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HISTORISCHE |
BI5LI0THEK 1
BAND 49 5|
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FRANZ HÜMMERICH ^
DIE ERSTE DEUTSCHE |
HANDELSFAHRT NACH |
INDIEN 1505/06
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MÜNCHEN UND BERLIN
VERLAG V R Or.DENBOURG
I
DIE ERSTE
DEUTSCHE HANDELSFAHRT
NACH INDIEN 1505/06
EIN UNTERNEHMEN DER WELSER,
FUOGER UND ANDERER AUGSBURGER
SOWIE NÜRNBERGER HÄUSER
VON
FRANZ HÜMMERICH
MÜNCHEN UND BERLIN 1922
VERLAG VON R. OLDENBOURG
HISTORISCHE BIBLIOTHEK
herausgegeben von der
Redaktion der Historischen Zeitschrift
Band 40
3^^^
Alle Rechte, einschließlich des Übersetzungsrechtes, vorbehalten.
Vorwort.
Die vorliegende Arbeit behandelt ein wagemutiges kauf-
männisches Unternehmen der Welser, Fugger und anderer Augs-
burger sowie Nürnberger Häuser. Es ist die erste Handelsfahrt
deutscher Kaufleute nach Indien, ein paar Jahre nach Entdeckung
des Seewegs dorthin ; es ist aber auch während der ganzen Dauer
der portugiesischen Kolonialherrschaft im Osten das einzige deutsche
Unternehmen dieser Art: als seit dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahr-
hunderts der Indienhandel und die Ausfuhr der Gewürze nach
ihren neuen europäischen Stapelplätzen, Lissabon und Antwerpen,
portugiesisches Kronmonopol wurde, ergab sich für die Kaufleute
der Reichsstädte die Möglichkeit mit beträchtlich geringerem Risiko
dort einzukaufen. Schon das gibt der Reise von 1 505/06 ein gewisses
Interesse. Sie ist nun aber nicht etwa auf eigene Hand und selb-
ständig von den deutschen Handelshäusern in die Wege geleitet
worden, sondern die drei Schiffe, die sie im Verein mit einer
Gruppe italienischer Kaufleute nach den Gewürzländem schickten,
waren anscheinend alle in Portugal gechartert und fuhren als Teil
einer portugiesischen Armada, die den ersten Vizekönig von Indien
nach dem Osten trug, waren von Portugiesen geführt und mit
Portugiesen bemannt, dem Oberkommando des Vizekönigs während
der Reise bedingungslos unterstellt und für deren Dauer zur Beteili-
gung auch an kriegerischen Handlungen verpflichtet. So haben
sie an all dem teilgehabt, was auf der ereignisreichen Fahrt zur
Begründung und Sicherung der portugiesischen Handelsherrschaft
im Indischen Ozean unternommen worden und selbst dem Agenten
der deutschen Kaufherrn, Balthasar Sprenger, der die Reise mit-
gemacht und 1 509 einen ausführlichen Bericht hat drucken lassen,
weit wichtiger und interessanter erschienen ist als Mitteilungen über
die äußerst bescheidene Rolle, die er in Erledigung sogar der kauf-
männischen Angelegenheiten seiner Auftraggeber zu spielen in der
IV
Lage war. Berücksichtigt man dazu noch, daß in den portu-
giesischen Quellen von der Teilnahme der Deutschen gar nicht
die Rede ist, so wird es verständlich erscheinen, wenn in der Dar-
stellung der Ereignisse die Portugiesen im Vordergrund stehen.
Anderseits ist aber auch nur durch Einblick in das gesamte Trieb-
werk einer portugiesischen Indienfahrt im beginnenden 16. Jahr-
hundert eine klare Vorstellung von dem Erleben der zwei Deutschen,
deren Teilnahme an der Fahrt bezeugt ist, überhaupt zu gewinnen.
Und für kaum eine andere Indienfahrt dieser Zeit fließen nun die
Quellen erster Hand so reich und ungetrübt wie für die des Vize-
königs Francisco d'Almeida, von keiner läßt sich ein so farbiges
und lebensvolles Bild aus Berichten von Teilnehmern, darunter
Männern in führender Stellung, gewinnen. So schien eine Mono-
graphie lohnend, die das deutsche Unternehmen auf einem reicheren
Hintergrund zur Darstellung brächte. Eine solche gibt es bisher
nicht. Soweit das deutsche Handelsunternehmen als solches in
Betracht kommt, sind die entscheidenden Tatsachen auf Grund des
hier leider nur spärlichen Materials von Konrad Haebler ermittelt
und in dem Werke »Die überseeischen Unternehmungen der Welser
und ihrer Gesellschafter«, Leipzig 1903, S. 7 — 26 einwandfrei dar-
gestellt. Das in kommerzieller Beziehung dort gewonnene Bild
konnte um Einzelzüge bereichert werden, in allem Wesentlichen
war es abschließend. Anders, was den Verlauf der Fahrt betrifft.
Hier war im Rahmen von Haeblers Buch nur für das Allerwichtigste
Raum. Für die ausführlichere Darstellung Friedrich Kunstmanns
in der Akademie-Abhandlung »Die Fahrt der ersten Deutschen
nach dem portugiesischen Indien«, München 1861, stand das ein-
schlägige reiche Material des portugiesischen Nationalarchivs der
Torre do Tombo, wie es heute in den sechs bisher erschienenen
Bänden der Lissaboner Akademie- Ausgabe der »Cartas de Affonso
de Albuquerque« und in der Urkundensammlung »Alguns Docu-
mentos do Archivo Nacional da Torre do Tombo« vorliegt, noch
nicht zur Verfügung; im übrigen ist sie vergriffen.
Die kritischen Grundlagen der vorliegenden Monographie
sind, soweit sie auf die zwei echten, deutschen Berichte Balthasar
Sprengers und einen ebenfalls deutschen Geschäftsbrief aus Lissabon,
geschrieben nach dem 22. Mai und vor 3. Juni 1 506, bzw. auf eine
durch deutsche Vermittlung auf uns gekommene portugiesische
Quelle erster Hand gegründet werden muß, von mir selbst in
einer größeren Arbeit gelegt, die unter dem Titel »Quellen und
Untersuchungen zur Fahrt der ersten Deutschen nach dem portu-
giesischen Indien 1505/06« in den Abhandlungen der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften, philosophisch-philologische und
historische Klasse, XXX. Bd., München 1918, als dritte Abhandlung
(153 S. 4<>) erschienen ist Sie enthält außer Untersuchungen über
die genannten Reiseberichte, besonders die Sprengers, revidierte,
mit fortlaufendem Kommentar versehene Texte derselben — zu
dem portugiesischen Bericht auch Übersetzung — „und ist im
folgenden in der Abkürzung Q. U. vielfach zitiert. Die Oberlieferung
der Reise bei den portugiesischen Historikern des 16. Jahrhunderts
ist in ausgedehntem Maße schon dort in den Erläuterungen heran-
gezogen und kritisch beleuchtet. Seitdem hat das Kriegsende mir
ermöglicht alte Beziehungen zu Portugal wieder aufzunehmen und
neue zu knüpfen und so für die darstellende Behandlung des Stoffes
archivalisches Material heranzuziehen, das mir während der Kriegs-
jahre unzugänglich war, vor allem eine Reihe Dokumente aus den
»Cartas de Affonso de Albuquerque« und einen in der Torre do
Tombo in Lissabon erhaltenen, noch unveröffentlichten Bericht
Almeidas vom 16. Dezember 1505 aus Cochin. Aus diesen neuen
Quellen ergaben sich nicht nur Berichtigungen der Darstellung
der Chronisten in dieser und jener Einzelheit, nicht nur neue Tat-
sachen konnten daraus gewonnen werden, wertvoller war, daß die
Fülle des Stoffes sich zu einem Gesamtbilde zusammenschloß, das
neben dem Besonderen, nur dieser Reise Eigenen die typischen
Züge einer portugiesischen Indienfahrt des beginnenden 16. Jahr-
hunderts mit dem Hintergrunde der geographischen und kulturellen
Verhältnisse der auf der Fahrt berührten Gebiete aufwies.
In einem etwas wesentlicheren Punkte hat die erneute Durch-
arbeitung des gesamten Stoffes mich gegenüber der früheren Ab-
handlung zu einer anderen Auffassung geführt. Ich glaube nicht
mehr mit Schmeller, daß der in der Valentin-Ferdinand-Handschrift
der Bayerischen Staatsbibliothek in München erhaltene portugie-
sische Reisebericht von dem Schiffe »»Rafael^ den in der Überschrift
genannten Deutschen Hans Mayr zum Verfasser hatte (Näheres
darüber s. Kapitel IX); wenn trotzdem im folgenden der Bericht an
einzelnen Stellen nach ihm genannt wird, so mag das Bedürfnis der
Kürze im Ausdruck es entschuldigen ; übrigens hat Hans Mayr das
Exemplar des Berichtes, das Valentin Ferdinand vorlag, vermutlich
wenigstens geschrieben, wenn er auch nicht der Verfasser war.
Beim Abschluß des Buches ist es mir ein Bedürt'nis, auf-
richtigen Dank noch allen denen auszusprechen, die zu seinem
Zustandekommen beigetragen haben, vor allem der Bayerischen
Akademie der Wissenschaften, die mir früher die Veröffentlichung
der »Quellen und Untersuchungen« durch Aufnahme in ihre Ab-
handlungen ermöglicht und nun auch die Drucklegung der gegen-
wärtigen Arbeit durch einen Zuschuß zu den Druckkosten gefördert
hat; insbesondere bin ich hier Herrn Geheimrat Professor Dr. Geiger
zu Dank verpflichtet für das freundliche Interesse, das er meiner
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Arbeit entgegengebracht hat. Dankbar gedenke ich auch der jeder-
zeit hilfsbereiten Freunde in Portugal, der Professoren an der
Universität Coimbra Frau Dr. Carolina Michaelis de Vasconcellos
und Herrn Dr. Luciano Pereira da Silva, sowie des Herrn Pedro
de Azevedo, Archivars der Torre do Tombo in Lissabon, dessen
Liebenswürdigkeit ich die Abschrift des Berichtes des Vizekönigs
vom Dezember 1505 verdanke.
Ingolstadt, im November 1922.
Franz Hummer ich.
I. Der Indienhandel
vor Entdeckung des Seewegs ums Kap'.
Der Handelsverkehr zwischen der Mittelmeerwelt und den
Süd- und südostasiatischen Ursprungsländern der Gewürze und
Drogen, der Perlen und edeln Steine beginnt früh. Begünstigt haben
ihn einerseits die zwei großen parallelen Erdspalten, die sich, ihm
die Wege weisend, in der Richtung Südost gegen Nordwest vom
Indischen Ozean durch den Persischen Meerbusen nach dem Quell-
gebiet des Euphrat und Tigris und durchs Rote Meer zur Land-
enge von Sues hinziehen, anderseits, insofern er Seehandel war, die
atmosphärischen Erscheinungen der im Indischen Ozean zwischen
Äquator und Südküsten Asiens halbjährlich wechselnden Monsun-
winde, die einen ozeanischen Völkerverkehr schon zu Zeiten er-
möglichten, wo die Seefahrer ihr Leben und ihre Ladung noch
gebrechlichen und unbehilflichen Fahrzeugen anvertrauen mußten.
Auf welcher der zwei natürlichen Verkehrsstraßen sich im
Altertum und Mittelalter jeweils der indisch-europäische Handel
vorzugsweise bewegte, das hing zum großen Teil von den inneren
Zuständen und politischen Machtverhältnissen der Reiche Meso-
potamiens und des Nillands ab. War er bis in die hellenistische
Zeit ganz überwiegend auf dem Euphratweg gegangen, so hat
seit dem zweiten vorchristlichen Jahrhundert das Vordringen der
Parther ihn von dort mehr nach dem Roten Meer und dem
Ptolemäerreich hinübergedrängt. Der gewaltige Siegeszug der
Araber im siebenten Jahrhundert brachte beide Straßen des Welt-
verkehrs in deren Hände, machte sie für lange Jahrhunderte zu
den Vermittlem zwischen Morgen- und Abendland. Solange nun
Bagdad unter der Herrschaft der Abbasiden als erste Industrie-
und Handelsstadt des Weltreichs und Sammelplatz aller wertvollen
Erzeugnisse Asiens blühte, war der Weg durchs Zweistromland,
wie es scheint, der belebtere, gingen die Waren Indiens von dort
über Damaskus oder Haleb (Aleppo) zur syrischen Küste, durch
* Vgl. hierzu bes. O. Peschel, Die Handelsgeschichte des Roten
Meeres, Deutsche Vierteljahrs-Schrift, 3. Heft 1855, S. 157-228 und
W. Heyd, Geschichte des Levantehandels im Mittelalter, 2 Bde., Stutt-
gart 1879.
Hümmerich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien. <
Armenien über Trapezunt und das Schwarze Meer oder durch
Kleinasien auf dem Karawanenweg nach Konstantinopel. Die Grün-
dung der Kreuzfahrerstaaten an der syrischen Küste seit 1 1 00 gab
dem Levantehandel der Abendländer mächtige Antriebe, führte zu
einem ungeahnten Aufschwung der kaufmännischen Beziehungen
zwischen der östlichen und westlichen Welt. Hatten schon an
der Eroberung der Hafenplätze Syriens neben den Kreuzfahrer-
heeren die Flotten der aufstrebenden italienischen Handelsrepubliken
und ihr streitbares Bürgertum keinen geringen Anteil gehabt, so
konnte hier von jetzt an unter dem Zepter stammverwandter Fürsten,
inmitten einer vorwiegend romanischen Bevölkerung der venezi-
anische, genuesische, pisanische Kaufmann, geschützt durch Vor-
rechte und Verleihungen, sicheres Unterkommen für seine Person
und seine Waren finden, sich in einem seiner Vaterstadt vertrags-
mäßig zu eigen gegebenen Quartier unter landsmännischer Obrig-
keit, Rechtspflege und Seelsorge sicher niederlassen und an Ort
und Stelle, bald auch in den nahen Stapelplätzen des Binnenlandes,
besonders Damaskus und Haleb, seinen Bedarf an allen asiatischen
Waren decken. Der Untergang der syrischen Kreuzfahrerstaaten
in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts verschüttete eine Zeit-
lang diese Handelswege. Den Verkehr mit dem seit 1171 von
Sultan Saladin und seinem Hause, den Ejubiden, seit 1254 von
den Mameluken beherrschten Ägypten, schränkten, zumal nach
dem Fall Akkons (1291), für länger päpstliche Handelsverbote ein.
Inzwischen aber hatten die Reichsgründungen der Mongolen den
Abendländern neue Wege für den Bezug der Erzeugnisse Indiens
und Chinas eröffnet. Seit Dschingiskhans Enkel Hulagu 1258 dem
Kalifat von Bagdad ein Ende gemacht und den Schwerpunkt des
politischen Lebens von Vorderasien aus dem Zweistromland nach
dem nördlichen Iran verlegt hatte, waren Bagdad und Basra in
den Hintergrund getreten gegenüber seiner Hauptstadt Tauris
(Täbris), die im 14. Jahrhundert einen großen Teil des indisch-
europäischen Warenverkehrs an sich zog und einen Strom davon
über Lajazzo im christlichen Kleinarmenien und über das gleich-
falls christliche Cypern, den andern über Trapezunt und den Pontus
oder über Asterabad am Kaspischen Meer, dann Astrachan und
Tana (Asow) im Kiptschakreich der Tataren, über das genuesische
Kaffa in der Krim der abendländischen Welt zuleitete.
Während all dieser Wandlungen im Völkerleben und in den
staatlichen Verhältnissen der östlichen Welt und all der Verschie-
bungen in den nördlicheren Verkehrswegen zwischen Morgen- und
Abendland lag indes auch das Rote Meer nie öde; bot es doch
für den Warenzug, der aus Indien nach dem südlichen Europa
ging, nicht nur den kürzesten Weg dar, sondern beschränkte auch
den kostspieligen und beschwerlichen Landtransport auf das ge-
ringste mögliche Maß. Daraus erklärt sich die Bedeutung, die
Ägypten als Durchgangsland der begehrtesten Waren des Welt-
handels in Altertum und Mittelalter immer gehabt hat Daß es
auch in der Blütezeit Bagdads diese Bedeutung nicht verloren
hatte, lehrt eine Notiz in dem zwischen 854 und 874 geschriebenen
Routenbuch des arabischen Oberpostmeisters Abul Kasim Ibn
Kordadbeh: danach ging einer der Wege, auf denen jüdische Groß-
kaufleute damals ihre Welthandelsfahrten betrieben, von dem
Frankenlande zu Schiff nach Farama, dem alten Pelusium, dazumal
noch einer reichen und ansehnlichen Hafenstadt, von dort in fünf
Tagen über die Landenge von Sues nach Kolsum, dem alten
Klisma, und weiter zur See über Dschidda nach Indien, ja darüber
hinaus bis China. Was sie dem Osten brachten, waren besonders
Eunuchen und Sklaven, Säbel und Pelzwerk; was sie dem Westen
zuführten, Gewürze, Drogen und Wohlgerüche. Eine großartige
Blüte Äg>'ptens beginnt, nach dem Sturz der morschen Fatimiden-
herrschaft, unter der kraftvollen Regierung des Sultans Saladin.
Die Eroberung des seldschukischen Syrien und des Königreichs
Jerusalem (1187) durch ihn selbst und der kleinen Kreuzfahrer-
staaten durch sein Geschlecht vergrößerte den Machtbereich der
ägyptischen Herrscher und sicherte das Nilland nach seiner stärkst-
gefährdeten Seite. Als dann nach der Entthronung des letzten
Ejubiden die neuen Herren des Landes, die Mameluken, um die
Mitte des 13. Jahrhunderts den Mongolensturm von S>Tien ab-
gewehrt hatten, ihr Reich die Vormacht der islamitischen Welt,
seine Hauptstadt Kairo, von den Kopten Babylon genannt, der
Sitz des Kalifates geworden war, stieg von neuem die Bedeutung
des Roten Meeres für den Welt\'erkehr, wurde das schon im
12. Jahrhundert wieder große und reiche Alexandrien Welthafen,
über den die größeren Massen der für Europa bestimmten indischen
Spezereien, besonders die mehr ins Gewicht gehenden Sorten, wie
Pfeffer, ihren Weg nahmen.
Den Wechsel der Monsune hatten schon seit dem ersten
Jahrhundert der römischen Kaiserzeit griechische Seefahrer zu regel-
mäßigen Handelsfahrten von Ägypten nach Indien benutzt: mit
dem von April bis Oktober wehenden Südwestmonsun durch-
querten ihre Segler in 40 Tagen den Indischen Ozean vom Bab
el Mandeb nach Malabar, und heimwärts trug sie der Nordost-
monsun, der vom Oktober bis April in Jenen Breiten herrscht
Der >bequemen Pendelschwingung« dieser Jahreswinde vertraute
seine Schiffe auch das große See- und Handelsvolk des Indischen
Ozeans im Mittelalter, die Araber, an. Das Rote Meer liegt nun
freilich' nicht mehr in dem Bereich der Monsune, aber es hat
gleichfalls zwei wechselnde Windrichtungen, durch deren Kenntnis
seine Handelsgeschichte erst verständlich wird: von Mai bis
November weht, wie in seiner nördlichen Hälfte das ganze Jahr,
von Sues bis zum Bab el Mandeb der Nordwind, von da ab in
dem Teil vom Bab el Mandeb bis Dschidda ein oft stürmischer
Südwind. Eine Schiffahrt von Dschidda nach Norden ist für
Segelfahrzeuge nur dadurch möglich, daß zu Zeiten der Nordwind
sich legt und die Schiffe dann mit Benutzung des nachts ein-
setzenden Landwindes sich langsam in höhere Breiten und nach
Sues hinaufarbeiten. Auch europäische Segelschiffe brauchten noch
im vorigen Jahrhundert mindestens 30 Tage für die Fahrt vom
Bab el Mandeb nach Sues, während sie südwärts die Reise in
7 — 8 Tagen machten. So erklärt es sich, daß in Altertum und
Mittelalter die für das Abendland bestimmten indischen Waren
meist nicht zu Schiffe bis nach Sues gingen, sondern in beträchtlich
südlicheren afrikanischen Häfen ausgeladen, auf Kamelsrücken durch
die Wüste an den Nil gebracht und von dort mit Lastkähnen nach
Alexandrien verschifft wurden. Seit der zweiten Hälfte des H.Jahr-
hunderts allerdings wurde Stapelplatz und ägyptische Zollstätte für
die Handelsgüter des Ostens vorwiegend der Hafen von Tor auf
der Sinaihalbinsel, nicht weit vom St. Katharinenkloster; von hier
gingen die Waren auf dem Karawanenweg nach Kairo und von
dort weiter nach Alexandrien.
Der Welthandel von heute dient dem Massenaustausch der
großen Lebensbedürfnisse der Völker, wie Kohlen und Erze, Holz
und Getreide, wie die Rohstoffe der Industrie es sind; der des
Altertums und Mittelalters vermochte bei der geringen Tragfähig-
keit der Schiffe nur Güter zu befördern, bei cj^nen im Verhältnis
zu ihrem Werte die Frachtkosten nicht ins Gewicht fielen: er
diente dem Sinnenreiz und der Üppigkeit der Großen oder der
übermütigen Verschwendung des reichen Bürgertums in den großen
Handelsstädten des späteren Mittelalters. Perlen und Edelsteine,
kostbare Seidengewebe, Gewürze, Drogen und Wohlgerüche sind
die Waren, die der indische Osten damals hauptsächlich dem
Abendland lieferte, und unter ihnen hat der Pfeffer als Handels-
artikel für das mittelalterliche Alexandrien nach einem Wort Oskar
Peschels verhähnismäßig dieselbe Bedeutung gehabt wie um die
Mitte des 19. Jahrhunderts für Großbritannien Tee und Baumwolle,
für Spanien und Cuba Zucker und Tabak zusammengenommen.
Mochten von den anderen Gewürzen zu jeder Zeit gewisse Mengen
über die syrischen Küstenplätze oder den Pontus dem Verbrauch
des Abendlandes zugeführt werden, für den Pfeffer, den weitaus
wichtigsten Artikel des Indienhandels, besaß Alexandrien nahezu
das Monopol. In der Blütezeit des Mamelukenreiches, die uns
hier vor allem interessiert, gingen die Waren bis zum Nilland
durch ägyptische und arabische Hände; von Alexandrien nach
Europa verfrachtet wurden sie alsdann durch die Handelsschiffe
der im Verlauf der Kreuzzüge groß gewordenen italienischen See-
städte, besonders Genuas und Venedigs, ferner des katalanischen
Barcelona und Südfrankreichs. Jede der regelmäßig hier ver-
kehrenden fremden Nationen hatte in der Welthafenstadt ihr eigenes
Quartier mit Magazinen und Märkten, ihren Konsul und ihre
Konsulargerichtsbarkeit, ihren Handelsvertrag. Die Zeit von der
Mitte des 13. bis zu der des 15. Jahrhunderts bedeutet einen
Höhepunkt in der Geschichte Ägyptens wie in der des Indien-
handels. Seine Bevölkerung muß damals wie in den Tagen des
Pyramidenbaus und wie heute wieder nach Millionen gezählt
haben, ihr Wohlstand blühend, das Land ein sorgsam gepflegter
Garten, Kairo eine Großstadt von imponierender Ausdehnung
gewesen sein. Die unvergleichlich günstige Lage des Nillandes
als Durchgangsgebiet für die am meisten verlangten Waren des
Welthandels ließ hohe Gewinne in die Taschen der ägyptischen
Zwischenhändler fließen, leitete in die Kassen der Mameluken-
sultane von »Babylon« den Goldstrom der Zölle, die sie, wie es
scheint, von den gleichen Waren an mehreren Stellen, zu Ende
des 1 5. lahrhunderts in Tor, Kairo und Alexandrien, erhoben, viel-
leicht auch, soweit ein Umladen der Waren in kleinere Schiffe
stattfand, schon in Dschidda, das wie die »Mutter der Städte«, das
heilige Mekka, seit den zwanziger Jahren des 15. Jahrhunderts im
Besitz der Mamelukensultane war, und in Rosette an der west-
lichen Nilmündung,
Diese Gewinne des arabisch-ägyptischen Zwischenhandels,
die Zölle der Sultane und dazu oft noch Erpressung ihrer Zoll-
beamten, die beispielsweise statt der 10%, welche die meistbe-
günstigten Nationen vom Werte der Waren vertragsmäßig bei der
Ausfuhr zu zahlen hatten, deren 15 forderten, trieben die Preise
der Gewürze und Drogen, bis sie in Alexandrien in die Hände
der abendländischen Kaufherren gelangten, auf das Doppelte dessen,
was sie in den indischen Ursprungsländern kosteten. Nun war
aber von jeher — das läßt sich bereits im Altertum nachweisen —
das Verlangen nach Erzeugnissen der europäischen Gewerbe in
Indien gering gewesen, und was es dem Abendland liefert^ mußte
in der Hauptsache mit edeln Metallen, besonders Silbe* sowie
mit Kupfer bezahlt werden, an denen dies Land, das im Westen
für das metallreichste der Welt galt, immer arm gewesen ist Das
starke Abströmen der hochwertigen Metalle nach dem Osten hat
schon zu Tiberius' und Plinius' Zeit ernste Bedenken hervorgerufen
und dieser wirtschaftliche Gesichtspunkt neben den spät erst
aufgegebenen Kreuzzugsabsichten der Päpste und den politischen
Besorgnissen der christh'chen M'ittelmeerstaaten vor der muhame-
danischen Großmacht am Nil bei den Blockadeplänen bestimmend
mitgewirkt, die gegen das Mamelukenreich im 14. und 15. Jahr-
hundert wiederholt erwogen wurden. Trotzdem hat der ägyptische
• Handel bis zur Mitte des 1 5. Jahrhunderts nicht nur weiter geblüht,
sondern sich immer aufwärts entwickelt. Dem materiellen Oeist,
der mit dem Emporkommen der Demokratie und dem steigenden
Wohlstand in den italienischen und deutschen Städten Einzug ge-
halten hatte, schienen eben die Genuß- und Luxusartikel des Ostens
unentbehrlich. Dazu kam ein weiteres: die nördlicheren Wege, auf
denen man eine Zeitlang beträchtliche Mengen der indischen Ge-
würze bezogen hatte, wurden im Lauf des 1 4. und 1 5. Jahrhunderts
mehr oder minder ungangbar, ihre Stapelplätze am Meer verödeten
oder wurden den abendländischen Handelsmächten verschlossen,
zum mindesten die Sicherheit des Verkehrs mit ihnen stark beein-
trächtigt. Lajazzo fiel 1347 in die Hände der Mameluken, womit
seine kurze Handelsblüte vorüber war, und 1375 wurde der ganze
kleinarmenische Christenstaat dem ägyptischen Reich einverleibt.
Dem indischen Warenzug durch Persien über Tauris nach dem
Kaisertum Trapezunt waren die Wirren, die gegen die Mitte des
14. Jahrhunderts zur Auflösung des von Hulagu gegründeten
mongolischen Westreichs der Ilkhane führten, wenig günstig, und
die Überflutung und Eroberung Irans durch die Mongolen- und
Türkenmassen Timurs des Lahmen verschüttete, so scheint es,
diesen Weg auf lange Zeit hinaus, wie seine verheerenden Ein-
fälle in das Kiptschakreich und die Zerstörung der tatarischen
Residenzstadt Sarai an der Wolga sowie Astrachans zur Verödung
des vielbegangenen Karawanenweges nach Tana führten. Zum
Verhängnis aber wurde für den Levantehandel gerade der zwei
größten Handelsnationen des Mittelmeers, der Genuesen und
Venezianer, das unaufhaltsame Vordringen der Türken auf der
Balkanhalbinsel, am Pontus und im griechischen Archipel. Hatten
die Byzantiner, die selber besondere Neigung für den Handel,
zumal den Seehandel, nicht besaßen, der kommerziellen Energie
der abendländischen Handelsnationen freie Bahn zur Betätigung
und die Möglichkeit gegeben, aus dem fernen Süden und Osten
Asiens die Waren des Welthandels beizuschaffen und von dem
Schwarzen Meer und Konstantinopel weiterzuführen, so fehlte
dem noch rohen Kriegervolk der Osmanen nicht nur der Sinn
für friedliche Handelstätigkeit, ihre ständigen Eroberungskriege
ließen auch die für größere kaufmännische Unternehmungen not-
wendige Stetigkeit der Verhältnisse nicht aufkommen und ver-
hinderten eine regelmäßige Zufuhr von Spezereien auf dem Landweg
nach den pontischen Gestaden; ihre gewalttätige Barbarenart
aber führte zu unaufhörlichen Zusammenstößen auch mit den
abendländischen Handelsnationen, zur Zerstörung und Verödung
der Hauptstätten ihrer Tätigkeit und zur Vernichtung der Freiheiten
und Vorrechte, die die Voraussetzung ihrer Handelserfolge gewesen
waren; die Eroberung endlich der meisten Flottenstationen, die
sich in den Händen der Venezianer und Genuesen befunden hatten,
und die Aufrichtung der osmanischen an Stelle der venezianischen
Seeherrschaft im Ägäischen Meer, die für den abendländischen
Handel viel mehr Unsicherheit als Sicherheit schuf, wies im 15. Jahr-
hundert den Levantehandel, soweit sein Gegenstand Erzeugnisse
Indiens waren, immer ausschließlicher auf Ägypten an. Erst in
der zweiten Hälfte des Jahrhunderts setzt auch hier ein dann freilich
rascher kommerzieller Verfall ein, den die Anknüpfung unmittel-
barer Seeverbindungen mit Indien durch die Portugiesen an seinem
Ausgang nur vollendet, nicht herbeigeführt hat.
Seine Gründe lagen in den innerpolitischen Zuständen des
sinkenden Reiches am Nil. Die Prätorianerwirtschaft der Mame-
luken, die ständigen Thron wirren, die Mißregierung der Sultane
und der Steuerdruck auf die Untertanen, endlich die mit dem
Verfall der staatlichen Machtmittel überhandnehmenden Räubereien
der Beduinen haben das blühende Land entvölkert und zugrunde
gerichtet In Alexandrien fand Petrus Martyr von Angleria, der
1501 als spanischer Gesandter dahin kam, überall Trümmer und
Verödung, Unsicherheit und Mutlosigkeit. Die Stadt, die nach
seiner Schätzung 100000 Gebäude in der Zeit ihrer höchsten
Blüte gehabt hatte, besaß damals nur noch etwa 4000 Feuerstellen,
und Tauben nisteten in ihren Ruinen. Die einheimischen Kauf-
leute, von einem Sultan wie dem andern ausgeplündert und aus-
gepreßt, lebten in ständiger Angst um Hab und Gut, die den
Unternehmungsgeist und die Kraft lähmte. Der Nil, einst von
Schiffen belebt, von Gärten und reichen Dörfern umsäumt, war
verödet, der Landweg von Rosette nach Kairo durch schweifende
Beduinenstämme gesperrt Der Umsatz des venezianisch-alexan-
drinischen Handels, der einige Jahrzehnte vorher noch 600000 Du-
katen betragen hatte, ergab mit Einschluß des syrischen Handels
nur noch ein Drittel dieser Summe und war 1512 schon wieder
beträchtlich weiter gesunken.
Das ist die Lage des indisch-mittelmeerischen Handels zu der
Zeit, als der Portugiese Vasco da Gama 1497/98 den direkten See-
weg nach den Gewürzländern ums Kap der guten Hoffnung ent-
deckte. Seine Auffindung war zu einer Art geschichtlicher Not-
wendigkeit geworden: zwei Jahrzehnte später saßen, wie seit 1453
am Bosporus und früher schon an den Dardanellen, die Osmanen
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als Zöllner auch am Nil und an der Landenge von Sues. Und
»so wie der eiserne Griff der Türken diese wichtigen kosmischen
Organe packte (die Meerengen und Ägypten), erstarb der lebendige
Odem der mediterraneischen Welt. Die Lähmung trifft zuerst den
Don, schleicht an den anatolischen Küsten hinab, verdammt den
Pontus wieder zu seiner Ungastlichkeit, verödet Syrien, würgt das
letzte Leben in Alexandrien, um das Rote Meer einer mehr als
300 jährigen Vergessenheit zu überliefern. Waren bisher die Ufer
des Mittelmeers die beglänzte Hälfte des Abendlandes gewesen,
so unterbricht das Zwischentreten der Osmanen gleichsam die
Quelle des Lichtes, und wir beobachten bekümmert das allmähliche
Erlöschen der letzten beleuchteten Gipfel, während das Leben
nach der frostigen Peripherie unseres Weltteiles entweicht. Die
Entdeckung neuer Welten im Westen und freier Verkehrswege
nach dem tropischen Morgenlande hat allerdings den ozeanischen
Ufern Europas einen neuen, ungeahnten Wert verliehen, daß aber
zugleich mit der Verwitterung der kleinasiatischen und pontischen
Kultur das Mittelmeer still und stiller werden mußte, das war das
freiwillige Verdienst der Osmanen'.«
II. Aufnahme der Verbindungen süddeutscher
Handelshäuser mit Lissabon l
Was von den Erzeugnissen Indiens und des fernen Ostens
im späteren Mittelalter auf die deutschen Märkte kam, wie Speze-
reien, Farbwaren, Wohlgerüche, Seidengewebe, Perlen und Edel-
steine, war fast alles aus der Levante zunächst auf venezianischen
oder genuesischen Schiffen nach Italien und von dort entweder
durch die Galeeren der zwei großen Seestädte nach Brügge und
Antwerpen gebracht und durch die Hansen dem Verbrauch be-
sonders des nördlichen Deutschland zugeführt oder in zahllosen
Ballen von den Kaufherren der süddeutschen Handelsstädte an der
Donau und am Ober- und Mittelrhein auf dem Landweg über
die Alpen herübergeholt und über Süddeutschland verteilt worden,
während Mitteldeutschland teils von Norden teils von "Süden her
damit versorgt wurde. Konstanzer und Ulmer, Augsburger, Regens-
burger und Nürnberger waren neben rheinischen Handelshäusern
1 Peschel, Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen, 2. Aufl.,
Stuttgart 1877, S. 28f.
2 Vgl. K. Haebler, Die überseeischen Unternehmungen der Welser,
Leipzig 1903, 8.8 ff.
und -gesellschaften an dem Geschäfte beteiligt Die Beding^ungen
freilich, unter denen in Venedig, dem weitaus bedeutenderen der
zwei itah'enischen Stapelplätze, der Einkauf der orientalischen Waren
vor sich gehen mußte, für die man mit deutschen Gewerbe- und
besonders Bergbauerzeugnissen zahlte, wurden von den Handels-
herren, und nicht bloß von den deutschen, als beengender Zwang nur
unmutig ertragen. Erlaubte doch die Markus-Republik keinem der
vielen fremden Kaufleute direkten Warenaustausch mit anderen in
der Stadt anwesenden Fremden oder unmittelbaren Handelsverkehr
mit den Ursprungsländern der Waren; nichts durfte den Hafen ver-
lassen, was nicht durch die Hände eines einheimischen Kaufmanns
gegangen war. Einkauf von Waren mußte in Begleitung und unter
Vermittlung des dem fremden Kaufmann zugeteilten Maklers vor-
genommen werden, und besonders zahlreichen Einschränkungen
war der Pfefferhandel unterworfen, der wichtigste Geschäftszweig
des mittelalterlichen Venedig. Solange sich nun die Republik mit
der Hohen Pforte im Friedenszustande befunden und ungestört ihre
Handelsvorrechte in der Levante genossen hatte, war jeder Versuch
aussichtslos gewesen, dies Verhältnis, das im 1 5, Jahrhundert einem
Handelsmonopol Venedigs für die orientalischen Waren nahekam,
zu ändern; als aber 1499 der Krieg zwischen Sultan Bajesid II. und
der Republik ausbrach und deren Levantehandel auf ein paar Jahre
lahmlegte, wandten sich die deutschen Kaufleute in rascher und tat-
kräftiger Ausnutzung der Gelegenheit, um ihren Bedarf an indischen
Waren zu decken, nach Genua, das im 1 5. Jahrhundert, wenn es
auch politisch mit der Republik von S. Marco längst nicht mehr
rivalisieren konnte, kommerziell doch noch einmal kräftig aufgeblüht
war, jetzt vorübergehend Hauptstapelplatz für die Erzeugnisse des
Ostens wurde und ihnen schon in früheren Handelsverträgen
wesentlich günstigere Bedingungen eingeräumt hatte als Venedig.
Eine Stelle in den Tagebüchern des Venezianers Marino Sanuto^
läßt deutlich erkennen, daß 1501 unter Führung der Fugger vier
deutsche Handelsgesellschaften sich sogar zusammengetan hatten
um von Genua aus unmittelbare Beziehungen mit der Levante
anzuknüpfen.
Es ist nicht dazu gekommen. Denn inzwischen hatte Por-
tugal begonnen aus der Entdeckung des Seewegs um das Kap
der Guten Hoffnung (1497/98) die kaufmännischen Folgerungen
zu ziehen: im März 1500 war Pedralvares Cabral mit 13, im
März 1501 Joao da Nova mit 4 Fahrzeugen aus der Tejomündung
nach dem Osten ausgelaufen; und wenn auch das erste Unter-
nehmen nur mit beträchtlichen Verlusten an Schiffen durchgeführt
> Diarü, Bd. IV, Sp. 28; dazu Haebler a.a.O., S. 6 f.
10
wurde und der kaufmännische Erfolg dadurch hinter den Erwar-
tungen zurückbleiben mußte, so kehrten doch von dem zweiten
alle Schiffe unversehrt und mit Ladung zurück, und in den ersten
Monaten des Jahres 1 502 ging unter dem Admiral Vasco da Gama
eine Flotte von 20 Schiffen nach den Gewürzländern in See,
von der ein Geschwader unter Vicente Sodre Befehl hatte, im
Indischen Ozean kreuzend den arabischen Handel vom und zum
Roten Meer nach Kräften zu behindern; man begann damit die Ver-
wirklichung des kühnen, weitausschauenden Planes, den Zwischen-
handel der arabischen Kaufleute nach Ägypten und Syrien zu
vernichten und den Gewürz- und Drogenhandel nach dem Westen
ganz in portugiesische Hände zu bringen, Lissabon an Stelle
Venedigs zu seinem Stapelplatz für Europa zu machen. Gelang
der Versuch — und bei dem Verfall der Mamelukenmacht schien
das nicht unmöglich — , so war für den Indienhandel eine völlig
neue Sachlage gegeben. Es zeugt von dem Weitblick und Unter-
nehmungsgeist der süddeutschen Kaufleute, daß sie das alsbald
erkannt und ihre Maßnahmen danach getroffen haben. Wurde
der Gewürzstapel nach Lissabon verlegt, dann mußten sie künftig
dort ihren Bedarf decken, und je eher sie sich dazu entschlossen,
um so mehr Aussicht hatten sie, günstige Bedingungen für ihre
Geschäfte und einen Vorsprung vor den Konkurrenten aus anderen
Ländern zu erlangen. So hören wir nichts weiter von ihrem Plan,
selbst über Genua mit der Levante in Verbindung zu treten, da-
gegen bringt bereits am 13. Februar' 1503 als Vertreter des Anton
Welser (in Augsburg), Konrad Vöhlin (von Memmingen) und ihrer
Gesellschafter deren Agent Simon Seitz in Lissabon einen Privilegien-
vertrag mit König Manuel dem Glücklichen von Portugal zum
Abschluß, wonach der Welser-Gesellschaft und dem deutschen
Kaufmann im allgemeinen auf 15 Jahre die Zollvergünstigungen,
die dem deutschen Handel durch einzelne Förderungsbriefe schon
früher in Portugal eingeräumt worden waren, von neuem zu-
gesichert, mit bestimmten Vorbehalten aber auch auf die Handels-
artikel ausgedehnt wurden, die aus den neuentdeckten Ländern
kämen, und ihnen unter gewissen Bedingungen für die Zukunft
unmittelbare Beteiligung an dem überseeischen Handel in Aussicht
gestellt war. Die in dem Vertrag zugestandenen Rechte sollten
allen deutschen Handelshäusern zugute kommen, die in Lissabon
Niederlagen einzurichten wünschten und sich an dem Handel nach
Portugal mit einem Kapital von mindestens 10000 Dukaten be-
teiligen würden. Die vorbereitenden Verhandlungen mit dem
König hatte vermutlich, da Simon Seitz auf der Reise nach
Haebler a. a. O., S. 9 f.
11
Portugal, in Begleitung von Lukas Rem und Scipio Löwenstein, am
T.Januar 1503 erst bis Saragossa gekommen war', also die por-
tugiesische Hauptstadt vor Ende des Monats schwerlich erreicht
haben kann, ein in Lissabon ansässiger, auch bei Hofe angesehener
Deutscher geführt, Valentim Fernandez aus Mähren, Einer der
frühesten Buchdrucker in Portugal, war er zugleich ein Mann
von geistigen Interessen und gelehrter Bildung, und so finden wir
ihn in den folgenden Jahren in Briefwechsel mit dem bekannten
Augsburger Humanisten Konrad Peutinger, in dessen Besitz später
auch eine von Valentim Fernandez herrührende und heute nach
ihm benannte, überaus wertvolle Handschrift übergegangen ist,
die sich in der Bayerischen Staatsbibliothek zu München befindet
und Darstellungen vor allem dessen enthält, was Valentim Fernandez
über die Westküste Afrikas bis zur Sierra Leone und einzelne
Inselgruppen im Atlantischen Ozean sowie über die Entdeckung
dieser Erdräume durch die Portugiesen im 15. Jahrhundert hatte
erfahren können. Als Übersetzer hat er ferner die Reiseberichte
des Marco Polo, Niccolö dei Conti und Geronimo da Santo Stefano
ins Portugiesische übertragen und 1502 in Lissabon gedruckt
Daß er sich um das Zustandekommen des Privilegienvertrags
vom 13. Februar Verdienste erworben hatte, dafür spricht, daß
Simon Seitz acht Tage danach für ihn vom König das Amt eines
Maklers der deutschen Kaufleute erbittet und erlangt. Später hat
er auch mit den Fugger und Imhof Beziehungen unterhalten 2.
Das gleiche Privileg wie den Welsern, einschließlich einer diesen
im besondem zugestandenen Zollermäßigung, wurde noch in
demselben Jahr dem Ulrich Fugger und seinen Brüdern ausgestellt,
und die Gossenprott und Höchstetter von Augsburg sowie die
Nürnberger Häuser Imhof und Hirschvogel scheinen sehr bald
nachgefolgt zu sein. Wenn in dem Vertrag vom Februar 1503
den Deutschen das Recht eingeräumt wird, eigene Schiffe, die sie
in Portugal bauen ließen, mit allen Privilegien und Freiheiten der
eigenen Untertanen des Königs für das Schiff wie für die Güter,
die es führe, in allen Häfen und Flüssen des Landes wie zum
Handel nach auswärts zu benutzen^, so zeigt das in Verbindung
mit den andern Zugeständnissen, welchen Wert Manuel auf An-
knüpfung engerer Beziehungen zu den deutschen Kaufleuten legte.
Und das hatte seine guten Gründe.
• Tagebuch des Lukas Rem ed. B. Greift, Augsburg 1861, S. 7.
2 Haebler, a. a. O., S. 10.
3 Cassel, Privilegia und Handlungsfreiheiten, welche die Könige
von Portugal ehedem den deutschen Kaufleuten zu Lissabon erteilet
haben, Bremen 1771, S. 8.
12
Das kleine Portugal besaß keinen Überfluß an natürlichen
Hilfsquellen. Die Aufbringung der Geldmittel für immer neue
Indienflotten stellte an die königlichen Kassen, von denen sie
hauptsächlich bestritten wurde, außerordentliche Anforderungen;
und Seeverluste, wie sie die Flotte Cabrals gehabt hatte (1500/01)
— von zehn nach Indien bestimmten Schiffen kamen nur fünf mit
Ladung zurück, ebenso viele gingen unter — ließen es dem König
und seinen Beratern zu Zeiten zweifelhaft erscheinen, ob mit
Staatsmitteln allein ein regelmäßiger Verkehr mit den Gewürz-
ländern aufrecht erhalten werden könne. Einen großen Teil ihres
Bedarfes an Holz, Teer und anderen Materialien des Schiffsbaus
hatte den Portugiesen immer der deutsche Norden geliefert und
auch manche hansische Hulk war, wenn sie in Lissabon ihre
Ladung gelöscht hatte, vom Schiffsherrn mit Nutzen an einen
portugiesischen Reeder verkauft worden. Masten, Pech und Teer
werden denn auch in dem Vertrag vom 13. Februar 1503 aus-
drücklich unter den Waren genannt, deren Einfuhr durch einen
Zollsatz von nicht über 10% begünstigt sein sollte. Der
Bedarf an seetüchtigen, tragfähigen Schiffen war nun in den ersten
Jahren nach Anknüpfung der unmittelbaren Verbindungen mit
Indien ein ungewöhnlich hoher, der Bau im Land aber bei der
starken Entwaldung desselben sehr erschwert. Die verhältnismäßig
bedeutendsten Werften waren am Anfang des 16. Jahrhunderts
die der Ribeira zu Lissabon, nicht mehr wie im Beginn des 15.
die Werften von Porto; die Mehrzahl der für die Indienfahrt
benutzten Schiffe aber war biskayischer oder flandrischer Herkunft'.
Manuel mochte hoffen, daß die kapitalkräftigen deutschen Handels-
häuser ihm, zumal bei ihren Verbindungen mit den Niederlanden,
geeignete Fahrzeuge erstellen könnten. Auch sonst mußte die
engere Fühlung mit ihnen, vor allem mit den Fugger, ihm wert-
voll sein, weil die indischen Waren am vorteilhaftesten in Silber 2
oder Kupfer bezahlt wurden, beides aber um 1 500 fast nur vom
deutschen Kaufmann bezogen werden konnte. Deutschland allein
besaß damals große Silberfundstätten, wie es überhaupt im Berg-
bau vorbildlich war. Schon von der Mitte des 1 5. Jahrhunderts
1 Ca Masser in Archivio Storico Italiano, Appendice, t. II (1845),
S. 46 und 47. Vgl. auch Lunardo Nardi in Diarii di Marino Sanuto,
Bd. IV, Sp. 547, ferner Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III,
Lisboa 1903, S. 18f.
2 »argenti in massa< nennt als Gegenstand der portugiesischen
Einfuhr in Indien der Bericht des Vincenzo Quirini an die Signoria von
Venedig vom Jahr 1506 in Alberi, Relazioni degli ambasciatori Veneti,
Appendice, Firenze 1863, S. 6.
13
an hatten große oberdeutsche Handelshäuser sich an dem Kupfer-
und Silberbergbau in Tirol, Kärnten und Sachsen, später auch in
Ungarn, Schlesien und Böhmen beteiligt, ihn z. T. wohl auch
mit ihrer Kapitalkraft erst zu seiner vollen Blüte gebracht. Den
Anteil der Landesherren an der Ausbeute solcher Bergwerke nahmen
sie mit Vorliebe als Pfand für Darlehen, die sie den immer Geld-
bedürftigen gewährten, oder ließen ihn sich gegen Vorauszahlung
des Kaufpreises gleich für mehrere Jahre verschreiben. So war
der Handel mit den beiden Metallen fast ausschließlich in deutschen
Händen. Von den oben genannten Häusern sind in hervor-
ragendem Maße die Fugger, aber auch Anton Welser, Konrad
Vöhlin und Gesellschafter und die Höchstetter, im ersten Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts nächst diesen beiden das bedeutendste Handels-
haus in Oberdeutschland, am Handel mit Silber beteiligt gewesen,
und im Kupferhandel nahm vermöge seines Bergwerks- und Hütten-
besitzes in Deutschland und Ungarn das Haus Fugger die un-
bestritten führende Stellung ein ; man kann hier fast von einem
Monopol sprechen. Die Gossenprott finden wir 1498 mit ihnen
sowie mit den Herwart in Augsburg und Hans Paumgartner aus
Nürnberg an dem großen Syndikat für den Verkauf von Kupfer
in Venedig beteiligt.
Daß 1504, vermutlich doch für die Zwecke der Handels-
fahrt, Silber von den genannten Häusern nach Portugal gesandt
werden sollte, zeigt ein Geschäftsbrief Anton Welsers, datiert von
Augsburg 1 1. Dezember d. J. an seinen Schwager Konrad Peutinger,
dem Abschrift eines Briefes aus dem Kontor der Welser-Kompanie
in Antwerpen vom 18. November 1504 beigegeben ist'. Die Ver-
schiffung von Antwerpen war auf Schwierigkeiten gestoßen, weil
im Lande ein Ausfuhrverbot für Silber bestand. Seit nun aus
einer Hulk ein Posten des edeln Metalls geraubt worden war,
war das Land voll davon, »die Teutschen fieren nichtz dann
Silber«; verdächtige deutsche Kaufmannsgüter wurden, besonders
in Zierikzee, geöffnet und durchsucht und allem dabei gefundenen
Silber drohte die Beschlagnahme. Peutinger soll daher den Kaiser
Maximilian, an dessen Hoflager er gerade weilt, zu Vorstellungen
an seinen Sohn, den Regenten der Niederlande, Herzog Philipp
(den Schönen), veranlassen, daß der Welser-Gesellschaft freier und
sicherer Paß für ihre Silbersendungen nach Lissabon durch Seiner
Gnaden Gebiet zu Lande und zu Wasser gewährt würde; denn
erstens werde das Silber nicht in den Niederlanden aufgekauft,
sondern aus Oberdeutschland dorthin gesandt; zweitens werde es
in Lissabon gegen Spezerei und sonstige Waren ausgetauscht, die
» Tagebuch des Lukas Rem ed. B. Greiff, Augsburg 1861, S. 163 ff
14
dann von der Gesellschaft wieder in Seiner Gnaden Häfen, Ländern
und Städten eingeführt und gehandelt würden, was durch die
Zollerträge und auch sonst den Niederlanden zugute komine;
drittens aber werde nicht nur Silber in und durch das Land
geführt, sondern auch viel im Lande erzeugten »gwands«' gekauft
und ausgeführt, was demselben wiederum Nutzen bringe. Vlämische
Tücher hebt in der Tat Lukas Rem als besonders wichtigen Ar-
tikel, mit dem er in Portugal 1503—1508 gehandelt habe, im
Tagebuch hervor (S. 9). Dem Kaiser soll Peutinger vorstellen,
daß, wenn es bei der Sperrung bleibe, ein Preissturz des Silbers
unvermeidlich sei und Königlicher Majestät an ihren Tiroler Silbern
zu nicht geringem Schaden ausschlagen müsse. Im übrigen würden
die Kaufleute bei Fortdauer der Sperre genötigt sein sich nach
französischen oder spanischen Häfen oder nach Genua zu wenden
und Handel und Gewerbe der Niederlande dadurch geschädigt
werden. Die Bemühungen der Gesellschaft sind auf die Dauer
jedenfalls von Erfolg gewesen; denn wir hören, daß 1507 an
der galizischen Küste ein Schiff, das in Zeeland auf Rechnung
der Welser, Vöhlin und Gesellschafter, der Fugger, Höchstetter,
Imhof und Rehlinger von Augsburg für Lissabon bestimmtes
Kupfer und Silber geladen hatte, gekapert worden ist^. Kupfer
nennt neben Blei, Zinnober und Quecksilber unter den Artikeln,
die er in Lissabon verkauft habe, das Tagebuch des Lukas Rem
(S. 9); »Messinck, Kupfer, Zinober, Quicksilber« zählt der Privi-
legienbrief der Welser-Kompanie vom 13. Februar 1503 unter
den Einfuhrwaren auf, und Kupfer bildet bei den portugiesischen
Indienflotten der Jahre 1504 — 1506 den weitaus größten Teil der
mitgenommenen Waren, die wir aus dem Berichte Ca Massers
an die Signoria von Venedig vom Jahre 1506 kennen; auch Blei,
Zinnober und Quecksilber fehlen dort nicht; aus den Rechnungs-
nachweisen des Fugger-Archivs aber ergibt sich^, daß die Fugger
in den Jahren 1510 — 1513 in Danzig aus dem gemeinsamen
Handel mit den ungarischen Thurzo 77 734 Zentner Kupfer zur
Verfrachtung nach Antwerpen, Amsterdam und Lissabon behufs
Wiederverkaufes übernommen haben. Ein großer Teil des in
Portugal von ihnen eingeführten Kupfers ist zweifellos nach dem
Osten gegangen. Von den indischen Häfen erwies sich 1505
Cananor als besonders aufnahmefähig dafür: Almeida berichtet
unter dem 16. Dezember d. J. dem König, daß hier allein fast
' Die »Kugeln«, die in dem Vertrag von 1503 bei Cassel a. a. O.,
S. 6, neben den Peltereyen« (Pelzwerk) genannt sind.
' Jansen, Jakob Fugger der Reiche, Leipzig IQIO, S. 147.
3 Jansen a. a. O., S. 157.
15
mehr Kupfer werde abzusetzen sein als in den andern von den
Portugiesen besuchten Häfen zusammengenommen ' ; viel davon
ging jedenfalls nach dem großen Binnenreich von Vijayanagar^,
Dabei galt doch für den Pfeffereinkauf in Cochin seit der Reise des
Admirals in den Jahren 1502/03 die Vereinbarung, daß V4 der
Gewürzmasse in Kupfer, das Quintal zu 12 Cruzados, 3/4 in barem
Geld bezahlt werden sollten 3; es müssen also schon dort beträcht-
liche Mengen davon umgesetzt worden sein.
Was aber die deutschen Kaufherren in erster Linie nach
Portugal geführt hatte, war die Beteiligung am Gewürzhandel in
Lissabon. In der Tat hatte der König ihnen das Recht zollfreier
Ausfuhr der in seinem Lande gekauften Spezereien, Farbhölzer
und anderen Waren, die von Indien und den neu aufgefundenen
Inseln (Brasilien) kämen, vertraglich zugesichert. Aber diese Ver-
günstigung sollte für die Waren, die von den Indienflotten der
Jahre 1502 (unter dem Admiral Vasco da Gama) und 1503 (unter
den beiden Albuquerque) heimgebracht, und für die brasilianischen
Waren, die sie von Fernando de Noronha bis 1505 kaufen würden,
wo dessen Monopol für den Handel mit Brasilien ablaufe, keine
Gültigkeit haben; hier sollten sie vielmehr 5% Ausfuhrzoll zahlen:
es ist sehr möglich, daß infolge dieser Vorbehalte die ihnen
gewährten Vergünstigungen tatsächlich nie in vollem Umfang
wirksam geworden sind, weil in den folgenden Jahren der Gewürz-
handel mehrfach durch neue Verordnungen geregelt und schließlich
Kronmonopol wurde"*. Allein die Absichten der Deutschen waren
auch von vornherein weiter gegangen als auf bloßen Einkauf der
indischen Waren an ihrem neuen, westeuropäischen Stapelplatz:
sie dachten die Zulassung zu den Gewürzländem selber vom
König zu erlangen.
Teilnahme von in Lissabon ansässigen fremden Geschäfts-
häusern an den indischen Handelsunternehmungen Manuels hatte
auch bisher schon stattgefunden ; es bedurfte dazu freilich in jedem
einzelnen Fall, wie für die eigenen Untertanen des Königs, einer
besonderen Ermächtigung, die unter bald günstigeren bald un-
günstigeren Bedingungen in den ersten Jahren erteilt worden war.
So hatten sich seit 1 500 mit Kapital wie mit Schiffen der reiche und
angesehene Florentiner Bartolomeo Marchione und sein Landsmann
Girolamo Semigi, die geldmächtigen Gualterotti und Frescobaldi,
gleichfalls von Florenz, die ihr Hauptgeschäft in Brügge hatten,
* Torre do Tombo, gav. 20, ma?o 10, n. 33.
2 Duarte Barbosa in Collecgäo de Noticias, Bd. ,11, S. 343.
3 Ca Masser a. a. O., S. 20.
< Haebler a. a. O., S. 13.
16
auch Giovanni Francesco Affaitato von Cremona an Fahrten nach
Indien beteih'gt. Die gleiche Vergünstigung hofften nun die
Welser, die zuerst von den Deutschen in Lissabon festen Fuß
gefaßt hatten — schon am 8. Mai war dort zur Errichtung einer
Niederlage für den Warenhandel des Hauses Lukas Rem einge-
troffen — ihrer Handelsgesellschaft bereits für 1504 zu ervcirken,
wo eine stattliche Flotte unter Lopo Suarez nach Indien abgehen
sollte. Mit Empfehlungsbriefen Kaiser Maximilians und seines
Sohnes Philipps des Schönen an den portugiesischen König und
mit der stattlichen Summe von 20 000 Dukaten, die teils bar teils
in Waren an das Unternehmen gewendet werden sollten, kamen
im März 1504 über Antwerpen ihre Agenten nach Lissabon, be-
gleitet von zwei jungen Handlungsdienern, die mit der Flotte
nach Indien gehen sollten ^ Fürs erste indes sah die Gesellschaft
sich in ihrer Erwartung getäuscht; Manuel lehnte diesmal mit
einer einzigen Ausnahme, zu der ein im vorhergehenden Jahre
gegebenes Versprechen ihn nötigte, jede Beteiligung fremder Kauf-
leute ab: er gedenke den Handel mit Indien künftig sich selber
vorzubehalten. Es war eine jener Schwankungen des Entschlusses,
wie sie die Wechselfälle des Glückes in den ersten Jahren nach
der Entdeckung wiederholt bei ihm bewirkt haben. Im Hoch-
gefühl eines schönen Erfolges glaubte er aus eigener Kraft das
indische Unternehmen bestreiten zu können, in einem Augenblick
der Entmutigung konnte er (Anfang 1502 nach den schweren
Verlusten der Cabralschen Flotte) gegenüber dem venezianischen
Gesandten äußern, daß er es vielleicht ganz aufgeben werde^.
Beides entsprang vorübergehenden Stimmungen; nüchterne Erwä-
gung der Kosten und des verfügbaren Schiffsraumes machte ihn
doch den Wünschen der Kaufherren wieder zugänglich. Es
dauerte auch diesmal nicht lange und er wurde anderer Meinung.
So konnte denn am 1 . August 1 504 Lukas Rem im Namen des
aus den oben genannten Augsburger und Nürnberger Häusern
bestehenden Handelskonsortiums mit ihm den Vertrag zum Ab-
schluß bringen^, kraft dessen die erste deutsche Handelsfahrt nach
den neuentdeckten Ländern im Osten zustande gekommen ist.
Drei Schiffe sollten die beteiligten Häuser mit der Flotte des
Jahres 1 505 nach Indien senden und durch eigene Agenten Speze-
reien dort einkaufen dürfen. Die Gestellung dieser Schiffe und
1 Diarii di Marino Sanuto, Bd. VI, Sp. 28. Der Name der Welser
wird nicht genannt, aber die Beziehung ist zweifellos.
2 Document inedit concernant Vasco da Gama, ed. Harrisse,
Paris 1889, S. 26.
3 Tagebuch, S. 8.
17
die Aufbringung des erforderlichen Kapitals war übrigens nicht
ausschheßlich deutsches, sondern gemeinsames Unternehmen
deutscher und itah'fenischer Kaufleute, und wir erfahren aus einem
eingelegten Blatte der »Cronica alter und newer geschichten« von
dem Augsburger Wilhelm Rem auch die Summen, die dabei auf
die einzelnen entfielen'. Von dem Oesamtkapital von 65 400 Cru-
zados schössen florentinische, darunter Bartolomeo Marchione, und
genuesische Kaufleute 29400 Cruzados ein, während von den für
die Deutschen verbleibenden 36000 die Welser als Hauptbeteiligte
allein 20000 (nach Lukas Rem »ob 21000«) Cruzados in dem
Unternehmen anlegten, die Fugger und Höchstetter je 4000, die
Imhof und Oossenprott je 3000 und die Hirschvogel 2000. Aus
anderen Quellen haben die Bedingungen sich erschließen lassen, an
welche die Zulassung zur Fahrt für die deutschen Kaufleute ge-
knüpft war2. Danach hatten sie erstens die Schiffe zu stellen
und den Unterhalt für deren Bemannung auf 18 Monate zu be-
streitend Kapitäne und Mannschaft mußten Portugiesen sein oder
den fremden Kolonieen in Lissabon angehören und standen für die
Dauer der Fahrt unter der unbedingten Befehlsgewalt des portu-
giesischen Flottenkommandanten. Auch bezüglich ihrer Handels-
geschäfte war ihnen nicht unbeschränkte Freiheit eingeräumt. Den
Tauschwert der vom König zur Einfuhr zugelassenen europäischen
Handelsgegenstände setzten ebenso wie den der Gewürze die
königlichen Faktoren fest und an ihn waren die Kaufleute ge-
bunden. Was dagegen die Menge der einzukaufenden indischen
Waren betraf, so war sie nur durch die Höhe des Angebots auf
den malabarischen Märkten und durch die Kaufkraft der Handels-
herren sowie die Tragfähigkeit der Schiffe begrenzt. Von dem,
was sie nach Lissabon brachten, hatten sie als Abgabe an den
König ein Viertel und ein Zwanzigstel, zusammen also 30 % der
eingeführten Gewürze, zu zahlen. Das übrige sollten die Kauf-
-leute ohne jede weitere Beschränkung oder Abgabe auf beliebigen
Schiffen von Lissabon ausführen dürfen.
Die deutschen Kaufleute hatten damit ihr nächstes Ziel erreicht
und den berechtigten Stolz der Augsburger, auf einer von keinem
deutschen Handelsherrn noch betretenen Bahn die ersten zu sein,
lassen die Worte Konrad Peutingers in dem bekannten Brief an den
kaiserlichen Sekretär Blasius Hölzl vom 3. Januar 1505 erkennen:
»Meins Seh wehers Brief wollet auch vertigen, dan die Schiff
zu Portengal schier gen India faren werden, und uns
1 Chroniken deutscher Städte, Bd. 25, S. 277 ff.
» K. Haebler a.a.O., S. 17.
3 Ca Masser a. a. O., S. 29.
HQtnmerlch, Deutsche Handelsfafart nach Indien.
18
Augspurgern ains groß Lob ist, als für die Ersten Deutschen,
die India suechen. Und K. Maj. zu eren hab ich in die Brief
gesetzt, wie er als der erst römisch kunig die schicke, dan
solchs von kainem röm. Kn, vor nie geschechen ist. Mocht
auch wol leiden das in den briefen stand, das anwaU des
kunigs von Portengal in India, die teutschen Kn. Maj. zu-
gehörig, den indianischen Kunigen von wegen seiner Kn.
Maj. anzaiget etc.^«
III. Die Vorbereitungen zur Indienfahrt.
Die portugiesische Indienfahrt des Jahres 1505 zeigt gegen-
über den Unternehmungen der vorausgegangenen Jahre einen
besonderen Charakter. Die ersten Geschwader, die König Manuel
nach der Entdeckung des Seewegs ums Kap nach dem Osten
gesandt hatte, waren bewaffnete Kauffahrteiflotten gewesen. An
eigentliche Eroberung eines so stark bevölkerten alten Kulturlandes
wie Indien konnte er mit den beschränkten Mitteln seines kleinen
Landes von Anfang an nicht denken ; sein Ziel konnte im wesent-
lichen nur sein, den Handel, besonders den mit Gewürzen und
Drogen, der bisher über Ägypten und die Levante gegangen war,
in portugiesische Hände zu bringen. Dazu schien fürs erste die
Anlage von Faktoreien in den wichtigsten Häfen von Malabar
unter dem Schutze befreundeter Rajas ausreichend. Nun führte
aber der zähe und leidenschaftliche Widerstand, den die bisherigen
Vermittler des Gewürzhandels nach dem Westen, die arabischen
Kaufleute, einer Festsetzung der unbequemen neuen Konkurrenten
entgegensetzten, alsbald zu fast ununterbrochenem Kriegszustand
mit dem mächtigsten Herrscher der Malabarküste, dem Samorin
von Calicut, und damit zum Ausschluß der Portugiesen von diesem
Hauptstapelplatz für alle Erzeugnisse der östlichen Welt. Wohl
verschaffte die Feindschaft mit dem mächtigen Samorin ihnen
günstige Aufnahme in dem südlicher liegenden Cochin, dessen
Raja sich mit ihrer Hilfe der lästigen Oberherrschaft von Calicut
zu entledigen hoffte, wie auch in dem nördlich von Calicut ge-
legenen Cananor; aber waren sie imstande die Gebiete dieser
Bundesgenossen sowie die im Lande zurückgelassenen portu-
giesischen Handelsagenten und ihr Personal samt Waren vor der
dauernden Bedrohung durch den Samorin und die streitbaren
Muhamedaner von Malabar zu schützen, wenn mit dem Nordost-
monsun die jährliche Flotte nach der Heimat in See gegangen
* Tagebuch des Lukas Rem, Anhang, S. 171.
10
und erst nach mehr als sechs Monaten, mit dem Monsunwechsel,
die nächste zu erwarten war? Gewiß, die portugiesischen Schiffe
hatten sich an Schnelligkeit und Manövrierfähigkeit den schwer-
fälligen, nur in der Richtung des Windes segelnden Fahrzeugen
der östlichen Meere ebenso überlegen erwiesen wie die Bewaff-
nung der portugiesischen Edelleute und Soldaten, Beschaffenheit
und Verwendung ihres Geschützes den Kampfmitteln der nackten
malabarischen Streiter; den todverachtenden Heldenmut, mit dem
in wenigen Jahrzehnten die portugiesische Kolonialmacht im Osten
aufgerichtet worden ist, hatte gleich anfangs bei der Verteidigung
von Cochin gegen den Samorin (1504) Duarte Pacheco mit seiner
kleinen Schar glänzend bewährt und den Ruf der europäischen
Waffen in Indien begründet; aber eine irgendwie nennenswerte,
dauernd im Osten stationierte See- oder Landstreitmacht, einen
stärker befestigten Stützpunkt besaßen die Portugiesen bisher in
Malabar so wenig wie an der ostafrikanischen Küste; denn das
kleine Holzkastell, das die beiden Albuquerque 1503/04, und die
ebenfalls hölzerne Furtsperre, die Duarte Pacheco während der
Kämpfe mit dem Samorin bei Cochin angelegt, die paar schwach
bemannten kleinen Fahrzeuge, die ihm außer dem Häuflein von
50 tapfern Soldaten ^ die Albuquerques zurückgelassen hatten,
konnten als solche doch nicht gelten. Der arabische Gewürz-
handel nach Alexandrien hatte zwar empfindliche Störungen durch
die Verfolgung von seiten der Portugiesen erlitten — am 8. Juni
1504 schreibt der venezianische Konsul in Damaskus, daß laut
Nachricht vom Sultan in Kairo der Ertrag der letzten Indienfahrt,
dank der portugieschen Karavellen^, ganz dürftig sei — aber ihn
wirklich lahmzulegen hatte mit den bisher aufgewandten Mitteln
nicht gelingen können; dagegen mußte man erwarten, daß der
durch die portugiesische Piraterie geschädigte, von den muhame-
danischen Herrschern Indiens um Hilfe angerufene und von
Venedig heimlich gestachelte Mamelukensultan früher oder später
eine große maritime Kraftanstrengung und den Versuch zur Ver-
treibung der Portugiesen aus Indien machen werde. Eine größere
dauernde Machtentfaltung im Osten war für Portugal notwendig
geworden und für ihre Durchführung ersah Manuel sich mit glück-
lichem Blick einen der tatkräftigsten und glänzendsten Helden
dieser an heroischem Aufschwung so reichen Zeit aus, Dom
Francisco d'Almeida, Sohn des Dom Lopo d'Almeida, des ersten
Grafen von Abrantes.
1 Goes, Chron. p. I, c. 80; Barros, Decl, 1. VII, c. 3; Castanheda,
1. I, c62; Tageb. des Lukas Rem, Anhang S. 156 f.
2 Diarii di Marino Sanuto, VI, Sp. 68.
20
Es war eine stattliche Flotte, mit der er im März 1505 die
Fahrt nach Indien antreten sollte. Ihre Hauptmasse bildeten
15 »Schiffe« (näos und naviosO, von denen die größten 1400,
1000 und 800, die Mehrzahl zwischen 500 und 300 Tonnen2
Raumgehalt hatten, und zu ihnen gesellten sich sechs der flinken,
seetüchtigen Karavellen, jenes von den Portugiesen selbst an-
scheinend ausgebildeten Typs kleiner Segler bis zu höchstens
200 Tonnen, mit dem ihre kühnen Seeleute im 15. Jahrhundert
die Schrecken des unbekannten Ozeans überwunden und die West-
küste Afrikas entschleiert hatten 3. Fertig bearbeitet war ferner das
^ Wie wir die charakteristischen Einzelheiten des Baus überhaupt
bei nur wenigen vor dem 17. Jahrhundert gebrauchten Schiffstypen
kennen, so auch hier. Möglich, daß die »näo« als eigentHches Last-
und Transportschiff sich von dem navio nur durch größere Ausmaße
unterschied. Beides scheinen Segelschiffe mit Vorder- und Hinterkastell
und drei bis vier Masten gewesen zu sein, von denen der große und der
Vordermast an rechtwinkelig mit beiden sich kreuzenden Rahen befestigte
Vierecksegel und Mastkorb trugen, während der Mast des Hinterschiffs
— manchmal waren es auch zwei — dreieckiges lateinisches Segel an
schief hängender Segelstange trug und dann keinen Mastkoib hatte oder
auch nach Art des Vordermastes getakelt war. Während im 16. Jahr-
hundert der Dreidecker von 500—600 Tonnen Regel für die portugie-
sischen Indienfahrer wird, ist im 15. noch der Zweidecker die herrschende
Form der näo« bzw. des navio«, und in der Flotte von 1505/06 werden
vermutlich beide Typen vertreten gewesen sein. Vgl. Henrique Lopez
de Mendonga, Estudos sobre navios portugueses nos seculos XV e XVI,
Lisboa 1892, p. 5ff. Zur Zahl der Schiffe vgl. Q. U., S. 40 und 136 Anm. 11.
•2 Ca Masser a. a. O., S. 20 und Diarii di Marino Sanuto, VI, Sp. 87.
Klare Begriffe von dem Rauminhalt können wir aus diesen Zahlen frei-
lich nicht gewinnen, weil unsicher ist, welche Tonne der Berechnung
zugrunde liegt und ob die Angabe sich auf den Rauminhalt des gesamten
Schiffes oder nur des unter dem ersten, d. h. untersten Deck liegenden
Raumes bezieht, nach dem in einem portugiesischen Gesetz von 1474
der Tonnengehalt von Fahrzeugen bezeichnet wird (näos de ceni toneis
sob o primeiro tilhado ). Lopez de Mendon^a (a.a.O., S. 7) ist der
Meinung, daß man sich von der Wirklichkeit nicht weit entfernt, wenn
man, um den Tonnengehalt portugiesischer Schiffe des 15. und 16. Jahr-
hunderts modern auszudrücken, die bei den Chronisten angegebenen
Zahlen verdoppelt.
3 Die für große Fahrt um 1500 in Betracht kommenden Karavellen
waren Eindecker und hatten wie alle Karavellen kein Vorderkastell. Mit
den andern Segelschiffen verglichen, waren sie anscheinend im Verhältnis
zur Breite etwas länger, ihr Raum dadurch schmäler. Die Masten des
ursprünglichen portugiesischen Typs, der hinsichtlich der Takelung im
ausgehenden 15. Jahrhundert allerdings wandelbar wird, meist drei an
Zahl, zuweilen auch vier, trugen dreieckige lateinische Segel an schräg
hängenden Segelstangen und hatten keinen Mastkorb. Leicht, beweglich
2t
gesamte Material für zwei Galeeren und drei Brigantinen ' verladen,
die erst an ihrem Bestimmungsort im Osten zusammengesetzt werden
sollten. Indes erlitt die Flotte noch im Heimathafen einen Ver-
lust: die »Annunciada«, das Schiff des Pero d'Anhaya, das größte
von allen, ging ein paar Tage vor der Ausreise im Tejo unter^.
und von geringem Tiefgang, eigneten sich die Karavellen besonders gut
für Entdeckung, Aufklärung und Nachrichtendienst; sie konnten im
Bedarfsfall auch als Ruderschiffe verwendet werden. Vgl. Lopez de
Mendon^a a.a.O., S. 40ff. und Osorius, De rebus Emmanuelis, Coloniae
Agrippinae 1581, 1. II. f. 64 r u. v.
' Als sehr schmale Fahrzeuge von geringer Bordhöhe und wenig
entwickeltem Takelwerk eigneten diese für das Mittelmeer charakte-
ristischen Schiffe sich nicht zu langen Fahrten auf offenem Ozean; sie
waren in unserem Fall zur Bewachung der indischen Küste bestimmt.
Galeeren wie Brigantinen waren Ruderschiffe; die Ruderbänke befanden
sich an Deck. Die Brigantine, der kleinere Typ, scheint in Portugal
im 16. Jahrhundert nicht mehr als 16 Bänke auf jeder Seite, mit je einem
Ruder, die portugiesische Galeere etwa 22 mit je drei oder 24 Bänke
mit je vier Rudern gehabt zu haben, so daß die Gesamtzahl der Ruder-
knechte einer Galeere, da die letzte Bank in dem schmäler werdenden
Vorderschiff einen Ruderer weniger hatte, im ersten Fall 130, im zweiten
190 ausmachte. (Lopez de Mendon?a a. a. O., S. 31 ff.)
2 -Nunciä nennt es Ca Masser a. a. O., S. 19, was offenbar portu-
giesischem Annunciada« entspricht; so heißt auch ein spanisches Schiff
in Alguns Documentos do Archivo Nacional da Torre do Tombo, Lisboa
1892,5.488. Offenbar ist die Nunciä des Ca Masser die *naveNontiata ,
die nach einem in Lissabon geschriebenen Brief des italienischen Kauf-
manns Giovanni Francesco Affaitato (Diarii di Marino Sanuto, Bd. V,
Sp. 134) im September 1503 von Genua dort erwartet wurde — ein Fahr-
zeug von 1400 Tonnen — und von der er meint, daß sie im Frühjahr
1504 mit nach Indien gehen werde. Tatsächlich war das nicht der Fall :
vgl. den Bericht des Alvaro Vaz aus Cochin vom 24. Dezember 1504:
„e aimda que anugiada viera, podera partir, tam bem carregada como
cada huuma destas, per todo Janeiro" „und selbst wenn Annunciada«
käme, könnte sie so wohl geladen abfahren wie jedes dieser Schiffe, in
jedem Januar" (Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, Lisboa 1903,
S. 257f.), Daß eine der Galeeren mit der Annunciada gesunken wäre,
scheint ein Irrtum Ca Massers zu sein : die vor dem Untergang der
Annunciada verfaßte Instruktion Almeidas in der Akademie-Ausgabe
der Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 294f. spricht im ganzen
nur von zweien und davon ist eine auf Anjediva, die andere in Cochin
tatsächlich zusammengesetzt worden; dagegen heißt es in der Instruk-
tion, daß von den Brigantinen, die nach Indien gingen, eine („hum
bragatym dos que vaao pera a Imdia", S. 292) in Quiloa bleiben, eine
andere in Anjediva gebaut werden solle (S. 295) ; eine dritte war für
Cochin bestimmt und diese ist mit dem Schiff des Lopo Sanches unter-
gegangen (S. 295 und Barros, Asia, Dec. I, 1. VIII, c. 9; wenn sie der
22
Die Bestimmung der einzelnen Fahrzeuge war verschieden; von
den »Schiffen« sollten die größten und tragfähigsten in den
indischen Häfen Ladung einnehmen und spätestens Ende Januar,
um den Nordostmonsun noch auszunutzen, die Rückreise an-
treten, andere, die nur zum Transport von Truppen, Schiffs- und
Kriegsbedarf nach dem Osten der Flotte beigegeben waren, an-
scheinend ältere Fahrzeuge, sollten, wenn nicht mehr brauchbar,
abgebrochen, andernfalls in Indien verwendet oder nach Bedarf
und Möglichkeit ebenfalls mit Ladung heimgeschickt werden \ ein
dritter Teil der »Schiffe« aber, zusammen mit den Karavellen und
den erst zu bauenden Galeeren und Brigantinen im Indischen Ozean
stationiert bleiben und für die Unterdrückung des arabischen See-
handels und eine Expedition nach dem Roten Meer Almeida zur
Verfügung stehen. Zur ersten dieser drei Gruppen gehörten die
Schiffe des deutsch-italienischen Handelskonsortiums, »S. Jeronimo«,
»Rafael« und »Lionarda«^. Auf der »Lionarda« fuhr als Beauf-
tragter der an der Handelsfahrt beteiligten deutschen Häuser
Balthasar Sprenger von Vils am Lech, dem wir einen deutschen
Bericht über die Reise verdanken ; er erschien ohne Angabe des
Druckortes 1509 unter dem Titel »Die Merfart unn erfarung
nüwer Schiffung und Wege zuo viln onerkanten Inseln und Künig-
reichen« usw. Außerdem hat er den großen Augsburger Künstler
Hans Burgkmair d. Ä. zu einer Reihe prächtiger Holzschnitte an-
geregt, die Darstellungen zu seiner Reise enthalten, und dafür einen
größtenteils erhaltenen Text geliefert^. Sprenger hatte sich am
15. Januar in Antwerpen eingeschifft. Da er unter seinen Auftrag-
gebern — als solche bezeichnet er außer den Gossenprott alle
oben genannten deutschen Häuser mit Namen — die Welser an
erster Stelle nennt und diese bei dem indischen Unternehmen auch
die Hauptbeteiligten waren, so liegt die Vermutung nahe, daß er
Angestellter ihrer Handlung gewesen ist.
Noch ein zweiter Deutscher hat an der Handelsfahrt des
deutsch-italienischen Konsortiums von 1505/06 teilgenommen. In
der Münchener Valentim Fernandez-Handschrift ist ein portugiesisch
geschriebener Bericht über die Reise enthalten, in dessen Über-
schrift sein Name, Hans Mayr, genannt wird; freilich vermag man
letztere als Galeere bezeichnet, so ist das nur eine belanglose Lässig-
keit des Ausdrucks ; von einer Brigantine und einer Galeere zusammen
spricht auch die Instruktion S. 294 als von galees«).
1 Instruktion a. a. O., S. 321 f.
2 Die Angaben Ca Massers a. a. O., S. 23 sind ungenau : Flaggschiff
des Fernao Suares war »Rafael«, die den Kaufleuten gehörte; Con-
cei9ao« und »Botafogo« (d.h. »Feuerspeier ) waren königliche Schiffe.
3 Q. U., S. 4-65.
23
aus dem Wortlaut der Überschrift nicht zu entnehmen, daß der
Bericht von ihm herrührt. Dieser Hans Mayr scheint sich, bevor
er nacli Lissabon kam, was jedenfalls vor 1 502 gewesen ist, also
gleich nach Entdeckung des Seewegs, in der Levante aufgehalten
zu haben und zwar in Beirut. Er wird in der Handschrift als
Faktoreischreiber (scrivam da feytoria) des Schiffes »Rafael« be-
zeichnet und ist somit königlicher Beamter, nicht Angestellter der
Kaufleute gewesen. Da Kapitäne und Mannschaft aller drei Schiffe
der Gesellschaft Portugiesen waren und alles genau wie auf den
königlichen Schiffen geordnet, so befand sich auch ein Handels-
agent (feiior) des Königs mit einem Schreiber an Bord, und das
Amt des letzteren hat Hans Mayr bekleidet. Der Faktoreischreiber
hatte die Mannschafts- und Soldlisten zu führen ; mit dem Faktor
zusammen die vom König nach dem Osten eingeführten Waren
aus der Casa das Indias e de Guine, dem königlichen Indien-
und Guineahaus, unter Nachprüfung von Zahl, Maß oder Gewicht
an Bord zu nehmen und das Ausladen zu überwachen wie von
den königlichen Handelsagenten in Indien die Ladung zu über-
nehmen und sie in die Bücher einzutragen sowie andere Pflichten.
Es war ein Amt, mit dem beträchtliche Verantwortung verbunden war.
Wenn der Reisebericht der Münchener Handschrift von Hans Mayr
verfaßt sein sollte, so hat dieser eine sehr gute Beobachtungsgabe be-
sessen; er steht in dieser Beziehung dann entschieden über Sprenger.
Von den drei Schiffen der Kaufleute war »Rafael« in Porto
beheimatet^; von »Jeronimo« und »Lionarda« kennen wir den
Heimathafen nicht, doch ist die letztere allem Anscheine nach ein
portugiesisches Schiff gewesen, nicht in Antwerpen von den
deutschen Kaufleuten gechartert; denn auch an der Indienfahrt des
Admirals Vasco da Gama 1502/03 hat eine »nave Leonarda« — so
nennen alle Quellen unser Schiff, nur Sprenger sagt »Leonhard« —
teilgenommen^, die als eines der großen Fahrzeuge bezeichnet
wird — auch »Gabriel« und »Flor de la mar« von unserer Flotte
werden dort genannt — und eine »näo Lionarda« begegnet neben
andern Schiffen der letzteren, »Botafogo«, »Magdalena« und
»Judia«, in der Armada, die Jorge d'Aguiar im Jahre 1508 nach dem
Osten führte^. Es ist sehr möglich, daß das Schiff, nach seiner
Rückkehr von Indien im Oktober 1503, zu Fahrten nach Ant-
werpen verwendet worden war und dort, außer dem Agenten der
Handelsgesellschaft, auch die Waren an Bord genommen hat, die sie
' Bericht von der Rafael- f. S"- in Q. U., S. 127.
2 Bericht des Thome Lopez bei Ramusio, Navig. et Viaggi, Venetia,
1550, f. 148r, 150r, ISSr, 144v, 147r.
3 Alguns Documentos do Archivo Nacional da Torre do Tombo,
Lisboa 1892, S. 197 ff.
24
nach Indien schicken wollte. Was seine Größe betrifft, so trug es
zum mindesten 3000 Zentner Pfeffer, wahrscheinlich aber mehr;
»Jeronimo« und »Rafael« scheinen die zwei größten Fahrzeuge
der Flotte gewesen zu sein'. Art und Menge der Waren, die die
letztere für Indien geladen hatte, erfahren wir durch den Venezianer
Leonardo da Ca Masser, der sich im geheimen Auftrag der Signoria
von Venedig vom S.Oktober 1504 bis zum Herbst 1506 in Lissabon
aufgehalten hat, um sich über alle Fragen des portugiesischen
Indienhandels durch eigene Anschauung unauffällig zu unterrichten,
und auf Grund seiner zweijährigen Wahrnehmungen und Erkundi-
gungen einen von scharfer und klarer Beobachtung zeugenden
Bericht darüber an den Rat der Zehn erstattet hat. Danach wurden
an Waren 3500—4000 Ztr. Kupfer, 150— 200 Ztr. Blei, etwa
60 Ztr. Zinnober, 50 Ztr. Quecksilber, 42 Ztr. Korallen und kleine
Posten anderer Waren mitgeführt, dazu etwa 80 000 Dukaten (Cru-
zados) in bar ; die gesamten Kosten der Armada aber beliefen sich
schätzungsweise auf 250 000 Dukaten^. Die Menschenzahl an Bord
' Ca Masser a. a. O., S. 23 und oben S. 22, Anm. 2. In einer von
Konr. Haebler benutzten Urkunde der Torre do Tombo vom 16. Juni
1507 wird auf Qrund einer Abrechnung, die zwischen Bartolomeo
Marchione und dem königlichen Schatzamt stattgefunden hatte, über
eine lange Reihe von geschäftlichen Unternehmungen (Gevvürzkäufe,
Benutzung königlicher Schiffe beim Indienhandel) Qeneralquittung er-
teilt. In diesem Zusammenhang findet sich ein Posten von 5938944 reis
(den Cruzado zu 390 reis gerechnet = 15228 Cruzados) für Ausrüstung
und Verproviantierung der Schiffe »Jeronimo, >Rafael und >Lionarda«.
Vermutlich bezieht sich das auf die Indienfahrt von 1505/06. Die Oesamt-
kosten für die zwanzig- bzw. vierzehnmonatige Indienststellung der drei
Schiffe können aber die 15 228 Cruzados nicht sein; denn Quirirri
(Relazioni degli ambasciatori Veneti ed. Alberi, Appendice, Firenze 1863,
S. 5f) schätzt 1506 die Ausgaben König Manuels für eine Indienflotte
von 12 — 14 Schiffen zwischen 250 und 1000 Tonnen bei fünfzehnmonatiger
Indienststellung — den Schiffskörper, den Sold für die Besatzung sowie
die Versorgung mh Lebensmitteln und Kriegsbedarf zusammenge-
nommen — auf 120000 Dukaten (Cruzados), was ganz wohl zu Ca Massers
Schätzungen (a. a. O., S. 20 und 22) stimmt. Die durchschnittliche Aus-
gabe für ein Schiff betrug also ungefähr 10000 Cruzados. Nun sind
aber »Jeronimo<- und »Rafael« die zwei größten und »Lionarda« eines
der größeren Schiffe der Indienflotte von 1505/06 gewesen, so daß die
Kosten bei der durchschnittlich immerhin doch sechzehnmonatigen In-
dienststellung — die »Lionarda« war fast 20 Monate unterwegs, die zwei
andern 14 — höher anzuschlagen sind. Es scheint, daß die 15 228 Cru-
zados der Anteil des Bartolomeo Marchione, vielleicht auch der italie-
nischen Kaufleute überhaupt an der Ausrüstung der drei Schiffe waren.
2 Ca Masser a. a. O., S. 20. Was bei Ca Masser mit vcantaro<
(K.), oben mit Zentner bezeichnet wird, ist das portugiesische quintal
25
gibt Ca Masser' auf »2500 und mehr« an und das ist sicher nicht
zu hoch, eher zu niedrig gegriffen ; denn wir erfahren, daß allein
an 1500 Soldaten mit der Flotte nach dem Osten gingen^, darunter
viele Edelleute, die Pensionen im Hofdienst bezogen. Dazu kamen
nach Correa3 „och 200 Artilleristen, eine Zahl, die bei den 105
schweren und 100 leichten Geschützen, die nach Ca Masser die
Flotte mitführte, durchaus möglich erscheint, ferner überzählige,
für den Dienst im Osten bestimmte Seeleute und die ordnungs-
mäßige Bemannung der Schiffe nebst vielen Zimmerleuten, Kal-
faterern, Schmieden und Seilern, deren man für den Bau der
Ruderfahrzeuge wie für die Instandsetzung aller Schiffe nach der
langen Seefahrt in Indien notwendig bedurfte. Ihre Zahl hat sich
trotzdem als zu gering erwiesen, und Almeida bittet in Berichten
an den König vom Dezember 1505 und Januar 1506, außer um
Materialien, wie Werg und Teer, dringend ihm solcher Schiffs-
handwerker mehr zu schicken: es gebe kein Land in der Welt,
das besser als Indien geeignet wäre jede Art von »Schiffen« groß
und klein, sowie Ruderfahrzeuge zu bauen, wenn man nur erst
Kalfaterer und Schiffszimmerleute, Werg und Unschlitt und Ruder
für Fusten und Brigantinen und Galeeren habe. Aber es scheint,
was ja zu Ca Massers Angaben über den portugiesischen Schiff-
bau zu Beginn des 16. Jahrhunderts stimmt, daß auch die Ribeira
von Lissabon damals keinen Überfluß an dieser Art Handwerkern
hatte; wenigstens schreibt Almeida: »Ew. Hoheit wendet Haufen
von Gold an Ihre Flotten, und Schiffe und Ladung gehen Euch
und zwar das quintal novo« (Ca Masser a.a.O., S. 29). Unter König
Manuel war nämlich kurz vor 1500 eine einheitliche neue Maß- und
Gewichtsordnung in Portugal geschaffen worden, die bis zur Einführung
des heutigen metrischen Systems gegolten hat. Das damals eingeführte
-neue Quintal bestand wie das quintal velho , das -alte QuintaU, aus
128 portugiesischen Pfund (arrätei), aber jedes Pfund zu 16 Unzen {on?a)
oder 459 g, während das alte Pfund nur 14 Unzen oder 401,625 g gehabt
hatte, sodaß das alte (Pfund und) Quintal sich zum neuen wie 7:8 ver-
hielt, das eine 51,408, das andere 58,752 kg hatte. Spezereien und Drogen,
und was sonst aus Indien kam, wurde in Portugal 1506 nach dem alten
Gewicht, alles andere nach dem neuen gewogen und verkauft (Duarte
Barbosa a. a. O., S. 494 und Teixeira de Aragäo, Descrip^ao geral e
historica das moedas de Portugal, tom. 1, Lisboa 1874, S. 38 ff.), offen-
bar, weil das alte Quintal mit dem in Indien gebräuchlichen Bahar besser
übereinstimmte.
1 a. a. O., S. 20.
2 Goes, Chron., p. II, c. 1 ; Barros, Asia, Dec. I, 1. VIII, c. 3.
3 Lendas da India, Bd. I, Lisboa 1858, S. 530.
26
zugrunde, weil nicht 4000 Reis' mehr für Kalfaterer und Zimmer-
leute ausgegeben werden«. »Nach dem, was ich auf dieser Reise
gesehen habe, würde ich nicht mehr wagen, mich einem Schiff
anzuvertrauen, wo durchgehends von Euren Beamten s o vorgesorgt
wird« 2. Wie sich in dieser Beziehung Almeida von der Aus-
rüstung wenig befriedigt zeigt, so auch in bezug auf die Feldschere
und Ärzte, die der Flotte beigegeben waren. »Ebenso, Herr«,
schreibt er, »gebt Ihr Feldscheren und Ärzten große Besoldungen
und Freigüter, und es wäre besser, sie kämen nicht her; denn sie
verstehen nichts. Ich werde Ew. Hoheit die Hand küssen, wenn
Sie uns einen der besten schickt; andernfalls empfiehlt es sich,
kein Geld dafür auszugeben «3.
Die hier gerügten Mängel bestätigen indes nur, daß, an den
Mitteln des kleinen Landes gemessen, der Kraftaufwand für das
Unternehmen sehr erheblich war; aber es galt nunmehr durch
militärische und maritime Machtentfaltung ein portugiesisches
Monopol für den Gewürz-, besonders Pfefferhandel aufzurichten,
den Arabern die Wege nach Ägypten und Syrien zu sperren und
den jährlich verkehrenden Flotten der Portugiesen Stützpunkte
zum Zweck der Verproviantierung und Instandsetzung ihrer Schiffe
und der sicheren Lagerung ihrer Waren zu schaffen. Die Ver-
wirklichung dieser Absichten stellte Almeida vor schwierige Auf-
gaben, sowohl während der Fahrt als nach der Ankunft in Indien.
Die erste derselben wäre gemäß seiner vom 5. März 1 505 datierten
Instruktion'* der Bau einer Festung in Sofala und die Mono-
polisierung des bisher von den Arabern dort betriebenen blü-
henden Goldhandels in den Händen des portugiesischen Königs
gewesen. Ihrer Durchführung enthob ihn freilich noch vor der
Ausreise ein Zufall, der Untergang der »Annunciada«. Der Kapitän
des Schiffes, Pero d'Anhaya, war von Manuel bereits zum Befehls-
haber dieser Festung ernannt gewesen und erhielt nun den Auftrag,
an der Spitze eines alsbald auszurüstenden besonderen Geschwaders
den Festungsbau selbständig in die Wege zu leiten ; er ist in der
Tat zwei Monate später mit sechs Schiffen ausgelaufen und hat
noch vor Ende des Jahres den Bau ausgeführt, ist aber dann dem
Klima erlegen. Der zweite Auftrag Almeidas ging dahin, den
arabischen Herrscher der Inselstadt Quiloa (Kilwa Kisiwani) zur
Bezahlung des ihm von Vasco da Gama 1502 auferlegten, in den
' Nach Strandes, Die Portugiesenzeit von Deutsch- und Englisch-
Ostafrika, Berlin 1899, S. 327, hatten 1000 rs um 1500 einen Goldwert
von 25,33 Mark.
2 Torre do Tombo, gaveta 20, ma^o 10, n. 33.
3 ebd
4 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 272-334.
27
letzten Jahren aber verweigerten Tributes durch Güte oder Gewalt
zu veranlassen; wenn er sich gutwillig füge, ihn als Freund zu
behandeln, bei jedem Versuch eines Widerstandes dagegen die Stadt
zu nehmen und zu plündern ; im einen wie im andern Fall aber
eine starke Festung hier anzulegen und eine Karavelle sowie eine
Brigantine mit der nötigen Bemannung zur Verfügung des Festungs-
kommandanten zurückzulassen. Eine weitere Feste sollte gleich
nach der Ankunft in Indien auf dem Hauptinselchen der Anjediva-
Gruppe errichtet und zum Hauptwaffenplatz an der indischen
Küste gemacht, hier auch die beiden in Stücken mitgenommenen
Galeeren und die zweite der Brigantinen erbaut, zwei Karavellen
zur Sicherung der Feste und für den Nachrichtendienst zurück-
gelassen, das Material für die dritte Brigantine aber auf dem Schiff
des Lopo Sanchez nach Cochin mitgenommen werden, v/ohin
Almeida, ohne das befreundete Cananor anzulaufen, so bald als
möglich in See gehen soll. Mit größtmöglicher Beschleunigung
soll hier die Einnahme der Gewürzfrachten in die Wege geleitet,
ein Teil der Schiffe zu gleichem Zweck nach dem südlicheren
Couläo (Kollam) geschickt werden. Eindringlich wird Almeida
gemahnt dafür zu sorgen, daß bis spätestens Ende Januar der
Winde wegen alle nach Portugal bestimmten Fahrzeuge die Heim-
reise angetreten hätten. Nach ihrer Abfertigung sowie nach um-
sichtiger Sicherung und Versorgung der Festen in Anjediva und
Cochin soll er dann, falls es ihm richtig und zweckmäßig scheint,
mit den verfügbaren Schiffen unter Zurücklassung nur der nötigen
Fahrzeuge für die Küstenbewachung nach dem Arabischen .\\eer-
busen aufbrechen und, wenn die Verhältnisse dem günstig sind,
im Bab el Mandeb oder in seiner Nähe eine Festung bauen, die
es ermöglicht, dem Lande des Mamelukensultans jede Gewürz-
zufuhr zu sperren, den Indern den Wahn benimmt, daß sie fürderhin
noch mit andern als den Portugiesen Handel treiben könnten, und
es gestattet mit dem »Erzpriester Johannes«, dem christlichen
Herrscher von Abessynien, in Verbindung zu treten, »zum Segen
seiner Christenheit und zur Förderung des königlichen Handels-
unternehmens wie der etwaigen portugiesischen Kriegsführung«.
Auch hier sollen gegebenenfalls ein paar Schiffe stationiert werden.
Nach der Rückkehr vom Bab el Mandeb oder statt der Expedition
dorthin wird als weitere Aufgabe der Bau einer Festung in Coulao
empfohlen. Bis nach Ormuz sollen die portugiesischen Schiffe
alsdann kreuzen und den Herren der Küstengebiete auf ihren
Wunsch gegen Zahlung mäßiger Tribute Friede bewilligt werden,
dem Samorin von Calicut jedoch nur gegen weitgehende Sicher-
heiten und unter der Bedingung, daß alle Kaufleute von Mekka
die Stadt veriießen.
28
Der Größe der ihm gestellten Aufgaben entsprachen die Voll-
machten' sowie der Rang und Gehalt Almeidas. Übertragen war
ihm für die Dauer seiner Amtsführung im Osten die gesamte
Befehlsgewalt zu Land und zur See sowie die Zivil- und Straf-
gerichtsbarkeit des Königs über alle Personen sowohl der Flotte,
die er nach Indien führte, wie der Geschwader, die unter anderem
Kommando vom König nach dem Osten geschickt werden würden,
über alle Personen in den Festungen, die Manuel dort zu bauen
befehle, über alle Untertanen des Königs in den neuen Ländern,
ohne jede Ausnahme, Portugiesen und Orientalen, sowie das Recht,
seine Urteile, auch die über Leben und Tod, vollstrecken zu lassen,
ohne irgend eine Berufung; unbeschränkte Macht in allen Handels-
und Finanzfragen innerhalb des ihm unterstellten Gebietes, Recht
der Verleihung und Entziehung aller Offiziersstellen und Ämter
in den Festungen und Faktoreien wie auf den Kriegs- und
Handelsgeschwadern, selbst wenn der König anders über die Stelle
verfügt hat; unbeschränkte Vollmacht zum Abschluß von Freund-
schaftsverträgen, zu Krieg und Frieden mit indischen Fürsten.
Seine Amtszeit war auf drei Jahre bemessen, eine Befristung, die
auch für alle übrigen Beamten sowie die Offiziere und Soldaten
der Armada von 1 505 gelten sollte : Portugal geht damit zu seinem
auch für die Folgezeit im wesentlichen beibehaltenen Verfahren
der Kolonialverwaltung über. Bis zu seiner Ankunft im Osten
sollte Almeida den Titel eines »capitao mör.« (Oberbefehlshaber)
führen, nach Anlage der ersten den indischen Besitz sichernden
neuen Festungen daselbst den eines Vizekönigs annehmen; eine Leib-
wache von 100 Hellebardieren, Hauskapelle und andere Merkmale
eines fürstlichen Hofhaltes sollten den Indern gegenüber von
seiner Würde Zeugnis ablegen 2. Als Gehalt waren ihm vom
Tage der Ausfahrt aus dem Tejo bis zu dem der Heimkehr jähr-
lich 30 000 Cruzados3 in Geld, dazu weitere 20 000 für den Tafel-
aufwand, ferner das Recht bewilligt 1500 Quintal Pfeffer jährlich
auf eigene Rechnung gegen die übliche Abgabe von V4 für den
König und V20 für U. L. Frau von Bethlehem (Belem) mit der
Indienflotte frachtfrei zum Verkauf nach Portugal zu schicken, die
* Poder do capitam moor vom 27. Februar 1505 in Cartas de Affonso
de Albuquerque, Bd. II, S. 269ff.
2 Castanheda, Hist. do descobr., 1. II, c. 1. Nach Castanheda
a. a. O. und Goes, Chron. p. I, c. 5 sollte die Annahme des Titels Vize-
könig erst nach Anlage von Festungen in Cananor, Cochin und Coulao
erfolgen ; nach Correa, Lendas, Bd. I, S. 527, wenn er die erste Festung
jenseits des Kaps erbaut habe.
3 Damals Goldmünze im Wert von 9,88 Mk. (Strandes a. a. O.),
ungefähr gleich einem Dukaten.
29
sogenannten quintaladas (Freigüter), sowie 200 Quintal Kupfer von
der königlichen Einfuhr zu dem dafür festgesetzten Preis zwecks
Weiterverkaufes ' in Indien jedes Jahr für sich zu nehmen, dazu
Anspruch auf einen beträchth'chen Anteil an jeder Beute'. Kapitäne,
Burgvögte (alcaides mores), Handelsagenten (feitores), Schreiber,
die sonstigen Beamten und die Seeleute hatten außer ihren Gehältern
ebenfalls das Recht auf Freigüter in bestimmter Höhe, abgestuft
nach dem Rang ihrer Ämter und Dienste. Der Soldat erhielt an
Bord 800 Reis im Monat und freie Verpflegung, nach der An-
kunft in Indien traten, solange er an Land war, an die Stelle der
Verpflegung monatlich 400 Reis; außer seinem Sold hatte er das
Anrecht auf Freigut und zwar 2V2 Quintal Pfeffer jährlich; die
Hälfte davon ging freilich bei der Ankunft in Lissabon als Abgabe
an den König, aber es konnten immerhin noch 5000 Reis an der
verbleibenden Hälfte gewonnen werden^.
Im Laufe des März wurde die Ausrüstung der Armada zu
Ende geführt, teils in Lissabon selber, teils in dem eine Stunde
weiter abwärts am Tejo gelegenen Rastello (Belem)^, wo damals
das großartige Hieronymiterkloster im Entstehen war, das Manuel
nach der Heimkehr Vascos da Gama von der Entdeckungsfahrt
zu Ehren U. L. Frauen von Bethlehem gestiftet und zur Grabstätte
für sich und sein Haus bestimmt hatte. Nach feierlicher Messe
in der Kathedrale von Lissabon wurde Francisco d'Almeida dann
vor versammeltem Hof in sein Amt feierlich eingesetzt, die könig-
liche Fahne von weißem Damast, goldgesäumt und goldbefranst,
mit dem Kreuz des Christusordens in karmesinfarbenem Atlas,
gesegnet und ihm überreicht, und nachdem er mit den Kapitänen
und Edelleuten der Armada vom König verabschiedet und von
dem Hofadel unter großer Prachtentfaltung zum Kai an der Ribeira
geleitet worden war, gingen in den festlich geschmückten Booten
alle auf der Flotte Dienenden an Bord und der Vizekönig hißte
seine Flagge auf der »Jeronimo«, nach Untergang der > Annunciada«
dem größten Schiff der Flotte, einem der drei, welche die deutsch-
italienische Handelsgesellschaft ausgerüstet hatte^.
1 Correa, Lendas, Bd. I, S. 527.
2 Barros, Dec. I, 1. VIII, c. 3.
3 Sprenger in Q. U., S. 104.
♦ Correa, Lendas, Bd. I, S. 532; Barros, Dec. I, 1. VIII, c. 3 und 9,
I. IX, c. 4.
30
IV. Die Fahrt bis Quiloa.
Am 25. März, dem Tag von Maria Verkündigung, ging unter
dem Donner des gesamten Schiffsgeschützes die Flotte zu der
großen Fahrt unter Segel, die von den portugiesischen Seeleuten
damals, etwas zu hoch, auf 4000 Leguas, portugiesische Meilen
zu 6,269 km^ geschätzt wurde. Dabei erlitt, noch vor der Aus-
fahrt aus dem Tejo, die »Lionarda«, Sprengers Schiff (Kapitän
Diogo Correa), die auf der Reise noch mehrfach von Mißgeschick
heimgesucht werden sollte, eine leichte Havarie : durch Zusammen-
stoß mit andern Fahrzeugen wurde ihr die »blinde Rahe« am
Bugspriet^ zerbrochen. Möglich, daß neue, auf dieser Reise zum
erstenmal in der portugiesischen Marine gebrauchte seemännische
Bezeichnungen der Anlaß dazu gewesen sind. Ein portugiesischer
Historiker des 16. Jahrhunderts berichtet nämlich, daß damals zuerst
die noch heute gebräuchlichen Benennungen für Backbord (bom-
bordo) und Steuerbord (estribordo) bei den Kommandos ange-
wendet worden seien und, da sie den Seeleuten noch ungeläufig
waren, Verwirrung gestiftet hätten^. Er erzählt auch, wie Joäo
Homem, Kapitän der Karavelle »S. Jorge«, überhaupt ein Original,
bei seinen Leuten in drastischer Weise der Verwechslung ein Ziel
gesetzt habe. Er solle mit Worten zu der Mannschaft sprechen,
die sie verstünde, rief er seinem Steuermann zu, und wenn er
nach Backbord gesteuert haben wolle, »Zwiebel« sagen, wenn
nach Steuerbord, »Knoblauch«. Zugleich ließ er dann an der einen
Bordseite sichtbar ein Strohseil mit eingeflochtenen Knoblauchzehen,
an der andern eines mit Zwiebeln aufhängen, und von Stund an
wurden Backbord und Steuerbord auf der Karavelle nicht mehr
verwechselt. Die Beschädigung der »Lionarda« war übrigens zum
Glück unerheblich, so daß sie nach rasch ausgeführter Reparatur
spätestens am 26. März in der Frühe Rastello verlassen und noch
am gleichen Tag, in schnellem Hinsegeln der Küste entlang,
Madeira zustreben konnte — wie es scheint, in Begleitung von
einem oder ein paar andern Schiffen, darunter vielleicht »Rafael«,
während die Hauptmasse der Flotte unter Almeida vorausgefahren
war. Mit Interesse verfolg-t Sprenger in den ersten Tagen das
Spiel der Delphine, die sicli um das Schiff tummeln, beobachtet
verwundert an einem gefangenen Tier körperliche Eigentümlich-
keiten des Meersäugetiers, staunt über die Größe, die es ermöglicht
1 Man rechnete 17V2 Leguas auf den Breitengrad.
2 Q. U., S. 67 f.
3 Castanheda, Historia do descobrimento e conquista da India,
1. II, c. 1.
31
mit seinem Fleisch die ganze Schiffsbesatzung, 1 26 Mann, einen Tag
lang zu speisen. In der Nacht vom 28. auf 29. fuhren sie zwischen
Madeira und dem nordwestlichen Endglied der Kanarischen Insel-
kette, Palma, hindurch, dem ersten Land mit afrikanischer Bevöl-
kerung. Am letzten März sahen sie in langer Reihe die großen,
z. T. gebirgigen und vulkanischen Inseln der Gruppe zu ihrer
Linken, halb hinter sich liegen. Man erzählt Sprenger, nicht ohne
daß er, vielleicht infolge noch ungenügender Kenntnis des Portu-
giesischen, einzelnes falsch auffaßt, von der reichen Zuckererzeugung
des portugiesischen Madeira, die am Anfang des 16. Jahrhunderts
etwa 200000 Arrobas (zu je 14,69 kg) jährlich betrugt, von der
Gewinnung roten Gummiharzes, des Drachenbluts, aus der Baum-
lilie Dracaena Draco durch Einkerben des Stammes und von dem
Einernten ihrer schmackhaften gelben Beerenfrüchte^, auch von der
bedeutenden Ausfuhr von Fischen, deren Fang besonders bei dem
Madeira benachbarten Inselchen Porto Santo ergiebig war. Er
hörte, wie es scheint, von den Höhlenwohnungen der damals
schon stark zusammengeschmolzenen hellfarbigen Guanchen, die
er freilich Mohren nennt, der Urbevölkerung der Kanarien, hört
von dem Sklavenraub, der hier noch immer durch die Christen
betrieben wurde, von der scheuen Wildheit der Bewohner Palmas,
von der Eroberung dieser Insel wie der Gran Canaria und Tene-
riffas durch die Spanier, die im letzten Menschenalter die ganze Insel-
gruppe unter ihre Herrschaft gebracht hatten, nachdem Lanqarote,
Fuerteventura, Gomera und Ferro seit Beginn des 1 5. Jahrhunderts
wechselnd im Besitz normannischer, portugiesischer und spanischer
Herren gewesen waren, von den reichen Beständen an »großen,
seltzamen Gaißen« und dem trefflichen Käse, der aus ihrer Milch
auf den Kanarien erzeugt wurde^.
Vom 3. April an ging die Fahrt in einer Entfernung von
12 — 15 Leguas der afrikanischen Küste entlang, und an diesem
und dem folgenden Tag sah man von der »Lionarda« aus Scharen
großer Wale ihr Spiel im Meere treiben. Am 6. wurde der Kurs
' Ca Masser a. a. O., S. 30, wo statt „zone" zu lesen ist „rove" : vgl.
S. 44; nach Barros, Dec I, 1. I, c. 3 brachte der an das Großmeistertum
des Christusordens zu entrichtende Fünfte davon in einzelnen Jahren
sogar über 60000 Arroben. Die Zahl von 50000 Arroben, die Valentin
Ferdinand f. 168^ als Anteil des Königs an dem Ertrag gibt, würde, da
dieser ein Viertel und ein Zehntel der Ernte nach Ca Masser a. a. O.,
S. 44 erhielt, auf 143000 Arrobas Gesamtertrag führen. Möglich, daß
die Quelle, auf die Valentin Ferdinands Angabe sich gründet, eine ältere
ist und Ca Massers Angabe das Richtige trifft.
2 Q. U., S. 14, 1. Spalte und S. 24.
3 Q. U., S. 14 und 105-107.
32
landwärts gerichtet und während der Fahrt durch die fischreichen
Küstengewässer mit gutem Erfolg geangelt. Am 7. April lief man
in die flache Bucht ein, die auf ihrer Nordseite durch den weit
ins Meer hinausragenden Vorsprung des Cabo Verde geschützt ist.
Der sie begleitende Küstenstreifen hieß bei den Portugiesen damals
Bezeguiche, in Erinnerung an den Negerhäuptling, mit dem hier
1481 Pedro d'Evora, Begleiter des Diogo d'Azambuja auf der
Fahrt zur Erbauung von S. Jorge da Mina an der Goldküste, die
ersten friedlichen Beziehungen angeknüpft hattet Das »Grüne
Vorgebirge«, dessen reicher, immergrüner Baumwuchs zwei
Menschenalter vor Sprenger den längs des atlantischen Wüsten-
randes von Norden kommenden portugiesischen Entdeckern die
Unhaltbarkeit der antiken Lehre von dem Fehlen alles Pflanzen-
und Tierlebens in der heißen Zone erwiesen hatte, war die erste
Tropenlandschaft, die er sah. Als schroffer und hoher Felsberg,
den zwei charakieristisch gerundete kleine Kuppen auf der Höhe
leicht kenntlich machen, erhob es sich vor seinen Blicken bei der
Einfahrt in die Bucht. Die vier Klafter dicken Affenbrotbäume,
deren Blätter ihn an die des heimatlichen Nußbaums erinnerten,
die kürbisgroßen Früchte dieser Charakterpflanze Senegambiens
und der Inseln des Grünen Vorgebirges erregten sein Staunen,
und der »Merfart« ist das freilich sehr deutsch anmutende Bild
eines solchen beigegeben. Auch die drei Inselchen nahe dem
Kap erwähnt er, von denen das größte, heute Goree, damals
Palmeninsel (Ilheo da Palma) genannt, ein von Diogo d'Azambuja
erbautes, strohgedecktes steinernes Kirchlein trug, in dessen Schatten
so mancher beim Tauschhandel an dieser Küste dem Klima erlegene
Portugiese seine Ruhstatt gefunden hatte. Negerdörfer aus leichten
Strohhütten mit kreisrund angeordneter Wand und kegelförmigem
Dach2 lagen hier und dort am Fuß des Felsberges wie längs dem
flachen und waldreichen, lieblichen Küstenstreifen, der sich von
da, nach Südost umbiegend, zum Kap der Masten und weiter nach
Porto d'Ale (heute Portudal), 14 Leguas vom Grünen Vorgebirge,
hinzogt.
Almeidas Instruktion schrieb vor, daß, wenn Wasser am Cabo
Verde eingenommen werden müsse, es nicht auf der Palmeninsel
geschehen solle, einerseits um Zeitverlust zu vermeiden — die
einzige Quelle dort war wenig ergiebig — anderseits wegen der
Erkrankungsgefahr, daß vielmehr an den Wasserstellen der Küste
von Bezeguiche die Schiffe sich damit versehen sollten"*. Die
i~Q^ U., S. 68-71.
2 Q. U., S. 107.
' Pimentel, Arte de navegar, Lisboa 1712, S. 233.
* Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 275.
33
»Lionarda« hat das etwa sechs Leguas östh'ch des Kaps getan,
während Almeidas Flaggschiff, die »Jeronimo«, und auch »Rafael«
mit der Hauptmasse der Flotte bei Porto d'Ale Wasser und Holz
einnahmen. Der hierdurch veranlaßte achttägige Aufenthalt gab
Sprenger Gelegenheit sich über die Verhältnisse von Land und
Volk ein wenig zu unterrichten. Von den Tagen Heinrichs des
Seefahrers an hatten die Portugiesen sich schrittweise an der West-
küste Afrikas nach Süden vorwärtsgearbeitet und sich durch päpst-
liche Bullen kraft apostolischer Machtvollkommenheit das Besitz-
recht auf die jeweils neu entdeckten Gebiete gegenüber andern
seefahrenden Völkern der Christenheit sichern lassen. Das ganze
tropische Westafrika südwärts vom Senegal, dem nördlichen Grenz-
strom des Negergebietes, ja das gesamte Land vom Kap Nun bis
zum Kap der Guten Hoffnung führte bei ihnen den Namen Guinea.
Ihr wichtigster Punkt an der Küste war die Feste S. Jorge da Mina,
die der Krone Portugal einen Teil der ansehnlichen Goldgewinnung
der Aschantiländer und der nach ihr benannten Goldküste sicherte.
Zwei Karavellen brachten nach Ca Masser' monatlich Gold im
Werte von 1 0 000 Cruzados nach Lissabon, so daß um 1 506 die
jährliche Goldeinfuhr aus der Guinea sich auf 1 20 000 Cruzados
belief. Des weiteren wurden nach dem Berichte des Venezianers
etwa 2000 Negersklaven im Jahr von dort nach Portugal aus-
geführt, deren Wert er zu 5000 Cruzados anschlägt, femer viel
Elfenbein und von Erzeugnissen des Pflanzenreiches Paradies-
körner, ein heute nicht mehr geschätztes Gewürz, und Guinea-
pfeffer, dessen Import Manuel aber 1 506 verbot, um dem indischen
Pfeffer keine Konkurrenz zu machen 2. Was die Portugiesen für
diese Ausfuhr der Guinea in Tausch gaben, waren kleine Glas-
spiegel, tellergroße Messingbecken, Schmuckringe von Messing
oder Kupfer, die die Neger an Armen und Unterschenkeln trugen,
Kameolperlen verschiedener Form und Größe, die von Cambaya
im nordwestlichen Indien vor der Entdeckung des Seewegs an-
scheinend über Ägypten, später auf dem neuen Seeweg von den
Portugiesen unmittelbar nach Europa eingeführt wurden und bei
den Guineanegern als größte Kostbarkeit geschätzt waren ; femer
farbige Glasperlen venezianischer Herkunft und die von den
schwarzen Schönen sehr begehrten einfarbig blauen oder mit
roten Linien durchzogenen Aggri- Perlen, die, soweit echt — es
wurden auch gefälschte in den Handel gebracht — , nicht euro-
päische Erzeugung waren, sondern von den Portugiesen im Rio
dos Forcados in Benin gegen Armringe bei den dortigen Negern
' a. a. O., S. 30.
2 a. a. O., S. 30 und 44.
Hfimmerich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien.
34
eingetauscht und besonders in S. Jorge da Mina an die schwarzen
Kaufleute gegen Gold weitergehandelt wurden ^ Den Tausch-
verkehr an der Küste unterhielten zum größten Teil eigens dafür
bestimmte kleine Karavellen, denen ihr geringer Tiefgang gestattete
auch in seichten Küstengewässern und Flußmündungen ihren
Handelszwecken nachzugehen. Eine solche traf Almeida bei Porto
d'Ale und gab ihr die Kranken seiner Flotte sowie einzelne reise-
müd Gewordene nach Portugal mit. Der Tauschverkehr in der
Bucht von Bezeguiche selbst war übrigens geringfügig: die
wichtigste Ausfuhrware der Guinea, Gold, kam hier anscheinend
wenig oder gar nicht in den Handel; der früher mit Gewinn
betriebene Sklavenkauf war wegen der hohen Preise damals schon
zurückgegangen; aber Wasser, Holz und Lebensmittel waren zu
bekommen. Das Land brachte Hirse hervor 2, aus dem die Ein-
geborenen ihre Hauptnahrung, den Kuskus, sowie ein bierartiges,
berauschendes Getränk bereiteten; auch Hühner und frisches
Fleisch gab es — für die Seefahrer eine willkommene Abwechs-
lung im Einerlei ihrer Kost, die, vom Schiffszwieback abgesehen,
ganz überwiegend aus Salzfleisch, etwas gedörrtem Fisch, Zwiebel
und Lauch bestand — ; wenigstens berichtet Sprenger von großem
Viehreichtum, kleinen, aber fetten Rindern, und erzählt weiter, daß
viel Käse erzeugt wurde und das Zuckerrohr in der Gegend
gut gedieh.
Die Negerbevölkerung am Cabo Verde gehörte zu den
Jolofferstämmen, die der Senegal von den nordafrikanischen
Azeneghen schied. Das Reich des Großjoloffen, von dem ein
halbes Jahrhundert vor Sprenger der Venezianer Ca da Mosto
berichtet, daß es vom Senegal bis zum Gambia reichte, war um
1505 schon länger durch Aufstände zerfallen und den größeren
Teil hatten die Großen des Landes, die Budumele, an sich ge-
rissen^. »Der Morenkunig«, der nach Sprenger drei Leguas von
dem Ankerplatz der »Lionarda« in dem »marckt Byssegicks«
(Bezeguiche) hauste, wird ein solcher Teilfürst, vielleicht auch nur
Häuptling von ein paar Dörfern gewesen sein. Eine Vorstellung
von dem despotischen Regiment dieser Budumele, von der Furcht,
in der hoch und nieder vor ihnen lebte, gibt Ca da Mosto in
dem Bericht über die erste seiner Reisen im Dienst Heinrichs des
Seefahrers, schildert dort auch das umständliche Zeremoniell und
die Formen sklavischer Unterwürfigkeit, in denen die Untertanen
1 Q. U., S. 79-84.
2 Q. U., S. 84-88.
3 Kunstmann, Valentin Ferdinands Beschreibung der Westküste
Afrikas in Abb. d. Bayer. Ak. d. Wiss. III. Kl., VIII. Bd. (1860), III. Abt.,
S. 793.
35
sich dem Herrn nahten'. Dies Zeremoniell erregle an Bord der
»Lionarda« die Spottlust der Weißen, als am 11. April der Sohn
des Negerfürsten mit Hofleuten und Dienern dem Schiff einen
Besuch abstattete und sein Gefolge dabei in Ehrfurcht erstarb.
Der Budumel selber erschien, wie der Reisebericht von der »Rafael«
erzählt, in Porto d'Ale persönlich am Strand und lud unter dem
Versprechen sicheren Geleits zum Besuch seines Hauptortes ein.
In seinem Gefolge befanden sich ein paar aufgeputzte große Herrn,
vermutlich der Sitte der Vornehmen nach in bunte Stoffe fremder
Erzeugung gekleidet; denn maurische Mäntel, rotes und blaues
Tuch wurden von den Portugiesen über See und von muhame-
danischen Kautleuten auf dem Karawanenweg in diese Gegend
eingeführt, ebenso wie Pferde, die dem Klima rasch erliegend
nicht sowohl für den Krieg im Gebrauch als Gegenstand des
Luxus und der Prahlerei waren. Wohlhabendere Leute kleideten
sich in Hemden aus Baumwolle, die im Lande wuchs und ver-
arbeitet wurde, mit halblangen Ärmeln und in sehr weite Hosen
vom gleichen Stoff; die Ärmeren, zu denen der größte Teil des
Küstenvolks von Bezeguiche anscheinend gehörte, gingen völlig
nackt oder mit einem Schurz von Ziegenfell. Einzelne trugen
auch baumwollene Hauben mit Ohrenklappen 2. Eine solche
schenkte nebst seiner Handwaffe, einem jener sichelförmigen Messer
von ungestähltem Eisen, wie die Jolofi^r sie selbst schmiedeten^,
der Negerfürst einem alten Kriegs- oder Seemann vom Geschwader,
der mit Joäo da Nova, Kapitän der »Flor de la mar«, zur Be-
grüßung an Land gekommen war, und dieser gab als Gegen-
geschenk seine rote Haube und sein Schwert, wofür ihn Almeida
am folgenden Sonntag während der Predigt mit einem Strick um
den Hals auf dem Schiff an den Pranger stellte, offenbar, weil
er in dem Handel mit dem Schwarzen einen Verstoß gegen das
päpstliche und königliche Verbot sah, irgendwelche Waffen an
Muham.edaner und Ungläubige zu verkaufen oder zu schenken-*;
Muhamedaner aber waren, wenigstens dem Namen nach, die Fürsten
und Vornehmen unter den Joloffem, während die Masse des Volkes
religiös auf der niedersten Stufe stände Im übrigen sagt Sprenger
von den Waffen der Schwarzen nichts, aber ein Bild der >Mer-
fart« und ein Blatt der Burgkmairschen Holzschnittreihe zeigen
einen kräftigen Neger, der mehrere Wurfspeere mit Widerhaken
trägt ; und solche führt in der Tat Ca da Mosto als gefährlichste
' Ramusio, Navigationi et Viaggi, Venezia 1550, f. 112''.
2 Q. U., S. 134f.
3 Ramusio a. a. O., f. 111''.
* Instruktion Almeidas a. a. O., S. 292.
^ Ramusio a. a. O., f. 110^.
36
Waffen der Joloffer auf, nur daß sie in Wirklichkeit leichter und
kürzer waren als auf den Bildern. Als Schutzwaffe dienten
ihnen große, runde Schilde aus der auch von Spaniern und Por-
tugiesen für diesen Zweck sehr geschätzten starken Haut der Anta,
einer stattlichen Antilopenart.
Anwohner eines großen Stromes und der Meeresküste, be-
trieben die Joloffer Fischfang und bedienten sich dabei der von
Sprenger erwähnten Einbäume. Es waren Boote ohne Mast und
Segel, am Cabo Verde nur klein ; sie trugen hier zwei bis drei
Personen, die stehend das kurze Ruder mit kreisrunder Fläche
handhabten, sich aber auf diesen Fahrzeugen bis zu drei Leguas
ins Meer hinauswagten. Nach Süden nahmen sie an Größe zu und
die Kriegseinbäume boten dort Platz für 60, 80 und 100 Mann'.
Auf zwei der kleinen Boote kamen, gleich nachdem die »Lionarda«
vor Anker gegangen war, vier Neger auf das Schiff herüber, die
sich mit den Portugiesen in deren Sprache wohl zu verständigen
wußten; war es doch fast ein Menschenalter, daß man die ersten
friedlichen Beziehungen hier angeknüpft hatte.
Das wenig günstige Gesamturteil über die Schwarzen, das
die Portugiesen sich in den zwei Menschenaltern gebildet hatten,
die seit der Entdeckung der ersten Negergebiete vergangen waren,
macht Sprenger sich zu eigen; wenigstens sagt er von einem
14 Meilen landeinwärts von Bezeguiche beginnenden »kunigreich
Genneya« (Guinea), worunter wahrscheinlich das Mandingoreich
des Mandi Manssa, des »Großen Elefanten«, gemeint ist, das die
westlichen Teile des alten Kaiserreiches Melli umfaßte, daß es
»ein böß landt von leuten und faulem lufft« sei. Zum Vergleich
mag hier die Charakteristik beigefügt sein, die Sprengers Zeit-
genosse Duarte Pacheco Pereira, der heldenmütige Verteidiger von
Cochin, der längere Zeit unter Negern gelebt hatte, von Joloffern,
Mandingos und Tucuroes gibt: »Dies ganze Volk ist voller Laster,
ständig uneinig unter sich; es sind Spitzbuben und Lügner, die
kein wahres Wort sagen, große Säufer und höchst undankbar,
ohne Erkenntlichkeit für die größten Wohltaten, unverschämte
Bursche, die nie das Betteln lassen «2,
Nachdem in Bezeguiche die Vorräte an Wasser und Holz
ergänzt waren, fuhr am 14. April die »Lionarda« nach dem acht
Leguas entfernten Porto d'Ale und ging von dort am folgenden
Tag3 mit der ganzen Flotte unter Segel um nun 1 4 Wochen lang
»weder land noch sandt« zu sehen. Im Kalmengürtel hielten
»"Q^U., S. 107.
* Esmeraldo, I. I, c. 27.
' Barros und Qoes geben, offenbar in gegenseitiger Abhängigkeit,
irrtümlich den 25. (Dec. II, 1. VIII, c. 3 und Chron., p. II, c. 2.)
37
längere Zeit Windstillen die Fahrt unliebsam auf. Da sich unterdes
gezeigt hatte, daß die Geschwindigkeit der Schiffe zu ungleich
war, als daß ohne Zeitverlust für die schnelleren Fahrzeuge alle
gemeinsam die Reise hätten machen können, so teilte Almeida
die Flotte in zwei Geschwader, deren eines, das langsamere, aus
den Schiffen (näos) »Concei^ao« (Kapitän Sebastiäo de Sousa)
und »Gabriel« (Kapitän Vasco Gomes d'Abreu), ferner dem kleineren
Schiff (navio) des Lopo Sanchez sowie fünf Karavellen bestand
und unter den Befehl des Manoel Pa^anha gestellt wurde, des
künftigen Kommandanten der Festung Anjediva und Schwieger-
vaters des Sebastiäo de Sousa, auf dessen Schiff der neue
Geschwaderführer auch seine Flagge hißte, während das andere
aus den elf übrigen Schiffen (näos und navios) und der Karavelle
des Gongalo de Paiva, der »S. Catarina«', gebildet und von
Almeida befehligt wurde. Zu ihm gehörten die drei Schiffe des
deutsch-italienischen Handelskonsortiums. Am 29, April wurde,
wie es scheint, die Linie passiert und am 6. Mai befand sich
Almeida 200 Leguas östlich des von Cabral im Jahre 1500 ent-
deckten Brasillandes, also auf ungefähr I6V2O s. Br. und 27° w. L.
von Greenwich. Am Tag zuvor 2 hatte das Geschwader einen
Verlust erlitten: bei Windstille bekam unerwartet die »Bella«, eines
der alten Schiffe (Kapitän Pero Ferreira Fogaga), ein großes Leck
und sank in kurzer Zeit. Zum Glück war die See ruhig und
die »Jeronimo« in der Nähe, so daß die Besatzung mit tatkräftiger
Hilfe auch des Antäo Gongalves sich und ihr Geld in Sicherheit
bringen und zwei Truhen, die Silbergerät und geistlichen Ornat
für Almeidas Hauskapelle enthielten, gerettet werden konnten.
Zwei Tage später, sagt Pero Femandez Tinoco in einem Brief,
den er von Cochin im November 1505 an König Manuel schrieb,
wäre kein Mann entkommen, weil der Seegang jede Hilfeleistung
unmöglich gemacht hätte, und er knüpft daran die Mahnung, auf
die Reise nicht wieder ein altes und zuvor nicht auf der Werft
gründlich instandgesetztes Schiff zu schicken.
Die Fahrt wurde dann ohne ernsteren Zwischenfall, aber
vielfach im Kampf mit Südostwinden, mit südlichem Kurs fort-
gesetzt, bis der 39. oder 40. Breitengrad erreicht war, also bis
zur äußersten nördlichen Treibeisgrenze. Man hielt sich soweit
westlich von der afrikanischen Küste um den längs derselben
vorherrschenden Gegenwinden zu entgehen. Pero Fernandez
Tinoco spricht umständlich von den Klimawechseln während der
• Carlas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 178.
2 So der Bericht von der Rafael (Q. U., S. 127); Barros gibt den
4. Mai an.
38
5V2 Monate der Hinreise, sein Bericht wie der Sprengers und der
von der »Rafael« von meteorologischen und astronomischen sowie
Erscheinungen des Tieriebens, die ihnen seltsam und neu waren.
Der südeuropäische Winter war eben zu Ende gegangen, als sie
von Lissabon ab- und in den Frühling der Passatregion hinein-
fuhren. Unter schweren Gewittern und längeren Windstillen hatten
sie den Gürtel der Kalmen durchquert. Sie hatten die Sonne zu
ihren Häupten im Zenit gesehen, Polarstern und Wagen waren
ihnen unter den Horizont hinabgesunken, neue Sternbilder am
Himmel aufgegangen. Noch nicht vertraut mit der Mißweisung
der Magnetnadel, hatten sie auf der Fahrt durch den südlichen
Atlantischen Ozean am Mittag die Sonne statt im Norden in Nord-
west zu Nord zu sehen geglaubt. Weiße Fischlein mit Flügeln
»zu geleicher weiß als die fledermüß« waren in großen Haufen
zwischen den Wendekreisen aus dem Meere »geleich andern
fögeln« vor ihnen aufgeflogen; so tief in See aber waren sie dann
gesegelt, daß sie »weder fisch noch keinerlei creaturen mer funden
und was geleich als ein wihniß und eynöde«. Und nun führte sie
aus der Gluthitze der Tropen die Fahrt in den Winter der süd-
lichen gemäßigten Zone hinein; unter heftigen Gewittern gingen
schwere Regengüsse und Schneefälle auf die Schiffe nieder; immer
von neuem mußte die Mannschaft zu den Schneeschaufeln greifen.
Die für den südlichen Atlantischen Ozean charakteristischen, aus
schwarzer Wolke unter Donner und Blitz jäh herabstürzenden
furchtbaren Stürme forderten bei Tag und Nacht strengste Wach-
samkeit und Vorsicht in der Handhabung des Segelwerks; hatt?
doch einer von ihnen 1500 vier Schiffe vom Geschwader Cabrals
an einem Tag im Ozean versenkt, mit ihnen den ersten Umsegler
des Kaps, Bartolomeo Dias.
In 39 ^^ oder 40°s. Br.' wurde der Kurs auf Ost gesetzt;
inzwischen war es Juni geworden und so kalt, sagt Sprenger, »als in
unsern landen umb weinachten«. Am Tag vor Johanni fiel Schnee,
und »die Kälte«, so berichtet Pero Fernandez Tinoco, der auf der
»Jeronimo« fuhr, »war derart, daß wir, als es zum Essen gehen
sollte, alle in lahme Schindmähren verwandelt waren ; wir hatten
einen Mund und keine Hände damit zu essen ; und so liefen wir
zur Feier des Vorabends von St. Johannes im Sturm mit
brennenden Laternen in Mastkorb und Tauwerk ; und am nächsten
Morgen in der Frühe, wo bei uns die Vöglein singen, saßen wir
eingemummt« — im folgenden sind ein paar Worte nicht lesbar,
aber man sieht, daß Almeida und sein Gefolge alles, was an
' Tinoco scheint 39° zu geben (Cartas de Affonso de Albuquerque,
Bd. II, S. 336), der Bericht von der > Rafael« gibt 40".
39
Oarderobestflcken von Seide, Wolle und Segeltuch, an Kopf- und
Fußbekleidung, von Filz und Leder, irgendwie verfügbar war, eins
über das andere angezogen hatten um sich gegen die grimmige
Kälte zu schützen. Den Vizekönig fand Pero Fernandez in seiner
wohlgeschlossenen, teppichverhängten Kajüte, wie er sich tief ein-
gemummt noch an einem Becken mit glühender Holzkohle »briet«.
Die ungewöhnliche Kälte verursachte eine Reihe von Erkrankungen
unter der Mannschaft ; indes war keine davon ernsterer Natur und
auf Almeidas Schiff war bis zum 18. November 1505, von dem
Pero Fernandez seinen Brief an den König datiert, nicht ein Mann
an Krankheit gestorben, bei so großer Fahrt und den Unzulänglich-
keiten der Ernährung und der hygienischen Einrichtungen wie der
Reinlichkeit auf den Schiffen des 16. Jahrhunderts ein seltener Glücks-
fall. Übrigens hatte der Vizekönig seiner Instruktion entsprechend
vom Cabo Verde bis zum Eintritt in die winteriichen Meeres-
gegenden der Mannschaft nach Vereinbarung morgens nicht ihre
volle Tagesration Wein (eine Canada, etwas über ein Liter) ver-
abfolgen lassen, sondern nur 3/4 derselben und war so in der Lage
während der kalten Jahreszeit die Weinration zu erhöhen, wie er es
auch mit Öl und andern besonderen Bewilligungen hielte
Am 26. Juni schätzungsweise — zu geographischen Längen-
bestimmungen fehlten der Zeit noch die Mittel — wurde nach
Angabe des Berichtes von der »Rafael« der Meridian des Kaps
in östlicher Richtung überschritten und zwar in einem Abstand
von 70 Leguas2, was auf ungefähr 39 ° s. Br. führt. Bald danach
wurde der Kurs auf Nord, Nordost, später Nordwest gesetzt 3.
Am 2. Juli brach plötzlich ein heftiger Sturm mit Gewitter herein,
zerriß auf »Jeronimo« und »Lionarda« die noch nicht eingezogenen
SegeH und schleuderte drei Mann ins Meer, von denen einer sich
durch seine Ausdauer im Schwimmen rettete. Das Schiff des
Joao Serrao, die »Botafogo« (»Feuerspeier <), wurde durch diesen
Sturm von den übrigen getrennt und stieß nach der Einnahme
von Quiloa dort wieder zu dem Geschwader. Pottwale und kleine
Walarten waren inzwischen nach der »Wildnis und Einöde« wieder
aufgetaucht und am 18. Juli, Freitag, sah man nach 14 Wochen
zum ersten Male Land, nach Pero Fernandez Tinoco die vier (in
Wahrheit fünf) Ilhas Primeiras, die »Ersten Inseln«, 555 Leguas
vom Kap, nach dem Bericht von der »Rafael« die zehn Leguas
nördlicheren Ilhas Derradeiras, die »Letzten Inseln« (irgendwelche
• Pero Fernandez a. a. O., S. 336.
2 Q. U., S. 110 Anm. 48.
3 Pero Fernandez a. a. O., S. 336 f.
* Goes, Chron., p. II, c. 2.
40
Eilande der Angocha-Gruppe), 30 Leguas südwestlich von Mo?am-
bique. Vielfach wiederholter Jubelruf und Halleluja begrüßte sie
auf der Flotte. Auf der »Lionarda« scheint man erst am 19. Juli
Land gesichtet zu haben und zwar ein Stück der Festlandsküste
südlich von dem arabischen Hafenstädtchen Mogambique. Dort-
hin sandte Almeida im Vorbeifahren das Schiff des Fernäo
Bermudes und die Karavelle um frische Lebensmittel für die Flotte
zu kaufen, Erkundigungen nach dem seit Januar 1 504 verschollenen
Geschwader des Francisco d'Albuquerque und nach der Indien-
flotte des Lopo Suares vom Vorjahr einzuziehen und den daselbst
instruktionsmäßig zu hinterlegenden Bericht abzuholen über das,
was sie unterwegs erlebt hatten. Er selbst setzte mit acht Schiffen
seinen Weg fort und am folgenden Dienstag fielen die Anker im
Hafen von Quiloa'. Das erste Ziel der Reise war glücklich erreicht.
V. Von Quiloa bis Anjediva.
Als Vasco da Gama am S.Juli 1497 seine Entdeckungsfahrt
antrat, war man in Portugal schon länger davon unterrichtet, daß
arabische Städte sich längs der ostafrikanischen Küste bis in die
Nähe des südlichen Wendekreises hinabzogen und daß von hier
ein regelmäßiger Handelsverkehr mit dem Roten Meer und Indien
unterhalten wurde. Denn der von Joao II. 1487 über Alexandrien
als Kundschafter nach dem Osten geschickte Pero de Covilhä war,
nachdem er Indien besucht hatte, mit arabischen Schiffen der Ost-
küste Afrikas entlang bis Sofala vorgedrungen und hatte dann
von Alexandrien aus dem König eingehenden Bericht über seine
Reisewege, Beobachtungen und Erkundigungen zugehen lassen,
bevor er von Zeila nach dem Lande des »Erzpriesters Johannes«
aufbrach, wo er zurückgehalten und mehr als ein Menschenalter
später von seinem Landsmann Francisco Alvares^ auf dessen
1 Die scheinbar sich widersprechenden Datum-Angaben, nach
Sprenger (Q. U., S. 112) 21., nach Mayr 22. mittags (Q. U., S. 136), nach
Pero Fernandez (a. a. O., S. 337) Dienstag (22.) abends, lassen sich ver
einigen: Sprenger mag die Ankunft vor dem Hafen — er sagt allerdings
^vor die stat Killiwa — im Auge haben, der die Einfahrt erst am 22.
gefolgt wäre. Die Lotungen und die Bezeichnung des Fahrwassers
durch Bojen (vgl. Instruktion a. a. O., S. 289) mögen den Vormittag des
22. Juli in Anspruch genommen haben, Rafael mittags, das größte
Schiff, die »Jeronimo«, erst abends eingefahren sein.
2 Francesco Alvares, Viaggio della Ethiopia, c. 102 bei Ramusio
a.a.O., f. 254 r ff.
41
Gesandtschaftsreise nach Habesch noch lebend und in Ehren
stehend angetroffen wurde. Mit den ostafrikanischen Araberstädten
auf dem Weg ums Kap der Guten Hoffnung die Verbindung
herzustellen war die schwierigste seemännische Aufgabe des Vasco
da Gama gewesen; von dort nach Indien ging seine Reise auf
den schon Jahrhunderte befahrenen Bahnen des arabischen See-
handels, Nicht ohne Überraschung sahen die Entdecker auf die
verhältnismäßig alte und hohe Kultur, die ihnen in diesen Städten
entgegentrat'. Die Gründung der zwei ältesten unter ihnen,
Mukdischus (Magadoxö) und Barawas, reichte bis in den Beginn
des 10. Jahrhunderts hinauf. Waren die Gründer hier Araber, so
führte der Ursprung von Quiloa (um 975) und dem wenig jüngeren
Mombasa auf Perser von Schiras zurück. In der Folgezeit wurde
aber auch in den letztgenannten Städten, wie es scheint, das ara-
bische Element nach Zahl und Einfluß das vorherrschende. Wie-
weit das arabische Blut der persischen, wieweit das semitische der
Einwanderer aus Arabien bei Ausbildung der körperlichen Eigen-
art und der Kultur der durch Mischung entstandenen ostafrika-
nischen Küsten- und Inselbevölkerung (Suaheli usw.) mitgewirkt
hat, entzieht sich unserer Kenntnis; der Charakter der Städte aber
war im 1 6, Jahrhundert überall der gleiche : blühende Siedelungen
mit einer herrschenden muhamedanischen Schicht, die zum Teil
aus »weißen Mauren«, das heißt reinen Arabern und Schirasi, zum
Teil aus Mischlingen bestand, und einer an Zahl überwiegenden
schwarzen Sklavenbevölkerung, deren Verhältnis zu den Herrn
indes nach dem Bericht von der »Rafael« mehr das eines willigen
Gehorsams als harter, erzwungener Dienstbarkeit war. Die Araber
kleideten sich in lange und weite Gewänder von Baumwolle, die
im Lande erzeugt und verarbeitet wurde und deren Anbau ver-
mutlich von den Schirasi (Persern) eingeführt war^, sowie in
importierte indische Baumwoll- und Seidenstoffe ; die Neger trugen
nur einen bis zu den Knieen reichenden Lendenschurz. Ein weiteres
Bevölkerungselement bildeten handeltreibende Inder, in deren
Händen, scheint es, fast die ganze überseeische Ein- und Ausfuhr lag.
Mit den benachbarten halbwilden und heidnischen Negerstämmen
standen die Städte bald in freundschaftlichen Beziehungen bald
im Krieg, und zur Sicherung gegen Überfälle von dieser Seite
waren einzelne auf küstennahen Inselchen erbaut, so Mogambique,
• Vgl. Strandes, Die Portugiesenzeit von Deutsch- und Englisch-
Ostafrika, Berlin 1899, S.81 ff.; Duarte Barbosa in Collec^ao de Noticias
para a historia e geographia das nagoes ultramarinas, Bd. 11 (Lisboa 1812),
S, 233 ff ,
2 Stuhlmann in Beiträge zur Kulturgeschichte Ostafrikas, Bd. X,
S, 507,
42
Quiloa und Mombasa. In den meisten Städten, ob groß oder
klein, fanden die Portugiesen selbständige arabische Herrscher vor,
die freilich nicht unumschränkt in der Ausübung ihrer Macht waren,
sondern sie mit einflußreichen Männern mehr oder minder teilten.
Größere Herrschaftsgebiete gab es anscheinend nicht. Den Ver-
kehr längs der Küste vermittelten Sambuken, Schiffe, deren Planken
ohne eisernes Nagelv^erk nur mit Holzzapfen und Stricken von
Kokosfaser zusammengefügt waren. Sie besaßen kein Verdeck;
bloß ein Teil des Fahrzeuges war mit einem Dach aus Palm-
blättern versehen ; kalfatert wurden sie mit einem wohlriechenden
Harz. Der Mast trug ein schwerfälliges MattensegeP. Die großen
hatten einen Raumgehalt von etwa 50 Tonnen und lagen, wenn
sie nicht gebraucht wurden, auf dem Trockenen. Für die Fern-
fahrt, die anscheinend nicht von Ostafrikanern, sondern von Arabern
und Indern, besonders Gudscheraten, betrieben wurde und der
Verbindung mit Aden, Ormuz und Cambaya diente, waren Kompaß,
Seekarten und Instrumente zur Höhenmessung der Gestirne in
Gebrauch. Über Kap Corrientes ging indes bei der Unvollkommen-
heit der Fahrzeuge der Seeverkehr wegen der starken Strömungen
und der Hafenarmut des südlichen Teils der Ostküste von Afrika
nicht hinaus. Wertmesser im Handelsverkehr waren insbesondere
Baumwollstoffe, weniger geschlagene Münze, wiewohl man auch
solche kannte. Gold, das bloß ungemünzt umlief, wurde nach
Gewicht in Zahlung gegeben. Der wichtigste Gegenstand der
Einfuhr waren die weißen und bunten indischen Baumwollstoffe
von Cambaya, von wo auch Glas- und Achatperlen eingeführt
wurden, ebenso wie Rosenwasser und Glasflaschen über Ormuz
aus dem persischen Meerbusen kamen. Die Ausfuhr bestand
besonders in Sklaven, Elfenbein und zwar von Elefanten, Fluß-
pferden und Walrossen 2, in Ambra, Gummikopal, Wachs und vor
allem in Gold^.
Auf den Goldhandel war nach den portugiesischen Quellen
des 16. Jahrhunderts die Blüte der ostafrikanischen Städte in erster
Linie gegründet. Daß die reichen Goldlager des Maschonalandes
sehr früh schon ausgebeutet worden sind, davon legen die uralten
Ruinen von Zimbabye Zeugnis ab. Als Anlegeplätze auf der
Fahrt nach Sofala, wo der Handel mit dem kostbaren Metall im
Mittelalter seinen Stapelplatz hatte — außerdem kamen nur über
Angocha geringe Mengen in den Verkehr — , mögen die Küsten-
städte zu ihrer Bedeutung gelangt sein und ihn sodann selbst in
1 Q. U., S. 138.
2 Duarte Barbosa a. a. O., S. 234.
3 Goes, Chron., p. I, c. 38.
43
ihre Hände gebracht haben. Was dagegen in Tausch gegeben
wurde, waren vorwiegend Baumwollstoffe. Besonders Quiloa hat,
wie es scheint, vermöge seiner Lage Vorteil aus diesem Handel
gezogen. Schon zu Anfang des 12. Jahrhunderts, das, nach
arabischen Chroniken der Stadt zu urteilen, eine Zeit hoher Blüte
für dieselbe gewesen ist, stand Sofala zu ihm in Abhängigkeits-
verhältnis und die großen Einkünfte aus dem Goldhandel ermög-
lichten ihm im Lauf des Jahrhunderts nicht nur die Anlage zahl-
reicher Siedelungen längs dem nahen Festlandsgestade wie auf
den anliegenden Inseln und in einigen Häfen von Madagaskar,
sondern auch die Unterwerfung fast der ganzen Küste von Melinde
bis zum »Kap der Strömungen« (Corrientes)^; der nördliche Teil
dieses großen Machtgebietes war freilich, als die Portugiesen im
Indischen Ozean erschienen, schon wieder verloren gegangen, aber
Sofala stand nominell noch unter der Oberherrschaft von Quiloa
und die sehr hohen Abgaben an Baumwollstoffen und Gold, mit
denen seine Fürsten wie auch die von Mombasa den Handel mit
Sofala belasteten, bildeten noch immer eine reiche Einnahmequelle.
Diogo d'Alcagova, der im Auftrag König Manuels 1506 in Sofala
Erhebungen über Herkunft und Gewinnung des daselbst ge-
handelten Goldes, über weitere Exporthäfen sowie die Mengen
der Ausfuhr veranstaltete, berichtet unterm 20. November an den
König, daß in Friedenszeiten — um 1506 beeinträchtigten jahre-
lange, schwere Wirren im Goldland Vealanga die Gewinnung —
die jährliche Ausfuhr 1 000 000— 1 300000 Metikal zu je 4,83 g
betragen hatte, wenn es sich um Feingold handelte, ein Wert von
mindestens 13 450000 Mark 2.
Die kleine Insel Quiloa liegt auf 9» s. Br. und 39« 30' ö. L.
Ihre größte Entfernung vom Festland beträgt ungefähr eine Legua.
Das letztere bildet hier eine von Nord nach Süd lang hingestreckte
Einbuchtung mit Krieks, die gegen den Seegang durch eine gegen-
über dem Nordende des Eilands nach Südosten vorspringende
Halbinsel sowie durch die Inseln Quiloa und Songo Mnara ge-
schützt ist. Mangrovesümpfe begleiten die Ufer. Die Stadt Quiloa
lag am Nordwestende der Insel, da, wo sich heute das elende
Fischerdorf Kilwa Kisiwani hinzieht. Den Eindruck dieser ersten
ostafrikanischen Araberstadt, vor der Almeidas Geschwader nun
lag, schildern unsere Quellen recht anschaulich. Den Ankerplatz
nennt der Vizekönig den besten Hafen auf der Welt, die Landschaft
die anmutigste, die es geben könne^. Die Stadt mit ihren weiß
1 Barros, Dec. I, 1. VIII, c. 4.
2 Strandes a. a. O., S. 99 Anm.
3 Torre do Tombo, gav. 20, ma9o 10, n. 33.
44
getünchten Häusern von Stein, über deren gewölbten Erdgeschossen
sich ein oder mehrere Stockwerke unter flachem Dach erhoben,
erinnerte nach der Länge ihrer Erstreckung an dem Meeresarm
hin den Pero Fernandez Tinoco^ an das heimatliche Lissabon
vom Tcjo oder Sebutal vom Sado aus gesehen. Die Einwohner-
zahl von Stadt und Insel wird auf 4000 geschätzt 2. Eine der
zahlreichen Moscheen, von denen zwei in Trümmern heute noch
erhalten sind, vergleicht der Bericht von der »Rafael«, wohl nur
wegen der gleichartigen Anordnung der gewölbten Kuppeln, mit
der großartigen Moschee von Cordova. Auf dem bis zu 30 m
über das Meer sich erhebenden roterdigen Hügelgelände der Um-
gebung von Quiloa wuchsen steifblättrige, hohe Savannengräser
und über Buschwerk und Baumkronen der Ufervegetation wiegten
Kokospalmen ihre zierlichen Wipfel in den Lüften.
Die Stadt war, als die Portugiesen in die Geschicke Ost-
afrikas einzugreifen begannen, schon seit zwei Jahrzehnten von
schweren inneren Wirren heimgesucht. Die tatsächliche Herrschaft
hatten Wesire an sich gerissen, die nach Willkür Sultane ein- und
absetzten, zeitweise auch sich selber zu Sultanen machten. Die
ostafrikanische Machtstellung Quiloas war dadurch stark erschüttert,
die ihr ehemals unterworfenen Gebiete ganz oder halb unabhängig
geworden. 1495 hatte dann ein Abkömmling des alten schira-
sischen Herrschergeschlechtes, Alfudail, den Thron bestiegen. Unter
ihm war der mächtigste Mann sein Vetter Ibrahim gewesen, von
dem schließlich Alfudail gestürzt und ermordet wurde^. Vasco
da Gama hatte auf der Entdeckungsfahrt Quiloa nicht berührt,
Cabral dagegen im Juli 1500 den Hafen angelaufen, sich aber
vergeblich bemüht zu Vereinbarungen hinsichtlich des Goldhandels
zu kommen. Nicht glücklicher war 1501 Joao da Nova gewesen.
Daraufhin war im folgenden Jahr der Admiral D. Vasco da Gama
auf seiner zweiten Fahrt nach Indien mit einer beträchtlichen Flotte
vor der Stadt erschienen und hatte, als der nunmehrige »Emir«
Ibrahim — so nannte ihn das Volk — seiner Aufforderung zu
einer Zusammenkunft nicht sofort nachkam, unter Anwendung
von Gewalt die Anerkennung der portugiesischen Oberhoheit und
i a. a. O., S. 337.
2 So der Bericht von der »Rafael, dessen Verfasser die Stadt aus
eigener Anschauung kannte. In den Diarii di Marino Sanuto, Bd. VI,
Sp. 363-367 wird sie, beträchtlich höher, auf 2000 Feuerstellen geschätzt;
der zu Übertreibungen neigende Correa (Lendas, Bd. I, S. 276) gibt die
Einwohnerzahl auf 12 000 an und Diogo d'Alcagova hat versichern hören,
daß in Quiloa etwa 30000 Menschen gingen und kämen« (Alguns
Documentos, S. 156).
3 Q. U., S. 113.
45
die Verpflichtung zu einem jährlichen Tribut von 1500 Metikal
Gold erzwungen, die für 1 502 unverzüglich bezahlt wurden, sei
es nun, daß der' Scheich selbst oder sein als Geisel dem Admiral
übergebenerTodfeindMuhamedAnconi sie herbeischaffte'. Während
der nächsten Jahre aber hatte der Fürst sich der Tributzahlung zu
entziehen gewußt. Nun sollte hier endgültig Wandel geschaffen
und Quiloa zum Stützpunkt der portugiesischen Machtstellung in
Ostafrika und zur Flottenstation ausgebaut werden.
Almeida hatte am 22. Juli unmittelbar nach Einlaufen der
ersten Schiffe in den Hafen, durch den Kapitän der »Flor de la
mar«, Joao da Nova, der im August 1501 schon einmal mit dem
Emir verhandelt hatte, diesen zu einer Zusammenkunft einladen
lassen. Als Dolmetscher begleitete dabei den portugiesischen Edel-
mann ein greiser Venezianer, Bonajuto d'Albano, den Joao da Nova
selbst 1 502 von Indien mitgebracht hatte^. Er war etwa 20 Jahre
zuvor von Kairo in Begleitung eines abessynischen Gesandten,
der sich gerade dort aufhielt, nach dem Osten gekommen, hatte
von Ormuz aus Persien und Indien bis Malakka durchwandert,
hier eine malayische Frau genommen und befand sich an der
Malabarküste, anscheinend in Cananor, als Joao da Nova dort
Ende 1501 ankam. Auf dessen Geschwader schiffte er sich mit
seiner Frau und zwei Söhnen nach Portugal ein, wo seine Familie
zum Christentum übertrat. König Manuel nahm ihn, da er weit
herumgekommen und vertraut mit Sprachen und Handelsverhält-
nissen des Ostens war, in seine Dienste und wies dem hinkenden
und mittellosen alten Mann ein Häuschen, ein gewisses Maß Getreide
und 70 Dukaten jährlich zum Unterhalt an. Nun begleitete er als
Dolmetscher Almeida nach Indien, wie noch ein zweiter europäischer
Wandervogel, den Vasco da Gama Ende 1498 auf dem Inselchen
Anjediva etwa 1 00 km südlich von Goa gefangen und nach Portugal
' Hümmerich, Vasco da Gama, München 1898, S. 74 f.
2 Das ergibt mit Sicherheit der Brief des Bartolomeo Marchione
aus Lissabon vom 20. September 1502 (Diarii di Marino Sanuto, Bd. IV,
Sp. 544 f.). Danach sind die widersprechenden Angaben des Ca Masser
a.a.O., S. 18f. und Barros, Dec. 1, I. VIII, c.3 zu berichtigen, denen
zufolge er erst 1504 mit Albuquerque aus dem Osten gekommen wäre.
Marchione berichtet, noch bevor er ihn selbst gesprochen hatte, daß er
25 Jahre in Indien gewesen sei, also seit 1477, Lunardo Nardi (Diarii
di Marino Sanuto, Bd. IV, Sp. 546) spricht (wie Ca Masser und Barros)
von 22 Jahren, was auf 1480 führen würde. Nun traf aber Joos von
Qhistele (Voyage, Ghendt 1572, S. 229) in Tor 1483 einen Venezianer
Bonavito del Pan, der eben im Begriff war, mit dem Mailänder Benedetto
de Nove von dort nach Ormuz abzureisen. Sollte das etwa Bonajuto
d'Albano gewesen sein, wie Heyd a.a.O., Bd. II, S. 500 vermutet hat?
46
mitgenommen hatte. Es war der getaufte Jude Gaspar da Oama
oder, wie er ebenfalls genannt wird und in zwei von ihm her-
rührenden Schriftstücken sich selber nennt, Gaspar da India, auch
de las Indias. Er stammte aus einer deutschen Judenfamilie, die
in Posen ansässig gewesen und möglicherweise durch die von
dem Jagelionen Kasimir IV. 1454 verfügte Aufhebung eines kurz
vorher von ihm erlassenen Judenstatuts zur Auswanderung ver-
anlaßt worden war. Seine Eltern hatten sich damals nach der
Levante gewandt, waren über Jerusalem nach Alexandrien gekommen
und dort war Gaspar geboren worden. Schon in jugendlichem
Alter war er über Kairo und Mekka nach Indien und daselbst in
32 Jahren weit herumgekommen, war Muhamedaner geworden,
hatte als Kaufmann Mahmet Edelsteinhandel getrieben und eigene
Schiffe besessen und stand 1498 als Kaperkapitän im Dienste des
Yusuf Adil Schah, des Beherrschers von Goa. Von diesem beauf-
tragt sich der drei Schiffe Gamas und ihrer Mannschaft zu bemäch-
tigen, hatte er sich zunächst allein an deren Ankerplatz begeben
und im Namen seines Herrn die Portugiesen nach Goa eingeladen,
sich aber dabei verdächtig gemacht, war von Gama festgenommen,
durch Peitsche und siedendes Öl zum Geständnis gebracht und
nach Portugal mitgeführt worden. Schon auf der Fahrt dahin
trat er zum Christentum über und wurde nach seinem Paten, dem
Entdecker des Seewegs, auf den Namen Gaspar da Gama getauft.
Seine Sprachenkenntnis und Vertrautheit mit allen Verhältnissen
des Ostens ermöglichte ihm den Portugiesen während der folgenden
Jahre wertvolle Dienste zu leisten, wofür Manuel ihm mit einem
Gnadengehalt von 170 Cruzados sowie andern Besoldungen und
Rechten lohnte; auch zum Ritter des königlichen Hauses hat er
ihn gemachte
Die durch Joäo da Nova und Bonajuto d'Albano übermittelte
Einladung lehnte der Emir Ibrahim für diesen Tag ab — offen-
bar fürchtete er im Fall eines Besuchs an Bord oder einer Zusammen-
kunft in Booten die Gefangennahme — , sandte aber das übliche
Geschenk an Lebensmitteln, hier fünf Ziegen, eine junge Kuh, viel
Kokosnüsse und Früchte. In ein Zusammentreffen am folgenden
Tag scheint er, um zur Täuschung Zeit zu gewinnen, gewilligt zu
haben. Almeida war entschlossen, wenn nötig, Gewalt anzuwenden,
aber es der Instruktion gemäß zunächst mit friedlichen Mitteln
zu versuchen. Die Schiffsartillerie wurde am nächsten Morgen
(23. Juli) in Bereitschaft gesetzt; alsdann fuhren alle Kapitäne, festlich
gekleidet und in Waffenrüstung, in ihren reich geschmückten und
' Die nähere Begründung dieser Angaben behalte ich einer dem-
nächst zu veröffentlichenden Einzeluntersuchung über Gaspar da India vor.
47
wohlbemannten Booten vor der Stadt auf und ab und warteten,
ob der Emir sich einfinden werde. Statt seiner erschienen indes
fünf Araber und brachten den Bescheid, er könne nicht kommen,
er habe Gäste; doch wolle er, wenn es Almeida wünsche, die
1 500 Metikal Tribut sogleich an Bord schicken. Diese Abgesandten
heß der Vizekönig festnehmen und in einer Beratung mit den
Kapitänen wurde alsdann beschlossen, daß man sich der Stadt mit
Waffengewalt am nächsten Tag bemächtigen wolle. Inzwischen
flüchtete der Emir Ibrahim, Schlimmes ahnend, in aller Heimlich-
keit nach dem nahen Festland. Die 1500 streitbaren Männer aber,
die nach portugiesischen Quellen in der Stadt verfügbar waren,
sammelten sich zur Verteidigung um seinen mächtigen Widersacher,
den greisen Muhamed Ankoni, der sich in den vorausgegangenen
Jahren wiederholt als Freund der Portugiesen bewährt hatte.
Donnerstag den 24. Juli bestiegen die zum Angriff auserlesenen
portugiesischen Streitkräfte, 500 Mann, die Boote. Da Flut war,
konnte man bis dicht an die dem Ufer zunächst gelegenen Häuser
heranfahren. Der Vizekönig richtete mit der Hauptmacht seinen
Angriff gegen die Stadt selber, eine zweite Abteilung landete unter
Führung seines jugendlichen, heldenmütigen Sohnes D. Lourengo
gegenüber dem am Ende der Stadt gelegenen weitläufigen und
starken Palast des Emirs, dem auf verschiedenen Wegen beide
Abteilungen zustreben sollten. Allen voran stieg Almeida mit
der königlichen Fahne an Land, die der tapfere Pero Cam trug,
und nach ihm die andern Kapitäne. Man war auf schwere Kämpfe
gefaßt, da jedes der zahlreichen mit Stockwerken versehenen
steinernen Häuser den Verteidigern als Festung dienen konnte.
Um so größer war das Erstaunen, als kaum ein Feind sichtbar
und nur hie und da ein schwacher Widerstand geleistet wurde.
Man vermutete zunächst List und Hinterhalt, aber bald zeigte sich,
daß der größte Teil der Bevölkerung die Stadt verlassen hatte. Von
den Zurückgebliebenen wurden diejenigen, die sich ergaben, ge-
schont, getötet nur, wer sich bewaffnet zur Wehr setzte, und das
waren nicht mehr als 30 oder 40 Menschen. Rasch war die ganze
Stadt in den Händen Almeidas ; man erreichte den Palast, zu dem
inzwischen auch D. Lourengo vorgedrungen war. Die Pforten
waren verschlossen, an einem Fenster aber erschien alsbald ein
Araber, schwenkte eine portugiesische Fahne und schrie laut:
»Portugal! Portugal!« Es war die Fahne, die Vasco da Gama
dem Emir übergeben hatte, als er ihn 1502 zum Vasallen seines
Königs machte. Dem Befehl das Tor zu öffnen kam indes der
Mann am Fenster nicht nach ; man mußte es gewaltsam auf-
brechen und daraufhin verschwand er. Widerstand wurde nicht
geleistet; der Palast, worin man den Emir vermutet hatte, erwies
48
sich als leer und verlassen; man fand nichts als verschlossene
Erdgeschosse ^
Der Vizekönig kehrte nun mit seinen Leuten in die Stadt
zurück, wohin inzwischen der Vikar der Franziskaner mit ein paar
Brüdern von den Schiffen herübergekommen war. Mit aufgerichteten
Kreuzen zogen diese ihm entgegen, alles Kriegsvolk aber kniete
voll Dank für den unblutigen und doch so großen Erfolg in
frommer Andacht nieder und durch die Straßen der muhame-
danischen Stadt tönte feierlich zum erstenmal der Ambrosianische
Lobgesang Te deum laudamus. Almeida zog sich darauf in eines
der vornehmen Häuser zurück und gab dem Kriegsvolk die Stadt
zur Plünderung preis, wobei aber jede Brandlegung verboten wurde.
Alle wertvollere Beute befahl er in ein paar Häusern in seiner
Nähe niederzulegen um sie dann nach den Bestimmungen seiner
Instruktion ordnungsgemäß zu verteilen. Man fand in der Stadt
große Mengen von Lebensmitteln und Waren, auch Gold, Silber,
Perlen und Edelgestein ; doch hatten die Bewohner einen Teil ihrer
Kostbarkeiten, wie es scheint, in Sicherheit gebracht. Den Ab-
schluß der Eroberung bildete ein Akt von festlicher Weihe, indem
der Vizekönig einer Reihe von jungen Männern den Ritterschlag
erteilte. Möglich, daß er den Nebenzweck damit verfolgte eine
allzu lange und rücksichtslose Plünderung zu verhüten ; Pero Fer-
nandez Tinoco wenigstens schreibt mit Bedauern, daß der Befehl
zum Abbruch derselben erfolgt sei, als man eben bei den Stellen
der heißesten Arbeit angelangt war^. So blieben die äußeren Stadt-
teile von der Heimsuchung verschont 3.
Noch am selben Tag wurde dann mit dem Bau der Festung
begonnen, wobei sich hoch und nieder, die stolzen Fidalgos wie
das gemeine Kriegsvolk und die Seeleute, rüstig beteiligten. Der
Vizekönig selber verschmähte es nicht zum Herbeischaffen der
Steine die Trage mitanzufassen. Eine besonders gut aus Stein auf-
geführte Häusergruppe am Westende'' des Ortes, die das Meer bei
Flut bespülte, erwies sich vorzüglich geeignet zum Ausbau als
Festung. Die umliegenden Gebäude, die abgebrochen werden
mußten um freies Schußfeld zu schaffen, lieferten das für die
' Da keiner der Augenzeugen von wirklichen Kämpfen berichtet,
so ist die Schilderung, die Barros, Dec. I, I. VIII, c. 5 von Eroberung
der Stadt gibt und die alle wesentlichen Züge der Eroberung von
Mombasa entlehnt, wohl als Ausschmückung anzusehen.
2 A.a.O., S. 337: »cando compe^avamos dentrar no quente da
cidade«.
3 Gaspar da Qama in Cartas d'A. d'A., Bd. III, S. 200: »rroubamos
ho meyo da cidade«.
* Castanheda a. a. O., 1. II, c. 3.
49
Vorwerke und Geschützstände notwendige Holz- und Steinmaterial;
gebrannter Kalk fand sich, da der Boden der Insel unter einer dünnen
Schicht geologisch junger Küstenablagerungen aus subrezenten
Korallenriffen gebildet ist, so reichlich in der Stadt vor, daß für
die Erbauung der Festungen in Indien noch beträchtliche Mengen
verladen werden konnten'.
Alsbald nach Beginn des Festungsbaues erfuhr der Vizekönig,
daß Muhamed Anconi sich mit der Hauptmacht der wehrfähigen
Bevölkerung der Stadt in deren unmittelbarer Nähe befand, und
ließ ihm durch Joao da Nova seine Friedensbedingungen über-
mitteln: der flüchtige Emir Ibrahim sollte des Thrones verlustig
erklärt und an seiner Statt Muhamed Anconi zum Herrscher aus-
gerufen werden, unter der Voraussetzung, daß er sich zum Vasallen
des Königs von Portugal machen und den Tribut von jährlich
1500 Metikal Gold zahlen würde. Bei Annahme dieser Bedingungen
wurde er aufgefordert mit allen Geflüchteten ruhig in die Stadt
zurückzukehren und jedem, der davon Gebrauch machen wolle,
Sicherheit für seine Person und seinen Besitz auf der ganzen Insel
gewährleistet. Muhamed Anconi ging auf diese Vorschläge ohne
Zögern ein und der größte Teil der Bevölkerung kehrte darauf
mit ihm in die Stadt zurück. Noch am gleichen Tag — es war
der 26. oder 27. Juli^ — wurde er auf reich gezäumtem Pferd in
kostbarem, vom Vizekönig geschenktem maurischen Gewand mit
Goldstickerei, begleitet von angesehenen Männern der Stadt, die
ihn zu Fuß umgaben, festlich durch die Straßen geführt. Voran
schritt Gaspar da Gama und rief in arabischer Sprache immer aufs
neue die Worte: »Das ist euer König; ihm habt ihr zu gehorchen
im Namen des Königs Emanuel von Portugal, dessen Untertanen
ihr alle seid^.« So bewegte der Zug sich zu der im Bau begriffenen
Festung, wo der Vizekönig auf einer mit Teppichen und kostbaren
Tüchern geschmückten Tribüne vor versammeltem Volk und den
angesehenen Männern der Stadt den neuen Herrscher feierlich für
die Krone Portugal in Eid und Pflicht nahm und ihm dann eine
goldene Krone aufsetzte, die als Geschenk Manuels für den Raja
von Cochin bestimmt war. Über den Vollzug der ganzen Hand-
lung ließ der Vizekönig Urkunden in portugiesischer und arabischer
Sprache aufnehmen, die von dem nunmehrigen Sultan Muhamed
und den anwesenden vornehmen Muhamedanem sowie von allen
Kapitänen und Edelleuten der Flotte unterzeichnet wurden. Die
' Torre do Tombo, gav. 20, ma^o 10, n. 33 (Brief Almeidas).
2 Der 27. nach Sprenger a.a.O., S. 112, der 26., Tag der heiligen
Anna, nach Goes, Chron., p. II, c. 2.
^ Ooes, Chron., p. II, c 2.
Hümmerich, Deutsche Handelsfahrt nadi Indien. 4
50
bei Eroberung der Stadt gefangenen Muhamedaner gab Almeida,
der Bitte des neuen Herrschers entsprechend, um Stimmung für
ihn zu machen Anfang August frei. Da dieser schon hochbetagt
und bei seinem Abieben Thronstreitigl<eiten zu befürchten waren,
regelte auf seinen Wunsch Almeida vor der Abfahrt auch noch
die Nachfolgerfrage. Als Freund des ermordeten Sultans Alfudail
erbat Muhamed unter Übergehung seiner eigenen Söhne für einen
noch jugendlichen mit einer Sklavin erzeugten Sohn Alfudails die
Nachfolge in der Herrschaft. Almeida willigte ein und am 4. oder
5. August 1 wurde dem vom nahen Festland inzwischen herüber-
geholten jungen Mann seitens der Stadt für den Fall von Muhameds
Ableben im Voraus feierlich gehuldigt.
Innerhalb 17 Tagen^ (24. Juli bis 9. August) war die Festung
im wesentlichen vollendet ; der geschäftsgewandte Gaspar da Gama
hatte in ständigen Verhandlungen mit Muhamed Anconi und den
Arabern erreicht, daß täglich etwa 200 Eingeborene als Hilfskräfte
für die Arbeit zur Verfügung gestellt wurden, wie ihm unter
Zuhilfenahme der Nachtstunden, in denen er die Insel durchstreifte,
auch die Beschaffung von Hammeln und sonstigen Lebensmitteln für
die bei dem Bau beschäftigten Portugiesen gelungen war^. Eine
dreistöckige Zitadelle, massiv in Stein und Mörtel ausgeführt, vier
Bollwerke mit Geschützständen und Schießscharten für Armbrust-
schützen sicherten die von den Befestigungen eingeschlossenen
Faktorei-, Lager- und militärischen Amtsräume* sowie die guten
Quartiere, die für eine Besatzung ausgereicht hätten doppelt so
1 Sprenger a.a.O., S. 113 scheint den 4. zu meinen, Castanheda,
1. II, c. 3 verlegt die Huldigung auf den 5., >nossa senhora das neves«.
2 So Almeida a.a.O.; Tinoco a.a.O., S. 337 sagt: »dy (d.h. vom
Tage der Eroberung an) a quinze dyas hacabamos e embarcamos«. Da-
nach fand die Einschiffung am 7. August statt ; Almeida rechnet bis zum
Tag der Abfahrt, dem 9. August. Sprenger verlegt die Abfahrt auf den
6. — wahrscheinlich nur Druckfehler, sicher nicht richtig — , Barros auf
den 8. (Dec. I., 1. VIII, c. 7), Qoes (Chron., p. II, c. 2) und Castanheda
(a. a. O., 1. II, c. 4) übereinstimmend mit Gaspar da Gama (Carlas d'A.
d'A., Bd. III, S. 201) auf den 9., Goes mit dem Zusatz »vespora do
bemaventurado Säo Louren^o«. Dazu stimmt, richtig ergänzt, auch die
Angabe Tinocos wenige Zeilen weiter: »e leixando senhor isto que se
aconteceo bespora de samtyago a huma quinta feira, dy a quinze dias
embarcamos que foram sete dias da(gosto quinta) feira a tarde, e ao
sabado fo(mos e a qu)arta feira seguinte emt(r)am(os em Momba?a)
e do que nos aconteceo (n)a entrada como na tomada escuso dyzer
aqui nada« : also Einschiffung am 7. abends, Abfahrt am 9.
3 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 200f.
* Castanheda a. a. O., 1. II, c. 3.
51
groß als die 80 Mann, die hier zurückgelassen wurden. Die
Verbindung mit der See, für die Stützpunkte der portugiesischen Herr-
schaft im Osten von ausschlaggebender Bedeutung, war unbedingt
gesichert: bis an den Eingang des stärksten Vorwerks konnten
die Boote heranfahren und über eine Treppe von wenigen Stufen
ihre Ladung löschen. Ein paar Jahre seines Lebens, schreibt
Almeida von Cochin aus an den König, würde er darum geben,
wenn Seine Hoheit die Feste sehen könnte; sie wäre stark genug
um dem König von Frankreich Trotz darin zu bieten'. Kommandant
wurde der vom König für dies Amt bestimmte Pero Ferreira
Fogaga, Kapitän der untergegangenen »Bella«; außer ihm blieben
ein Burgvogt (alcaide mör) sowie die nötigen Handels- und sonstigen
Beamten darin zurück. Die Feste erhielt den Namen »Santiago«,
weil am Vorabend von St. Jakob dem Apostel die Stadt erobert
worden war. Die als Stationsschiff für Quiloa bestimmte Karavelle
des Gongalo Vaz de Goes vom zweiten Geschwader kam erst
später an ; für eine Brigantine wurde das fertig bearbeitete Material
dagelassen, wie es die Instruktion vorschrieb 2.
Abgesehen von dem Festungsbau wurden in den 17 Tagen
auch alle Schiffe des Geschwaders übergeholt, gereinigt und kalfatert.
Mit den acht am 22. Juli in den Hafen eingelaufenen Fahrzeugen
hatten sich unterdessen die zwei nach Mogambique geschickten
sowie die durch Sturm Anfang Juli von den übrigen getrennte
»Botafogo«, diese am 3. August 3, wieder vereinigt. Die beiden
ersten brachten Briefe mit der Kunde vom glücklichen Verlauf der
Fahrt des Lopo Suares; dagegen hatten sie vom Verbleib des
Francisco d'Albuquerque nichts erfahren können ; er ist mit seinem
kleinen Geschwader verschollen geblieben.
Der mehrwöchige Aufenthalt in Quiloa hatte Gelegenheit
gegeben, die Rücksicht auf die Festung gezwungen sich über
Stadt und Umgebung genauer zu unterrichten. Zweimal hatte
der Vizekönig große Teile des Inselchens zu Pferde durchstreift
und der Verfasser des Berichtes von der »Rafael« zeigt ebenfalls
gute Kenntnis des Landes. Es liegt in dem Teil Ostafrikas, der
indischen Klimätypus aufweist. Der Südostpassat herrscht vor;
es gibt nur eine Regenzeit, von Dezember bis April. Der Aufent-
halt des Geschwaders fiel in die kühlste und zugleich trockenste
Jahreszeit, die der Bericht von der »Rafael« als Winter bezeichnet;
»aber es ist nicht kalt«, fügt er hinzu, »und darum tragen sie
wenig Kleider«,
' Almeidas Brief in Torre do Tombo, gav. 20, mago 10, n. 33.
2 A. a. O., S. 292 und Goes, Chron., p. II, c 2.
3 Goes, Chron., p. II, c. 2.
52
Unter dem fremdartigen und reichen, immergrünen Baum-
wuchs der Insel fallen ihm die Palmen durch ihre Menge und
Bedeutung auf. Er hört von der Gewinnung des Palmweins und
-essigs, beschreibt, wie Sprenger, anschaulich die Kokosnuß und
ihre vielfältige Verwendung. In den Gärten, die bei dem Fehlen
von Quellwasser aus Brunnen bewässert wurden, sieht er die von
den Arabern nach Ostafrika verpflanzte süße Orange, die fein-
schalige, kleine, runde Limonelle* und den Granatapfel, Almeida
auch die Banane^ kultivieren, als Küchenkräuter, Gewürz- oder
Arzneipflanzen kleine Zwiebeln, Majoran und Basilienkraut ziehen.
Erbsen, die reif abgepflückt und eingekellert wurden, gediehen in
Menge; Bohnen, vielleicht die Kunde (Vigna sinensis) der Neger,
erwähnt daneben Sprenger. Von Erdfrüchten wurde nach Almeida
die Yamswurzel angebaut — vielleicht war Yams das, was Hans
Mayr als Rettich angesehen hat. Die wichtigste Nahrungspflanze
aber war Hirse »wie der von Guinea«, wahrscheinlich Sorghum
oder Durra, der Mohrenhirse, der heute noch im ganzen ost-
afrikanischen Küstengebiet südlich des Panganiflusses die Grund-
lage der Ernährung der Neger wie überhaupt im tropischen Afrika
bildet^. Betel wurde in den Gärten gezogen und von den vornehmen
Muhamedanern als Erfrischungsmittel gekaut. Hans Mayr beschreibt,
wie die Mischung von gebrannten Muschelschalen und gestoßener
Arekanuß gleich einer Salbe auf das efeuartige Betelblatt gestrichen
wurde und das Kauen Mund und Zähne rot färbte. Eingezäunt
waren die Gärten mit Holzpfählen und Hirsestroh, das die Stärke
von Rohrstengeln hatte. Die Gartenarbeit besorgten Negersklaven.
Von den wildlebenden Tieren hat Almeida auf seinen Ritten
einzelne kennen gelernt; er erwähnt das Vorkommen von Löwen,
von Antas, Hirschen und Rehen. Unter Anta, arabisch lamt, ver-
standen die Portugiesen und Spanier im 1 6. Jahrhundert eine große,
ihnen selbst nicht genau bekannte Antilopenart, deren Haut ein
wegen seiner Stärke sehr geschätztes Leder für Schilde lieferte.
Hirsche und Rehe kommen im tropischen Afrika nicht vor; was
mit den ersteren gemeint ist, zeigt aber deutlich Sprengers Angabe:
>die Hyrtzen ym land sein geleich den geyssen und hoch als
die roß«; es ist ebenfalls eine große Antilope — man könnte an
die ostafrikanische Pferdeantilope denken — , die »Rehe« wird man
' Q. U., S. 137.
' Figos de cä, d. h. figos da India — er schreibt in Cochin —
»indische Feigen« nennt er sie a. a. O. mit einer den Portugiesen des
16. und 17. Jahrhunderts geläufigen Bezeichnung.
' Stuhlmann in Beiträge zur Kulturgeschichte von Ostafrika, Bd. X,
S. 174 f.
53
unbedenklich als Gazellen deuten dürfen'. Antilopen hatte Almeida
bei dem einen Ritt eine Herde von 25 Stück gesehen ; gejagt wurden
sie auf der Insel ei-st seit kurzem. Von wildlebenden Vögeln führt
sein Brief Wachtel und Feldhuhn mit Namen auf und unter den
abendlichen Vogelstimmen glaubt er die der heimischen Nachtigall
zu erkennen. Von Haustieren erwähnen unsere Berichte das Rind ;
daß es damals wie heute wenig ansehnliches Buckelvieh der Zebu-
rasse war, was gezüchtet wurde, zeigt Sprengers Beschreibung:
»Und seind die Küw klein und feist und uff dem ruck hof recht«
(= buckelig). Das Fettschwanzschaf schildert er in den Worten:
»In diessen landen seyn seltzam aventurig Schaf, haben breit kurtz
schwentz, dar inn tragen sie ir unstlich (=Unschlitt) und haben
sunst in yrem leip gantz kein unstlich«; daß sie, wie übrigens
alle Schafarten des tropischen Afrika, glatthaarig gleich den eben-
falls im Lande gezüchteten Ziegen, nicht wollig waren, fiel Hans
Mayr auf. Die Güte des im Land erzeugten Fleisches rühmt wie
die der Seefische und des reichlich vorhandenen Brunnenwassers
Almeidas Brief an den König. Honig und Wachs waren als
Erträgnisse der eifrig betriebenen Bienenzucht reichlich vorhanden.
Als Bienenkörbe benutzte man Krüge, die 50 Liter faßten, bedeckte
die Öffnung mit einem Kokosfasergewebe, in dem die Fluglöcher
angebracht waren, und hängte sie in Bäumen auf.
Die Gewässer um die Insel waren reich an guten Fischen und
Pottwale sah man von den Schiffen aus zahlreich im Meer sich
tummeln. Sie sind bis ins vorige Jahrhundert in den ostafrikanischen
Gewässern gejagt worden und der im mittelalterlichen Abendland
wie im Osten, vor allem als Parfüm, sehr hochgeschätzte Amber-
gris (Ambra), eine an verschiedenen Stellen des Pottwalkörpers
sich bildende, wahrscheinlich krankhafte Verhärtung, war ein
wichtiger Ausfuhrartikel von Ostafrika.
Unter der Beute, die bei der Plünderung den Portugiesen
in die Hände fiel, war viel Rosenwasser von feinem Geruch in
gläsernen Fläschchen, Einfuhr aus Arabien und Persien, viel Glas-
ware von mannigfacher Form, z. T. wahrscheinlich aus dem Irak,
dessen Gläser im Osten besonderen Ruf genossen, und aus Cambaya,
von wo viel schwarze, blaue und gelbe Glasperlen nach Ostafrika
eingeführt wurden, ebenso wie blaue und bunte Baumwollstoffe,
die die Portugiesen in den verschiedensten Sorten erbeuteten.
Als Waffen gebrauchte man Bogen und Pfeile mit Wider-
haken sowie Wurfspeere (Assagaie) ; Schwerter sahen die Portugiesen
nur wenige; die Schilde waren teils von Palmenholz gefertigt, teils
aus Seide und Baumwolle, wie sie auch anderwärts (Ormuz) im
1 Q. U., S. 88-90.
54
Gebiet der arabisch- persischen Kultur vorkommen — »cofos« lautete
in portugiesischer Transskription ihr einheimischer Name^ Bom-
barden fand man vier, doch verstanden sich die Araber auf ihren
Gebrauch nur schlecht.
Almeidas Aufgabe in Quiloa war erfüllt und am 9. August
1 505 lichtete das Geschv^^ader, nun wieder elf Segel stark, zur
Fahrt nach Mombasa die Anker. Gleich am folgenden Tage geriet
eins der deutschen Schiffe, die »Rafael«, in schwere Gefahr. Sie
war bei einem in der vorausgehenden Nacht vom Führerschiff aus
befohlenen Segelmanöver, bei dessen Ausführung die »Lionarda«
schwer gefährdet wurde, allein hinter den andern zurückgeblieben
und sah sich bei Tagesanbruch ganz nah an Land, als unerwartet
Windstille eintrat und das Schiff mit der Flut dem Gestade zu-
getrieben wurde. Der Kapitän Fernäo Suares ließ sofort einen
Anker auswerfen, aber erst in vier Kabellängen Tiefe fand man
Grund. Da es zudem Felsgrund war, mußte man befürchten, daß
das Tau zerschnitten würde; ein weiteres hatte man nicht und so
war das Schiff in der ernstesten Gefahr auf ein Unterwasserriff
aufzulaufen, dessen Vorhandensein das Schäumen der Wellen ver-
riet. Da warf sich FernSo Suares in der höchsten Not mit der
gesamten Mannschaft auf die Kniee und sie gelobten für den Fall
der Rettung gemeinsam einen Pilger zu U. L. Frau von Guadalupe
zu schicken, den man auch sofort ausloste. Und siehe da, gleich
darauf kam ein Lüftchen auf, das ihnen ermöglichte aus der gefähr-
lichen Landnähe herauszukommen, und auch den Anker gelang
es glücklich zu bergen^. Sonst verlief die Fahrt ohne Zwischen-
fälle und Almeida erreichte mit zehn Schiffen am 13., die »Rafael«
am 14. August die Außenreede von Mombasa (4° 3' s. Br. und
39 0 37' ö. L).
Wie Quiloa war auch Mombasa Inselstadt^. hn Osten und
Norden, im Westen und Südwesten ist die Insel vom Festland
umschlossen und nur durch schmale Meeresarme von ihm getrennt.
Die Stadt lag, hoch auf den Korallenfels gebaut, an der Ostseite
der großenteils von Buschwald bedeckten, fruchtbaren Insel, nicht
weit von der Einfahrt in den östlichen Meeresarm, der stellenweise
nicht mehr als einen Armbrustschuß breit war"*. Von dem Grün
der Palmenhaine und der Gärten ihrer Umgebung, die die gleichen
' Q. U., S. 139f. Von ostafrikanischen Schilden gebraucht z. B.
Correa den Ausdruck in Lendas, Bd. I, S. 550 und Castanheda a. a. O.,
1. II, c. 6.
2 Castanheda a. a. O., 1. II, c. 4.
3 Strandes a. a. O., Nebenkärtchen auf der Karte am Schluß.
< Barros, Dec. I, 1. VIII, c. 7.
55
Erzeugnisse wie die von Quiloa, nur in reicherer Fülle hervor-
brachten und dazu Zuckerrohr, hoben sich die mehrstöckigen Häuser
mit dem weißen ■ Kalkbewurf und den flachen Dächern hell ab.
Nach der Landseite hatte sie zum Schutz gegen Angriffe der Neger
des Festlandes, denen die Furt von Makupa im Nordwesten bei
Ebbe den Übertritt auf die Insel ermöglichte, eine nicht sehr hohe
Mauer, nach der Hafenseite war sie unbefestigt; doch mußte der
steile Anstieg des Geländes einem Angreifer hier beträchtliche
Schwierigkeiten in den Weg legen,
Vasco da Gama hatte auf der Entdeckungsfahrt die Insel
berührt, aus Vorsicht indes nur auf der Außenreede Anker geworfen.
Er war mit scheinbarer Freundlichkeit aufgenommen worden, aber
nur mit Mühe und Gefahr nächtlichen Anschlägen entgangen.
Die traditionelle Feindschaft, die zwischen dem mächtigeren Mom-
basa und seiner nördlichen Nachbarstadt Melinde (3 ° 15' s. Br. und
40 0 7' ö. L.) bestand, hatte ihm dann dort gute Aufnahme ver-
schafft und den Abschluß eines Freundschaftsvertrages ermöglicht
Während der nächsten Jahre war Mombasa zwar in seinem -Handel
durch gelegentliche Kaperei portugiesischer Kapitäne einmal ge-
schädigt worden, die Stadt selbst aber bei ihrer geschützten Lage
und starken, kriegerischen Bevölkerung von jedem Angriff verschont
geblieben. Diesmal sollte es ihr nicht so glimpflich ergehen ; denn
Almeida kam mit der Absicht sie entweder zu vertragsmäßiger
Unterwerfung zu nötigen oder zu zerstören. Offenbar sollte vor
allem ihr lebhafter Wettbewerb im Handel mit Sofala zugunsten
des nun portugiesischen Quiloa so weit als möglich ausgeschaltet
werden'. Aber der arabische Fürst der Stadt hatte die Gefahr
kommen sehen und Vorkehrungen gegen einen Angriff getroffen.
Als daher am 13. August 1505 nach Ankunft der Flotte auf
der Außenreede Goncalo de Paiva mit der Karavelle in den schmalen
Eingang des Hafens einfuhr und dort Lotungen vornahm, erhielt
er aus einem Festungswerk am Ufer Feuer und eine Bombarden-
kugel durchschlug ihm das Schiff von einer Seite zur andern, ohne
indes von der Bemannung jemanden zu verletzen. Die Karavelle
erwiderte mit ihrem gesamten Geschütz, eine Kugel fuhr durch
das nicht sehr starke Mauerwerk der feindlichen Befestigung, setzte
das Pulver in Brand und die Besatzung rettete sich nur durch
schleunige Flucht. Da die Messungen ausreichende Tiefe auch
für die großen Schiffe ergaben, fuhr die gesamte Flotte in den
Meeresarm ein 2. Noch ein weiteres mit Artillerie bewehrtes
Festungswerk auf einem Uferfelsen vor dem Südende der Stadt
» Castanheda a. a. O., 1. II, c. 4 Anfang.
2 ebd., c. 4.
56
wurde niedergekämpft — >wir legten uns do für und schössen
mit grossem ernst dar yn und vertryben unser feynd«, heißt es
bei Sprenger^ — und dann gingen alle Schiffe im Hafen vor
'Anker, Die von den Arabern verwendeten Geschütze waren, wie
sich später herausstellte, aus dem in der Nähe von Mombasa am
12. Februar 1501 gestrandeten und von den Portugiesen selbst
verbrannten Schiff des Sancho de Tovar gehoben worden 2.
Nach kurzer Beratung mit den Kapitänen sandte der Vize-
könig im Boot Joäo da Nova mit dem einen von zwei einheimischen
Lotsen, die er aus Quiloa mitgenommen hatte, an Land um dem
arabischen Herrn der Stadt Botschaft zu überbringen, die ihm nur
zwischen freiwilliger Unterwerfung und Krieg die Wahl ließ. Als
das Boot sich dem Ufer näherte, rottete sich sofort ein bewaffneter
Volkshaufe zusammen; man ließ den Lotsen nicht zu Worte kommen,
schalt ihn einen Hund, der Schweinefleisch esse, schlimmer noch
als die Christen, weil er sie hergebracht, und drohte ihn in Stücke
zu hauen, wenn er es wage den Fuß aufs Land zu setzen. Joäo
da Nova kehrte unverrichteter Dinge an Bord zurück. Es galt
nun, bevor man den Angriff auf die volkreiche Stadt wagte — auf
10 000 Einwohner schätzt sie der Bericht von der »Rafael« — , über
die Streitkräfte und Absichten des Verteidigers Kunde zu erlangen.
Zu diesem Zweck schickte Almeida nach Einbruch der Nacht
Boote dem Ufer entlang aus mit dem Auftrag, wenn möglich,
einen Gefangenen einzubringen. Auf dieser nächtlichen Streife
erlebten die Portugiesen eine Überraschung: aus dem Dunkel des
Strandes wurde ihnen plötzlich in ihrer eigenen Sprache höhnisch
zugerufen, sie sollten machen, daß sie weiterkämen ; Mombasa sei
nicht Quiloa und sie sollten nicht glauben, daß sie hier Hühner
zu essen bekämen wie dort; wenn sie aber an Land gehen wollten,
so stehe die Mahlzeit für sie bereit. Auf Befragen erklärte der
Rufer, daß er Portugiese und aus Lissabon 3, 1502 vom Schiff
des Antonio do Campo, das zum Geschwader des Admirals Vasco
da Gama gehörte, desertiert und Muhamedaner geworden sei. Er
diente in Mombasa als Bombardier. Umsonst versprach man ihm
sicheres Geleil und Verzeihung, wenn er sich dem Vizekönig stelle;
er lehnte es ab. Immerhin machten die Portugiesen auf ihrer
1 Nach Barros, Dec. I, 1. VIII, c. 7 »dous cubelos cercados de pedra
ensofa, que adiante estavam com artilheria, a qua! obra despejou o
caminho de maneira, que naquelle dia, e no seguinte sondado o rio,
foram mettidas no porto todalas näos«.
2 Ramusio, Navigationi et viaggi, Venetia 1550, Bd. I, f. 138 r.
3 Mayr nennt ihn einen kastilianischen Christen (a. a. O., S. 141),
aber er weiß von der Sache nur durch Hörensagen, da »Rafael« erst
am 14. August in Mombasa ankam.
57
Streife einen glücklichen Fang: ein Diener aus dem königlichen
Hause selbst fiel ihnen in die Hände. Almeida versprach ihm
Leben und Freiheit, wenn er die Wahrheit sage, und erfuhr darauf,
daß in der Stadt außer etwas Artillerie 4000 streitbare Männer seien,
großenteils schwarze Sklaven, darunter 500 Bogenschützen', und daß
weitere 2000 Mann noch vom Festland erwartet würden, ferner,
daß man zum Widerstand bis aufs Äußerste entschlossen sei.
Der Vizekönig wußte nun, woran er war, und am 14. August
morgens berief er die Kapitäne um zu beraten, ob ein Angriff
auf die Stadt gewagt werden solle. Die Mehrzahl entschied sich
trotz ihrer Stärke und der Ungunst der Landungsverhältnisse im
Sinn Almeidas für einen solchen. Alsbald wurde nun von allen
Schiffen die Beschießung aufgenommen und vom Land kräftig
erwidert. Auf den Rat des Fernao Suares, Kapitäns der »Rafael«,
die erst an diesem Tag eintraf, beschloß Almeida nachmittags
größere Abteilungen zu landen, die an zwei Stellen die Stadt in
Brand setzen sollten um dem für den nächsten Morgen fest-
gesetzten allgemeinen Angriff vorzuarbeiten. Die Bauart von
Mombasa legte diesen Gedanken nah ; an fast jedes der massiven
Steinhäuser nämlich waren Lehmhütten mit Holzstangengerüst und
Palmblattbedachung angebaut, die als Ställe und Schuppen dienten
und rasche Verbreitung des Feuers versprachen. Die eine Landungs-
abteilung wurde dem Fernao Suares selbst unterstellt, das Kommando
der andern übertrug Almeida seinem Sohne D. Lourengo. Der erste
griff mit etwa 300 Mann, meist Büchsen- und Armbrustschützen
von »Lionarda«, »Rafael« und »Flor de la mar«, bei der Haupt-
landestelle in der Gegend des Zollhauses an, während D. Louren^o
mit Mannschaften von »Jeronimo«, »Botafogo« und dem Schiff
des Antäo Gon?alves (»Judia«) gegen den Teil der Stadt vorstieß,
in dem der Palast des Königs lag und der der stärkste war, weshalb
die Verteidiger hier einen Angriff am wenigsten erwarteten. Die
Flut begünstigte in der Nähe des Zollhauses das Herankommen
mit den Booten und, wiewohl man um die Portugiesen zu schrecken
am Strande zwei Elefanten hin- und hertrieb^, ein Hagel von Pfeilen
und Steinen ihnen entgegenflog und der Feind zähen und nach-
haltigen Widerstand leistete, erzwang Fernao Suares hier die
Landung; mit Hilfe von Pulvertöpfen wurde Feuer an einige der
Palmdachhütten gelegt und binnen kurzem brannte es derart, daß
1 So beziffert sie Castanheda a.a.O., I. II, c. 5; Barros gibt die
hohe Zahl von 1500 (Dec. I, 1. VIII, c. 7). Hans Mayr spricht von 500,
die nach Beendigung der Kämpfe in der Stadt den Palmenhain vor
derselben bewachten.
2 Q. U., S. 114.
58
nach Hans Mayr die Stadt e i n Feuer schien, und so fast die ganze
Nacht. Auch eine Menge Steinhäuser fielen den Flammen zum
Opfer und mit ihnen ging viel Reichtum zugrunde. Wie Fernäo
Suares hatte auch D. Lourengo seinen Zweck erreicht, aber zwei
Tote und, wie die andere Abteilung, eine Anzahl Verwundete
gehabt, darunter Joao Serrao, den Kapitän der »Botafogo«. Ein
Versuch der Portugiesen drei Schiffe von Cambaya, die bereits
entladen und am Strand aufgelegt waren, ebenfalls zu verbrennen,
wurde von den Feinden vereitelt. Trotz scharfen Nachdrängens der
Gegner erreichten indes alle Abteilungen ihre Boote und konnten
ohne weitere Verluste an Bord zurückkehren. In der Nacht, die
folgte, war Mondfinsternis.
Der allgemeine Angriff auf Mombasa wurde für den folgenden
Tag, Maria Himmelfahrt, den 1 5. August, angesetzt. Er sollte an
zwei Stellen zugleich unternommen werden, am Südende der Stadt,
wo auf der Höhe des Korallenfelsens über einer Landungsstelle
der Königspalast stand und wo, am nächsten der Hafeneinfahrt,
die Hauptmasse der Flotte, acht Segel stark, darunter das Flagg-
schiff »Jeronimo«, lag, und dann an der Hauptlandestelle, der
Ribeira, zu der acht steile Straßen herabführten, zwei davon mit
hohen Steintreppen und alle sehr eng. Den Sturm auf das Viertel
beim Königspalast behielt der Vizekönig sich selber vor, den An-
griff an der andern Stelle vom Tag zuvor übertrug er D. Lourengo,
zu dessen Abteilung diesmal die Mannschaft des Joäo da Nova,
Fernäo Suares und Diogo Correa, also auch Sprenger und Hans
Mayr gehörten, die Hauptmasse der portugiesischen Streitkräfte i.
> Strandes' Auffassung vom Hergang der Eroberung Mombasas
wird sich, obwohl auf eigene Anschauung der Örtlichkeiten gegründet,
doch kaum aufrechterhalten lassen; sie fußt hauptsächlich auf dem
Berichte des Barros, der sehr ausführlich, farbig und lebendig, aber im
Örtlichen unklar und unzutreffend ist, wie er denn in seiner nach Livia-
nischer Weise — daher der portugiesische Livius« — stilisierenden,
auf lückenlose Zusammenhänge, schöne und anschauliche Erzählung
ausgehenden schriftstellerischen Art mit dem Beiwerk überhaupt frei
verfährt. Auch verführt ihn (wie Livius) sein Erzählertalent und Streben,
das nationale Heldentum in hellstem Olanz erstrahlen zu lassen, zu
recht freier Behandlung der Tatsachen und lebhafter Ausschmückung.
Aus dem Berichte des Pero Fernandes Tinoco (a. a. O., S. 338), der
selbst zur Abteilung Almeidas gehört hatte und den das Topographische
überall besonders interessiert — man bekommt den Eindruck, daß er
Pläne gefertigt hat — , der ferner die Stadt der Länge und Breite nach
abgegangen (»julgo . . . do que vi amdandoa toda de comprido e de
largo«) und sich vom flachen Dach des Königspalastes aus ein Bild von
ihr verschafft hat ( a fora sobyr me [ao eirajdo das casas delrei <), ergibt
sich, daß Almeida bei den »tasas delrei« am Ende der Stadt ein- und
59
Da ein Ufervorsprung verhinderte, daß auf D. Lourengos Landungs-
booten Flaggensignale Alnieidas gesehen werden konnten, so wurde
verabredet, daß auf einen Bombardenschuß von der »Jeronimo«
beide Abteilungen an Land gehen und sich von zwei Seiten nach
dem Königspalast durcharbeiten sollten. Bei schwerster Strafe
wurde wegen der für die Gesamtheit damit verbundenen Gefahr
verboten, daß irgend jemand, bevor die Stadt völlig vom Feinde
gesäubert sei, zum Zweck des Raubes ein Haus betrete, dagegen
versprochen, daß sie nach Vertreibung des Gegners zur Plünderung
preisgegeben werden sollte.
Am 15. August, zwei Stunden vor Tagesanbruch, gingen alle,
nachdem sie sich gerüstet, die Absolution empfangen und gefrüh-
stückt hatten, in die Boote und legten, den Tag erwartend, bei
Flut nahe dem Ufer bei, das vom Flammenschein der Brände
noch immer erhellt, unheimlich menschenleer und verlassen vor
ihnen lag. Der Feind hatte sich ins Innere der Stadt zurück-
gezogen, seine Hauptmasse in den Teil, wo D. Lourenqos Angriff
zu erwarten war. Sobald es hell wurde, .dröhnte von der »Jero-
nimo« der Signalschuß herüber, die Boote stießen an Land und
beide Abteilungen konnten, ohne Widerstand zu finden, den Ufer-
streifen besetzen. Die des Vizekönigs führte der Diener des ara-
bischen Herrschers, der am ersten Abend gefangen worden war.
Ohne nennenswerte Käm.pfe gelangte dieselbe bis in die Nähe
des Königspalastes. Dort erst machten die Almeida gegenüber-
stehenden Feinde einen ernstlichen Versuch ihm den Weg dahin
zu verlegen ; allein wiederum bewährte sich die Überlegenheit der
Bewaffnung und die stürmische Tapferkeit der Portugiesen: der
Gegner wurde unter beträchtlichen Verlusten an Toten verjagt,
ohne daß Älmeida auch nur einen Verwundeten hatte, und der
Palast ohne Gegenwehr besetzt. Auf seinem Stadt und Insel weit-
hin überschauenden flachen Dach pflanzte mit dem Ruf »Portugal,
Portugal!« Femao Bermudes, den Almeida mit Ruy Freire zur
Bewachung zurückließ, kurz danach die königliche Fahne von
weißem Damast auf, mit dem Kreuz des Christusordens in karmesin-
farbenem Atlas. Der König von Mombasa war aus der Stadt
nicht von Norden oder Westen, wo doch auch die Stadtmauer zu über-
winden gewesen wäre, und durch größere Teile der Stadt zum Königs-
palast vorgedrungen ist und daß die Stelle, wo er eindrang (por houtro
porto que estä da parte das casas delrei de bombaca), noch stärker von
Natur war als diejenige, an der D. Lourengo angriff. Dazu stimmt,
daß nach Barros der Palast auf dem höchsten Punkte der Stadt lag, also
wohl sicher, wie Strandes vermutet, an der Stelle, die seit dem Schluß
des lö.Jahrhunderts die portugiesische Feste Jesus einnahm. Demnach
hat der Vizekönig am Südende vom Strand aus gestürmt.
60
geflüchtet und einige 60 Araber, in reiche Mäntel und Turbane
gekleidet, sah man, während Almeida noch ein paar benachbarte
Straßen vom Feind säuberte, dieselbe gleichfalls verlassen und ohne
sonderliche Eile die Richtung auf ein Palmenwäldchen nehmen,
wohin sich, wie man hörte, auch der König begeben und die
nicht wehrfähige oder aus der Stadt hinausgedrängte Bevölkerung
sich zurückgezogen hatte.
Schwere Kämpfe mußte die Landungsabteilung D. Louren?os
bestehen. In guter Ordnung hatte sie, voran die Büchsen- und
Armbrustschützen, den unteren, nicht bebauten Teil des steilen
Uferhanges erstiegen und zwischen den Ruinen von ein paar
während der Nacht verbrannten und verlassenen Häusern hindurch
die vom Hafen steil emporführenden Gassen betreten. Zunächst
war der Widerstand hier nur schwach; je weiter man aber ins
Stadtinnere drang, wo die Häuser dreistöckig wurden, um so
heftigere Kämpfe entwickelten sich. Männer und Weiber, Araber
und Neger nahmen auf feindlicher Seite daran teil. Aus den
Fenstern wie von den flachen Dächern herab prasselten Steine,
Pfeile, Assagaie und Wurflanzen auf die Angreifer herab. Ihre
Büchsenschützen kamen bei der Enge der Straßen und dem Ge-
dränge nur schwer zum Schuß; verwendbarer erwiesen sich die
Armbrustschützen, deren Bolzen gar manchen am Fenster oder
auf der Dachaltane sichtbar werdenden Feind ereilten. Nur äußerst
langsam gewannen die Portugiesen Boden. Die Gassen waren so
eng, daß nicht mehr als zwei nebeneinander darin gehen konnten,
und wurden noch weiter durch Steinbänke verschmälert, die vor
fast jedem Haus standen. Das hatte allerdings auch Vorteile für die
Stürmenden; denn die Steine, die von den Dächern auf sie ge-
schleudert wurden, schlugen, da die Werfenden sich vor den Arm-
brustschützen in Deckung zu halten suchten, fast alle zuerst an
die Wand des gegenüberliegenden Hauses an, wodurch die Wucht
des Wurfes abgeschwächt wurde. Zudem bot sich unter den zahl-
reichen Baikonen, die über die Straße vorsprangen, Deckung gegen
die feindlichen Geschosse und sicherer Stand für die portugiesischen
Schützen. Es erwies sich nötig, trotz Almeidas Anordnung, in
einzelne Häuser einzudringen, von denen besonders hartnäckige
Gegenwehr geleistet wurde. Die Verfolgung der daraus fliehenden
Feinde und das erste Vordringen in engem Straßenzug ging in
einzelnen Fällen über die flachen Dächer hin ; nur Schritt für Schritt
und unter schweren Verlusten räumte der Verteidiger die einzelnen
Viertel und flüchteten die Überlebenden aus der Stadt. In einer
zäh gehaltenen engen Gasse brachte er eine alte Wand zum Ein-
sturz, trennte dadurch die Abteilungen des D. Lourenqo, der die
Spitze hielt, und des Joäo da Nova und verursachte unter den
61
Nachdrängenden eine Stauung, die bei der drangvollen Enge und
dem Schießen von Fenstern und Dächern herab leicht zu schweren
Verlusten hätte führen können; doch gelang es auch hier durch
Eindringen in ein Haus und Besetzung der nächsten Dächer von
oben her Luft zu schaffen und zum Königspalaste durchzudringen,
von dem bei D. Lourengos Ankunft bereits die portugiesische
Fahne wehte. Nun brach man gemeinsam noch den letzten, ver-
einzelten Widerstand und am Mittag war die ganze Stadt in den
Händen der Portugiesen. Sprenger schließt seine knappe Schil-
derung der Erstürmung von Mombasa mit den Worten: »Also:
wo es nit sunderlich gottes wil gewessen onmuglich das wir in
der stat hetten mögen blieben. Aber durch gottes verhengknis
unn fursehung bleib manicher heyd tod, und der unsern wurden
nit mer dan zwen umb ir leben bracht. Wir eroberten unn be-
hielten die stat mit grosser frolockung und dancksagung got dem
almechtigen.«
Nun galt es sich gegen Überraschung von außen sicherzu-
stellen; denn in geringer Entfernung von der Stadt hatte der
arabische Fürst sich mit immer noch beträchtlicher Streitmacht
verschanzt; ein Angriff aber auf die mit gut 500 Bogenschützen
allein besetzte Stellung lag nicht in Almeidas Absicht. Es wurden
also die nach dieser Seite ausmündenden Straßen durch Wachen
gesichert, dann die Stadt in Quartiere eingeteilt und zur Vermei-
dung von Streitigkeiten je eins davon jeder Schiffsmannschaft zur
Plünderung überwiesen, wobei noch viele Bewohner in ihren
Häusern versteckt aufgefunden und teils getötet teils gefangen
wurden. Der Befehl lautete, daß alle Beute auf den Schiffen ab-
geliefert und gesammelt werden sollte um dann später versteigert
zu werden. Ein Versuch des Königs in persönliche Verhandlungen
mit Almeida zu treten scheiterte daran, daß der letztere die ver-
langten Geiseln zu stellen verweigerte und seine ehrenwörtliche
Zusage sicheren Geleits für ausreichende Bürgschaft erklärte. Den
ganzen Nachmittag dauerte die Plünderung der Stadt. Im könig-
lichen Palast zwar fand man die erwarteten Reichtümer nicht und
eine unserer Quellen' läßt durchblicken, daß nicht die flüchtigen
Araber sie mitgenommen hätten, aber im übrigen wurden, außer
großen Mengen indischer Baumwollstoffe aus Cambaya, in die sich
die ganze ostafrikanische Küste kleidete, kostbare Seiden- und Gold-
stoffe, persische Teppiche und prächtige Satteldecken, Gold, Silber,
Perien und Edelsteine, Elfenbein und Ambergris erbeutet und die
Lebensmittel Vorräte der Schiffe in willkommenster Weise durch Reis
und Hirse, Butter und Honig sowie durch Kamel- und Schaffleisch
Castanheda a. a. O., 1. II, c. 6.
62
ergänzt. Das in der Stadt vorhandene, durchweg eiserne Geschütz
fiel ebenfalls in die Hände der Sieger. Seinen Bericht über die
Plünderung Mombasas schließt Sprenger mit den Worten: »Unn
funden so groß gut wie vorangezeigt das mir alles zuoffenbaren
onmuglich: got sey ewig lob ere und glori amen.«
Für die Nacht zog Almeida alle seine Leute aus der Stadt
zurück; denn es bedurfte bei der Nähe des ortskundigen Feindes
äußerster Wachsamkeit; bei der Ermüdung der Mannschaft aber
war zu befürchten, daß sie sich in den Häusern allzu sorglos dem
Schlaf hingeben würde. So wurden sie im Freien, einen Büchsen-
schuß weit von dem Palmenwäldchen, worin der Feind stand,
die Nacht hindurch wach und in Bereitschaft gehalten und am
nächsten Tag, dem 16. August, Samstag, die Plünderung bis zum
Abend fortgesetzt, die Beute auf die Schiffe gebracht und dann
die Stadt von neuem angezündet, während die Portugiesen sich
in guter Ordnung und unbelästigt vom Feind auf die Schiffe
zurückzogen. »Trotzdeln«, so heißt es in dem Bericht von der
»Rafael«, »waren die Christen noch nicht recht zum einen Tor
hinaus, da kamen schon die Mauren durch ein anderes herein
um ihr Unglück zu sehen : es lag da in den Gassen und Häusern
viel Volks tot; man sagte, daß es 1500 waren.« Die schönste
und volkreichste Stadt der ostafrikanischen Küste, Quiloa an Ein-
wohnerzahl, Handelsverkehr und Reichtum weit überlegen, lag
zum großen Teil in Trümmern. Von den Gefangenen, deren Zahl
ziemlich hoch gewesen zu sein scheint, hatte man notgedrungen
die Frauen und Kinder freigelassen, die kräftigen Männer wurden
nach Indien mitgenommen um dort als Ruderer auf den Galeeren
einem elenden Sklavenlos zu verfallen. Von der Größe des Un-
glücks zeugt ein Brief, den der König von Mombasa gleich nach
der Katastrophe an den arabischen Herrscher von Melinde schrieb
und den uns in seinem Wortlaut der Bericht von der »Rafael«
erhalten hat. Er lautet:
»Gott erhalte dich, Cyd Ale (Said Ali)! Ich tue dir kund
und zu wissen, daß hier ein großer Herr vorbeigekommen ist,
der flammend in Feuer kam. Er fiel in meine Stadt mit solcher
Macht und Grausamkeit, daß er niemand das Leben schenkte,
weder Mann noch Frau, weder Jüngling noch Greis noch Kind,
mochf es auch noch so klein sein. Es entgingen ihm nur, die
vor seiner Wut sich flüchteten. Nicht nur die Menschen erschlugen
sie und brannten, sondern die Vögel des Himmels schössen sie
zur Erde herunter. So groß ist der Gestank der Leichen in meiner
Stadt, daß ich nicht wage sie zu betreten. Sie wären nicht im-
stande dir die Ungeheuern Reichtümer anzugeben und Rechnung
darüber abzulegen, die sie von dieser Stadt fortführen. Ich begnüge
63
mich damit dir diese traurigen Nachrichten zu geben, damit du
dich sicherstellst«
Die Gesamtverluste der Portugiesen bei und in Mombasa gibt
der Bericht von der »Rafael« und mit ihm übereinstimmend die
Historiker Castanheda und Goes auf 5 Tote und viele Verwundete
an'. Zu den Toten kam am 27. August^ noch Femao d'E^ (oder
de Sä), der Kapitän des Admiralschiffes, der einem Pfeilschuß durch
die große Zehe bald nach der Abfahrt von Mombasa eriag. Er war
erst kurz vor Abfahrt der Flotte von Lissabon aus marokkanischer
Gefangenschaft in die Heimat zurückgekehrt 3. Das Geschoß soll
vergiftet gewesen sein. Von diesen angeblich vergifteten Pfeilen
der schwarzen Bogenschützen hatten die einen Eisen-, die andern
an den Schaft angesetzte, in Feuer gehärtete Holzspitze. Die Wunden,
die von den ersteren herrührten, sollen schlimmer ausgesehen haben,
aber harmloser gewesen sein, die der andern sollen sich als gefähr-
lich erwiesen haben, doch vermochte man nicht zu erfahren, ob
die Wirkung auf Bestreichen mit Pfeilgift beruhte oder ob das
Holz selber giftige Eigenschaften hatte. Behandelt wurden die
Wunden, und angeblich erfolgreich, indem man Speckstückchen
hineinlegte und immer erneuerte, ein Verfahren, das ein Kriegs-
gefangener von Quiloa dem Vizekönig empfohlen haben soll.
Sobald die Einschiffung von Beute und Mannschaft beendigt
war, befahl Almeida die Anker zu lichten ; der geplante Festungs-
bau auf Anjediva verlangte Zeit, und Cochin mußte vor dem Monsun-
wechsel erreicht werden. Aber die Windverhältnisse erwiesen sich
als ungünstig, die Beschaffenheit des Hafeneingangs als gefährlich
für die Ausfahrt"*. Man war genötigt sofort von neuem die Anker
auszuwerfen und an so seichter Stelle, daß sie bei Ebbe auf dem
Trockenen lagen. Zwei Tage später, am 18. August, wurde ein
neuer Versuch gemacht trotz Gegenwind die offene See zu
gewinnen, aber auf der Außenreede lief die »Lionarda« infolge
ungestümen Windes nahe dem von Gonqalo de Paiva zerstörten
Bollwerk auf und verlor das Steuer, das man trotz eifrigen Suchens
nicht mehr fand. Sie schien verloren und der größte Teil der
Besatzung wurde von andern Fahrzeugen aufgenommen. Die ganze
1 Mit dieser Gesamtzahl steht Sprengers Angabe nicht in Wider-
spruch: er rechnet nur die beim Sturm Gefallenen; Barros gibt nur
4 Tote einschließlich des Fernao d'E?a und über 70 Verwundete, Correa
wie gewöhnlich eine viel zu hohe Zahl.
2 Goes, Chron., p. II, c. 3.
3 Barros, Dec. I, 1. VIII, c 8.
* Almeida schreibt in dem Bericht von Cochin, 16. Dezember 1505
(Torre do Tonibo, gav. 20, ma?o 10, n. 33) : (Mombasa) nom he tam boo
porto, he periguoso para sair .
64
Nacht saß das Schiff fest und dann trieb es in der Frühe die
Flut wieder zurück vor die Stadt. Sollte es gerettet werden, so
mußte man ihm ein neues Steuer schaffen, aber dazu fehlte das
Material. So verfiel man auf den Ausweg, daß jedes der an-
wesenden Schiffe ein Stück von dem seinen hergeben mußte. Am
2 1 . hatten die Zimmerleute das neue Ruder fertig, aber nun machte
seine Anbringung sehr erhebliche Schwierigkeiten, weil man das
Fahrzeug nicht überholen konnte. In der Nacht zum 22., bei
Fackelschein, gelang auch diese Arbeit ^ und am 23. August wurde
die »Lionarda« von den Booten ins offene Meer hinausgeschleppt.
Zum zweitenmal war das deutsch-italienische Handelskonsortium
vor schwerem Verlust bewahrt geblieben.
Inzwischen hatte sich zu den elf Segeln, mit denen Almeida
vor Mombasa angekommen war, ein zwölftes gesellt: die »Gabriel«
vom zweiten Geschwader, Kapitän Vasco Gomes d'Abreu, war
dort am 20. August eingelaufen. In schwerem Sturm war ihr unter-
wegs die Spitze des Hauptmastes mit dem Mastkorb abgebrochen
worden und herabgestürzt, ohne daß drei Seeleute, die sich gerade
im Mastkorb befanden, dabei Schaden genommen hätten. Von
den übrigen Schiffen des zweiten Geschwaders wußte die »Gabriel«
schon länger nichts mehr; es war durch Sturm getrennt worden.
Während für die »Lionarda« das neue Ruder gezimmert wurde,
hatte Almeida sieben Schiffe nach Melinde vorausgesandt^, er selbst
fuhr mit den fünf zurückgebliebenen am 23. August von Mombasa
ab, trieb aber infolge der Strömungen an Melinde vorüber und
vereinigte sich dann in der S. Helena-Bucht, fünf Leguas weiter
nördlich, der heutigen Ungama- oder Formosa-Bai, wo er am 24.
ankam, mit dem vorausgesandten Teil der Flotte, der unterdes in
Melinde Hammel, Hühner und andere Lebensmittel sowie frisches
Wasser eingenommen hatte^. Unterwegs war die »Lionarda«, das
Unglücksschiff, wieder mit einem andern Fahrzeug zusammen-
gestoßen, wobei ihr der eine Flügel eines Ankers zerbrochen
wurde, doch waren ohne weitern Schaden beide von einander los-
gekommen. In der S. Helena -Bucht waren einzeln schon vor
Almeida zwei weitere Schiffe des zweiten Geschwaders angekommen,
die Melinde ebenfalls verfehlt hatten, nämlich die Karavellen des
Joäo Homem und des Lopo Chanoca. Die letztere war aber um
> Almeida a.a.O.: >foy necesario fazerlhe outro (governalho) a
apalpadelas porque a nom podiamos poer em monte e metemos Iho
de noite as tochas que foy grande mercee que me nosso senhor fez
porque parecia empossivell«.
2 Almeida a.a.O. und Sprenger in Q. U., S. 115.
3 Caspar da Oama a. a. O., S. 201.
65
Wasser und Lebensmittel einzunehmen nach Meh'nde zurückge-
fahren, Joäo Hörnern hatte sein Schiff in der Bucht zurückgelassen
und sich persönhch" zum gleichen Zweck über Land dahin begeben.
Von dem Schicksal der übrigen Fahrzeuge ihres Geschwaders
wußten seine Leute wenig zu melden. Ein Sturm hatte sie, schon
lange bevor der Meridian des Kaps erreicht war, nächtlicherweile
von den andern getrennt und seitdem hatten sie ihren Weg allein
gemacht. Leichtsinn und bequemes Gehenlassen ihres Führers hatte
unterwegs um ein Haar Mannschaft und Fahrzeug zugrunde gerichtet.
Jo3o Homem war ein echter Ritter, der auf Gott und sein gutes
Schwert vertraute, sein Element der Kampf, und hier stand er ohne
Furcht und Tadel seinen Mann ; aber um die Autorität des Kapitäns
zu wahren fehlten ihm so ziemlich alle Eigenschaften; er hatte bei
seiner schnurrigen Art auch offenbar gar keine Lust dazu. Leben und
leben lassen war sein Grundsatz. Von Haus aus arm, brachte er
das Wenige, was der Dienst des Königs ihm eintrug, in lustigen
Gelagen mit Soldaten und Seeleuten durch. Vorauszudenken und
zu sorgen, sich und andere in Zucht zu halten war seine Sache
nicht Die Instruktion Almeidas befahl, daß auf jedem Schiff Schlüssel
zu den Wasser- und Lebensmittelkammem nur in den Händen des
Kapitäns und des von ihm bestellten Proviantmeisters sein und
ohne Befehl des Kapitäns niemand die Kammern sollte betreten
dürfen. Am Ende jedes Monats sollte festgestellt werden, was
verbraucht sei und wieweit das Vorhandene noch reiche, damit,
wenn nötig, zu rechter Zeit unterwegs die Vorräte ergänzt würden.
Von den Vorschriften über die V^erteilung des Weins war schon
früher die Rede. Joao Homem aber hatte gleich bei ^r Ausfahrt
aus dem Tejo seinen Leuten erklärt, daß er nicht daran denke den
Proviantmeister zu machen, und alles,, was von Lebensmitteln ver-
teilt werden konnte, sogleich an die Mannschaften ausgeben lassen;
es solle jeder selbst seinen Anteil verwahren ; Wasser und Wein
könnten sie sich holen, wann sie wollten. Es war dann so ge-
kommen, wie es kommen mußte; man war schätzungsweise noch
450 Leguas vom Kap entfernt, da erschienen eines Tages der Schiffs-
und Proviantmeister in der Kajüte des Kapitäns und meldeten unter
Tränen, daß dank seiner Freigebigkeit auf der Karavelle nur noch
ein halbes Faß Wasser vorhanden sei. Seine Antwort auf diese
niederschmetternde Eröffnung hat es verdient, daß sie der Nach-
welt erhalten geblieben ist. »Schurken«, fuhr er die beiden an,
»glaubt ihr so wenig an U. L. Frau dort?« — er zeigte dabei auf
ein Bild der Madonna im Rosenkranz, für das er große Verehrung
hegte — »glaubt ihr nicht, daß sie euch Wasser und Brot und
^ Gaspar da Gama a. a. O., S. 201.
Hümmerich, Deutsche Handelsfalirt nach Indien.
66
Gold und Silber geben wird? Kein Wort weiter! Sie wird uns
geben, was wir zum Leben brauchen.« Und wirklich, der Himmel
hatte ein Einsehen : am folgenden Tag stieg in der Morgenfrühe eine
der unbewohnten, bis dahin noch nicht entdeckten Felsinseln von
Tristäo da Cunha auf und es gelang die Karavelle mit Wasser und
Holz frisch zu versehen, Fische die Menge im Netz zu fangen, eine
reiche Beute von Seevögeln und Robben einzubringen und so einen
Salzfleischvorrat zu schaffen, der bis Quiloa reichte. Lebensmittel für
die weitere Reise hatte die Karavelle dann noch in Sansibar erhalten,
wo die Kunde von der Eroberung Quiloas die Bevölkerung einge-
schüchtert und gefügig gemacht hatte'.
Da Gegenwind dem Vizekönig nicht gestattete den portugiesen-
freundlichen Herrscher von Melinde persönlich zu besuchen, sandte
er die Kapitäne von »Lionarda« und »Rafael« im Boote dorthin ihm
Geschenke König Manuels zu überbringen, von denen eines ein
kostbarer goldener Becher war. Der Scheich zeigte sich erfreut über
die Zerstörung von Mombasa und sandte reichlich Erfrischungen
nach der S. Helena-Bucht. Mit Diogo Correa und Fernäo Suares
kamen dann auch Joäo Homem und Lopo Chanoca dorthin zurück.
In der Bucht selber, die 1502 Vasco da Gama auf seiner zweiten
Indienfahrt angelaufen, aber vergebens nach Trinkwasser abgesucht
hatte, entdeckten Almeidas Sohn und Lourengo de Brito einen sehr
alten Brunnen, der gereinigt wurde und alsbald sehr gutes, für die
ganze Flotte ausreichendes Wasser gab^. Auch Holz und Fleisch
wurden eingenommen. Almeidas Absicht war gewesen auch dem
starken und reichen Mukdischu (2° 20' n. Br. 45° 25' ö. L.) an der
Somaliküst^die Macht Portugals vor Augen zu führen, aber sie wurde
aufgegeben, einerseits wegen der ungünstigen Landungsverhältnisse
der Stadt, anderseits, weil man fürchten mußte, den Monsun zu ver-
säumen. Mittwoch den 27. August fuhr die Flotte, nun wieder elf
größere und kleinere Schiffe und drei Karavellen stark, mit Kurs
nach Indien von der S. Helena-Bucht ab und durchquerte, zum
zweitenmal den Äquator kreuzend, bei günstigem Wind und ohne
Zwischenfälle in siebzehn Tagen den »Golf von Mekka«, d. h, den
nördlichen Indischen Ozean zwischen dem Somaliland, der Südküste
Arabiens und dem westlichen Gestade Vorderindiens. Drei Tage
bevor das letztere erreicht wurde, sah man von den Schiffen aus in
' Über Joao Homem und seine Fahrt vgl. den Bericht von der
»Rafael« in Q. U., S. 144; Castanheda a.a.O., 1. II, c. 8; Barros, Dec. I,
1. IX, c. 4; Correa, Lendas, Bd. 1, S. 580. Auch Vasco Gomes d' Abreu
hatte, wie es scheint, Tristao da Cunha berührt: vgl. den Bericht des
Pero Quaresma an König Manuel vom 31. August 1506 aus Mo^ambique
in Alguns Documentos, S. 147 ff. und Q. U., S. 144 Anm. 47.
2 Almeida a. a. O.
67
großen Mengen rote, nicht sehr große Krebse an der Oberfläche des
Meeres schwimmen, das damals bereits bekannte erste Zeichen der
Landnähe, und dreißig Leguas weiter wurden schlanke, gefleckte
Schlangen, die größten eine Elle lang, in der See sichtbar, irgend
eine Gattung der Hydrophiinae ^ Am 1 2. September wurde auf der
»Lionarda« Land gesichtet — es war die Küste südlich von Goa —
und am folgenden Tag trafen elf Schiffe, darunter die drei deutschen,
drei Tage später die übrigen bei ihrem nächsten Ziel ein, dem
Hauptinselchen der Anjediva- (Fünfinsel-) Gruppe auf 14" 45' n. Br.,
740 5' ö. L.
VI. Anjediva, Onor, Cananor
und der Portugiegenmord in Couläo.
Knapp 1 V2 km lang und weniger als V2 km breit, steigt
etwas südlich vom Carwar- Vorgebirge die Insel steil aus der See auf;
doch bietet an der Nordküste ein flacher Strand einen bequemen,
gegen Wind und Wellen geschützten Anlegeplatz 2. Alsbald nach
der Landung besichtigte der Vizekönig mit den kriegserfahrensten
Edelleuten und sonstigen Sachverständigen das Gelände um den
geeignetsten Platz für die geplante Festung ausfindig zu machen und
fand die Niederungen wie die Höhen, deren es eine größere und
zwei kleine gab, dicht bewachsen mit Gras und immergrünen Busch-
und Baumbeständen ; auch fließendes Wasser fehlte nicht. Am Fest-
land gegenüber, nur wenige Kilometer nördlich, sah man stattliche
Berge bis zu 600 m nah am Meer aufsteigen und weiter am Horizont
zog sich von Nord nach Süd die blaue Höhenlinie der Ghat hin.
Die Insel war unbewohnt, doch zeugten die Ruinen eines aus großen
Bruchsteinen aufgeführten alten Tempels nahe der Landungsstelle,
den schon der arabische Reisende Ibn Batuta (1345) gesehen zu
haben scheint 3, und zwei gleichfalls mit Haustein sorgfältig aus-
gemauerte Wasserbehälter, von denen der eine zu dem Tempel ge-
hörte und groß und tief genug war, daß ein Schiff von 400 Tonnen
darin hätte schwimmen können, von einer Zeit, in der Anjediva
bewohnt gewesen war. Trefflichen Baustein und Lehm bot die Insel
selber, Kalk hatte die Flotte von Quiloa mitgebracht.
Am Tage nach der Ankunft, Sonntag, begann man sogleich mit
dem Bau der Festung. Sie wurde z. T. auf den Grundmauern des
» Q. U., S. 47, 116, 144.
* A Journal of the first voyage of Vasco da Gama 1497—99, transl.
and edited by E. G. Ravenstein, London 1893, S. 80 und Karte 4.
3 Yule and Bumell, Hobson-Jobson, London 1903, S. 28.
5*
68
alten Tempels errichtet. In seiner unmittelbaren Nähe hatte man auch
einen Brunnen gefunden, der sie mit Trinkwasser versehen konnte,
und die Ufergewässer erwiesen sich als reich an Fischen und
Muscheln, was für die Versorgung der künftigen Feste gleichfalls
nicht ohne Belang war. Der Vizekönig selber legte den Grundstein,
die Schiffsartillerie gab festliche Salven ab, die Trompeten erklangen
und dann stimmte die im Chorhemd amtierende Geistlichkeit das
Te deum laudamus an, daß es feierlich über die einsame Insel tönte.
Bald nachdem die Arbeit begonnen hatte, an der wiederum in regel-
mäßigem Wechsel alle verfügbaren Arme beteiligt waren, vermehrte
sich in willkommener Weise deren Zahl : am 24. September trafen
vom zweiten Geschwader das Schiff des Bastiao de Sousa und mit
ihm der künftige Kommandant der Festung, Manuel Paganha, ein
sowie die Karavelle des Antäo Vaz. Die des Gongalo Vaz de Goes
hatte Paganha als Stationsschiff instruktionsgemäß in Quiloa zurück-
gelassen; von Lucas da Fonseca und Lopo Sanchez, die auf der
stürmereichen Fahrt von ihm getrennt worden waren, hatte er keine
Kunde mehr erhalten. Der erstgenannte kam erst nach ihm, zu spät
um noch die Fahrt nach Indien machen zu können, in Mogambique
an und mußte dort überwintern, d.h. den Monsun abwarten. Lopo
Sanchez aber war genötigt gewesen sein leck gewordenes Schiff
40 Leguas südlich vom Kap Corrientes^ auflaufen zu lassen und mit
der Besatzung in die Boote zu gehen, die dann bis auf wenige Mann
teils an der Küste, wo sie Rettung gesucht, teils wie er selber im
Meere den Tod fand. Mit diesem Schiff ging das Material von einer
der drei Brigantinen verloren, die in Quiloa, Anjediva und Cochin
zusammengesetzt werden sollten. Von ihnen hatte man die eine
instruktionsgemäß in Quiloa gelassen ; der Bau der zweiten, für die
indische Inselfeste bestimmten Brigantine sowie der gleichfalls für
Anjediva in Stücken mitgenommenen Galeere von 1 20 Rudern war
neben dem der Festung von Almeida sofort nach der Ankunft auf
der Insel in Angriff genommen und, um die nötige Rudermannschaft
für beide Fahrzeuge zu beschaffen, Lopo Chanoca und Gongalo de
Paiva mit ihren Karavellen zur Jagd auf muhamedanische Schiffe aus-
gesandt worden. Beide Kapitäne trafen in der Tat schon am 26. Sep-
tember mit erbeuteten Sambuken und vielen Gefangenen ein ; auch
von den Arabern und Negern, die bei der Eroberung von Mombasa
in die Hände der Portugiesen gefallen waren, mag ein Teil auf den
zwei Ruderschiffen Verwendung gefunden haben. Zum Kapitän der
neuen Galeere wurde JoäoSerrao ernannt. Seine Aufgabe war Wacht-
dienst entlang der Küste und Unterdrückung des hier blühenden,
hauptsächlich von Muhamedanern betriebenen Seeraubs, Kaperung
J Barros, Dec. I, 1. IX, c. 6.
69
der ohne portugiesischen Paß fahrenden Schiffe und möghchste
Unterbindung des arabischen Handels, der bisher an Anjediva vor-
über seinen Weg- genommen hatte. Scharfer Auslug wurde nach
drei Schiffen von Mekka gehalten, die im Lauf des September auf
der Fahrt nach Calicut über Anjediva kommen und außer wert-
voller Ladung weißes Kriegsvolk an Bord haben sollten, das der
Samorin von Calicut angeblich vom Mamelukensultan erbeten
hatte. Diese Nachricht war Almeida gleich bei seiner Ankunft
durch einen indischen Kurier (Pattamar) zugegangen, den Gongalo
Gil Barbosa, der portugiesische Handelsagent in Cananor, mit Briefen
für die zu erwartende Flotte dorthin entsandt hatte. Er meldete
zugleich, daß in Cananor, Cochin und Coulao 20 000 Quintal
Spezereien zum Verladen bereit seien. Der Vizekönig seinerseits
hatte Joao Homem mit der Karavelle »St. Georg« abgeschickt
um an den genannten Orten die Ankunft der großen Flotte anzu-
kündigen und Weisung zu überbringen, daß alle Vorbereitungen
getroffen werden sollten um rasche Abfertigung der Gewürzschiffe
zu ermöglichen. Die drei Fahrzeuge von Mekka abzufangen gelang
nicht; sie haben um den portugiesischen Kreuzern zu entgehen
ihren Weg offenbar auf hoher See gemacht; jedenfalls brachte
schon am 26. September einer der schnellen malabarischen Cature,
schmaler Einbäume von 60 — 80 Fuß Länge mit Segel und Ruder-
vorrichtungi, von Cananor die Meldung, daß eines davon in Calicut
mit vier venezianischen Geschützgießern an Bord angekommen
war, die der Mamelukensultan dem Samorin schickte.
Die Bewohner des nahen Festlandes waren dunkelfarbige,
heidnische Inder und Untertanen des Rajas der in südöstlicher
Richtung acht Leguas entfernten Hafenstadt Onor (Honäwar, 14 ^
17' n. Br., 74° 27' ö. L.) in Nord-Canara. Dieser selbst stand in
Abhängigkeitsverhältnis zu dem Herrscher des mächtigen süd-
indischen Binnenreiches von Vijayanagar (Bisnagar), das die Portu-
giesen nach dem damals gerade regierenden Fürsten (Narasinha)
auch Narsinga nannten. Die nördliche Grenze des letzteren an
der Küste bildete die meerbusenartig erweiterte Mündung des beim
Carwar-Vorgebirge sich ins Meer ergießenden Kalipadi-Flusses,
des Rio Ligua oder Aliga der Portugiesen. Am Nordufer des
Kalipadi begann das große Reich der muhamedanischen Bahmani-
Dynastie, Dekan, genauer die damals von den dekanischen Sultanen
fast unabhängige Herrschaft Bijapur (Vijayapura) des Yusuf Adil
Schah in Goa. Seine Grenzfeste Cintacora lag auf einer ziemlich
steilen Anhöhe am Nordufer des Kalipadi 2, Da es für die Portugiesen
• Lodovico di Varthema ed. Badger, London 1863, S. 154 und Yule
and Bumell, Hobson — Jobson s. v. Catur.
2 Q. U., S. 145 f.
70
von Wichtigkeit war die Nachbarschaft ihres neuen Stützpuni<tes
an der Küste kennen zu lernen, unternahm D. Lourengo mit
Joao da Nova und andern Kapitänen dorthin eine Erkundungs-
fahrt in Booten, wobei er lotend, zum Zeichen des Friedens eine
weiße Flagge zeigend, in die Kalipadi-Mündung einfuhr. Man
fand als Besatzung von Cintacora etwa 1000 Mann, darunter viel
»weiße Mauren«, wohl bewaffnet mit Schwertern, Bogen, Parti-
sanen und großen, runden Schilden, durchweg untadelige Leute.
Die »weißen Mauren« gehörten offenbar zu dem zahlreichen fremden
Kriegsvolk des Adil Schah, Arabern, Türken, Persern, die er neben
einzelnen levantinischen Renegaten in seinem Dienst hatte ; Gaspar
da Gama hatte als sein Kaperkapitän zu diesen wenigen Abend-
ländern gehört. Die Feste selbst war mit kleinen Bombarden aus-
gerüstet, womit man die Besatzung schießen sah. Der Kommandant
traf mit D. Lourengo ohne ihn zu kennen friedliche Vereinbarungen,
sandte dann dem Vizekönig selber Geschenke in Lebensmitteln und
ließ sagen, daß er, wenn die Portugiesen Handelsbeziehungen anzu-
knüpfen wünschten, ihnen außer Lebensmitteln Rubinen und
Diamanten anbieten könne. Almeida bestätigte die Abmachungen
seines Sohnes und sicherte dem Handel freies Geleit zu.
Der Bau der Festung schritt inzwischen rüstig vorwärts, um
so mehr, als Almeida durch Gegenwind und Sturm 33 Tage auf
der Insel festgehalten wurde. Mitte Oktober war der Hauptturm
auf zwei Stockwerke gebracht, Vormauer und Zwinger anscheinend
weit gefördert, der Graben begonnen ^ 60 Mann mit starker
Artillerie bildeten unter dem Kommando des Manuel Paganha die
Besatzung, zu der noch einige 20 Personen in höheren Ämtern
hinzutraten. Die Feste trug den Namen S. Miguel. Mit Rücksicht
auf die Edelleute, Soldaten und Flotten man nschaften, die hier zurück-
blieben, bei Eroberung von Mombasa aber mitgekämpft und darum
Anspruch auf einen Beuteanteil hatten, wurde noch auf Anjediva
die Verteilung der dort eingebrachten Beute vorgenommen. Zu
Kommissaren dafür ernannte Almeida den Fernäo Suares, Kapitän
der »Rafael«, ferner Nuno Vaz Pereira, einen portugiesischen Edel-
mann, der mit ihm nach Indien ging, und einen alten Freund, den
kastilianischen Adeligen Guadelajara. Gold, Silber und Perlen fielen
an den König, wie es scheint, doch erhielt derjenige, der sie ab-
geliefert hatte, V20 des Wertes^, Die ganze übrige Masse wurde
an den Meistbietenden versteigert, ausgenommen die Baumwoll-
stoffe von Cambaya, die Almeida nach ihrem Wert abschätzen
1 Pero Fernandes Tinoco a. a. O., S. 340; die Stelle ist in der
Urkunde schlecht erhalten.
2 Bericht von der Rafael in Q. U., S. 142 und Brief Gaspars da
India an den König in Carlas de Affonso de Albuquerque, II, S. 371 ff.
71
und für Zwecke des Handels mit Sofala in den Beuteanteil des
Königs aufnehmen ließ, ebenso wie u. a. ein buntseidenes Zelt,
wertvolle Teppiche und Gewänder, Goldbrokat und Seidenstoffe,
eine volle Rüstung mit Brust-, Bein- und Armstücken aus mehr-
fach aufeinandergesteppter Seide, so widerstandsfähig, daß weder
Schwerthieb noch -stich durchging, ein kostbar aufgezäumtes,
schönes Pferd, der Sattel mit Karneolen reich besetzt, die gestickte
Decke von karmesinroter Seide, femer das Siegel des Herrschers
von Mombasa, dies alles in dessen Palast erbeutet. Den Anteil
des Königs eingerechnet ergab sich ein Wert von 20 — 30000 Cru-
zados 1. Vom Erlös, wie es scheint, dessen, was nach Abzug von
Gold, Silber und Perlen blieb, sollte an die Bemannung der Flotte
nach einer in Mombasa schon erlassenen Bestimmung Almeidas
V20 zur Verteilung kommen, vielleicht in einer für Prisen durch
die Instruktion vorgeschriebenen Abstufung der Anteile, wie sie
dort dem Flottenkommandanten, den Kapitänen der hochbordigen
Schiffe und Galeeren, dann der Karavellen, weiter den Steuerleuten
und Schiffsmeistern, Artilleristen, Armbrust- und Büchsenschützen,
gemeinen Soldaten und Seeleuten bis herunter zum Schiffsjungen
zugestanden sind^. So groß indes die bei der Versteigerung erzielte
Summe war, Castanheda, der auch hier anscheinend einer guten
Quelle folgt, schätzt, daß von der tatsächlich gemachten Beute
ebensoviel, wie an den König und alle Berechtigten verteilt wurde,
der Verteilung widerrechtlich entzogen, verheimlicht, unterschlagen
worden war^ vor allem wohl Gold und Silber, das verhältnis-
mäßig leicht verborgen werden konnte. Ein für die lockeren An-
schauungen gerade der Vornehmsten und für die schon damals
unter den Portugiesen in Indien herrschenden Mißbräuche recht
bezeichnendes Dokument ist uns in einem Brief erhalten, den
Gaspar da Gama unterm 16. November 1506 von Cochin aus an
den König richtet-*. Almeida hatte den landes-, sprach- und geschäfts-
kundigen einstigen Juden unter Beigabe seines Sekretärs Gaspar
Pereira beauftragt Nachforschungen nach widerrechtlich angeeig-
netem und veräußertem Gut aus der Beute von Mombasa und
über den unbefugten Verkauf europäischer Tauschwaren, deren
1 Bericht des Gaspar da Gama (20000 Cruzados) in Carlas d'A.
d'A., Bd. III, S. 201, Castanheda (30 OOO Cruzados) a.a.O., I. II, c 13.
Die Augsburger Quelle gibt die Beute von Quiloa und Mombasa zu
-22000 Crusati oder mer werdt an (Q. U., S. 151).
- Bericht von der -Rafael in Q. U., S. 142 und Cartas de Affonso
de Albuquerque, Bd. II, S. 325 f. Die Höhe der einzelnen Anteile s. ebd.,
Bd. III, S. 177 ff.
3 A. a. O., I. II., c 13.
« Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 371-380.
72
Einfuhr dem König vorbehalten war, durch portugiesische Schiffs-
kapitäne und Beamte anzustellen und beide hatten in Baticala und
Cananor belastendes Material besonders gegen Guadelajara, Fernäo
Bernmdes, Ruy Freire und Diogo Correa, den Kapitän der »Lionarda«,
gesammelt. Der Ton des Briefes, der den selbstlosen Diensteifer
des Verfassers nicht genug ins Licht setzen kann, ist unerfreulich,
aber die mitgeteilten Tatsachen und Beschuldigungen doch recht
interessant Mit größter Erbitterung spricht Gaspar von Guadelajara.
Sein Amt bei Verteilung der Beute von Mombasa hat ihn reich
gemacht; Gott und die Welt weiß, woher das viele Geld stammt,
das er jetzt hat. Daß er Korallen, eine dem König vorbehaltene
Ware, eingeführt hat, ist erwiesen, und es ist bei weitem nicht das
einzige gewesen. Aber er ist vornehmer Abkunft und alter Freund
Almeidas: der Vizekönig hat's ihm in seiner Güte und Nachsicht
verziehen, ja, er hat ihn zum Alcaide mör (Burgvogt) der Feste
in Cananor gemacht mit 1 20 000 Reis (rund 3000 Mk.) jährlichem
Gehalt und viel Freigütern. In dieser Stellung treibt er nun
schwunghaften Handel mit den muhamedanischen Kaufleuten von
Cananor in Waren und in andern Dingen, für deren Aufzeichnung
vier Blatt Papier nicht ausreichen würden. Der König soll nur
künftig keinen Kastilianer mehr nach dem Osten schicken ; sie sind
seine Widersacher, suchen nur ihren Vorteil, wollen in Indien
schnell reich werden und kehren dann mit dem Erworbenen nach
Kastilien zurück. Hier spricht der Neid und die Abneigung gegen
den Landfremden und Günstling des Vizekönigs; aber auch die
portugiesischen Edelleute treiben's schlimm. Fernaio Bermudes
hat in Baticala einem muhamedanischen Kaufmann »viel Gold von
Mombasa« zum Weiterverkauf übergeben, hat Korallen von fünf
Sorten, je hundert Gran zum Preis von einem bis fünf Gold-
pardaos (Münze im Wert von rund 8 Mk.) verkauft und sonst
gesündigt; Ruy Freire hat in Cananor Gold und Silber im Werte
von 700 Cruzados aus der Beute von Mombasa an einen muha-
medanischen Kaufmann gegen Edelsteine, Perlen und feine indische
Baumwollstoffe (Sinabaffos) verhandelt; den Wert der Waren in
Lissabon schätzt Gaspar auf 3000 Cruzados. Der gleiche Kauf-
mann hat von Diogo Correa silberne Armspangen, Frauenschmuck
aus Mombasa im Wert von 200 Cruzados und Korallen für 72 Cru-
zados erworben und dafür Perlen und Edelsteine gegeben, deren
Wert in Lissabon der Briefschreiber schätzungsweise zu 1000 Cru-
zados angibt. Gaspar hat diese Verfehlungen dem Vizekönig mit-
geteilt, aber bei all seinen trefflichen Eigenschaften — diesen Miß-
bräuchen gegenüber ist Almeida machtlos: »wollte er alle bestrafen,
die wegen Handels mit verbotenen Waren Strafen verfallen sind,
und dazu andere, die viel Gold und Silber von Mombasa gestohlen
73
haben, dann müßte er den größten Teil der Leute, die in Indien
sind, vom Erdboden vertilgen und würde dann vielleicht keine
Kapitäne und Kriegsleute mehr dahaben, die gegen die Mauren
kämpften«. Die allgemeine Auffassung ist eben die, schreibt Gaspar,
»daß es keine Sünde ist, vii^eim man Ew. Hoheit bestiehlt«.
Der Beuteanteil von V20 der Masse, wie ihn Almeida, offen-
bar nach einem bestehenden Brauch, im Fall von Mombasa fest-
gesetzt hatte, war freilich nicht hoch; wurde auch von den Be-
teiligten als karg empfunden. Der Vizeköhig schreibt von Cochin
unterm 16. Dezember 1505 an den König, daß nach Ansicht der
ganzen Armada deren Anteil an dem, was Gott ihnen zu gewinnen
gebe, erhöht werden müsse um der großen Mühen willen, womit
es errungen werde, und daß er selber das als großen Gnaden-
erweis des Königs ansehen würde, ausdrücklich aber bitte dies
nicht auf seinen Beuteanteil zu beziehen, mit dem er vollauf zu-
frieden sei und wofür er dem König die Hand küsse'. Die
schwerste Enttäuschung widerfuhr indes den drei Schiffen der
deutsch-italienischen Handelsgesellschaft: sie waren im Verlauf der
Reise, wie in der »Merfart« mit Stolz hervorgehoben wird, »inn
allen ferten und streyiten« dabei, aber bei der Verteilung der Beute
sollten sie leer ausgehen. Sprenger schweigt merkwürdigerweise
über die unangenehme Tatsache, aber der Augsburger Bericht läßt
keinen Zweifel an ihr; unklar ist nur die von den Portugiesen
für ihr Verfahren gegebene Begründung. Es scheint, daß man
den Kaufleuten einen Rechtsanspruch nur für Prisen, die auf See
gemacht waren, zugestand, nicht aber für die Beute einer Unter-
nehmung zu Land, auch wenn sie dabei hatten mitkämpfen müssen.
Jedenfalls erhielten die Deutschen an der Beute von Mombasa vor-
läufig keinen Anteil, sondern mußten sich begnügen gegen die
Benachteiligung Protest zu erheben und die endgültige Entschei-
dung der Angelegenheit dem König vorzubehalten 2 Wie dieselbe
ausgefallen ist, wissen wir nicht.
• Torre do Tombo, gav. 20, maco 10, n. 33.
2 Die Stelle des Augsburger Berichtes, des einzigen, in dem die
Tatsache erwähnt wird, lautet (Q. U., S. 151): vvirt geacht der naum
zu quilua und Monbasa uf 22 000 Crusati oder mer werdt sein , hofftend
die teitschen ir geburnde peutt auch zuo haben Hand die Portogaiexe
(= Portogalesi) gesagt die tauten wern zu verstan sam ain Rytt uf land
und nit ain naum etc. und sy hettends dar für unser 3 nave soltten nuchs
dar von haben. Aber sy welttend soUichs dem portt. kinig haim setzen
was der tett wer faste und irt halb unverhinderte auf sollichs habend
die unsern protestiert umb die sum des naums und anders in rechter
form / daß alß sy mit in her über pracht habend. Das Verständnis des
Textes wird dadurch erschwert, daß der Verfasser des Berichtes die
74
Schon ehe D. Louren^o in Cintacora friedh'che Beziehungen
mit dem Festungskommandanten des Sabayo angeknüpft hatte,
waren Abgesandte des Rajas von Onor auf Anjediva erschienen
um ein Gleiches im Namen ihres Herrn zu erbitten, was Almeida
gern bewilligt hatte. Onor und Baticala (Bhatkal auf 13° 59' n. Br.)
waren die beiden Häfen der Westküste, über die dem mächtigen
Rao von Vijayanagar die arabischen und persischen Pferde von
Ormuz zugeführt wurden, deren er jährlich 2000 — 3000 nötig
hatte um die gewaltige berittene Streitmacht auf der Höhe halten
zu können, die die ständigen Kriege, vor allem mit den benach-
barten dekanischen Machthabern, erforderten. Die zwei Städte
hatten als Eingangspforten des großen Reiches ein Menschenalter vor
dem Erscheinen der Portugiesen in Indien noch erheblich größere
Bedeutung gehabt. Daß die dort ansässigen muhamedanischen
Kaufleute, in deren Händen der einträgliche Pferdehandel lag, die
wertvollen Tiere von Onor und Baticala aus auch an die Bahmani-
Sultane von Dekan, seine Feinde, verkauften, daß er selbst sie mit
allzu hohen Preisen bezahlen mußte, hatte den damaligen Rao
von Vijayanagar derart gegen sie erbittert, daß im Jahre 1479 auf
seinen Befehl in beiden Städten von den Hindu ein großer
Muhamedanermord ins Werk gesetzt und ihrer angeblich 10000
erschlagen, der Rest vertrieben wurde. Die Flüchtlinge hatten
entscheidenden portugiesischen Worte, »cavalgada und presa, deutsch
wiedergibt, dabei aber den Sinn nicht ganz unzweideutig zu bezeichnen
vermag und so der Gegensatz etwas schief wird. Das deutsche naum
= näm st. M., auch näme st. F. »gewaltsames Nehmen«, »Beute« ent-
spricht im allgemeinen dem portugiesischen presa« recht wohl, läßt aber
doch nicht wie presa« sofort an die zur See gemachte »Prise denken;
»cavalgada« bedeutet für gewöhnlich »feindlicher Einfall (zu Pferde) ,
„Streife" und dem entspricht »ain Rytt uf land . Die Worte des deutschen
Textes heißen also: »Die Taten wären zu verstehen als ein Ritt an
Land und nicht ein Prisen machen (auf See) . Dem Gebrauch von
»cavalgada« und »presa« in unserm Fall entspricht das nicht ganz genau.
In dem erwähnten Brief des Gaspar da India (a. a. O., S. 372) lesen wir:
(dom francisco d'Almeida) fello (nämlich den Guadelajara) quadrilheiro
sobre as cavallgadas de momba^a«, d. h, Almeida »machte ihn zum
Kommissar über die Beutemasse des Einfalls in Mombasa"; und
ebenso schreibt Almeida (a. a. O.) : »Senhor, da cavalguada de Momba?a
me derom eses panos«, »Herr, aus der Beute des Einfalls in Mombasa
hat man mir die beifolgenden Stoffe gegeben« — er macht dem König
ein Geschenk damit. Es wird also von den Portugiesen ein Unterschied
gemacht zwischen Prisen, die auf See gemacht werden, d. h. »presas« —
so ist das Wort in Almeidas Instruktion vielfach gebraucht — und »caval-
gadas« Beute von Landunternehmungen. Vgl. auch Cartas de Affonso
de Albuquerque, Bd. II, S. 354; III, 178, 179, 180.
75
sich nach Goa gewandt und von da ab hatte dieser Hafenplatz
allmählich jene beiden an Bedeutung überflügelt und besonders
den Pferdehandel nach Dekan ganz an sich gezogen. Die feind-
selige Haltung der Muhamedaner und ihre häufigen Überfälle auf
seine Stadt hatten dann den Raja von Onor genötigt sie von der
Mündung des Shiravati (Gairsopa), an der sie bis dahin gelegen
hatte, reichlich eine Legua flußaufwärts an das Nordende eines
Strandsees zu verlegen, den der Shiravati durchfließt. Seit diesen
Ereignissen waren Jahrzehnte vergangen und zahlreiche Muha-
medaner waren neben den Hindu wieder in Onor angesiedelt'.
Die Stadt war schon lange eins der schlimmsten Seeräubernester
in diesen Gegenden. Freier Ausblick längs der Meeresküste, die
Notwendigkeit für die Seefahrer sich in deren Nähe zu halten um
den Wechsel von Land- und Seewind für die Fahrt zu benutzen,
die zahlreichen kleinen Häfen und die Barren, die größeren Schiffen
das Einfahren in dieselben unmöglich machen, haben in Verbindung
mit den Piratenneigungen der Bewohner den Seeraub hier von
jeher begünstigt. Zu Almeidas Zeit war Onor der Schlupfwinkel
von zwei gefährlichen Korsaren, Raogi und Timoja, von denen
der letztere 1498 auf Vasco da Gama während dessen Heimreise
einen Überfall versucht und 1510, nachdem er sich »mit dem
Instinkt der Raubvögel, welche den Schlachtfeldern nachziehen 2«,
den Portugiesen angeschlossen hatte, Albuquerque den Weg zur
Eroberung Goas gezeigt hat. Jeder der beiden Piraten besaß fünf
oder sechs größere Ruderschiffe mit zahlreicher, wohlbewaffneter
Mannschaft und zahlte von dem Ertrag seines Gewerbes dem
Raja von Onor eine beträchtliche Abgabe 3 — der Bericht von
der »Rafael« spricht von 4000 Cruzados -~, wie sie auch dessen
Streitmacht verstärkten.
Das zunächst freundschaftliche Verhältnis zwischen der Stadt
und den Portugiesen, das während des Festungsbaus auf Anjediva
in einer Sendung von Lebensmitteln aus Onor Ausdruck gefunden
hatte, erlitt kurz vor deren Abfahrt einen Bruch. Eine Sambuke
mit Pferdeladung von Ormuz hatte ohne Kenntnis von der
Anwesenheit der Portugiesen auf der Insel im Sturm Anjediva
anlaufen wollen und sich beim Anblick ihrer Schiffe in Richtung
• Barros, Dec. 1, 1. VIII, c. 10 und Duarte Barbosa in Coli, de Not.
Bd. II, S. 29L
2 Peschel, Zeitalter der Entdeckungen, Stuttgart 1877, S. 461.
3 Barbosa a.a.O. und Carlas de Affonso de Albuquerque, Bd. I,
Lisboa 1884, S. 172: onor he cova de ladroes, tem atallaias e fustas;
pagua o Rey da terra LXXX mil pardaos ha ei Ray de narsimgua cadano,
e a terra nam na pode suprir, e o Rey daa luguar qiie harmas e fnrtem,
e partem com eile e desta maneira vivem (I.Dezember 1513).
76
auf Onor geflüchtet. Da ihr indes von den verfolgenden Booten
der Weg verlegt wurde, hatte die Mannschaft nahe der Shiravati-
Mündung das Fahrzeug auf den Strand gesetzt und sich schwimmend
ans Ufer gerettet. Die Sambuke wieder flott zu machen gelang
den Portugiesen nicht; von den 19 Pferden, die sie führte, konnten
zwar neun glücklich in die Boote gebracht werden, aber da der
Sturm immer heftiger wurde, mußte man sie an Land schwimmen
lassen und legte einer Anzahl von Indern, die inzwischen am
Strand erschienen waren, die Verpflichtung auf, die Tiere, die von
ihnen eingefangen wurden, in den nächsten Tagen zurückzugeben.
Nun mußten diese sie aber, wie es scheint, an den Raja von Onor
abliefern, und als die Portugiesen wiederkamen um ihre Beute
abzuholen, erfuhren sie lediglich diese Tatsache. Die von Almeida
daraufhin erhobene Beschwerde beantwortete der Raja anscheinend
mit Ausflüchten und Hinhalten. Allein die Zeit drängte, die
Geschäfte in Anjediva waren erledigt und Almeidas ritterlichem
Stolz erschien die Haltung des Rajas als Herausforderung. So
gingen am 16. Oktober die Portugiesen mit der ganzen verfüg-
baren Flotte unter Segel und warfen am folgenden Morgen vor
der Shiravati-Mündung Anker. Der Vizekönig war gesonnen
Gewalt anzuwenden, falls der Raja nicht ohne Verzug die Pferde
herausgeben oder Entschädigung anbieten würde. Sofort nach
der Ankunft wurde ein Boot klar gemacht um durch Lotung fest-
zustellen, ob größere Schiffe die Barre passieren und bis zur Stadt
gelangen könnten. Die Tiefe erwies sich indes als ausreichend
nur für Karavellen und kleine Fahrzeuge. Das Land zu beiden
Seiten des Flusses machte den Eindruck dichter Bevölkerung; elf
aufgelegte größere Seeschiffe und zahlreiche Sambuken hatte man
vom Boot aus gesehen. Ein paar muhamedanische Kaufleute waren
unterwegs an den Bootsführer, Fernäo Suares, mit der Bitte heran-
getreten, daß die Portugiesen einige ihnen gehörende Fahrzeuge
nicht verbrennen möchten ; sie wollten den Raja zur Zahlung der
Entschädigung für die Pferde bestimmen. Aber der Tag verstrich,
ohne daß etwas dergleichen geschah. Nun traf Almeida seine
Vorbereitungen zum Angriff. In 18 Booten und einer Karavelle
fuhren bei hellem Mondschein etwa 600 — Sprenger spricht von
800 — Mann während der Nacht den Fluß hinauf und erreichten
vor Tagesanbruch die Stadt, aus der unterdes Weiber, Kinder
und die wertvollste Habe ins nahe Gebirge geflüchtet worden waren.
Der Mond war inzwischen untergegangen und tiefe Finsternis.
Sobald es hell wurde, erzählt Sprenger i, »da sahen wir ein land
daruff ein grosse schar volcks / also das der hauffen nit was zuo
' Q. U., S. 118 f.
77
zelen / und stunden alle in weissen hembdem sunder were unn
wollen unsers Hauptmanns (d. h. Almeidas) willen gantz nichts
volnbringen / der Häuptmann hieß uns under sie schiessen : und
als bald wir das geschutz ußgeen liessen / do flohen sie all schneel
hyn wegk / und kurtzlich erschynen sie widerumb am selben
ende mit grosser menge zum streit geruste mit schönen Schiiten
und Schwertern noch yrer land sitten gewappet. Sie hetten auch
in der selben gegene am gestatten des meres vil kostlicher schiff
in gewertig. Wir wurffen inn yre huser unn schif erschrockenlich
unn ernstlich fuwer / und theten uns widerumb inn unser botten
unn schössen under sie / aber uff dem lande hatten wir nit vil
handeis mit ynen / sie achten auch uff unser schyssen nit groß /
unn stunden kecklich gegen uns / also das wir nit vil raups von
ynen brachten.« Nach der von Sprenger gewählten Bezeichnung
der Tracht darf man annehmen, daß der Menschenmasse am Strand
muhamedanische Kaufleute das Gepräge gaben ; denn die Kleidung
der Hindu bildete nur ein von den Hüften bis zum Knie reichendes
Lendentuch, der Oberkörper war nackte Zu ernsten Kämpfen ist
es in Onor offenbar nicht gekommen ; der Verlust der Portugiesen
belief sich auf einen Toten und einen Verwundeten; der letztere
war Almeida selbst, der durch einen Pfeil am linken Fuß leicht
getroffen wurde; auch die Feinde hatten, soweit sich das fest-
stellen ließ, nicht viel mehr als 20 Tote und eine größere Zahl
Verwundete; aber 14 ihrer Schiffe sollen in Flammen aufgegangen
sein. Den Zweck der Strafexpedition — mehr war kaum beab-
sichtigt — hatte Almeida mit geringen eigenen Opfern erreicht
und am Nachmittag kehrten die Portugiesen zu ihren Schiffen
zurück. Darf man den portugiesischen Historikern des 1 6. Jahr-
hunderts und dem Berichte Gaspars da Gama an den König
glauben, so ließ der indische Fürst noch am Abend dieses Tags
dem Vizekönig seine Reue über den von ihm begangenen Friedens-
bruch, die Bereitwilligkeit zur Entschädigung für die Pferde und
die Bitte um Frieden aussprechen, ja erklären, daß er sich zum
Vasallen des Königs von Portugal machen und ihm Tribut zahlen
wolle. Almeida soll darauf erwidert haben, daß ihm für den
Augenblick die Zeit zu Verhandlungen fehle, daß er aber in Kürze
seinen Sohn mit einer Flotte schicken werde um Frieden mit dem Raja
zu schließen und dessen Tribut entgegenzunehmen. Noch am selben
Abend (18. Oktober) wurde die Weiterfahrt nach Cananor angetreten.
Sie ging nahe der Küste hin, deren Schönheit Sprenger an-
genehm in die Augen fiel: »unn inn dem selben lande sein hynden
groß berge / daruff und umb Pfeffer unn andermer Spetzerey wechst /
» Q. U., S. 117 f.
78
unn forn gegen dem mere ist es ein schön iand mit Palmiten
bäumen wol gezyret«. Die Zeit des feuchten Südwestmonsuns
neigte dem Ende zu, der heiße und troci<ene Nordostpassat begann
zu wehen, der Pfeffer ging der Reife entgegen: »der Pfeffer wechst
geleich als ein Weintraube unn ist schön grün / dann so pfluckent
sie yn abe und durrent yn uff eym Tuch an der Sonnen / Er
wirt zeytig umb sant Martins tag : oder Weynachten / dann umb
die selbige zeit ist es in den landen am heisten / und inn dem
hohen Sommer geacht^«. Bei Cumbola (Kumblah) südlich von
Mangalore endigte der zu Vijayanagar gehörige Teil des Seegestades
und die Flotte segelte nun der Malabarküste entlang, die politisch
in eine Reihe kleiner, unter sich rivalisierender Staaten zerfiel, von
denen der nördlichste Cananor war. Ein 30 — 80 km breiter, wohl-
bewässerter Streifen Landes, zieht sich Malabar zwischen den west-
lichen Abhängen der Ghat und der Arabischen See bis zum Kap
Comorin, der Südspitze der Halbinsel, hin, im Innern ein male-
risches Berg- und Waldland, längs der See fruchtbare Ebene, die
üppige Felder und Haine von Areka- und Kokospalmen bedecken,
wechselnd mit uralten Wäldern, die Küstenlinie aber, zumal im
südlicheren Teil, durch zahlreiche Flußmündungen und weite
Strandseen, die sich über mehr als 360 km erstrecken, mannigfaltig
und schön gegliedert und überall von größeren und kleineren
Siedelungen belebt. Jahrhunderte lang waren diese Gestade schon
ein Mittelpunkt des östlichen Welthandels, Calicut seit dem H.Jahr-
hundert einer seiner größten Stapelplätze. Die Rubinen und Saphire
von Ceylon und Hinterindien, die Diamanten von Dekan und die
Perlen des Manaargolfs fand man in seinen Bazaren. Gewürz-
nelken und Muskatnuß kamen von den Molukken und Inseln der
Banda-See auf seine Märkte. Die beste Zimmetrinde, die von
Ceylon, Pfeffer und Ingwer von Malabar selbst, Kampher von
Borneo und Sumatra, Moschus von Tibet und Hinterindien, kurz,
alles, was der Osten an Kostbarem und Begehrtem erzeugte, wurde
hier in Mengen gehandelt. Dem mächtigen Calicut gegenüber
hatten die kleineren Staaten, wie Couläo, Cochin, Cananor, bis
zum Erscheinen der Portugiesen in zweiter Linie gestanden; das
von Anfang an gesuchte gute Einvernehmen mit den neuen An-
kömmlingen aber und deren ständiger Kriegszustand mit dem
Samorin von Calicut hatte die Bedeutung von Cochin als Pfeffer-
und von Cananor als Ingwermarkt zweifellos gehoben und ver-
sprach noch weitere Vorteile für die Zukunft.
Cananor (Kannanür, d. h. Krischnas Stadt, 11" 50' n. Br.,
75" 20' ö. L.) wurde am 22. Oktober von der Flotte erreicht. Die
1 Q. U., S. 124.
79
Stadt liegt auf der Nordseite einer nach Süden offenen Meeres-
bucht, die durch ein steiles Vorgebirge gegen den Wellenschlag
des Ozeans geschützt' ist, und war damals einer der bedeutendsten
Seehäfen in Malabar. Ihr Raja, nächst denen von Calicut und
Couläo der angesehenste an dieser Küste, wenn auch nicht so
mächtig wie jene beiden, hatte schon das zweite portugiesische
Geschwader, das des Pedralvares Cabral, im Januar 1501 in seinem
Hafen freundlich aufgenommen. Vasco da Gama hatte auf seiner
zweiten Indienfahrt hier einen portugiesischen Handelsagenten,
Gongalo Gil Barbosa, mit Personal zurückgelassen und der brahma-
nische Raja denselben gegen die in seinem Gebiet ebenso zahl-
wie einflußreichen und kriegerischen Mäppila (Mopiah), die ein-
heimischen Muhamedaner, wenn auch nur mit Mühe, zu schützen
gewußt.
Als Almeida in Cananor eintraf, warteten dort, wie er bereits
vor Wochen in Anjediva erfahren hatte, zwei Gesandte des Rao
von Vijayanagar auf ihn, des reichsten und mächtigsten Herrschers
in Südindien, dessen Reich sich von den Westghat bis zum
Bengalischen Meerbusen und vom Kap Comorin bis zur Kistna
erstreckte. Da Gongalo Gil Barbosa für sie um baldige Audienz
bat, wurde dieselbe gleich auf den folgenden Tag festgesetzt. Die
Faktorei verfügte nicht über einen Raum, der als würdiger Rahmen
für den feierlichen Empfang hätte gelten können, und so beschloß
man den letzteren an Bord stattfinden zu lassen. Im Hinblick auf
die Größe des indischen Herrschers aber und den Umstand, daß
Almeida die Person des Königs von Portugal repräsentierte, gab
der Rat der Fidalgos und Kapitäne ein Gutachten dahin ab, er
solle sogleich den Titel Vizekönig annehmen und sich mit aller
demselben entsprechenden Pracht und mit königlichem Zeremoniell
bei der Audienz umgeben ; nach den in Lissabon darüber getroffenen
Verfügungen sei er zwar erst nach Errichtung befestigter Stütz-
punkte in Cochin, Couläo und Cananor berechtigt die vizekönigliche
Würde anzunehmen, allein es könne kein Zweifel darüber bestehen,
daß die Festungen in Quiloa und Anjediva für die Sicherung der
portugiesischen Kolonialherrschaft als gleichwertig den zwei ersten
gelten dürften, und eine dritte werde angesichts der von Gon^alo
Gil dafür getroffenen Vorbereitungen in Cananor binnen kürzester
Frist errichtet sein. Almeida verschloß sich den vorgebrachten
Gründen nicht und mit fürstlichem Gepränge empfing er auf seinem
Schiff am 23. Oktober als Vizekönig die Gesandten des indischen
Rajas. Auf dem hohen Hinterkasteil der »Jeronimo«, das mit
Sonnenzelt überspannt und wie die ganze Flotte festlich bewimpelt
war, stand auf einer Erhöhung sein Sessel. Über dem ärmellosen
altportugiesischen Obergewand (pelote) von Atlas hing ihm ein
80
Königsmantel von Brokat; über den Schultern lag eine reiche
goldene Kette und ihm zur Seile hielt ein Page das blanke
königliche Schwert, während sein Sohn Lourengo, alle Fidalgos,
Kapitäne und Ritter in Festgewändern den Sessel umstanden. Die
Schiffsgeschütze donnerten, während die Inder im Boot herüber-
fuhren; als sie an Bord anlangten, begannen die Trompeten zu
schmettern und die Kesselpauken dröhnten, der Vizekönig stieg
von der Estrade herab, ging ihnen ein paar Schritte entgegen und
hieß sie dann auf Sesseln gleich dem seinen Platz nehmen. Hierauf
entledigten sich die Gesandten ihres Auftrags, der durch einen
Dolmetscher, vielleicht Almeidas Vertrauensmann Gaspar da India,
dem Vizekönig übermittelt wurde. Der Rao ließ den Wunsch
nach freundschaftlichen Beziehungen mit dem König von Portugal
ausdrücken, erklärte sich einverstanden, falls dieser in irgend einem
seiner Häfen, ausgenommen Baticala, das verpachtet sei, eine
Festung bauen wolle, und versprach sogar alles dafür nötige
Material zu liefern und Hilfskräfte zu stellen. Als wirksames
Mittel zur festen Begründung beiderseitiger Freundschaft brachte
er die eheliche Verbindung des portugiesischen Thronerben mit
einer Prinzessin seines Hauses in Vorschlag. Hierauf überreichten
die Gesandten neben kostbaren Geschenken für den Prinzen einen
Brief an König Manuel, der den Inhalt seiner Gesandtschaft noch
einmal schriftlich enthielt. Damit war die Audienz beendet und
die Gesandten kehrten an Land zurück. Der Gedanke der von
dem indischen Fürsten vorgeschlagenen Eheschließung scheint den
Vizekönig während der folgenden Wochen ernsthaft beschäftigt
zu haben. »Könnte es nicht in Gottes Ratschluß liegen«, so
etwa äußert er sich in dem Brief an König Manuel vom 16. De-
zember 1505, »durch diese Ehe die gesamte Welt hier dem Christen-
tum zuzuführen?« Einen eigenen Gesandten mit denen des Rao
nach Vijayanagar zu schicken, wie diese es anscheinend wünschten
und König Manuel es ihm freigestellt hatte, konnte er sich freilich
nicht entschließen. War es seine Abneigung dagegen, Portugal
in die politischen Händel der indischen Staaten verwickeln zu
lassen, und die schweren inneren Wirren, von denen Vijayanagar
damals heimgesucht war?i Es gebe keinen Pfeffer in Narsinga
und es sei weit vom Meer entfernt 2, so begründet er jedenfalls
die Weigerung gegenüber dem Drängen des Pero Fernandez Tinoco,
den der König, ohne allerdings Almeida an diese Wahl zu binden 3,
für eine etwaige Gesandtschaft dorthin ausersehen hatte. Schien
1 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 203.
2 ebd., Bd. II, S. 342.
3 ebd., Bd. II, S. 327.
81
ihm nur der Mann ungeeignet oder wirkte beides zusammen?
Wenn die Person des Pero Femandez der Stein des Anstoßes
für ihn gewesen seih sollte, so wäre das nach den zwei Briefen,
die dieser in der Angelegenheit am 21. November 1505 und
1 5. Januar 1 506 von Cochin aus an den König schreibt ', mehr
als begreiflich. Ein breiter, seichter Schwätzer, aber ausgestattet
mit einem Selbstbewußtsein, für das es keinen Zweifel gibt, daß,
wenn der Vizekönig ihn Ende Oktober als Gesandten nach Vija-
yanagar geschickt hätte, zur Zeit, wo er seine zweite Epistel schreibt,
also Mitte Januar, Calicut und Couiäo von dem Rao bereits in
Trümmer gelegt wären 2 — diesen Menschen konnte Almeida un-
möglich ernst nehmen, ganz abgesehen von dem Charakter, den
namentlich der letzte Brief in einem sehr ungünstigen Lichte zeigt
Übrigens soll ihm nach Correa^ vom König auch mehr die Auf-
gabe zugedacht gewesen sein, in Vijayanagar den Handel mit Edel-
steinen in die Wege zu leiten, auf die er sich verstanden habe.
Wie in bezug auf den Zeitpunkt die Annahme des neuen
Titels den Bestimmungen von Almeidas Instruktion nicht ganz ent-
sprach, so auch das Anlaufen von Cananor. Manuels Anweisung
lautete dahin, daß von Anjediva der Kurs unmittelbar auf Cochin
gesetzt und dort mit möglichster Beschleunigung vor allem die
Gewürzschiffe abgefertigt, dem Raja von Cananor nur im Vorbei-
fahren ein Brief Manuels zugestellt und die Stadt von dem Vize-
könig später erst besucht werden sollte. Wenn Almeida trotzdem
schon jetzt in Cananor landete, so war der Grund nicht bloß
Rücksicht auf die Gesandten des Rao ; vielmehr hatte ihm Gongalo
Gil Barbosa bereits nach Anjediva Meldung zugehen lassen über
Vorbereitungen, die er unter dem Vorwand, ein festes Haus für
die portugiesische Faktorei zu errichten, in aller Stille und Heim-
lichkeit zum Bau einer Festung in Cananor getroffen habe. Mehr
und mehr nämlich hatte sich herausgestellt, daß gegen die ein-
heimischen Muhamedaner der Raja trotz seiner Freundschaft für
die Portugiesen auf die Dauer nicht imstande sein würde sie zu
schützen. Die Mopiah saßen zahlreich über ganz Malabar verteilt
und bildeten hier, wenn die Schätzung des Duarte Barbosa (um
1516) richtig ist, etwa ein Fünftel der Bevölkerung. Der Sprache
nach wie die übrigen Bewohner des Landes Malayali, gingen sie
wie die Männer aus der Kriegerkaste der Najer nur mit Lenden-
tuch bekleidet, trugen aber im Gegensatze zu diesen Kopfbedeckung
und langen Bart. Ihre Bräuche waren z. T. die der heidnischen
Inder: so erbten z. B., obwohl die Polyandrie der Najer ihnen
i~ebd., Bd. II, S. 341-344 und Bd. III, S. 170-177.
2 ebd., Bd. III, S. 175.
3 Lendas da India, Bd. I, S. 618.
Hümnierich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien. a
82
fremd war, doch wenigstens die eine Hälfte des Vermögens die
Schwestersöhne. Daß sie in der Kastenordnung hoch standen,
veranlaßte nicht wenige Inder zu ihrem Glauben überzutreten um
dadurch die eigene soziale Stellung zu verbessern. So nahm die
Zahl der Mopiah ständig zu. Kapital, Reederei und Seehandel
von Malabar lag zum weitaus größten Teil in ihren Händen ^
Die Furcht, aus dieser Stellung durch die neuen Ankömmlinge
verdrängt zu werden, machte neben dem religiösen Fanatismus
die Mopiah in Cananor wie anderwärts zu erbitterten und bei
ihrem Reichtum, Einfluß und kriegerischen Sinn sehr gefährlichen
Feinden der Portugiesen. Wollten diese sich behaupten, so mußte
es aus eigener Kraft geschehen. Daß man sich aber in Cananor
behauptete, schien wichtig wegen der Bedeutung, welche die Stadt
für den Handel mit indischem Ingwer hatte. Der Verbrauch dieses
Gewürzes war im Abendland kaum weniger verbreitet als der
des Pfeffers; man benutzte es nicht nur in den Apotheken zur
Herstellung einer Latwerge, man würzte damit auch viele Fleisch-
und Fischgerichte ebenso wie den beliebten Würzwein. Der
größte malabarische Ingwermarkt, Calicut, in dessen Umgebung
zugleich die beste Qualität des Gewürzes erzeugt wurde, war nun
den Portugiesen von Anfang an verschlossen ; größere Mengen
von Ingwer, freilich eine geringere Sorte, hatte in Indien sonst
außer Couläo nur Cananor zu bieten. Um sich also den Bezug
hier zu sichern, mußten die Portugiesen zur Anlage einer Festung
schreiten, in der sie für sich selbst und ihre Waren Schutz gegen
die Mopiah 'finden konnten. Die natürliche Lage des Ortes, den
ihnen der Raja für ihre Faktorei angewiesen hatte, kam diesem
Bedürfnis entgegen. Es war eine schmale, palmenbewachsene
Landspitze, durch Graben und Wall gegen das Land zu bei einer
geringsten Breite von 44 m^ leicht abzusperren und auf den andern
Seiten durch Fels und Meer trefflich gesichert: »als ob Gott das
Gelände geschaffen hätte um der Festung ewige Dauer zu geben«,
urteilt der Vizekönig in dem Brief vom 16. Dezember. Wasser
gab es freilich im Innenraum der geplanten Anlage nicht, wohl
aber fand sich im allernächsten Vorgelände ein Brunnen, aus dem
sich die Besatzung mit Trinkwasser versorgen konnte. Alle
Bedingungen waren gegeben, ein Erdwall mit Pfahl werk von
Gongalo Gil bereits über die Landenge gezogen, die Grundmauern
der eigentlichen Feste gelegt; es galt nun zu dem Bau noch die
Erlaubnis des Rajas zu erwirken. Zu diesem Zweck ließ der Vize-
könig eine Zusammenkunft mit ihm für den 24. Oktober vereinbaren.
1 Carlas de Affonso de Albuquerque, Bd. I, S. 306 f.
2 Castanheda a. a. O., 1. II, c. 17.
83
Der königliche Palast lag etwa 12 km von der Stadt entfernt.
Längs des Weges dahin war alles bewohnt wie eine Straße. Da
Almeida seiner Instruktion gemäß vor der Ankunft in Cochin nicht
an Land gehen sollte, fand im Bereich des Faktoreigeländes die
Zusammenkunft am Seestrande statt, im Schatten von Palmen,
dicht am Meer ließ der Raja aus feinen Stoffen ein luftiges Zelt
schlagen und davor einen gleichfalls mit seidenem Sonnenzelt
überspannten Landungssteg errichten. Kriegerische Musik von
Pauken, Becken und metallenen Blasinstrumenten verkündete zur
verabredeten Stunde sein Nahen. Mehr als 6000 Menschen folgten
ihm, darunter etwa die Hälfte Najer, alle nackt bis auf ein knapp
um Hüften und Oberschenkel geschlungenes weißes, gelbes oder
rosafarbenes Tuch, die einen bewaffnet mit Schilden und Schwertern,
andere mit langen Lanzen oder Wurfspeeren, deren Eisen eine
halbe Elle lang waren, wieder andere mit Pfeilen und Bogen, die
den englischen Bogen an Länge glichen. Mit hohlen Ringen,
die am Schuh der eisen- oder messingbeschlagenen Lanzen und
am Griff der ohne Scheide getragenen, nur zum Hieb gebrauchten
Schwerter befestigt waren, verursachten sie, die Waffen schwingend
und laute Schreie ausstoßend (»Cucuya«), ein kriegerisches Getöse.
So schritten sie unter Scheinkämpfen vor und hinter dem Raja her.
Dieser selbst saß mit untergeschlagenen Beinen auf einem kostbar
gearbeiteten flachen Traggestell, das vier Männer auf den Schultern
trugen, während ein fünfter nebenlierschreitend ihm den an langem
Bambusrohr befestigten Sonnenschirm, das Abzeichen der Würde,
über das Haupt hielt, andere mit Fächern, die sie an langen, ver-
goldeten Stäben trugen, ihm Kühlung fächelten. Gekleidet war
er in ein feines, weißes Baumwolltuch, das ihm von den Hüften
bis über die Hälfte der Oberschenkel herabhing und durch einen
reich mit Edelsteinen besetzten breiten Gürtel gehalten war'. Das
emporgebundene Haar war verhüllt von einer hohen seidenen Kopf-
bedeckung, die der Bericht von der »Rafael« mit einer galizischen
Sturmhaube vergleicht. Dieselbe Form hatte eine goldene Krone,
die ein Edelknabe dem Raja hielt und die nach der gleichen Quelle
acht portugiesische Mark (229,5 g) wiegen mochte. Während
Kinn und Wangen rasiert waren, trug der Fürst einen langen
Schnurrbart nach türkischer Art. In den durchbohrten Ohrläppchen
hing kostbarer Schmuck von Perlen und Edelgestein, Nachdem
er das Zelt erreicht hatte, das außer ihm nur Brahmanen betreten
durften, ließ er sich auf einem dort bereitstehenden Ruhebett nieder.
' Barros, Dec. I, 1. IX, c. 4 und Q. U., S. 61 ff., wo Schilderungen
derartiger Aufzüge der Rajas nach Correa und Duarte Barbosa sowie
Oiovanni da Empoli gegeben sind.
84
Alsbald legte auch Almeidas Boot am Landungssteg an und
unter Vorantritt von Trompetern, uniformierten Leibwächtern, Stab-
trägern mit vergoldeten Silberstäben und eines Pagen, der ihm
das blanke königliche Schwert vortrug, schritt er mit einem kleinen
Gefolge von Edelleuten dem Zelte zu, unter dem ihn der Raja
aufs freundlichste empfing. Kein Muhamedaner war bei der nun
folgenden Unterredung anwesend; als Dolmetscher diente Gaspar
da India. Den Hauptgegenstand bildete der Festungsbau, dessen
Notwendigkeit der Vizekönig unter Hinweis auf den Kriegszustand
mit Calicut, auf die Feindschaft der Mopiah und die Sicherung
der Portugiesen und ihres Handels sowie auf die Vorteile, die
aus dem letzteren für Cananor erwachsen würden, eingehehend
begründete. Der Raja willigte denn auch sowohl in diese Forde-
rung Almeidas wie angeblich in die andere, daß in seinem Lande
der Handel des portugiesischen Königs und seiner Untertanen
künftig abgabenfrei sein solle : wenigstens behauptet das der portu-
giesische Historiker Fernäo Lopez de Castanheda ^ Darauf trennten
sich nach Austausch von Geschenken beide im besten Einvernehmen.
Gleich am nächsten Morgen, dem 25. Oktober 2, ging Almeida
mit aller auf den Schiffen entbehrlichen Mannschaft an Land und
in rüstiger Arbeit aller, des Edelmannes wie des gemeinen Soldaten,
unter Beihilfe auch des Rajas, der Material wie Handwerker zur
Verfügung stellte, wurden in fünf Tagen auf den vorbereiteten
Fundamenten Mauer und Türme bis zu der Höhe aufgeführt, daß
das Geschütz in Stellung gebracht werden konnte und die Feste
verteidigungsfähig war. Man gab ihr den Namen »Santangelo«.
Das Kommando (capitania) erhielt der Obermundschenk des Königs,
Lourengo de Brito, der von Manuel zwar zum Kommandanten der
in Couläo zu erbauenden Festung bestimmt war, aber das Gewisse
dem Ungewissen vorzog und die bereits im Bau begriffene hier
übernahm. Gouverneur (alcaide mör) wurde, sehr zum Verdruß
der portugiesischen Edelleute, der oben erwähnte Kastilianer Gua-
delajara. Als Besatzung blieben rund 150 Mann.
• A. a. O., I. II, c. 17. Die Nachricht ist wenig glaubwürdig; die
Höhe der 1502/03 gezahlten Abgaben s. bei Matteo di Begnino in
Hümmerich, Vasco da Gama, S. 200. Vermutlich liegt Verwechslung
mit der unten erwähnten Herabsetzung des Gewürzpreises vor; ein so
weittragendes Zugeständnis des Rajas hätte Gaspar da Gama in dem
Brief an den König sicher nicht unerwähnt gelassen.
2 Goes (Chron., p. II, c. 7) und Castanheda (a. a. O., 1. II, c. 17)
geben, während ihre eigene Darstellung des Aufenthaltes in Cananor
richtig auf den 25. Oktober führt, den 23. an, ein Beweis, daß Goes
hier wie im ganzen dem Bericht Castanhedas folgt ; denn gemeinsame
Quelle für den Irrtum ist nicht anzunehmen.
85
In der Handelsagentur (feitoria) löste Lopo Cabreira den
Gon^alo Gil schon jetzt ab. Das war nicht beabsichtigt gewesen.
Da der am Ort befindliche Faktor die Lieferungsverträge mit den
einheimischen Kaufleuten abzuschließen hatte, war es für die rasche
Abfertigung der nach Portugal bestimmten Schiffe an sich vorteil-
hafter, wenn er, wie in Cochin Diogo Femandes, vor seiner Ab-
lösung auch die Ladung noch selbst in die Wege leitete. Allein
das erwies sich hier als unmöglich. Das Verhältnis des bisherigen
Handelsagenten zu den muhamedanischen Kaufleuten war das denk-
bar schlechteste, ihre geschäftlichen Beziehungen zur Faktorei fast
abgebrochen. Der Preis, den sie für ein Quintal Pfeffer forderten,
überstieg den in Cananor zuerst bezahlten nach dem Bericht Gaspars
da Gama um 250 Reis'. Meint er mit dem zuerst bezahlten (»ho
prego primeiro«) den vom Admiral 1502 vereinbarten Preis, der
nach Almeidas Instruktion 1505/06 für die Einkäufe maßgebend
sein sollte, so würde das, den Cruzado zu 390 Reis gerechnet,
einschließlich der Abgabe an den Raja, eine Steigerung von 3,05
auf 3,69 Cruzados, ohne die Abgabe von 2,89 auf 3,54 Cruzados
bedeutet haben 2. Verhandlungen des Gaspar da Gama und des
Diogo Lopes, Faktoreischreibers der »Jeronimo«, mit den Kauf-
leuten und dem Raja führten indes rasch zur Einigung : der Pfeffer-
preis wurde auf 3 Cruzados für das Quintal festgesetzt und sollte
zur Hälfte in Geld, zur Hälfte in Waren gezahlt werden ; das war
ein für die Portugiesen recht günstiges Ergebnis 3. Auch der Raja
hatte übrigens gegen Gongalo Gil eine scharfe Anklageschrift beim
Vizekönig einreichen lassen, worin dem Handelsagenten Schädi-
gung des Landes vorgeworfen wurde. Die Erbitterung gegen
ihn, berichtet Almeida unterm 16. Dezember an den König, sei
derart gewesen, daß nur die Kunde von der Ankunft der großen
portugiesischen Flotte vor Anjediva ihn und seine Leute vor dem
Äußersten bewahrt habe ; sofortige Entfernung vom Amte sei also
nötig gewesen, so unerwünschten Aufenthalt auch die Neuordnung
der Faktorei in Cananor mit sich gebracht habe. Almeida gibt
mit den ersten Schiffen, die abgehen, die Anklageschrift nach
Portugal weiter, wohin Gongalo Gil zurückkehrt, empfiehlt aber
mit Hinweis auf die Falschheit der Menschen im Lande und
auf A\itteilungen Lourengos de Brito, in denen die Anklagen als
unwahr bezeichnet werden, sorgfältige Prüfung des Falles.
1 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 202.
2 Vgl. die Angaben des Matteo di Begnino in Hümmerich, Vasco
da Gama, S. 201.
3 Ca Massers Angaben führen auf einen Preis von 3,61 Cruzados,
was ungefähr dem von den muhamedanischen Kaufleuten zunächst ge-
forderten entspräche (a. a. O., S. 26).
86
Hatte Oaspar da India in Cananor wiederum sein kauf-
männisches Geschick und sein Verhandlungstaient bewiesen, so
sollte dem Alternden hier auch ein schönes Glück zuteil werden,
dessen er dankbar in den drei Briefen an den König gedenkt,
die uns von ihm erhalten sind^ Als ihn 14Q8 Vasco da Gama
mit Gewalt von Anjediva nach Portugal mitführte, hatte er in Indien
eine Familie zurückgelassen. Nun erfuhr er, daß ein erwachsener
Sohn von ihm, der inzwischen wie der Vater dort weit herum-
gekommen war, in Vijayanagar mit dem Bruder Luis, einem portu-
giesischen Mönch, der sich zweimal in den vorangegangenen Jahren
länger dort aufgehalten hatte, zusammengetroffen und durch ihn
veranlaßt, im Februar 1503, kurz nachdem Gaspar mit dem Admiral
Malabar wieder verlassen hatte, nach Cananor gekommen war 2.
Wie der Vater hatte er alsbald die Taufe genommen, wie Gaspar
den seinen nach einem der heiligen drei Könige aus Morgenland
den Namen Balthasar erhalten und als Dolmetscher acht Monate
in der dortigen Faktorei gedient. Lopo Suares, der ihn hier kennen
und offenbar seine Fähigkeiten schätzen gelernt hatte, nahm ihn
von Cananor nach dem als Ladehafen wichtigeren Cochin mit
und nun war er dort als Dolmetscher tätig, gewillt wie sein Vater
dauernd in portugiesische Dienste zu treten. Gaspar empfiehlt
den jungen Mann, der zu der Zeit, wo er den letzten seiner drei
Briefe schrieb (Ende 1507), 28 Jahre alt war, wiederholt der Gnade
des Königs.
Um die Ladung der Gewürzschiffe nicht zu verzögern hatte
der Vizekönig am 27. Oktober, wie er an den König schreibt,
»Rafael« und »Lionarda« sowie das Schiff des Antäo Gongalves,
die »Judia«, nach Cochin, Ruy Freire nach Couläo vorausgeschickt,
er selbst fuhr auf der »Jeronimo« mit den andern erst drei Tage
später von Cananor ab und traf am 1. November, Allerheiligen,
in Cochin ein. Die drei erstgenannten Fahrzeuge waren dort am
30. Oktober angekommen, nachdem am vorhergehenden Tag
zwischen Chaliam, das wenig südlich von Calicut, am Südufer des
Beypoor-Flusses lag, und Cochin Sambuken ihnen gefolgt waren,
ohne daß es indes zu einem Angriff kam. Nach einer Fahrt von
über sieben Monaten hatte damit die Flotte das Ziel ihrer Reise
glücklich erreicht.
Aber kaum waren am 1. November abends die Anker der
»Jeronimo« im Hafen gefallen, da legte eine in Cochin stationierte
i~Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 195 ff. und 200 ff.
und Bd. II, S. 371 ff. Zeitlich ist der an zweiter Stelle genannte un-
datierte am frühesten, etwa Dezember 1505, der zuerst aufgeführte, eben-
falls ohne Datum, am spätesten, Ende 1507, abgefaßt.
2 Carlas d'A. d'A., Bd. 111, S. 202 f.
87
Karavelle unter dem Befehl des Christoväo Jusarte bei ihr an und
brachte die Hiobspost, daß in Couläo den portugiesischen Handels-
agenten Antonio de Sä mit 16 Leuten das Schicksal ereilt habe,
vor dem in Cananor den Gonqalo Oil des Vizekönigs Ankunft
in Indien bewahrt hatte: sie waren sämtlich erschlagen worden,
Coulao (Kollam, 9° 10' n. Br., 76° 30' ö. L), heute Quilon im
Staate Travancore, auf sandiger Ebene, gartenumgeben in einer
geschützten Bucht am Meer gelegen, wird schon von den frühesten
arabischen und europäischen Reisenden als bedeutender Stapelplatz
des östlichen Handels erwähnt und war das noch im Beginn des
16. Jahrhunderts. Der brahmanische Raja herrschte über ein an-
sehnliches und reiches Gebiet, das sich bis jenseits des Kaps
Komorin erstreckte, und unterhielt eine achtunggebietende Streit-
macht, größtenteils Bogenschützen, mit der er in ständigem Grenz-
krieg gegen Vijayanagar lag. Duarte Barbosa (1516)' bezeichnet
Couläo als eine sehr große Stadt mit trefflichem Seehafen, in dem
viele Muhamedaner, Heiden und indische Christen Handel trieben
und ihre zahlreichen Schiffe nach Ceylon, Koromandel, Bengalen
und Pegu, Sumatra und Malakka schickten. Da die Stadt am
Südende des malabarischen Pfeffergebietes lag, kamen gewisse
Mengen dieses Gewürzes hier auf den Markt. Eine sehr wichtige
Einnahme des Rajas aber bildeten die Zölle, -die der rege Schiffs-
verkehr in seinen Häfen einbrachte. Affonso d'Albuquerque hatte
gegen Ende des Jahres 1 503 die Stadt besucht, Pfefferladung dort
eingenommen und als Handelsagenten den Antonio de Sä von
Santarem mit einer Anzahl anderer Portugiesen zurückgelassen. Nun
waren, wie es scheint, alle Parangi (»Franken«), die sich in der
Stadt befanden, in dem Gemetzel zu Ende Oktober umgekommen.
Eigene Unklugheit des Antonio de Sä und eigenmächtig gewalt-
tätiges Vorgehen des unbesonnenen Draufgängers Joäo Homem
hatten das Unheil verschuldet.
Von Anjediva aus hatte der Vizekönig den Ritter mit seiner
Karavelle abgesandt um den Handelsagenten in Cananor, Cochin
und Coulao seine Ankunft zu melden, damit sie Vorbereitungen
für die Ladung träfen. Als die Karavelle in Coulao eintraf, erzählte
Antonio de Sä dem Kapitän, daß es Pfeffer in genügender Menge
in der Stadt gebe, daß aber 34 muhamedanische Kauffahrer im
Hafen lägen um Ladung einzunehmen. Sie würden dieselbe auch
schon erhalten haben, wenn er nicht bei der zuständigen Stelle
Einspruch erhoben und darauf hingewiesen hätte, daß vertrags-
mäßig in Coulao muhamedanische Kaufleute erst Ladung erhalten
sollten, wenn die Schiffe des portugiesischen Königs ihren Bedarf
CoUec^ao de Noticias, Bd. II, S. 348.
88
gedeckt hätten. Man habe ihm darauf zugesagt, daß Weisung in
diesem Sinn ergehen würde. Das Verhalten der indischen Behörde
war sonach einwandfrei gewesen, das Angebot von Waren seitens
der indischen Kaufleute aber anscheinend unzulängh'ch. Der Ver-
dacht lag nahe, daß die muhamedanischen Handelsherrn sie an
sich zu ziehen wüßten. Die Gabe ruhigen Zuwartens besaß nun
niemand weniger als Joäo Homem; er fand, daß es ein sehr
einfaches und wirksames Mittel gebe den muhamedanischen Kauf-
leuten die Pfefferausfuhr unmöglich zu machen, ein Mittel, wie es
ähnlich gegenüber den christlichen Kauffahrern von den Mameluken-
sultanen in Alexandrien angewandt wurde, nämlich Wegnahme der
Steuer und Segel; und dem kurzsichtigen Antonio de Sä leuchtete
das ein. Joao Homem ging also sogleich ans Werk und die
muhamedanischen Kaufleute leisteten, da außer der »S. Jorge« noch
die Karavelle desjusarte im Hafen lag, aus Furcht vor Verbrennung
ihrer Schiffe gegenüber der brutalen Vergewaltigung keinen Wider-
stand. Segel und Ruder wurden in die portugiesische Faktorei
gebracht und Joäo Homem fügte nun, von Antonio de Sä nicht
zurückgehalten, zur ersten Torheit die zweite noch größere hinzu:
er fuhr von Coulao ab und dem Vizekönig entgegen um ihm von
seinen Taten Bericht zu erstatten. Das war noch vor Almeidas
Ankunft in Cananor geschehen. In der Gegend dieser Stadt kaperte
die Karavelle zwei kleine muhamedanische Schiffe und der Ritter
legte nun eine neue Probe seiner Umsicht ab: er schickte die
gefangene Mannschaft entwaffnet unter Deck und setzte auf jedes
der Schiffe drei Portugiesen zur Bedienung von Steuer und Segel.
Beim Monte Deli etwas nördlich von Cananor traf er, stolz mit
seinen Prisen daherkommend, die portugiesische Flotte. Aber das
Unglück wollte, daß gerade in diesem Augenblick eines der zwei
gekaperten Schiffe sich von der Karavelle etwas weiter entfernt
hatte; die Gefangenen benutzten rasch entschlossen den günstigen
Augenblick, überfielen und erschlugen die drei Portugiesen und
entrannen aufs hohe Meer, ohne daß man ihrer wieder habhaft
werden kannte. Almeida war empört über die leichtfertige Art,
wie Joaio Homem den Tod der drei Mann verschuldet hatte, und
er wäre seines Kommandos auf der Stelle entsetzt worden, wenn
nicht zahlreiche Edelleute für ihn gebeten hätten. Almeidas Gunst
hatte er auch so verscherzt. Inzwischen waren in Coulao die
Dinge gekommen, wie sie kommen mußten. Die muhamedanischen
Kaufherrn hatten über die ihnen angetane Gewalt und Schmach
bei den obersten Beamten des Rajas heftige Beschwerde erhoben
und diese wie die Stadtbevölkerung für sie Partei genommen. Eine
erregte Menschenmasse griff die Faktorei an und Antonio de Sä
mußte sich aus dem ungeschützten Hause mit zwölf Mann in eine
89
kurz zuvor erbaute Kapelle U. L. Frau flüchten. Da sie hier den
Angfreifem kräftigen Widerstand entgegensetzten, legten die er-
bitterten Massen Feuer an den kleinen Bau und in seinen Flammen
fanden sämtliche Eingeschlossene ihren Tod. Die Faktorei wurde
ausgeplündert. Christovao Jusarte, der noch im Hafen lag, hatte
angesichts der wütenden Volksmenge nicht gewagt von seiner
kleinen Karavelle aus Hilfe zu bringen, er hatte sich damit begnügt
von den Schiffen der muhamedanischen Handelsherrn fünf zu
verbrennen und brachte dann in eiliger Fahrt die Nachricht von
dem Unglück nach Goch in.
Almeida war von dem Vorfall peinlich überrascht. Ihm war
in diesem Augenblick vor allem an einer raschen Abfertigung der
zahlreichen Pfefferschiffe gelegen; eine Strafexpedition aber, die
gegen Coulao damit um des portugiesischen Ansehens willen not-
wendig geworden war, mußte ihm diesen nicht unbedeutenden
Hafenplatz fürs erste verschließen. Trotzdem sandte er noch an
demselben Abend seinen Sohn D. Lourenqo auf der »Flor de la
mar« in Begleitung von »Gabriel« sowie fünf Karavellen^ nach
Goulao ab, wohin Ruy Freire ohne Kunde von dem Geschehenen
bereits unterwegs war. Nach rascher Fahrt trafen sie dort unerwartet
ein und vernichteten trotz heftiger Gegenwehr ohne eigene Verluste
25 Schiffe, die im Hafen lagen, mitsamt ihrer meist aus Gewürz-
nelke, Zimt und andern Spezereien bestehenden Ladung und der
Artillerie; denn ein einsetzender Landwind trieb die brennenden
Fahrzeuge führerlos ins Meer hinaus, in dem sie versanken 2. Eine
weitere Genugtuung freilich erreichte D. Louren^o nicht. Die
indischen Behörden, mit deren Einverständnis der Portugiesenmord
stattgefunden hatte, schickten keine Gesandtschaft und taten nichts
zur Beilegung der Feindseligkeiten. Daß sechs von den verbrannten
Sambuken muhamedanischen Untertanen des Rajas von Cananor,
die fünf von Jusarte zerstörten Schiffe nach Kayan-Kulam gehörten,
gab hier wie dort Anlaß zu Schwierigkeiten 3.
Der Urheber des ganzen Unglücks, Joao Hörnern, erhielt
während des Kampfes um die Schiffe einen Bombardenschuß, der
ihm Schild und Brustpanzer durchschlug, außer einer Quetschung
' Bericht Almeidas aus Cochin vom 16. Dezember 1505.
2 Ebd.
^ In dem Rechtfertigungsbrief, den der neue Raja von Cananor
am 6. Dezember 1507 an den König richtet, wird der Vorfall (Carlas
d'Affonso d'Albuquerque, Bd. 11, S. 402) unter den Gründen angeführt,
die schließlich zum Bruch und zu der langen Belagerung der portu-
giesischen Feste von Mai bis Ende August dieses Jahres geführt hätten.
Die Schwierigkeiten mit dem Raja von Kayan-Kulam wegen der Ladung
s. im folgenden.
90
in der Herzgegend aber keinen Schaden tat. »Sein Glaubenseifer«, so
urteilt Joäo de Barros, »bei Ausführung des ersten Handstreichs war
anscheinend so rein, daß er um deswillen sich nicht schuldig machte;
denn das bezeugte ihm Gott in dem, was er zu seiner Rettung
tat«. Almeida freilich dachte anders; denn obwohl D. Lourengo,
der wie viele angesehene Edelleute dem Unverwüstlichen geneigt
war, ihn bei der Rückkehr der Flotte vorausschickte um dem Vize-
könig die erste Meldung von dem Gelingen der Strafexpedition zu
machen und ihm so dessen Gnade wieder zu gewinnen, enthob ihn
Almeida, der anscheinend inzwischen genaueren Bericht über die
Vorgeschichte des Unglücks von Coulao erhalten oder andere Tor-
heiten des Ritters erfahren hatte, seines Kommandos. »Er hat zahl-
reiche Mißgriffe begangen und sich ziemlich viele Vergehen zu
schulden kommen lassen, würde das auch, wenn ich es zugelassen
hätte, weiter getan und schließlich noch sein Schiff zugrunde
gerichtet haben«, schreibt der Vizekönig in dem Briefe vom 16. De-
zember 1505. Das hat ihn nicht gehindert, als ein Jahr später
Joäo Homem nach Portugal zurückkehrte, ihn der Gnade des
Königs angelegentlich zu empfehlen, weil er sehr gut gedient habe
und mehrfach von Bombardenschüssen getroffen worden sei, so
in der großen Seeschlacht, die D. Lourengo am 16. März 1506 der
Flotte des Samorin von Calicut in der Bucht von Cananor lieferte
und in der auch ein Sohn von Joäo Homem mitfocht'.
VII. Cochin und die Ladung der Schiffe.
Die Stadt Cochin (Kochchl, 10» n. Br., 76« 12' ö. L), vor der
Eroberung Goas durch Affonso d'Albuquerque Hauptstützpunkt
der Portugiesen in Indien, lag auf einem schmalen, sandigen Streifen
Landes, den im Westen das Meer bespülte, im Osten weithin sich
erstreckende Strandseen von wechselnder Breite, das sogenannte
»Hinterwasser von Cochin«, vom Festland abtrennten, am Südufer
eines etwa 700 m breiten Flusses, der hier zur See durchbrach
und Cochin von der benachbarten Insel Vaipin schied, etwas land-
einwärts, aber noch im Bereich von Ebbe und Flut. Der Boden
war feucht ; überall fand man in geringer Tiefe Wasser^. Stattliche
Palmenhaine belebten die flache Landschaft und von Osten schauten
über die wohlangebaute Ebene und das Hügelland die hier noch
ansehnlichen Höhen der Chat herüber. Die Stadt war seit dem
i^rtas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 392 und Castanheda
a.a.O., 1. II, c. 25f.
2 Q. U., S. 147.
91
Erscheinen der Portugiesen im Osten der größte Pfeffermarkt von
Malabar geworden. Erstreckte sich das Gebiet, in dem der meiste
und beste Pfeffer • wuchs, auch vom Kap Komorin bis in die
Gegend von Cananor ', so war weitaus am ergiebigsten doch das
Hinterland von Cochin, und die zahlreichen von den Ghats herab-
kommenden und durch Strandseen unter sich verbundenen Flüsse
erleichterten seinen Transport nach dem Hafenplatz.
Den Raja Trimumpate (Trimumpara), der 1500, nach dem
Portugiesenmord in Calicut, Cabral gastlich aufgenommen und ihm
Ladung verschafft, der trotz aller Drangsale, welche die aus seiner
Portugiesenfreundlichkeit erwachsene Feindschaft mit dem Samorin
über ihn und sein Land gebracht, an dieser Freundschaft treu fest-
gehalten und so den neuen Ankömmlingen ermöglicht hatte in
Indien festen Fuß zu fassen, fand Almeida bei seiner Ankunft nicht
mehr auf dem Throne. Hochbetagt hatte er die Herrschaft nieder-
gelegt und sich dem Weltleben entsagend in einen Tempel unter
seine Brahmanen zurückgezogen -. Das Erbe hatte der Landessitte
gemäß einer seiner Schwestersöhne angetreten, nicht ohne daß
innere Wirren den Frieden des Landes störten ; denn ein ursprüng-
lich zum Nachfolger bestimmter älterer Schwestersohn Trimumpates,
der in dessen Kämpfen mit dem Samorin — wie einer der größten
Vasallen, der Herr von Repelim am Fuße des Ghat^ — gegen
seinen Oheim und die Portugiesen in Waffen gestanden hatte, von
der Nachfolge deswegen ausgeschlossen und mit dem Herrn von
Repelim ins Gebirge vertrieben worden war, hatte ihm den Thron
bestritten, freilich ohne Erfolg. Der neue Raja aber hatte im
Sinne seines Oheims die freundschaftlichen Beziehungen zu Portu-
gal bisher getreulich weitergepflegt. Von diesen Ereignissen erfuhr
Almeida, als er am Tage nach der Ankunft vor Cochin an Land
ging, durch den portugiesischen Handelsagenten am Orte, Diogo
Fernandes Correa, und er sah sich dadurch in eine gewisse Ver-
legenheit versetzt.
Mit einem Ableben des greisen Trimumpate in nicht zu ferner
Zeit hatte man in Lissabon gerechnet und hätte es gern gesehen,
wenn in diesem Falle die Wahl zum Nachfolger auf den portu-
giesischen König gefallen wäre. Almeidas Instruktion enthält'* die
Bestimmung, daß er bei Erledigung des Thrones unter Hinweis
auf die Vorteile und die Sicherheit, die dem Lande daraus erwachsen
würden, in jeder möglichen Weise, aber ohne die Gefühle der
' Garcia d'Orta, Aromatum et . . . medicamentorum apud Indos
nascentium historia, Antverpiae 1593, S. 87 f.
2 Barros, Dec. I, i. iX, c. 5.
3 Barros, Dec. I, 1. VII, c. 1.
< A. a. O., S. 323.
92
einheimischen Bevölkerung zu verletzen, dieses Ziel verfolgen soll.
Das war nun zwar hinfällig geworden ; aber er brachte von Portu-
gal einen Brief und Geschenke Manuels für den Raja von Cochin
mit, die als Anerkennung für dessen Treue gedacht waren, darunter
eine goldene Krone im Wert von 900 Cruzados: sollte er die
Geschenke in die Hände Trimumpates oder in die des neuen
Herrschers legen? Der letztere besuchte ihn kurz nach seiner
Ankunft an Land und versicherte, daß er mit der gleichen Treue
und Ergebenheit wie sein Oheim den Portugiesen zugetan sei ;
allein der Vizekönig beschloß wegen der Geschenke zunächst doch
die Meinung seiner Edelleute und Kapitäne einzuholen, von denen
freilich ein großer Teil D. Lourengo auf der Strafexpedition nach
Couläo begleitete. Als Trimumpate in seiner Pagode, wohl durch
den Brief Manuels, Kenntnis von der Sachlage erhielt, ließ er den
Vizekönig für seine Person um die Geschenke bitten. Aber der
alsbald von Almeida berufene Rat entschied sich nach lebhaftem
Hin und Her für den neuen Raja; man befürchtete im andern
Fall Unstimmigkeiten, ja Wirren zwischen beiden und hielt es für
richtiger sich die Freundschaft des regierenden zu erhalten, zumal
in einem Augenblick wie diesem, wo es infolge des Portugiesen-
mordes von Couläo auch unter den Muhamedanern in Cochin
gärte und die bisherigen Pfefferiieferanten wenig Neigung zeigten
Ladung zu geben '. So fand denn in der Festung — wohl sehr
bald nach Allerheiligen 2 — unter dem üblichen Gepränge die
Übergabe der Geschenke an diesen statt. Feieriich wurde er als
Herrscher anerkannt und er wie seine Nachfolger von jeder Art
Gehorsams- und Abhängigkeitsverhältnis zu Calicut, wie es vor
Ankunft der Portugiesen in Indien bestanden hatte, freigesprochen.
' Brief Caspars da Qama in Carlas d'A. d'A., Bd. Ill, S. 203,
2 Die Zeitangaben des Barros, Goes und Castanheda sind ungenau
und widersprechend für diese Tage. Die zwei letzteren setzen fälsch-
lich Almeidas Ankunft auf den 30. Oktober, an dem Rafaei«, »Lionarda«
und das Schiff des Antao Qongalves (»Judia ) Cochin erreichten ; Barros
gibt für Almeidas Ankunft richtig den I.November an, läßt aber Fernao
Suares ( Rafael«) gleichzeitig mit ihm eintreffen. Bei Goes und Casta-
nheda verschieben sich die Ereignisse durch den Irrtum zeitlich etwas.
Die Überreichung der Geschenke wird nicht vor dem 2. November an-
gesetzt werden dürfen, aber der Natur der Sache und den Bestimmungen
der Instruktion gemäß (a. a. O., S. 295) gleich in den ersten November-
tagen stattgefunden haben. Ob D. Louren?o da von Coulao und Cale-
coulao (Kayan-Kulam) schon wieder zurück sein konnte, wie die ge-
nannten Quellen angeben, ist zweifelhaft. Bei der Übergabe der Geschenke
war er selber jedenfalls nicht zugegen ; denn nach dem Zeugnis der
Urkunde in Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 361 sah ihn
der Raja am 30. Dezember 1505 bei anderer Gelegenheit zum erstenmal.
93
Sie sollten das Recht haben Gold-, Silber- und Kupfermünzen in
ihrem Lande zu schlagen und jedes andere Vorrecht von Königen
genießen. Als Ehrengehalt wurden ferner ihm selbst und seinen
Nachfolgern 640 Cruzados jährlich für einen goldenen Becher an-
gewiesen, Zeichen ehrender Erinnerung an die drei Prinzen des
Hauses, die in den Kämpfen des alten Rajas mit dem Samorin 1 503
gefallen waren, und zahlbar von jenem 24. April 1 504 an, wo mit
Najem Trimumpates und seinem Häuflein tapferer Portugiesen
Duarte Pacheco an der Furt bei Cochin den Samorin besiegt und
eine portugiesische Bombardenkugel, in dessen unmittelbarer Nähe
einschlagend, die Sänfte des Herrn von Repelim zertrümmert, die
Sonnenschirme beider, die Abzeichen ihrer Würde, zu Fall gebracht
und ihnen neun Mann getötet, der stolze Herr von Calicut aber,
selbst bespritzt von dem Blute des Brahmanen, der ihm den Betel
reichte, zu eiliger Flucht seinen Palankin verlassen hatte'. Dagegen
sollte er in Erinnerung an das Gute, das König Manuel dem alten
Raja getan, ihm die gleiche Treue wie dieser beweisen, den Portu-
giesen gegen ihre Feinde jederzeit beistehen wie sie ihm gegen
die seinen. Nachdem der neue Herrscher erwidert und steteTreue
gelobt, Almeida aber feierlich in der Kirche den Vertrag beschworen
hatte, setzte der Vizekönig ihm vor den zahlreich versammelten
vornehmen Portugiesen und Indern die Krone aufs Haupt, die
Vertragsurkunden wurden ausgetauscht und der Raja kehrte dann
inmitten eines festlichen Zuges, in dem die Geschenke vor ihm
hergetragen wurden, nach seinem Palaste zurück.
Am nächsten Morgen begannen die Gewürzschiffe des Königs
und die des deutsch-italienischen Handelskonsortiums alsbald Pfeffer
zu laden. Ihre rechtzeitige Abfertigung war während der nun
folgenden Woche'n die wichtigste, der Ausbau der Feste in Cochin
eine zweite Hauptaufgabe des Vizekönigs. Nachdem der erste Krieg,
den der Samorin 1 503 gegen den Raja von Cochin geführt hatte
um den Portugiesen diesen wichtigsten Stützpunkt ihres Handels
in Indien zu entziehen, durch das Erscheinen der Flotte unter den
beiden Albuquerque Anfang September mit seinem Rückzug aus
dem bis auf die Insel Vaipin bereits eroberten Land unrühmlich
zu Ende gegangen war, hatte der von dem Admiral Vasco da Gama
1502 in Cochin zurückgelassene Handelsagent, der umsichtige,
' Castanheda a.a.O., 1. I, c. 75; dazu ergänzend und berichtigend
die drei im wesentlichen inhaltsgleichen Beschwerdebriefe, die der Raja
von Cochin über Albuquerques Friedensschluß mit Calicut im November
und Dezember 1513 an König Manuel richtet (Cartas de Affonso de
Albuquerque, Bd. III, S. 73ff.), und (ebd., S. 256ff.) den Bericht des
Alvaro Vaz an den König vom 24. Dezember 1504 aus Cochin, S. 265.
Vgl. auch ebd., Bd. IV, S. 42.
94
kühne und energische Diogo Fernandes Correa, den Francisco
d'Albuquerque bestimmt etwa 3 km unterhalb der Stadt gegen das
Meer zu am Fluß eine Festung anzulegen. Sie wurde Mitte Sep-
tember tatkräftig in Angriff genommen, unter Beihilfe des Rajas
rasch in Holz ausgeführt und lag an der Stelle, wo später in der
Portugiesenstadt Cochin das große Strandlagerhaus stand (Casa
do armazem da Ribeira)i. In den schweren Kämpfen, die im
folgenden Jahr mit dem Samorin auszufechten waren und vor allem
durch den Heldenmut des Duarte Pacheco entschieden wurden,
hatten die Portugiesen dann ein weiteres, ebenfalls hölzernes
Festungswerk zur Sperrung einer aus dem angrenzenden Gebiete
des Samorin herüberführenden Furt angelegt. Aber auf die Dauer
1 Barros, Dec. I, 1. VII, c. 2. Castanheda sagt, daß man sie am
Ufer des Flusses von Cochin, oberhalb der Stadt nach dem Innern zu
angelegt habe, »weil sie hier sicherer sei und den Heeren von Calicut
den Eintritt wehre« (I. I, c. 57). Ist das schon an sich nicht wahrschein-
lich, weil dadurch die wichtigste Verbindung, die mit der See, gefährdet
worden wäre, so widerspricht ihm, außer der bestimmten Angabe des
gut unterrichteten Barros, auch eine Stelle in dem Brief, den Francisco
d'Albuquerque am 27. Dezember 1503 von Cochin aus an König Manuel
schrieb und von dem eine frühe deutsche Übersetzung aus dem Nach-
laß Konrad Peutingers erhalten ist (Tagebuch des Lukas Rem, ed. B.
Qreiff, Augsburg 1861, S. 139-157). Es heißt dort (S. 144): »Item, es
deucht uns das pest zu sein, daz wir das schloß bei dem wasser, das
durch die statt Cutzin fleußt, unten am mer machen, dann es sunst in
der statt nit vil sterk het.< Was den Namen betrifft, so wird dort be-
richtet (S. 147): »Und am montag (d. h. 18. September) huob wir an ze
graben das fundament, und gaben dem schloß den namen: Castello
Dalberquercke.« Castanhedas Irrtum bez. der Lage beruht auf Ver-
wechslung: in 1. I, c. 58 sagt er, daß die von den beiden Albuquerque
erbaute Holzfeste den Namen »Manuel« erhalten habe, zu Ehren unseres
Herrn und zur Erinnerung an den König Manuel, dessen Vasallen ihre
Erbauer waren«. Manuel« hieß nun aber in Wirklichkeit ein anderes, von
Diogo Fernandes erst 1505, nach der Abreise des Lopo Suares, erbautes
Festungswerk, das in der Tat zwei Leguas flußaufwärts von Cochin
lag. In dem Bericht von Almeidas Sekretär Qaspar Pereira an den
König (Cartas d'A. d'A., II, S. 356) heißt es: que se fose para riba
jumto com o castello manuell, que diogo fernandes depois da hida de
lopo soares fez , und in dem Bericht Almeidas vom 16. Dezember 1505:
»Senhor, ontem derradeiro dia de novembro fui ver huuma torre de
madeira, que Dieguo Fernandez (fez) duas legoas por este rio acima
. . . e la entramos dentro na torre a quäl e tam boa e tam forte e esta
tam bem aparelhada d'artilharia que soo por ella merece Dieguo Fer-
nandez muita merce porque a fez em luguar muito proveitoso e muito
necesario sem a quäl este rio nunqua estevera bem seguro porque a
tiro de bombarda della esta a terra del Rei de Callecu«.
95
konnten diese Sicherungen dem Bedürfnis doch nicht genügen
und so hatte Diogo Fernandes, nicht nur Handelsagent, sondern
auch Burgvogt in Cochin, bereits vor Almeidas Ankunft im Ein-
verständnis mit dem neuen Raja den Bau einer steinernen Feste
begonnen, den Almeida in richtiger Erkenntnis seiner Bedeutung
nun möghchst rasch und nachdrückUch zu fördern bestrebt war.
Warm erkennt er Diogo Fernandes' Leistung an ; sie scheint ihm
ein Werk, das wenig kostet und dem König die ganze Produktion
des Landes sichert. Die Mauer, wie sie begonnen ist, dünkt ihm
an Stärke der besten in Portugal gleich. Von neuem greifen die
Fidalgos und Ritter so gut wie der gemeine Mann zum Spaten,
schieben Sandkarren und tragen Steine, während die Maurer mit
Kelle und Mörtel am Werk sind. Vor Tagesanbruch geht man
an die Arbeit; der Vizekönig selber und D. Alvaro de Noronha,
der neue Burgvogt (alcaide mör) erheben sich täglich um 2 oder
3 Uhr morgens um ermunternd dabei zu sein. Zwei Stunden
nach Sonnenaufgang zwingt freilich die Glut der Tropensonne
zur Einstellung der Arbeit und erst am Spätnachmittag kann sie
wieder aufgenommen werden. Auch unfreiwillige Unterbrechungen
treten ein : drei, vier Tage bleibt gelegentlich der Stein ganz aus,
der aus dem Innern herangeschafft werden muß und oft nicht in
genügender Menge zur Stelle ist Immerhin, es geht vorwärts und
der Vizekönig hofft im Dezember, daß die Mauern, bis er nach
Beendigimg der Ladung Cochin verlassen wird, zwölf Fuß hoch
aufgeführt, ein Turm mit drei Stockwerken fertig sein werden.
Auch sonst wird gebaut Ein Hospital ist vor Jahresende
bereits geschaffen, nicht so prächtig wie das in Lissabon, berichtet
der Vizekönig, aber ein ordentliches Haus mit guten Betten und
reichlicher Wäsche. Die letztere stammt aus der Beute von Quiloa
und Mombasa. Es liegt unmittelbar bei der Kirche und die Kranken
können von ihrem Lager aus das Christusbild am Hochaltar sehen
und die Messe singen hören. Der Plan eine Ruderflotte zu bauen,
die dauernde Stationierung eines Geschwaders im Osten macht
Vorkehrungen für diese Zwecke erforderlich : schon im Dezember
ist ein Magazin für Schiffsbedarf errichtet und der Verkehr darin
so stark, daß der König sich wundem würde, wenn er ihn sähe,
schreibt Almeida. Starke Flaschenzüge um Fahrzeuge zu bemasten,
eine Windemaschine um kleinere Schiffe, wie Karavellen, an Land
zu ziehen sind montiert Woran es zunächst noch fehlt, sind die
nötigen Schiffshandwerker und Materialien. Die Notwendigkeit
vor Antritt der Heimreise die von der langen Fahrt mitgenommenen
Gewürzschiffe durch Brennen vom Bohrwurm zu reinigen, neu
zu kalfatern und auszubessern, nimmt Zimmerleute und Kalfaterer
stark in Anspruch, verschlingt viel von den mitgenommenen
96
Materialien. Darum geht auch die Zusammensetzung der zweiten
Galeere zunächst nur langsam vorwärts. Dagegen kreuzt die in
Anjediva erbaute unter Joäo Serrao schon in der Nähe von Cochin;
doch sind die Ruderer noch nicht vollzählig.
Zu Kaperkrieg und Unterbindung des muhamedanischen See-
handels wie zum Geleit der mit portugiesischem Paß fahrenden
einheimischen Schiffe streifen drei Karavellen die Küste südlich
von Cochin ab ; ihre Kreuzfahrten gehen über Kap Komorin hinaus
bis zu den Perlfischereien von Cail am Golf von Manaar, wo sie
auf die von der Koromandelküste kommenden Schiffe lauern. Zwei
davon haben auf offener See vier in Couläo beheimatete Fahrzeuge
weggenommen und 80 Mann von der Besatzung getötet, ihre Reis-
ladung erbeutet und die Schiffe dann verbrannt Bei der Knapp-
heit der Lebensmittel in Cochin kommt die Zufuhr sehr erwünscht.
Drei oder vier weitere Schiffe sind zwischen Couläo und Kap
Komorin am Strande von den Karavellen vernichtet worden. Andere
Seestreitkräfte sind nach Norden abgegangen um die Herren der
Meeresküste zu Vasallen des Königs zu machen. Die Kreuzfahrten,
schreibt der Vizekönig, haben es nun allerdings mit sich gebracht,
daß viele Waren, die sonst von Indien nach Portugal gebracht
werden konnten, dies Jahr in der Ladung fehlen. Malabar selbst
erzeugt nur Pfeffer und Ingwer, und »was von auswärts kommt,
bleibt infolge der Furcht vor unsern Armaden aus«. Die muha-
medanischen Kauffahrer, die von Malakka, Sumatra, Pegu und
Bengalen mit Spezereien, Drogen, Edelsteinen und andern Kost-
barkeiten dem reichen Cambaya, dem Welthafen Ormuz und dem
Roten Meer zustrebten, nahmen um den portugiesischen Kreuzern
zu entgehen ihren Weg, statt der Küste entlang, über die Male-
diven und den offenen Ozean.
Besonderes Augenmerk wandte Almeida der Sperrung des
Hafens von Calicut zu. Vom Raja und den zwei großen muha-
medanischen Lieferanten der Portugiesen in Cochin jeweils über
geplante Abfahrt arabischer Handelsschiffe aus den Häfen des
Samorin unterrichtet, ließ er die Küste ständig überwachen, im
Gefühl unbedingter Überlegenheit der portugiesischen Schiffe und
Waffen und des Heldenmutes von Führern und Mannschaften mit
erstaunlich geringen Kräften und doch anscheinend wirksam.
Gelegentliche Verluste blieben freilich auch nicht aus. Am 9. Januar
liefen mit ihren Karavellen Lopo Chanoca und Nuno Vaz Pereira
in Cochin ein, die Segel von Bombardenkugeln durchlöchert und
zerfetzt, das Fahrzeug des Lopo Chanoca überhaupt übel zu-
gerichtet. Sie hatten südlich von Calicut die Mündung des Flüß-
chens Chetua, über die angeblich Pfeffer ausgeführt werden sollte,
umsonst nach muhamedanischen Kauffahrern abgesucht, waren
07
dann aber bei dem wenig nördlicheren Panane, einem belebten
Hafenplatz des Samorin, nahe der Küste von etwa 80 »Prauen«
— Einbäumen zum' Rudern, mit Segel Vorrichtung ' — und zwei
großen Schiffen angegriffen worden. Windstille hatte ihnen nicht
gestattet die überlegene Manövrierfähigkeit ihrer Karavellen voll
zur Geltung zu bringen und die feindliche Artillerie sowie die
vielen Pfeilschützen hatten ihnen aus geringer Entfernung hart
zugesetzt. Schlimmer war aber, daß auf Chanocas Fahrzeug unter
Deck beim Laden einer heiß geschossenen Bombardenkammer ein
Funke ins Pulverfaß gekommen, durch die Explosion das Deck
gesprengt worden war und viele dabei schwere oder leichte Brand-
wunden erlitten hatten. Obwohl von diesem Fahrzeug nicht mehr
als vier Mann unverletzt geblieben waren, gelang es doch nach
langem Kampfe den Feind schließlich zur Umkehr in den Hafen
zu zwingen und mit einem Verlust von sechs Toten und zahl-
reichen Verwundeten, von denen im neu gegründeten Hospital
noch einige starben, Cochin zu erreichen.
All diese rege Tätigkeit jedoch trat an Bedeutung hinter der
Sorge für die rechtzeitige Abfertigung der Gewürzschiffe zurück.
Der Portugiesenmord und der ihm folgende Kriegszustand mit
Coulao hatte diesen Hafen, in dem andernfalls ein oder zwei
Schiffsladungen Pfeffer- zu kaufen gewesen wären, für dies Jahr
verschlossen. Nach Beendigung der Strafexpedition gegen Coulao
hatte D. Lourenqo daher das in der Instruktion als möglichen Ein-
kaufshafen genannte, wenig südlich von Cochin an einem aus-
gedehnten Hinterwasser gelegene Kayan-Kulam (Caiecouläo) an-
gelaufen um für das Schiff des Ruy Freire Pfefferfracht zu erhalten.
Dort hatten auch die Indienflotten der drei vorausgehenden Jahre
durch einen eingeborenen Thomaschristen mit Namen Matthias
für je ein bis zwei Schiffe Gewürzladung bekommen^ und mit
diesem Manne unterhandelte man auch jetzt. Allein diesmal erhob
der Herr des kleinen Ländchens, das damals anscheinend ganz oder
halb selbständig, ein Jahrzehnt später dem Raja von Coulao Unter-
tan war 3, Einspruch gegen sofortige Lieferung: die fünf Schiffe,
die Christoväo Jusarte im Hafen von Coulao nach dem Portu-
giesenmord verbrannt hatte, waren Eigentum muhamedanischer Kauf-
leute aus Kayan-Kulam gewesen und der Raja forderte von Almeida
dafür zunächst Entschädigung; im übrigen sei die Ladung dem
Vizekönig sicher und werde es immer sein. Zu Unterhandlungen
' Lodovico di Varthema ed. Badger, S. 154.
2 Vgl. seinen Brief vom 18. Dezember 1504 in Cartas de Affonso
de Albuquerque, Bd. II, S. 268.
3 Vgl. Lodovico di Varthema ed. Badger, S. 179f. und Duarte
Barbosa in Collecgao de Noticias, Bd. II, S. 348.
Hümmerich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien. 7
98
über diese Forderung fuhren mit D. Louren^o ein Bruder von
Matthias und ein anderer Thomaschrist nach Cochin zum Vize-
könig, während Ruy Freire in Kayan-Kulam bh"eb. Da aber Jusarte
die Mannschaft der verbrannten Schiffe für mitschuldig an der Blut-
tat von Couläo erklärte und Almeida vor Abfertigung der Gewürz-
schiffe keine Zeit zu persönlicher Untersuchung des Falles blieb,
erklärte er die Entscheidung bis dahin vertagen zu müssen, ließ
aber dem Raja sagen, daß er von Antonio de Sä Waren des Königs
gegen die Verpflichtung zur Pfefferlieferung erhalten habe und ihm
daher zwei Schiffsladungen möge geben lassen. Er versprach, daß
Schiffe und Hafen von Kayan-Kulam dafür volle Sicherheit genießen
sollten. Einstweilen sandte er ihm ein Geschenk in Edelsteinen
und die Abgesandten waren befriedigt. Inzwischen hatte aber
Ruy Freire an Ort und Stelle auf eigene Faust unterhandelt und
alles verdorben durch das Angebot mit mehr Ware zu bezahlen,
das Gegenteil dessen, was die indischen Kaufleute wollten, die
vor allem Edelmetall verlangten. Es war darüber zum Unfrieden
gekommen und er hatte ohne Ladung abfahren müssen. In der
ersten Dezemberhälfte sah der Raja sich dann freilich, wie es
Almeida vorausgesehen hatte, zum Einlenken genötigt; ob die von
Matthias damals geführten Verhandlungen ' ein Ergebnis gehabt
haben, erfahren wir nicht.
In Cananor, wo Ingwer und kleinere Posten Pfeffer eingekauft
werden konnten, scheinen die Lieferungen auch nicht in den
gewünschten Mengen und mit der gerade in diesem Jahr so nötigen
Raschheit erfolgt zu sein; die Verbrennung der Schiffe in Couläo,
von der muhamedanische Untertanen des Rajas mitbetroffen worden
waren, hatte in Verbindung mit dem Bau der Festung, der gegen
Ende Dezember nahezu vollendet war, und mit der Tätigkeit der
portugiesischen Kaperschiffe den Haß der Mopiah von Cananor
weiter verschärft, und nachdem Joao Serräo mit der Galeere nach
Cochin abkommandiert worden war, hatte ein bewaffneter Angriff
auf die noch nicht in die Festung verlegte Faktorei stattgefunden
und nur das rechtzeitige Eingreifen des Rajas schweres Blutver-
gießen verhindert. Auch danach erhielten die Portugiesen mehr
schöne Worte als Gewürzladung 2.
Besser ließ, nachdem Verhandlungen mit dem Raja und den
Kaufleuten die wegen der Vorgänge in Couläo herrschende
Spannung gemildert hatten, Einkauf und Verladung sich zunächst
in Cochin an. Hier lagen zu diesem Zweck die drei Schiffe der
deutsch-italienischen Handelsgesellschaft, »Jeronimo«, »Rafael« und
' Bericht Almeidas vom 16. Dezember 1505.
2 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 359f.
9Q
»Lionarda«, femer die »Judia« (d. h. »Jüdin«), die dem Neuchristen,
also getauften Juden Fernando de Noronha gehörte, einem großen
Reeder in Lissabori und Ritter des königlichen Hauses, der vom
König damals den Handel mit Brasilholz von der Terra Nova
(Brasilien) um 4000 Cruzados jährlich gepachtet hatte und dorthin
jedes )ahr seine Schiffe sandte. Es wird derselbe sein, nach dem
die Insel gegenüber der brasilianischen Küste benannt ist, die ein
Femäo de Noronha 1503 entdeckt hattet Daß das Fahrzeug in
Wirklichkeit nicht den für ein portugiesisches Schiff der Manue-
lischen Zeit und ein Jahr vor dem großen Judenmord in Lissabon
äußerst auffallenden Namen trug, daß vielmehr boshafter Witz es im
Hinblick auf den Eigentümer aus einer »S. Christoväo« zur »Jüdin«
gemacht hat, ergibt eine Urkunde Almeidas vom 30. Oktober 15052.
Von königlichen Schiffen lud in Cochin sicher die »Magdalena«,
dagegen »Conceigao«^ und, wie es scheint, »Botafogo« in Cananor.
»Gabriel« und »Flor de la mar« hätten nach der Instruktion in Indien
bleiben sollen, und weil sie von den dazu bestimmten Schiffen die
größten, ihre Kapitäne aber beide angesehene Männer waren, so ent-
hieh Almeidas Instruktion iie Bestimmung, daß, wenn bei Bildung
kleinerer Schiffsverbände für besondere Zwecke einer der beiden
Edelleute einem solchen angehöre, er Geschwaderkommandant sein
solle. Es scheint, als ob diese Bestimmung dem Vizekönig un-
bequem gewesen wäre. Er kannte die trefflichen Eigenschaften
seines Sohnes, in dem hoher Heldensinn sich mit einer Liebens-
würdigkeit und Menschlichkeit paarte, die ihm die Herzen gewann,
und er wußte, daß er D. Lourengo jede Aufgabe anvertrauen durfte.
Joao da Novas hochfahrende Art dagegen erbitterte die Gemüter;
man hätte ihm nur widerwillig gehorcht'*. Konnte Almeida also
ihn und Vasco Gomes d'Abreu in guter Art und ohne Verletzung
ihrer Ehre nach Portugal zurückschicken, so war ihm das jeden-
falls erwünscht. Seine Instruktion ^ bot dazu die Möglichkeit:
Änderung der vom König getroffenen Bestimmungen im ganzen
wie im einzelnen war ihm gestattet, wo nach Zeitpunkt und Sach-
lage ein anderes Verfahren mehr im Interesse des Königs zu liegen
schien. Nun war für ein Fahrzeug von der Größe der »Flor de
la mar« ein Überwintern in dem seichten Hafen von Cochin in
der Tat nicht ungefährlich; deswegen hatte er Ende November
noch daran gedacht sie mit dem Schiff des Felipe Rodrigues unter
D. Lourenqo als Geschwaderchef nach Quiloa zu schicken um beim
1 Q. U., S. 119 Anm. 141.
2 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 178.
3 Carlas de Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 180. ^
* Bericht vom 16. Dezember 1505.
5 A. a. O., S. 332.
100
ersten günstigen Wetter von dort zu Kaperfahrten nach dem Ein-
gang des Roten Meeres aufzubrechen. Daß »Gabriel« mit Ladung
nach Portugal zurückgehen sollte, hatte er mit Vasco Gomes damals
schon vereinbart. Die Expedition nach dem Roten Meer, die in
der Instruktion für die Zeit nach Abfertigung der Gewürzflotte
vorgesehen war und für die ein paar größere Schiffe von Wert
gewesen wären, hatte er um zuvor die drei wichtigen Festungs-
bauten in Indien zu Ende zu führen aufs folgende Jahr verschoben ;
Schiffe vom Geschwader des Pero d'Anhaia, die er zur Aufnahme
von Gewürzfracht noch erwartete, waren ausgeblieben, Ladung aber
durfte er hoffen in genügender Menge für die »Gabriel« zu er-
halten. Ihre Anwesenheit, schreibt er an den König, würde ihn
stattlicher machen, aber er könne sie entbehren, »und, so Gott will,
wird sie in Portugal 150000 Cruzados wert sein«, Vasco Gomes
war es leid, fügt er hinzu, aber die Vorstellung, daß dem König
mehr damit gedient sei, bestimmte ihn die Heimkehr nicht zu ver-
weigern. Ob der Vizekönig mit ähnlichen Gründen auf Joäo da
Nova eingewirkt hat, ob dieser selbst die wiederholte Unterordnung
unter den jungen D, Lourengo unangenehm empfand, jedenfalls
wurde als letztes Gewürzschiff die »Flor de la mar« im Januar
1506 in Cochin geladen.
Über das Leben, das während der Monate November, Dezember
und Januar in der portugiesischen Feste, an der Wage und im
Hafen von Cochin herrschte, sagen unsere Reiseberichte fast nichts,
aber wir können uns aus Urkunden eine Vorstellung davon machen.
Die Dienstvorschriften waren sehr streng. An Land gehen durften
nur der königliche Handelsagent und sein Schreiber und auch
diese nur an den Tagen, für die der Vizekönig das Ein- und Aus-
laden von Waren anordnete, die sie von dem Handelsagenten des
Königs im Lande zu empfangen oder ihm zu übergeben hatten
und bei deren Übergabe und Annahme sie zugegen sein mußten.
Andern Personen an Bord, auch den Kapitänen und Leuten von
Stellung, konnte die Erlaubnis nur vom Vizekönig selber erteilt
werden und nur, wo ein dienstliches Interesse vorlag. Übernachten
an Land war bei strenger Strafe untersagt; war es unvermeidlich,
so mußte der von Bord Beurlaubte in der Faktorei schlafen, bei
Beschäftigung an Land auch dort wohnen. Ein Kapitän, der sich
gegen diese Bestimmungen verfehlte, verlor sein ganzes Gehalt für
die Reise und verfiel außerdem noch einer vom König zu ver-
hängenden Strafe;- Schiffsmeister und Steuerleute gingen ihres
Gehaltes, ihrer Freigüter und jeder Ware, die bei ihnen gefunden
wurde, verlustig, wurden für eine vom König zu bestimmende
Zeit nach St. Helena verbannt und, wenn das Geschwader auf der
Rückreise die Insel berührte, dort zurückgelassen, andernfalls auf
101
Lebenszeit nach S. Thome verwiesen ; der gemeine Mann wurde
noch überdies ausgepeitscht und die entehrende Bestrafung auf allen
Schiffen durch Ausrufer bekannt gegeben. Es galt Desertionen
zu verhindern, die gerade in diesen ersten Jahren der indischen
Unternehmungen besonderes Unheil stiften konnten, wie das Bei-
spiel der zwei Mailändischen Geschützgießer zeigt, die Lodovico
di Varthema 1505 in Calicut traf^, femer Zwistigkeiten und Un-
ruhen zu verhüten, wie sie aus Verletzung der Kastenbräuche und
Ausschreitungen jeder Art entstehen konnten 2.
Die Hauptarbeit an Bord jedes Schiffes hatte zunächst der
königliche Handelsagent (feitor) mit seinem Schreiber. Er hatte
mit diesem vor der Ausreise in Lissabon die Waren, die durch
die Faktorei seines Schiffes gingen, unter Prüfung von Gewicht,
Maß oder Zahl, je nach der Art der Ware, von der Casa das
Indias e deGuine zu übernehmen und Empfangsbestätigung darüber
auszustellen ; seinerseits erhielt er von Faktor und Schreiber des
Indienhauses ein Verzeichnis aller empfangenen Waren, die er unter
den gleichen Sicherungen an den königlichen Handelsagenten des
Platzes abzuliefern hatte, an dem er im Osten Ladung einnahm.
Die Quittung, die er von ihm darüber erhielt, war bei der Rück-
kehr dem Indienhause vorzulegen. Die gleiche Ordnung galt für
die Ladung der Spezereien und der andern Erzeugnisse des Ostens.
Fehlte bei der Übergabe der indischen Waren an die Casa das
Indias mehr, als billigerweise für normalen Verlust angesehen
werden konnte, so hatten es zu dem in Lissabon geltenden Preis
der Ware der Faktor des Schiffes und der verantwortliche indische
Agent des Königs zu zahlen; fehlte bei der Übergabe der euro-
päischen Waren in Indien etwas, so hatte es der Schiffsfaktor, der
sie hingebracht, nach Maßgabe der in Indien dafür geltenden Preise
zu ersetzen. Art und Menge der Spezereien, die mit den dafür
bestimmten Schiffen zu schicken waren, setzten, soweit möglich,
im voraus Faktor und Schreiber des Indienhauses fest; das Ver-
zeichnis dessen, was er zu verladen hatte, erhielt jeder der Handels-
agenten in Lissabon. Eine Zusammenstellung über die Gesamt-
menge der zu ladenden Gewürze sowie Vorschriften über den
Preis der europäischen Waren und die Art ihres Verkaufes ent-
hielt sodann ein dem Vizekönig von dem vedor da fazenda D.
Martinho in Lissabon übergebenes Schriftstück. Maßgebend sollten
bei Ein- und Verkauf im Osten für Almeida die Preise sein,
die Lopo Suares bei der vorgehenden Reise dort gezahlt und
erhalten habe. Darunter sollte bei den Spezereien auch dann nicht
1 Ausgabe von Badger, S. 260 ff.
2 Hierzu wie zum Folgenden vgl. die Instruktion Almeidas a. a. O.
102
herabgegangen werden, wenn die indischen Kaufleute sie biUiger
anbieten würden, die Tauschwaren auch dann nicht teurer verkauft
werden, wenn sich ein höherer Preis als der erzielen ließe, zu
dem sie Lopo Suares abgegeben habe; hier wie dort jedoch sollten
die Preise nicht unter die von dem Admiral im Jahr 1 502 bewilligten
und verlangten herabgehen ; man müsse den indischen Kaufleuten
Vertrauen einflößen, den Glauben an Stetigkeit in den gegenseitigen
Handelsbeziehungen wecken.
Falls Pfeffer sich in den vorgesehenen Mengen auf den mala-
barischen Märkten nicht fände, sollte nach Almeidas Instruktion
guter Lack, soviel man erhalten könne, und von feinem Zimmet
und Ingwer das Doppelte der vorgeschriebenen Mengen verladen
werden. Alle Spezerei aber — und das ist eine der wichtigsten
Bestimmungen — durfte nur durch die an Ort und Stelle in Indien
stationierten königlichen Handelsagenten und ihre Beamten ein-
gekauft werden und von niemandem sonst. Daher mußten die
Gelder nicht nur des Königs, sondern auch aller Freigutberechtigten,
soweit Pfeffer dafür eingekauft werden sollte, diesen übergeben
werden. Damit das richtig vorbereitet war, zahlten vor der Aus-
reise von Lissabon der Kapitän und die sonstigen Personen jedes
Schiffes, die vom König Erlaubnis hatten noch über ihr Freigut
hinaus Pfeffer zu laden, desgleichen die Kommandanten, Fak-
toren, Angestelhen und das sonstige Personal der Festungen dem
Faktor ihres Schiffes all das Geld ein, das sie zum Ankauf des
Pfeffers wie auch der andern ihnen erlaubten Waren mitnahmen.
Aufbewahrt wurde es zusammen mit dem des Königs vom Kapitän.
Der von jedem eingezahlte Betrag wurde vom Schiffsschreiber ver-
bucht und außerdem als Einnahme des Königs unter besonderem
Titel und auf den Namen der Person in die Bücher des Indien-
hauses eingetragen mit dem Zusatz, daß das Geschäft auf Gefahr
des Einzahlers gehe. Dort wurde auch jedem Quittung ausgestellt.
Schiffsmeister, Steuerleute, Matrosen und sonstige Bemannung be-
hielten das Geld für ihre Freigüter während der Reise in eigener
Verwahrung. Erst nach der Ankunft in Indien übergaben sie die
Beträge für Freigut dem Handelsagenten des Schiffes; dessen
Schreiber trug sie in sein Buch sowie in ein von ihm und dem
Faktor angelegtes und unterzeichnetes Heft ein, das ein Vertrauens-
mann der Seeleute so lang in Verwahrung behielt, bis ihm der
Schiffsfaktor die ordnungsmäßigen Quittungen des königlichen
Handelsagenten am Ort ausgehändigt, dem er die Beträge der
einzelnen zum Einkauf übergeben hatte. Gegen diese Quittungen
erhielten die Seeleute dann in Lissabon ihre Freigüter ; das zurück-
gegebene Heft diente dem Schiffsfaktor zu seiner Entlastung. Die
eine Hälfte des für das Geld der Freigutberechtigten eingekauften
103
Pfeffers fiel als Abgabe an den König, die andere erhielten sie zu freier
Verfügung. Fehlte am Gewicht etwas, so teilten sie sich mit dem
König in den Verlust; ging Schiff oder Ladung unterwegs zugrunde,
so wurde für dadurch verlorene Freigüter kein Ersatz geleistet.
Außer dem Freigut an Pfeffer durften Kapitäne, Schiffsmeister,
Steuerleute, Mannschaften jede Art Drogen und Apothekerwaren,
femer Edelsteine, Perlen, Wohlgerüche, Gewebe u. a. einführen
gegen eine Abgabe von 'A und V20 an den König. Für den
Einkauf dieser Waren hatte der Vizekönig eine zuverlässige Per-
sönlichkeit, die mit den Verhältnissen im Osten vertraut war, zum
Handelsagenten (feitor para a compra das cousas miudas) zu er-
nennen und ihr einen Schreiber beizugeben. Dieser zeichnete die
seinem Faktor von den Parteien übergebenen Beträge auf und beide
leisteten einen Eid, sich ihrer Aufgabe nach bestem Wissen und
Gewissen zu entledigen. Beide durften zu den vom Vizekönig
bestimmten Zeiten an Land gehen und wurden hier gehalten wie
die andern Handelsagenten und Kapitäne, Bezüglich der Preise,
die sie zahlten, hatten sie sich nach dem Gutachten der örtlichen
portugiesischen Handelsagenten und ihrer Beamten zu richten.
Konnten sie die gewünschte Menge der verlangten Waren nicht
erhalten, so stand die Verteilung des von ihnen Gekauften dem
Vizekönig oder dem Geschwaderkommandanten der jeweils im
Hafen liegenden Schiffe zu, Waren Perlen, Edelsteine oder andere
Wertgegenstände dabei, so wurden sie nach der Teilung gezählt,
mit dem Namen des Eigentümers ins Buch des Schiffsschreibers
sowie in ein Buch eingetragen, das der Kapitän, der Schiffsfaktor
und Faktoreischreiber sowie ein von den Beteiligten ernannter
Vertrauensmann unterzeichneten, und dasselbe mit den Kostbar-
keiten in eine verschlossene Truhe gelegt, zu der die Genannten
je einen Schlüssel führten. Dies Verfahren bei den kleinen, leicht
zu verbergenden Stücken diente dazu, die Abgabe an den König
wie das Eigentum der einzelnen sicherzustellen. Jede Truhe sollte
femer noch ein vom Vizekönig oder, wo er nicht am Orte sei,
vom Geschwaderkommandanten unterfertigtes Verzeichnis der darin
niedergelegten Sachen enthalten und außerdem in zwei Exemplaren
auf zwei verschiedenen Schiffen ein von Almeida durch Unter-
schrift beglaubigtes Gesamtverzeichnis eingeschickt werden.
Irgendwelche Ware durfte ohne Erlaubnis des Königs von
niemandem nach Indien eingeführt werden, weder auf eigene noch auf
fremde Rechnung, bei Strafe des Verlustes der Ware und des Soldes
und, wenn es ein Kaufmannsschiff war, des Schiffes an den König.
»Das Geld von den Schiffen der Kaufleute werdet Ihr«, so
lautet die für die Deutschen wichtigste Bestimmung der Instruktion
Almeidas, »unserm Faktor übergeben lassen, damit sie aus seiner
104
Hand mit dem Ihrigen icaufen, gemäß den Bedingungen der Ver-
träge, von denen Ihr Abschriften mitnehmt, die Euch D. Martinho
geben wird. Und ebenso werdet Ihr es mit den Waren halten,
die sie mitnehmen« ^ Jeder direkte Verkehr mit den einheimischen
Kaufleuten war ihrem Agenten also untersagt; Kauf und Verkauf
gingen vöUig durch die Hände der portugiesischen Faktoren in
Cochin und Cananor. Das sind die wesenthchen Bestimmungen,
die für den Handel 1505/06 maßgebend gewesen sind.
Am 2. November begannen, wie gesagt, nach Sprenger die
Gewürzschiffe in Cochin zu laden. Diogo Fernandes Correa hatte
offenbar trefflich vorgesorgt. Es war gut getrockneter Pfeffer von
der vorhergehenden Ernte. Vermittelt wurden die Käufe durch
einen damit beauftragten Handelsbeamten des Rajas, Candagora^,
Hauptlieferanten der Portugiesen waren der schon in dem Bericht
des Francisco d'Albuquerque vom 27. Dezember 15033 genannte
Cherina Mercar sowie Mamale Mercar, zwei muhamedanische Kauf-
leute "*. 20 200 Quintal Pfeffer hatte Candagora dem Vizekönig
zu liefern versprochen und die Ladung ging bis in die erste
Dezemberhälfte auch nach Wunsch und ohne Störung von statten.
Soweit ihn nicht der Bau der Festung in Anspruch nahm, über-
wachte Almeida selbst, außer ihm D. Alvaro de Noronha und vor
allem der rastlos tätige Diogo Fernandes das Geschäft des Wiegens
und des Transportes der Ware zu den Schiffen. Die Instruktion
mahnte in dieser Beziehung zu genauester Kontrolle, Vorsicht
besonders mit den fremden Gewichten 5. Landesüblich war für
Pfeffer im Osten das Bahar. Bezüglich seines Verhältnisses zum
portugiesischen Quintal scheint man sich nicht von Anfang an
einig gewesen zu sein; wenigstens gibt Francisco d'Albuquerque
in dem Brief vom 27. Dezember 1 503 aus Cochin ^ es auf drei
portugiesische Quintal an, während es dort nach Matteo di Begnino'^
1502/03 auf 3 Quintal 22 Pfund berechnet worden und nach dem
Lyvro dos pesos da Ymdia des Antonio Nunes von 1554^ sogar
3 Quintal 30 Pfund alten Gewichtes ^ gleich war. An der Ladung
der Schiffe des Affonso d'Albuquerque hatte denn auch viel gefehlt' o.
1 A. a. O., S. 323.
2 Ebd., S.360.
3 Tagebuch des Lukas Rem, S. 148.
* Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 361.
5 A. a. O., S. 329.
6 A. a. O., S. 148.
^ Vgl. Hümmerich, Vasco da Gama, München 1898, S. 200.
8 Collec^ao de monumentos ineditos, Bd. V, S. 33 f.
9 S. o. S. 24 Anm. 2 und S. 25.
10 Cartas de A. de A., Bd. II, S. 301 f.
105
Mit der Entschuldigung, daß Bahar und Quinta! nicht zusammen-
stimmten, suchten im übrigen ungetreue Beamte der Faktoreien
ihr Arbeiten in die eigenen Taschen zu verschleiernd Wirksame
Beaufsichtigung des Wiegens und des Transportes zum Schiff
wurde erschwert durch die weite Entfernung der Pfefferwage ; sie
befand sich mehr als 3 km oberhalb der Festung in der Inder-
stadt Im Interesse des Königs dachte daher Almeida, wie er im
Dezember an Manuel schreibt, ernstlich daran sie in die Nähe der
Festung zu verlegen, war mit dem Raja und den Kaufleuten auch
bereits einig darüber geworden. Der größere Teil des Pfeffers,
der zu Verlust gegangen ist, meint er, wird auf dem Weg von der
bisherigen Wage zum Schiff aus den Booten weg gestohlen worden
sein — tatsächlich lagen nach Sprenger die Schiffe eine Legua,
über 6 km, von der Stadt entfernt im Strom — ; er hat gegen
die Diebstähle Maßregeln ergriffen und hofft, daß nichts mehr
vorkommt.
Auch an der Wage begann die Arbeit, nachdem Diogo Fer-
nandes um 2 oder 3 Uhr aufgestanden war und in der Festung
eine Messe gehört hatte, in den frühesten Morgenstunden und
endete erst mit Eintritt der Dunkelheit; der Faktor nahm an der
Wage auch seine Mahlzeiten ein. Bis in die Nacht hatte er dann
noch mit seinen Schreibern die Berechnungen zu machen. Gewogen
wurden in den ersten Wochen täglich 800, 900, ja 1000 Quintal
Pfeffer und mehr. Solange die zahlreichen Schiffsboote zur Ver-
fügung standen, vollzog sich auch die Beförderung an Bord ohne
Störung.
Dort nützte man jeden verfügbaren Laderaum nach Möglich-
keit aus. Schiffszwieback und Wasserbehälter sowie alle Lebens-
mittel, die das vertrugen, wurden schon vor Beginn der Ladung
aus den unteren in die an Deck befindlichen Kammern gebracht.
Auf die Tonne Laderaum sollten 1 2 Quintal verstaut, Pfeffer und
andere Waren in wohlverschnürten Ballen in die Kammern unter
Deck befördert werden, die des Königs mit seinem Zeichen ver-
sehen und mit Angabe des letzteren vom Schiffsschreiber verbucht,
unter besonders sorgfältiger Überwachung der Freigutpfeffer, den
jedes Schiff führte, an Bord ohne Verpackung abgewogen, ver-
bucht und in doppelt gezeichneten Ballen mit dem übrigen in
den Kammern sicher verstaut werden. Bei der Beschleunigung,
mit der in diesem Jahr das Laden vorgenommen werden mußte,
und unter erschwerenden Umständen, die gegen Mitte Dezember
eintraten, konnten indes, wie es scheint, manche Vorschriften hin-
sichtlich der Ladung nicht genau befolgt werden. Eine Stelle in
Brief des Gaspar da Gama von 1506 a. a. O., S. 379.
106
Almeidas Bericht an den König vom 16. Dezember, die allerdings
verstümmelt und nicht ganz klar ist, zeigt es. Offenbar war eine
vom König angeordnete genaue Schätzung der Anteile der einzelnen
Parteien auf den Schiffen der Kaufleute bei der Ladung unmöglich
gewesen und Almeida hatte daher mit deren Kapitänen und Handeis-
agenten vereinbart, daß der gesamte auf ihren Fahrzeugen ver-
frachtete Pfeffer in Lissabon in ein Lagerhaus gebracht werden
und der König einem jeden sollte geben lassen, was ihm zukäme,
und ebenso bei den andern Waren. Ende Dezember mußte ferner
die »Lionarda«, nachdem sie in Cochin bis zum 18. Dezember
beträchtliche Mengen Pfeffer alter Ernte eingenommen und bezahlt
hatte, in Cananor 2600 Quintal davon an »Rafael«, immerhin eins
der Schiffe des Konsortiums, aber auch an die »Conceigao«, ein
Fahrzeug des Königs, abgeben und sollte dafür ohne Bezahlung
Ersatz von dem königlichen Handelsagenten in Cananor erhalten.
Bei der Abfahrt des ersten Geschwaders am 2. Januar 1 506 fehlten
ihr angeblich noch »bey 1000 Centner'«. Ihre Abfahrt nach Portu-
gal wurde dadurch sehr verzögert und sie kam in eine für die Reise
wesentlich ungünstigere Jahreszeit als »Jeronimo« und »Rafael«.
Zudem scheint es, daß in Cananor entsprechende Mengen Pfeffer gar
nicht zu erlangen waren — man dachte an Rückkehr nach Cochin —
und sie statt dessen Zimmet einnehmen mußte, während der bezahlte
Pfeffer, gemäß Almeidas Versprechen an den Faktor der »Lionarda«,
als zu günstiger Bedingung auf der »Flor de la mar« verladen gelten
und den Kaufleuten aus dem Drittel (genauer 30 %) ersetzt werden
sollte, das an den König als Abgabe zu entrichten war 2, In letzter
Stunde erreichte der in Cochin bis 11. Januar 1 506 zurückgebliebene
Faktor, daß ihm dort wenigstens noch 400 Quintal Pfeffer, wahr-
scheinlich aber schon aus der neuen Ernte, je zur Hälfte von Diogo
Fernandes und seinem Nachfolger Louren?o Moreno gegeben und
mit der Karavelle des Nuno Vaz Pereira auf Gefahr des Königs
nach Cananor gesandt wurden um dort an Bord der »Lionarda«
genommen zu werden.
Die Gründe, weshalb Almeida die Umladung von der »Lionarda«
auf die zwei andern Schiffe vornehmen ließ, waren einerseits die
mangelhafte Anlieferung von Gewürzen in Cananor, wohin zur
Vervollständigung ihrer Ladung, besonders wohl mit Ingwer und
1 Q. U., S. 150. Die Richtigkeit der Angabe ist mir zweifelhaft.
Der Befehl zum Umladen kam am 26. Dezember; am 2. Januar fuhren
die »Rafael« und »Conceigäo« ab: wenn innerhalb dieser wenigen Tage
»Lionarda« 1600 Quintal in Cananor ersetzt bekommen konnte, wozu
dann überhaupt das Umladen? Warum verlud man nicht unmittelbar
auf die beiden andern?
2 Bericht des Qaspar Pereira in Cartas de A. de A., Bd. II, S. 364.
107
Pfeffer, bereits am 26. November drei Schiffe, darunter »Rafael«
und »Judia«, von Cochin abgegangen waren', anderseits die Not-
wendigkeit, instruktionsgemäß einen Teil der Schiffe möghchst bald
nach Portugal abzufertigen, und endlich Rücksichten auf die Segel-
leistung der einzelnen : es sollten nicht die besseren Segler durch
die schlechteren — und zu diesen gehörte die »Lionarda«, wie es
scheint — in der Fahrt behindert werden 2. Das erste Geschwader
ging von Cananor am 2. Januar 1506 ab. Es bestand aus der
»Rafael«, deren Kapitän Fernao Suares Geschwaderkommandant
war, der »Jeronimo« und der »Judia«, Kapitän Antao Gonqalves^
sowie den königlichen Schiffen »Botafogo« und »Conceigäo«,
Kapitän der letzteren Bastiao de Sousa.
Die »Lionarda« war am 20. Dezember geladen von Cochin
nach Cananor abgegangen, kam am Weihnachtsabend an und
wartete dort auf die zwei Schiffe, in deren Gesellschaft sie die
Rückreise machen sollte, nämlich »Gabriel« und »Magdalena«.
Die Ladung dieser beiden ging langsamer vor sich als die der
ersten Schiffe. Trotz Abmahnung seitens der Portugiesen hatte
der Raja sich in der ersten Dezemberhälfte zu kriegerischen Maß-
nahmen — wie es scheint, gegen einen aufsässigen Vasallen oder
den verbannten Kronprätendenten — veranlaßt gesehen und seit-
dem stockten die Zufuhren. Während vorher 800 — 1000 Quintal
täglich gewogen worden waren, brachte man es nun nicht mehr
über 300. Dabei war, was jetzt geliefert wurde, Pfeffer neuer
Ernte, noch ungenügend getrocknet und mit tausend Mängeln
behaftet Auch die Beförderung an Bord war schwieriger, seitdem
die großen Boote der bereits abgefahrenen Schiffe dafür nicht
mehr zur Verfügung standen; ununterbrochen mußte der Vize-
könig den Raja, seine Handelsbeamten und die Kaufleute mahnen,
nach Kulis und Prauen für das Ladegeschäft suchen und der Ärger
nahm kein Ende.
Wiederholt schon hatte der Raja die Portugiesen um Hilfe
für seine kriegerischen Unternehmungen ersucht. Einen Tag nach
Abfahrt der »Lionarda«, am 21. Dezember*, Sonntag, nahmen diese
nun unter D. Alvaro de Noronha an einem Streifzug des Rajas
nach einer benachbarten Insel, flußaufwärts von Cochin, teil. Die
Karavelle des Lopo Chanoca war am vorhergehenden Abend bereits
» Q. U., S. 119 und 148.
2 Bericht Almeidas vom 16. Dezember 1505.
3 Das ergibt sich mit Wahrscheinlichkeit aus Cartas de A. de A.,
Bd. II, S. 354, Zeile 7-10 im Zusammenhalt mit Bd. III, S. 178, Zeile lOf.
* Das »onze de novembro«^ in Cartas de A. de A., Bd. II, S. 3?6
ist Versehen.
108
nach der Feste Manuel vorausgefahren und erwartete dort die An-
kunft der zwei großen Boote von »Gabriel« und »Magdalena«
sowie eines kleinen Bootes und eines malabarischen Caturs, die
mit mehr als 200 portugiesischen Edelleuten und Mannschaften
besetzt und mit Bombarden ausgerüstet frühmorgens zu den
5000—6000 Mann starken Kräften des Rajas stießen, von denen
etwa zwei Drittel Najer waren. Zu irgendwie ernsthaftem Ein-
greifen fand indes D. Alvaro keine Gelegenheit; nicht viel mehr
als ein paar Schreckschüsse abzugeben gestattete ihm der Raja.
Ein kämpfender Feind kam den Portugiesen während des ganzen
Tages kaum zu Gesicht und das Unternehmen bestand fast nur
darin, daß die Najer des Rajas ohne jede Ordnung hier und da
an Land gingen, längs dem Ufer ein paar ärmliche Hütten nieder-
brannten, Kokosnüsse in ihre Einbäume sammelten und von den
Palmen eine Anzahl fällten; »denn das Umhauen der Kokospalmen,
sagen sie, ist der Sieg« — so berichtet Gaspar Pereira^ an den
König. Hatte die kampflustigen Portugiesen schon die ihnen auf-
genötigte Untätigkeit geärgert, so erregte der Raja ihren Unwillen
vollends durch die dringende Bitte, während der ganzen Aktion
seiner Leute nichts zu essen oder zu trinken: wenn sie es täten,
würde das eine schlechte Vorbedeutung sein. So waren sie froh,
als am Nachmittag der indische Herrscher die Seinen mit lautem
»Cucuya« (Mal. Kükkuya) zum Sammeln und Zurückgehen rufen
ließ. Er war in gedrückter Stimmung; denn der Tag hatte ihn
vier Tote und sieben oder acht Verwundete gekostet. Während
er und seine Leute in größeren und kleineren Booten nach Cochin
zurückkehrten und die Portugiesen in der Feste »Manuel« und
auf der Karavelle ihr Essen einnahmen, strömten, teils zur Befriedi-
gung der Neugier teils zur Plünderung der zerstörten Hütten, in
zahlreichen Caturen und großen Prauen heidnische Inder und
Muhamedaner, Untertanen des Rajas wie des Samorin herbei, dessen
Gebiet ja der Feste »Manuel« gegenüber begann, und doch war
außer dem bißchen Holz, aus dem die Hütten bestanden, und
den paar Schemeln, die ihren Hausrat bildeten, nichts zu holen.
Auf dem Rückweg versuchten D. Alvaro und sein Gefolge, als
sie am Palaste des Rajas bei der Inderstadt mit den Booten vorüber-
kamen, noch eine Audienz zu erlangen, wurden aber nicht vor-
gelassen ; Tag und Stunde, ließ er ihnen am Tor sagen, sei ganz
ungünstig: ihm sei vor kurzem eine Katze über den Weg gelaufen^;
am nächsten Morgen könnten sie ihn sprechen. »Semsaborias«,
»Abgeschmacktheiten« — mit diesem Worte faßt Almeidas Sekretär
»"äTa. O., S. 357.
2 Qaspar Pereira a. a. O., S. 359 ; vgl. auch Duarte Barbosa a. a. O.,
S. 332.
109
Gaspar Pereira, der im Gefolge D. Alvaros gewesen war, die Ein-
drücke dieses Tages zusammen. In der Festung erstattete man
dem Vizekönig noch Bericht und hörte, daß wieder sehr wenig
Pfeffer zur Wage gekommen war. Ging hier das Ladegeschäft
unbefriedigend, so hatte D. Lourengo in Cananor nicht mehr Glück,
wohin der Vizekönig ihn zur Ladung und Abfertigung der »Flor
de la mar« geschickt hatte. Er kehrte von dort am 26, Januar
nach Cochin mit dem Schiff zurück, dem noch 4000 — 5000 Quintal
Pfeffer zur vollen Ladung fehlten.
Der oberste Handelsbeamte des Rajas, Candagora, hatte nun
schon wiederholt bei den Dolmetschern des Vizekönigs, Gaspar
da Gama und seinem Sohne Balthasar, sowie bei Gaspar Pereira
darauf hingewiesen, daß er durch seine Bemühungen um die
20200 Quintal Pfeffer und mehr, deren Lieferung er den Portu-
giesen vermittelt, sich wohl das Geschenk verdient habe, das ihm
Almeida dafür versprochen, und daß er von Lopo Suares 60 Cru-
zados und einen goldenen Armring im Werte von 40 Cruzados
erhalten habe. Der Vizekönig ließ ihm daher am 28. Dezember
im Beisein der Genannten durch Diogo Pires in der Festung
100 Cruzados aushändigen, ihm für seine Mühewaltung danken
und ein weiteres Geschenk versprechen, wenn er noch 4000 bis
5000 Quintal Pfeffer für die »Flor de la mar« beischaffen würde.
Der Inder versprach und bekräftigte es durch Handschlag — »wie
sie es gewöhnlich tun und in den meisten Fällen dabei lügen«,
berichtet Gaspar Pereira an den Könige Willkommen war bei
der mangelhaften Pfefferanfuhr, daß am 31. Dezember mit portu-
giesischem Geleitsbrief, begleitet von der Karavelle des Nuno Vaz
Pereira ein indisches Schiff mit Zimmetladung in Cochin einlief. Ein
Teil des Zimmets wurde sogleich als Freigut auf die »Gabriel« ver-
laden, obwohl die dort Freigutberechtigten an Diogo Fernandes Geld
für Pfeffer gegeben hatten. Am 4. Januar 1506 war Vasco Gomes
d'Abreu reisefertig und fuhr am 6. in Begleitung von drei Schiffen
muhamedanischer Kaufleute, die Pfeffer geladen hatten und Sicher-
heitspässe vom Vizekönig führten, nach Cananor um dort noch
Lebensmittel einzunehmen. Er sollte sehen, ob die »Lionarda« reise-
bereit sei, und auf die allein noch in Cochin zurückbleibende
»Magdalena« warten um mit den beiden zusammen als Geschwader-
kommandant 2 die Heimreise auf der »Gabriel« anzutreten,
Sonntag den 11, Januar war auch die Ladung dieses Schiffes
beendigt; zum Kapitän hatte Almeida den bisherigen Handels-
agenten in Cochin, Diogo Fernandes bestimmt, dessen dreijährige
> A. a. O., S. 360.
» A. a. O., S. 362.
110
Amtszeit ablief, und derselbe sollte sich in der Nacht mit seinem
Personal und dem noch in Cochin anwesenden Faktor der
»Lionarda« auf der »Magdalena« einschiffen, als der Raja nach-
mittags dem Vizekönig seinen Besuch in der Festung anmelden
ließ : er wolle von Diogo Fernandes Abschied nehmen. Spät
abends kam er dann auf einem Palankin, begleitet von seinen
Handelsbeamten, und mit ihm gleichzeitig in einem Boote die
muhamedanischen Kaufleute Cherina Mercar und Mamale Mercar.
Almeida und sein Sohn empfingen den Raja am Tor der Festung,
führten ihn hinauf, und nachdem alle Platz genommen, ließ der
Inder sich zunächst von dem verlustreichen Seegefecht bei Panane
erzählen, von dem die Karavellen des Lopo Chanoca und Nuno
Vaz Pereira zwei Tage vorher zurückgekommen waren. Die
Kaufleute erkundigten sich besorgt, ob unter diesen Umständen
ihre drei Schiffe im Geleite der »Gabriel« wohl auch genügend
sicher seien, und Almeida beruhigte sie mit festem Selbstbewußt-
sein, Dann wandte das Gespräch sich der Abreise des Diogo
Fernandes zu. Der Raja bat ihn vor dem Vizekönig noch einmal
Zeugnis dafür abzulegen, wie er und sein Land den Portugiesen
immer zu Diensten gewesen seien, und in diesem Sinn daheim
auch dem König zu berichten, Seiner Hoheit aber zugleich namens
des Rajas zu sagen, daß Diogo Fernandes auch auf dessen Nutzen
gesehen, daß er seine Abrechnungen ordnungsmäßig gemacht, alles
bezahlt und jeden zufriedengestellt, auch die Abgaben an ihn in
vollem Betrag entrichtet habe, so daß er hohe Ehre und Gnade
von Seiten des Königs verdiene. Dann bat er den Vizekönig, den
neuen Festungskommandanten sowie den neuen Handelsagenten
nach dem Abgang des bewährten Diogo Fernandes so wie dieser
seinen Interessen und denen des Landes gerecht zu werden, Almeida
versprach das, rühmte Diogo Fernandes als trefflichen Ritter, er-
klärte sich aber seiner Instruktion entsprechend für verpflichtet, vor
dessen Abreise den Raja und jedermann im Lande zu fragen, ob
der Handelsagent irgend jemandem etwas schuldig geblieben sei.
Alle Anwesenden verneinten das ; nur erklärten sie, daß der Admiral,
sein Neffe Esteväo da Gama und sein Oheim Vicente Sodre sowie
Pedro d'Aguiar, der gleichfalls mit der Flotte des Admirals 1 502/03
in Cochin gewesen war, 25 Bahar Zimt gekauft und nicht bezahU
hätten, Diogo Fernandes erwiderte, daß er von der Sache nichts
wisse, weil die Ladung damals in großer Eile vor sich gegangen
sei, daß die Kaufleute ihm aber tatsächlich von jener Schuld
gesprochen hätten. Man versicherte, daß ihn keinerlei Verantwor-
tung treffe, es wurde aber beschlossen, wenn Gaspar da Gama, der
den Admiral 1 502/03 begleitet hatte und zur Zeit in Cananor war,
die Forderung der Kaufleute als zu Recht bestehend anerkenne,
111
so solle der Vizekönig sie begleichen und man den Betrag von
Vasco da Gama, oder wer sonst zahlungspflichtig sei, in Portugal
wieder einziehen. Darauf bestieg der Raja seinen Palankin und
nahm mit Tränen in den Augen von Diogo Fernandes und dem
ebenfalls heimkehrenden Ruy d'Araujo und Ruy d'Abreu Abschied,
wobei er den Wunsch aussprach den Handelsagenten sowie Ruy
d'Araujo, einen sehr fähigen jungen Mann, der sich von Sprache
und Sitte des Landes gute Kenntnisse erworben hatte, künftig ein-
mal wiederzusehen. Dem Diogo Fernandes hatte er, wie man sich
erzählte, schon vorher fünf Schnüre Perlen, die er um den Hals
trug, die Kaufleute aber zwei Ringe geschenkt und einen dritten
erwartete er noch. Mit acht Fackelträgem, die ihm der Vizekönig
mitgab, kehrte sodann der Raja nach Cochin zurück, während seine
Handelsbeamten bis tief in die Nacht hinein in der Festung blieben,
wo man zwei Briefe, die der indische Fürst in der Landessprache,
dem Malayälam, an König Manuel geschrieben hatte, ins Portu-
giesische übersetzte um beide Fassungen dem -Diogo Fernandes
auf der »Magdalena« mitzugeben. In der Nacht zum 13. Januar
fuhr das Schiff mit vielen Edelleuten und Rittern an Bord und in
Begleitung der Karavelle des Nuno Vaz, die die oben erwähnten
400 Quintal Pfeffer für die »Lionarda« mitführte, nach Cananor ab,
mit einem sehr ausführlichen Bericht an den König aus der Feder
von Almeidas Sekretär Gaspar Pereira. Er enthält alles, was in der
Zeit vom 18. Dezember 1505 bis 12. Januar 1506 an Bemerkens-
wertem vorgefallen war, ist erhalten ' und die Quelle der im Vorher-
gehenden für diese Zeit gegebenen Darstellung; eine ähnliche,
jedenfalls aber umfänglichere Darstellung der Zeit vom 25. März
bis zum 18. Dezember 1505, die mit dem Geschwader des Femao
Suares abgesandt worden war 2, ist uns verloren. Am 21. Januar
traten »Gabriel«, »Lionarda« und »Magdalena« von Cananor aus
die Heimreise an und es blieb nur >Flor de la mar« in Cochin
zurück, die am 8. Januar dort zu laden begonnen hatte und am
2. Februar allein nach Portugal in See ging. Des Vizekönigs
nächste Aufgabe in Indien war damit glücklich erledigt, aber die
Erfahrungen, die er mit dieser ersten Ladung gemacht hatte, be-
stimmten ihn zu dem Rat an den König, im kommenden Jahr (1 506)
keinen Pfeffer von Indien holen zu lassen ; er werde dann zur
rechten Zeit im voraus und mit Muße die nötigen Mengen ein-
kaufen und in guten Magazinen anhäufen lassen, so daß die Schiffe
bei ihrer Ankunft nur zu laden brauchten. Auf diese Weise würde
man von der augenblicklichen Marktlage unabhängiger sein und
1 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 354— 36Q.
2 Cartas de A. de A., Bd. II, S. 354.
112
möglicherweise erreichen, daß mehr mit Waren und weniger mit
Geld gezahh werden könne. Dieser Rat, so einleuchtend er ist,
war leichter zu geben als zu befolgen: die Kosten der jährlichen
Indienflotte, deren man zum Ausbau der Machtstellung Portugals
im Osten doch auch für 1506 nicht hätte entraten können, waren
zu groß, als daß die Krone ein Jahr auf die Einkünfte aus dem
Oewürzhandel verzichten konnte.
Von Mitte September bis Ende Januar hatte der Aufenthalt
der »Lionarda« in Indien gedauert, der von »Rafael« bis Anfang
Januar. Wenn trotzdem weder der Bericht Sprengers noch der
von der »Rafael« viel in Indien Gesehenes und Erlebtes enthält,
so ist daran vor allem wohl die Schwierigkeit schuld in Cochin
an Land zu kommen. Sprenger läßt Indien bei Onor, also unter
140 17' n. Br. beginnen, dem ersten Orte des Festlandes, den er
berührt hat. Das ist ein Irrtum, denn als Anfang des »Ersten
Indien« wird z. B. bei dem ungefähr gleichzeitigen Duarte Barbosa^
das bedeutend nördlichere Reich Gudscherat bezeichnet. Unter
dem seit dem späten Altertum mit wechselnder geographischer
Beziehung gebrauchten Namen India Maior, Großindien, versteht
Sprenger die Gebiete südlich von Cananor, also in erster Linie
Malabar. Die bedeutendsten Häfen dieser Küste sind ihm bekannt:
er weiß von dem im Mittelalter und zu seiner Zeit noch besuchten
Hafenplatz Pandarane (etwa 11° 26' n. Br.), dessen Name in der
Form PantalänT heute an einem elenden Fischerdorf haftet, von dem
Welthafen Calicut; zwischen diesem und Cochin hat er Chäliyam
am Südufer des Beypoor-Flusses und Tänür im Vorbeifahren nennen
hören, in Cochin fast drei Monate vor Anker gelegen und genauere
Kunde über die Lage von Kayan-Kulam (9 ^ 11 ' n. Br.) und Kollam
(8° 53' n. Br.) erhalten. Was darüber hinausgeht, kennt er nur
von unsicherem Hörensagen : er hat nebelhafte Vorstellungen von
dem Reich des Narasinha (Vijayanagar), das er nach der portugie-
sischen Bezeichnung Narsinga Arsinien nennt, wo täglich zwölf
Könige zu Hofe reiten, je einer reicher als der andere, und wo
das Grab St. Thomas' des Apostels liegt. Und eines der Reiche,
über die die Vasallen Narsingas herrschen, wäre nach Sprenger
Persien, woher er auch einen der Heiligen drei Könige stammen
läßt; den zweiten lokalisiert er im Bildertext auf Anjediva^ und
in Cochin 3, in der »Merfart« »hynder Kananor, Kailakuten und
Gutzyn'*«, den dritten im arabischen Ostafrika 5. Die muhame-
1 A. a. O., S. 267.
2 Q. U., S. 17.
3 S. 19 ebd.
* ebd., S. 125.
5 ebd., S. 16 und 123.
113
danischen, schiitischen Perser aber sind ihm »ein gentil volck und
betten Christum unsem erlöser an / Der selb kunig fürt auch groß
krieg umb Christus glaubens willen wider die ungläubigen und
heyden'«. Den Namen Malakka hat er gehört und gibt die Ent-
fernung dieses östlichen Welthafens von Kollam auf 800 Meilen
an. Es ist Festland, sagt er; »dar inn ligen zwo Inseln / da
kommen Negelein un nüß here / die eyn Insel heißt Bandam /
dar uff wachssen Negelein und kein ander spetzerey Die ander
Naguarij / unn wescht nicht dann rot und weißer Sandel dar inn«.
Die Deutung des Namens Naguarij in der »Merfart«, wofür Sprengers
Text zu den Burgkmairschen Holzschnitten anscheinend »Thanagora
oder Naguaria« bot, auf Nagore an der Koromandelküste und von
Thanagora auf den Bezirk von Tanjore^ ist sprachlich bestechend,
sachlich aber völlig unsicher; zum mindesten würde die Angabe
der Lage ganz unrichtig sein; Sprengers »Bandam« hat man ver-
mutlich auf die Banda-Inseln zu beziehen, von denen freilich nicht
die Gewürznelke kam, sondern die Muskatnuß. Die Vorstellungen
sind hier ebenso unklar wie die Aussagen widersprechend. Da
die Gewürzinseln von den Portugiesen erst im folgenden Jahrzehnt
erreicht wurden, kann das nicht verwundern. Jedenfalls kennt er
den großen Stapelplatz Malakka, wo außer Nelken, Muskatblüte
und -nuß das Sandelholz von Timor, der Kampher von Bomeo,
Gold von Sumatra und Zinn von Banka, Seide und Poi-zellan von
China auf den Markt kam. Er gibt sich im übrigen auch nicht
den Anschein mehr zu wissen, als er wirklich zu wissen glaubt.
So gesteht er von den nördlichen Gestaden des Indischen Ozeans
(des »Golfs von Mekka«) keine bestimmte Vorstellung zu haben;
er hat gehört, daß Mekka (Megen) und Cambaya daran liegen,
sagt aber ausdrücklich, daß deren Entfernung von einander ihm
unbekannt ist 3.
Was das Klima betrifft, so hat Sprenger den Wandel der
Jahreszeiten in Indien selbst erlebt und beobachtet, aber von den
Monsunen, den Jahreswinden, schweigt er, obwohl auf ihrem regel-
mäßigen Wechsel die Schiffahrt sowohl der Araber als auch der
Portugiesen im Indischen Ozean beruhte.
Hinsichtlich der Erzeugnisse ist ihm »Großindien« »ein reich
land von edelgesteyn unn Spetzerey*«. Bei den Edelsteinen wird
man, soweit das ihm bekannte Malabar in Frage kommt, mehr
an die dort überall geübte Verarbeitung als an die Gewinnung
1 Q. U., S. 126.
2 ebd., S. 126 Anm. 223.
3 Q. U., S. 125.
* ebd., S. 124.
Hfimmerich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien.
114
denken; Hauptorte der letzteren waren das hinterindische Pegu,
Ceylon und die Diamantfelder von Dekan.
Von der Pflanzenwelt des tropischen Landes fallen ihm die
Palmen ins Auge: »Und wann du in dem selben land bist«, heißt es
von Cochin, »so gestu under den Palmiten bawmeni«, Palmwein
und Palmsyrup wird er wohl meinen, wenn es heißt: »Da wachßt
guoter Wein, vil hönig^«. Beides mag er, wie auch Palmzucker,
vor allem in Cochin kennen gelernt haben — vielleicht auch schon
in Quiloa — ; denn Almeida ließ während der Ladezeit die Schiffe
der Kaufleute ebenso wie die des Königs unentgeltlich mit den
Erfrischungen versorgen, die das Land darbot. Es war bei ihnen
auch besonders nötig; hatten sie doch, wie er tadelnd an den
König schreibt, geradezu sträflich schlechte Lebensmittel mit-
gebracht 3, Auch von den Früchten Indiens hat man ihnen so
zweifellos manches zukommen lassen, schon deshalb, weil ver-
mutlich so wenig wie sonst Skorbutkranke an Bord gefehlt haben
werden. So lernt er die »indische Feige« (port. figo da India)
kennen und hebt neben dem angenehmen Geschmack bewundernd
ihre Größe wie die der Früchte des Tropenlandes überhaupt hervor.
Köstlich mundet ihm das Reiskorn und er rühmt, daß es an Weiße
dem heimatlichen Semmelmehl nicht nachstehe*. Der an Stämmen
oder Stützen emporkletternde Pfeffer erinnert ihn dadurch wie
durch den freilich mehr ährenförm igen Fruchtstand an die heimische
Rebe. Er hörte, daß man um den schwarzen Pfeffer des Handels
zu gewinnen die Früchte noch grün abpflückt und auf Tüchern
an der Sonne trocknet, daß sie um Martini oder Weihnachten,
in der heißesten Zeit, reif werden und daß der Hauptstapelplatz
des Pfeffers Cochin ist. Der Verfasser des Berichtes von der
»Rafael« weiß auch von den wilden Zimmetbäumen, der Canella
brava der Portugiesen, in den Bergen gegenüber Anjediva, deren
Blätter er mit denen des Lorbeerbaumes vergleicht. Sie bilden
übrigens einen charakteristischen Bestandteil auch der Flora von
Cochin 5.
Von der Tierwelt »Großindiens« nennt Sprenger den Elefanten,
spricht im Vorbeigehen von »dem mancherlei wilden und wunder-
lichen Getier, das man nicht beschreiben kann 6«, von der Menge
der Büffel, die als Haustiere namentlich in den Deltaländern und
tiefgelegenen, feuchten Gegenden gehalten werden, und der Rinder,
' Q. U.
, S. 124.
2 ebd.,
S. 18.
3 Bericht vom 16. Dezember 1505.
* Q. U.
, S. ISf.
» Q. U.
, S. 124 und
145.
6 ebd..
S. 19.
115
die in mehreren Arten, besonders der Zeburasse, vortrefflich gedeihen,
z. T. aber auch minderwertig sind. Daß die Kuh, wie bei dem
südindischen Hirtenvolke der Toda der Büffel, in ganz Indien heihg
gehalten wurde, Schlachten des Tieres als Frevel galt, hat er offen-
bar gehört ; er erwähnt freilich nur, daß man sie nicht tötete ^
Mehr weiß er über die Bevölkerung von Malabar zu berichten.
Als braunschwarz schildert er ihre Hautfarbe ; Männer und Frauen
tragen das schwarze Haar lang und gehen nackt, nur daß sie ein
Stück Tuch um die Hüften legen, das er für Leinwand hält 2; in
der Tat war es Baumwolle, bei Vornehmen auch wohl Seide 3,
gelb, rötlich, scharlachrot, besonders aber weiß. »Die kaufleut der
selben land haben all weyß hembder an / und weyß tucher umb
die köpff gewickelt«, heißt es an anderer Stelle; zutreffend ist das
für die fremden Muhamedaner, die vielen arabischen, persischen,
gudscheratischen Kaufherrn, in deren Händen ein großer Teil des
malabarischen Handels lag; denn die einheimischen Muhamedaner,
die Mopiah, gingen bis auf das Lendentuch nackt wie die Najer
und trugen nur, zum Unterschied von den Heiden, kleine Mützen
(carapucinhas) auf dem Kopf und lange Barte. Frauen der höheren
Stände sind anscheinend Sprenger nicht zu Gesichte gekommen ;
denn diese hüllten, außer den Najerfrauen, auch den Oberkörper
in sehr feine weiße Stoffe ein.
Von den malabarischen Kasten hat er, wie es scheint, eine
dunkle Vorstellung, kennt ihrer freilich nur drei: Brahmanen
(»Bremen«), Najer und Mukkuvar (»Mugua«). Von den Brah-
manen weiß er, daß sie Heiden und einflußreich sind und in der
Kastenordnung über den Kaufleuten stehen ; denn das will er wohl
mit den Worten sagen: »die selben haben die gantz kauffman-
schaft underthan diesser land^«. Unter den verschiedenen Arten
von Brahmanen standen die eigentlichen Malabar- Brahmanen (Mal.
nambüdiri) in den malabarischen Staaten am höchsten ; sie übten
im religiösen wie im politischen Leben den maßgebenden Einfluß
und trieben ihrerseits keinen Handel, wie sie auch keine Waffen
trugen. Sie »sind wie Brüder vom guten Leben«, sagt der Bericht
von der »RafaeP«, »und wegen ihrer Heiligkeit schlafen sie bei
der Frau des Königs; und darum erbt nicht der Sohn des Königs,
sondern sein nächster Schwestersohn, weil man nicht weiß, ob
der Sohn vom König stammt oder von einem Brahmanen«. Daß
sie dem Verfasser des Berichtes als »Brüder vom guten Leben«
^ U., S. 18.
2 ebd., S. 17.
3 ebd., S. 117 Anm. 130.
* Q. U., S. 124.
5 ebd., S. 147.
116
erscheinen, hat seinen Grund jedenfalls in der Strenge der Kasten-
bräuche in Bezug auf Nahrung, Lebensführung und religiöse
Übungen. Das Erbrecht der Schwestersöhne hing mit der in der
Najerkaste herrschenden Polyandrie und Ehelosigkeit zusammen;
den Najern aber gehörten die Rajas mancher südindischen Staaten
an, und die Freiheit der Najerfrauen im Geschlechtsverkehr mit
Männern der eigenen wie einer höheren Kaste galt auch für die
Frauen des Fürsten.
Die Najer (Mal. näyar), der stolze landbesitzende Kriegerstand
von Malabar in jener Zeit, sind zwar von der Sudra-Kaste, nehmen
aber den Rang der Kschatriya ein. Als den Adel des Landes
bezeichnet sie mit einem gewissen Rechte nicht nur Sprenger. Alle
aus Najerblut entsprossen, vom Raja selber zu Rittern geschlagen
und in Listen geführt, von Jugend auf nur für den Kriegsdienst
geübt und in eigenen Fechterschulen ausgebildet \ stellten sie die
verlässige und todesmutige Streitmacht der malabarischen Rajas dar.
Für gewöhnlich barhäuptig, das Haar etwas seitwärts zum Schopf
aufgebunden, in Kriegszeiten den roten Turban auf dem Kopfe
und ein gleichfarbiges Tuch um die Hüften geschlungen, begleiteten
sie, jederzeit in Waffen, den Herrscher oder großen Herrn, in dessen
Dienst sie standen. Sie wohnten außerhalb der Stadt, von dem
übrigen Volke gesondert; ihr Viertel war von hohen Wällen um-
geben, hatte seine eigenen Palmenhaine und ausgemauerten Bade-
teiche. Männer wie Frauen mieden als befleckend jede körperliche
Berührung mit Angehörigen niederer Kasten, die sich bei Begegnung
auf der Straße in angemessener Entfernung zu halten hatten, andern-
falls von dem Najer kurzerhand erschlagen werden durften 2.
Zu den niederen Kasten gehörten die in der »Merfart« ge-
nannten Mukkuvar. Sie sind hier als »Buren« bezeichnet, waren
aber den Bauern, den »armen Leuten« der Zeit Sprengers, höchstens
in der niedrigen sozialen Stellung vergleichbar; die Kaste der
Ackerbausklaven bildeten in Cochin tatsächlich die Puliyar, während
die Mukkuvar damals wie heute eine küstenbewohnende, wenig
geachtete Fischer- und Seemannsbevölkerung waren 3.
Als fremdartiges Element inmitten der heidnischen Inder nennt
Sprenger die malabarischen Juden, die damals wohl wie heute*
teils unvermischte »weiße« oder »Jerusalem-Juden« teils reine Inder
mosaischen Glaubens oder Mischlinge waren. Juden begegnen in
Malabar seit früher Zeit. Vor Ankunft der Portugiesen in Indien
1 Duarte Barbosa a. a. O., S. 326 ff.
2 Duarte Barbosa a. a. O., S. 329.
3 Cartas de A. de A., Bd. I, S. 270 und Duarte Barbosa a. a. O., S. 337.
* Francis Day, The land of the Permauls, or Cochin, Madras 1863,
S. 339.
117
war ihre bedeutendste geschlossene Siedelung noch in Cranganor
25 km, nördlich von Cochin, in der zweiten Hälfte des 16. Jahr-
hunderts wird darin das letztere ihr Hauptsitz im Lande, so daß
der Raja von Cochin damals wegen der Menge seiner jüdischen
Untertanen den Spottnamen König der Juden führte '. Ganz unan-
sehnlich kann ihre Kolonie in der Stadt bereits 1505 nicht gewesen
sein; das bezeugt die kleine Geschichte, die ein Zeitgenosse Sprengers,
der Portugiese Gaspar Correa, in seinen »Lendas da India« (»In-
dische Geschichten«) erzählt 2. Mit Almeidas Flotte war Joato
Cotrim ^, Sohn eines hohen Hofbeamten in Lissabon, nach Indien
gekommen. Er brachte, mit Bewilligung des Königs, von Portu-
gal eine Truhe voll hebräischer Thorarollen mit, die sein Vater
entweder selbst hatte schreiben lassen oder, was wahrscheinlicher
ist, anläßlich der Vernichtung der Synagogen in Portugal, die mit
der 1497 erfolgten Austreibung oder gewaltsamen Bekehrung der
portugiesischen Juden zusammenhing, an sich gebracht hatte. Nach
der Ankunft in Indien verkaufte JoSo Cotrim in der Tat eine An-
zahl davon für schweres Geld an die in der Stadt ansässigen Juden.
Unglücklicherweise aber erfuhr der Vizekönig von der Sache, ließ
in ehrlicher Entrüstung über den Handel, der seinem strenggläubigen
Gemüt als- ein Frevel gegen Gott erschien, die verkauften Exem-
plare durch Vermittlung Candagoras wieder einziehen, das dafür
bezahlte Geld den Juden zurückgeben, die Kiste mit den Thora-
rollen aber versiegeln und unterbreitete den Fall dem König.
Manuels Entscheidung fiel, wie eine resignierte Stelle in einem
von Correa'' mitgeteilten Bericht Almeidas vom Jahr 1508 erkennen
läßt, gegen den Vizekönig aus. Wenn Correas Angabe richtig
ist, daß die 13 von Joäo Cotrim verkauften Thorarollen einen
Preis von über 4000 Pardaos erzielt hatten, so müssen in der
jüdischen Gemeinde von Cochin sehr wohlhabende Leute gewesen
sein ; denn der Silberpardao, der als die gangbarere Münze wahr-
scheinlich hier gemeint ist, hatte um 1550 einen Goldwert von
6,65, der. Goldpardao einen solchen von 7,98 Mark. Dieser Reich-
tum war jedenfalls durch kaufmännische Tätigkeit erworben; denn
die Juden nahmen am Handel von Malabar, besonders wohl dem
mit Gewürzen^ und Edelsteinen, einen regen Anteil. Edelstein-
händler war z. B. Gaspar da Gama gewesen ^
1 Joao de Lucena, Vida de S. Francisco de Xavier, S. 54.
2 Bd. I, S. 656.
3 Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 394.
* a. a. O., S. 900.
5 Thome Lopes in Collecgao de Noticias, Bd. II, S. 184.
ö Brief Manuels an den Kardinal-Protektor in Boletim da Sociedade
de Qeographia de Lisboa, VI (1886), S. 674.
118
Von den einheimischen Thomaschristen Südindiens, Nesto-
rianern, hat Sprenger Kunde: in Kollain, sagt er, lebten ihrer viele;
auch das angebliche Grab des Apostels Thomas — in Mailapur an
der Koromandelküste — ist ihm vom Hörensagen bekannt \ Von
Fremden im Lande erwähnt die »Merfart« Türken, deren übrigens
wenig erhebliche Beteiligung am indischen Handel der gleichzeitige,
im Osten weit herumgekommene Lodovico di Varthema^ bestätigt.
Da aber Sprenger von den Arabern und Mopiah ganz schweigt,
ferner Cananor, wo die letzteren besonders zahlreich saßen, als
den Ort der kaufmännischen Tätigkeit der »Türken« bezeichnet
und sagt, daß sie in Indien viele Schiffe besäßen, wofür wir sonst
kein Zeugnis haben, und daß ihr Handel nach Mekka und Cam-
baya gehe 3, so liegt es nahe an eine Verwechslung mit Arabern
oder Mopiah zu denken.
Ein besonderes Interesse hat für den deutschen Reisenden
begreiflicherweise der Raja von Cochin gehabt, den er offenbar
einmal von seinen Najern begleitet im Palankin in die Festung
hat kommen und im Boot eine Wasserfahrt hat machen sehen.
Auf dem Palankin inmitten der Seinen zeigt ihn das Hauptstück
der Burgkmairschen Holzschnittfolge von 1508, »der Kunig von
Gutzin« und dessen Nachbildung in dem Druck der »Merfart«
von 1 509 ; seinen Aufzug zu Land aber wie seine Fahrt im Boote
schildert Sprenger in der »Merfart« mit den Worten*: »Und so
der Kunig von Gutschin wil in einem kleinen schif spatzyren faren
so sytzen sein Edellüt vorn und binden im schif mit yren waffen /
und der Kunig uff eym banck under ynen mit geschrengkten fussen
und stet alweg einer vor ym und helt ein rundt gedeck über yn
da mit er ym schatten macht das yn die Son nit brenn, und gat
alweg eynem an seiner handt Und so er spatzyren wil so voickt
ym für unnd nach sein hofgesinde unn volck mit yren wapen
unn waffen Seyten unn andern frewden spielen Truommeten /Bögen/
Hörner Schalmeyen etc. mit grosser zal und frolockung«. Eine
Reihe von Einzelheiten der Tracht und Bewaffnung, die hier nicht
erwähnt sind, aber der Wirklichkeit entsprechen, zeigen die Holz-
schnitte: den Haarschopf der Najer, ihre Ohrgehänge, die klirrenden
Ringe an ihren Schwertgriffen, die langen Lanzen mit den großen
Eisen, den edelsteinbesetzten, breiten Gürtel des Rajas und seine
hohe Kopfbedeckung. Die Art seines Sitzens — »mit geschrengkten
fussen« — hat der Künstler freilich, wohl aus Schönheitsrücksichten,
1 Q. U., S. 126.
2 ed. Badger, S. 151.
3 Q. U., S. 125.
4 Q. ü., S. 125.
119
nicht genau wiedergegeben; er sitzt, sagt der Italiener Giovanni
da Empoli, der 1503/04 mit Affonso d'Albuquerque in Indien
war, »mit untergeschlagenen Beinen wie ein Schneider'*. Die
»wapen«, von denen Sprenger in seiner Schilderung spricht, sind auf
die verschiedenen Muster zu beziehen, die in allen Farben, Gold,
Silber, Azurblau, Rot und Schwarz 2, auf den fein lackierten, großen,
aber leichten, mit vergoldeten Nägeln beschlagenen hölzernen Rund-
schilden der Najer angebracht waren. Sprengers »Bögen« — eine
alte schwäbische Sprachform — sind Pauken, das »rundt gedeck«
die »chatta«, der Sonnenschirm, eins der Abzeichen der Würde im
Osten.
Ist, was er über Stände und Kastenbräuche in Erfahrung
gebracht hat, nicht viel, so schweigt er über anderes ganz. Eine
malabarische Stadt mit der weitläufigen, zerstreuten Anordnung der
Gebäude, mit den wenigen festeren Steinbauten muhamedanischer
Kaufherrn, den aus Lehmwänden, Matten und Holz bestehenden,
mit Palmwedeln gedeckten niedrigen Häusern der einheimischen
Bevölkerung, ihren steinernen Pagoden, Palmengärten und ausge-
mauerten Teichen^ scheint er überhaupt nicht betreten, von Lebens-
weise, staatlichen Einrichtungen, religiösem Glauben und Aber-
glauben der Eingeborenen so gut wie nichts gesehen und gehört
zu haben, und was in der vlämischen und lateinischen Wieder-
gabe der verlorenen letzten Abschnitte seines Textes zu Burgkmairs
Holzschnittfolge über staatliche Anordnung gemeinsamen Säens
und Emtens steht, ist sachlich kaum zutreffend und hinsichtlich der
Echtheit die ganze Stelle verdächtig, da die »Merfart« nichts dem
Entsprechendes enthält. Allein diese Unzulänglichkeiten sind in den
Verhältnissen begründet und können Sprenger nicht zum Vorwurf
gemacht werden. Der Bericht von der >Rafael«, für Ostafrika so
ergiebig, hat hier gleichfalls nur spärliche Angaben, unter anderem
die, daß die Leichen der Vornehmen in Malabar verbrannt wurden.
Die Tage waren eben mit geschäftlichen Pflichten an Bord und
allenfalls in der Faktorei ausgefüllt; man sah die fremde Welt vor
sich liegen, aber einen tieferen Blick hineinzutun hatten die Be-
satzungen der Gewürzschiffe nur wenig Gelegenheit.
' Ramusio, Navigationi et Viaggi, Venezia 1550, f. 157^.
2 Pyrard de Laval ed. Gray-Beli, London 1887, Bd. I, S. 436 und
Ramusio a. a. O., f. 136 f.
3 Osorius, De rebus Emmanuelis, Coloniae 1581, 1. H, f. 35 v; Harros,
Dec. I, 1. IV, c. 7 Ende; Lodovico di Varthema ed. Badger, S. 136; Ra-
musio a. a. O., f. 136r; Pyrard de Laval ed. Oray-Bel!, Bd. I, S. 401 ff.
120
VIII. Heimfahrt und Ergebnisse \
Am 2. Januar 1506 war das erste Geschwader unter Fernäo
Suares, fünf Schiffe stark, von Cananor in See gegangen. Die
Fahrt über den Indischen Ozean dauerte vier Wochen, Die Steuer-
leute glaubten dabei den üblichen Kurs auf Mogambique einge-
halten zu haben, waren aber, ohne es ?u merken, südwärts ab-
getrieben. Am 1. Februar kam Land in Sicht; die Messung ergab
eine Breite von 14° und man glaubte die afrikanische Küste südlich
von Mogambique erreicht zu haben. Noch konnten ja die Längen
nur ganz unsicher nach den Zahlen der schätzungsweise zurück-
gelegten Meilen ermitteH werden. Unter Windstillen kreuzte man
längs dem Lande nach Süden, als am 7. d. M., einem Sonntag,
zehn Einbäume mit viel Volks vom Ufer her sich näherten. Die
Eingeborenen, die die Boote ruderten, hatten schwarzbraune Haar-
farbe und krauses Haar; alle trugen dünne Assagaie mit Eisen-
spitzen und Schilde sowie Bogen und Pfeile. Sie fuhren um die
Schiffe herum und machten Zeichen, wie wenn sie freies Geleit
erbäten. Darauf ließ Fernäo Suares ihnen in gleicher Weise be-
deuten, daß ein Teil der Bootsinsassen auf die »Rafael« kommen
könne. Ihrer 25 machten von dieser Erlaubnis Gebrauch und
bestiegen das Schiff, das sie wie etwas noch nie Gesehenes be-
trachteten. Alle waren nackt und beschnitten, was zu der irrtüm-
lichen Annahme verleitete, daß sie Muhamedaner seien. Eine Ver-
ständigung mit ihnen gelang keinem der Dolmetscher. Fernäo
Suares befahl den braunen Gästen Speise und Trank vorzusetzen
und Stücke von Baumwollenzeug zu schenken. Sie nahmen alles
1 Über die Ladung und Abfahrt der Gewürzschiffe von Cochin
und Cananor in diesem Jahr sind die portugiesischen Historiker des
16. Jahrhunderts (Castanheda a. a. O., 1. II, c. 23 ; Goes, Chron., p. II, c, 1 1;
Barros, Dec. I, 1. IX, c. 5; Cornea, Lendas, Bd. I, S. 615ff.) ganz mangel-
haft unterrichtet. Ihre Angaben werden widerlegt, richtig gestellt und
ergänzt teils durch Sprenger teils durch den Bericht von der -Rafael
und einen in Lissabon zwischen dem 22. Mai und 3. Juni geschriebenen
Brief (Q. U., S. 149ff. und 92f.), teils durch Gaspar Pereiras bis zum
12. Januar 1506 reichenden Bericht an den König. Die genannten Histo-
riker zählen außer Correa nur acht Gewürzschiffe, während es mit »Flor
de la mar« neun waren, und lassen 'Gabriel« mit dieser, die Anfang
Februar allein ausfuhr, die Reise machen. Daß die übrigen in zwei
Geschwader geteilt und zu verschiedenen Zeiten gefahren sind, weiß
keiner von ihnen. Von den Ereignissen der Heimreise kennen sie nur
die Entdeckung der Ostseite von Madagaskar — Correa auch diese
nicht — , über die am ausführlichsten Castanheda und etwas kürzer Goes
berichten, während Barros sie nur im Vorbeigehen erwähnt.
121
sehr bereitwillig und ließen sich das Essen schmecken ; sobald sie
aber damit fertig waren, ergriffen sie auch das Geschirr, und ehe
man sich's versah, • hatten sie ihre Boote bestiegen, stießen damit
ab und erwiderten die erwiesene Gastfreundschaft, indem sie auf
Fernao Suares mit Pfeilen schössen. Ein paar Bombardenschüsse
trieben sie in rasche Flucht. Unterdes hatten sich andere Ein-
bäume dem nahe der »Rafael« fahrenden Schiff des Ruy Freire
genähert. Auf einen von Femäo Suares alsbald übermittelten Be-
fehl ließ dieser sie dicht herankommen und anlegen, dann aber
bereit gehaltene Mannschaften bewaffnet in die Boote hineinspringen
um die Insassen zu Gefangenen zu machen ; ein Teil von diesen
warf sich ins Meer und entkam schwimmend, aber 21 fielen in
die Hände der Portugiesen. Danach wurde die Fahrt entlang der
Küste fortgesetzt, die größtenteils gebirgig war. Mehr und mehr
zweifelten die Steuerleute daran, daß man das afrikanische Fest-
land vor sich habe. So kam man zu einer Landspitze und der
Mündung eines Flüßchens, wo man in 14 Faden Tiefe Ankergrund
fand und in viertägigem Aufenthalt Wasser und Holz einnahm,
nicht ohne feindlichen Zusammenstoß mit Eingeborenen, wobei
ein Portugiese verwundet wurde. Wieder ging es längs der Küste
gegen Süden. Allabendlich nach Sonnenuntergang wurde das
Wetter stürmisch und nachts gingen heftige Gewitter und Regen-
güsse nieder; mit gerefften Segeln lief das Geschwader gelegentlich
vom Abend bis zum Morgen 30 Leguas. Ein besonders heftiges
Gewitter hatten sie am 1 8. Februar nachts ; der Blitz schlug in den
Fockmast der »Rafael« ein und riß ein paar Splitter Holz davon
weg, richtete jedoch weiteren Schaden zum Glück nicht an. Am
1. März endlich verlor sich die Küste zur Rechten und man stellte
den Inselcharakter des Landes fest: es war Madagaskar, an dessen
Ostküste Fernao Suares als ersten Portugiesen der Zufall geführt
hatte. 14° waren bei der ersten Berührung gemessen worden,
24° maß man beim Verfassen der Küste. Da die Nordspitze der
Insel, das Amber-Kap, unter 12°, die Südspitze, Kap Ste. Marie,
auf 25V2° liegt, so hatte man, wenn beide Messungen zutrafen,
die Ostküste fast ihrer ganzen Länge nach befahren.
Madagaskar war den Arabern schon seit langem unter den
Namen Qamara (Mondinsel) und Qomr bekannt gewesen, an deren
zweiten heute noch die Komoren-Gruppe (Qomair = Kleine Qomr-
Inseln) erinnert. In Portugal hatte man bestimmtere Kunde von der
großen Insel wie von Ostafrika überhaupt durch Pero de Covilhä
erhalten; gefunden hatte sie nach Entdeckung des Seewegs um
das Kap von den portugiesischen Kapitänen zuerst Affonso d'Albu-
querque, und zwar auf seiner ersten Reise nach Indien im Jahr
1503. Von ihm hat sie damals auch den Namen »Insel des hl.
122
Laurentius« erhaltend Hatte Albuquerque sie von Westen gesichtet
— eine Landung hat 1 503 anscheinend nicht stattgefunden — , so
war nun der Verlauf der Ostküste im wesentlichen festgestellt
worden. Die Kenntnis der Küstenumrisse Madagaskars ist in den
folgenden Jahren durch Tristäo da Cunha und Diogo Lopes de
Sequeira rasch gefördert, 1511 in dem nachmaligen Fort Dauphin
die erste europäische Handelsniederlassung gegründet worden und
1517 zeichnete der Portugiese Pedro Reinel in Sevilla eine Karte
davon, die in bezug auf Genauigkeit in Lage und Umrissen zwei-
einhalb Jahrhunderte nicht übertroffen worden ist.
Der von dem Geschwader befahrene Küstenabschnitt ist heute
fast ganz von den lichtsepiabraunen Betsimisaraka und Tanala be-
wohnt. Sie sind, wie das Völkergemisch großer Teile der Insel
überhaupt, in ihrer Grundlage nicht gleich den Bewohnern des
' Die erste Entdeckung Madagaskars ist ein strittiger Punkt. Von
den verlässigeren portugiesischen Historikern des 16. Jahrhunderts weiß
keiner Bestimmtes darüber zu sagen. Nach Goes und Castanheda war
Fernao Suares der erste, der Madagaskar »auf der Außenseite entdeckte
(Q. U., S. 93 f.) ; keiner von beiden gibt aber von einer früheren Berührung
der Innenseite der Insel durch ein portugiesisches Schiff Kunde. Nach
Barros wäre Suares der erste gewesen, der sie »an der Südseite auf-
fand«, aber auch in seinem Werk ist nicht die Rede davon, daß ein anderer
sie an anderer Stelle vorher berührt hätte. Dagegen berichtet Correa
in den Lendas da India (Bd. I, S. 153 — 158) von einer Entdeckung eben
der Ostseite Madagaskars durch den Bruder des Bartolomeo Dias im
Jahr 1500 und von einem längeren Besuche der Insel durch Diogo Fer-
nandes Peteira im Jahr 1503 (Bd. I, S. 418). Auf die erste Angabe hat
Alfred Qrandidier in seinem auf etwa 40 Bände berechneten Riesenwerk
über Madagaskar (Bd. I, S.36ff. und Bd. IV, tom. I, p. II, S. 418) die
Ansicht gegründet, daß die Insel bereits 1500 auf Cabrals Indienfahrt
von den Portugiesen entdeckt worden wäre, und seine Autorität hat ihr
Geltung verschafft (vgl. Vivien de St. Martin, Dictionnaire de Geographie,
und Encyclopaedia Britannica s. v. Madagascar). Ich habe nun in Q. U.,
S. 95ff. gezeigt, daß Correas Darstellung der Reise von 1500—1501 im
allgemeinen ebenso unzuverlässig und unzutreffend ist wie die der Ent-
deckungsfahrt Vascos da Gama (vgl. Hümmerich, Vasco da Gama,
München 1898, S. 109ff.), habe betont, daß von den Quellen erster Hand,
die uns für Cabrals Indienfahrt zur Verfügung stehen, dem Bericht eines
Steuermanns seiner Flotte, dem Brief Vespuccis an Lorenzo dei Medici,
datiert vom Cabo Verde 4. Juni 1501, und der Copia de una littera del
Re de Portagallo mandata al Re de Castella (Roma 1505) keine von der
Entdeckung der Rieseninsel etwas weiß, obwohl alle die abenteuerliche
Fahrt des Diogo Dias erwähnen und in dem Vespucci-Brief gerade das
geographische Interesse das vorherrschende ist, habe weiter darauf hin-
gewiesen, daß während der nächsten Jahre nichts dazu getan worden
ist die angebliche neue Entdeckung weiter auszubauen. Bezüglich des
123
Hochlands von Imerina echte Malayen, sondern nach der einen
Anschauung negroide, in Sitte und religiösen Anschauungen auf
Melanesien zurückweisende, nach der andern echt afrikanische, aus
dem Süden des Kontinents eingewanderte Volkselemente, wenn auch
ihre Sprache ein Dialekt der von allen Madagassen gesprochenen
einheitlichen malayischen (indo-melanesischen) Sprache ist und
darum von keinem der portugiesischen Dolmetscher verstanden
wurde. Die Küstenstämme von Madagaskar haben stellenweise etwas
arabisches Blut in sich aufgenommen, woran einzelne heut noch
lebendige Familientraditionen und — freilich stark entartete —
islamitische Religionsgebräuche hier und dort erinnern. Im Nord-
westen fand Tristäo da Cunha 1 506/07 größere arabisch-muhame-
danische Siedelungen vor. Daß aber die Eingeborenen der Ostküste,
mit denen das Geschwader des Fernäo Suares in Berührung kam.
Diogo Fernandes Peteira steht Correas Angabe zudem in Widerspruch
mit der Darstellung des sonst zuverlässigen Chronisten König Manuels,
des Damiäo de Qoes (Chron., p. I, c, 81). Die bisher von keinem portu-
giesischen Schiff angelaufene Insel, auf der Peteira überwintert hat, wäre
danach — und diese Angabe bestätigen Antonio Galvao (Tratado dos
desvairados caminhos . . . e dos descobrimentos ed. Bethune, London
1862, S. 102), Osorio (De rebus Emmanuelis, Coloniae Agr. 1581, 1. III,
f. SSr) und Barros (Dec. I, 1. VII, c. 11 Schluß) - nicht Madagaskar
gewesen, sondern Sokotora. Das stimmt genau zu der besonderen Auf-
gabe des Geschwaders, dem er angehörte, (Q. U., S. 94 f.): sie bestand
in Erkundung des Eingangs ins Rote Meer und in Kaperfahrten zwischen
Kap Guardafui und der Küste Arabiens. Damit haben sich tatsächlich
die beiden anderen Schiffe des Geschwaders und nach Barros' Bericht
auch er selbst beschäftigt. Hiernach muß die alleinstehende Angabe
des Correa bei seiner notorischen Unzuverlässigkeit im Tatsächlichen
als mindestens unwahrscheinlich gelten. Den Namen Ilha de S. Lourengo
soll Madagaskar nach Qoes 1506 durch Ruy Pereira erhalten haben, der
zur Flotte des Tristäo da Cunha gehörte und von dieser durch Sturm
getrennt am Tage des hl. Laurentius (10. August) die Insel entdeckt hätte,
oder 1508 durch Diogo Lopez de Sequeira. Beides ist unmöglich; denn
der Name kommt bereits in der Instruktion für Cide Barbudo (Cartas
de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 350) vor, der von Lissabon im
November 1505 nach dem Indischen Ozean abgegangen ist (Q. U., S. 149
Anm. 79). Dagegen haben wir eine andere, sehr bestimmte Angabe
über den ersten Entdecker: kein Geringerer als König Manuel bezeugt,
daß es Affonso d'Albuquerque war, und zwar in dem Brief an den Erz-
bischof von Braga vom 19. Juni 1508 über die Taten des Tristäo da
Cunha im Osten, Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 424: =Item :
na terra e ilha de sam lourengo que o dito tristam da cunha foy ver
quando llogo de ca foy, e onde fez gramde estraguo nos mouros, a qual
ilha he a que achou affomso dalbuquerque, se acha muito gengibre.<
Auch wann er sie gefunden hat, läßt sich bestimmen. In den von Albu-
124
alle oder auch nur in der Mehrzahl Muhamedaner gewesen wären,
wie der Bericht von der »Rafael« sagt, ist schwerlich richtig. Das
war hier sicher nur sehr vereinzelt der Fall.
Abgesehen von der Erkundung der Ostküste Madagaskars ist
die Heimreise der fünf Schiffe des Fernäo Suares ohne Ereignis
rasch und glücklich verlaufen. Am 1. März ließ man die Insel
hinter sich und schon am 8. d. M. wurde das Kap passiert. Hier
trennte sich das königliche Schiff »Conceicäo« von den andern ;
es leckte so stark, daß Umkehr nach Mogambique notwendig schien.
Die übrigen vier sichteten weiterfahrend 450 Leguas vom Kap ent-
fernt auf hoher See am 22. März ein großes Schiff und eine Kara-
velle, doch vermochte wenigstens die »Rafael« sie nicht zu erreichen.
Es waren die Fahrzeuge des Cide Barbudo und Pero Quaresma,
die mit besonderen Aufträgen am 1 9. November 1 505 von Lissabon
abgegangen waren, vor allem um nach überfälligen Schiffen der
querques Sohn Bras geschriebenen Commentarios do grande Affonso
Dalboquerque, p. I, c. 10 findet sich die Stelle: Partido o Capitao mör
(Tristäo da Cunha), dali a poucos dias foi aver vista do parcel de Sancta
Maria, que he huma coroa d'area em 17 graos e nieio daltura, sessenta
legoas de Mo^ambique que Affonso Dalboquerque descobrio a primeira
vez que foi a India. Dies »parcel de Sta. Maria* ist ein Teil dessen,
was auf zahlreichen Karten des 16. Jahrhunderts als vBaixos do pracel
(parcel) eingetragen ist, nämlich der Untiefen, die der Westküste von
Madagaskar etwa zwischen dem 16. und 19. Breitengrad vorgelagert
sind. Diese hat Affonso d'Albuquerque also — wie sein Sohn sagt, als
er das erstemal nach Indien ging — entdeckt. Über die erste Indien-
fahrt des großen Kolonialhelden (1503/04) wußten die portugiesischen
Historiker des 16. Jahrhunderts, was die Reise selbst anbelangt, fast
nichts. Sie geben ihm z. B. nur drei Schiffe, während es nach dem
Zeugnis des Italieners Giovanni da Empoli, der sie mitmachte und einen
Bericht darüber geschrieben hat (Ramusio a. a. O., f. 156''— ISS""), vier
gewesen sind. Das Schiff des Giovanni da Empoli wurde zu nicht
näher bestimmbarer Zeit, aber jenseits des Kaps, das alle vereinigt am
6. Juli passiert hatten, durch Stürme, in denen die »Catelin Dias unter-
ging, von den andern getrennt und traf erst, als es von Patta aus bereits
14 Tage nach der indischen Küste unterwegs war, mit den zwei übrig-
gebliebenen, darunter dem Flaggschiff , wieder zusammen. Am 11. Sep-
tember erreichte das Geschwader Cananor. Am 6. Juli also hatte Albu-
querque das Kap doubliert ; dann war in der Bucht von S. Bras Wasser
eingenommen worden. Die Stürme hatten das Geschwader von der
Küste abgetrieben ; das Schiff des Giovanni da Empoli erreichte sie mit
Mühe wieder bei Sofala, Albuquerque ist, da man ihn in Melinde und
Patta vergebens erwartete, nicht wieder zu ihr zurückgekehrt; er hat
in der ersten Augusthälfte die Untiefen an der Westküste von Mada-
gaskar und, wie Manuel in dem Brief bezeugt, auch die Insel selbst
entdeckt und ihr, fügen wir hinzu, den Namen Illia de S. Louren^o ge-
125
Indienflotten von 1503 und 1504 längs der afrikanischen Küste
zu forschen, und die am 1 2. März die Angra das Areas auf etwa
I6V2OS. Br. zur Fahrt nach dem Kap verlassen hatten (Q. U., S. 149
und Ca Masser a. a. O., S. 25). Am 3 1 . März kam die Insel Ascension
in Sicht, die der Bericht von der »Rafael« als eine mäßig hohe,
etwa sechs (in Wahrheit rund vier) Leguas lange Felsinsel schildert,
kahl und ohne Baumwuchs, Niststätte unzähliger Seevögel. Man
lief sie nicht an, weil es kein Wasser dort gab. Am 8. Mai war
man in Breite der Azoren, verfehlte aber die Inselgruppe selber
und lief mit östlichem Kurs dem Heimathafen zu. Am 22. Mai
warf das kleine Geschwader vor Rastello Anker und zwölf Tage
später lief auch die »Conceiqao« dort ein^; sie hatte also die Reise
nach Portugal doch fortzusetzen vermocht.
War die Fahrt dieses Geschwaders vom Glück in seltenem
Maße begünstigt gewesen, so hat die des Vasco Gomes d'Abreu
geben. Der Tag des hl. Laurentius ist der 10. August. Das stimmt
bezüglich der Zeit genau : vier Wochen hat Fernao Suares von Cananor
bis an die Ostküste Madagaskars gebraucht, in etwas über vier Wochen
hat Affonso d'Albuquerque seine Fahrt von der Westküste der Insel bis
Cananor gemacht. Dem widerspricht es nicht, wenn eine Karte (Hydro-
graphia) von Übelin und Essler in dem Straßburger Ptolemäus von 1513
(Leiewel, Geographie du Moyen Age, Atlas, Tafel 43), deren portu-
giesische Vorlage in den Jahren 1501 — 1504 (Leiewel a.a.O., Bd. II,
§ 196 ff.) entworfen zu sein scheint, bei Madagaskar neben diesem Namen
und Comorbinam (statt Comor-diva) die Bezeichnung S. Laurentii auf-
weist. Da Albuquerque zwischen dem 11. und 30., der von ihm voraus-
gesandte Antonio do Campo am 10. September 1504 in Lissabon eintraf
(das beweisen entgegen den sich widersprechenden Angaben der Histo-
riker und des Bras d'Albuquerque die Diarii di Marino Sanuto, Bd. VI,
Sp. 55, 82, 86, 103, 105), kann jene Vorlage ihn ganz wohl schon ent-
halten haben; andernfalls würde, da die Herausgabe der Ptolemäus-
Karte beim Tode Renes II. von Lothringen (10. Dezember 1508) nur vor-
bereitet war und erst 1513 wirklich erfolgt ist, später erlangte Information
zugrunde liegen. Für einen Zweifel scheint mir danach kein Raum
mehr: Madagaskar ist am 10. August 1503 von Affonso d'Albuquerque
entdeckt und nach dem Kalenderheiligen des Tages benannt worden.
Dies zur Ergänzung und Berichtigung meiner Ausführungen in Q. U.,
S. 95ff., bei deren Abfassung mir der II. Band der Cartas de Affonso
de Albuquerque und die darin enthaltenen Urkunden noch nicht zugäng-
lich waren. Der in der oben herangezogenen Instruktion des Cide
Barbudo an der zitierten Stelle genannte Lopo d'Abreu gehörte der
Flotte des Lopo Suares von 1504/05 an (Barros, Dec. I, 1. VII, c. 11) und
die Untiefen osö. von Sofala, die er entdeckt hatte und die Cide Barbudo
kartographisch genau festlegen soll, sind offenbar die Baixos da India (oder
Judia) der portugiesischen Karten des 16. Jahrhunderts (Bassas da India).
1 Ca Masser a. a. O,, S. 23.
126
mit »Gabriel«, »Lionarda« (Kapitän Diogo Correa) und »Magdalena«
(Kapitän Diogo Fernandes Correa) unter einem wenig günstigen
Stern gestanden. Am 21. Januar 1506 fuhren die drei Schiffe von
Cananor ab und zunächst der Küste entlang bis Anjediva ; man ver-
mied auf diese Weise die gefährliche Fahrt zwischen den Korallen-
riffen der Lakkadiven hindurch. Von den Orten, an denen sie auf
dieser Küstenfahrt vorüberkamen, nennt Sprenger den belebten
Handelsplatz Baticala (13° 5Q' n. Br.) und bezeichnet ihn ohne
nähere Begründung als portugiesenfeindlich, wohl wegen der vielen
muhamedanischen Kaufleute, die hier ansässig waren'. Am 5. Fe-
bruar kreuzte das Geschwader, wenn Sprengers Datum richtig ist,
die Linie, muß dann aber durch Ungunst der Winde nur sehr lang-
sam vorwärts gekommen sein ; denn erst viereinhalb Wochen später,
am 8. März, befand es sich, falls die von Sprenger mitgeteilte
Schätzung der Steuerleute bezüglich der Entfernung vom Festland
und von der Komoreninsel S. Christoväo zutraf und mit der letzteren
Mayotta gemeint ist 2, bei dem Hauptinselchen der kleinen Olorioso-
Gruppe, die auf IP 35' s. Br. und 47 0 25—30' ö. L, ungefähr
westlich von der Nordspitze Madagaskars liegt; er nennt es »Fast-
nacht« ; Ilha d'Entrudo oder de Carnaval müßte es also geheißen
haben oder von Vasco Gomes d'Abreu damals genannt worden
sein, ein Name, der auf den portugiesischen Seekarten nicht nach-
weisbar ist. Am 11. März kam eine der Komoren, S. Christovao
— »sant Christoffel« sagi Sprenger — , am wahrscheinlichsten
Mayotta, in Sicht. Er erzählt, daß die Insel fruchtbar und reich
an Fleisch und andern Lebensmitteln sei und daß Ingwer darauf
wachse; von wem diese Angaben stammen, sagt er nicht 3. Daß
es dem Geschwader trotz zweitägiger Anstrengung nicht glückte
an die Insel heranzukommen, fände, wenn »S. Christoffel« das
heutige Mayotta war, seine Erklärung schon in den das hohe
Komoren-Eiland rings umgebenden Korallenriffen, anderseits war
aber auch der Wind so heftig, daß Vasco Gomes d'Abreu sich
schließlich gezwungen sah den Landungsversuch aufzugeben. Die
' Duarte Barbosa a. a. O., S. 292.
2 Q. U., S. 77 ff.
3 Auf der Karte des Diego Ribero vom Jahre 1529 findet sich in
der Tat bei den Komoren ein Eintrag, daß sie außer Lebensmitteln viel
Ingwer hervorbrächten, und wenn von der einen der im mittelalterlichen
Handel gangbaren Sorten dieses Gewürzes, dem Ingwer von Mekka ,
ein Teil wirklich, wie Heyd als möglich annimmt (Levantehandel, Bd. II,
S. 603) und schon Affonso d'Albuquerque in einem Brief vom 10. No-
vember 1507 vermutet (Cartas d'A. d'A., Bd. I, S. 418), von Madagaskar
gekommen sein sollte, so dürfte man auch die nahen Komoren wohl
in sein Erzeugungsgebiet einrechnen.
127
1 00 Leguas, die man nach der Schätzung der Steuerleute noch von
der ostafrikanischen Küste entfernt war, wurden vor ungestümem
Wind in der Zeit vom Abend des 12. bis zum 14. März zurück-
gelegt und man erreichte das Festland 60 Leguas nördlich von
Mo(;ambique, also ungefähr in der Breite der Masimbwa-Bucht.
Vom 14. an ging die Fahrt der Küste entlang nach Süden und
am 19. kam man vor Mogambique an.
Wie das beträchtlich größere Quiloa und Mombasa war auch
dies Araberstädtchen ' auf einer festlandnahen, kleinen Insel an-
gelegt, die, sandig und palmenbestanden 2, die größte und zugleich
innerste von vieren, am Eingang der nach Südost sich öffnenden
Bucht von Mosoril lag. Politisch gehörte .Mogambique, wenigstens
dem Namen nach, zum Machtbereich von Quiloa. Vasco da Gama
hatte hier 1498 die erste Berührung mit dem ostafrikanisch-arabischen
Kulturkreis gehabt, hatte zunächst freundliche Aufnahme gefunden,
dann aber im Unfrieden nach einer wirkungslosen Beschießung
die Stadt verlassen. Indes konnte schon die Indienflotte Cabrals
(1500) friedlich in dem Hafen vor Anker gehen, ihre Vorräte er-
gänzen und einen Lotsen zur Fahrt nach Quiloa an Bord nehmen 3,
auf der Rückreise sogar die Schiffe hier überholen, reinigen und
neu kalfatenr*. Der Admiral D. Vasco da Gama schloß dann 1 502
Frieden und Freundschaft mit dem Scheich von Moqambique ^ und
legte eine Faktorei an um für die portugiesischen Schiffe, die den
Hafen anliefen, den jeweiligen Bedarf an Lebensmitteln bereitzu-
haltend In der Folgezeit entwickelte sich Mogambique zum ver-
hältnismäßig belebtesten Anlegehafen für die portugiesischen Ost-
indienfahrer; fast alle liefen auf der Hin- und Rückfahrt zur Einnähme
von Wasser und Lebensmitteln die Insel an, einzelne Schiffe wie
ganze Geschwader warteten hier nicht selten den Monsunwechsel
ab und von Moqambique aus wurde der Handel geleitet, der den
Portugiesen in Sofala und an den Sambesi-Mündungen (Cuama)
im Austausch gegen indische Baumwollstoffe Gold und Elfenbein
zubrachte '. Auch eine kleine Festung ist noch im ersten Jahrzehnt
des 16. Jahrhunderts hier angelegt worden s. Die Erzeugnisse des
' Collec?ao de Noticias, Bd. 11, S. 112.
2 Expedicao de Francisco Barreto (1569) in Boletim da Sociedade
de Geographia de Lisboa, IV (1883), S. 496.
3 Coli, de Not., Bd. II, S. 112f.
* ebd., S. 136.
5 ebd., S. 163 f.
' Castanheda a. a. O., 1. 1, c 44.
^ Tombo do Estado da India (1554 vollendet) in Colle9ao de Monu-
mentos Ineditos, Bd. V, S. 7 f.
3 Castanheda a. a. O., 1. II, c. 90.
128
Landes selber waren freilich immer knapp und man mußte die
erforderlichen Lebensmittelvorräte vielfach von Quiloa, Pemba und
Sansibar beziehen '.
Bei der Einfahrt des kleinen Geschwaders in die Bucht von
Mosoril traf die »Magdalena« ein Mißgeschick: sie verfehlte die
Fahrrinne, geriet auf Grund und bekam ein Leck, so daß man sie
für verloren hielt. Es gelang zwar sie wieder flott zu machen,
aber die Ausbesserung zwang, da das Schiff vollständig entladen
und aufgelegt werden mußte, zu einer sehr unerwünschten Ver-
längerung des Aufenthaltes. Man benutzte die Zeit um die knapp
gewordenen Lebensmittel Vorräte der Schiffe durch Ankauf von
Ziegen, Hühnern und Fischen zu ergänzen, die Fahrzeuge vom
Bohrwurm zu reinigen und zu kalfatern und trat dann am 14. April
aufs neue die Fahrt an. Nur mühsam arbeitete das Geschwader
sich, bald in Landnähe bald auf hoher See kreuzend, im beständigen
Kampf mit Sturm und Wellen in Richtung auf das Kap vorwärts.
Ein besonders schlimmer Tag war der 19. Mai. Mit völlig ein-
gezogenen Segeln lief die »Lionarda« in schwerem Wetter. Da,
gegen Abend schlug eine mächtige Woge über das Vorderkastell,
brach dieses sowie die herabgelassene große Rahe mit dem Segel
in Stücke und schüttete eine solche Wassermasse über das Deck,
daß es den Leuten bis zur Achselhöhle stand. Zugleich neigte das
Schiff sich so, daß die linke Seite völlig unter Wasser zu liegen
kam, und blieb in dieser Lage »als lang eyner eyn pater noster
mocht betten«. Im rechten Augenblicke gelang es indes noch
die vordere Rahe hochzubringen und ein Segel zu setzen: die
»Lionarda« lief vor dem Wind und richtete sich wieder auf. Aber
die Wassermasse hatte auch eine Luke aufgerissen und sich zum
Teil in die unter dem Oberdeck liegenden Räume ergossen. Tag
und Nacht mußten alle Mann an Bord sich unablässig mit zwei
Pumpen mühen des Wassers Herr zu werden. Zum Unglück
brach auch noch eine Pfefferkammer auf und die herausstürzenden
Ballen erschwerten die Arbeit des Auspumpens und steigerten die
Not aufs höchste. Der Mannschaft drohten die Kräfte zu ver-
sagen ; »do was grosser cleglicher iomer erschröcklich zu sagen
und hören / dann das schiff und wir waren gantz verloren. Aber
dye kunigin aller barmhertzigkeit unn der heilig sant Jacob theten
an uns groß wunderzeichen«. Extrarationen von Brot und Wein,
die den Erschöpften gereicht wurden, belebten die Kräfte. Am
20. wurden große Rahe und Segel ausgebessert und am 21. Mai
war diese Gefahr überwunden, die »Lionarda« wieder manövrier-
fähig. Auch die beiden andern Schiffe, von denen der Sturm sie
• Tombo do Estado da India a. a, O., S. 16.
129
getrennt hatte, kamen um Mittag wieder in Sicht. Aber die vor-
herrschenden Westwinde hemmten immer aufs neue die Fahrt. So
Hefen sie notgedrungen in die flache heutige Algoa-Bucht, die
Bahia da i_agoa (Bucht der Wasserstelle) der Portugiesen, ein, da-
mals auch Bahia da Roca (Bucht des Felsens) genannt. So un-
gestüm aber war auch da der Wind und Wellengang, daß »Lionarda«
und »Gabriel« je zwei Anker verloren, was Vasco Gomes d'Abreu
veranlaßte mit seinem Schiff wieder in See zu gehen. Die zwei
andern folgten am I.Juni in Richtung auf das Kap zu. Inzwischen
waren auf der »Lionarda« der Wein und alle Lebensmittel bis auf
Schiffszwieback und Wasser ausgegangen. Aber der Westwind
hielt mit großer Stärke an, der Zustand aller Schiffe war offenbar
wenig befriedigend und so gab der Geschwaderführer, mit dem
man sich wieder vereinigt hatte, noch am selben Tage Befehl zur
Umkehr nach Mo^mbique; er hatte offenbar beschlossen dort zu
überwintern. Auf der > Lionarda« schlug dieser Befehl wie ein
Blitz ein. Man verhandelte mit der Mannschaft und kam mit ihr
überein die Reise nach Portugal unter allen Umständen fortzu-
setzen ; denn die Vorräte reichten nur für höchstens drei Monate
noch und in Mo^mbique, sagt Sprenger, hätten sie alle Hungers
sterben müssen und Schiff und Gut wären verloren gewesen. Am
3. Juni teilte man Vasco Gomes d'Abreu diesen Entschluß mit,
allein er gebot dem Kapitän, Schiffsmeister und Steuermann bei
Gut und Leben zu gehorchen. Bis zum 8. Juni fuhr in der Tat
»Lionarda« noch im Geschwaderverband mit auf Mogambique zu
— es scheint, daß der Wind nichts anderes zuließ — , an diesem
Tag aber bestürmten der Faktor des Schiffes und die gesamte Mann-
schaft unter Hinweis auf den bedrohlichen Mangel an Lebensmitteln
mit dem flehentlichen Ruf: »Misericordia, Misericordial« den Kapitän
nach Portugal umzukehren. Diogo Correa willigte ein und nach
Sonnenuntergang verließ »Lionarda« das Geschwader in Richtung
des Kaps, mußte aber durch Gegenwind gezwungen am 11. Juni
aufs neue in die Bahia da Roca einlaufen. Hier wurde ein schrift-
licher Protest gegen den Befehl des Kommandanten aufgesetzt und
unterzeichnet um dem König gegenüber den Ungehorsam zu recht-
fertigen'. Vom 13. — 15. Juni legte das Schiff den Weg bis zur
St Francisco- und Kromme-Bucht (Bahia da Lagoa^) zurück, wo
gefischt wurde. Am 1 6. fuhren sie weiter, sahen sich aber durch
Gegenwind genötigt am 18. Juni dahin zurückzukehren und bis
zum 26. festgehalten. In diesen acht Tagen trat man in Tausch-
verkehr mit den Anwohnern der Bucht, viehzüchtenden Hotten-
» Q. U., S. 121 Anm. 177.
2 Q. U., S. 71 ff.
Hämmerich, Deutsche Handelsfahrt nach Indien.
130
totten^ und vervollständigte durch Fleisch, Wasser und Holz in
erwünschter Weise die knappen Vorräte der »Lionarda«. Was
die Eingeborenen für ihr Vieh in Tausch nahmen, war besonders
unbearbeitetes Eisen, dann Messer; Geld kannten, Gold und Silber
schätzten sie nicht ; für eine Messingschelle mittlerer Größe dagegen
kaufte man 1503 eine Kuh von ihnen 2. Über ihren Kulturzustand
berichtet Sprenger verhältnismäßig ausführlich.
Er unterscheidet von der Westküste Afrikas zwischen Beze-
guiche (Cabo Verde) und dem Kap, »Guinea« im weitesten Sinn 3,
das »Land Allago« (»Bahia da Lagoa«), dem er im Bildertext eine
Erstreckung von 550 Meilen (Leguas) längs der Küste ostwärts vom
Kap zuspricht* und das er an »Arabia«, d. h. das arabische Ost-
afrika, im besondern an Sofala, angrenzen läßt. »Es ist ain schön
lustig land von guotem wasser unnd wolriechenden kreuter«^. Der
Boden ist sandig und trägt viel stechendes Dorngestrüpp, weshalb
Männer und Frauen auf breiten Sandalen von einem Stück Leder,
»beynoh den grossen panthofeln gleichförmig«, gehen. Das Land
nährt viel treffliches Vieh, Schafe, Kühe und Ochsen — »so groß
wie die im Alemtejo«, sagt der Roteiro von Gamas Reise, »und
erstaunlich fett« — , die den einzigen Reichtum der Bewohner
bilden. Die Hottentotten nennt er wie die Neger »schwartze oder
moren«, »ein halb wild volck«^; die Verschiedenheit der Farbe und
der Körpergestalt von der der Neger des Grünen Vorgebirges ist
ihm anscheinend nicht aufgefallen, während der Begleiter des Vasco
da Gama, dem wir den Roteiro von dessen Entdeckungsreise ver-
danken, sie deutlich hervorhebt und Giovanni da Empoli, der 1 503
die nahe Mosselbucht besuchte, andere charakteristische Züge des
Typus mit den Worten schildert: »Sie haben keine Haare; ihr
Kopf ist grindig und unförmlich, die Augen triefend.« Auch die
langen, hängenden Brüste der Frauen fielen dem Italiener unan-
genehm auf. Beide Geschlechter gingen nackt; bei denen, die
Kleidung trugen, waren es behaarte Tierfelle, die wie kurze Mäntel
umgehängt bis zum Gürtel reichten. Die Weiber trugen Kopf-
bedeckung von Schaf- oder andern Tierfellen — »für schlair«, wie
Sprenger etwas undeutlich sagt — und am Mantel befestigten sie
1 Q. U., S. 110 Anm. 53.
2 Giovanni da Empoli bei Ramusio a. a. O., f. 156*.
3 Q. U., S. 108 Anm. 43 und 110 Anm. 53.
* Vgl. den Bericht von der »Rafael in Q. U., S. 135, wo für die
Ilhas Derradeiras die Entfernung vom Kap auf 565 Leguas beziffert wird.
5 Q. U., S. 15.
6 Q. U., S. 110.
7 Ramusio a. a. O., f. 156v.
131
buschige Tierschwänze, die vorn und hinten herabhingen '. Die
Haare waren bei vielen Männern mit Klebemitteln künstlich unter-
einander verpicht undMetallplättchen und -knöpfe oder Glaskorallen
als Schmuck darin befestigt 2. Am auffälligsten aber erschien dem
deutschen wie den andern Beobachtern der ersten Jahre der Kul-
kroß, die Schamhülle der Männer, die auch damals wohl wie zwei
Jahrhunderte später zu Peter Kolbs Zeit mittels zweier um die
Hüften gelegter Riemen befestigt wurde; er sagt darüber im Bilder-
text: »Die man tragen köcher oder schänden von holtz oder leder
über yr schäm / Aber die weiber«, fährt er fort, »bedecken sich
mit aim beltzflecken / . . . Den yungen knäblin binden sy ire
schwentzlin über sich.« Die Schamhülle trugen also Knaben noch
nicht 3, Von den Waffen der Hottentotten scheint er mit den »weißen
stäblin« die einen Fuß langen, zum Parieren von Geschossen und
Hieben gebrauchten Kirristöcke zu meinen, vielleicht bezieht es sich
aber auch auf die drei Fuß langen und daumendicken, am einen
Ende zugespitzten Rakkumstöcke (Wurfhölzer). Ihre Kraft und
Geschicklichkeit im Gebrauch der langen, mit Eisenspitzen ver-
sehenen Assagaie und im Schleudern von Steinen hebt Sprenger
im Bildertext rühmend hervor. Unrichtig ist, was er hier wie in
der »Merfart« von Erdwohnungen der Eingeborenen wissen will;
einen Hottentotten kraal hat sicher er so wenig gesehen wie einer
unserer sonstigen Berichterstatter aus den ersten Jahren. Trefflich
charakterisiert er dagegen die Sprache, die er von den Eingeborenen
hörte und die niemand verstand, im Bildertext als »ein schnaltzende
red«. So hat er in den acht Tagen, während deren ihm an der Wasser-
stelle in der Bucht Gelegenheit dazu geboten war, doch mancherlei
charakteristische Eindrücke von Land und Leuten erhalten.
Am 26. Juni trat bei günstigem Winde die »Lionarda« ihre
Fahrt von neuem an und erreichte am I.Juli die heutige Mossel-
bucht, damals Aguada de S. Bras; vom 2. — 6. Juli wurden bei
einem »guten, glückseligen Wind« die rund 60 Leguas von da
bis zum Kap zurückgelegt, das man am 7. Juli glücklich doublierte.
Wieder ging es im Winter der Südhalbkugel in den offenen Ozean
hinein. >Es ist auch umbe den kaben etlich hundert meilen diesser
zeyt so kalt als es in unsern landen umb weynachten / die tag
sein kurtz und die nacht lang / und ist der winter in diessen zeyten
am aller hertsten / so die best zeit des Sommers in unsern landen
ist.« Unter schweren Stürmen und Angst und Not ging es vor-
wärts; am 21. Juli stieg die Insel St. Helena vor ihnen auf, aber
' Ramusio a. a. O., f. 156v.
2 Q. U., S. Ulf. Anra. 57.
3 Q. U., S. 111 Anm. 55.
132
sie vermochten nicht ans Land heranzukommen. Bald darauf lag
man ein paar Tage in Windstille. Ascension wurde gesichtet und
verschwand. Mitte August waren die Inseln des Grünen Vor-
gebirges erreicht; man lief die größte der ganzen Gruppe, Santiago,
an und zwar wahrscheinlich Porto da Praya an der Südküste (14^ 50'),
wo 1497 auch Vasco da Gama anlegte'. Alle Vorräte an Bord waren
wieder arg zusammengeschmolzen und so nahm man Lebensmittel,
Wasser und Holz ein. Da Rinds- und Ziegenhäute sowie Unschlitt
neben Baumwolle im beginnenden 1 6. Jahrhundert die wichtigsten
Ausfuhrgegenstände der Kapverden waren 2, gab es Fleisch in ge-
nügender Menge und an Früchten war kein Mangel, wenn die
Gärten auch freilich künstlicher Bewässerung bedurften: Orange
und Zitrone, Granatbaum und Feige gediehen, wenigstens gegen
die Mitte des 1 6. Jahrhunderts, in verhältnismäßiger Fülle ^. Ge-
rühmt wird die feine Baumwolle von Santiago, die hier auch zu
verschiedenen Sorten gestreifter Stoffe verarbeitet wurde. Die
letzteren führte man nach den Negerländern aus um Sklaven dafür
einzutauschen*. Das Klima war damals, knapp ein halbes Jahr-
hundert nach ihrer Entdeckung (1460) durch Diogo Gomes und
Antonio de Nolle, nicht minder heiß und unzuträglich wie heute.
»Diese Inseln«, schreibt Valentim Fernandez^, »waren anfangs so
gesund, daß alle Aussätzigen, die dorthin kamen, gesund wurden;
aber jetzt sind sie so gesundheitsschädlich, daß die gesunden Leute
krank werden. Ich glaube, daß die Neger, nachdem man sie hier
eingeführt hatte, das Klima verdorben haben wie in ihrem Lande,
das ungesund ist.« Von dem Glauben bezüglich der Aussätzigen
hat auch Sprenger gehört: »Uf Ylen de may«, berichtet er, »da
werden die sundersichen wyder gesunt, wann sie zwey oder drew
iare daruff sein oder aber sterben / unn welch also gesunt werden
die zyhen darnach wyderumb wo hyn sie wollen und bleiben hie
für gesunt.« Man schrieb ihre angebliche Heilung zum Teil dem
Gebrauch des Fettes der von Mai bis August zahlreich vorkommen-
den Meerschildkröten zu^ Für die Kapverden insgesamt gibt
Sprenger die Zahl von neun (statt zehn) Inseln an; die Namen
weiß er nur von dreien der südlichen Gruppe, nämlich Ilheo do
Fogo (»Ylleu der fuga«),. Santiago und Mayo (»Ylle de may«). Er
1 Ravenstein, A Journal of Vasco da Gama's first voyage, S. 3.
2 Duarte Pacheco, Esmeraldo in Boletim da Sociedade de Geo-
graphia de Lisboa 1904, S. 136.
3 Bericht des Steuermannes bei Ramusio a. a. O., f. 125r ""^ v.
* Ebd.
5 Münchner Handschrift, f. 184^.
6 Ebd. f. 66 r.
133
weiß, daß ein Teil der Eilande bewohnt, ein anderer unbewohnt
ist und daß sie dem König von Portugal gehören.
Schon am 18. August hatte die »Lionarda« sich mit dem
Nötigen versorgt; man rechnete auf keine allzu lange Fahrt mehr
und trat in Gesellschaft einer Karavelle, die von Guinea herüber-
gekommen war, die Weiterreise an. Aber Windstillen ließen die
Schiffe nur äußerst langsam vom Fleck kommen und am 8. Sep-
tember war man erst 60 Leguas von Santiago entfernt, als ein
Sturm die zwei Schiffe überfiel und in die Nähe der Kapverden
zurückwarf. Inzwischen waren die Vorräte der »Lionarda« wieder-
um fast aufgezehrt und der Schiffszwieback so knapp geworden,
daß die tägliche Ration auf sechs Unzen (zu 29 g) hatte gekürzt
werden müssen. Unter diesen Umständen sah man sich gezwungen
Santiago zum zweitenmal anzulaufen, kam dort am 1 3. September
an und versah sich mit Wasser, Fleisch, Reis und Durra (Mohren-
hirse), die auf den Kapverden wie auf dem Festlande den Haupt-
bestandteil der täglichen Nahrung bildetet Am 20. des Monats
ging man erneut unter Segel, aber nun brach kurz nach der Ab-
fahrt ein heftiges Fieber an Bord der »Lionarda« aus; am 1. Ok-
tober lagen daran zwanzig Mann darnieder und es starben an der
Krankheit im ganzen drei Mann. Am 23. Oktober war gleichwohl
Funchal auf Madeira erreicht und man hielt sich elf Tage dort
auf. Hier endlich gelang es das Schiff wieder mit frischem Zwie-
back und Wein zu versorgen. Am 3. November wurden dann
die Anker zum letztenmal gelichtet, am 12. stieg die Felswand des
Kaps S. Vicente an der portugiesischen Küste auf und am 1 5. No-
vember 1506 lief die »Lionarda« im Hafen von Lissabon ein^. »(Wir)
hatten do mit diesse Reyß in dem namen gottes volnbracht und ge-
endet / Dem sey Ere und glory ymmer und ewigklichen Amen«
— mit diesen Worten schließt Sprenger in der »Merfart« seinen
eigentlichen Reisebericht: er mochte nach all den Gefahren, Mühen
und Entbehrungen, zumal der Rückreise, aufatmen, als er den Boden
des heimatlichen Kontinents wieder unter den Füßen spürte.
Drei von den neun Schiffen, die der Vizekönig mit Gewürzen
nach Portugal abgefertigt hatte, standen bei Sprengers Rückkehr noch
aus: die »Gabriel« und »Magdalena«, die von der Bahia da Roca
nach Mo?ambique zurückgekehrt waren, und die »Flor de la mar«,
die am 2. Februar allein die Heimreise von Indien angetreten hatte.
Von den zwei erstgenannten kann keines vor Ende 1506 nach
Portugal gelangt sein ; denn Pero Quaresma, der mit Gide Barbudo
> Q. U., S. 84 ff.
2 Lukas Rem gibt im Tagebuch, S. 8, jedenfalls irrtümlich, den
24. November an. Das Datum Sprengers ist sicher das richtige.
134
am 1 9. November 1 505 von Lissabon abgefahren war, traf bei seiner
Ankunft in Mogambique am 27. Juli 1506 den Vasco Oomes d'Abreu
und Diogo Fernandes Correa, wie er am 31. August d. J. dem König
bericiitet, in großer Not noch dort an. Der Zustand ihrer Schiffe
muß schlecht, die Instandsetzung wegen Mangels an Materialien
schwierig gewesen sein. Pero Quaresma überließ ihnen, was er
an Segeltuch bei sich hatte, ferner Teer und Unschlitt und dazu
den größten Teil seines Schiffszwiebacks'. Auch Pero Ferreira
Fogaga, der Kommandant von Quiioa schickte, wie er am 22. De-
zember 1506 an den König schreibt, dem Vasco Gomes d'Abreu
nach Mogambique, was für dessen Fahrt Zweckdienliches in Quiioa
zur Verfügung stand 2. Am 31. August, als Pero Quaresma seinen
Bericht an König Manuel abschloß, waren die zwei Schiffe noch
in Mo^ambique: offenbar sollten sie selbst das Schreiben nach
Portugal mitnehmen. Anderseits ist Vasco Gomes d'Abreu mit
dem Oberkommando über die Festung in Sofala und eine von
ihm in Mogambique zu erbauende Feste bereits am 23. April 1507
wieder nach Afrika abgegangen 3; von Verlust eines der beiden
Schiffe weiß kein Historiker etwas und so müssen »Gabriel« und
»Magdalena« gegen Ende 1506 oder Anfang 1507 in Lissabon
eingetroffen sein.
Anders die »Flor de la mar«. Jöäo da Nova war infolge
der späten Abfahrt von Indien gezwungen gewesen in Ostafrika
zu überwintern und zwar anscheinend in Sansibar. Er hatte dann,
sobald es die Jahreszeit gestattete, von dort aus die Heimfahrt an-
getreten. Schon war das Kap erreicht, als bei Windstille* die »Flor
de la mar« derartig leck wurde, daß Schiffsmeister und Steuermann
sich nicht getrauten die Reise fortzusetzen. Man kehrte um, ver-
suchte auf den Angocha-Inseln das Schiff in stand zu setzen, mußte
das aber nach ein paar Tagen als aussichtslos aufgeben und fuhr
nach Mogambique um dort die Ankunft der Indienflotte von 1507
abzuwarten und zu sehen, ob sich dann eine Möglichkeit zu gründ-
licher Instandsetzung ergeben würde. Krank langte Joäo da Nova
dort an. Kurz nachher, etwa in der zweiten Februarhälfte 5, lief
das Geschwader des Tristäo da Cunha in Mogambique ein, das
' Alguns Documentos, S. 148.
2 Ebd., S. 157.
3 Castanheda a. a. O., 1. II, c. 43.
* Commentarios do grande Affonso d'Alboquerque, p. 1, c. 11.
5 Am 6. Februar, als Albuquerque den Brief (Carlas de Affonso
de Albuquerque, Bd. I, S. 1 ff.) schrieb, war Tristao da Cunha noch nicht
zurückgekehrt nach Mo^ambique ; Albuquerque traf ihn erst, als er selbst
nach dem Aufbruch von dort die Komoren erreicht hatte, und kehrte
mit ihm um (Commentarios, p. I, c. 11).
135
eben von der verlustreichen Fahrt zur Entdeckung der Westseite
Madagaskars zurückkehrte. Trist3o da Cunha freute sich lebhaft
über das Zusammentreffen, da er mit Joao da Nova befreundet
war, und leistete ihm jede mögliche Hilfe. Die Untersuchung des
Schiffes ergab, daß ohne Löschen der Ladung die Wiederherstellung
unmöglich war. Diesen Umstand benutzte Tristao da Cunha: er
bestimmte den Freund ihm nach Instandsetzung der »Hör de la
mar« wieder nach Indien zu folgen, ließ die Gewürzfracht des
Schiffes auf ein Fahrzeug seiner Flotte umladen, das der König
von einem Reeder in Lagos gechartert hatte ', und schickte dasselbe
mit Antonio de Saldanha als Kapitän nach Lissabon zurück, wo es
kaum vor Sommer 1507 eingetroffen sein wird 2. Immerhin war
die »Flor de la mar« wie ihre wertvolle Gewürzladung gerettet.
Die Ankunft einer Indienflotte war für die Bevölkerung von
Lissabon ein Fest 3. 1506 freilich mag seinen Jubel das große
Peststerben gedämpft haben, das in diesem Jahre begonnen und
die Ausrüstung der Flotte des Tristao da Cunha sehr erschwert
hatte* und dann über vier Jahre fast ohne Unterbrechung fort-
dauertet Die freudige Ungeduld der Heimkehrenden und die
sehnsüchtige Erwartung der Angehörigen beim Einlaufen der Hotte
mußte allerdings zunächst noch bezwungen werden. Hatten die
Schiffe sich im Tejo vor Anker gelegt, so war den Insassen fürs
erste jedes Anlandgehen bei Strafe des Galgens verboten ^ Die
Zollbeamten des Königs kamen an Bord und Offiziere wie Mann-
schaften, Handelsbeamte wie Kaufleute wurden der strengsten Leibes-
visitation, ihre Kästen der genauesten Durchsuchung unterzogen um
Schmuggel zu verhindern. Dann wurden die Kästen versiegelt und
wie die Ladung des Schiffes in das Indienhaus gebracht, das König
Manuel für diesen Zweck nach Aufnahme des Gewürzhandels mit
Indien nicht weit vom Strand entfernt hatte bauen lassen. Es
besaß 1506 nicht weniger als zwanzig große Warenspeicher". Einer
davon wurde jedem Schiff zum Einlagern seiner Ladung, mochte
sie nun dem König oder einem Kaufmann gehören, zugewiesen
und das Tor mit dem Zeichen des Fahrzeugs versehen. Hier
wurde dann jedem sein nicht zollpflichtiges Eigentum ausgehändigt,
' Castanheda a. a. O., I. II, c. 30.
2 Commentarios, p. I, c. 11.
3 Alben, Relazioni degli ambasciatori Veneti, Appendice, Firenze
1863: Relazione delle Indie Orientali dl Vincenzo Quirini (1506), S. 13.
* Commentarios, p. I, c. 7.
5 Tagebuch des Lukas Rem, S. 8 f.
• Ca Masser a. a. O., S. 29.
^ Ebd. und Quirini a. a. O., S. 13.
136
die Waren wurden gewogen, nach den Qualitäten sortiert und den
Berechtigten ihr Freigut von einem Beamten des Indienhauses
überwiesen.
Die Abgabe, die von den an einer Indienfahrt beteiligten Kauf-
leuten an den König zu leisten war, hat in den ersten Jahren nach
der Entdeckung des Seewegs geschwankt; nach den 1506/07
geltenden Bestimmungen betrug sie, wenn die Ware auf einem
königlichen Schiffe verfrachtet gewesen war, 60% derselben i; war
sie auf eigenem Schiff eingeführt, so hatten die Kaufleute von
Spezereien wie von andern Waren ein Viertel an den König und
ein Zwanzigstel an U. L. Frau von Bethlehem (Belem) abzuliefern,
im ganzen also 30 % 2. Die Entrichtung dieser Abgabe sicher-
zustellen war anfangs der alleinige Zweck, zu dem das Eigentum
auch der Handelsherrn zunächst in den Speichern des Indienhauses
niedergelegt werden mußte. War der Zollpflicht genügt, so wurde
bis zum Ende des Jahres 1504 den Kaufleuten ihr Anteil zu freier
Verfügung überlassen, nur mit der Auflage, daß sie unter den vom
König für seinen Pfeffer festgesetzten Preis — 1503 waren das
20 Cruzados, 1 506 bereits 22 für das Quintal ^ — nicht herabgehen
durften. Dieser Zustand wurde durch eine königliche Verordnung
vom 1. Januar 1505 geändert. Das bisherige Verfahren hatte nämlich
zu starken Preisschwankungen geführt. Als im August 1503 die
bevorstehende Heimkehr der Flotte des Admirals gemeldet wurde,
fiel auf die Nachricht, daß sie 26 000 Quintal allein an Pfeffer
geladen hatte, der Preis dieses wichtigsten Gewürzes in wenigen
Wochen von 40 auf 20 Cruzados "* und wäre unter 16 herab-
' Lukas Rems Tagebuch, S. 8, wo statt 1504 zu lesen ist 1505 und
statt 1505 beide Male 1506, und Ca Masser, S. 29: le quäl spezierie,
et ogn' altra cosa che sc traze d'India, de quelle se ha a pagar de dreto
a questo Serenissimo Re ss. (sessanta) per \ (cento)<. Die Angabe
des Quirini auf Seite 13: Delle quali spezie quelle che sono de' mer-
cadanti, e portate dalle navi del re, pagano nell' entrare ducati 50 per
cantaro' kann so nicht richtig sein. Es liegt wohl Versehen des Heraus-
gebers — die Ausgabe beruht auf einer sehr schlecht geschriebenen
Kopie — oder des Abschreibers vor und die Stelle lautete »ducati 50 per
cento« ; 50% war der 1503 vereinbarte Satz (Marino Sanuto, Diarii,
Bd. IV, Sp. 546 und 665. Vgl. auch Bd. VI, Sp. 28). Unmöglich ist
auch, was weiter folgt: >e oltre questo diritto pagano altrettanto per
la fabbrica di un monasterio in Lisbona«; vermutlich hieß es im Original:
pagano -altre 10 per cento« per la fabbrica usw., das cento oder per cento
war in Abkürzung gegeben und ist vom Abschreiber falsch aufgelöst
bzw. gelesen worden.
2 Ca Masser a. a. O., S. 29.
3 Quirini a. a. O., S. 13 und Marino Sanuto, Diarii, Bd. VI, Sp. 383/84.
* Marino Sanuto, Diarii, Bd. V, Sp. 133.
137
gegangen, wenn Manuel nicht einen Verkauf unter 20 Cruzados
den Kaufleuten verboten und sich bereit erklärt hätte den gesamten
auf der Flotte von ' ihnen verladenen Pfeffer um diesen Preis auf-
zukaufen'. Der jähe Preissturz hatte den Zusammenbruch einer
Anzahl von großen Handelshäusern in Flandern, Deutschland und
an andern Orten zur Folge gehabt und die Lust zu großen Gewürz-
ankäufen in Lissabon stark herabgemindert. Von Affonso d'Albu-
querques Eintreffen im September 1504 bis zu dem von Fernao
Suares' Geschwader im Mai 1506 waren nach der Angabe des
venezianischen Gesandten Vincenzo Quirini, der nach dem Tod
Isabellas von Kastilien (26. November 1 504) Philipp den Schönen
(Frühjahr 1 506) nach Kastilien begleitet und hier Erkundigungen über
den portugiesischen Indienhandel eingezogen hatte, 54000 Quintal
Gewürze in das Indienhaus eingelagert worden — fast genau
die gleiche Zahl ergeben Ca Massers Zusammenstellungen 2 — ,
im Sommer 1506 aber noch nicht mehr als 14 — 15 000 davon
abgesetzt 3. Nun konnte jederzeit der Fall eintreten, daß ein Kauf-
mann, um sein Betriebskapital rasch wieder flüssig zu machen, den
königlichen Bestimmungen zuwider seinen Pfeffer unter dem vor-
geschriebenen Preis verkaufte, und hatte er dabei große Vorräte zur
Verfügung, so mußte der König mit dem seinen gleichfalls herunter-
gehen oder er konnte für längere Zeit auf Absatz nicht rechnen.
Beides brachte empfindliche Veriuste mit sich; nur bei hohen
Erträgen des Gewürzhandels konnten aber die Kosten des indischen
Unternehmens bestritten und ein den Einsätzen entsprechender
Gewinn für die Krone erzielt werden. Diese Sicherheit und die
für einen geordneten und raschen Absatz notwendige Stetigkeit
der Preise zu erzielen war die Verordnung vom I.Januar 1505
erlassen worden ^. Sie entzog den Kaufleuten die freie Verfügung
über die im Indienhaus für sie lagernden Spezereien und bestimmte,
daß diese, genau wie die Vorräte des Königs, nur durch die Verwal-
tung der Casa da India, hier den vedor D. Martinho, verkauft und
der Erlös ihnen von dort ausgezahlt werden solle. Die Verord-
nung war fünf Monate nach Abschluß des Vertrags der deutsch-
italienischen Handelsgesellschaft mit der Krone und drei Monate
vor der Abfahrt von Almeidas Flotte erlassen worden : konnten
die wohlerworbenen Rechte der Kaufleute durch sie berührt werden?
Diese Frage erhob sich, als am 22. Mai 1506 »Jeronimo«, »Rafael«,
»Judia« und »Botafogo«, am 3. Juni »Conceigäo« und am 15. No-
vember die »Lionarda« in Lissabon eintrafen. Von den sechs
' Marino Sanuto, Diarii, Bd. V, Sp. 319.
2 A. a. O,, S. 19, 20 und 23 (53 000 Quintal).
3 Quirini a. a. O., S. 14.
* Ca Masser a. a. O., S. 29 f.
I
138
Schiffen hatte bloß zwei, »Botafogo« und »Conceigao«, der König
ausgerüstet und beide zusammen trugen nach Ca Masser nicht mehr
als 6300 Quintal Pfeffer, während »Jeronimo« allein 5000, »Rafael«
4000 Quintal Pfeffer, 700 Quintal Ingwer, 50 Quintal Nelken,
40 Quintal rotes Sandelholz und 10 Quintal Kampher, die »Judia«,
das Schiff des Fernando de Noronha, 2000 Quintal Pfeffer, »Lio-
narda« mindestens das gleiche Gewicht Spezerei an Bord hatten K
Dazu kamen auf allen Schiffen zusammen für 3500 Cruzados feine
orientalische Gewebe und 700 für den König gekaufte Perlen. Im
ganzen ergeben sich nach Ca Massers Rechnung für die vier
zuerst angekommenen Schiffe (ohne »Conceigäo«) Pfeffermengen von
13 800 Quintal (cantara). Das stimmt ziemlich genau überein mit
den Angaben eines kaufmännischen Berichtes aus Lissabon von
Ende Mai oder 1, — 2, Juni 1506, dessen Einfuhrzahlen Marino
Sanuto in seinem Tagebuch unterm 12. Julid. J.^ notiert. Er war
ihm über Genua zugekommen und man möchte vermuten, daß
er aus dem Kontor eines der genuesischen Kaufherrn stammte, die
nach der Augsburger Chronik an dem Unternehmen des deutsch-
italienischen Konsortiums beteiligt waren, so ins einzelne gehen
die Angaben über die kleinen Posten verschiedener Gewürze und
Drogen, die von Indien mitgekommen waren. Auf 761 Quintal
werden die letzteren insgesamt beziffert, um 39 Quintal niedriger
als bei Ca Masser; die Zahlen für die bei beiden angegebenen
Waren sind nicht ganz gleich, verlässiger zweifellos die nach Genua
mitgeteilten. Die Pfefferladung wird auf 13 500 Quintal (cantara)
angegeben. »Bey 15 600 Centner nuornbergisch gewicht mererlo
specery« gibt schätzungsweise den vier Schiffen ein ebenfalls
zwischen dem 22. Mai und 3. Juni geschriebener deutscher Brief
aus Lissabon, der uns in einer von Anton Welser eigenhändig
gefertigten Abschrift aus Konrad Peutingers Nachlaß vorliegt. Die
Umrechnung in Nürnbergisches Gewicht legt den Gedanken nahe,
daß er an die Imhof oder Hirsvogel gerichtet war und etwa aus
dem Kontor des einen oder andern dieser Häuser in Lissabon
stammen könnte. Die Imhof zum mindesten hielten dort bereits
» Da sie in Cananor mehr als 2600 Quintal Pfeffer an Rafael«
und »Concei9ao< abgeben konnte und das anscheinend nicht ihre ganze
Ladung war — sonst würde Sprenger es wohl gesagt haben (Q. U.,
S. 119) — , darf man vielleicht annehmen, daß sie etwa 3000 Quintal
tragen konnte. Was sie von Spezereien geladen hatte, können wir nicht
genauer feststellen; Pfeffer allein war es nicht (Sprenger a. a. O.): hatte
sie, wie Almeida ihrem Faktor am 4. Januar vorschlug, Zimt eingenommen
anstatt eines Teils des bezahlten Pfeffers? Hatte sie bis zum 21. Januar
doch noch vollen Ersatz bekommen?
2 Bd. VI, Sp. 373.
139
einen Buchhalter und zur Zeit der Abfahrt von Almeidas Flotte
befanden sich von der Familie nicht weniger als vier Mitglieder
am Ort'. Die hier errechneten 15 600 »Zentner« entsprächen alten
Quintal. Über zwei Drittel der Ladung der oben genannten sechs
Schiffe gehörten also den Kaufleuten. Das Schicksal der noch aus-
stehenden drei königlichen Schiffe, »Magdalena«, »Gabriel« und
»Flor de la mar« aber war ungewiß. Da ihre Ladung mit der-
jenigen von »ConceigSo« und »Lionarda« auf 20000 Quintal
geschätzt wurde, werden von den drei allein etwa 1 3 500 Quintal
erwartet worden sein. Die ohnehin ungünstige Lage auf dem Gewürz-
markte — darüber konnte kein Zweifel sein — verschlechterte sich
für die Krone beträchtlich, wenn die Kaufleute mit ihren zum Teil
weitreichenden Verbindungen ihre großen Massen Pfeffer in den
Handel brachten. Der König befand sich in einer Zwangslage
und zog daraus die Folgerung: er setzte sich über den Vertrag
hinweg und wandte die Verordnung vom I.Januar 1505 an 2.
Als die Gewürze in den Speichern der Casa da India eingelagert
waren, erklärte er sie nicht freigeben zu können. Vielleicht bot
er gleichzeitig den Kaufleuten an ihre Gewürze zu einem an-
gemessenen Preis zu übernehmen, wie er es ja auch 1503 getan
hatte. Allein diese wußten zu genau, daß auf Barzahlung seitens
der Krone nicht zu rechnen war und für sie das Ergebnis des
Handels kaum ein anderes sein würde, als daß sie die dem König
überlassenen Gewürze zu einem höheren Preis von ihm später wieder
in Zahlung nehmen müßten. So lehnten sie ab und beschritten
1 Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg,
1. Heft, Nürnberg 1879, S. 101. Die Feststellung scheint auf Nachrichten
des Imhofschen Familienarchivs zu beruhen; eine Quelle ist nicht an-
gegeben. Da der Nürnbergische Zentner um 1800 noch 51,032 kg hatte
und der Nürnberger Chr. Gott), v. Murr, selbst städtischer Wagamtmann
und mit der Geschichte der Nürnberger Maße und Gewichte wohl-
vertraut, in seiner Beschreibung der vornehmsten Merkwürdigkeiten in
der Reichsstadt Nürnberg-, 2. Aufl., 1802 sagt: Das älteste Stadtgewicht
ist dem jetzigen gleich ; da femer die Archivalien über eine Gewichts-
veränderung nichts enthalten, so darf dieser Wert unbedenklich auch
für 1506 angenommen werden. Dann wäre der Nürnbergische Zentner
fast genau dem alten portugiesischen Quintal (51,408 kg) gleich und die
in dem Brief angenommene Gewürzmenge wesentlich höher als die bei
Ca Masser und in dem genuesischen Geschäftsbrief angegebene ; aber
der deutsche Briefschreiber weiß noch nichts Sicheres: und mag ir
ladunge sein diser 4 nave bey 15600 Centner nuornbergisch gewicht
mererlo specery .
^ Ca Masser a. a. O., S. 23: le quäl spezierie sono stä descargate
in Sancruz . . . tutte in poder di Sua Altezza sotto par all' ordenazion
antescritta . Vgl. auch Chroniken deutscher Städte, Bd. 25, S. 279.
140
gegen die Krone den Prozeßweg '. Für die Welser hat Lukas Rem
die über drei Jahre dauernden Rechtshändel durchgefochten, über
deren Verlauf im einzelnen wir nicht unterrichtet sind. Er sagt
mit Beziehung auf die Indienfahrt von 1505/06 im Tagebuch nur:
»Die on mas enxtig mie, uberflisig arbait, gros widerwertikait mir
damit gegnet, ist unerschreibenlich« und fährt, nachdem er die
Rückkehr der »Jeronimo«, »Rafael« und »Lionarda« erwähnt hat,
fort: »Da meret sich erst mie, anxt undt arbait. Sonder erhüben
sich on mas fil grosse und schwere Recht, den ich aus wartet ob
3 Jar«. Da die Welser das an dem Handelsunternehmen mit dem
größten Kapital beteiligte Haus waren, gehörte auch der größte Teil
der in den Speichern des Indienhauses zurückgehaltenen Gewürze
ihnen. Nach einer Urkunde vom 1 5. November 1 509 hatten allein
für sie die drei Schiffe der Handelsgesellschaft 2200 Quintal Pfeffer
mitgebracht. Die Fugger und Höchstetter konnten ihrem Einsatz
entsprechend nur mit etwa 400 — 500 Quintal, die andern deutschen
Häuser mit noch weniger beteiligt sein. Die Haltung des Königs
war anfangs schroff : mit dem Verkauf des den Kaufherrn gehörigen
Pfeffers sollte erst dann begonnen werden dürfen, wenn im Indien-
haus Pfeffer aus dem königlichen Anteil nicht mehr zur Verfügung
stünde. Das war offenbar darauf berechnet sie einzuschüchtern
und gefügig zu machen. Wenn die Handelsherrn trotzdem einen
Vergleich nicht suchten, sondern den, wie sie erwarten mußten,
langwierigen Prozeßweg beschritten, so leitete sie wohl die Hoff-
nung, daß der König bei der Notwendigkeit alljährlich neue Indien-
flotten auszurüsten sie auf die Dauer nicht entbehren könne und
sich zu Konzessionen werde gezwungen sehen. Sie haben sich
darin nicht getäuscht; freilich haben auch die Erfahrungen, die
Manuel mit den bisherigen Formen des Gewürzhandels gemacht
hatte, ihn zu einer neuen Gestaltung desselben im Lauf der folgenden
Jahre geführt: das für den portugiesischen Gewürzhandel des 16. Jahr-
hunderts charakteristische System der Contratadores beginnt sich
auszubilden. Der König verpflichtet sich seinen Pfeffer ausschließ-
lich an eine eigens zu diesem Zwecke gebildete Handelsgesellschaft
zu verkaufen und gibt dieser für den Vertrieb möglichst weitgehende
Freiheiten, bindet sie nur an einen Mindestpreis, der gewöhnlich um
2—3 Cruzados den an die Krone zu entrichtenden Betrag übersteigt.
Die Gewürzmengen, zu deren Abnahme die Contratadores sich ver-
pflichten, bemißt das Indienhaus später so hoch, daß sie durch die
gesamte jeweils zu erwartende Einfuhr nur eben erreicht werden
konnten. Die Zahlung wird teils in bar teils in Waren geleistet,
» Ich folge hier der Darstellung Konrad Haeblers« a. a. O. ; sie ist
auf Reste der Prozeßakten gegründet, die sich in der Torre do Tombo
in Lissabon erhalten haben und mir nicht zugänglich waren.
141
wie sie der König für die Ausrüstung der Indienflotten und den
Handel in Indien selber brauchte. Daß es im Zusammenhang mit
diesem neuen Verfahren im Spezereihandel der Krone den Kauf-
herrn gelungen ist allmählich und in kleinen Posten einen Teil
ihrer im Indienhause lagernden Gewürzmengen frei zu bekommen,
macht einer der ältesten Contratos wahrscheinlich, die uns erhalten
sind; er ist 1512 in Lissabon mit den Fugger abgeschlossen und
enthält die Bestimmung, daß, solange genügend königlicher Pfeffer
vorhanden wäre, i ''/20 der im Vertrag (Contrato) vereinbarten Mengen
aus diesen Beständen übernommen werden sollten, ^lio aber die
Fugger den Vorräten entnehmen dürften, die für die Kaufherrn im
Indienhaus lagerten. Die Bedingungen, unter denen sie von den
letzteren kauften, hätten sie mit diesen selbst zu vereinbaren. Der
Fall wird kaum vereinzelt gewesen sein und so mögen auch die
Welser, vermutet Konrad Haebler, allmählich zu einem Teil des
ihnen vorenthaltenen Pfeffers gekommen sein.
War das ein Weg, so zeigt die schon erwähnte Urkunde vom
15. November 1509 sie uns auf einem andern, der zum gleichen
Ziel führte. Danach hatten sie von den 2200 Quintal Pfeffer, die
auf »Jeronimo«, »Rafael« und »Lionarda« für sie gekommen waren,
475 Quintal an den König verkauft und zwar zu 22 Cruzados das
Quintal, während es sie, wie ihnen vorgerechnet wird, die Aus-
rüstung der Schiffe und alles einbegriffen, 8 Cruzados gekostet hatte.
Nun erhielten sie aber die 10450 Cruzados für ihren Pfeffer nicht
bar ausbezahlt, sondern es wurden ihnen als Gegenwert 12 000
Arrobas (rund 174 000 kg) Zucker aus dem Kontingent zugewiesen,
das die Pflanzer von Madeira zehnt- und abgabenfrei an den König
zu liefern hatten, und zwar je 6000 Arrobas für die Jahre 1508
und 1 509. Der Zucker mußte zwar am Erzeugungsort in Empfang
genommen und auf Kosten der Welser ausgeführt werden, allein
da die Arroba (14,5 kg) sie dort auf noch nicht einen Cruzado
zu stehen kam, so konnte das Geschäft recht guten Gewinn ab-
werfen. Was aber im Zusammenhang mit der Indienfahrt von
1 505/06 daran vor allem interessiert, ist ein Zusatz, durch den die
Welser im Falle von Nichteinhaltung der Lieferfristen — und damit
mußte bei Geschäften mit der Krone immer gerechnet werden —
sich schadlos zu halten suchten: es wurde ihnen das Recht zu-
gesprochen für jede nicht rechtzeitig gelieferte Arrobe Mengen je im
Wert von einem Cruzado von den im Indienhaus für sie lagernden
Gewürzen auszuführen. Da sie nun von den für 1508 ausbe-
dungenen 6000 Arroben bloß 4000, von den 1 509 fälligen weiteren
6000 keine 1200 Arroben erhielten, im ganzen also nicht einmal die
Hälfte der vertragsmäßig zu liefernden Menge, so müssen sie über
beträchtliche Posten ihres Pfeffers das Verfügungsrecht gewonnen
142
haben. Selbst 1510 war die Krone noch mit nahezu 3000 Arroben
Zucker im Rückstand. Diese Geschäfte sind offenbar, wie Haebler
annimmt, der Anlaß für die zwei Reisen gewesen, die Lukas Rem
sehr wider Willen 1 509 nach Madeira gemacht hat, und daran vor
allem wird man zu denken haben, wenn er von der »on mas enxtig
mie, uberflisig arbait, gros widerwertikait« spricht, die ihm aus der
Indienfahrt erwachsen ist. Anderseits war aber auch der Gewinn aus
dem denkwürdigen Unternehmen der deutschen Handelshäuser kein
geringer: Lukas Rem gibt^ »bey 150 pro Cento« als »die nutzong
diser armazion« an, die Augsburger Chronik ^ spricht unter Berufung
auf das Zeugnis eines Beteiligten von 175%. Das eine oder andere
nachzurechnen reicht das uns erhaltene Material nicht aus 3.
Das Unternehmen der deutschen Kaufherrn vom Jahr 1505/06
ist in seiner Art ihr einziges geblieben ; eigene Schiffe und einen
eigenen Handelsagenten haben sie nicht mehr nach Indien geschickt.
Aber für die Welser-Gesellschaft hatte sich, noch bevor »Jeronimo«
und »Rafael« von der Reise zurückwaren, Lukas Rem bereits in
anderer Form wieder an einer portugiesischen Indienfahrt beteiligt.
Auf der Flotte des Tristao da Cunha, die wahrscheinlich am 5.
und 6. April 1506 von Lissabon abfuhr '*, hatte er mit dem portu-
• Tagebuch, S. 8.
2 Chroniken deutscher Städte, Bd. 25, S. 279 : ich hab von ainem
glabhaftigen gehert, der auch tail daran gehabt hatt, daß sie 175 pro
zent gewunen haben, das ist also zuo verstan, daß sie an 100 Duc. alweg
175 Duc. über alle kostung gewunen haben.«
3 Konrad Haebler legt bei Berechnung des Gewinnes der Welser für
den Pfeffer einen Verkaufspreis von 20 Dukaten für das Quintal zugrunde.
Den Bruttoertrag der Schiffe des Konsortiums an Pfeffer nimmt er zu 12000
Quintal an, wovon nach Abzug der 30 \ des Königs noch 8400 als Netto-
ertrag des Anlagekapitals von 65 400 Cruzados blieben. Bei 20 Cruzados
Verkaufspreis ergäbe diese Menge 168 000 Cruzados, was einem Gewinn
von 157 % entsprechen würde und von Lucas Rems Angabe nicht weit
entfernt bliebe. Nun ergibt sich aber aus dem Kaufmannsbrief vom 26. Mai
1506 aus Lissabon, der in den Tagebüchern des Marino Sanuto, Bd. VI,
Sp. 383/84 erhalten ist (»piper sta im precio de ducati22«), daß der Pfeffer-
preis bereits damals, vier Tage nach Eintreffen der »Jeronimo« und »Rafael«,
22 Dukaten betrug — auch Quirini (a.a. O., S. 13: vendesi il pevere ducati
22 il cantaro«) gibt für 1506 diese Zahl — und das würde für die 8400 Quin-
tal bei gleicher Berechnung auf ISS^/o führen, was mit Lukas Rems An-
gabe, der jedenfalls verlässigsten, doch nicht mehr zu vereinigen ist.
* Commentarios do gr. Äff. Dalboquerque, p. I, c. 7. So, d. h.
6. April, auch Goes, Chron., p. II, c 21 und Castanheda a. a. O., I. II,
c. 30, auch Ca Masser a. a. O., S. 21. Den 6. März gibt Barros, Dec. II,
p. I, 1. I, c. 1. Bei den Verzögerungen, die die Pest in der Ausrüstung
der Flotte verursacht hatte, ist dieser ungewöhnlich frühe Termin wenig
wahrscheinlich. Auch die späte Ankunft in Mofambique spricht dagegen.
143
giesischen Reeder Ruy Mendes de Brito und andern 1 800 Cru-
zados auf dem Schiff »S. Vicente«, 1320 auf der >S. Maria da
Luz« und 310 auf der »S. Antonio« angelegt. Allein diesmal war
das Glück der Gesellschaft wenig günstig: die »S. Vicente« scheiterte
auf der Hinreise in einem Sturm an der Nordwestküste Madagas-
kars, an dessen Erkundung teilzunehmen Tristäo da Cunha die
drei Schiffe mit »unmasiger gwalt« gezwungen hatte; auch die
»S. Maria da Luz« ging, wie man aus Lukas Rems Worten schließen
muß — die Historiker sagen nichts davon — , auf dieser Entdeckungs-
fahrt zugrunde, »S. Antonio« aber kam spät erst nach Lissabon
zurück. Besatzung und Ladung der zwei gescheiterten Schiffe
wurden zwar gerettet und in Indien Geld und Gut in Spezereien
angelegt, aber da diese nun zum größten Teil auf königlichen
Schiffen befördert werden mußten, waren 60°/o an Fracht und
Abgaben dem König zu entrichten und mit Prozeß und Ver-
gleich endigte auch dies Unternehmen. Immerhin war der Ver-
lust wenigstens gering'.
Trotz der unliebsamen Erfahrungen, die man im Handel mit der
Krone gleich anfangs hatte machen müssen, sind die Verbindungen
der süddeutschen Kaufleute mit Portugal während der nächsten Zeit
immer lebhafter geworden. Die Fugger, Welser und Höchstetter,
die Imhof und Hirsvogel, auch die Behaim und Tucher von Nürn-
berg unterhielten Zweiggeschäfte in Lissabon und trieben dort einen
ausgedehnten Handel. Gegen deutsche Bergbauerzeugnisse, Schiffs-
bedarf für die Indienflotten, Getreide, vlämische Webereien kauften
sie außer den eigenen Erzeugnissen Portugals, seinem Olivenöl,
seinem Wein, seinen Früchten, solche aus den afrikanischen Be-
sitzungen, wie Elfenbein und Baumwolle, vor allem aber die indischen
Gewürze und in erster Linie Pfeffer. Mit der Ausgestaltung des
portugiesischen Indienhandels zum Kronmonopol nahm dieser
Gewürzhandel gegenüber 1505/06 neue Formen an: als Contra-
tadores kauften sie von dem Indienhaus in Lissabon, nun dem
Welthandelsplatz für die Erzeugnisse des Ostens, später von dem
Handelsagenten des Königs in dem seit 1500 rasch emporblühenden
Antwerpen, wo die Portugiesen ihre Gewürze jetzt selber auf den
Markt brachten. Daß diese auch die Kosten für Fracht und Ver-
sicherung bis dorthin trugen, bedeutete eine wesentliche Verein-
fachung des Geschäftes und Verringerung des Risikos für die
Kaufherrn, wenngleich anderseits hier wie in Lissabon Saumselig-
keit bei der Lieferung zu immer wiederholten Klagen führte. Trotz-
dem waren die Gewinne dauernd hoch. Daß die Gewürze un-
geachtet der Massenzufuhr sich ständig verteuerten — 1 520 stand
1 Tagebuch, S. 8.
144
das Quintal Pfeffer bereits auf 34 Cruzados — daran trugen indes
nicht sie in erster Linie die Schuld, sondern die rücksichtslose Aus-
nutzung des Gewürzmonopols durch die portugiesische Krone.
Venedig war damit aus der Stellung herausgedrängt, die es als
weitaus wichtigste Vermittlerin der Spezereien an die abendländische
Welt gespielt hatte. Der Hauptstrom des Welthandels, der über
die Lagunenstadt nach Deutschland und dem nördlichen Europa
geflutet war, hatte sich eine neue Bahn gesucht und befruchtete
nun für ein Jahrhundert das Westgestade des Erdteils. Die schweren
Befürchtungen, die man in Venedig an die Entdeckung des See-
wegs von Anfang an geknüpft hatte, haben sich, wenn auch nur
allmählich, erfüllt. Als in der Nacht vom 27. zum 28. Januar 1505,
zwei Monate vor der Ausfahrt von Almeidas Flotte, der Fondaco
dei Tedeschi in Venedig niederbrannte und die deutschen Kauf-
leute, die darin gewohnt hatten, sich fluchtartig in der Stadt hierhin
und dorthin zerstreuten, da wird dem Marino Sanuto der Vorgang
zum Symbol und er schreibt in. sein Tagebuch: »Schlimmes Vor-
zeichen dies Abbrennen des Fondaco und die Nachrichten über
CalicutM« Die Republik hat den Deutschen ein neues, prächtigeres
Haus bauen und von Tizian mit Fresken schmücken lassen, aber
ihre teilweise Abwanderung nach dem neu aufstrebenden Welthafen
der Gewürze am Tejo und das allmähliche Stillerwerden der Verkehrs-
wege über die Alpen hat sie auf die Dauer doch nicht verhüten können.
Die Durchstechung der Landenge von Sues, die damals ernsthaft
erörtert worden ist und vielleicht Rettung hätte bringen können,
mußte bei den rasch der Katastrophe zudrängenden politischen Ver-
hältnissen in der Levante ein bloßer Gedanke bleiben ; von den kost-
baren Gewürzen, die in geringeren Mengen dem Verbrauch zugeführt
wurden, ging zwar noch bis ins 1 7. Jahrhundert ein nicht unbeträcht-
licher Bruchteil über die Levante und Italien, allein der Pfefferhandel,
der weitaus wichtigste, war für Venedig endgüUig verloren.
Aber auch für die oberdeutschen Städte, über die bisher dieser
Warenzug des Welthandels von Venedig aus gegangen war, ist das
verhängnisvoll geworden. Mit dem Aufblühen Antwerpens, an dem
ihre Handelsgesellschaften einen so hervorragenden Anteil hatten, ge-
winnt die bequeme und trotz der vielen Zollstätten verhältnismäßig
billige Wasserstraße des Rheins gesteigerte Bedeutung und auf diesem
Wege gehen nun die Gewürzladungen der schwäbischen und frän-
kischen Kaufherrn ins innere Deutschland : die Binnenlage der ober-
deutschen Städte und ihre weite Entfernung von der belebenden
Verkehrsader des großen Stromes wird in Verbindung mit politischen
Verhältnissen ein Grund zu ihrem wirtschaftlichen Niedergang.
Diarii, Bd. VI, Sp. 126.
145
IX. Die Quellen.
Die Fahrt der ersten Deutschen nach dem portugiesischen Indien
1505/06 fügt sich in den Rahmen einer portugiesischen Indien-
fahrt ein. Da die Teilnahme fremder Kaufleute an diesen Unter-
nehmungen der Krone im ersten Jahrzehnt nach Entdeckung des
Seewegs zu den Gewürzländem nichts Ungewöhnliches war, so
schweigen die portugiesischen Historiker des 16. Jahrhunderts von
der Handelsfahrt der Welser und Fugger, der Höchstetter und
Gossenprott, Imhof und Hirsvogel ganz, und Sprenger, der Kauf-
mann, der sie als Agent mitgemacht hat, sagt gerade von der kauf-
männischen Seite des Unternehmens so gut wie nichts. So sind
wir in dieser Beziehung nur unvollkommen unterrichtet. Ein nach
Blatt 317 eingelegtes Blatt in der sehr veriässigen >Cronica alter
und newer geschichten« von dem Augsburger Wilhelm Rem gibt
uns allein genaueren Aufschluß über die deutschen Teilnehmer,
deren einer ihm persönlich Mitteilungen darüber gemacht hat, und
allgemeinen Aufschluß über die italienischen Teilnehmer sowie über
die von beiden angelegten Summen, erwähnt auch die an den König
und das Kloster Belem zu leistenden Abgaben, den an die Fahrt
anschließenden Prozeß mit der Krone und den Gewinn der Kauf-
leute. Ebenso dürftig und zum Teil nur auf die Welser-Gesell-
schaft bezüglich sind die Angaben im Tagebuch des Lukas Rem,
ganz kurz auch die des deutschen Briefes, der uns in Abschrift
von Anton Welser in der Staats-, Kreis- und Stadtbibliothek Augs-
burg erhalten ist (Q. U., S. 149 — 151) und aus dem Lissaboner
Kontor eines der beteiligten Nürnberger Häuser zu stammen scheint,
geschrieben zwischen dem 22. Mai und 3. Juni 1506 und vor An-
kunft der »Lionarda«, also ehe noch das kaufmännische Ergebnis
irgendwie zu überschauen war und die Schwierigkeiten mit dem
König sich ergeben hatten. Im übrigen sind wir auf das ange-
wiesen, was aus den Berichten des Ca Masser und Vincenzo Quirini
an die Signoria von Venedig vom Jahr 1506 allgemein über die
Bedingungen der privaten Teilnahme am Indienhandel zu erschließen
ist, was femer die in den Diarii di Marino Sanuto, Bd. IV — VI
(1 501 — 1 507) erhaltenen Briefe italienischer Großkaufleute in Lissa-
bon, das wenig umfangreiche und auf die Handelsfahrt von 1 505/06
und den Prozeß mit der Krone meist nur mittelbar sich beziehende
Aktenmaterial der Torre do Tombo in Lissabon sowie die Instruk-
tion Almeidas und ein paar Stellen in den Berichten vom 16. De-
zember 1 505 und 1 2. Januar 1 506 ergeben, die er selbst und sein
Sekretär Gaspar Pereira von Cochin aus an den König gesandt
haben. Das Bild, das nach diesem von ihm größtenteils schon be-
nutzten Material von dem kaufmännischen Teil der Reise entworfen
Hnmmerlch, Deutsche Htmdelsfahrt nach Indien. ]q
146
werden kann, hat Konrad Haebler in seinem Werk »Die überseeischen
Unternehmungen der Welser und ihrer Gesellschafter«, Leipzig 1903,
S. 7 ff. in allen wesentlichen Zügen einwandfrei festgelegt.
So spärlich unsere Nachrichten in dieser Richtung sind, so
reich und rein fließen die Quellen, vor allem deutsche und portu-
giesische, für die äußeren Ereignisse der denkwürdigen Fahrt Al-
meidas, und da die deutschen Schiffe, wie Sprenger sagt, mit »inn
allen ferten und streytten waren«, so gehören auch diese in den
Rahmen der ersten deutschen Handelsfahrt nach Indien, Wir
besitzen zunächst vollständig oder im Auszug eine Reihe Berichte,
die von Teilnehmern der Reise herrühren, zum Teil Männern, die
in ansehnlicher oder leitender Stellung auch in das Einblick er-
hielten, wovon andere keine Kenntnis haben konnten. Zu den
letzteren gehört Balthasar Sprenger nicht, aber seine auf Tagebuch-
aufzeichnungen gegründete, ohne Ortsangabe im Jahr 1509 er-
schienene »Merfart« und sein Text zu der prächtigen Holzschnitt-
reihe von 1508, zu der Hans Burgkmair d. Ä. durch ihn angeregt
worden ist, geben doch ein recht anschauliches und zuverlässiges
Bild von dem, was er erlebt und gesehen hat, und über die stürme-
reiche und gejfahrvolle Rückreise des zweiten Geschwaders, zu dem
die »Lionarda« gehörte, erfahren wir Näheres überhaupt nur durch
ihn. Wertvoller noch als der Bericht Sprengers war der von der
»Rafael«, von dem uns die Valentin Ferdinand-Handschrift der
Bayerischen Staatsbibliothek in München einen Auszug in portu-
giesischer Sprache erhalten hat. Ich war früher (Q. U., S. 90 ff.)
mit Schmeller der Meinung, daß wir den dort in der Überschrift^
genannten Deutschen, Hans Mayr, als Verfasser des Berichtes an-
zusehen hätten, und in Zweifel, ob er ihn ursprünglich deutsch
oder portugiesisch abgefaßt habe. Genaue Vergleichung mit den
Darstellungen des Castanheda und Goes hat mich zu der Über-
zeugung gebracht, daß er deren Hauptquelle gewesen ist und dem-
nach wohl von Haus aus so wenig deutsch geschrieben war, wie
das bei Valentin Ferdinand der Fall ist. Die auffällige Erscheinung,
daß durchweg in der dritten Person dargestellt wird (»dhy forom
ao porto dale, onde estiverom 9 dias«), als ob der Verfasser an
den Ereignissen gar nicht beteiligt wäre, findet eine einfache Er-
klärung: der Bericht ist von Valentin Ferdinand nicht wörtlich
abgeschrieben, wie man nach dem »trelladado da nao sam raffael«
in der Überschrift meinen möchte, sondern er ist ein Auszug, bei
dem die erste Person in die dritte umgewandelt wurde, freilich
ein sehr ausführlicher und treuer. Das beweist z. B. die Stelle über
1 f. 2r: > Do Viagem de dorn francisco dalnieyda primeyro visorey
da India E este quaderno foy trelladado da nao sam raffael em que hia
hansz mayr por scrivam da feytoria E capitam fernam suarez«.
147
den Untergang der >Bella<. Castanheda schreibt (a. a. O., I. II, c. 1),
nachdem er Tag und Umstände ebenso wie die Handschrift an-
gegeben hat: (BeUa) »se foy ao fundo, e salvou se toda a gente
sem mais outra cousa se nao huma arca de prata da capella do
viso rey, e Pero ferreira foy ho derradeiro que se sahio da nao,
a qual quando se meteo de baixo dagoa fez hum arroido muy
temeroso e tamanho que se ouviria a huma legoa«. Bei Valentin
Ferdinand heißt es: »e foy a fondo onde se salvou a gente e
duas arcas de capella em que hia prata e ornamentos e a gente
salvou seu dinheiro etc«. Das »etc.« kann nicht heißen »ihr Geld
usw.« — denn es wurde ja nichts weiter gerettet — , sondern zeigt,
daß etwas ausgelassen ist, was Valentin Ferdinand nicht weiter
interessierte, nämlich das Geräusch, mit dem das Schiff sank. Ein
anderer Fall: ein Bericht von der »Rafael« mußte natürlich alles
Wichtigere enthalten, was besonderes Erlebnis gerade dieser Schiffs-
mannschaft war. Nun bezeugt Sprenger (Q. U., S. 1 1 5), daß zwischen
Quiloa und Mombasa die »Rafael« in schwere Seenot geriet. Valentin
Ferdinands Darstellung zeigt hier eine Kürze (Q. U., S. 129), die
sprachlich bis zur Auslassung des Prädikates geht und sachlich nur
das Datum des Aufbruchs der Flotte von Quiloa und der Ankunft
in Mombasa nebst Angabe der gegenseitigen Entfernung beider
Orte enthält. Castanheda dagegen stellt (a. a. O., 1. II, c. 4) aus-
führlich das Erlebnis dar, und da er sonst dem Bericht von der
»Rafael« folgt, ist das hier wohl erst recht mit Sicherheit anzu-
nehmen. Ausführlicher und mit mehr ganz bestimmten Einzel-
zügen ausgestattet als der farblose, offenbar verkürzte Bericht bei
Valentin Ferdinand ist auch die Darstellung, die Castanheda von
der Entdeckung Madagaskars gibt und die sicher auf die gleiche
Quelle zurückgeht. Der Verfasser des Berichtes von der »Rafael«
scheint ein Mann von Geltung gewesen zu sein ; sonst wäre ihm
wohl schwerlich der Brief des Herrschers von Mombasa an den
von Melinde in die Hände gekommen, den unsere Handschrift in
wörtlicher Übersetzung zu bieten scheini; er wäre sonst wohl auch
in Cananor bei der Zusammenkunft Almeidas mit dem Raja kaum
zugegen gewesen, was seine Schilderung doch wohl wahrscheinlich
macht. Sehr möglich, daß Fernao Suares selber, der Kapitän der
»Rafael« und ein hochangesehener Mann, den Bericht verfaßt und
daß ihn Hans Mayr, der Faktoreischreiber des Schiffes, geschrieben
und eine Abschrift dem ihm bekannten Valentin Ferdinand für
Anfertigung seines Auszugs zur Verfügung gestellt hat. Was die
Benutzung des Originalberichtes durch Castanheda und Goes an-
langt, so hat der erstere unmittelbar aus ihm geschöpft, während
Goes' kürzere Darstellung in der Hauptsache auf der Castanhedas
beruht. Ich setze eine charakteristische Stelle hierher. Valentin
10*
148
Ferdinand (Q. U., S. 127): »2 dias de julho tormenta com tro-
voada tinham tanta que da capitayna cayrom 2 homens ao mar e
ao lyonarda huum«; Castanheda: »aos dous de Julho Ihe deu
huma muyto grande torvoada com hum pee de vento tarn bravo
que rompeo as velas da capitaina e da nao de Diogo correa, de
que foräo tres homens ao mar«. Das »de que« ist der Vorlage
entsprechend offenbar auf »capitaina« und »nao de Diogo« correa zu
beziehen und heißt: »von denen (drei Mann ins Meer fielen)«; Goes
aber bezieht es, was grammatisch natürlich ebenso möglich ist, bloß
auf »nao« und schreibt: »Ihe deo aos dous dias de Julho huma tao
forte trovoada, que rompeo as velas da sua (nämlich Almeidas)
nao e as de Diogo correa, da quäl nao de Diogo correa cairäo
tres homens ao mar«. Dieser Irrtum kann nur aus dem Texte
des Castanheda, nicht aus dem Bericht von der »Rafael« stammen
(falls ihn Valentin Ferdinand getreu wiedergibt, woran wir keinen
Grund haben zu zweifeln); denn der ist unzweideutig. Aller Wahr-
scheinlichkeit nach ist übrigens auch hier der Text bei Valentin
Ferdinand gekürzt: die Vorlage wird sich nicht mit der an sich
belanglosen Tatsache begnügt haben, daß drei Mann ins Meer
stürzten, sondern wie Castanheda und Goes berichtet haben, daß
zwei von ihnen ertranken, der dritte aber, Fernäo Lourengo, sich
eine ganze Nacht schwimmend über Wasser hielt und dadurch am
nächsten Morgen trotz hohem Seegang und Nebel von einem nieder-
gelassenen Boot gerettet werden konnte. Die südliche Entfernung
vom Festland, in der man den Meridian des Kaps passierte, gibt
Goes mit Castanheda auf 175 Leguas an, was auf die ganz un-
wahrscheinliche Breite von 45° führen würde, während Valentin
Ferdinand 70 Leguas hat. Diese Beispiele, deren Zahl sich leicht
vermehren ließe (vgl. oben S. 1 34), mögen genügen ; ich kehre zu
den Quellen erster Hand zurück.
Da ist an dritter Stelle unter denen, die die ganze Reise be-
handeln, der Brief des Gaspar da Gama an den König zu nennen
(Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. 111, S. 200—204). Er ist
anscheinend in Cochin geschrieben und war wohl bestimmt mit
den ersten Gewürzschiffen, die am 2. Januar 1 506 von Cananor
abfuhren, nach Portugal zu gehen. Die Person des Verfassers und
seine rastlosen Bemühungen im Dienste des Königs sind etwas
aufdringlich in den Vordergrund gestellt, aber der Bericht enthält
mancherlei Einzelheiten über die Vorgänge in Quiloa, Melinde,
Onor, Cananor und Cochin, die in den andern Quellen nicht ent-
halten sind, und ist daher nicht ohne Wert, zumal Gaspar Ver-
trauensmann des Vizekönigs war.
Von einer unleidlichen Breite, Pointelosigkeit und verhältnis-
mäßigen Inhaltsarmut sind die Briefe des Pero Fernandes Tinoco
149
an den König aus Cochin vom 18. und 21. November 1505. Im
ersten berichtet er (Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II,
S. 335—341) über. die Hinreise, im zweiten (ebd., S. 341—344)
führt er wie in einem andern vom 15. Januar 1506 (ebd., Bd. III,
S. 170 — 177) bittere Beschwerde über den Vizekönig, der ihn
unterwegs schlecht behandelt habe und jetzt nicht als Gesandten
nach Vijayanagar schicken wolle. Der letzte strotzt nur so von
Anklagen und Verleumdungen gegen Almeida. Hier kommt bloß
der erste der drei Briefe in Betracht und dessen kritischer Wert
liegt besonders in den topographischen Einzelheiten, die er über
Mombasa und den Sturm auf die Stadt gibt und die eine genauere
Vorstellung von den Hergängen der Eroberung ermöglichen. Da-
neben gestattet der Bericht die Kontrolle von ein paar Datums-
angaben der andern Quellen. Das Original ist zum Teil zerrissen
und der Text lückenhaft.
Verloren ist der von Almeidas Sekretär Gaspar Pereira über
die Ereignisse von der Ausfahrt aus dem Tejo bis etwa zum
1 7. Dezember an den König erstattete jedenfalls sehr umfangreiche
Bericht, der in zwei Exemplaren ausgefertigt mit dem Geschwader
des Femao Suares nach Portugal ging, erhalten nur ein ihn er-
gänzender Bericht Almeidas, datiert von Cochin 1 6. Dezember 1 505
(Torre do Tombo, gav. 20, mago 10, n. 33), leider auch teilweise
zerrissen und lückenhaft. Für die Zeit vom 18, Dezember 1505
bis 12. Januar 1506 haben wir dagegen den des Gaspar Pereira,
der mit der »Magdalena« am letztgenannten Tage von Cochin
abging (Cartas de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 354 — 369)
und viel Interessantes bietet.
Ein paar auf Anteile an der Beute von Quiloa und Mombasa
sowie auf die Ladung in Cananor bezügliche Angaben enthält die
Urkunde des Vizekönigs vom 30. Oktober 1505 in Cartas de
Affonso de Albuquerque, Bd. III, S. 177 — 181. Von Unterschla-
gungen, die an der Beute der zwei afrikanischen Städte durch portu-
giesische Kapitäne der Flotte von 1505 sowie den Kastilianer
Guadelajara zum Nachteil der Krone verübt worden waren, und
von unerlaubtem Handel der gleichen Leute mit gewissen der Krone
vorbehaltenen Waren erfahren wir Genaueres durch den Brief des
Gaspar da Gama an den König vom 1 6. November 1 506 (Cartas
de Affonso de Albuquerque, Bd. II, S. 371— 380).
Von den Darstellungen der portugiesischen Historiker des
16. Jahrhunderts sind die des Castanheda und Goes im Anschluß
an den Bericht von der »Rafael« bereits oben behandelt; Barros
ist für die Hinreise einer andern, offenbar guten und ergiebigen
Quelle gefolgt, die den JoSo da Nova stärker hervortreten ließ und
im übrigen manche Einzelheiten enthielt, die bei den andern nicht
150
zu finden sind; so erfahren wir z. B. durch ihn allein, daß Almeidas
Admiralschiff die »Jeronimo« war; anderseits macht er von der
Heimreise der Gewürzschiffe — wie übrigens auch die andern —
so unzutreffende und von der Entdeckung Madagaskars nur so
flüchtige Angaben, daß man annehmen muß, er hat den Bericht
von der »Rafael« nicht gekannt. Die Abweichungen von den
zwei genannten Historikern sind nicht erheblich und erklären sich
zum Teil aus seiner schriftstellerischen Eigenart, die auf schöne
Erzählung und lückenlose Zusammenhänge und auf Verherrlichung
der Taten seines Volkes ausgeht. So ist bezüglich der Einzelheiten
Castanhedas minder schöner Bericht wohl der verlässigere.
Correas Darstellung in den Lendas da India ist auch für die
Reise Almeidas nur mit großer Vorsicht zu benutzen ; wo sie denen
der andern bezüglich der Daten und Tatsachen widerspricht, ver-
dient sie keinen Glauben, auch wenn die bestimmtesten Einzel-
angaben gemacht werden. Ein Musterbeispiel für die Art, wie er
mit geschichtlichen Wirklichkeiten schaltet, ist seine Erzählung der
Vorgänge in Mombasa (Bd. I, S. 544 — 561), zum großen Teil
reines Spiel der Phantasie, »Legende«; bezeichnend auch die große
Seeschlacht, die er den Vizekönig vor der Ankunft in Cochin bei
Cananor der Flotte des Samorin liefern läßt (Bd. I, S. 595 — 605),
anscheinend Verwechslung mit dem Seesieg, den über sie D.Louren^o
am 16. März 1506 in der Bucht von Cananor errungen hat.
Im ganzen aber ist die Überlieferung der Reise reich und
gut und das Bild, das von ihr gewonnen werden kann, bis in
die Einzelheiten gesichert.
Druck von C.W. Bearfeldla
Druckfehler- Berichtigung :
S. 41 Z. 16 lies: »arische« statt -arabische«.
S. 44 Z. 5 lies: »Setubal« statt »Sebutal«.
S. 77 Z. 42 lies: »ander mer« statt »andermer«.
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HF Hummerich, Franz
3565 Die erste deutsche
H8 Handelsfahrt nach Indian,
1505/06