
Sigebert vonlGemblours 54.
Siger von Brabant 48 u. s. w.
Siger von Courtrai 68.. 69. 70. 74. 76.
77. 78.184., Dl. 94. 95. 96. 10*2.:iü3.
104. 110. 113.
Siger von Gull^hem 75. 76. 115.
Simon von'.Brabant ö8. 94. 103.
Simon von Brie 57— 62.J 84. 87. 115.
S. Martin IV.
Simon Duval (de Vulle), s. Duval.
Spinoza 120. 151.
Stefano Talice da Ricnldone fiT).
Stephan Tempier 47.93. 105-10». 112.
114. 150. 177. 187. 191. 192 193.
Stöckl 75. 76.
Suarez 159.
Suger von St. Denis 54.
Talice, a Stefano Talice.
Tempier, s. Stephan Tempier.
Thoco, s. Tocco.
Thomas 105.
Thomas von Aquino 17. IH. 46. 49.
50. 51. 63. Ö5. 66. 68. 69. 70. 71. 72.
73. 76, 78. 85. 91. 92. 93. 94. 96. 97.
98. 100. 102. lai. 104. im. 108. 109.
110, 111.112. 114 117. 119. 120. 124.
127. 128. 129.131. 1:^2. 134. 135. 136.
137. 13«. 14a 142. 143. 153. 154. IS).
15«. 157. 158. 159. im. 161. 162. 163!
165. 167. 173. 174. 176. 177. 178. 187.
188. 190. 193. 194.
Thomas von Strafiburg 138.
Tocco 63. 64. 91. 92. 98.
Tomas^o 54.
Torri M.
Vbertino von Gasale 101.
Ueberweg 75. 76.
Uiban IV. (Papst) S9. 90. 105.
Tasqnez 135. 139.
Vernon 51. 54. Ö6.
Villani 51. 52. 95.
Vincenz von Beauvais 99.
Vitello, 8. Witelo.
Von der Hagen 56.
Wailly 72.
Waulers 77,
Wegele 52.
Weiland 88. 89.
Werner 139. 164.
Wilhelm von Auvergne (Paris) 49,99.
Wilhelm von Auxerre 59.
Wilhelm von Hoerbeke 129.
Wilhelm von Saint- Amour 62—64.79.
80. 81. 85. 91. 93. 98. 99. lll. 113.
Wilhelm von Toul 58.
Witelo tVitello) 129.
Witte 51. 52. 76. HO.
Wolflf 119.
Zeller 133. 142. 155. 180.
Zeno der Eleat 169.
Sigeri de Brabantia. 199
Verbessenmgen und Ergänzungen.
8 2*2 Z. 14. Statt effectus der Handschrift ist defeetua zu schreiben. Vgl.
S. 182 Anm. 1.
8. 35 b Z. 2. Hinter caum ist ein Komma zu setzen.
8. 47 Z. 4 von unten. Statt Monnr. tat. UHiKt lies Monac Int. 10497 (vgl.
8. 180 Anm. 8).
S. 63. Die Angabe Tocco's wird bestfttigt durch Cod. Paris.. Bibl. de TAr-
senal n. r)32, der unter der Rubrik: De orroribus quos sanctus Thomas
destruxit (fol. 39) auch entbfilt: De errore Gwühelmi de Sancto Amore,
Sigeri et eomm sequancium {mU'/) Vgl. Cntahyue des mamtHrnts
dr. la hibUoflirque de rAraenal, par Henry Martin. T. I. Paris 1885.
p. 888.
S. 113 Z. 13. Stett Siger'r lies Süfer's.
äUO Iinpu»8ihiliu Sigeri de Brabantia.
Inhaltsverzeichnis .
8«it«
Impossibilia Higeri de Brabantia. Tt:ft 1
VurzeichniH der in don Impossibilia Sigeri ungeftlhrten Autoren ... 38
Wort- und Sachregister 34
I. Die Handschrift 40
11. Chnraktor und Abfassungszeit dor Impossibilia Sigeri 46
III. Zur Biographie Siger'» von Brabant 49
Leben 49
Schriften 114
IV. Inhalt, pliilusopliiogeschichtliche Stellung und Verfasser der Schrift 116
Erste Those 117
Zweit* The«e 144
Dritte These 14&
Vierte Tht^se 165
KUnft« These 176
Sediste These 186
Verfiirjserfrug«' 189
l'iTSonPiivi'rzeifhni» 195
VerbeHät-rungcii und Krgiinzuiigen 199
Itriag der Aschendorffsclien Buchhandlung. MOnster Li.
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Band I.
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