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Full text of "Die erste deutsche Handelsfahrt nach Indien, 1505/06 : ein Unternehmen der Welser, Fugger und anderer Augsburger sowie Nürnberger Häuser"

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HISTORISCHE  | 

BI5LI0THEK  1 


BAND  49  5| 


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I 
^ 


FRANZ  HÜMMERICH  ^ 

DIE  ERSTE  DEUTSCHE    | 
HANDELSFAHRT  NACH    | 
INDIEN  1505/06 

i 

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MÜNCHEN  UND   BERLIN 
VERLAG  V  R  Or.DENBOURG 


I 


DIE  ERSTE 

DEUTSCHE  HANDELSFAHRT 

NACH  INDIEN  1505/06 


EIN  UNTERNEHMEN  DER  WELSER, 

FUOGER  UND  ANDERER  AUGSBURGER 

SOWIE  NÜRNBERGER  HÄUSER 


VON 

FRANZ  HÜMMERICH 


MÜNCHEN  UND  BERLIN  1922 
VERLAG  VON  R.  OLDENBOURG 


HISTORISCHE  BIBLIOTHEK 

herausgegeben  von  der 
Redaktion  der  Historischen  Zeitschrift 

Band  40 


3^^^ 


Alle  Rechte,  einschließlich  des  Übersetzungsrechtes,  vorbehalten. 


Vorwort. 


Die  vorliegende  Arbeit  behandelt  ein  wagemutiges  kauf- 
männisches Unternehmen  der  Welser,  Fugger  und  anderer  Augs- 
burger sowie  Nürnberger  Häuser.  Es  ist  die  erste  Handelsfahrt 
deutscher  Kaufleute  nach  Indien,  ein  paar  Jahre  nach  Entdeckung 
des  Seewegs  dorthin ;  es  ist  aber  auch  während  der  ganzen  Dauer 
der  portugiesischen  Kolonialherrschaft  im  Osten  das  einzige  deutsche 
Unternehmen  dieser  Art:  als  seit  dem  zweiten  Jahrzehnt  des  16.  Jahr- 
hunderts der  Indienhandel  und  die  Ausfuhr  der  Gewürze  nach 
ihren  neuen  europäischen  Stapelplätzen,  Lissabon  und  Antwerpen, 
portugiesisches  Kronmonopol  wurde,  ergab  sich  für  die  Kaufleute 
der  Reichsstädte  die  Möglichkeit  mit  beträchtlich  geringerem  Risiko 
dort  einzukaufen.  Schon  das  gibt  der  Reise  von  1 505/06  ein  gewisses 
Interesse.  Sie  ist  nun  aber  nicht  etwa  auf  eigene  Hand  und  selb- 
ständig von  den  deutschen  Handelshäusern  in  die  Wege  geleitet 
worden,  sondern  die  drei  Schiffe,  die  sie  im  Verein  mit  einer 
Gruppe  italienischer  Kaufleute  nach  den  Gewürzländem  schickten, 
waren  anscheinend  alle  in  Portugal  gechartert  und  fuhren  als  Teil 
einer  portugiesischen  Armada,  die  den  ersten  Vizekönig  von  Indien 
nach  dem  Osten  trug,  waren  von  Portugiesen  geführt  und  mit 
Portugiesen  bemannt,  dem  Oberkommando  des  Vizekönigs  während 
der  Reise  bedingungslos  unterstellt  und  für  deren  Dauer  zur  Beteili- 
gung auch  an  kriegerischen  Handlungen  verpflichtet.  So  haben 
sie  an  all  dem  teilgehabt,  was  auf  der  ereignisreichen  Fahrt  zur 
Begründung  und  Sicherung  der  portugiesischen  Handelsherrschaft 
im  Indischen  Ozean  unternommen  worden  und  selbst  dem  Agenten 
der  deutschen  Kaufherrn,  Balthasar  Sprenger,  der  die  Reise  mit- 
gemacht und  1 509  einen  ausführlichen  Bericht  hat  drucken  lassen, 
weit  wichtiger  und  interessanter  erschienen  ist  als  Mitteilungen  über 
die  äußerst  bescheidene  Rolle,  die  er  in  Erledigung  sogar  der  kauf- 
männischen Angelegenheiten  seiner  Auftraggeber  zu  spielen  in  der 


IV 

Lage  war.  Berücksichtigt  man  dazu  noch,  daß  in  den  portu- 
giesischen Quellen  von  der  Teilnahme  der  Deutschen  gar  nicht 
die  Rede  ist,  so  wird  es  verständlich  erscheinen,  wenn  in  der  Dar- 
stellung der  Ereignisse  die  Portugiesen  im  Vordergrund  stehen. 
Anderseits  ist  aber  auch  nur  durch  Einblick  in  das  gesamte  Trieb- 
werk einer  portugiesischen  Indienfahrt  im  beginnenden  16.  Jahr- 
hundert eine  klare  Vorstellung  von  dem  Erleben  der  zwei  Deutschen, 
deren  Teilnahme  an  der  Fahrt  bezeugt  ist,  überhaupt  zu  gewinnen. 
Und  für  kaum  eine  andere  Indienfahrt  dieser  Zeit  fließen  nun  die 
Quellen  erster  Hand  so  reich  und  ungetrübt  wie  für  die  des  Vize- 
königs Francisco  d'Almeida,  von  keiner  läßt  sich  ein  so  farbiges 
und  lebensvolles  Bild  aus  Berichten  von  Teilnehmern,  darunter 
Männern  in  führender  Stellung,  gewinnen.  So  schien  eine  Mono- 
graphie lohnend,  die  das  deutsche  Unternehmen  auf  einem  reicheren 
Hintergrund  zur  Darstellung  brächte.  Eine  solche  gibt  es  bisher 
nicht.  Soweit  das  deutsche  Handelsunternehmen  als  solches  in 
Betracht  kommt,  sind  die  entscheidenden  Tatsachen  auf  Grund  des 
hier  leider  nur  spärlichen  Materials  von  Konrad  Haebler  ermittelt 
und  in  dem  Werke  »Die  überseeischen  Unternehmungen  der  Welser 
und  ihrer  Gesellschafter«,  Leipzig  1903,  S.  7 — 26  einwandfrei  dar- 
gestellt. Das  in  kommerzieller  Beziehung  dort  gewonnene  Bild 
konnte  um  Einzelzüge  bereichert  werden,  in  allem  Wesentlichen 
war  es  abschließend.  Anders,  was  den  Verlauf  der  Fahrt  betrifft. 
Hier  war  im  Rahmen  von  Haeblers  Buch  nur  für  das  Allerwichtigste 
Raum.  Für  die  ausführlichere  Darstellung  Friedrich  Kunstmanns 
in  der  Akademie-Abhandlung  »Die  Fahrt  der  ersten  Deutschen 
nach  dem  portugiesischen  Indien«,  München  1861,  stand  das  ein- 
schlägige reiche  Material  des  portugiesischen  Nationalarchivs  der 
Torre  do  Tombo,  wie  es  heute  in  den  sechs  bisher  erschienenen 
Bänden  der  Lissaboner  Akademie- Ausgabe  der  »Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque«  und  in  der  Urkundensammlung  »Alguns  Docu- 
mentos  do  Archivo  Nacional  da  Torre  do  Tombo«  vorliegt,  noch 
nicht  zur  Verfügung;  im  übrigen  ist  sie  vergriffen. 

Die  kritischen  Grundlagen  der  vorliegenden  Monographie 
sind,  soweit  sie  auf  die  zwei  echten,  deutschen  Berichte  Balthasar 
Sprengers  und  einen  ebenfalls  deutschen  Geschäftsbrief  aus  Lissabon, 
geschrieben  nach  dem  22.  Mai  und  vor  3.  Juni  1 506,  bzw.  auf  eine 
durch  deutsche  Vermittlung  auf  uns  gekommene  portugiesische 
Quelle  erster  Hand  gegründet  werden  muß,  von  mir  selbst  in 
einer  größeren  Arbeit  gelegt,  die  unter  dem  Titel  »Quellen  und 
Untersuchungen  zur  Fahrt  der  ersten  Deutschen  nach  dem  portu- 
giesischen Indien  1505/06«  in  den  Abhandlungen  der  Bayerischen 
Akademie  der  Wissenschaften,  philosophisch-philologische  und 
historische  Klasse,  XXX.  Bd.,  München  1918,  als  dritte  Abhandlung 


(153  S.  4<>)  erschienen  ist  Sie  enthält  außer  Untersuchungen  über 
die  genannten  Reiseberichte,  besonders  die  Sprengers,  revidierte, 
mit  fortlaufendem  Kommentar  versehene  Texte  derselben  —  zu 
dem  portugiesischen  Bericht  auch  Übersetzung  — „und  ist  im 
folgenden  in  der  Abkürzung  Q.  U.  vielfach  zitiert.  Die  Oberlieferung 
der  Reise  bei  den  portugiesischen  Historikern  des  16.  Jahrhunderts 
ist  in  ausgedehntem  Maße  schon  dort  in  den  Erläuterungen  heran- 
gezogen und  kritisch  beleuchtet.  Seitdem  hat  das  Kriegsende  mir 
ermöglicht  alte  Beziehungen  zu  Portugal  wieder  aufzunehmen  und 
neue  zu  knüpfen  und  so  für  die  darstellende  Behandlung  des  Stoffes 
archivalisches  Material  heranzuziehen,  das  mir  während  der  Kriegs- 
jahre unzugänglich  war,  vor  allem  eine  Reihe  Dokumente  aus  den 
»Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque«  und  einen  in  der  Torre  do 
Tombo  in  Lissabon  erhaltenen,  noch  unveröffentlichten  Bericht 
Almeidas  vom  16.  Dezember  1505  aus  Cochin.  Aus  diesen  neuen 
Quellen  ergaben  sich  nicht  nur  Berichtigungen  der  Darstellung 
der  Chronisten  in  dieser  und  jener  Einzelheit,  nicht  nur  neue  Tat- 
sachen konnten  daraus  gewonnen  werden,  wertvoller  war,  daß  die 
Fülle  des  Stoffes  sich  zu  einem  Gesamtbilde  zusammenschloß,  das 
neben  dem  Besonderen,  nur  dieser  Reise  Eigenen  die  typischen 
Züge  einer  portugiesischen  Indienfahrt  des  beginnenden  16.  Jahr- 
hunderts mit  dem  Hintergrunde  der  geographischen  und  kulturellen 
Verhältnisse  der  auf  der  Fahrt  berührten  Gebiete  aufwies. 

In  einem  etwas  wesentlicheren  Punkte  hat  die  erneute  Durch- 
arbeitung des  gesamten  Stoffes  mich  gegenüber  der  früheren  Ab- 
handlung zu  einer  anderen  Auffassung  geführt.  Ich  glaube  nicht 
mehr  mit  Schmeller,  daß  der  in  der  Valentin-Ferdinand-Handschrift 
der  Bayerischen  Staatsbibliothek  in  München  erhaltene  portugie- 
sische Reisebericht  von  dem  Schiffe  »»Rafael^  den  in  der  Überschrift 
genannten  Deutschen  Hans  Mayr  zum  Verfasser  hatte  (Näheres 
darüber  s.  Kapitel  IX);  wenn  trotzdem  im  folgenden  der  Bericht  an 
einzelnen  Stellen  nach  ihm  genannt  wird,  so  mag  das  Bedürfnis  der 
Kürze  im  Ausdruck  es  entschuldigen ;  übrigens  hat  Hans  Mayr  das 
Exemplar  des  Berichtes,  das  Valentin  Ferdinand  vorlag,  vermutlich 
wenigstens  geschrieben,  wenn   er  auch   nicht  der  Verfasser  war. 

Beim  Abschluß  des  Buches  ist  es  mir  ein  Bedürt'nis,  auf- 
richtigen Dank  noch  allen  denen  auszusprechen,  die  zu  seinem 
Zustandekommen  beigetragen  haben,  vor  allem  der  Bayerischen 
Akademie  der  Wissenschaften,  die  mir  früher  die  Veröffentlichung 
der  »Quellen  und  Untersuchungen«  durch  Aufnahme  in  ihre  Ab- 
handlungen ermöglicht  und  nun  auch  die  Drucklegung  der  gegen- 
wärtigen Arbeit  durch  einen  Zuschuß  zu  den  Druckkosten  gefördert 
hat;  insbesondere  bin  ich  hier  Herrn  Geheimrat  Professor  Dr.  Geiger 
zu  Dank  verpflichtet  für  das  freundliche  Interesse,  das  er  meiner 


VI 

Arbeit  entgegengebracht  hat.  Dankbar  gedenke  ich  auch  der  jeder- 
zeit hilfsbereiten  Freunde  in  Portugal,  der  Professoren  an  der 
Universität  Coimbra  Frau  Dr.  Carolina  Michaelis  de  Vasconcellos 
und  Herrn  Dr.  Luciano  Pereira  da  Silva,  sowie  des  Herrn  Pedro 
de  Azevedo,  Archivars  der  Torre  do  Tombo  in  Lissabon,  dessen 
Liebenswürdigkeit  ich  die  Abschrift  des  Berichtes  des  Vizekönigs 
vom  Dezember  1505  verdanke. 

Ingolstadt,  im  November  1922. 

Franz  Hummer  ich. 


I.  Der  Indienhandel 
vor  Entdeckung  des  Seewegs  ums  Kap'. 

Der  Handelsverkehr  zwischen  der  Mittelmeerwelt  und  den 
Süd-  und  südostasiatischen  Ursprungsländern  der  Gewürze  und 
Drogen,  der  Perlen  und  edeln  Steine  beginnt  früh.  Begünstigt  haben 
ihn  einerseits  die  zwei  großen  parallelen  Erdspalten,  die  sich,  ihm 
die  Wege  weisend,  in  der  Richtung  Südost  gegen  Nordwest  vom 
Indischen  Ozean  durch  den  Persischen  Meerbusen  nach  dem  Quell- 
gebiet des  Euphrat  und  Tigris  und  durchs  Rote  Meer  zur  Land- 
enge von  Sues  hinziehen,  anderseits,  insofern  er  Seehandel  war,  die 
atmosphärischen  Erscheinungen  der  im  Indischen  Ozean  zwischen 
Äquator  und  Südküsten  Asiens  halbjährlich  wechselnden  Monsun- 
winde, die  einen  ozeanischen  Völkerverkehr  schon  zu  Zeiten  er- 
möglichten, wo  die  Seefahrer  ihr  Leben  und  ihre  Ladung  noch 
gebrechlichen  und  unbehilflichen  Fahrzeugen  anvertrauen  mußten. 

Auf  welcher  der  zwei  natürlichen  Verkehrsstraßen  sich  im 
Altertum  und  Mittelalter  jeweils  der  indisch-europäische  Handel 
vorzugsweise  bewegte,  das  hing  zum  großen  Teil  von  den  inneren 
Zuständen  und  politischen  Machtverhältnissen  der  Reiche  Meso- 
potamiens und  des  Nillands  ab.  War  er  bis  in  die  hellenistische 
Zeit  ganz  überwiegend  auf  dem  Euphratweg  gegangen,  so  hat 
seit  dem  zweiten  vorchristlichen  Jahrhundert  das  Vordringen  der 
Parther  ihn  von  dort  mehr  nach  dem  Roten  Meer  und  dem 
Ptolemäerreich  hinübergedrängt.  Der  gewaltige  Siegeszug  der 
Araber  im  siebenten  Jahrhundert  brachte  beide  Straßen  des  Welt- 
verkehrs in  deren  Hände,  machte  sie  für  lange  Jahrhunderte  zu 
den  Vermittlem  zwischen  Morgen-  und  Abendland.  Solange  nun 
Bagdad  unter  der  Herrschaft  der  Abbasiden  als  erste  Industrie- 
und  Handelsstadt  des  Weltreichs  und  Sammelplatz  aller  wertvollen 
Erzeugnisse  Asiens  blühte,  war  der  Weg  durchs  Zweistromland, 
wie  es  scheint,  der  belebtere,  gingen  die  Waren  Indiens  von  dort 
über  Damaskus  oder  Haleb  (Aleppo)  zur  syrischen  Küste,  durch 


*  Vgl.  hierzu  bes.  O.  Peschel,  Die  Handelsgeschichte  des  Roten 
Meeres,  Deutsche  Vierteljahrs-Schrift,  3.  Heft  1855,  S.  157-228  und 
W.  Heyd,  Geschichte  des  Levantehandels  im  Mittelalter,  2  Bde.,  Stutt- 
gart 1879. 

Hümmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien.  < 


Armenien  über  Trapezunt  und  das  Schwarze  Meer  oder  durch 
Kleinasien  auf  dem  Karawanenweg  nach  Konstantinopel.  Die  Grün- 
dung der  Kreuzfahrerstaaten  an  der  syrischen  Küste  seit  1 1 00  gab 
dem  Levantehandel  der  Abendländer  mächtige  Antriebe,  führte  zu 
einem  ungeahnten  Aufschwung  der  kaufmännischen  Beziehungen 
zwischen  der  östlichen  und  westlichen  Welt.  Hatten  schon  an 
der  Eroberung  der  Hafenplätze  Syriens  neben  den  Kreuzfahrer- 
heeren die  Flotten  der  aufstrebenden  italienischen  Handelsrepubliken 
und  ihr  streitbares  Bürgertum  keinen  geringen  Anteil  gehabt,  so 
konnte  hier  von  jetzt  an  unter  dem  Zepter  stammverwandter  Fürsten, 
inmitten  einer  vorwiegend  romanischen  Bevölkerung  der  venezi- 
anische, genuesische,  pisanische  Kaufmann,  geschützt  durch  Vor- 
rechte und  Verleihungen,  sicheres  Unterkommen  für  seine  Person 
und  seine  Waren  finden,  sich  in  einem  seiner  Vaterstadt  vertrags- 
mäßig zu  eigen  gegebenen  Quartier  unter  landsmännischer  Obrig- 
keit, Rechtspflege  und  Seelsorge  sicher  niederlassen  und  an  Ort 
und  Stelle,  bald  auch  in  den  nahen  Stapelplätzen  des  Binnenlandes, 
besonders  Damaskus  und  Haleb,  seinen  Bedarf  an  allen  asiatischen 
Waren  decken.  Der  Untergang  der  syrischen  Kreuzfahrerstaaten 
in  der  zweiten  Hälfte  des  13.  Jahrhunderts  verschüttete  eine  Zeit- 
lang diese  Handelswege.  Den  Verkehr  mit  dem  seit  1171  von 
Sultan  Saladin  und  seinem  Hause,  den  Ejubiden,  seit  1254  von 
den  Mameluken  beherrschten  Ägypten,  schränkten,  zumal  nach 
dem  Fall  Akkons  (1291),  für  länger  päpstliche  Handelsverbote  ein. 
Inzwischen  aber  hatten  die  Reichsgründungen  der  Mongolen  den 
Abendländern  neue  Wege  für  den  Bezug  der  Erzeugnisse  Indiens 
und  Chinas  eröffnet.  Seit  Dschingiskhans  Enkel  Hulagu  1258  dem 
Kalifat  von  Bagdad  ein  Ende  gemacht  und  den  Schwerpunkt  des 
politischen  Lebens  von  Vorderasien  aus  dem  Zweistromland  nach 
dem  nördlichen  Iran  verlegt  hatte,  waren  Bagdad  und  Basra  in 
den  Hintergrund  getreten  gegenüber  seiner  Hauptstadt  Tauris 
(Täbris),  die  im  14.  Jahrhundert  einen  großen  Teil  des  indisch- 
europäischen Warenverkehrs  an  sich  zog  und  einen  Strom  davon 
über  Lajazzo  im  christlichen  Kleinarmenien  und  über  das  gleich- 
falls christliche  Cypern,  den  andern  über  Trapezunt  und  den  Pontus 
oder  über  Asterabad  am  Kaspischen  Meer,  dann  Astrachan  und 
Tana  (Asow)  im  Kiptschakreich  der  Tataren,  über  das  genuesische 
Kaffa  in  der  Krim  der  abendländischen  Welt  zuleitete. 

Während  all  dieser  Wandlungen  im  Völkerleben  und  in  den 
staatlichen  Verhältnissen  der  östlichen  Welt  und  all  der  Verschie- 
bungen in  den  nördlicheren  Verkehrswegen  zwischen  Morgen-  und 
Abendland  lag  indes  auch  das  Rote  Meer  nie  öde;  bot  es  doch 
für  den  Warenzug,  der  aus  Indien  nach  dem  südlichen  Europa 
ging,  nicht  nur  den  kürzesten  Weg  dar,  sondern  beschränkte  auch 


den  kostspieligen  und  beschwerlichen  Landtransport  auf  das  ge- 
ringste mögliche  Maß.  Daraus  erklärt  sich  die  Bedeutung,  die 
Ägypten  als  Durchgangsland  der  begehrtesten  Waren  des  Welt- 
handels in  Altertum  und  Mittelalter  immer  gehabt  hat  Daß  es 
auch  in  der  Blütezeit  Bagdads  diese  Bedeutung  nicht  verloren 
hatte,  lehrt  eine  Notiz  in  dem  zwischen  854  und  874  geschriebenen 
Routenbuch  des  arabischen  Oberpostmeisters  Abul  Kasim  Ibn 
Kordadbeh:  danach  ging  einer  der  Wege,  auf  denen  jüdische  Groß- 
kaufleute damals  ihre  Welthandelsfahrten  betrieben,  von  dem 
Frankenlande  zu  Schiff  nach  Farama,  dem  alten  Pelusium,  dazumal 
noch  einer  reichen  und  ansehnlichen  Hafenstadt,  von  dort  in  fünf 
Tagen  über  die  Landenge  von  Sues  nach  Kolsum,  dem  alten 
Klisma,  und  weiter  zur  See  über  Dschidda  nach  Indien,  ja  darüber 
hinaus  bis  China.  Was  sie  dem  Osten  brachten,  waren  besonders 
Eunuchen  und  Sklaven,  Säbel  und  Pelzwerk;  was  sie  dem  Westen 
zuführten,  Gewürze,  Drogen  und  Wohlgerüche.  Eine  großartige 
Blüte  Äg>'ptens  beginnt,  nach  dem  Sturz  der  morschen  Fatimiden- 
herrschaft,  unter  der  kraftvollen  Regierung  des  Sultans  Saladin. 
Die  Eroberung  des  seldschukischen  Syrien  und  des  Königreichs 
Jerusalem  (1187)  durch  ihn  selbst  und  der  kleinen  Kreuzfahrer- 
staaten durch  sein  Geschlecht  vergrößerte  den  Machtbereich  der 
ägyptischen  Herrscher  und  sicherte  das  Nilland  nach  seiner  stärkst- 
gefährdeten  Seite.  Als  dann  nach  der  Entthronung  des  letzten 
Ejubiden  die  neuen  Herren  des  Landes,  die  Mameluken,  um  die 
Mitte  des  13.  Jahrhunderts  den  Mongolensturm  von  S>Tien  ab- 
gewehrt hatten,  ihr  Reich  die  Vormacht  der  islamitischen  Welt, 
seine  Hauptstadt  Kairo,  von  den  Kopten  Babylon  genannt,  der 
Sitz  des  Kalifates  geworden  war,  stieg  von  neuem  die  Bedeutung 
des  Roten  Meeres  für  den  Welt\'erkehr,  wurde  das  schon  im 
12.  Jahrhundert  wieder  große  und  reiche  Alexandrien  Welthafen, 
über  den  die  größeren  Massen  der  für  Europa  bestimmten  indischen 
Spezereien,  besonders  die  mehr  ins  Gewicht  gehenden  Sorten,  wie 
Pfeffer,  ihren  Weg  nahmen. 

Den  Wechsel  der  Monsune  hatten  schon  seit  dem  ersten 
Jahrhundert  der  römischen  Kaiserzeit  griechische  Seefahrer  zu  regel- 
mäßigen Handelsfahrten  von  Ägypten  nach  Indien  benutzt:  mit 
dem  von  April  bis  Oktober  wehenden  Südwestmonsun  durch- 
querten ihre  Segler  in  40  Tagen  den  Indischen  Ozean  vom  Bab 
el  Mandeb  nach  Malabar,  und  heimwärts  trug  sie  der  Nordost- 
monsun, der  vom  Oktober  bis  April  in  Jenen  Breiten  herrscht 
Der  >bequemen  Pendelschwingung«  dieser  Jahreswinde  vertraute 
seine  Schiffe  auch  das  große  See-  und  Handelsvolk  des  Indischen 
Ozeans  im  Mittelalter,  die  Araber,  an.  Das  Rote  Meer  liegt  nun 
freilich'  nicht   mehr  in    dem  Bereich   der  Monsune,   aber  es   hat 


gleichfalls  zwei  wechselnde  Windrichtungen,  durch  deren  Kenntnis 
seine  Handelsgeschichte  erst  verständlich  wird:  von  Mai  bis 
November  weht,  wie  in  seiner  nördlichen  Hälfte  das  ganze  Jahr, 
von  Sues  bis  zum  Bab  el  Mandeb  der  Nordwind,  von  da  ab  in 
dem  Teil  vom  Bab  el  Mandeb  bis  Dschidda  ein  oft  stürmischer 
Südwind.  Eine  Schiffahrt  von  Dschidda  nach  Norden  ist  für 
Segelfahrzeuge  nur  dadurch  möglich,  daß  zu  Zeiten  der  Nordwind 
sich  legt  und  die  Schiffe  dann  mit  Benutzung  des  nachts  ein- 
setzenden Landwindes  sich  langsam  in  höhere  Breiten  und  nach 
Sues  hinaufarbeiten.  Auch  europäische  Segelschiffe  brauchten  noch 
im  vorigen  Jahrhundert  mindestens  30  Tage  für  die  Fahrt  vom 
Bab  el  Mandeb  nach  Sues,  während  sie  südwärts  die  Reise  in 
7 — 8  Tagen  machten.  So  erklärt  es  sich,  daß  in  Altertum  und 
Mittelalter  die  für  das  Abendland  bestimmten  indischen  Waren 
meist  nicht  zu  Schiffe  bis  nach  Sues  gingen,  sondern  in  beträchtlich 
südlicheren  afrikanischen  Häfen  ausgeladen,  auf  Kamelsrücken  durch 
die  Wüste  an  den  Nil  gebracht  und  von  dort  mit  Lastkähnen  nach 
Alexandrien  verschifft  wurden.  Seit  der  zweiten  Hälfte  des  H.Jahr- 
hunderts allerdings  wurde  Stapelplatz  und  ägyptische  Zollstätte  für 
die  Handelsgüter  des  Ostens  vorwiegend  der  Hafen  von  Tor  auf 
der  Sinaihalbinsel,  nicht  weit  vom  St.  Katharinenkloster;  von  hier 
gingen  die  Waren  auf  dem  Karawanenweg  nach  Kairo  und  von 
dort  weiter  nach  Alexandrien. 

Der  Welthandel  von  heute  dient  dem  Massenaustausch  der 
großen  Lebensbedürfnisse  der  Völker,  wie  Kohlen  und  Erze,  Holz 
und  Getreide,  wie  die  Rohstoffe  der  Industrie  es  sind;  der  des 
Altertums  und  Mittelalters  vermochte  bei  der  geringen  Tragfähig- 
keit der  Schiffe  nur  Güter  zu  befördern,  bei  cj^nen  im  Verhältnis 
zu  ihrem  Werte  die  Frachtkosten  nicht  ins  Gewicht  fielen:  er 
diente  dem  Sinnenreiz  und  der  Üppigkeit  der  Großen  oder  der 
übermütigen  Verschwendung  des  reichen  Bürgertums  in  den  großen 
Handelsstädten  des  späteren  Mittelalters.  Perlen  und  Edelsteine, 
kostbare  Seidengewebe,  Gewürze,  Drogen  und  Wohlgerüche  sind 
die  Waren,  die  der  indische  Osten  damals  hauptsächlich  dem 
Abendland  lieferte,  und  unter  ihnen  hat  der  Pfeffer  als  Handels- 
artikel für  das  mittelalterliche  Alexandrien  nach  einem  Wort  Oskar 
Peschels  verhähnismäßig  dieselbe  Bedeutung  gehabt  wie  um  die 
Mitte  des  19.  Jahrhunderts  für  Großbritannien  Tee  und  Baumwolle, 
für  Spanien  und  Cuba  Zucker  und  Tabak  zusammengenommen. 
Mochten  von  den  anderen  Gewürzen  zu  jeder  Zeit  gewisse  Mengen 
über  die  syrischen  Küstenplätze  oder  den  Pontus  dem  Verbrauch 
des  Abendlandes  zugeführt  werden,  für  den  Pfeffer,  den  weitaus 
wichtigsten  Artikel  des  Indienhandels,  besaß  Alexandrien  nahezu 
das  Monopol.     In  der  Blütezeit  des  Mamelukenreiches,  die  uns 


hier  vor  allem  interessiert,  gingen  die  Waren  bis  zum  Nilland 
durch  ägyptische  und  arabische  Hände;  von  Alexandrien  nach 
Europa  verfrachtet  wurden  sie  alsdann  durch  die  Handelsschiffe 
der  im  Verlauf  der  Kreuzzüge  groß  gewordenen  italienischen  See- 
städte, besonders  Genuas  und  Venedigs,  ferner  des  katalanischen 
Barcelona  und  Südfrankreichs.  Jede  der  regelmäßig  hier  ver- 
kehrenden fremden  Nationen  hatte  in  der  Welthafenstadt  ihr  eigenes 
Quartier  mit  Magazinen  und  Märkten,  ihren  Konsul  und  ihre 
Konsulargerichtsbarkeit,  ihren  Handelsvertrag.  Die  Zeit  von  der 
Mitte  des  13.  bis  zu  der  des  15.  Jahrhunderts  bedeutet  einen 
Höhepunkt  in  der  Geschichte  Ägyptens  wie  in  der  des  Indien- 
handels. Seine  Bevölkerung  muß  damals  wie  in  den  Tagen  des 
Pyramidenbaus  und  wie  heute  wieder  nach  Millionen  gezählt 
haben,  ihr  Wohlstand  blühend,  das  Land  ein  sorgsam  gepflegter 
Garten,  Kairo  eine  Großstadt  von  imponierender  Ausdehnung 
gewesen  sein.  Die  unvergleichlich  günstige  Lage  des  Nillandes 
als  Durchgangsgebiet  für  die  am  meisten  verlangten  Waren  des 
Welthandels  ließ  hohe  Gewinne  in  die  Taschen  der  ägyptischen 
Zwischenhändler  fließen,  leitete  in  die  Kassen  der  Mameluken- 
sultane von  »Babylon«  den  Goldstrom  der  Zölle,  die  sie,  wie  es 
scheint,  von  den  gleichen  Waren  an  mehreren  Stellen,  zu  Ende 
des  1 5.  lahrhunderts  in  Tor,  Kairo  und  Alexandrien,  erhoben,  viel- 
leicht auch,  soweit  ein  Umladen  der  Waren  in  kleinere  Schiffe 
stattfand,  schon  in  Dschidda,  das  wie  die  »Mutter  der  Städte«,  das 
heilige  Mekka,  seit  den  zwanziger  Jahren  des  15.  Jahrhunderts  im 
Besitz  der  Mamelukensultane  war,  und  in  Rosette  an  der  west- 
lichen Nilmündung, 

Diese  Gewinne  des  arabisch-ägyptischen  Zwischenhandels, 
die  Zölle  der  Sultane  und  dazu  oft  noch  Erpressung  ihrer  Zoll- 
beamten, die  beispielsweise  statt  der  10%,  welche  die  meistbe- 
günstigten Nationen  vom  Werte  der  Waren  vertragsmäßig  bei  der 
Ausfuhr  zu  zahlen  hatten,  deren  15  forderten,  trieben  die  Preise 
der  Gewürze  und  Drogen,  bis  sie  in  Alexandrien  in  die  Hände 
der  abendländischen  Kaufherren  gelangten,  auf  das  Doppelte  dessen, 
was  sie  in  den  indischen  Ursprungsländern  kosteten.  Nun  war 
aber  von  jeher  —  das  läßt  sich  bereits  im  Altertum  nachweisen  — 
das  Verlangen  nach  Erzeugnissen  der  europäischen  Gewerbe  in 
Indien  gering  gewesen,  und  was  es  dem  Abendland  liefert^  mußte 
in  der  Hauptsache  mit  edeln  Metallen,  besonders  Silbe*  sowie 
mit  Kupfer  bezahlt  werden,  an  denen  dies  Land,  das  im  Westen 
für  das  metallreichste  der  Welt  galt,  immer  arm  gewesen  ist  Das 
starke  Abströmen  der  hochwertigen  Metalle  nach  dem  Osten  hat 
schon  zu  Tiberius'  und  Plinius'  Zeit  ernste  Bedenken  hervorgerufen 
und    dieser    wirtschaftliche    Gesichtspunkt    neben    den    spät    erst 


aufgegebenen  Kreuzzugsabsichten  der  Päpste  und  den  politischen 
Besorgnissen  der  christh'chen  M'ittelmeerstaaten  vor  der  muhame- 
danischen  Großmacht  am  Nil  bei  den  Blockadeplänen  bestimmend 
mitgewirkt,  die  gegen  das  Mamelukenreich  im  14.  und  15.  Jahr- 
hundert wiederholt  erwogen  wurden.  Trotzdem  hat  der  ägyptische 
•  Handel  bis  zur  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts  nicht  nur  weiter  geblüht, 
sondern  sich  immer  aufwärts  entwickelt.  Dem  materiellen  Oeist, 
der  mit  dem  Emporkommen  der  Demokratie  und  dem  steigenden 
Wohlstand  in  den  italienischen  und  deutschen  Städten  Einzug  ge- 
halten hatte,  schienen  eben  die  Genuß-  und  Luxusartikel  des  Ostens 
unentbehrlich.  Dazu  kam  ein  weiteres:  die  nördlicheren  Wege,  auf 
denen  man  eine  Zeitlang  beträchtliche  Mengen  der  indischen  Ge- 
würze bezogen  hatte,  wurden  im  Lauf  des  1 4.  und  1 5.  Jahrhunderts 
mehr  oder  minder  ungangbar,  ihre  Stapelplätze  am  Meer  verödeten 
oder  wurden  den  abendländischen  Handelsmächten  verschlossen, 
zum  mindesten  die  Sicherheit  des  Verkehrs  mit  ihnen  stark  beein- 
trächtigt. Lajazzo  fiel  1347  in  die  Hände  der  Mameluken,  womit 
seine  kurze  Handelsblüte  vorüber  war,  und  1375  wurde  der  ganze 
kleinarmenische  Christenstaat  dem  ägyptischen  Reich  einverleibt. 
Dem  indischen  Warenzug  durch  Persien  über  Tauris  nach  dem 
Kaisertum  Trapezunt  waren  die  Wirren,  die  gegen  die  Mitte  des 
14.  Jahrhunderts  zur  Auflösung  des  von  Hulagu  gegründeten 
mongolischen  Westreichs  der  Ilkhane  führten,  wenig  günstig,  und 
die  Überflutung  und  Eroberung  Irans  durch  die  Mongolen-  und 
Türkenmassen  Timurs  des  Lahmen  verschüttete,  so  scheint  es, 
diesen  Weg  auf  lange  Zeit  hinaus,  wie  seine  verheerenden  Ein- 
fälle in  das  Kiptschakreich  und  die  Zerstörung  der  tatarischen 
Residenzstadt  Sarai  an  der  Wolga  sowie  Astrachans  zur  Verödung 
des  vielbegangenen  Karawanenweges  nach  Tana  führten.  Zum 
Verhängnis  aber  wurde  für  den  Levantehandel  gerade  der  zwei 
größten  Handelsnationen  des  Mittelmeers,  der  Genuesen  und 
Venezianer,  das  unaufhaltsame  Vordringen  der  Türken  auf  der 
Balkanhalbinsel,  am  Pontus  und  im  griechischen  Archipel.  Hatten 
die  Byzantiner,  die  selber  besondere  Neigung  für  den  Handel, 
zumal  den  Seehandel,  nicht  besaßen,  der  kommerziellen  Energie 
der  abendländischen  Handelsnationen  freie  Bahn  zur  Betätigung 
und  die  Möglichkeit  gegeben,  aus  dem  fernen  Süden  und  Osten 
Asiens  die  Waren  des  Welthandels  beizuschaffen  und  von  dem 
Schwarzen  Meer  und  Konstantinopel  weiterzuführen,  so  fehlte 
dem  noch  rohen  Kriegervolk  der  Osmanen  nicht  nur  der  Sinn 
für  friedliche  Handelstätigkeit,  ihre  ständigen  Eroberungskriege 
ließen  auch  die  für  größere  kaufmännische  Unternehmungen  not- 
wendige Stetigkeit  der  Verhältnisse  nicht  aufkommen  und  ver- 
hinderten eine  regelmäßige  Zufuhr  von  Spezereien  auf  dem  Landweg 


nach  den  pontischen  Gestaden;  ihre  gewalttätige  Barbarenart 
aber  führte  zu  unaufhörlichen  Zusammenstößen  auch  mit  den 
abendländischen  Handelsnationen,  zur  Zerstörung  und  Verödung 
der  Hauptstätten  ihrer  Tätigkeit  und  zur  Vernichtung  der  Freiheiten 
und  Vorrechte,  die  die  Voraussetzung  ihrer  Handelserfolge  gewesen 
waren;  die  Eroberung  endlich  der  meisten  Flottenstationen,  die 
sich  in  den  Händen  der  Venezianer  und  Genuesen  befunden  hatten, 
und  die  Aufrichtung  der  osmanischen  an  Stelle  der  venezianischen 
Seeherrschaft  im  Ägäischen  Meer,  die  für  den  abendländischen 
Handel  viel  mehr  Unsicherheit  als  Sicherheit  schuf,  wies  im  15.  Jahr- 
hundert den  Levantehandel,  soweit  sein  Gegenstand  Erzeugnisse 
Indiens  waren,  immer  ausschließlicher  auf  Ägypten  an.  Erst  in 
der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  setzt  auch  hier  ein  dann  freilich 
rascher  kommerzieller  Verfall  ein,  den  die  Anknüpfung  unmittel- 
barer Seeverbindungen  mit  Indien  durch  die  Portugiesen  an  seinem 
Ausgang  nur  vollendet,  nicht  herbeigeführt  hat. 

Seine  Gründe  lagen  in  den  innerpolitischen  Zuständen  des 
sinkenden  Reiches  am  Nil.  Die  Prätorianerwirtschaft  der  Mame- 
luken, die  ständigen  Thron  wirren,  die  Mißregierung  der  Sultane 
und  der  Steuerdruck  auf  die  Untertanen,  endlich  die  mit  dem 
Verfall  der  staatlichen  Machtmittel  überhandnehmenden  Räubereien 
der  Beduinen  haben  das  blühende  Land  entvölkert  und  zugrunde 
gerichtet  In  Alexandrien  fand  Petrus  Martyr  von  Angleria,  der 
1501  als  spanischer  Gesandter  dahin  kam,  überall  Trümmer  und 
Verödung,  Unsicherheit  und  Mutlosigkeit.  Die  Stadt,  die  nach 
seiner  Schätzung  100000  Gebäude  in  der  Zeit  ihrer  höchsten 
Blüte  gehabt  hatte,  besaß  damals  nur  noch  etwa  4000  Feuerstellen, 
und  Tauben  nisteten  in  ihren  Ruinen.  Die  einheimischen  Kauf- 
leute, von  einem  Sultan  wie  dem  andern  ausgeplündert  und  aus- 
gepreßt, lebten  in  ständiger  Angst  um  Hab  und  Gut,  die  den 
Unternehmungsgeist  und  die  Kraft  lähmte.  Der  Nil,  einst  von 
Schiffen  belebt,  von  Gärten  und  reichen  Dörfern  umsäumt,  war 
verödet,  der  Landweg  von  Rosette  nach  Kairo  durch  schweifende 
Beduinenstämme  gesperrt  Der  Umsatz  des  venezianisch-alexan- 
drinischen  Handels,  der  einige  Jahrzehnte  vorher  noch  600000  Du- 
katen betragen  hatte,  ergab  mit  Einschluß  des  syrischen  Handels 
nur  noch  ein  Drittel  dieser  Summe  und  war  1512  schon  wieder 
beträchtlich  weiter  gesunken. 

Das  ist  die  Lage  des  indisch-mittelmeerischen  Handels  zu  der 
Zeit,  als  der  Portugiese  Vasco  da  Gama  1497/98  den  direkten  See- 
weg nach  den  Gewürzländern  ums  Kap  der  guten  Hoffnung  ent- 
deckte. Seine  Auffindung  war  zu  einer  Art  geschichtlicher  Not- 
wendigkeit geworden:  zwei  Jahrzehnte  später  saßen,  wie  seit  1453 
am  Bosporus  und  früher  schon  an  den  Dardanellen,  die  Osmanen 


8 

als  Zöllner  auch  am  Nil  und  an  der  Landenge  von  Sues.  Und 
»so  wie  der  eiserne  Griff  der  Türken  diese  wichtigen  kosmischen 
Organe  packte  (die  Meerengen  und  Ägypten),  erstarb  der  lebendige 
Odem  der  mediterraneischen  Welt.  Die  Lähmung  trifft  zuerst  den 
Don,  schleicht  an  den  anatolischen  Küsten  hinab,  verdammt  den 
Pontus  wieder  zu  seiner  Ungastlichkeit,  verödet  Syrien,  würgt  das 
letzte  Leben  in  Alexandrien,  um  das  Rote  Meer  einer  mehr  als 
300  jährigen  Vergessenheit  zu  überliefern.  Waren  bisher  die  Ufer 
des  Mittelmeers  die  beglänzte  Hälfte  des  Abendlandes  gewesen, 
so  unterbricht  das  Zwischentreten  der  Osmanen  gleichsam  die 
Quelle  des  Lichtes,  und  wir  beobachten  bekümmert  das  allmähliche 
Erlöschen  der  letzten  beleuchteten  Gipfel,  während  das  Leben 
nach  der  frostigen  Peripherie  unseres  Weltteiles  entweicht.  Die 
Entdeckung  neuer  Welten  im  Westen  und  freier  Verkehrswege 
nach  dem  tropischen  Morgenlande  hat  allerdings  den  ozeanischen 
Ufern  Europas  einen  neuen,  ungeahnten  Wert  verliehen,  daß  aber 
zugleich  mit  der  Verwitterung  der  kleinasiatischen  und  pontischen 
Kultur  das  Mittelmeer  still  und  stiller  werden  mußte,  das  war  das 
freiwillige  Verdienst  der  Osmanen'.« 


II.  Aufnahme  der  Verbindungen  süddeutscher 
Handelshäuser  mit  Lissabon l 

Was  von  den  Erzeugnissen  Indiens  und  des  fernen  Ostens 
im  späteren  Mittelalter  auf  die  deutschen  Märkte  kam,  wie  Speze- 
reien,  Farbwaren,  Wohlgerüche,  Seidengewebe,  Perlen  und  Edel- 
steine, war  fast  alles  aus  der  Levante  zunächst  auf  venezianischen 
oder  genuesischen  Schiffen  nach  Italien  und  von  dort  entweder 
durch  die  Galeeren  der  zwei  großen  Seestädte  nach  Brügge  und 
Antwerpen  gebracht  und  durch  die  Hansen  dem  Verbrauch  be- 
sonders des  nördlichen  Deutschland  zugeführt  oder  in  zahllosen 
Ballen  von  den  Kaufherren  der  süddeutschen  Handelsstädte  an  der 
Donau  und  am  Ober-  und  Mittelrhein  auf  dem  Landweg  über 
die  Alpen  herübergeholt  und  über  Süddeutschland  verteilt  worden, 
während  Mitteldeutschland  teils  von  Norden  teils  von  "Süden  her 
damit  versorgt  wurde.  Konstanzer  und  Ulmer,  Augsburger,  Regens- 
burger und  Nürnberger  waren  neben  rheinischen  Handelshäusern 


1  Peschel,  Geschichte  des  Zeitalters  der  Entdeckungen,  2.  Aufl., 
Stuttgart  1877,  S.  28f. 

2  Vgl.  K.  Haebler,  Die  überseeischen  Unternehmungen  der  Welser, 
Leipzig  1903,  8.8  ff. 


und  -gesellschaften  an  dem  Geschäfte  beteiligt  Die  Beding^ungen 
freilich,  unter  denen  in  Venedig,  dem  weitaus  bedeutenderen  der 
zwei  itah'enischen  Stapelplätze,  der  Einkauf  der  orientalischen  Waren 
vor  sich  gehen  mußte,  für  die  man  mit  deutschen  Gewerbe-  und 
besonders  Bergbauerzeugnissen  zahlte,  wurden  von  den  Handels- 
herren, und  nicht  bloß  von  den  deutschen,  als  beengender  Zwang  nur 
unmutig  ertragen.  Erlaubte  doch  die  Markus-Republik  keinem  der 
vielen  fremden  Kaufleute  direkten  Warenaustausch  mit  anderen  in 
der  Stadt  anwesenden  Fremden  oder  unmittelbaren  Handelsverkehr 
mit  den  Ursprungsländern  der  Waren;  nichts  durfte  den  Hafen  ver- 
lassen, was  nicht  durch  die  Hände  eines  einheimischen  Kaufmanns 
gegangen  war.  Einkauf  von  Waren  mußte  in  Begleitung  und  unter 
Vermittlung  des  dem  fremden  Kaufmann  zugeteilten  Maklers  vor- 
genommen werden,  und  besonders  zahlreichen  Einschränkungen 
war  der  Pfefferhandel  unterworfen,  der  wichtigste  Geschäftszweig 
des  mittelalterlichen  Venedig.  Solange  sich  nun  die  Republik  mit 
der  Hohen  Pforte  im  Friedenszustande  befunden  und  ungestört  ihre 
Handelsvorrechte  in  der  Levante  genossen  hatte,  war  jeder  Versuch 
aussichtslos  gewesen,  dies  Verhältnis,  das  im  1 5,  Jahrhundert  einem 
Handelsmonopol  Venedigs  für  die  orientalischen  Waren  nahekam, 
zu  ändern;  als  aber  1499  der  Krieg  zwischen  Sultan  Bajesid  II.  und 
der  Republik  ausbrach  und  deren  Levantehandel  auf  ein  paar  Jahre 
lahmlegte,  wandten  sich  die  deutschen  Kaufleute  in  rascher  und  tat- 
kräftiger Ausnutzung  der  Gelegenheit,  um  ihren  Bedarf  an  indischen 
Waren  zu  decken,  nach  Genua,  das  im  1 5.  Jahrhundert,  wenn  es 
auch  politisch  mit  der  Republik  von  S.  Marco  längst  nicht  mehr 
rivalisieren  konnte,  kommerziell  doch  noch  einmal  kräftig  aufgeblüht 
war,  jetzt  vorübergehend  Hauptstapelplatz  für  die  Erzeugnisse  des 
Ostens  wurde  und  ihnen  schon  in  früheren  Handelsverträgen 
wesentlich  günstigere  Bedingungen  eingeräumt  hatte  als  Venedig. 
Eine  Stelle  in  den  Tagebüchern  des  Venezianers  Marino  Sanuto^ 
läßt  deutlich  erkennen,  daß  1501  unter  Führung  der  Fugger  vier 
deutsche  Handelsgesellschaften  sich  sogar  zusammengetan  hatten 
um  von  Genua  aus  unmittelbare  Beziehungen  mit  der  Levante 
anzuknüpfen. 

Es  ist  nicht  dazu  gekommen.  Denn  inzwischen  hatte  Por- 
tugal begonnen  aus  der  Entdeckung  des  Seewegs  um  das  Kap 
der  Guten  Hoffnung  (1497/98)  die  kaufmännischen  Folgerungen 
zu  ziehen:  im  März  1500  war  Pedralvares  Cabral  mit  13,  im 
März  1501  Joao  da  Nova  mit  4  Fahrzeugen  aus  der  Tejomündung 
nach  dem  Osten  ausgelaufen;  und  wenn  auch  das  erste  Unter- 
nehmen nur  mit  beträchtlichen  Verlusten  an  Schiffen  durchgeführt 


>  Diarü,  Bd.  IV,  Sp.  28;  dazu  Haebler  a.a.O.,  S.  6 f. 


10 

wurde  und  der  kaufmännische  Erfolg  dadurch  hinter  den  Erwar- 
tungen zurückbleiben  mußte,  so  kehrten  doch  von  dem  zweiten 
alle  Schiffe  unversehrt  und  mit  Ladung  zurück,  und  in  den  ersten 
Monaten  des  Jahres  1 502  ging  unter  dem  Admiral  Vasco  da  Gama 
eine  Flotte  von  20  Schiffen  nach  den  Gewürzländern  in  See, 
von  der  ein  Geschwader  unter  Vicente  Sodre  Befehl  hatte,  im 
Indischen  Ozean  kreuzend  den  arabischen  Handel  vom  und  zum 
Roten  Meer  nach  Kräften  zu  behindern;  man  begann  damit  die  Ver- 
wirklichung des  kühnen,  weitausschauenden  Planes,  den  Zwischen- 
handel der  arabischen  Kaufleute  nach  Ägypten  und  Syrien  zu 
vernichten  und  den  Gewürz-  und  Drogenhandel  nach  dem  Westen 
ganz  in  portugiesische  Hände  zu  bringen,  Lissabon  an  Stelle 
Venedigs  zu  seinem  Stapelplatz  für  Europa  zu  machen.  Gelang 
der  Versuch  —  und  bei  dem  Verfall  der  Mamelukenmacht  schien 
das  nicht  unmöglich  — ,  so  war  für  den  Indienhandel  eine  völlig 
neue  Sachlage  gegeben.  Es  zeugt  von  dem  Weitblick  und  Unter- 
nehmungsgeist der  süddeutschen  Kaufleute,  daß  sie  das  alsbald 
erkannt  und  ihre  Maßnahmen  danach  getroffen  haben.  Wurde 
der  Gewürzstapel  nach  Lissabon  verlegt,  dann  mußten  sie  künftig 
dort  ihren  Bedarf  decken,  und  je  eher  sie  sich  dazu  entschlossen, 
um  so  mehr  Aussicht  hatten  sie,  günstige  Bedingungen  für  ihre 
Geschäfte  und  einen  Vorsprung  vor  den  Konkurrenten  aus  anderen 
Ländern  zu  erlangen.  So  hören  wir  nichts  weiter  von  ihrem  Plan, 
selbst  über  Genua  mit  der  Levante  in  Verbindung  zu  treten,  da- 
gegen bringt  bereits  am  13.  Februar'  1503  als  Vertreter  des  Anton 
Welser  (in  Augsburg),  Konrad  Vöhlin  (von  Memmingen)  und  ihrer 
Gesellschafter  deren  Agent  Simon  Seitz  in  Lissabon  einen  Privilegien- 
vertrag mit  König  Manuel  dem  Glücklichen  von  Portugal  zum 
Abschluß,  wonach  der  Welser-Gesellschaft  und  dem  deutschen 
Kaufmann  im  allgemeinen  auf  15  Jahre  die  Zollvergünstigungen, 
die  dem  deutschen  Handel  durch  einzelne  Förderungsbriefe  schon 
früher  in  Portugal  eingeräumt  worden  waren,  von  neuem  zu- 
gesichert, mit  bestimmten  Vorbehalten  aber  auch  auf  die  Handels- 
artikel ausgedehnt  wurden,  die  aus  den  neuentdeckten  Ländern 
kämen,  und  ihnen  unter  gewissen  Bedingungen  für  die  Zukunft 
unmittelbare  Beteiligung  an  dem  überseeischen  Handel  in  Aussicht 
gestellt  war.  Die  in  dem  Vertrag  zugestandenen  Rechte  sollten 
allen  deutschen  Handelshäusern  zugute  kommen,  die  in  Lissabon 
Niederlagen  einzurichten  wünschten  und  sich  an  dem  Handel  nach 
Portugal  mit  einem  Kapital  von  mindestens  10000  Dukaten  be- 
teiligen würden.  Die  vorbereitenden  Verhandlungen  mit  dem 
König    hatte    vermutlich,    da    Simon   Seitz   auf    der   Reise    nach 


Haebler  a.  a.  O.,  S.  9  f. 


11 

Portugal,  in  Begleitung  von  Lukas  Rem  und  Scipio  Löwenstein,  am 
T.Januar  1503  erst  bis  Saragossa  gekommen  war',  also  die  por- 
tugiesische Hauptstadt  vor  Ende  des  Monats  schwerlich  erreicht 
haben  kann,  ein  in  Lissabon  ansässiger,  auch  bei  Hofe  angesehener 
Deutscher  geführt,  Valentim  Fernandez  aus  Mähren,  Einer  der 
frühesten  Buchdrucker  in  Portugal,  war  er  zugleich  ein  Mann 
von  geistigen  Interessen  und  gelehrter  Bildung,  und  so  finden  wir 
ihn  in  den  folgenden  Jahren  in  Briefwechsel  mit  dem  bekannten 
Augsburger  Humanisten  Konrad  Peutinger,  in  dessen  Besitz  später 
auch  eine  von  Valentim  Fernandez  herrührende  und  heute  nach 
ihm  benannte,  überaus  wertvolle  Handschrift  übergegangen  ist, 
die  sich  in  der  Bayerischen  Staatsbibliothek  zu  München  befindet 
und  Darstellungen  vor  allem  dessen  enthält,  was  Valentim  Fernandez 
über  die  Westküste  Afrikas  bis  zur  Sierra  Leone  und  einzelne 
Inselgruppen  im  Atlantischen  Ozean  sowie  über  die  Entdeckung 
dieser  Erdräume  durch  die  Portugiesen  im  15.  Jahrhundert  hatte 
erfahren  können.  Als  Übersetzer  hat  er  ferner  die  Reiseberichte 
des  Marco  Polo,  Niccolö  dei  Conti  und  Geronimo  da  Santo  Stefano 
ins  Portugiesische  übertragen  und  1502  in  Lissabon  gedruckt 
Daß  er  sich  um  das  Zustandekommen  des  Privilegienvertrags 
vom  13.  Februar  Verdienste  erworben  hatte,  dafür  spricht,  daß 
Simon  Seitz  acht  Tage  danach  für  ihn  vom  König  das  Amt  eines 
Maklers  der  deutschen  Kaufleute  erbittet  und  erlangt.  Später  hat 
er  auch  mit  den  Fugger  und  Imhof  Beziehungen  unterhalten 2. 
Das  gleiche  Privileg  wie  den  Welsern,  einschließlich  einer  diesen 
im  besondem  zugestandenen  Zollermäßigung,  wurde  noch  in 
demselben  Jahr  dem  Ulrich  Fugger  und  seinen  Brüdern  ausgestellt, 
und  die  Gossenprott  und  Höchstetter  von  Augsburg  sowie  die 
Nürnberger  Häuser  Imhof  und  Hirschvogel  scheinen  sehr  bald 
nachgefolgt  zu  sein.  Wenn  in  dem  Vertrag  vom  Februar  1503 
den  Deutschen  das  Recht  eingeräumt  wird,  eigene  Schiffe,  die  sie 
in  Portugal  bauen  ließen,  mit  allen  Privilegien  und  Freiheiten  der 
eigenen  Untertanen  des  Königs  für  das  Schiff  wie  für  die  Güter, 
die  es  führe,  in  allen  Häfen  und  Flüssen  des  Landes  wie  zum 
Handel  nach  auswärts  zu  benutzen^,  so  zeigt  das  in  Verbindung 
mit  den  andern  Zugeständnissen,  welchen  Wert  Manuel  auf  An- 
knüpfung engerer  Beziehungen  zu  den  deutschen  Kaufleuten  legte. 
Und  das  hatte  seine  guten  Gründe. 


•  Tagebuch  des  Lukas  Rem  ed.  B.  Greift,  Augsburg  1861,  S.  7. 

2  Haebler,  a.  a.  O.,  S.  10. 

3  Cassel,  Privilegia  und  Handlungsfreiheiten,  welche  die  Könige 
von  Portugal  ehedem  den  deutschen  Kaufleuten  zu  Lissabon  erteilet 
haben,  Bremen  1771,  S.  8. 


12 

Das  kleine  Portugal  besaß  keinen  Überfluß  an  natürlichen 
Hilfsquellen.  Die  Aufbringung  der  Geldmittel  für  immer  neue 
Indienflotten  stellte  an  die  königlichen  Kassen,  von  denen  sie 
hauptsächlich  bestritten  wurde,  außerordentliche  Anforderungen; 
und  Seeverluste,  wie  sie  die  Flotte  Cabrals  gehabt  hatte  (1500/01) 
—  von  zehn  nach  Indien  bestimmten  Schiffen  kamen  nur  fünf  mit 
Ladung  zurück,  ebenso  viele  gingen  unter  —  ließen  es  dem  König 
und  seinen  Beratern  zu  Zeiten  zweifelhaft  erscheinen,  ob  mit 
Staatsmitteln  allein  ein  regelmäßiger  Verkehr  mit  den  Gewürz- 
ländern aufrecht  erhalten  werden  könne.  Einen  großen  Teil  ihres 
Bedarfes  an  Holz,  Teer  und  anderen  Materialien  des  Schiffsbaus 
hatte  den  Portugiesen  immer  der  deutsche  Norden  geliefert  und 
auch  manche  hansische  Hulk  war,  wenn  sie  in  Lissabon  ihre 
Ladung  gelöscht  hatte,  vom  Schiffsherrn  mit  Nutzen  an  einen 
portugiesischen  Reeder  verkauft  worden.  Masten,  Pech  und  Teer 
werden  denn  auch  in  dem  Vertrag  vom  13.  Februar  1503  aus- 
drücklich unter  den  Waren  genannt,  deren  Einfuhr  durch  einen 
Zollsatz  von  nicht  über  10%  begünstigt  sein  sollte.  Der 
Bedarf  an  seetüchtigen,  tragfähigen  Schiffen  war  nun  in  den  ersten 
Jahren  nach  Anknüpfung  der  unmittelbaren  Verbindungen  mit 
Indien  ein  ungewöhnlich  hoher,  der  Bau  im  Land  aber  bei  der 
starken  Entwaldung  desselben  sehr  erschwert.  Die  verhältnismäßig 
bedeutendsten  Werften  waren  am  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
die  der  Ribeira  zu  Lissabon,  nicht  mehr  wie  im  Beginn  des  15. 
die  Werften  von  Porto;  die  Mehrzahl  der  für  die  Indienfahrt 
benutzten  Schiffe  aber  war  biskayischer  oder  flandrischer  Herkunft'. 
Manuel  mochte  hoffen,  daß  die  kapitalkräftigen  deutschen  Handels- 
häuser ihm,  zumal  bei  ihren  Verbindungen  mit  den  Niederlanden, 
geeignete  Fahrzeuge  erstellen  könnten.  Auch  sonst  mußte  die 
engere  Fühlung  mit  ihnen,  vor  allem  mit  den  Fugger,  ihm  wert- 
voll sein,  weil  die  indischen  Waren  am  vorteilhaftesten  in  Silber 2 
oder  Kupfer  bezahlt  wurden,  beides  aber  um  1 500  fast  nur  vom 
deutschen  Kaufmann  bezogen  werden  konnte.  Deutschland  allein 
besaß  damals  große  Silberfundstätten,  wie  es  überhaupt  im  Berg- 
bau vorbildlich  war.     Schon  von  der  Mitte  des  1 5.  Jahrhunderts 


1  Ca  Masser  in  Archivio  Storico  Italiano,  Appendice,  t.  II  (1845), 
S.  46  und  47.  Vgl.  auch  Lunardo  Nardi  in  Diarii  di  Marino  Sanuto, 
Bd.  IV,  Sp.  547,  ferner  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III, 
Lisboa  1903,  S.  18f. 

2  »argenti  in  massa<  nennt  als  Gegenstand  der  portugiesischen 
Einfuhr  in  Indien  der  Bericht  des  Vincenzo  Quirini  an  die  Signoria  von 
Venedig  vom  Jahr  1506  in  Alberi,  Relazioni  degli  ambasciatori  Veneti, 
Appendice,  Firenze  1863,  S.  6. 


13 

an  hatten  große  oberdeutsche  Handelshäuser  sich  an  dem  Kupfer- 
und  Silberbergbau  in  Tirol,  Kärnten  und  Sachsen,  später  auch  in 
Ungarn,  Schlesien  und  Böhmen  beteiligt,  ihn  z.  T.  wohl  auch 
mit  ihrer  Kapitalkraft  erst  zu  seiner  vollen  Blüte  gebracht.  Den 
Anteil  der  Landesherren  an  der  Ausbeute  solcher  Bergwerke  nahmen 
sie  mit  Vorliebe  als  Pfand  für  Darlehen,  die  sie  den  immer  Geld- 
bedürftigen gewährten,  oder  ließen  ihn  sich  gegen  Vorauszahlung 
des  Kaufpreises  gleich  für  mehrere  Jahre  verschreiben.  So  war 
der  Handel  mit  den  beiden  Metallen  fast  ausschließlich  in  deutschen 
Händen.  Von  den  oben  genannten  Häusern  sind  in  hervor- 
ragendem Maße  die  Fugger,  aber  auch  Anton  Welser,  Konrad 
Vöhlin  und  Gesellschafter  und  die  Höchstetter,  im  ersten  Jahrzehnt 
des  16.  Jahrhunderts  nächst  diesen  beiden  das  bedeutendste  Handels- 
haus in  Oberdeutschland,  am  Handel  mit  Silber  beteiligt  gewesen, 
und  im  Kupferhandel  nahm  vermöge  seines  Bergwerks-  und  Hütten- 
besitzes in  Deutschland  und  Ungarn  das  Haus  Fugger  die  un- 
bestritten führende  Stellung  ein ;  man  kann  hier  fast  von  einem 
Monopol  sprechen.  Die  Gossenprott  finden  wir  1498  mit  ihnen 
sowie  mit  den  Herwart  in  Augsburg  und  Hans  Paumgartner  aus 
Nürnberg  an  dem  großen  Syndikat  für  den  Verkauf  von  Kupfer 
in  Venedig  beteiligt. 

Daß  1504,  vermutlich  doch  für  die  Zwecke  der  Handels- 
fahrt, Silber  von  den  genannten  Häusern  nach  Portugal  gesandt 
werden  sollte,  zeigt  ein  Geschäftsbrief  Anton  Welsers,  datiert  von 
Augsburg  1 1.  Dezember  d.  J.  an  seinen  Schwager  Konrad  Peutinger, 
dem  Abschrift  eines  Briefes  aus  dem  Kontor  der  Welser-Kompanie 
in  Antwerpen  vom  18.  November  1504  beigegeben  ist'.  Die  Ver- 
schiffung von  Antwerpen  war  auf  Schwierigkeiten  gestoßen,  weil 
im  Lande  ein  Ausfuhrverbot  für  Silber  bestand.  Seit  nun  aus 
einer  Hulk  ein  Posten  des  edeln  Metalls  geraubt  worden  war, 
war  das  Land  voll  davon,  »die  Teutschen  fieren  nichtz  dann 
Silber«;  verdächtige  deutsche  Kaufmannsgüter  wurden,  besonders 
in  Zierikzee,  geöffnet  und  durchsucht  und  allem  dabei  gefundenen 
Silber  drohte  die  Beschlagnahme.  Peutinger  soll  daher  den  Kaiser 
Maximilian,  an  dessen  Hoflager  er  gerade  weilt,  zu  Vorstellungen 
an  seinen  Sohn,  den  Regenten  der  Niederlande,  Herzog  Philipp 
(den  Schönen),  veranlassen,  daß  der  Welser-Gesellschaft  freier  und 
sicherer  Paß  für  ihre  Silbersendungen  nach  Lissabon  durch  Seiner 
Gnaden  Gebiet  zu  Lande  und  zu  Wasser  gewährt  würde;  denn 
erstens  werde  das  Silber  nicht  in  den  Niederlanden  aufgekauft, 
sondern  aus  Oberdeutschland  dorthin  gesandt;  zweitens  werde  es 
in  Lissabon  gegen  Spezerei  und  sonstige  Waren  ausgetauscht,  die 


»  Tagebuch  des  Lukas  Rem  ed.  B.  Greiff,  Augsburg  1861,  S.  163  ff 


14 

dann  von  der  Gesellschaft  wieder  in  Seiner  Gnaden  Häfen,  Ländern 
und  Städten  eingeführt  und  gehandelt  würden,  was  durch  die 
Zollerträge  und  auch  sonst  den  Niederlanden  zugute  komine; 
drittens  aber  werde  nicht  nur  Silber  in  und  durch  das  Land 
geführt,  sondern  auch  viel  im  Lande  erzeugten  »gwands«'  gekauft 
und  ausgeführt,  was  demselben  wiederum  Nutzen  bringe.  Vlämische 
Tücher  hebt  in  der  Tat  Lukas  Rem  als  besonders  wichtigen  Ar- 
tikel, mit  dem  er  in  Portugal  1503—1508  gehandelt  habe,  im 
Tagebuch  hervor  (S.  9).  Dem  Kaiser  soll  Peutinger  vorstellen, 
daß,  wenn  es  bei  der  Sperrung  bleibe,  ein  Preissturz  des  Silbers 
unvermeidlich  sei  und  Königlicher  Majestät  an  ihren  Tiroler  Silbern 
zu  nicht  geringem  Schaden  ausschlagen  müsse.  Im  übrigen  würden 
die  Kaufleute  bei  Fortdauer  der  Sperre  genötigt  sein  sich  nach 
französischen  oder  spanischen  Häfen  oder  nach  Genua  zu  wenden 
und  Handel  und  Gewerbe  der  Niederlande  dadurch  geschädigt 
werden.  Die  Bemühungen  der  Gesellschaft  sind  auf  die  Dauer 
jedenfalls  von  Erfolg  gewesen;  denn  wir  hören,  daß  1507  an 
der  galizischen  Küste  ein  Schiff,  das  in  Zeeland  auf  Rechnung 
der  Welser,  Vöhlin  und  Gesellschafter,  der  Fugger,  Höchstetter, 
Imhof  und  Rehlinger  von  Augsburg  für  Lissabon  bestimmtes 
Kupfer  und  Silber  geladen  hatte,  gekapert  worden  ist^.  Kupfer 
nennt  neben  Blei,  Zinnober  und  Quecksilber  unter  den  Artikeln, 
die  er  in  Lissabon  verkauft  habe,  das  Tagebuch  des  Lukas  Rem 
(S.  9);  »Messinck,  Kupfer,  Zinober,  Quicksilber«  zählt  der  Privi- 
legienbrief der  Welser-Kompanie  vom  13.  Februar  1503  unter 
den  Einfuhrwaren  auf,  und  Kupfer  bildet  bei  den  portugiesischen 
Indienflotten  der  Jahre  1504 — 1506  den  weitaus  größten  Teil  der 
mitgenommenen  Waren,  die  wir  aus  dem  Berichte  Ca  Massers 
an  die  Signoria  von  Venedig  vom  Jahre  1506  kennen;  auch  Blei, 
Zinnober  und  Quecksilber  fehlen  dort  nicht;  aus  den  Rechnungs- 
nachweisen des  Fugger-Archivs  aber  ergibt  sich^,  daß  die  Fugger 
in  den  Jahren  1510 — 1513  in  Danzig  aus  dem  gemeinsamen 
Handel  mit  den  ungarischen  Thurzo  77  734  Zentner  Kupfer  zur 
Verfrachtung  nach  Antwerpen,  Amsterdam  und  Lissabon  behufs 
Wiederverkaufes  übernommen  haben.  Ein  großer  Teil  des  in 
Portugal  von  ihnen  eingeführten  Kupfers  ist  zweifellos  nach  dem 
Osten  gegangen.  Von  den  indischen  Häfen  erwies  sich  1505 
Cananor  als  besonders  aufnahmefähig  dafür:  Almeida  berichtet 
unter   dem    16.  Dezember  d.  J.   dem  König,   daß   hier  allein   fast 


'  Die  »Kugeln«,  die  in  dem  Vertrag  von  1503  bei  Cassel  a.  a.  O., 
S.  6,  neben  den    Peltereyen«  (Pelzwerk)  genannt  sind. 

'  Jansen,  Jakob  Fugger  der  Reiche,  Leipzig  IQIO,  S.  147. 
3  Jansen  a.  a.  O.,  S.  157. 


15 

mehr  Kupfer  werde  abzusetzen  sein  als  in  den  andern  von  den 
Portugiesen  besuchten  Häfen  zusammengenommen ' ;  viel  davon 
ging  jedenfalls  nach  dem  großen  Binnenreich  von  Vijayanagar^, 
Dabei  galt  doch  für  den  Pfeffereinkauf  in  Cochin  seit  der  Reise  des 
Admirals  in  den  Jahren  1502/03  die  Vereinbarung,  daß  V4  der 
Gewürzmasse  in  Kupfer,  das  Quintal  zu  12  Cruzados,  3/4  in  barem 
Geld  bezahlt  werden  sollten 3;  es  müssen  also  schon  dort  beträcht- 
liche Mengen  davon  umgesetzt  worden  sein. 

Was  aber  die  deutschen  Kaufherren  in  erster  Linie  nach 
Portugal  geführt  hatte,  war  die  Beteiligung  am  Gewürzhandel  in 
Lissabon.  In  der  Tat  hatte  der  König  ihnen  das  Recht  zollfreier 
Ausfuhr  der  in  seinem  Lande  gekauften  Spezereien,  Farbhölzer 
und  anderen  Waren,  die  von  Indien  und  den  neu  aufgefundenen 
Inseln  (Brasilien)  kämen,  vertraglich  zugesichert.  Aber  diese  Ver- 
günstigung sollte  für  die  Waren,  die  von  den  Indienflotten  der 
Jahre  1502  (unter  dem  Admiral  Vasco  da  Gama)  und  1503  (unter 
den  beiden  Albuquerque)  heimgebracht,  und  für  die  brasilianischen 
Waren,  die  sie  von  Fernando  de  Noronha  bis  1505  kaufen  würden, 
wo  dessen  Monopol  für  den  Handel  mit  Brasilien  ablaufe,  keine 
Gültigkeit  haben;  hier  sollten  sie  vielmehr  5%  Ausfuhrzoll  zahlen: 
es  ist  sehr  möglich,  daß  infolge  dieser  Vorbehalte  die  ihnen 
gewährten  Vergünstigungen  tatsächlich  nie  in  vollem  Umfang 
wirksam  geworden  sind,  weil  in  den  folgenden  Jahren  der  Gewürz- 
handel mehrfach  durch  neue  Verordnungen  geregelt  und  schließlich 
Kronmonopol  wurde"*.  Allein  die  Absichten  der  Deutschen  waren 
auch  von  vornherein  weiter  gegangen  als  auf  bloßen  Einkauf  der 
indischen  Waren  an  ihrem  neuen,  westeuropäischen  Stapelplatz: 
sie  dachten  die  Zulassung  zu  den  Gewürzländem  selber  vom 
König  zu  erlangen. 

Teilnahme  von  in  Lissabon  ansässigen  fremden  Geschäfts- 
häusern an  den  indischen  Handelsunternehmungen  Manuels  hatte 
auch  bisher  schon  stattgefunden ;  es  bedurfte  dazu  freilich  in  jedem 
einzelnen  Fall,  wie  für  die  eigenen  Untertanen  des  Königs,  einer 
besonderen  Ermächtigung,  die  unter  bald  günstigeren  bald  un- 
günstigeren Bedingungen  in  den  ersten  Jahren  erteilt  worden  war. 
So  hatten  sich  seit  1 500  mit  Kapital  wie  mit  Schiffen  der  reiche  und 
angesehene  Florentiner  Bartolomeo  Marchione  und  sein  Landsmann 
Girolamo  Semigi,  die  geldmächtigen  Gualterotti  und  Frescobaldi, 
gleichfalls  von  Florenz,  die  ihr  Hauptgeschäft  in  Brügge  hatten, 


*  Torre  do  Tombo,  gav.  20,  ma?o  10,  n.  33. 

2  Duarte  Barbosa  in  Collecgäo  de  Noticias,  Bd.  ,11,  S.  343. 

3  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  20. 
<  Haebler  a.  a.  O.,  S.  13. 


16 

auch  Giovanni  Francesco  Affaitato  von  Cremona  an  Fahrten  nach 
Indien  beteih'gt.  Die  gleiche  Vergünstigung  hofften  nun  die 
Welser,  die  zuerst  von  den  Deutschen  in  Lissabon  festen  Fuß 
gefaßt  hatten  —  schon  am  8.  Mai  war  dort  zur  Errichtung  einer 
Niederlage  für  den  Warenhandel  des  Hauses  Lukas  Rem  einge- 
troffen —  ihrer  Handelsgesellschaft  bereits  für  1504  zu  ervcirken, 
wo  eine  stattliche  Flotte  unter  Lopo  Suarez  nach  Indien  abgehen 
sollte.  Mit  Empfehlungsbriefen  Kaiser  Maximilians  und  seines 
Sohnes  Philipps  des  Schönen  an  den  portugiesischen  König  und 
mit  der  stattlichen  Summe  von  20  000  Dukaten,  die  teils  bar  teils 
in  Waren  an  das  Unternehmen  gewendet  werden  sollten,  kamen 
im  März  1504  über  Antwerpen  ihre  Agenten  nach  Lissabon,  be- 
gleitet von  zwei  jungen  Handlungsdienern,  die  mit  der  Flotte 
nach  Indien  gehen  sollten  ^  Fürs  erste  indes  sah  die  Gesellschaft 
sich  in  ihrer  Erwartung  getäuscht;  Manuel  lehnte  diesmal  mit 
einer  einzigen  Ausnahme,  zu  der  ein  im  vorhergehenden  Jahre 
gegebenes  Versprechen  ihn  nötigte,  jede  Beteiligung  fremder  Kauf- 
leute ab:  er  gedenke  den  Handel  mit  Indien  künftig  sich  selber 
vorzubehalten.  Es  war  eine  jener  Schwankungen  des  Entschlusses, 
wie  sie  die  Wechselfälle  des  Glückes  in  den  ersten  Jahren  nach 
der  Entdeckung  wiederholt  bei  ihm  bewirkt  haben.  Im  Hoch- 
gefühl eines  schönen  Erfolges  glaubte  er  aus  eigener  Kraft  das 
indische  Unternehmen  bestreiten  zu  können,  in  einem  Augenblick 
der  Entmutigung  konnte  er  (Anfang  1502  nach  den  schweren 
Verlusten  der  Cabralschen  Flotte)  gegenüber  dem  venezianischen 
Gesandten  äußern,  daß  er  es  vielleicht  ganz  aufgeben  werde^. 
Beides  entsprang  vorübergehenden  Stimmungen;  nüchterne  Erwä- 
gung der  Kosten  und  des  verfügbaren  Schiffsraumes  machte  ihn 
doch  den  Wünschen  der  Kaufherren  wieder  zugänglich.  Es 
dauerte  auch  diesmal  nicht  lange  und  er  wurde  anderer  Meinung. 
So  konnte  denn  am  1 .  August  1 504  Lukas  Rem  im  Namen  des 
aus  den  oben  genannten  Augsburger  und  Nürnberger  Häusern 
bestehenden  Handelskonsortiums  mit  ihm  den  Vertrag  zum  Ab- 
schluß bringen^,  kraft  dessen  die  erste  deutsche  Handelsfahrt  nach 
den  neuentdeckten  Ländern  im  Osten  zustande  gekommen  ist. 

Drei  Schiffe  sollten  die  beteiligten  Häuser  mit  der  Flotte  des 
Jahres  1 505  nach  Indien  senden  und  durch  eigene  Agenten  Speze- 
reien  dort  einkaufen  dürfen.     Die  Gestellung  dieser  Schiffe  und 


1  Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  VI,  Sp.  28.    Der  Name  der  Welser 
wird  nicht  genannt,  aber  die  Beziehung  ist  zweifellos. 

2  Document    inedit    concernant   Vasco    da   Gama,   ed.  Harrisse, 
Paris  1889,  S.  26. 

3  Tagebuch,  S.  8. 


17 

die  Aufbringung  des  erforderlichen  Kapitals  war  übrigens  nicht 
ausschheßlich  deutsches,  sondern  gemeinsames  Unternehmen 
deutscher  und  itah'fenischer  Kaufleute,  und  wir  erfahren  aus  einem 
eingelegten  Blatte  der  »Cronica  alter  und  newer  geschichten«  von 
dem  Augsburger  Wilhelm  Rem  auch  die  Summen,  die  dabei  auf 
die  einzelnen  entfielen'.  Von  dem  Oesamtkapital  von  65  400  Cru- 
zados  schössen  florentinische,  darunter  Bartolomeo  Marchione,  und 
genuesische  Kaufleute  29400  Cruzados  ein,  während  von  den  für 
die  Deutschen  verbleibenden  36000  die  Welser  als  Hauptbeteiligte 
allein  20000  (nach  Lukas  Rem  »ob  21000«)  Cruzados  in  dem 
Unternehmen  anlegten,  die  Fugger  und  Höchstetter  je  4000,  die 
Imhof  und  Oossenprott  je  3000  und  die  Hirschvogel  2000.  Aus 
anderen  Quellen  haben  die  Bedingungen  sich  erschließen  lassen,  an 
welche  die  Zulassung  zur  Fahrt  für  die  deutschen  Kaufleute  ge- 
knüpft war2.  Danach  hatten  sie  erstens  die  Schiffe  zu  stellen 
und  den  Unterhalt  für  deren  Bemannung  auf  18  Monate  zu  be- 
streitend Kapitäne  und  Mannschaft  mußten  Portugiesen  sein  oder 
den  fremden  Kolonieen  in  Lissabon  angehören  und  standen  für  die 
Dauer  der  Fahrt  unter  der  unbedingten  Befehlsgewalt  des  portu- 
giesischen Flottenkommandanten.  Auch  bezüglich  ihrer  Handels- 
geschäfte war  ihnen  nicht  unbeschränkte  Freiheit  eingeräumt.  Den 
Tauschwert  der  vom  König  zur  Einfuhr  zugelassenen  europäischen 
Handelsgegenstände  setzten  ebenso  wie  den  der  Gewürze  die 
königlichen  Faktoren  fest  und  an  ihn  waren  die  Kaufleute  ge- 
bunden. Was  dagegen  die  Menge  der  einzukaufenden  indischen 
Waren  betraf,  so  war  sie  nur  durch  die  Höhe  des  Angebots  auf 
den  malabarischen  Märkten  und  durch  die  Kaufkraft  der  Handels- 
herren sowie  die  Tragfähigkeit  der  Schiffe  begrenzt.  Von  dem, 
was  sie  nach  Lissabon  brachten,  hatten  sie  als  Abgabe  an  den 
König  ein  Viertel  und  ein  Zwanzigstel,  zusammen  also  30  %  der 
eingeführten  Gewürze,  zu  zahlen.  Das  übrige  sollten  die  Kauf- 
-leute  ohne  jede  weitere  Beschränkung  oder  Abgabe  auf  beliebigen 
Schiffen  von  Lissabon  ausführen  dürfen. 

Die  deutschen  Kaufleute  hatten  damit  ihr  nächstes  Ziel  erreicht 
und  den  berechtigten  Stolz  der  Augsburger,  auf  einer  von  keinem 
deutschen  Handelsherrn  noch  betretenen  Bahn  die  ersten  zu  sein, 
lassen  die  Worte  Konrad  Peutingers  in  dem  bekannten  Brief  an  den 
kaiserlichen  Sekretär  Blasius  Hölzl  vom  3.  Januar  1505  erkennen: 
»Meins  Seh  wehers  Brief  wollet  auch  vertigen,  dan  die  Schiff 
zu    Portengal    schier    gen    India    faren    werden,    und    uns 


1  Chroniken  deutscher  Städte,  Bd.  25,  S.  277  ff. 
»  K.  Haebler  a.a.O.,  S.  17. 
3  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  29. 

HQtnmerlch,   Deutsche  Handelsfafart  nach  Indien. 


18 


Augspurgern  ains  groß  Lob  ist,  als  für  die  Ersten  Deutschen, 
die  India  suechen.  Und  K.  Maj.  zu  eren  hab  ich  in  die  Brief 
gesetzt,  wie  er  als  der  erst  römisch  kunig  die  schicke,  dan 
solchs  von  kainem  röm.  Kn,  vor  nie  geschechen  ist.  Mocht 
auch  wol  leiden  das  in  den  briefen  stand,  das  anwaU  des 
kunigs  von  Portengal  in  India,  die  teutschen  Kn.  Maj.  zu- 
gehörig, den  indianischen  Kunigen  von  wegen  seiner  Kn. 
Maj.  anzaiget  etc.^« 


III.  Die  Vorbereitungen  zur  Indienfahrt. 

Die  portugiesische  Indienfahrt  des  Jahres  1505  zeigt  gegen- 
über den  Unternehmungen  der  vorausgegangenen  Jahre  einen 
besonderen  Charakter.  Die  ersten  Geschwader,  die  König  Manuel 
nach  der  Entdeckung  des  Seewegs  ums  Kap  nach  dem  Osten 
gesandt  hatte,  waren  bewaffnete  Kauffahrteiflotten  gewesen.  An 
eigentliche  Eroberung  eines  so  stark  bevölkerten  alten  Kulturlandes 
wie  Indien  konnte  er  mit  den  beschränkten  Mitteln  seines  kleinen 
Landes  von  Anfang  an  nicht  denken ;  sein  Ziel  konnte  im  wesent- 
lichen nur  sein,  den  Handel,  besonders  den  mit  Gewürzen  und 
Drogen,  der  bisher  über  Ägypten  und  die  Levante  gegangen  war, 
in  portugiesische  Hände  zu  bringen.  Dazu  schien  fürs  erste  die 
Anlage  von  Faktoreien  in  den  wichtigsten  Häfen  von  Malabar 
unter  dem  Schutze  befreundeter  Rajas  ausreichend.  Nun  führte 
aber  der  zähe  und  leidenschaftliche  Widerstand,  den  die  bisherigen 
Vermittler  des  Gewürzhandels  nach  dem  Westen,  die  arabischen 
Kaufleute,  einer  Festsetzung  der  unbequemen  neuen  Konkurrenten 
entgegensetzten,  alsbald  zu  fast  ununterbrochenem  Kriegszustand 
mit  dem  mächtigsten  Herrscher  der  Malabarküste,  dem  Samorin 
von  Calicut,  und  damit  zum  Ausschluß  der  Portugiesen  von  diesem 
Hauptstapelplatz  für  alle  Erzeugnisse  der  östlichen  Welt.  Wohl 
verschaffte  die  Feindschaft  mit  dem  mächtigen  Samorin  ihnen 
günstige  Aufnahme  in  dem  südlicher  liegenden  Cochin,  dessen 
Raja  sich  mit  ihrer  Hilfe  der  lästigen  Oberherrschaft  von  Calicut 
zu  entledigen  hoffte,  wie  auch  in  dem  nördlich  von  Calicut  ge- 
legenen Cananor;  aber  waren  sie  imstande  die  Gebiete  dieser 
Bundesgenossen  sowie  die  im  Lande  zurückgelassenen  portu- 
giesischen Handelsagenten  und  ihr  Personal  samt  Waren  vor  der 
dauernden  Bedrohung  durch  den  Samorin  und  die  streitbaren 
Muhamedaner  von  Malabar  zu  schützen,  wenn  mit  dem  Nordost- 
monsun die  jährliche  Flotte  nach   der  Heimat  in   See   gegangen 


*  Tagebuch  des  Lukas  Rem,  Anhang,  S.  171. 


10 

und  erst  nach  mehr  als  sechs  Monaten,  mit  dem  Monsunwechsel, 
die  nächste  zu  erwarten  war?  Gewiß,  die  portugiesischen  Schiffe 
hatten  sich  an  Schnelligkeit  und  Manövrierfähigkeit  den  schwer- 
fälligen, nur  in  der  Richtung  des  Windes  segelnden  Fahrzeugen 
der  östlichen  Meere  ebenso  überlegen  erwiesen  wie  die  Bewaff- 
nung der  portugiesischen  Edelleute  und  Soldaten,  Beschaffenheit 
und  Verwendung  ihres  Geschützes  den  Kampfmitteln  der  nackten 
malabarischen  Streiter;  den  todverachtenden  Heldenmut,  mit  dem 
in  wenigen  Jahrzehnten  die  portugiesische  Kolonialmacht  im  Osten 
aufgerichtet  worden  ist,  hatte  gleich  anfangs  bei  der  Verteidigung 
von  Cochin  gegen  den  Samorin  (1504)  Duarte  Pacheco  mit  seiner 
kleinen  Schar  glänzend  bewährt  und  den  Ruf  der  europäischen 
Waffen  in  Indien  begründet;  aber  eine  irgendwie  nennenswerte, 
dauernd  im  Osten  stationierte  See-  oder  Landstreitmacht,  einen 
stärker  befestigten  Stützpunkt  besaßen  die  Portugiesen  bisher  in 
Malabar  so  wenig  wie  an  der  ostafrikanischen  Küste;  denn  das 
kleine  Holzkastell,  das  die  beiden  Albuquerque  1503/04,  und  die 
ebenfalls  hölzerne  Furtsperre,  die  Duarte  Pacheco  während  der 
Kämpfe  mit  dem  Samorin  bei  Cochin  angelegt,  die  paar  schwach 
bemannten  kleinen  Fahrzeuge,  die  ihm  außer  dem  Häuflein  von 
50  tapfern  Soldaten  ^  die  Albuquerques  zurückgelassen  hatten, 
konnten  als  solche  doch  nicht  gelten.  Der  arabische  Gewürz- 
handel nach  Alexandrien  hatte  zwar  empfindliche  Störungen  durch 
die  Verfolgung  von  seiten  der  Portugiesen  erlitten  —  am  8.  Juni 
1504  schreibt  der  venezianische  Konsul  in  Damaskus,  daß  laut 
Nachricht  vom  Sultan  in  Kairo  der  Ertrag  der  letzten  Indienfahrt, 
dank  der  portugieschen  Karavellen^,  ganz  dürftig  sei  —  aber  ihn 
wirklich  lahmzulegen  hatte  mit  den  bisher  aufgewandten  Mitteln 
nicht  gelingen  können;  dagegen  mußte  man  erwarten,  daß  der 
durch  die  portugiesische  Piraterie  geschädigte,  von  den  muhame- 
danischen  Herrschern  Indiens  um  Hilfe  angerufene  und  von 
Venedig  heimlich  gestachelte  Mamelukensultan  früher  oder  später 
eine  große  maritime  Kraftanstrengung  und  den  Versuch  zur  Ver- 
treibung der  Portugiesen  aus  Indien  machen  werde.  Eine  größere 
dauernde  Machtentfaltung  im  Osten  war  für  Portugal  notwendig 
geworden  und  für  ihre  Durchführung  ersah  Manuel  sich  mit  glück- 
lichem Blick  einen  der  tatkräftigsten  und  glänzendsten  Helden 
dieser  an  heroischem  Aufschwung  so  reichen  Zeit  aus,  Dom 
Francisco  d'Almeida,  Sohn  des  Dom  Lopo  d'Almeida,  des  ersten 
Grafen  von  Abrantes. 


1  Goes,  Chron.  p.  I,  c.  80;  Barros,  Decl,  1.  VII,  c.  3;  Castanheda, 
1.  I,  c62;  Tageb.  des  Lukas  Rem,  Anhang  S.  156  f. 

2  Diarii  di  Marino  Sanuto,  VI,  Sp.  68. 


20 

Es  war  eine  stattliche  Flotte,  mit  der  er  im  März  1505  die 
Fahrt  nach  Indien  antreten  sollte.  Ihre  Hauptmasse  bildeten 
15  »Schiffe«  (näos  und  naviosO,  von  denen  die  größten  1400, 
1000  und  800,  die  Mehrzahl  zwischen  500  und  300  Tonnen2 
Raumgehalt  hatten,  und  zu  ihnen  gesellten  sich  sechs  der  flinken, 
seetüchtigen  Karavellen,  jenes  von  den  Portugiesen  selbst  an- 
scheinend ausgebildeten  Typs  kleiner  Segler  bis  zu  höchstens 
200  Tonnen,  mit  dem  ihre  kühnen  Seeleute  im  15.  Jahrhundert 
die  Schrecken  des  unbekannten  Ozeans  überwunden  und  die  West- 
küste Afrikas  entschleiert  hatten 3.    Fertig  bearbeitet  war  ferner  das 


^  Wie  wir  die  charakteristischen  Einzelheiten  des  Baus  überhaupt 
bei  nur  wenigen  vor  dem  17.  Jahrhundert  gebrauchten  Schiffstypen 
kennen,  so  auch  hier.  Möglich,  daß  die  »näo«  als  eigentHches  Last- 
und  Transportschiff  sich  von  dem  navio  nur  durch  größere  Ausmaße 
unterschied.  Beides  scheinen  Segelschiffe  mit  Vorder-  und  Hinterkastell 
und  drei  bis  vier  Masten  gewesen  zu  sein,  von  denen  der  große  und  der 
Vordermast  an  rechtwinkelig  mit  beiden  sich  kreuzenden  Rahen  befestigte 
Vierecksegel  und  Mastkorb  trugen,  während  der  Mast  des  Hinterschiffs 
—  manchmal  waren  es  auch  zwei  —  dreieckiges  lateinisches  Segel  an 
schief  hängender  Segelstange  trug  und  dann  keinen  Mastkoib  hatte  oder 
auch  nach  Art  des  Vordermastes  getakelt  war.  Während  im  16.  Jahr- 
hundert der  Dreidecker  von  500—600  Tonnen  Regel  für  die  portugie- 
sischen Indienfahrer  wird,  ist  im  15.  noch  der  Zweidecker  die  herrschende 
Form  der  näo«  bzw.  des  navio«,  und  in  der  Flotte  von  1505/06  werden 
vermutlich  beide  Typen  vertreten  gewesen  sein.  Vgl.  Henrique  Lopez 
de  Mendonga,  Estudos  sobre  navios  portugueses  nos  seculos  XV  e  XVI, 
Lisboa  1892,  p.  5ff.  Zur  Zahl  der  Schiffe  vgl.  Q.  U.,  S.  40  und  136  Anm.  11. 

•2  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  20  und  Diarii  di  Marino  Sanuto,  VI,  Sp.  87. 
Klare  Begriffe  von  dem  Rauminhalt  können  wir  aus  diesen  Zahlen  frei- 
lich nicht  gewinnen,  weil  unsicher  ist,  welche  Tonne  der  Berechnung 
zugrunde  liegt  und  ob  die  Angabe  sich  auf  den  Rauminhalt  des  gesamten 
Schiffes  oder  nur  des  unter  dem  ersten,  d.  h.  untersten  Deck  liegenden 
Raumes  bezieht,  nach  dem  in  einem  portugiesischen  Gesetz  von  1474 
der  Tonnengehalt  von  Fahrzeugen  bezeichnet  wird  (näos  de  ceni  toneis 
sob  o  primeiro  tilhado  ).  Lopez  de  Mendon^a  (a.a.O.,  S.  7)  ist  der 
Meinung,  daß  man  sich  von  der  Wirklichkeit  nicht  weit  entfernt,  wenn 
man,  um  den  Tonnengehalt  portugiesischer  Schiffe  des  15.  und  16.  Jahr- 
hunderts modern  auszudrücken,  die  bei  den  Chronisten  angegebenen 
Zahlen  verdoppelt. 

3  Die  für  große  Fahrt  um  1500  in  Betracht  kommenden  Karavellen 
waren  Eindecker  und  hatten  wie  alle  Karavellen  kein  Vorderkastell.  Mit 
den  andern  Segelschiffen  verglichen,  waren  sie  anscheinend  im  Verhältnis 
zur  Breite  etwas  länger,  ihr  Raum  dadurch  schmäler.  Die  Masten  des 
ursprünglichen  portugiesischen  Typs,  der  hinsichtlich  der  Takelung  im 
ausgehenden  15.  Jahrhundert  allerdings  wandelbar  wird,  meist  drei  an 
Zahl,  zuweilen  auch  vier,  trugen  dreieckige  lateinische  Segel  an  schräg 
hängenden  Segelstangen  und  hatten  keinen  Mastkorb.   Leicht,  beweglich 


2t 


gesamte  Material  für  zwei  Galeeren  und  drei  Brigantinen '  verladen, 
die  erst  an  ihrem  Bestimmungsort  im  Osten  zusammengesetzt  werden 
sollten.  Indes  erlitt  die  Flotte  noch  im  Heimathafen  einen  Ver- 
lust: die  »Annunciada«,  das  Schiff  des  Pero  d'Anhaya,  das  größte 
von  allen,  ging  ein  paar  Tage  vor  der  Ausreise  im  Tejo  unter^. 


und  von  geringem  Tiefgang,  eigneten  sich  die  Karavellen  besonders  gut 
für  Entdeckung,  Aufklärung  und  Nachrichtendienst;  sie  konnten  im 
Bedarfsfall  auch  als  Ruderschiffe  verwendet  werden.  Vgl.  Lopez  de 
Mendon^a  a.a.O.,  S.  40ff.  und  Osorius,  De  rebus  Emmanuelis,  Coloniae 
Agrippinae  1581,  1.  II.  f.  64  r  u.  v. 

'  Als  sehr  schmale  Fahrzeuge  von  geringer  Bordhöhe  und  wenig 
entwickeltem  Takelwerk  eigneten  diese  für  das  Mittelmeer  charakte- 
ristischen Schiffe  sich  nicht  zu  langen  Fahrten  auf  offenem  Ozean;  sie 
waren  in  unserem  Fall  zur  Bewachung  der  indischen  Küste  bestimmt. 
Galeeren  wie  Brigantinen  waren  Ruderschiffe;  die  Ruderbänke  befanden 
sich  an  Deck.  Die  Brigantine,  der  kleinere  Typ,  scheint  in  Portugal 
im  16.  Jahrhundert  nicht  mehr  als  16  Bänke  auf  jeder  Seite,  mit  je  einem 
Ruder,  die  portugiesische  Galeere  etwa  22  mit  je  drei  oder  24  Bänke 
mit  je  vier  Rudern  gehabt  zu  haben,  so  daß  die  Gesamtzahl  der  Ruder- 
knechte einer  Galeere,  da  die  letzte  Bank  in  dem  schmäler  werdenden 
Vorderschiff  einen  Ruderer  weniger  hatte,  im  ersten  Fall  130,  im  zweiten 
190  ausmachte.    (Lopez  de  Mendon?a  a.  a.  O.,  S.  31  ff.) 

2  -Nunciä  nennt  es  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  19,  was  offenbar  portu- 
giesischem Annunciada«  entspricht;  so  heißt  auch  ein  spanisches  Schiff 
in  Alguns  Documentos  do  Archivo  Nacional  da  Torre  do  Tombo,  Lisboa 
1892,5.488.  Offenbar  ist  die  Nunciä  des  Ca  Masser  die  *naveNontiata  , 
die  nach  einem  in  Lissabon  geschriebenen  Brief  des  italienischen  Kauf- 
manns Giovanni  Francesco  Affaitato  (Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  V, 
Sp.  134)  im  September  1503  von  Genua  dort  erwartet  wurde  —  ein  Fahr- 
zeug von  1400  Tonnen  —  und  von  der  er  meint,  daß  sie  im  Frühjahr 
1504  mit  nach  Indien  gehen  werde.  Tatsächlich  war  das  nicht  der  Fall : 
vgl.  den  Bericht  des  Alvaro  Vaz  aus  Cochin  vom  24.  Dezember  1504: 
„e  aimda  que  anugiada  viera,  podera  partir,  tam  bem  carregada  como 
cada  huuma  destas,  per  todo  Janeiro"  „und  selbst  wenn  Annunciada« 
käme,  könnte  sie  so  wohl  geladen  abfahren  wie  jedes  dieser  Schiffe,  in 
jedem  Januar"  (Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  Lisboa  1903, 
S.  257f.),  Daß  eine  der  Galeeren  mit  der  Annunciada  gesunken  wäre, 
scheint  ein  Irrtum  Ca  Massers  zu  sein :  die  vor  dem  Untergang  der 
Annunciada  verfaßte  Instruktion  Almeidas  in  der  Akademie-Ausgabe 
der  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  294f.  spricht  im  ganzen 
nur  von  zweien  und  davon  ist  eine  auf  Anjediva,  die  andere  in  Cochin 
tatsächlich  zusammengesetzt  worden;  dagegen  heißt  es  in  der  Instruk- 
tion, daß  von  den  Brigantinen,  die  nach  Indien  gingen,  eine  („hum 
bragatym  dos  que  vaao  pera  a  Imdia",  S.  292)  in  Quiloa  bleiben,  eine 
andere  in  Anjediva  gebaut  werden  solle  (S.  295) ;  eine  dritte  war  für 
Cochin  bestimmt  und  diese  ist  mit  dem  Schiff  des  Lopo  Sanches  unter- 
gegangen  (S.  295  und  Barros,  Asia,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  9;    wenn  sie  der 


22 

Die  Bestimmung  der  einzelnen  Fahrzeuge  war  verschieden;  von 
den  »Schiffen«  sollten  die  größten  und  tragfähigsten  in  den 
indischen  Häfen  Ladung  einnehmen  und  spätestens  Ende  Januar, 
um  den  Nordostmonsun  noch  auszunutzen,  die  Rückreise  an- 
treten, andere,  die  nur  zum  Transport  von  Truppen,  Schiffs-  und 
Kriegsbedarf  nach  dem  Osten  der  Flotte  beigegeben  waren,  an- 
scheinend ältere  Fahrzeuge,  sollten,  wenn  nicht  mehr  brauchbar, 
abgebrochen,  andernfalls  in  Indien  verwendet  oder  nach  Bedarf 
und  Möglichkeit  ebenfalls  mit  Ladung  heimgeschickt  werden \  ein 
dritter  Teil  der  »Schiffe«  aber,  zusammen  mit  den  Karavellen  und 
den  erst  zu  bauenden  Galeeren  und  Brigantinen  im  Indischen  Ozean 
stationiert  bleiben  und  für  die  Unterdrückung  des  arabischen  See- 
handels und  eine  Expedition  nach  dem  Roten  Meer  Almeida  zur 
Verfügung  stehen.  Zur  ersten  dieser  drei  Gruppen  gehörten  die 
Schiffe  des  deutsch-italienischen  Handelskonsortiums,  »S.  Jeronimo«, 
»Rafael«  und  »Lionarda«^.  Auf  der  »Lionarda«  fuhr  als  Beauf- 
tragter der  an  der  Handelsfahrt  beteiligten  deutschen  Häuser 
Balthasar  Sprenger  von  Vils  am  Lech,  dem  wir  einen  deutschen 
Bericht  über  die  Reise  verdanken ;  er  erschien  ohne  Angabe  des 
Druckortes  1509  unter  dem  Titel  »Die  Merfart  unn  erfarung 
nüwer  Schiffung  und  Wege  zuo  viln  onerkanten  Inseln  und  Künig- 
reichen«  usw.  Außerdem  hat  er  den  großen  Augsburger  Künstler 
Hans  Burgkmair  d.  Ä.  zu  einer  Reihe  prächtiger  Holzschnitte  an- 
geregt, die  Darstellungen  zu  seiner  Reise  enthalten,  und  dafür  einen 
größtenteils  erhaltenen  Text  geliefert^.  Sprenger  hatte  sich  am 
15.  Januar  in  Antwerpen  eingeschifft.  Da  er  unter  seinen  Auftrag- 
gebern —  als  solche  bezeichnet  er  außer  den  Gossenprott  alle 
oben  genannten  deutschen  Häuser  mit  Namen  —  die  Welser  an 
erster  Stelle  nennt  und  diese  bei  dem  indischen  Unternehmen  auch 
die  Hauptbeteiligten  waren,  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  daß  er 
Angestellter  ihrer  Handlung  gewesen  ist. 

Noch  ein  zweiter  Deutscher  hat  an  der  Handelsfahrt  des 
deutsch-italienischen  Konsortiums  von  1505/06  teilgenommen.  In 
der  Münchener  Valentim  Fernandez-Handschrift  ist  ein  portugiesisch 
geschriebener  Bericht  über  die  Reise  enthalten,  in  dessen  Über- 
schrift sein  Name,  Hans  Mayr,  genannt  wird;  freilich  vermag  man 


letztere  als  Galeere  bezeichnet,  so  ist  das  nur  eine  belanglose  Lässig- 
keit des  Ausdrucks ;  von  einer  Brigantine  und  einer  Galeere  zusammen 
spricht  auch  die  Instruktion  S.  294  als  von    galees«). 

1  Instruktion  a.  a.  O.,  S.  321  f. 

2  Die  Angaben  Ca  Massers  a.  a.  O.,  S.  23  sind  ungenau :  Flaggschiff 
des  Fernao  Suares  war  »Rafael«,  die  den  Kaufleuten  gehörte;  Con- 
cei9ao«  und  »Botafogo«  (d.h.   »Feuerspeier  )  waren  königliche  Schiffe. 

3  Q.  U.,  S.  4-65. 


23 

aus  dem  Wortlaut  der  Überschrift  nicht  zu  entnehmen,  daß  der 
Bericht  von  ihm  herrührt.  Dieser  Hans  Mayr  scheint  sich,  bevor 
er  nacli  Lissabon  kam,  was  jedenfalls  vor  1 502  gewesen  ist,  also 
gleich  nach  Entdeckung  des  Seewegs,  in  der  Levante  aufgehalten 
zu  haben  und  zwar  in  Beirut.  Er  wird  in  der  Handschrift  als 
Faktoreischreiber  (scrivam  da  feytoria)  des  Schiffes  »Rafael«  be- 
zeichnet und  ist  somit  königlicher  Beamter,  nicht  Angestellter  der 
Kaufleute  gewesen.  Da  Kapitäne  und  Mannschaft  aller  drei  Schiffe 
der  Gesellschaft  Portugiesen  waren  und  alles  genau  wie  auf  den 
königlichen  Schiffen  geordnet,  so  befand  sich  auch  ein  Handels- 
agent (feiior)  des  Königs  mit  einem  Schreiber  an  Bord,  und  das 
Amt  des  letzteren  hat  Hans  Mayr  bekleidet.  Der  Faktoreischreiber 
hatte  die  Mannschafts-  und  Soldlisten  zu  führen ;  mit  dem  Faktor 
zusammen  die  vom  König  nach  dem  Osten  eingeführten  Waren 
aus  der  Casa  das  Indias  e  de  Guine,  dem  königlichen  Indien- 
und  Guineahaus,  unter  Nachprüfung  von  Zahl,  Maß  oder  Gewicht 
an  Bord  zu  nehmen  und  das  Ausladen  zu  überwachen  wie  von 
den  königlichen  Handelsagenten  in  Indien  die  Ladung  zu  über- 
nehmen und  sie  in  die  Bücher  einzutragen  sowie  andere  Pflichten. 
Es  war  ein  Amt,  mit  dem  beträchtliche  Verantwortung  verbunden  war. 
Wenn  der  Reisebericht  der  Münchener  Handschrift  von  Hans  Mayr 
verfaßt  sein  sollte,  so  hat  dieser  eine  sehr  gute  Beobachtungsgabe  be- 
sessen; er  steht  in  dieser  Beziehung  dann  entschieden  über  Sprenger. 
Von  den  drei  Schiffen  der  Kaufleute  war  »Rafael«  in  Porto 
beheimatet^;  von  »Jeronimo«  und  »Lionarda«  kennen  wir  den 
Heimathafen  nicht,  doch  ist  die  letztere  allem  Anscheine  nach  ein 
portugiesisches  Schiff  gewesen,  nicht  in  Antwerpen  von  den 
deutschen  Kaufleuten  gechartert;  denn  auch  an  der  Indienfahrt  des 
Admirals  Vasco  da  Gama  1502/03  hat  eine  »nave  Leonarda«  —  so 
nennen  alle  Quellen  unser  Schiff,  nur  Sprenger  sagt  »Leonhard«  — 
teilgenommen^,  die  als  eines  der  großen  Fahrzeuge  bezeichnet 
wird  —  auch  »Gabriel«  und  »Flor  de  la  mar«  von  unserer  Flotte 
werden  dort  genannt  —  und  eine  »näo  Lionarda«  begegnet  neben 
andern  Schiffen  der  letzteren,  »Botafogo«,  »Magdalena«  und 
»Judia«,  in  der  Armada,  die  Jorge  d'Aguiar  im  Jahre  1508  nach  dem 
Osten  führte^.  Es  ist  sehr  möglich,  daß  das  Schiff,  nach  seiner 
Rückkehr  von  Indien  im  Oktober  1503,  zu  Fahrten  nach  Ant- 
werpen verwendet  worden  war  und  dort,  außer  dem  Agenten  der 
Handelsgesellschaft,  auch  die  Waren  an  Bord  genommen  hat,  die  sie 

'  Bericht  von  der    Rafael-  f.  S"-  in  Q.  U.,  S.  127. 

2  Bericht  des  Thome  Lopez  bei  Ramusio,  Navig.  et  Viaggi,  Venetia, 
1550,  f.  148r,  150r,  ISSr,  144v,  147r. 

3  Alguns  Documentos  do  Archivo  Nacional  da  Torre  do  Tombo, 
Lisboa  1892,  S.  197  ff. 


24 

nach  Indien  schicken  wollte.  Was  seine  Größe  betrifft,  so  trug  es 
zum  mindesten  3000  Zentner  Pfeffer,  wahrscheinlich  aber  mehr; 
»Jeronimo«  und  »Rafael«  scheinen  die  zwei  größten  Fahrzeuge 
der  Flotte  gewesen  zu  sein'.  Art  und  Menge  der  Waren,  die  die 
letztere  für  Indien  geladen  hatte,  erfahren  wir  durch  den  Venezianer 
Leonardo  da  Ca  Masser,  der  sich  im  geheimen  Auftrag  der  Signoria 
von  Venedig  vom  S.Oktober  1504  bis  zum  Herbst  1506  in  Lissabon 
aufgehalten  hat,  um  sich  über  alle  Fragen  des  portugiesischen 
Indienhandels  durch  eigene  Anschauung  unauffällig  zu  unterrichten, 
und  auf  Grund  seiner  zweijährigen  Wahrnehmungen  und  Erkundi- 
gungen einen  von  scharfer  und  klarer  Beobachtung  zeugenden 
Bericht  darüber  an  den  Rat  der  Zehn  erstattet  hat.  Danach  wurden 
an  Waren  3500—4000  Ztr.  Kupfer,  150— 200  Ztr.  Blei,  etwa 
60  Ztr.  Zinnober,  50  Ztr.  Quecksilber,  42  Ztr.  Korallen  und  kleine 
Posten  anderer  Waren  mitgeführt,  dazu  etwa  80  000  Dukaten  (Cru- 
zados)  in  bar ;  die  gesamten  Kosten  der  Armada  aber  beliefen  sich 
schätzungsweise  auf  250  000  Dukaten^.   Die  Menschenzahl  an  Bord 


'  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  23  und  oben  S.  22,  Anm.  2.  In  einer  von 
Konr.  Haebler  benutzten  Urkunde  der  Torre  do  Tombo  vom  16.  Juni 
1507  wird  auf  Qrund  einer  Abrechnung,  die  zwischen  Bartolomeo 
Marchione  und  dem  königlichen  Schatzamt  stattgefunden  hatte,  über 
eine  lange  Reihe  von  geschäftlichen  Unternehmungen  (Gevvürzkäufe, 
Benutzung  königlicher  Schiffe  beim  Indienhandel)  Qeneralquittung  er- 
teilt. In  diesem  Zusammenhang  findet  sich  ein  Posten  von  5938944  reis 
(den  Cruzado  zu  390  reis  gerechnet  =  15228  Cruzados)  für  Ausrüstung 
und  Verproviantierung  der  Schiffe  »Jeronimo,  >Rafael  und  >Lionarda«. 
Vermutlich  bezieht  sich  das  auf  die  Indienfahrt  von  1505/06.  Die  Oesamt- 
kosten  für  die  zwanzig-  bzw.  vierzehnmonatige  Indienststellung  der  drei 
Schiffe  können  aber  die  15  228  Cruzados  nicht  sein;  denn  Quirirri 
(Relazioni  degli  ambasciatori  Veneti  ed.  Alberi,  Appendice,  Firenze  1863, 
S.  5f)  schätzt  1506  die  Ausgaben  König  Manuels  für  eine  Indienflotte 
von  12  — 14  Schiffen  zwischen  250  und  1000  Tonnen  bei  fünfzehnmonatiger 
Indienststellung  —  den  Schiffskörper,  den  Sold  für  die  Besatzung  sowie 
die  Versorgung  mh  Lebensmitteln  und  Kriegsbedarf  zusammenge- 
nommen —  auf  120000  Dukaten  (Cruzados),  was  ganz  wohl  zu  Ca  Massers 
Schätzungen  (a.  a.  O.,  S.  20  und  22)  stimmt.  Die  durchschnittliche  Aus- 
gabe für  ein  Schiff  betrug  also  ungefähr  10000  Cruzados.  Nun  sind 
aber  »Jeronimo<-  und  »Rafael«  die  zwei  größten  und  »Lionarda«  eines 
der  größeren  Schiffe  der  Indienflotte  von  1505/06  gewesen,  so  daß  die 
Kosten  bei  der  durchschnittlich  immerhin  doch  sechzehnmonatigen  In- 
dienststellung —  die  »Lionarda«  war  fast  20  Monate  unterwegs,  die  zwei 
andern  14  —  höher  anzuschlagen  sind.  Es  scheint,  daß  die  15  228  Cru- 
zados der  Anteil  des  Bartolomeo  Marchione,  vielleicht  auch  der  italie- 
nischen Kaufleute  überhaupt  an  der  Ausrüstung  der  drei  Schiffe  waren. 

2  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  20.  Was  bei  Ca  Masser  mit  vcantaro< 
(K.),  oben  mit  Zentner  bezeichnet  wird,  ist  das  portugiesische    quintal 


25 

gibt  Ca  Masser'  auf  »2500  und  mehr«  an  und  das  ist  sicher  nicht 
zu  hoch,  eher  zu  niedrig  gegriffen ;  denn  wir  erfahren,  daß  allein 
an  1500  Soldaten  mit  der  Flotte  nach  dem  Osten  gingen^,  darunter 
viele  Edelleute,  die  Pensionen  im  Hofdienst  bezogen.  Dazu  kamen 
nach  Correa3  „och  200  Artilleristen,  eine  Zahl,  die  bei  den  105 
schweren  und  100  leichten  Geschützen,  die  nach  Ca  Masser  die 
Flotte  mitführte,  durchaus  möglich  erscheint,  ferner  überzählige, 
für  den  Dienst  im  Osten  bestimmte  Seeleute  und  die  ordnungs- 
mäßige Bemannung  der  Schiffe  nebst  vielen  Zimmerleuten,  Kal- 
faterern, Schmieden  und  Seilern,  deren  man  für  den  Bau  der 
Ruderfahrzeuge  wie  für  die  Instandsetzung  aller  Schiffe  nach  der 
langen  Seefahrt  in  Indien  notwendig  bedurfte.  Ihre  Zahl  hat  sich 
trotzdem  als  zu  gering  erwiesen,  und  Almeida  bittet  in  Berichten 
an  den  König  vom  Dezember  1505  und  Januar  1506,  außer  um 
Materialien,  wie  Werg  und  Teer,  dringend  ihm  solcher  Schiffs- 
handwerker mehr  zu  schicken:  es  gebe  kein  Land  in  der  Welt, 
das  besser  als  Indien  geeignet  wäre  jede  Art  von  »Schiffen«  groß 
und  klein,  sowie  Ruderfahrzeuge  zu  bauen,  wenn  man  nur  erst 
Kalfaterer  und  Schiffszimmerleute,  Werg  und  Unschlitt  und  Ruder 
für  Fusten  und  Brigantinen  und  Galeeren  habe.  Aber  es  scheint, 
was  ja  zu  Ca  Massers  Angaben  über  den  portugiesischen  Schiff- 
bau zu  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  stimmt,  daß  auch  die  Ribeira 
von  Lissabon  damals  keinen  Überfluß  an  dieser  Art  Handwerkern 
hatte;  wenigstens  schreibt  Almeida:  »Ew.  Hoheit  wendet  Haufen 
von  Gold  an  Ihre  Flotten,  und  Schiffe  und  Ladung  gehen  Euch 


und  zwar  das  quintal  novo«  (Ca  Masser  a.a.O.,  S.  29).  Unter  König 
Manuel  war  nämlich  kurz  vor  1500  eine  einheitliche  neue  Maß-  und 
Gewichtsordnung  in  Portugal  geschaffen  worden,  die  bis  zur  Einführung 
des  heutigen  metrischen  Systems  gegolten  hat.  Das  damals  eingeführte 
-neue  Quintal  bestand  wie  das  quintal  velho  ,  das  -alte  QuintaU,  aus 
128  portugiesischen  Pfund  (arrätei),  aber  jedes  Pfund  zu  16  Unzen  {on?a) 
oder  459  g,  während  das  alte  Pfund  nur  14  Unzen  oder  401,625  g  gehabt 
hatte,  sodaß  das  alte  (Pfund  und)  Quintal  sich  zum  neuen  wie  7:8  ver- 
hielt, das  eine  51,408,  das  andere  58,752  kg  hatte.  Spezereien  und  Drogen, 
und  was  sonst  aus  Indien  kam,  wurde  in  Portugal  1506  nach  dem  alten 
Gewicht,  alles  andere  nach  dem  neuen  gewogen  und  verkauft  (Duarte 
Barbosa  a.  a.  O.,  S.  494  und  Teixeira  de  Aragäo,  Descrip^ao  geral  e 
historica  das  moedas  de  Portugal,  tom.  1,  Lisboa  1874,  S.  38  ff.),  offen- 
bar, weil  das  alte  Quintal  mit  dem  in  Indien  gebräuchlichen  Bahar  besser 
übereinstimmte. 

1  a.  a.  O.,  S.  20. 

2  Goes,  Chron.,  p.  II,  c.  1 ;  Barros,  Asia,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  3. 

3  Lendas  da  India,  Bd.  I,  Lisboa  1858,  S.  530. 


26 

zugrunde,  weil  nicht  4000  Reis'  mehr  für  Kalfaterer  und  Zimmer- 
leute ausgegeben  werden«.  »Nach  dem,  was  ich  auf  dieser  Reise 
gesehen  habe,  würde  ich  nicht  mehr  wagen,  mich  einem  Schiff 
anzuvertrauen,  wo  durchgehends  von  Euren  Beamten  s  o  vorgesorgt 
wird« 2.  Wie  sich  in  dieser  Beziehung  Almeida  von  der  Aus- 
rüstung wenig  befriedigt  zeigt,  so  auch  in  bezug  auf  die  Feldschere 
und  Ärzte,  die  der  Flotte  beigegeben  waren.  »Ebenso,  Herr«, 
schreibt  er,  »gebt  Ihr  Feldscheren  und  Ärzten  große  Besoldungen 
und  Freigüter,  und  es  wäre  besser,  sie  kämen  nicht  her;  denn  sie 
verstehen  nichts.  Ich  werde  Ew.  Hoheit  die  Hand  küssen,  wenn 
Sie  uns  einen  der  besten  schickt;  andernfalls  empfiehlt  es  sich, 
kein  Geld  dafür  auszugeben  «3. 

Die  hier  gerügten  Mängel  bestätigen  indes  nur,  daß,  an  den 
Mitteln  des  kleinen  Landes  gemessen,  der  Kraftaufwand  für  das 
Unternehmen  sehr  erheblich  war;  aber  es  galt  nunmehr  durch 
militärische  und  maritime  Machtentfaltung  ein  portugiesisches 
Monopol  für  den  Gewürz-,  besonders  Pfefferhandel  aufzurichten, 
den  Arabern  die  Wege  nach  Ägypten  und  Syrien  zu  sperren  und 
den  jährlich  verkehrenden  Flotten  der  Portugiesen  Stützpunkte 
zum  Zweck  der  Verproviantierung  und  Instandsetzung  ihrer  Schiffe 
und  der  sicheren  Lagerung  ihrer  Waren  zu  schaffen.  Die  Ver- 
wirklichung dieser  Absichten  stellte  Almeida  vor  schwierige  Auf- 
gaben, sowohl  während  der  Fahrt  als  nach  der  Ankunft  in  Indien. 
Die  erste  derselben  wäre  gemäß  seiner  vom  5.  März  1 505  datierten 
Instruktion'*  der  Bau  einer  Festung  in  Sofala  und  die  Mono- 
polisierung des  bisher  von  den  Arabern  dort  betriebenen  blü- 
henden Goldhandels  in  den  Händen  des  portugiesischen  Königs 
gewesen.  Ihrer  Durchführung  enthob  ihn  freilich  noch  vor  der 
Ausreise  ein  Zufall,  der  Untergang  der  »Annunciada«.  Der  Kapitän 
des  Schiffes,  Pero  d'Anhaya,  war  von  Manuel  bereits  zum  Befehls- 
haber dieser  Festung  ernannt  gewesen  und  erhielt  nun  den  Auftrag, 
an  der  Spitze  eines  alsbald  auszurüstenden  besonderen  Geschwaders 
den  Festungsbau  selbständig  in  die  Wege  zu  leiten ;  er  ist  in  der 
Tat  zwei  Monate  später  mit  sechs  Schiffen  ausgelaufen  und  hat 
noch  vor  Ende  des  Jahres  den  Bau  ausgeführt,  ist  aber  dann  dem 
Klima  erlegen.  Der  zweite  Auftrag  Almeidas  ging  dahin,  den 
arabischen  Herrscher  der  Inselstadt  Quiloa  (Kilwa  Kisiwani)  zur 
Bezahlung  des  ihm  von  Vasco  da  Gama  1502  auferlegten,  in  den 


'  Nach  Strandes,  Die  Portugiesenzeit  von  Deutsch-  und  Englisch- 
Ostafrika,  Berlin  1899,  S.  327,  hatten  1000  rs  um  1500  einen  Goldwert 
von  25,33  Mark. 

2  Torre  do  Tombo,  gaveta  20,  ma^o  10,  n.  33. 

3  ebd 

4  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  272-334. 


27 

letzten  Jahren  aber  verweigerten  Tributes  durch  Güte  oder  Gewalt 
zu  veranlassen;  wenn  er  sich  gutwillig  füge,  ihn  als  Freund  zu 
behandeln,  bei  jedem  Versuch  eines  Widerstandes  dagegen  die  Stadt 
zu  nehmen  und  zu  plündern ;  im  einen  wie  im  andern  Fall  aber 
eine  starke  Festung  hier  anzulegen  und  eine  Karavelle  sowie  eine 
Brigantine  mit  der  nötigen  Bemannung  zur  Verfügung  des  Festungs- 
kommandanten zurückzulassen.  Eine  weitere  Feste  sollte  gleich 
nach  der  Ankunft  in  Indien  auf  dem  Hauptinselchen  der  Anjediva- 
Gruppe  errichtet  und  zum  Hauptwaffenplatz  an  der  indischen 
Küste  gemacht,  hier  auch  die  beiden  in  Stücken  mitgenommenen 
Galeeren  und  die  zweite  der  Brigantinen  erbaut,  zwei  Karavellen 
zur  Sicherung  der  Feste  und  für  den  Nachrichtendienst  zurück- 
gelassen, das  Material  für  die  dritte  Brigantine  aber  auf  dem  Schiff 
des  Lopo  Sanchez  nach  Cochin  mitgenommen  werden,  v/ohin 
Almeida,  ohne  das  befreundete  Cananor  anzulaufen,  so  bald  als 
möglich  in  See  gehen  soll.  Mit  größtmöglicher  Beschleunigung 
soll  hier  die  Einnahme  der  Gewürzfrachten  in  die  Wege  geleitet, 
ein  Teil  der  Schiffe  zu  gleichem  Zweck  nach  dem  südlicheren 
Couläo  (Kollam)  geschickt  werden.  Eindringlich  wird  Almeida 
gemahnt  dafür  zu  sorgen,  daß  bis  spätestens  Ende  Januar  der 
Winde  wegen  alle  nach  Portugal  bestimmten  Fahrzeuge  die  Heim- 
reise angetreten  hätten.  Nach  ihrer  Abfertigung  sowie  nach  um- 
sichtiger Sicherung  und  Versorgung  der  Festen  in  Anjediva  und 
Cochin  soll  er  dann,  falls  es  ihm  richtig  und  zweckmäßig  scheint, 
mit  den  verfügbaren  Schiffen  unter  Zurücklassung  nur  der  nötigen 
Fahrzeuge  für  die  Küstenbewachung  nach  dem  Arabischen  .\\eer- 
busen  aufbrechen  und,  wenn  die  Verhältnisse  dem  günstig  sind, 
im  Bab  el  Mandeb  oder  in  seiner  Nähe  eine  Festung  bauen,  die 
es  ermöglicht,  dem  Lande  des  Mamelukensultans  jede  Gewürz- 
zufuhr zu  sperren,  den  Indern  den  Wahn  benimmt,  daß  sie  fürderhin 
noch  mit  andern  als  den  Portugiesen  Handel  treiben  könnten,  und 
es  gestattet  mit  dem  »Erzpriester  Johannes«,  dem  christlichen 
Herrscher  von  Abessynien,  in  Verbindung  zu  treten,  »zum  Segen 
seiner  Christenheit  und  zur  Förderung  des  königlichen  Handels- 
unternehmens wie  der  etwaigen  portugiesischen  Kriegsführung«. 
Auch  hier  sollen  gegebenenfalls  ein  paar  Schiffe  stationiert  werden. 
Nach  der  Rückkehr  vom  Bab  el  Mandeb  oder  statt  der  Expedition 
dorthin  wird  als  weitere  Aufgabe  der  Bau  einer  Festung  in  Coulao 
empfohlen.  Bis  nach  Ormuz  sollen  die  portugiesischen  Schiffe 
alsdann  kreuzen  und  den  Herren  der  Küstengebiete  auf  ihren 
Wunsch  gegen  Zahlung  mäßiger  Tribute  Friede  bewilligt  werden, 
dem  Samorin  von  Calicut  jedoch  nur  gegen  weitgehende  Sicher- 
heiten und  unter  der  Bedingung,  daß  alle  Kaufleute  von  Mekka 
die  Stadt  veriießen. 


28 

Der  Größe  der  ihm  gestellten  Aufgaben  entsprachen  die  Voll- 
machten' sowie  der  Rang  und  Gehalt  Almeidas.  Übertragen  war 
ihm  für  die  Dauer  seiner  Amtsführung  im  Osten  die  gesamte 
Befehlsgewalt  zu  Land  und  zur  See  sowie  die  Zivil-  und  Straf- 
gerichtsbarkeit des  Königs  über  alle  Personen  sowohl  der  Flotte, 
die  er  nach  Indien  führte,  wie  der  Geschwader,  die  unter  anderem 
Kommando  vom  König  nach  dem  Osten  geschickt  werden  würden, 
über  alle  Personen  in  den  Festungen,  die  Manuel  dort  zu  bauen 
befehle,  über  alle  Untertanen  des  Königs  in  den  neuen  Ländern, 
ohne  jede  Ausnahme,  Portugiesen  und  Orientalen,  sowie  das  Recht, 
seine  Urteile,  auch  die  über  Leben  und  Tod,  vollstrecken  zu  lassen, 
ohne  irgend  eine  Berufung;  unbeschränkte  Macht  in  allen  Handels- 
und Finanzfragen  innerhalb  des  ihm  unterstellten  Gebietes,  Recht 
der  Verleihung  und  Entziehung  aller  Offiziersstellen  und  Ämter 
in  den  Festungen  und  Faktoreien  wie  auf  den  Kriegs-  und 
Handelsgeschwadern,  selbst  wenn  der  König  anders  über  die  Stelle 
verfügt  hat;  unbeschränkte  Vollmacht  zum  Abschluß  von  Freund- 
schaftsverträgen, zu  Krieg  und  Frieden  mit  indischen  Fürsten. 
Seine  Amtszeit  war  auf  drei  Jahre  bemessen,  eine  Befristung,  die 
auch  für  alle  übrigen  Beamten  sowie  die  Offiziere  und  Soldaten 
der  Armada  von  1 505  gelten  sollte :  Portugal  geht  damit  zu  seinem 
auch  für  die  Folgezeit  im  wesentlichen  beibehaltenen  Verfahren 
der  Kolonialverwaltung  über.  Bis  zu  seiner  Ankunft  im  Osten 
sollte  Almeida  den  Titel  eines  »capitao  mör.«  (Oberbefehlshaber) 
führen,  nach  Anlage  der  ersten  den  indischen  Besitz  sichernden 
neuen  Festungen  daselbst  den  eines  Vizekönigs  annehmen;  eine  Leib- 
wache von  100  Hellebardieren,  Hauskapelle  und  andere  Merkmale 
eines  fürstlichen  Hofhaltes  sollten  den  Indern  gegenüber  von 
seiner  Würde  Zeugnis  ablegen 2.  Als  Gehalt  waren  ihm  vom 
Tage  der  Ausfahrt  aus  dem  Tejo  bis  zu  dem  der  Heimkehr  jähr- 
lich 30  000  Cruzados3  in  Geld,  dazu  weitere  20  000  für  den  Tafel- 
aufwand, ferner  das  Recht  bewilligt  1500  Quintal  Pfeffer  jährlich 
auf  eigene  Rechnung  gegen  die  übliche  Abgabe  von  V4  für  den 
König  und  V20  für  U.  L.  Frau  von  Bethlehem  (Belem)  mit  der 
Indienflotte  frachtfrei  zum  Verkauf  nach  Portugal  zu  schicken,  die 


*  Poder  do  capitam  moor  vom  27.  Februar  1505  in  Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  269ff. 

2  Castanheda,  Hist.  do  descobr.,  1.  II,  c.  1.  Nach  Castanheda 
a.  a.  O.  und  Goes,  Chron.  p.  I,  c.  5  sollte  die  Annahme  des  Titels  Vize- 
könig erst  nach  Anlage  von  Festungen  in  Cananor,  Cochin  und  Coulao 
erfolgen ;  nach  Correa,  Lendas,  Bd.  I,  S.  527,  wenn  er  die  erste  Festung 
jenseits  des  Kaps  erbaut  habe. 

3  Damals  Goldmünze  im  Wert  von  9,88  Mk.  (Strandes  a.  a.  O.), 
ungefähr  gleich  einem  Dukaten. 


29 

sogenannten  quintaladas  (Freigüter),  sowie  200  Quintal  Kupfer  von 
der  königlichen  Einfuhr  zu  dem  dafür  festgesetzten  Preis  zwecks 
Weiterverkaufes '  in  Indien  jedes  Jahr  für  sich  zu  nehmen,  dazu 
Anspruch  auf  einen  beträchth'chen  Anteil  an  jeder  Beute'.  Kapitäne, 
Burgvögte  (alcaides  mores),  Handelsagenten  (feitores),  Schreiber, 
die  sonstigen  Beamten  und  die  Seeleute  hatten  außer  ihren  Gehältern 
ebenfalls  das  Recht  auf  Freigüter  in  bestimmter  Höhe,  abgestuft 
nach  dem  Rang  ihrer  Ämter  und  Dienste.  Der  Soldat  erhielt  an 
Bord  800  Reis  im  Monat  und  freie  Verpflegung,  nach  der  An- 
kunft in  Indien  traten,  solange  er  an  Land  war,  an  die  Stelle  der 
Verpflegung  monatlich  400  Reis;  außer  seinem  Sold  hatte  er  das 
Anrecht  auf  Freigut  und  zwar  2V2  Quintal  Pfeffer  jährlich;  die 
Hälfte  davon  ging  freilich  bei  der  Ankunft  in  Lissabon  als  Abgabe 
an  den  König,  aber  es  konnten  immerhin  noch  5000  Reis  an  der 
verbleibenden  Hälfte  gewonnen  werden^. 

Im  Laufe  des  März  wurde  die  Ausrüstung  der  Armada  zu 
Ende  geführt,  teils  in  Lissabon  selber,  teils  in  dem  eine  Stunde 
weiter  abwärts  am  Tejo  gelegenen  Rastello  (Belem)^,  wo  damals 
das  großartige  Hieronymiterkloster  im  Entstehen  war,  das  Manuel 
nach  der  Heimkehr  Vascos  da  Gama  von  der  Entdeckungsfahrt 
zu  Ehren  U.  L.  Frauen  von  Bethlehem  gestiftet  und  zur  Grabstätte 
für  sich  und  sein  Haus  bestimmt  hatte.  Nach  feierlicher  Messe 
in  der  Kathedrale  von  Lissabon  wurde  Francisco  d'Almeida  dann 
vor  versammeltem  Hof  in  sein  Amt  feierlich  eingesetzt,  die  könig- 
liche Fahne  von  weißem  Damast,  goldgesäumt  und  goldbefranst, 
mit  dem  Kreuz  des  Christusordens  in  karmesinfarbenem  Atlas, 
gesegnet  und  ihm  überreicht,  und  nachdem  er  mit  den  Kapitänen 
und  Edelleuten  der  Armada  vom  König  verabschiedet  und  von 
dem  Hofadel  unter  großer  Prachtentfaltung  zum  Kai  an  der  Ribeira 
geleitet  worden  war,  gingen  in  den  festlich  geschmückten  Booten 
alle  auf  der  Flotte  Dienenden  an  Bord  und  der  Vizekönig  hißte 
seine  Flagge  auf  der  »Jeronimo«,  nach  Untergang  der  >  Annunciada« 
dem  größten  Schiff  der  Flotte,  einem  der  drei,  welche  die  deutsch- 
italienische Handelsgesellschaft  ausgerüstet  hatte^. 


1  Correa,  Lendas,  Bd.  I,  S.  527. 

2  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  3. 

3  Sprenger  in  Q.  U.,  S.  104. 

♦  Correa,  Lendas,  Bd.  I,  S.  532;  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  3  und  9, 
I.  IX,  c.  4. 


30 

IV.  Die  Fahrt  bis  Quiloa. 

Am  25.  März,  dem  Tag  von  Maria  Verkündigung,  ging  unter 
dem  Donner  des  gesamten  Schiffsgeschützes  die  Flotte  zu  der 
großen  Fahrt  unter  Segel,  die  von  den  portugiesischen  Seeleuten 
damals,  etwas  zu  hoch,  auf  4000  Leguas,  portugiesische  Meilen 
zu  6,269  km^  geschätzt  wurde.  Dabei  erlitt,  noch  vor  der  Aus- 
fahrt aus  dem  Tejo,  die  »Lionarda«,  Sprengers  Schiff  (Kapitän 
Diogo  Correa),  die  auf  der  Reise  noch  mehrfach  von  Mißgeschick 
heimgesucht  werden  sollte,  eine  leichte  Havarie :  durch  Zusammen- 
stoß mit  andern  Fahrzeugen  wurde  ihr  die  »blinde  Rahe«  am 
Bugspriet^  zerbrochen.  Möglich,  daß  neue,  auf  dieser  Reise  zum 
erstenmal  in  der  portugiesischen  Marine  gebrauchte  seemännische 
Bezeichnungen  der  Anlaß  dazu  gewesen  sind.  Ein  portugiesischer 
Historiker  des  16.  Jahrhunderts  berichtet  nämlich,  daß  damals  zuerst 
die  noch  heute  gebräuchlichen  Benennungen  für  Backbord  (bom- 
bordo)  und  Steuerbord  (estribordo)  bei  den  Kommandos  ange- 
wendet worden  seien  und,  da  sie  den  Seeleuten  noch  ungeläufig 
waren,  Verwirrung  gestiftet  hätten^.  Er  erzählt  auch,  wie  Joäo 
Homem,  Kapitän  der  Karavelle  »S.  Jorge«,  überhaupt  ein  Original, 
bei  seinen  Leuten  in  drastischer  Weise  der  Verwechslung  ein  Ziel 
gesetzt  habe.  Er  solle  mit  Worten  zu  der  Mannschaft  sprechen, 
die  sie  verstünde,  rief  er  seinem  Steuermann  zu,  und  wenn  er 
nach  Backbord  gesteuert  haben  wolle,  »Zwiebel«  sagen,  wenn 
nach  Steuerbord,  »Knoblauch«.  Zugleich  ließ  er  dann  an  der  einen 
Bordseite  sichtbar  ein  Strohseil  mit  eingeflochtenen  Knoblauchzehen, 
an  der  andern  eines  mit  Zwiebeln  aufhängen,  und  von  Stund  an 
wurden  Backbord  und  Steuerbord  auf  der  Karavelle  nicht  mehr 
verwechselt.  Die  Beschädigung  der  »Lionarda«  war  übrigens  zum 
Glück  unerheblich,  so  daß  sie  nach  rasch  ausgeführter  Reparatur 
spätestens  am  26.  März  in  der  Frühe  Rastello  verlassen  und  noch 
am  gleichen  Tag,  in  schnellem  Hinsegeln  der  Küste  entlang, 
Madeira  zustreben  konnte  —  wie  es  scheint,  in  Begleitung  von 
einem  oder  ein  paar  andern  Schiffen,  darunter  vielleicht  »Rafael«, 
während  die  Hauptmasse  der  Flotte  unter  Almeida  vorausgefahren 
war.  Mit  Interesse  verfolg-t  Sprenger  in  den  ersten  Tagen  das 
Spiel  der  Delphine,  die  sicli  um  das  Schiff  tummeln,  beobachtet 
verwundert  an  einem  gefangenen  Tier  körperliche  Eigentümlich- 
keiten des  Meersäugetiers,  staunt  über  die  Größe,  die  es  ermöglicht 


1  Man  rechnete  17V2  Leguas  auf  den  Breitengrad. 

2  Q.  U.,  S.  67  f. 

3  Castanheda,  Historia  do  descobrimento  e  conquista  da  India, 
1.  II,  c.  1. 


31 

mit  seinem  Fleisch  die  ganze  Schiffsbesatzung,  1 26  Mann,  einen  Tag 
lang  zu  speisen.  In  der  Nacht  vom  28.  auf  29.  fuhren  sie  zwischen 
Madeira  und  dem  nordwestlichen  Endglied  der  Kanarischen  Insel- 
kette, Palma,  hindurch,  dem  ersten  Land  mit  afrikanischer  Bevöl- 
kerung. Am  letzten  März  sahen  sie  in  langer  Reihe  die  großen, 
z.  T.  gebirgigen  und  vulkanischen  Inseln  der  Gruppe  zu  ihrer 
Linken,  halb  hinter  sich  liegen.  Man  erzählt  Sprenger,  nicht  ohne 
daß  er,  vielleicht  infolge  noch  ungenügender  Kenntnis  des  Portu- 
giesischen, einzelnes  falsch  auffaßt,  von  der  reichen  Zuckererzeugung 
des  portugiesischen  Madeira,  die  am  Anfang  des  16.  Jahrhunderts 
etwa  200000  Arrobas  (zu  je  14,69  kg)  jährlich  betrugt,  von  der 
Gewinnung  roten  Gummiharzes,  des  Drachenbluts,  aus  der  Baum- 
lilie Dracaena  Draco  durch  Einkerben  des  Stammes  und  von  dem 
Einernten  ihrer  schmackhaften  gelben  Beerenfrüchte^,  auch  von  der 
bedeutenden  Ausfuhr  von  Fischen,  deren  Fang  besonders  bei  dem 
Madeira  benachbarten  Inselchen  Porto  Santo  ergiebig  war.  Er 
hörte,  wie  es  scheint,  von  den  Höhlenwohnungen  der  damals 
schon  stark  zusammengeschmolzenen  hellfarbigen  Guanchen,  die 
er  freilich  Mohren  nennt,  der  Urbevölkerung  der  Kanarien,  hört 
von  dem  Sklavenraub,  der  hier  noch  immer  durch  die  Christen 
betrieben  wurde,  von  der  scheuen  Wildheit  der  Bewohner  Palmas, 
von  der  Eroberung  dieser  Insel  wie  der  Gran  Canaria  und  Tene- 
riffas durch  die  Spanier,  die  im  letzten  Menschenalter  die  ganze  Insel- 
gruppe unter  ihre  Herrschaft  gebracht  hatten,  nachdem  Lanqarote, 
Fuerteventura,  Gomera  und  Ferro  seit  Beginn  des  1 5.  Jahrhunderts 
wechselnd  im  Besitz  normannischer,  portugiesischer  und  spanischer 
Herren  gewesen  waren,  von  den  reichen  Beständen  an  »großen, 
seltzamen  Gaißen«  und  dem  trefflichen  Käse,  der  aus  ihrer  Milch 
auf  den  Kanarien  erzeugt  wurde^. 

Vom  3.  April  an  ging  die  Fahrt  in  einer  Entfernung  von 
12 — 15  Leguas  der  afrikanischen  Küste  entlang,  und  an  diesem 
und  dem  folgenden  Tag  sah  man  von  der  »Lionarda«  aus  Scharen 
großer  Wale  ihr  Spiel  im  Meere  treiben.    Am  6.  wurde  der  Kurs 


'  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  30,  wo  statt  „zone"  zu  lesen  ist  „rove"  :  vgl. 
S.  44;  nach  Barros,  Dec  I,  1.  I,  c.  3  brachte  der  an  das  Großmeistertum 
des  Christusordens  zu  entrichtende  Fünfte  davon  in  einzelnen  Jahren 
sogar  über  60000  Arroben.  Die  Zahl  von  50000  Arroben,  die  Valentin 
Ferdinand  f.  168^  als  Anteil  des  Königs  an  dem  Ertrag  gibt,  würde,  da 
dieser  ein  Viertel  und  ein  Zehntel  der  Ernte  nach  Ca  Masser  a.  a.  O., 
S.  44  erhielt,  auf  143000  Arrobas  Gesamtertrag  führen.  Möglich,  daß 
die  Quelle,  auf  die  Valentin  Ferdinands  Angabe  sich  gründet,  eine  ältere 
ist  und  Ca  Massers  Angabe  das  Richtige  trifft. 

2  Q.  U.,  S.  14,  1.  Spalte  und  S.  24. 

3  Q.  U.,  S.  14  und  105-107. 


32 

landwärts  gerichtet  und  während  der  Fahrt  durch  die  fischreichen 
Küstengewässer  mit  gutem  Erfolg  geangelt.  Am  7.  April  lief  man 
in  die  flache  Bucht  ein,  die  auf  ihrer  Nordseite  durch  den  weit 
ins  Meer  hinausragenden  Vorsprung  des  Cabo  Verde  geschützt  ist. 
Der  sie  begleitende  Küstenstreifen  hieß  bei  den  Portugiesen  damals 
Bezeguiche,  in  Erinnerung  an  den  Negerhäuptling,  mit  dem  hier 
1481  Pedro  d'Evora,  Begleiter  des  Diogo  d'Azambuja  auf  der 
Fahrt  zur  Erbauung  von  S.  Jorge  da  Mina  an  der  Goldküste,  die 
ersten  friedlichen  Beziehungen  angeknüpft  hattet  Das  »Grüne 
Vorgebirge«,  dessen  reicher,  immergrüner  Baumwuchs  zwei 
Menschenalter  vor  Sprenger  den  längs  des  atlantischen  Wüsten- 
randes von  Norden  kommenden  portugiesischen  Entdeckern  die 
Unhaltbarkeit  der  antiken  Lehre  von  dem  Fehlen  alles  Pflanzen- 
und  Tierlebens  in  der  heißen  Zone  erwiesen  hatte,  war  die  erste 
Tropenlandschaft,  die  er  sah.  Als  schroffer  und  hoher  Felsberg, 
den  zwei  charakieristisch  gerundete  kleine  Kuppen  auf  der  Höhe 
leicht  kenntlich  machen,  erhob  es  sich  vor  seinen  Blicken  bei  der 
Einfahrt  in  die  Bucht.  Die  vier  Klafter  dicken  Affenbrotbäume, 
deren  Blätter  ihn  an  die  des  heimatlichen  Nußbaums  erinnerten, 
die  kürbisgroßen  Früchte  dieser  Charakterpflanze  Senegambiens 
und  der  Inseln  des  Grünen  Vorgebirges  erregten  sein  Staunen, 
und  der  »Merfart«  ist  das  freilich  sehr  deutsch  anmutende  Bild 
eines  solchen  beigegeben.  Auch  die  drei  Inselchen  nahe  dem 
Kap  erwähnt  er,  von  denen  das  größte,  heute  Goree,  damals 
Palmeninsel  (Ilheo  da  Palma)  genannt,  ein  von  Diogo  d'Azambuja 
erbautes,  strohgedecktes  steinernes  Kirchlein  trug,  in  dessen  Schatten 
so  mancher  beim  Tauschhandel  an  dieser  Küste  dem  Klima  erlegene 
Portugiese  seine  Ruhstatt  gefunden  hatte.  Negerdörfer  aus  leichten 
Strohhütten  mit  kreisrund  angeordneter  Wand  und  kegelförmigem 
Dach2  lagen  hier  und  dort  am  Fuß  des  Felsberges  wie  längs  dem 
flachen  und  waldreichen,  lieblichen  Küstenstreifen,  der  sich  von 
da,  nach  Südost  umbiegend,  zum  Kap  der  Masten  und  weiter  nach 
Porto  d'Ale  (heute  Portudal),  14  Leguas  vom  Grünen  Vorgebirge, 
hinzogt. 

Almeidas  Instruktion  schrieb  vor,  daß,  wenn  Wasser  am  Cabo 
Verde  eingenommen  werden  müsse,  es  nicht  auf  der  Palmeninsel 
geschehen  solle,  einerseits  um  Zeitverlust  zu  vermeiden  —  die 
einzige  Quelle  dort  war  wenig  ergiebig  —  anderseits  wegen  der 
Erkrankungsgefahr,  daß  vielmehr  an  den  Wasserstellen  der  Küste 
von   Bezeguiche   die   Schiffe   sich   damit  versehen  sollten"*.      Die 

i~Q^  U.,  S.  68-71. 

2  Q.  U.,  S.  107. 

'  Pimentel,  Arte  de  navegar,  Lisboa  1712,  S.  233. 

*  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  275. 


33 

»Lionarda«  hat  das  etwa  sechs  Leguas  östh'ch  des  Kaps  getan, 
während  Almeidas  Flaggschiff,  die  »Jeronimo«,  und  auch  »Rafael« 
mit  der  Hauptmasse  der  Flotte  bei  Porto  d'Ale  Wasser  und  Holz 
einnahmen.  Der  hierdurch  veranlaßte  achttägige  Aufenthalt  gab 
Sprenger  Gelegenheit  sich  über  die  Verhältnisse  von  Land  und 
Volk  ein  wenig  zu  unterrichten.  Von  den  Tagen  Heinrichs  des 
Seefahrers  an  hatten  die  Portugiesen  sich  schrittweise  an  der  West- 
küste Afrikas  nach  Süden  vorwärtsgearbeitet  und  sich  durch  päpst- 
liche Bullen  kraft  apostolischer  Machtvollkommenheit  das  Besitz- 
recht auf  die  jeweils  neu  entdeckten  Gebiete  gegenüber  andern 
seefahrenden  Völkern  der  Christenheit  sichern  lassen.  Das  ganze 
tropische  Westafrika  südwärts  vom  Senegal,  dem  nördlichen  Grenz- 
strom des  Negergebietes,  ja  das  gesamte  Land  vom  Kap  Nun  bis 
zum  Kap  der  Guten  Hoffnung  führte  bei  ihnen  den  Namen  Guinea. 
Ihr  wichtigster  Punkt  an  der  Küste  war  die  Feste  S.  Jorge  da  Mina, 
die  der  Krone  Portugal  einen  Teil  der  ansehnlichen  Goldgewinnung 
der  Aschantiländer  und  der  nach  ihr  benannten  Goldküste  sicherte. 
Zwei  Karavellen  brachten  nach  Ca  Masser'  monatlich  Gold  im 
Werte  von  1 0  000  Cruzados  nach  Lissabon,  so  daß  um  1 506  die 
jährliche  Goldeinfuhr  aus  der  Guinea  sich  auf  1 20  000  Cruzados 
belief.  Des  weiteren  wurden  nach  dem  Berichte  des  Venezianers 
etwa  2000  Negersklaven  im  Jahr  von  dort  nach  Portugal  aus- 
geführt, deren  Wert  er  zu  5000  Cruzados  anschlägt,  femer  viel 
Elfenbein  und  von  Erzeugnissen  des  Pflanzenreiches  Paradies- 
körner, ein  heute  nicht  mehr  geschätztes  Gewürz,  und  Guinea- 
pfeffer, dessen  Import  Manuel  aber  1 506  verbot,  um  dem  indischen 
Pfeffer  keine  Konkurrenz  zu  machen 2.  Was  die  Portugiesen  für 
diese  Ausfuhr  der  Guinea  in  Tausch  gaben,  waren  kleine  Glas- 
spiegel, tellergroße  Messingbecken,  Schmuckringe  von  Messing 
oder  Kupfer,  die  die  Neger  an  Armen  und  Unterschenkeln  trugen, 
Kameolperlen  verschiedener  Form  und  Größe,  die  von  Cambaya 
im  nordwestlichen  Indien  vor  der  Entdeckung  des  Seewegs  an- 
scheinend über  Ägypten,  später  auf  dem  neuen  Seeweg  von  den 
Portugiesen  unmittelbar  nach  Europa  eingeführt  wurden  und  bei 
den  Guineanegern  als  größte  Kostbarkeit  geschätzt  waren ;  femer 
farbige  Glasperlen  venezianischer  Herkunft  und  die  von  den 
schwarzen  Schönen  sehr  begehrten  einfarbig  blauen  oder  mit 
roten  Linien  durchzogenen  Aggri- Perlen,  die,  soweit  echt  —  es 
wurden  auch  gefälschte  in  den  Handel  gebracht  — ,  nicht  euro- 
päische Erzeugung  waren,  sondern  von  den  Portugiesen  im  Rio 
dos  Forcados  in  Benin  gegen  Armringe  bei  den  dortigen  Negern 


'  a.  a.  O.,  S.  30. 

2  a.  a.  O.,  S.  30  und  44. 

Hfimmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien. 


34 

eingetauscht  und  besonders  in  S.  Jorge  da  Mina  an  die  schwarzen 
Kaufleute  gegen  Gold  weitergehandelt  wurden  ^  Den  Tausch- 
verkehr an  der  Küste  unterhielten  zum  größten  Teil  eigens  dafür 
bestimmte  kleine  Karavellen,  denen  ihr  geringer  Tiefgang  gestattete 
auch  in  seichten  Küstengewässern  und  Flußmündungen  ihren 
Handelszwecken  nachzugehen.  Eine  solche  traf  Almeida  bei  Porto 
d'Ale  und  gab  ihr  die  Kranken  seiner  Flotte  sowie  einzelne  reise- 
müd  Gewordene  nach  Portugal  mit.  Der  Tauschverkehr  in  der 
Bucht  von  Bezeguiche  selbst  war  übrigens  geringfügig:  die 
wichtigste  Ausfuhrware  der  Guinea,  Gold,  kam  hier  anscheinend 
wenig  oder  gar  nicht  in  den  Handel;  der  früher  mit  Gewinn 
betriebene  Sklavenkauf  war  wegen  der  hohen  Preise  damals  schon 
zurückgegangen;  aber  Wasser,  Holz  und  Lebensmittel  waren  zu 
bekommen.  Das  Land  brachte  Hirse  hervor  2,  aus  dem  die  Ein- 
geborenen ihre  Hauptnahrung,  den  Kuskus,  sowie  ein  bierartiges, 
berauschendes  Getränk  bereiteten;  auch  Hühner  und  frisches 
Fleisch  gab  es  —  für  die  Seefahrer  eine  willkommene  Abwechs- 
lung im  Einerlei  ihrer  Kost,  die,  vom  Schiffszwieback  abgesehen, 
ganz  überwiegend  aus  Salzfleisch,  etwas  gedörrtem  Fisch,  Zwiebel 
und  Lauch  bestand  — ;  wenigstens  berichtet  Sprenger  von  großem 
Viehreichtum,  kleinen,  aber  fetten  Rindern,  und  erzählt  weiter,  daß 
viel  Käse  erzeugt  wurde  und  das  Zuckerrohr  in  der  Gegend 
gut  gedieh. 

Die  Negerbevölkerung  am  Cabo  Verde  gehörte  zu  den 
Jolofferstämmen,  die  der  Senegal  von  den  nordafrikanischen 
Azeneghen  schied.  Das  Reich  des  Großjoloffen,  von  dem  ein 
halbes  Jahrhundert  vor  Sprenger  der  Venezianer  Ca  da  Mosto 
berichtet,  daß  es  vom  Senegal  bis  zum  Gambia  reichte,  war  um 
1505  schon  länger  durch  Aufstände  zerfallen  und  den  größeren 
Teil  hatten  die  Großen  des  Landes,  die  Budumele,  an  sich  ge- 
rissen^.  »Der  Morenkunig«,  der  nach  Sprenger  drei  Leguas  von 
dem  Ankerplatz  der  »Lionarda«  in  dem  »marckt  Byssegicks« 
(Bezeguiche)  hauste,  wird  ein  solcher  Teilfürst,  vielleicht  auch  nur 
Häuptling  von  ein  paar  Dörfern  gewesen  sein.  Eine  Vorstellung 
von  dem  despotischen  Regiment  dieser  Budumele,  von  der  Furcht, 
in  der  hoch  und  nieder  vor  ihnen  lebte,  gibt  Ca  da  Mosto  in 
dem  Bericht  über  die  erste  seiner  Reisen  im  Dienst  Heinrichs  des 
Seefahrers,  schildert  dort  auch  das  umständliche  Zeremoniell  und 
die  Formen  sklavischer  Unterwürfigkeit,  in  denen  die  Untertanen 

1  Q.  U.,  S.  79-84. 

2  Q.  U.,  S.  84-88. 

3  Kunstmann,  Valentin  Ferdinands  Beschreibung  der  Westküste 
Afrikas  in  Abb.  d.  Bayer.  Ak.  d.  Wiss.  III.  Kl.,  VIII.  Bd.  (1860),  III.  Abt., 
S.  793. 


35 

sich  dem  Herrn  nahten'.  Dies  Zeremoniell  erregle  an  Bord  der 
»Lionarda«  die  Spottlust  der  Weißen,  als  am  11.  April  der  Sohn 
des  Negerfürsten  mit  Hofleuten  und  Dienern  dem  Schiff  einen 
Besuch  abstattete  und  sein  Gefolge  dabei  in  Ehrfurcht  erstarb. 
Der  Budumel  selber  erschien,  wie  der  Reisebericht  von  der  »Rafael« 
erzählt,  in  Porto  d'Ale  persönlich  am  Strand  und  lud  unter  dem 
Versprechen  sicheren  Geleits  zum  Besuch  seines  Hauptortes  ein. 
In  seinem  Gefolge  befanden  sich  ein  paar  aufgeputzte  große  Herrn, 
vermutlich  der  Sitte  der  Vornehmen  nach  in  bunte  Stoffe  fremder 
Erzeugung  gekleidet;  denn  maurische  Mäntel,  rotes  und  blaues 
Tuch  wurden  von  den  Portugiesen  über  See  und  von  muhame- 
danischen  Kautleuten  auf  dem  Karawanenweg  in  diese  Gegend 
eingeführt,  ebenso  wie  Pferde,  die  dem  Klima  rasch  erliegend 
nicht  sowohl  für  den  Krieg  im  Gebrauch  als  Gegenstand  des 
Luxus  und  der  Prahlerei  waren.  Wohlhabendere  Leute  kleideten 
sich  in  Hemden  aus  Baumwolle,  die  im  Lande  wuchs  und  ver- 
arbeitet wurde,  mit  halblangen  Ärmeln  und  in  sehr  weite  Hosen 
vom  gleichen  Stoff;  die  Ärmeren,  zu  denen  der  größte  Teil  des 
Küstenvolks  von  Bezeguiche  anscheinend  gehörte,  gingen  völlig 
nackt  oder  mit  einem  Schurz  von  Ziegenfell.  Einzelne  trugen 
auch  baumwollene  Hauben  mit  Ohrenklappen 2.  Eine  solche 
schenkte  nebst  seiner  Handwaffe,  einem  jener  sichelförmigen  Messer 
von  ungestähltem  Eisen,  wie  die  Jolofi^r  sie  selbst  schmiedeten^, 
der  Negerfürst  einem  alten  Kriegs-  oder  Seemann  vom  Geschwader, 
der  mit  Joäo  da  Nova,  Kapitän  der  »Flor  de  la  mar«,  zur  Be- 
grüßung an  Land  gekommen  war,  und  dieser  gab  als  Gegen- 
geschenk seine  rote  Haube  und  sein  Schwert,  wofür  ihn  Almeida 
am  folgenden  Sonntag  während  der  Predigt  mit  einem  Strick  um 
den  Hals  auf  dem  Schiff  an  den  Pranger  stellte,  offenbar,  weil 
er  in  dem  Handel  mit  dem  Schwarzen  einen  Verstoß  gegen  das 
päpstliche  und  königliche  Verbot  sah,  irgendwelche  Waffen  an 
Muham.edaner  und  Ungläubige  zu  verkaufen  oder  zu  schenken-*; 
Muhamedaner  aber  waren,  wenigstens  dem  Namen  nach,  die  Fürsten 
und  Vornehmen  unter  den  Joloffem,  während  die  Masse  des  Volkes 
religiös  auf  der  niedersten  Stufe  stände  Im  übrigen  sagt  Sprenger 
von  den  Waffen  der  Schwarzen  nichts,  aber  ein  Bild  der  >Mer- 
fart«  und  ein  Blatt  der  Burgkmairschen  Holzschnittreihe  zeigen 
einen  kräftigen  Neger,  der  mehrere  Wurfspeere  mit  Widerhaken 
trägt ;  und  solche  führt  in  der  Tat  Ca  da  Mosto  als  gefährlichste 

'  Ramusio,  Navigationi  et  Viaggi,  Venezia  1550,  f.  112''. 

2  Q.  U.,  S.  134f. 

3  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  111''. 

*  Instruktion  Almeidas  a.  a.  O.,  S.  292. 
^  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  110^. 


36 

Waffen  der  Joloffer  auf,  nur  daß  sie  in  Wirklichkeit  leichter  und 
kürzer  waren  als  auf  den  Bildern.  Als  Schutzwaffe  dienten 
ihnen  große,  runde  Schilde  aus  der  auch  von  Spaniern  und  Por- 
tugiesen für  diesen  Zweck  sehr  geschätzten  starken  Haut  der  Anta, 
einer  stattlichen  Antilopenart. 

Anwohner  eines  großen  Stromes  und  der  Meeresküste,  be- 
trieben die  Joloffer  Fischfang  und  bedienten  sich  dabei  der  von 
Sprenger  erwähnten  Einbäume.  Es  waren  Boote  ohne  Mast  und 
Segel,  am  Cabo  Verde  nur  klein ;  sie  trugen  hier  zwei  bis  drei 
Personen,  die  stehend  das  kurze  Ruder  mit  kreisrunder  Fläche 
handhabten,  sich  aber  auf  diesen  Fahrzeugen  bis  zu  drei  Leguas 
ins  Meer  hinauswagten.  Nach  Süden  nahmen  sie  an  Größe  zu  und 
die  Kriegseinbäume  boten  dort  Platz  für  60,  80  und  100  Mann'. 
Auf  zwei  der  kleinen  Boote  kamen,  gleich  nachdem  die  »Lionarda« 
vor  Anker  gegangen  war,  vier  Neger  auf  das  Schiff  herüber,  die 
sich  mit  den  Portugiesen  in  deren  Sprache  wohl  zu  verständigen 
wußten;  war  es  doch  fast  ein  Menschenalter,  daß  man  die  ersten 
friedlichen  Beziehungen  hier  angeknüpft  hatte. 

Das  wenig  günstige  Gesamturteil  über  die  Schwarzen,  das 
die  Portugiesen  sich  in  den  zwei  Menschenaltern  gebildet  hatten, 
die  seit  der  Entdeckung  der  ersten  Negergebiete  vergangen  waren, 
macht  Sprenger  sich  zu  eigen;  wenigstens  sagt  er  von  einem 
14  Meilen  landeinwärts  von  Bezeguiche  beginnenden  »kunigreich 
Genneya«  (Guinea),  worunter  wahrscheinlich  das  Mandingoreich 
des  Mandi  Manssa,  des  »Großen  Elefanten«,  gemeint  ist,  das  die 
westlichen  Teile  des  alten  Kaiserreiches  Melli  umfaßte,  daß  es 
»ein  böß  landt  von  leuten  und  faulem  lufft«  sei.  Zum  Vergleich 
mag  hier  die  Charakteristik  beigefügt  sein,  die  Sprengers  Zeit- 
genosse Duarte  Pacheco  Pereira,  der  heldenmütige  Verteidiger  von 
Cochin,  der  längere  Zeit  unter  Negern  gelebt  hatte,  von  Joloffern, 
Mandingos  und  Tucuroes  gibt:  »Dies  ganze  Volk  ist  voller  Laster, 
ständig  uneinig  unter  sich;  es  sind  Spitzbuben  und  Lügner,  die 
kein  wahres  Wort  sagen,  große  Säufer  und  höchst  undankbar, 
ohne  Erkenntlichkeit  für  die  größten  Wohltaten,  unverschämte 
Bursche,  die  nie  das  Betteln  lassen «2, 

Nachdem  in  Bezeguiche  die  Vorräte  an  Wasser  und  Holz 
ergänzt  waren,  fuhr  am  14.  April  die  »Lionarda«  nach  dem  acht 
Leguas  entfernten  Porto  d'Ale  und  ging  von  dort  am  folgenden 
Tag3  mit  der  ganzen  Flotte  unter  Segel  um  nun  1 4  Wochen  lang 
»weder  land   noch  sandt«    zu   sehen.     Im   Kalmengürtel    hielten 

»"Q^U.,  S.  107. 
*  Esmeraldo,  I.  I,  c.  27. 

'  Barros  und  Qoes  geben,  offenbar  in  gegenseitiger  Abhängigkeit, 
irrtümlich  den  25.    (Dec.  II,  1.  VIII,  c.  3  und  Chron.,  p.  II,  c.  2.) 


37 

längere  Zeit  Windstillen  die  Fahrt  unliebsam  auf.  Da  sich  unterdes 
gezeigt  hatte,  daß  die  Geschwindigkeit  der  Schiffe  zu  ungleich 
war,  als  daß  ohne  Zeitverlust  für  die  schnelleren  Fahrzeuge  alle 
gemeinsam  die  Reise  hätten  machen  können,  so  teilte  Almeida 
die  Flotte  in  zwei  Geschwader,  deren  eines,  das  langsamere,  aus 
den  Schiffen  (näos)  »Concei^ao«  (Kapitän  Sebastiäo  de  Sousa) 
und  »Gabriel«  (Kapitän  Vasco  Gomes  d'Abreu),  ferner  dem  kleineren 
Schiff  (navio)  des  Lopo  Sanchez  sowie  fünf  Karavellen  bestand 
und  unter  den  Befehl  des  Manoel  Pa^anha  gestellt  wurde,  des 
künftigen  Kommandanten  der  Festung  Anjediva  und  Schwieger- 
vaters des  Sebastiäo  de  Sousa,  auf  dessen  Schiff  der  neue 
Geschwaderführer  auch  seine  Flagge  hißte,  während  das  andere 
aus  den  elf  übrigen  Schiffen  (näos  und  navios)  und  der  Karavelle 
des  Gongalo  de  Paiva,  der  »S.  Catarina«',  gebildet  und  von 
Almeida  befehligt  wurde.  Zu  ihm  gehörten  die  drei  Schiffe  des 
deutsch-italienischen  Handelskonsortiums.  Am  29,  April  wurde, 
wie  es  scheint,  die  Linie  passiert  und  am  6.  Mai  befand  sich 
Almeida  200  Leguas  östlich  des  von  Cabral  im  Jahre  1500  ent- 
deckten Brasillandes,  also  auf  ungefähr  I6V2O  s.  Br.  und  27°  w.  L. 
von  Greenwich.  Am  Tag  zuvor  2  hatte  das  Geschwader  einen 
Verlust  erlitten:  bei  Windstille  bekam  unerwartet  die  »Bella«,  eines 
der  alten  Schiffe  (Kapitän  Pero  Ferreira  Fogaga),  ein  großes  Leck 
und  sank  in  kurzer  Zeit.  Zum  Glück  war  die  See  ruhig  und 
die  »Jeronimo«  in  der  Nähe,  so  daß  die  Besatzung  mit  tatkräftiger 
Hilfe  auch  des  Antäo  Gongalves  sich  und  ihr  Geld  in  Sicherheit 
bringen  und  zwei  Truhen,  die  Silbergerät  und  geistlichen  Ornat 
für  Almeidas  Hauskapelle  enthielten,  gerettet  werden  konnten. 
Zwei  Tage  später,  sagt  Pero  Femandez  Tinoco  in  einem  Brief, 
den  er  von  Cochin  im  November  1505  an  König  Manuel  schrieb, 
wäre  kein  Mann  entkommen,  weil  der  Seegang  jede  Hilfeleistung 
unmöglich  gemacht  hätte,  und  er  knüpft  daran  die  Mahnung,  auf 
die  Reise  nicht  wieder  ein  altes  und  zuvor  nicht  auf  der  Werft 
gründlich  instandgesetztes  Schiff  zu  schicken. 

Die  Fahrt  wurde  dann  ohne  ernsteren  Zwischenfall,  aber 
vielfach  im  Kampf  mit  Südostwinden,  mit  südlichem  Kurs  fort- 
gesetzt, bis  der  39.  oder  40.  Breitengrad  erreicht  war,  also  bis 
zur  äußersten  nördlichen  Treibeisgrenze.  Man  hielt  sich  soweit 
westlich  von  der  afrikanischen  Küste  um  den  längs  derselben 
vorherrschenden  Gegenwinden  zu  entgehen.  Pero  Fernandez 
Tinoco  spricht  umständlich  von  den  Klimawechseln  während  der 


•  Carlas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  178. 
2  So  der  Bericht  von  der    Rafael    (Q.  U.,  S.  127);  Barros  gibt  den 
4.  Mai  an. 


38 

5V2  Monate  der  Hinreise,  sein  Bericht  wie  der  Sprengers  und  der 
von  der  »Rafael«  von  meteorologischen  und  astronomischen  sowie 
Erscheinungen  des  Tieriebens,  die  ihnen  seltsam  und  neu  waren. 
Der  südeuropäische  Winter  war  eben  zu  Ende  gegangen,  als  sie 
von  Lissabon  ab-  und  in  den  Frühling  der  Passatregion  hinein- 
fuhren. Unter  schweren  Gewittern  und  längeren  Windstillen  hatten 
sie  den  Gürtel  der  Kalmen  durchquert.  Sie  hatten  die  Sonne  zu 
ihren  Häupten  im  Zenit  gesehen,  Polarstern  und  Wagen  waren 
ihnen  unter  den  Horizont  hinabgesunken,  neue  Sternbilder  am 
Himmel  aufgegangen.  Noch  nicht  vertraut  mit  der  Mißweisung 
der  Magnetnadel,  hatten  sie  auf  der  Fahrt  durch  den  südlichen 
Atlantischen  Ozean  am  Mittag  die  Sonne  statt  im  Norden  in  Nord- 
west zu  Nord  zu  sehen  geglaubt.  Weiße  Fischlein  mit  Flügeln 
»zu  geleicher  weiß  als  die  fledermüß«  waren  in  großen  Haufen 
zwischen  den  Wendekreisen  aus  dem  Meere  »geleich  andern 
fögeln«  vor  ihnen  aufgeflogen;  so  tief  in  See  aber  waren  sie  dann 
gesegelt,  daß  sie  »weder  fisch  noch  keinerlei  creaturen  mer  funden 
und  was  geleich  als  ein  wihniß  und  eynöde«.  Und  nun  führte  sie 
aus  der  Gluthitze  der  Tropen  die  Fahrt  in  den  Winter  der  süd- 
lichen gemäßigten  Zone  hinein;  unter  heftigen  Gewittern  gingen 
schwere  Regengüsse  und  Schneefälle  auf  die  Schiffe  nieder;  immer 
von  neuem  mußte  die  Mannschaft  zu  den  Schneeschaufeln  greifen. 
Die  für  den  südlichen  Atlantischen  Ozean  charakteristischen,  aus 
schwarzer  Wolke  unter  Donner  und  Blitz  jäh  herabstürzenden 
furchtbaren  Stürme  forderten  bei  Tag  und  Nacht  strengste  Wach- 
samkeit und  Vorsicht  in  der  Handhabung  des  Segelwerks;  hatt? 
doch  einer  von  ihnen  1500  vier  Schiffe  vom  Geschwader  Cabrals 
an  einem  Tag  im  Ozean  versenkt,  mit  ihnen  den  ersten  Umsegler 
des  Kaps,  Bartolomeo  Dias. 

In  39 ^^  oder  40°s.  Br.'  wurde  der  Kurs  auf  Ost  gesetzt; 
inzwischen  war  es  Juni  geworden  und  so  kalt,  sagt  Sprenger,  »als  in 
unsern  landen  umb  weinachten«.  Am  Tag  vor  Johanni  fiel  Schnee, 
und  »die  Kälte«,  so  berichtet  Pero  Fernandez  Tinoco,  der  auf  der 
»Jeronimo«  fuhr,  »war  derart,  daß  wir,  als  es  zum  Essen  gehen 
sollte,  alle  in  lahme  Schindmähren  verwandelt  waren ;  wir  hatten 
einen  Mund  und  keine  Hände  damit  zu  essen ;  und  so  liefen  wir 
zur  Feier  des  Vorabends  von  St.  Johannes  im  Sturm  mit 
brennenden  Laternen  in  Mastkorb  und  Tauwerk ;  und  am  nächsten 
Morgen  in  der  Frühe,  wo  bei  uns  die  Vöglein  singen,  saßen  wir 
eingemummt«  —  im  folgenden  sind  ein  paar  Worte  nicht  lesbar, 
aber  man  sieht,  daß  Almeida   und   sein   Gefolge    alles,   was   an 


'  Tinoco  scheint  39°  zu  geben  (Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque, 
Bd.  II,  S.  336),  der  Bericht  von  der  >  Rafael«  gibt  40". 


39 

Oarderobestflcken  von  Seide,  Wolle  und  Segeltuch,  an  Kopf-  und 
Fußbekleidung,  von  Filz  und  Leder,  irgendwie  verfügbar  war,  eins 
über  das  andere  angezogen  hatten  um  sich  gegen  die  grimmige 
Kälte  zu  schützen.  Den  Vizekönig  fand  Pero  Fernandez  in  seiner 
wohlgeschlossenen,  teppichverhängten  Kajüte,  wie  er  sich  tief  ein- 
gemummt noch  an  einem  Becken  mit  glühender  Holzkohle  »briet«. 
Die  ungewöhnliche  Kälte  verursachte  eine  Reihe  von  Erkrankungen 
unter  der  Mannschaft ;  indes  war  keine  davon  ernsterer  Natur  und 
auf  Almeidas  Schiff  war  bis  zum  18.  November  1505,  von  dem 
Pero  Fernandez  seinen  Brief  an  den  König  datiert,  nicht  ein  Mann 
an  Krankheit  gestorben,  bei  so  großer  Fahrt  und  den  Unzulänglich- 
keiten der  Ernährung  und  der  hygienischen  Einrichtungen  wie  der 
Reinlichkeit  auf  den  Schiffen  des  16.  Jahrhunderts  ein  seltener  Glücks- 
fall. Übrigens  hatte  der  Vizekönig  seiner  Instruktion  entsprechend 
vom  Cabo  Verde  bis  zum  Eintritt  in  die  winteriichen  Meeres- 
gegenden der  Mannschaft  nach  Vereinbarung  morgens  nicht  ihre 
volle  Tagesration  Wein  (eine  Canada,  etwas  über  ein  Liter)  ver- 
abfolgen lassen,  sondern  nur  3/4  derselben  und  war  so  in  der  Lage 
während  der  kalten  Jahreszeit  die  Weinration  zu  erhöhen,  wie  er  es 
auch  mit  Öl  und  andern  besonderen  Bewilligungen  hielte 

Am  26.  Juni  schätzungsweise  —  zu  geographischen  Längen- 
bestimmungen fehlten  der  Zeit  noch  die  Mittel  —  wurde  nach 
Angabe  des  Berichtes  von  der  »Rafael«  der  Meridian  des  Kaps 
in  östlicher  Richtung  überschritten  und  zwar  in  einem  Abstand 
von  70  Leguas2,  was  auf  ungefähr  39  °  s.  Br.  führt.  Bald  danach 
wurde  der  Kurs  auf  Nord,  Nordost,  später  Nordwest  gesetzt 3. 
Am  2.  Juli  brach  plötzlich  ein  heftiger  Sturm  mit  Gewitter  herein, 
zerriß  auf  »Jeronimo«  und  »Lionarda«  die  noch  nicht  eingezogenen 
SegeH  und  schleuderte  drei  Mann  ins  Meer,  von  denen  einer  sich 
durch  seine  Ausdauer  im  Schwimmen  rettete.  Das  Schiff  des 
Joao  Serrao,  die  »Botafogo«  (»Feuerspeier  <),  wurde  durch  diesen 
Sturm  von  den  übrigen  getrennt  und  stieß  nach  der  Einnahme 
von  Quiloa  dort  wieder  zu  dem  Geschwader.  Pottwale  und  kleine 
Walarten  waren  inzwischen  nach  der  »Wildnis  und  Einöde«  wieder 
aufgetaucht  und  am  18.  Juli,  Freitag,  sah  man  nach  14  Wochen 
zum  ersten  Male  Land,  nach  Pero  Fernandez  Tinoco  die  vier  (in 
Wahrheit  fünf)  Ilhas  Primeiras,  die  »Ersten  Inseln«,  555  Leguas 
vom  Kap,  nach  dem  Bericht  von  der  »Rafael«  die  zehn  Leguas 
nördlicheren  Ilhas  Derradeiras,  die  »Letzten  Inseln«  (irgendwelche 


•  Pero  Fernandez  a.  a.  O.,  S.  336. 

2  Q.  U.,  S.  110  Anm.  48. 

3  Pero  Fernandez  a.  a.  O.,  S.  336  f. 

*  Goes,  Chron.,  p.  II,  c.  2. 


40 

Eilande  der  Angocha-Gruppe),  30  Leguas  südwestlich  von  Mo?am- 
bique.  Vielfach  wiederholter  Jubelruf  und  Halleluja  begrüßte  sie 
auf  der  Flotte.  Auf  der  »Lionarda«  scheint  man  erst  am  19.  Juli 
Land  gesichtet  zu  haben  und  zwar  ein  Stück  der  Festlandsküste 
südlich  von  dem  arabischen  Hafenstädtchen  Mogambique.  Dort- 
hin sandte  Almeida  im  Vorbeifahren  das  Schiff  des  Fernäo 
Bermudes  und  die  Karavelle  um  frische  Lebensmittel  für  die  Flotte 
zu  kaufen,  Erkundigungen  nach  dem  seit  Januar  1 504  verschollenen 
Geschwader  des  Francisco  d'Albuquerque  und  nach  der  Indien- 
flotte  des  Lopo  Suares  vom  Vorjahr  einzuziehen  und  den  daselbst 
instruktionsmäßig  zu  hinterlegenden  Bericht  abzuholen  über  das, 
was  sie  unterwegs  erlebt  hatten.  Er  selbst  setzte  mit  acht  Schiffen 
seinen  Weg  fort  und  am  folgenden  Dienstag  fielen  die  Anker  im 
Hafen  von  Quiloa'.   Das  erste  Ziel  der  Reise  war  glücklich  erreicht. 


V.  Von  Quiloa  bis  Anjediva. 

Als  Vasco  da  Gama  am  S.Juli  1497  seine  Entdeckungsfahrt 
antrat,  war  man  in  Portugal  schon  länger  davon  unterrichtet,  daß 
arabische  Städte  sich  längs  der  ostafrikanischen  Küste  bis  in  die 
Nähe  des  südlichen  Wendekreises  hinabzogen  und  daß  von  hier 
ein  regelmäßiger  Handelsverkehr  mit  dem  Roten  Meer  und  Indien 
unterhalten  wurde.  Denn  der  von  Joao  II.  1487  über  Alexandrien 
als  Kundschafter  nach  dem  Osten  geschickte  Pero  de  Covilhä  war, 
nachdem  er  Indien  besucht  hatte,  mit  arabischen  Schiffen  der  Ost- 
küste Afrikas  entlang  bis  Sofala  vorgedrungen  und  hatte  dann 
von  Alexandrien  aus  dem  König  eingehenden  Bericht  über  seine 
Reisewege,  Beobachtungen  und  Erkundigungen  zugehen  lassen, 
bevor  er  von  Zeila  nach  dem  Lande  des  »Erzpriesters  Johannes« 
aufbrach,  wo  er  zurückgehalten  und  mehr  als  ein  Menschenalter 
später    von    seinem    Landsmann    Francisco   Alvares^    auf    dessen 


1  Die  scheinbar  sich  widersprechenden  Datum-Angaben,  nach 
Sprenger  (Q.  U.,  S.  112)  21.,  nach  Mayr  22.  mittags  (Q.  U.,  S.  136),  nach 
Pero  Fernandez  (a.  a.  O.,  S.  337)  Dienstag  (22.)  abends,  lassen  sich  ver 
einigen:  Sprenger  mag  die  Ankunft  vor  dem  Hafen  —  er  sagt  allerdings 
^vor  die  stat  Killiwa  —  im  Auge  haben,  der  die  Einfahrt  erst  am  22. 
gefolgt  wäre.  Die  Lotungen  und  die  Bezeichnung  des  Fahrwassers 
durch  Bojen  (vgl.  Instruktion  a.  a.  O.,  S.  289)  mögen  den  Vormittag  des 
22.  Juli  in  Anspruch  genommen  haben,  Rafael  mittags,  das  größte 
Schiff,  die  »Jeronimo«,  erst  abends  eingefahren  sein. 

2  Francesco  Alvares,  Viaggio  della  Ethiopia,  c.  102  bei  Ramusio 
a.a.O.,  f.  254 r ff. 


41 

Gesandtschaftsreise  nach  Habesch  noch  lebend  und  in  Ehren 
stehend  angetroffen  wurde.  Mit  den  ostafrikanischen  Araberstädten 
auf  dem  Weg  ums  Kap  der  Guten  Hoffnung  die  Verbindung 
herzustellen  war  die  schwierigste  seemännische  Aufgabe  des  Vasco 
da  Gama  gewesen;  von  dort  nach  Indien  ging  seine  Reise  auf 
den  schon  Jahrhunderte  befahrenen  Bahnen  des  arabischen  See- 
handels, Nicht  ohne  Überraschung  sahen  die  Entdecker  auf  die 
verhältnismäßig  alte  und  hohe  Kultur,  die  ihnen  in  diesen  Städten 
entgegentrat'.  Die  Gründung  der  zwei  ältesten  unter  ihnen, 
Mukdischus  (Magadoxö)  und  Barawas,  reichte  bis  in  den  Beginn 
des  10.  Jahrhunderts  hinauf.  Waren  die  Gründer  hier  Araber,  so 
führte  der  Ursprung  von  Quiloa  (um  975)  und  dem  wenig  jüngeren 
Mombasa  auf  Perser  von  Schiras  zurück.  In  der  Folgezeit  wurde 
aber  auch  in  den  letztgenannten  Städten,  wie  es  scheint,  das  ara- 
bische Element  nach  Zahl  und  Einfluß  das  vorherrschende.  Wie- 
weit das  arabische  Blut  der  persischen,  wieweit  das  semitische  der 
Einwanderer  aus  Arabien  bei  Ausbildung  der  körperlichen  Eigen- 
art und  der  Kultur  der  durch  Mischung  entstandenen  ostafrika- 
nischen Küsten-  und  Inselbevölkerung  (Suaheli  usw.)  mitgewirkt 
hat,  entzieht  sich  unserer  Kenntnis;  der  Charakter  der  Städte  aber 
war  im  1 6,  Jahrhundert  überall  der  gleiche :  blühende  Siedelungen 
mit  einer  herrschenden  muhamedanischen  Schicht,  die  zum  Teil 
aus  »weißen  Mauren«,  das  heißt  reinen  Arabern  und  Schirasi,  zum 
Teil  aus  Mischlingen  bestand,  und  einer  an  Zahl  überwiegenden 
schwarzen  Sklavenbevölkerung,  deren  Verhältnis  zu  den  Herrn 
indes  nach  dem  Bericht  von  der  »Rafael«  mehr  das  eines  willigen 
Gehorsams  als  harter,  erzwungener  Dienstbarkeit  war.  Die  Araber 
kleideten  sich  in  lange  und  weite  Gewänder  von  Baumwolle,  die 
im  Lande  erzeugt  und  verarbeitet  wurde  und  deren  Anbau  ver- 
mutlich von  den  Schirasi  (Persern)  eingeführt  war^,  sowie  in 
importierte  indische  Baumwoll-  und  Seidenstoffe ;  die  Neger  trugen 
nur  einen  bis  zu  den  Knieen  reichenden  Lendenschurz.  Ein  weiteres 
Bevölkerungselement  bildeten  handeltreibende  Inder,  in  deren 
Händen,  scheint  es,  fast  die  ganze  überseeische  Ein-  und  Ausfuhr  lag. 
Mit  den  benachbarten  halbwilden  und  heidnischen  Negerstämmen 
standen  die  Städte  bald  in  freundschaftlichen  Beziehungen  bald 
im  Krieg,  und  zur  Sicherung  gegen  Überfälle  von  dieser  Seite 
waren  einzelne  auf  küstennahen  Inselchen  erbaut,  so  Mogambique, 

•  Vgl.  Strandes,  Die  Portugiesenzeit  von  Deutsch-  und  Englisch- 
Ostafrika,  Berlin  1899,  S.81  ff.;  Duarte  Barbosa  in  Collec^ao  de  Noticias 
para  a  historia  e  geographia  das  nagoes  ultramarinas,  Bd.  11  (Lisboa  1812), 
S,  233  ff , 

2  Stuhlmann  in  Beiträge  zur  Kulturgeschichte  Ostafrikas,  Bd.  X, 
S,  507, 


42 

Quiloa  und  Mombasa.  In  den  meisten  Städten,  ob  groß  oder 
klein,  fanden  die  Portugiesen  selbständige  arabische  Herrscher  vor, 
die  freilich  nicht  unumschränkt  in  der  Ausübung  ihrer  Macht  waren, 
sondern  sie  mit  einflußreichen  Männern  mehr  oder  minder  teilten. 
Größere  Herrschaftsgebiete  gab  es  anscheinend  nicht.  Den  Ver- 
kehr längs  der  Küste  vermittelten  Sambuken,  Schiffe,  deren  Planken 
ohne  eisernes  Nagelv^erk  nur  mit  Holzzapfen  und  Stricken  von 
Kokosfaser  zusammengefügt  waren.  Sie  besaßen  kein  Verdeck; 
bloß  ein  Teil  des  Fahrzeuges  war  mit  einem  Dach  aus  Palm- 
blättern versehen ;  kalfatert  wurden  sie  mit  einem  wohlriechenden 
Harz.  Der  Mast  trug  ein  schwerfälliges  MattensegeP.  Die  großen 
hatten  einen  Raumgehalt  von  etwa  50  Tonnen  und  lagen,  wenn 
sie  nicht  gebraucht  wurden,  auf  dem  Trockenen.  Für  die  Fern- 
fahrt, die  anscheinend  nicht  von  Ostafrikanern,  sondern  von  Arabern 
und  Indern,  besonders  Gudscheraten,  betrieben  wurde  und  der 
Verbindung  mit  Aden,  Ormuz  und  Cambaya  diente,  waren  Kompaß, 
Seekarten  und  Instrumente  zur  Höhenmessung  der  Gestirne  in 
Gebrauch.  Über  Kap  Corrientes  ging  indes  bei  der  Unvollkommen- 
heit  der  Fahrzeuge  der  Seeverkehr  wegen  der  starken  Strömungen 
und  der  Hafenarmut  des  südlichen  Teils  der  Ostküste  von  Afrika 
nicht  hinaus.  Wertmesser  im  Handelsverkehr  waren  insbesondere 
Baumwollstoffe,  weniger  geschlagene  Münze,  wiewohl  man  auch 
solche  kannte.  Gold,  das  bloß  ungemünzt  umlief,  wurde  nach 
Gewicht  in  Zahlung  gegeben.  Der  wichtigste  Gegenstand  der 
Einfuhr  waren  die  weißen  und  bunten  indischen  Baumwollstoffe 
von  Cambaya,  von  wo  auch  Glas-  und  Achatperlen  eingeführt 
wurden,  ebenso  wie  Rosenwasser  und  Glasflaschen  über  Ormuz 
aus  dem  persischen  Meerbusen  kamen.  Die  Ausfuhr  bestand 
besonders  in  Sklaven,  Elfenbein  und  zwar  von  Elefanten,  Fluß- 
pferden und  Walrossen 2,  in  Ambra,  Gummikopal,  Wachs  und  vor 
allem  in  Gold^. 

Auf  den  Goldhandel  war  nach  den  portugiesischen  Quellen 
des  16.  Jahrhunderts  die  Blüte  der  ostafrikanischen  Städte  in  erster 
Linie  gegründet.  Daß  die  reichen  Goldlager  des  Maschonalandes 
sehr  früh  schon  ausgebeutet  worden  sind,  davon  legen  die  uralten 
Ruinen  von  Zimbabye  Zeugnis  ab.  Als  Anlegeplätze  auf  der 
Fahrt  nach  Sofala,  wo  der  Handel  mit  dem  kostbaren  Metall  im 
Mittelalter  seinen  Stapelplatz  hatte  —  außerdem  kamen  nur  über 
Angocha  geringe  Mengen  in  den  Verkehr  — ,  mögen  die  Küsten- 
städte zu  ihrer  Bedeutung  gelangt  sein  und  ihn  sodann  selbst  in 


1  Q.  U.,  S.  138. 

2  Duarte  Barbosa  a.  a.  O.,  S.  234. 

3  Goes,  Chron.,  p.  I,  c.  38. 


43 

ihre  Hände  gebracht  haben.  Was  dagegen  in  Tausch  gegeben 
wurde,  waren  vorwiegend  Baumwollstoffe.  Besonders  Quiloa  hat, 
wie  es  scheint,  vermöge  seiner  Lage  Vorteil  aus  diesem  Handel 
gezogen.  Schon  zu  Anfang  des  12.  Jahrhunderts,  das,  nach 
arabischen  Chroniken  der  Stadt  zu  urteilen,  eine  Zeit  hoher  Blüte 
für  dieselbe  gewesen  ist,  stand  Sofala  zu  ihm  in  Abhängigkeits- 
verhältnis und  die  großen  Einkünfte  aus  dem  Goldhandel  ermög- 
lichten ihm  im  Lauf  des  Jahrhunderts  nicht  nur  die  Anlage  zahl- 
reicher Siedelungen  längs  dem  nahen  Festlandsgestade  wie  auf 
den  anliegenden  Inseln  und  in  einigen  Häfen  von  Madagaskar, 
sondern  auch  die  Unterwerfung  fast  der  ganzen  Küste  von  Melinde 
bis  zum  »Kap  der  Strömungen«  (Corrientes)^;  der  nördliche  Teil 
dieses  großen  Machtgebietes  war  freilich,  als  die  Portugiesen  im 
Indischen  Ozean  erschienen,  schon  wieder  verloren  gegangen,  aber 
Sofala  stand  nominell  noch  unter  der  Oberherrschaft  von  Quiloa 
und  die  sehr  hohen  Abgaben  an  Baumwollstoffen  und  Gold,  mit 
denen  seine  Fürsten  wie  auch  die  von  Mombasa  den  Handel  mit 
Sofala  belasteten,  bildeten  noch  immer  eine  reiche  Einnahmequelle. 
Diogo  d'Alcagova,  der  im  Auftrag  König  Manuels  1506  in  Sofala 
Erhebungen  über  Herkunft  und  Gewinnung  des  daselbst  ge- 
handelten Goldes,  über  weitere  Exporthäfen  sowie  die  Mengen 
der  Ausfuhr  veranstaltete,  berichtet  unterm  20.  November  an  den 
König,  daß  in  Friedenszeiten  —  um  1506  beeinträchtigten  jahre- 
lange, schwere  Wirren  im  Goldland  Vealanga  die  Gewinnung  — 
die  jährliche  Ausfuhr  1  000  000— 1  300000  Metikal  zu  je  4,83  g 
betragen  hatte,  wenn  es  sich  um  Feingold  handelte,  ein  Wert  von 
mindestens  13  450000  Mark  2. 

Die  kleine  Insel  Quiloa  liegt  auf  9»  s.  Br.  und  39«  30'  ö.  L. 
Ihre  größte  Entfernung  vom  Festland  beträgt  ungefähr  eine  Legua. 
Das  letztere  bildet  hier  eine  von  Nord  nach  Süd  lang  hingestreckte 
Einbuchtung  mit  Krieks,  die  gegen  den  Seegang  durch  eine  gegen- 
über dem  Nordende  des  Eilands  nach  Südosten  vorspringende 
Halbinsel  sowie  durch  die  Inseln  Quiloa  und  Songo  Mnara  ge- 
schützt ist.  Mangrovesümpfe  begleiten  die  Ufer.  Die  Stadt  Quiloa 
lag  am  Nordwestende  der  Insel,  da,  wo  sich  heute  das  elende 
Fischerdorf  Kilwa  Kisiwani  hinzieht.  Den  Eindruck  dieser  ersten 
ostafrikanischen  Araberstadt,  vor  der  Almeidas  Geschwader  nun 
lag,  schildern  unsere  Quellen  recht  anschaulich.  Den  Ankerplatz 
nennt  der  Vizekönig  den  besten  Hafen  auf  der  Welt,  die  Landschaft 
die  anmutigste,  die  es  geben  könne^.     Die  Stadt  mit  ihren  weiß 


1  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  4. 

2  Strandes  a.  a.  O.,  S.  99  Anm. 

3  Torre  do  Tombo,  gav.  20,  ma9o  10,  n.  33. 


44 

getünchten  Häusern  von  Stein,  über  deren  gewölbten  Erdgeschossen 
sich  ein  oder  mehrere  Stockwerke  unter  flachem  Dach  erhoben, 
erinnerte  nach  der  Länge  ihrer  Erstreckung  an  dem  Meeresarm 
hin  den  Pero  Fernandez  Tinoco^  an  das  heimatliche  Lissabon 
vom  Tcjo  oder  Sebutal  vom  Sado  aus  gesehen.  Die  Einwohner- 
zahl von  Stadt  und  Insel  wird  auf  4000  geschätzt  2.  Eine  der 
zahlreichen  Moscheen,  von  denen  zwei  in  Trümmern  heute  noch 
erhalten  sind,  vergleicht  der  Bericht  von  der  »Rafael«,  wohl  nur 
wegen  der  gleichartigen  Anordnung  der  gewölbten  Kuppeln,  mit 
der  großartigen  Moschee  von  Cordova.  Auf  dem  bis  zu  30  m 
über  das  Meer  sich  erhebenden  roterdigen  Hügelgelände  der  Um- 
gebung von  Quiloa  wuchsen  steifblättrige,  hohe  Savannengräser 
und  über  Buschwerk  und  Baumkronen  der  Ufervegetation  wiegten 
Kokospalmen  ihre  zierlichen  Wipfel  in  den  Lüften. 

Die  Stadt  war,  als  die  Portugiesen  in  die  Geschicke  Ost- 
afrikas einzugreifen  begannen,  schon  seit  zwei  Jahrzehnten  von 
schweren  inneren  Wirren  heimgesucht.  Die  tatsächliche  Herrschaft 
hatten  Wesire  an  sich  gerissen,  die  nach  Willkür  Sultane  ein-  und 
absetzten,  zeitweise  auch  sich  selber  zu  Sultanen  machten.  Die 
ostafrikanische  Machtstellung  Quiloas  war  dadurch  stark  erschüttert, 
die  ihr  ehemals  unterworfenen  Gebiete  ganz  oder  halb  unabhängig 
geworden.  1495  hatte  dann  ein  Abkömmling  des  alten  schira- 
sischen  Herrschergeschlechtes,  Alfudail,  den  Thron  bestiegen.  Unter 
ihm  war  der  mächtigste  Mann  sein  Vetter  Ibrahim  gewesen,  von 
dem  schließlich  Alfudail  gestürzt  und  ermordet  wurde^.  Vasco 
da  Gama  hatte  auf  der  Entdeckungsfahrt  Quiloa  nicht  berührt, 
Cabral  dagegen  im  Juli  1500  den  Hafen  angelaufen,  sich  aber 
vergeblich  bemüht  zu  Vereinbarungen  hinsichtlich  des  Goldhandels 
zu  kommen.  Nicht  glücklicher  war  1501  Joao  da  Nova  gewesen. 
Daraufhin  war  im  folgenden  Jahr  der  Admiral  D.  Vasco  da  Gama 
auf  seiner  zweiten  Fahrt  nach  Indien  mit  einer  beträchtlichen  Flotte 
vor  der  Stadt  erschienen  und  hatte,  als  der  nunmehrige  »Emir« 
Ibrahim  —  so  nannte  ihn  das  Volk  —  seiner  Aufforderung  zu 
einer  Zusammenkunft  nicht  sofort  nachkam,  unter  Anwendung 
von  Gewalt  die  Anerkennung  der  portugiesischen  Oberhoheit  und 


i  a.  a.  O.,  S.  337. 

2  So  der  Bericht  von  der  »Rafael,  dessen  Verfasser  die  Stadt  aus 
eigener  Anschauung  kannte.  In  den  Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  VI, 
Sp.  363-367  wird  sie,  beträchtlich  höher,  auf  2000  Feuerstellen  geschätzt; 
der  zu  Übertreibungen  neigende  Correa  (Lendas,  Bd.  I,  S.  276)  gibt  die 
Einwohnerzahl  auf  12  000  an  und  Diogo  d'Alcagova  hat  versichern  hören, 
daß  in  Quiloa  etwa  30000  Menschen  gingen  und  kämen«  (Alguns 
Documentos,  S.  156). 

3  Q.  U.,  S.  113. 


45 

die  Verpflichtung  zu  einem  jährlichen  Tribut  von  1500  Metikal 
Gold  erzwungen,  die  für  1 502  unverzüglich  bezahlt  wurden,  sei 
es  nun,  daß  der' Scheich  selbst  oder  sein  als  Geisel  dem  Admiral 
übergebenerTodfeindMuhamedAnconi  sie  herbeischaffte'.  Während 
der  nächsten  Jahre  aber  hatte  der  Fürst  sich  der  Tributzahlung  zu 
entziehen  gewußt.  Nun  sollte  hier  endgültig  Wandel  geschaffen 
und  Quiloa  zum  Stützpunkt  der  portugiesischen  Machtstellung  in 
Ostafrika  und  zur  Flottenstation  ausgebaut  werden. 

Almeida  hatte  am  22.  Juli  unmittelbar  nach  Einlaufen  der 
ersten  Schiffe  in  den  Hafen,  durch  den  Kapitän  der  »Flor  de  la 
mar«,  Joao  da  Nova,  der  im  August  1501  schon  einmal  mit  dem 
Emir  verhandelt  hatte,  diesen  zu  einer  Zusammenkunft  einladen 
lassen.  Als  Dolmetscher  begleitete  dabei  den  portugiesischen  Edel- 
mann ein  greiser  Venezianer,  Bonajuto  d'Albano,  den  Joao  da  Nova 
selbst  1 502  von  Indien  mitgebracht  hatte^.  Er  war  etwa  20  Jahre 
zuvor  von  Kairo  in  Begleitung  eines  abessynischen  Gesandten, 
der  sich  gerade  dort  aufhielt,  nach  dem  Osten  gekommen,  hatte 
von  Ormuz  aus  Persien  und  Indien  bis  Malakka  durchwandert, 
hier  eine  malayische  Frau  genommen  und  befand  sich  an  der 
Malabarküste,  anscheinend  in  Cananor,  als  Joao  da  Nova  dort 
Ende  1501  ankam.  Auf  dessen  Geschwader  schiffte  er  sich  mit 
seiner  Frau  und  zwei  Söhnen  nach  Portugal  ein,  wo  seine  Familie 
zum  Christentum  übertrat.  König  Manuel  nahm  ihn,  da  er  weit 
herumgekommen  und  vertraut  mit  Sprachen  und  Handelsverhält- 
nissen des  Ostens  war,  in  seine  Dienste  und  wies  dem  hinkenden 
und  mittellosen  alten  Mann  ein  Häuschen,  ein  gewisses  Maß  Getreide 
und  70  Dukaten  jährlich  zum  Unterhalt  an.  Nun  begleitete  er  als 
Dolmetscher  Almeida  nach  Indien,  wie  noch  ein  zweiter  europäischer 
Wandervogel,  den  Vasco  da  Gama  Ende  1498  auf  dem  Inselchen 
Anjediva  etwa  1 00  km  südlich  von  Goa  gefangen  und  nach  Portugal 


'  Hümmerich,  Vasco  da  Gama,  München  1898,  S.  74  f. 

2  Das  ergibt  mit  Sicherheit  der  Brief  des  Bartolomeo  Marchione 
aus  Lissabon  vom  20.  September  1502  (Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  IV, 
Sp.  544  f.).  Danach  sind  die  widersprechenden  Angaben  des  Ca  Masser 
a.a.O.,  S.  18f.  und  Barros,  Dec.  1,  I.  VIII,  c.3  zu  berichtigen,  denen 
zufolge  er  erst  1504  mit  Albuquerque  aus  dem  Osten  gekommen  wäre. 
Marchione  berichtet,  noch  bevor  er  ihn  selbst  gesprochen  hatte,  daß  er 
25  Jahre  in  Indien  gewesen  sei,  also  seit  1477,  Lunardo  Nardi  (Diarii 
di  Marino  Sanuto,  Bd.  IV,  Sp.  546)  spricht  (wie  Ca  Masser  und  Barros) 
von  22  Jahren,  was  auf  1480  führen  würde.  Nun  traf  aber  Joos  von 
Qhistele  (Voyage,  Ghendt  1572,  S.  229)  in  Tor  1483  einen  Venezianer 
Bonavito  del  Pan,  der  eben  im  Begriff  war,  mit  dem  Mailänder  Benedetto 
de  Nove  von  dort  nach  Ormuz  abzureisen.  Sollte  das  etwa  Bonajuto 
d'Albano  gewesen  sein,  wie  Heyd  a.a.O.,  Bd.  II,  S.  500  vermutet  hat? 


46 

mitgenommen  hatte.  Es  war  der  getaufte  Jude  Gaspar  da  Oama 
oder,  wie  er  ebenfalls  genannt  wird  und  in  zwei  von  ihm  her- 
rührenden Schriftstücken  sich  selber  nennt,  Gaspar  da  India,  auch 
de  las  Indias.  Er  stammte  aus  einer  deutschen  Judenfamilie,  die 
in  Posen  ansässig  gewesen  und  möglicherweise  durch  die  von 
dem  Jagelionen  Kasimir  IV.  1454  verfügte  Aufhebung  eines  kurz 
vorher  von  ihm  erlassenen  Judenstatuts  zur  Auswanderung  ver- 
anlaßt worden  war.  Seine  Eltern  hatten  sich  damals  nach  der 
Levante  gewandt,  waren  über  Jerusalem  nach  Alexandrien  gekommen 
und  dort  war  Gaspar  geboren  worden.  Schon  in  jugendlichem 
Alter  war  er  über  Kairo  und  Mekka  nach  Indien  und  daselbst  in 
32  Jahren  weit  herumgekommen,  war  Muhamedaner  geworden, 
hatte  als  Kaufmann  Mahmet  Edelsteinhandel  getrieben  und  eigene 
Schiffe  besessen  und  stand  1498  als  Kaperkapitän  im  Dienste  des 
Yusuf  Adil  Schah,  des  Beherrschers  von  Goa.  Von  diesem  beauf- 
tragt sich  der  drei  Schiffe  Gamas  und  ihrer  Mannschaft  zu  bemäch- 
tigen, hatte  er  sich  zunächst  allein  an  deren  Ankerplatz  begeben 
und  im  Namen  seines  Herrn  die  Portugiesen  nach  Goa  eingeladen, 
sich  aber  dabei  verdächtig  gemacht,  war  von  Gama  festgenommen, 
durch  Peitsche  und  siedendes  Öl  zum  Geständnis  gebracht  und 
nach  Portugal  mitgeführt  worden.  Schon  auf  der  Fahrt  dahin 
trat  er  zum  Christentum  über  und  wurde  nach  seinem  Paten,  dem 
Entdecker  des  Seewegs,  auf  den  Namen  Gaspar  da  Gama  getauft. 
Seine  Sprachenkenntnis  und  Vertrautheit  mit  allen  Verhältnissen 
des  Ostens  ermöglichte  ihm  den  Portugiesen  während  der  folgenden 
Jahre  wertvolle  Dienste  zu  leisten,  wofür  Manuel  ihm  mit  einem 
Gnadengehalt  von  170  Cruzados  sowie  andern  Besoldungen  und 
Rechten  lohnte;  auch  zum  Ritter  des  königlichen  Hauses  hat  er 
ihn  gemachte 

Die  durch  Joäo  da  Nova  und  Bonajuto  d'Albano  übermittelte 
Einladung  lehnte  der  Emir  Ibrahim  für  diesen  Tag  ab  —  offen- 
bar fürchtete  er  im  Fall  eines  Besuchs  an  Bord  oder  einer  Zusammen- 
kunft in  Booten  die  Gefangennahme  — ,  sandte  aber  das  übliche 
Geschenk  an  Lebensmitteln,  hier  fünf  Ziegen,  eine  junge  Kuh,  viel 
Kokosnüsse  und  Früchte.  In  ein  Zusammentreffen  am  folgenden 
Tag  scheint  er,  um  zur  Täuschung  Zeit  zu  gewinnen,  gewilligt  zu 
haben.  Almeida  war  entschlossen,  wenn  nötig,  Gewalt  anzuwenden, 
aber  es  der  Instruktion  gemäß  zunächst  mit  friedlichen  Mitteln 
zu  versuchen.  Die  Schiffsartillerie  wurde  am  nächsten  Morgen 
(23.  Juli)  in  Bereitschaft  gesetzt;  alsdann  fuhren  alle  Kapitäne,  festlich 
gekleidet  und  in  Waffenrüstung,  in  ihren  reich  geschmückten  und 


'   Die  nähere  Begründung  dieser  Angaben  behalte  ich  einer  dem- 
nächst zu  veröffentlichenden  Einzeluntersuchung  über  Gaspar  da  India  vor. 


47 

wohlbemannten  Booten  vor  der  Stadt  auf  und  ab  und  warteten, 
ob  der  Emir  sich  einfinden  werde.  Statt  seiner  erschienen  indes 
fünf  Araber  und  brachten  den  Bescheid,  er  könne  nicht  kommen, 
er  habe  Gäste;  doch  wolle  er,  wenn  es  Almeida  wünsche,  die 
1 500  Metikal  Tribut  sogleich  an  Bord  schicken.  Diese  Abgesandten 
heß  der  Vizekönig  festnehmen  und  in  einer  Beratung  mit  den 
Kapitänen  wurde  alsdann  beschlossen,  daß  man  sich  der  Stadt  mit 
Waffengewalt  am  nächsten  Tag  bemächtigen  wolle.  Inzwischen 
flüchtete  der  Emir  Ibrahim,  Schlimmes  ahnend,  in  aller  Heimlich- 
keit nach  dem  nahen  Festland.  Die  1500  streitbaren  Männer  aber, 
die  nach  portugiesischen  Quellen  in  der  Stadt  verfügbar  waren, 
sammelten  sich  zur  Verteidigung  um  seinen  mächtigen  Widersacher, 
den  greisen  Muhamed  Ankoni,  der  sich  in  den  vorausgegangenen 
Jahren  wiederholt  als  Freund  der  Portugiesen  bewährt  hatte. 
Donnerstag  den  24.  Juli  bestiegen  die  zum  Angriff  auserlesenen 
portugiesischen  Streitkräfte,  500  Mann,  die  Boote.  Da  Flut  war, 
konnte  man  bis  dicht  an  die  dem  Ufer  zunächst  gelegenen  Häuser 
heranfahren.  Der  Vizekönig  richtete  mit  der  Hauptmacht  seinen 
Angriff  gegen  die  Stadt  selber,  eine  zweite  Abteilung  landete  unter 
Führung  seines  jugendlichen,  heldenmütigen  Sohnes  D.  Lourengo 
gegenüber  dem  am  Ende  der  Stadt  gelegenen  weitläufigen  und 
starken  Palast  des  Emirs,  dem  auf  verschiedenen  Wegen  beide 
Abteilungen  zustreben  sollten.  Allen  voran  stieg  Almeida  mit 
der  königlichen  Fahne  an  Land,  die  der  tapfere  Pero  Cam  trug, 
und  nach  ihm  die  andern  Kapitäne.  Man  war  auf  schwere  Kämpfe 
gefaßt,  da  jedes  der  zahlreichen  mit  Stockwerken  versehenen 
steinernen  Häuser  den  Verteidigern  als  Festung  dienen  konnte. 
Um  so  größer  war  das  Erstaunen,  als  kaum  ein  Feind  sichtbar 
und  nur  hie  und  da  ein  schwacher  Widerstand  geleistet  wurde. 
Man  vermutete  zunächst  List  und  Hinterhalt,  aber  bald  zeigte  sich, 
daß  der  größte  Teil  der  Bevölkerung  die  Stadt  verlassen  hatte.  Von 
den  Zurückgebliebenen  wurden  diejenigen,  die  sich  ergaben,  ge- 
schont, getötet  nur,  wer  sich  bewaffnet  zur  Wehr  setzte,  und  das 
waren  nicht  mehr  als  30  oder  40  Menschen.  Rasch  war  die  ganze 
Stadt  in  den  Händen  Almeidas ;  man  erreichte  den  Palast,  zu  dem 
inzwischen  auch  D.  Lourengo  vorgedrungen  war.  Die  Pforten 
waren  verschlossen,  an  einem  Fenster  aber  erschien  alsbald  ein 
Araber,  schwenkte  eine  portugiesische  Fahne  und  schrie  laut: 
»Portugal!  Portugal!«  Es  war  die  Fahne,  die  Vasco  da  Gama 
dem  Emir  übergeben  hatte,  als  er  ihn  1502  zum  Vasallen  seines 
Königs  machte.  Dem  Befehl  das  Tor  zu  öffnen  kam  indes  der 
Mann  am  Fenster  nicht  nach ;  man  mußte  es  gewaltsam  auf- 
brechen und  daraufhin  verschwand  er.  Widerstand  wurde  nicht 
geleistet;  der  Palast,  worin  man  den  Emir  vermutet  hatte,  erwies 


48 

sich  als  leer  und  verlassen;  man  fand  nichts  als  verschlossene 
Erdgeschosse  ^ 

Der  Vizekönig  kehrte  nun  mit  seinen  Leuten  in  die  Stadt 
zurück,  wohin  inzwischen  der  Vikar  der  Franziskaner  mit  ein  paar 
Brüdern  von  den  Schiffen  herübergekommen  war.  Mit  aufgerichteten 
Kreuzen  zogen  diese  ihm  entgegen,  alles  Kriegsvolk  aber  kniete 
voll  Dank  für  den  unblutigen  und  doch  so  großen  Erfolg  in 
frommer  Andacht  nieder  und  durch  die  Straßen  der  muhame- 
danischen  Stadt  tönte  feierlich  zum  erstenmal  der  Ambrosianische 
Lobgesang  Te  deum  laudamus.  Almeida  zog  sich  darauf  in  eines 
der  vornehmen  Häuser  zurück  und  gab  dem  Kriegsvolk  die  Stadt 
zur  Plünderung  preis,  wobei  aber  jede  Brandlegung  verboten  wurde. 
Alle  wertvollere  Beute  befahl  er  in  ein  paar  Häusern  in  seiner 
Nähe  niederzulegen  um  sie  dann  nach  den  Bestimmungen  seiner 
Instruktion  ordnungsgemäß  zu  verteilen.  Man  fand  in  der  Stadt 
große  Mengen  von  Lebensmitteln  und  Waren,  auch  Gold,  Silber, 
Perlen  und  Edelgestein ;  doch  hatten  die  Bewohner  einen  Teil  ihrer 
Kostbarkeiten,  wie  es  scheint,  in  Sicherheit  gebracht.  Den  Ab- 
schluß der  Eroberung  bildete  ein  Akt  von  festlicher  Weihe,  indem 
der  Vizekönig  einer  Reihe  von  jungen  Männern  den  Ritterschlag 
erteilte.  Möglich,  daß  er  den  Nebenzweck  damit  verfolgte  eine 
allzu  lange  und  rücksichtslose  Plünderung  zu  verhüten ;  Pero  Fer- 
nandez  Tinoco  wenigstens  schreibt  mit  Bedauern,  daß  der  Befehl 
zum  Abbruch  derselben  erfolgt  sei,  als  man  eben  bei  den  Stellen 
der  heißesten  Arbeit  angelangt  war^.  So  blieben  die  äußeren  Stadt- 
teile von  der  Heimsuchung  verschont  3. 

Noch  am  selben  Tag  wurde  dann  mit  dem  Bau  der  Festung 
begonnen,  wobei  sich  hoch  und  nieder,  die  stolzen  Fidalgos  wie 
das  gemeine  Kriegsvolk  und  die  Seeleute,  rüstig  beteiligten.  Der 
Vizekönig  selber  verschmähte  es  nicht  zum  Herbeischaffen  der 
Steine  die  Trage  mitanzufassen.  Eine  besonders  gut  aus  Stein  auf- 
geführte Häusergruppe  am  Westende''  des  Ortes,  die  das  Meer  bei 
Flut  bespülte,  erwies  sich  vorzüglich  geeignet  zum  Ausbau  als 
Festung.  Die  umliegenden  Gebäude,  die  abgebrochen  werden 
mußten    um   freies  Schußfeld   zu    schaffen,   lieferten   das  für  die 


'  Da  keiner  der  Augenzeugen  von  wirklichen  Kämpfen  berichtet, 
so  ist  die  Schilderung,  die  Barros,  Dec.  I,  I.  VIII,  c.  5  von  Eroberung 
der  Stadt  gibt  und  die  alle  wesentlichen  Züge  der  Eroberung  von 
Mombasa  entlehnt,  wohl  als  Ausschmückung  anzusehen. 

2  A.a.O.,  S.  337:  »cando  compe^avamos  dentrar  no  quente  da 
cidade«. 

3  Gaspar  da  Qama  in  Cartas  d'A.  d'A.,  Bd.  III,  S.  200:  »rroubamos 
ho  meyo  da  cidade«. 

*  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  3. 


49 

Vorwerke  und  Geschützstände  notwendige  Holz-  und  Steinmaterial; 
gebrannter  Kalk  fand  sich,  da  der  Boden  der  Insel  unter  einer  dünnen 
Schicht  geologisch  junger  Küstenablagerungen  aus  subrezenten 
Korallenriffen  gebildet  ist,  so  reichlich  in  der  Stadt  vor,  daß  für 
die  Erbauung  der  Festungen  in  Indien  noch  beträchtliche  Mengen 
verladen  werden  konnten'. 

Alsbald  nach  Beginn  des  Festungsbaues  erfuhr  der  Vizekönig, 
daß  Muhamed  Anconi  sich  mit  der  Hauptmacht  der  wehrfähigen 
Bevölkerung  der  Stadt  in  deren  unmittelbarer  Nähe  befand,  und 
ließ  ihm  durch  Joao  da  Nova  seine  Friedensbedingungen  über- 
mitteln: der  flüchtige  Emir  Ibrahim  sollte  des  Thrones  verlustig 
erklärt  und  an  seiner  Statt  Muhamed  Anconi  zum  Herrscher  aus- 
gerufen werden,  unter  der  Voraussetzung,  daß  er  sich  zum  Vasallen 
des  Königs  von  Portugal  machen  und  den  Tribut  von  jährlich 
1500  Metikal  Gold  zahlen  würde.  Bei  Annahme  dieser  Bedingungen 
wurde  er  aufgefordert  mit  allen  Geflüchteten  ruhig  in  die  Stadt 
zurückzukehren  und  jedem,  der  davon  Gebrauch  machen  wolle, 
Sicherheit  für  seine  Person  und  seinen  Besitz  auf  der  ganzen  Insel 
gewährleistet.  Muhamed  Anconi  ging  auf  diese  Vorschläge  ohne 
Zögern  ein  und  der  größte  Teil  der  Bevölkerung  kehrte  darauf 
mit  ihm  in  die  Stadt  zurück.  Noch  am  gleichen  Tag  —  es  war 
der  26.  oder  27.  Juli^  —  wurde  er  auf  reich  gezäumtem  Pferd  in 
kostbarem,  vom  Vizekönig  geschenktem  maurischen  Gewand  mit 
Goldstickerei,  begleitet  von  angesehenen  Männern  der  Stadt,  die 
ihn  zu  Fuß  umgaben,  festlich  durch  die  Straßen  geführt.  Voran 
schritt  Gaspar  da  Gama  und  rief  in  arabischer  Sprache  immer  aufs 
neue  die  Worte:  »Das  ist  euer  König;  ihm  habt  ihr  zu  gehorchen 
im  Namen  des  Königs  Emanuel  von  Portugal,  dessen  Untertanen 
ihr  alle  seid^.«  So  bewegte  der  Zug  sich  zu  der  im  Bau  begriffenen 
Festung,  wo  der  Vizekönig  auf  einer  mit  Teppichen  und  kostbaren 
Tüchern  geschmückten  Tribüne  vor  versammeltem  Volk  und  den 
angesehenen  Männern  der  Stadt  den  neuen  Herrscher  feierlich  für 
die  Krone  Portugal  in  Eid  und  Pflicht  nahm  und  ihm  dann  eine 
goldene  Krone  aufsetzte,  die  als  Geschenk  Manuels  für  den  Raja 
von  Cochin  bestimmt  war.  Über  den  Vollzug  der  ganzen  Hand- 
lung ließ  der  Vizekönig  Urkunden  in  portugiesischer  und  arabischer 
Sprache  aufnehmen,  die  von  dem  nunmehrigen  Sultan  Muhamed 
und  den  anwesenden  vornehmen  Muhamedanem  sowie  von  allen 
Kapitänen  und  Edelleuten  der  Flotte  unterzeichnet  wurden.     Die 


'  Torre  do  Tombo,  gav.  20,  ma^o  10,  n.  33  (Brief  Almeidas). 
2  Der  27.  nach  Sprenger  a.a.O.,  S.  112,  der  26.,  Tag  der  heiligen 
Anna,  nach  Goes,  Chron.,  p.  II,  c.  2. 
^  Ooes,  Chron.,  p.  II,  c  2. 

Hümmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nadi  Indien.  4 


50 

bei  Eroberung  der  Stadt  gefangenen  Muhamedaner  gab  Almeida, 
der  Bitte  des  neuen  Herrschers  entsprechend,  um  Stimmung  für 
ihn  zu  machen  Anfang  August  frei.  Da  dieser  schon  hochbetagt 
und  bei  seinem  Abieben  Thronstreitigl<eiten  zu  befürchten  waren, 
regelte  auf  seinen  Wunsch  Almeida  vor  der  Abfahrt  auch  noch 
die  Nachfolgerfrage.  Als  Freund  des  ermordeten  Sultans  Alfudail 
erbat  Muhamed  unter  Übergehung  seiner  eigenen  Söhne  für  einen 
noch  jugendlichen  mit  einer  Sklavin  erzeugten  Sohn  Alfudails  die 
Nachfolge  in  der  Herrschaft.  Almeida  willigte  ein  und  am  4.  oder 
5.  August  1  wurde  dem  vom  nahen  Festland  inzwischen  herüber- 
geholten jungen  Mann  seitens  der  Stadt  für  den  Fall  von  Muhameds 
Ableben  im  Voraus  feierlich  gehuldigt. 

Innerhalb  17  Tagen^  (24.  Juli  bis  9.  August)  war  die  Festung 
im  wesentlichen  vollendet ;  der  geschäftsgewandte  Gaspar  da  Gama 
hatte  in  ständigen  Verhandlungen  mit  Muhamed  Anconi  und  den 
Arabern  erreicht,  daß  täglich  etwa  200  Eingeborene  als  Hilfskräfte 
für  die  Arbeit  zur  Verfügung  gestellt  wurden,  wie  ihm  unter 
Zuhilfenahme  der  Nachtstunden,  in  denen  er  die  Insel  durchstreifte, 
auch  die  Beschaffung  von  Hammeln  und  sonstigen  Lebensmitteln  für 
die  bei  dem  Bau  beschäftigten  Portugiesen  gelungen  war^.  Eine 
dreistöckige  Zitadelle,  massiv  in  Stein  und  Mörtel  ausgeführt,  vier 
Bollwerke  mit  Geschützständen  und  Schießscharten  für  Armbrust- 
schützen sicherten  die  von  den  Befestigungen  eingeschlossenen 
Faktorei-,  Lager-  und  militärischen  Amtsräume*  sowie  die  guten 
Quartiere,   die  für  eine  Besatzung  ausgereicht  hätten  doppelt  so 


1  Sprenger  a.a.O.,  S.  113  scheint  den  4.  zu  meinen,  Castanheda, 
1.  II,  c.  3  verlegt  die  Huldigung  auf  den  5.,  >nossa  senhora  das  neves«. 

2  So  Almeida  a.a.O.;  Tinoco  a.a.O.,  S.  337  sagt:  »dy  (d.h.  vom 
Tage  der  Eroberung  an)  a  quinze  dyas  hacabamos  e  embarcamos«.  Da- 
nach fand  die  Einschiffung  am  7.  August  statt ;  Almeida  rechnet  bis  zum 
Tag  der  Abfahrt,  dem  9.  August.  Sprenger  verlegt  die  Abfahrt  auf  den 
6.  —  wahrscheinlich  nur  Druckfehler,  sicher  nicht  richtig  — ,  Barros  auf 
den  8.  (Dec.  I.,  1.  VIII,  c.  7),  Qoes  (Chron.,  p.  II,  c.  2)  und  Castanheda 
(a.  a.  O.,  1.  II,  c.  4)  übereinstimmend  mit  Gaspar  da  Gama  (Carlas  d'A. 
d'A.,  Bd.  III,  S.  201)  auf  den  9.,  Goes  mit  dem  Zusatz  »vespora  do 
bemaventurado  Säo  Louren^o«.  Dazu  stimmt,  richtig  ergänzt,  auch  die 
Angabe  Tinocos  wenige  Zeilen  weiter:  »e  leixando  senhor  isto  que  se 
aconteceo  bespora  de  samtyago  a  huma  quinta  feira,  dy  a  quinze  dias 
embarcamos  que  foram  sete  dias  da(gosto  quinta)  feira  a  tarde,  e  ao 
sabado  fo(mos  e  a  qu)arta  feira  seguinte  emt(r)am(os  em  Momba?a) 
e  do  que  nos  aconteceo  (n)a  entrada  como  na  tomada  escuso  dyzer 
aqui  nada« :  also  Einschiffung  am  7.  abends,  Abfahrt  am  9. 

3  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  200f. 
*  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  3. 


51 

groß  als  die  80  Mann,  die  hier  zurückgelassen  wurden.  Die 
Verbindung  mit  der  See,  für  die  Stützpunkte  der  portugiesischen  Herr- 
schaft im  Osten  von  ausschlaggebender  Bedeutung,  war  unbedingt 
gesichert:  bis  an  den  Eingang  des  stärksten  Vorwerks  konnten 
die  Boote  heranfahren  und  über  eine  Treppe  von  wenigen  Stufen 
ihre  Ladung  löschen.  Ein  paar  Jahre  seines  Lebens,  schreibt 
Almeida  von  Cochin  aus  an  den  König,  würde  er  darum  geben, 
wenn  Seine  Hoheit  die  Feste  sehen  könnte;  sie  wäre  stark  genug 
um  dem  König  von  Frankreich  Trotz  darin  zu  bieten'.  Kommandant 
wurde  der  vom  König  für  dies  Amt  bestimmte  Pero  Ferreira 
Fogaga,  Kapitän  der  untergegangenen  »Bella«;  außer  ihm  blieben 
ein  Burgvogt  (alcaide  mör)  sowie  die  nötigen  Handels-  und  sonstigen 
Beamten  darin  zurück.  Die  Feste  erhielt  den  Namen  »Santiago«, 
weil  am  Vorabend  von  St.  Jakob  dem  Apostel  die  Stadt  erobert 
worden  war.  Die  als  Stationsschiff  für  Quiloa  bestimmte  Karavelle 
des  Gongalo  Vaz  de  Goes  vom  zweiten  Geschwader  kam  erst 
später  an ;  für  eine  Brigantine  wurde  das  fertig  bearbeitete  Material 
dagelassen,  wie  es  die  Instruktion  vorschrieb  2. 

Abgesehen  von  dem  Festungsbau  wurden  in  den  17  Tagen 
auch  alle  Schiffe  des  Geschwaders  übergeholt,  gereinigt  und  kalfatert. 
Mit  den  acht  am  22.  Juli  in  den  Hafen  eingelaufenen  Fahrzeugen 
hatten  sich  unterdessen  die  zwei  nach  Mogambique  geschickten 
sowie  die  durch  Sturm  Anfang  Juli  von  den  übrigen  getrennte 
»Botafogo«,  diese  am  3.  August 3,  wieder  vereinigt.  Die  beiden 
ersten  brachten  Briefe  mit  der  Kunde  vom  glücklichen  Verlauf  der 
Fahrt  des  Lopo  Suares;  dagegen  hatten  sie  vom  Verbleib  des 
Francisco  d'Albuquerque  nichts  erfahren  können ;  er  ist  mit  seinem 
kleinen  Geschwader  verschollen  geblieben. 

Der  mehrwöchige  Aufenthalt  in  Quiloa  hatte  Gelegenheit 
gegeben,  die  Rücksicht  auf  die  Festung  gezwungen  sich  über 
Stadt  und  Umgebung  genauer  zu  unterrichten.  Zweimal  hatte 
der  Vizekönig  große  Teile  des  Inselchens  zu  Pferde  durchstreift 
und  der  Verfasser  des  Berichtes  von  der  »Rafael«  zeigt  ebenfalls 
gute  Kenntnis  des  Landes.  Es  liegt  in  dem  Teil  Ostafrikas,  der 
indischen  Klimätypus  aufweist.  Der  Südostpassat  herrscht  vor; 
es  gibt  nur  eine  Regenzeit,  von  Dezember  bis  April.  Der  Aufent- 
halt des  Geschwaders  fiel  in  die  kühlste  und  zugleich  trockenste 
Jahreszeit,  die  der  Bericht  von  der  »Rafael«  als  Winter  bezeichnet; 
»aber  es  ist  nicht  kalt«,  fügt  er  hinzu,  »und  darum  tragen  sie 
wenig  Kleider«, 


'  Almeidas  Brief  in  Torre  do  Tombo,  gav.  20,  mago  10,  n.  33. 

2  A.  a.  O.,  S.  292  und  Goes,  Chron.,  p.  II,  c  2. 

3  Goes,  Chron.,  p.  II,  c.  2. 


52 

Unter  dem  fremdartigen  und  reichen,  immergrünen  Baum- 
wuchs der  Insel  fallen  ihm  die  Palmen  durch  ihre  Menge  und 
Bedeutung  auf.  Er  hört  von  der  Gewinnung  des  Palmweins  und 
-essigs,  beschreibt,  wie  Sprenger,  anschaulich  die  Kokosnuß  und 
ihre  vielfältige  Verwendung.  In  den  Gärten,  die  bei  dem  Fehlen 
von  Quellwasser  aus  Brunnen  bewässert  wurden,  sieht  er  die  von 
den  Arabern  nach  Ostafrika  verpflanzte  süße  Orange,  die  fein- 
schalige,  kleine,  runde  Limonelle*  und  den  Granatapfel,  Almeida 
auch  die  Banane^  kultivieren,  als  Küchenkräuter,  Gewürz-  oder 
Arzneipflanzen  kleine  Zwiebeln,  Majoran  und  Basilienkraut  ziehen. 
Erbsen,  die  reif  abgepflückt  und  eingekellert  wurden,  gediehen  in 
Menge;  Bohnen,  vielleicht  die  Kunde  (Vigna  sinensis)  der  Neger, 
erwähnt  daneben  Sprenger.  Von  Erdfrüchten  wurde  nach  Almeida 
die  Yamswurzel  angebaut  —  vielleicht  war  Yams  das,  was  Hans 
Mayr  als  Rettich  angesehen  hat.  Die  wichtigste  Nahrungspflanze 
aber  war  Hirse  »wie  der  von  Guinea«,  wahrscheinlich  Sorghum 
oder  Durra,  der  Mohrenhirse,  der  heute  noch  im  ganzen  ost- 
afrikanischen Küstengebiet  südlich  des  Panganiflusses  die  Grund- 
lage der  Ernährung  der  Neger  wie  überhaupt  im  tropischen  Afrika 
bildet^.  Betel  wurde  in  den  Gärten  gezogen  und  von  den  vornehmen 
Muhamedanern  als  Erfrischungsmittel  gekaut.  Hans  Mayr  beschreibt, 
wie  die  Mischung  von  gebrannten  Muschelschalen  und  gestoßener 
Arekanuß  gleich  einer  Salbe  auf  das  efeuartige  Betelblatt  gestrichen 
wurde  und  das  Kauen  Mund  und  Zähne  rot  färbte.  Eingezäunt 
waren  die  Gärten  mit  Holzpfählen  und  Hirsestroh,  das  die  Stärke 
von  Rohrstengeln  hatte.    Die  Gartenarbeit  besorgten  Negersklaven. 

Von  den  wildlebenden  Tieren  hat  Almeida  auf  seinen  Ritten 
einzelne  kennen  gelernt;  er  erwähnt  das  Vorkommen  von  Löwen, 
von  Antas,  Hirschen  und  Rehen.  Unter  Anta,  arabisch  lamt,  ver- 
standen die  Portugiesen  und  Spanier  im  1 6.  Jahrhundert  eine  große, 
ihnen  selbst  nicht  genau  bekannte  Antilopenart,  deren  Haut  ein 
wegen  seiner  Stärke  sehr  geschätztes  Leder  für  Schilde  lieferte. 
Hirsche  und  Rehe  kommen  im  tropischen  Afrika  nicht  vor;  was 
mit  den  ersteren  gemeint  ist,  zeigt  aber  deutlich  Sprengers  Angabe: 
>die  Hyrtzen  ym  land  sein  geleich  den  geyssen  und  hoch  als 
die  roß«;  es  ist  ebenfalls  eine  große  Antilope  —  man  könnte  an 
die  ostafrikanische  Pferdeantilope  denken  — ,  die  »Rehe«  wird  man 


'  Q.  U.,  S.  137. 

'  Figos  de  cä,  d.  h.  figos  da  India  —  er  schreibt  in  Cochin  — 
»indische  Feigen«  nennt  er  sie  a.  a.  O.  mit  einer  den  Portugiesen  des 
16.  und  17.  Jahrhunderts  geläufigen  Bezeichnung. 

'  Stuhlmann  in  Beiträge  zur  Kulturgeschichte  von  Ostafrika,  Bd.  X, 
S.  174  f. 


53 

unbedenklich  als  Gazellen  deuten  dürfen'.  Antilopen  hatte  Almeida 
bei  dem  einen  Ritt  eine  Herde  von  25  Stück  gesehen ;  gejagt  wurden 
sie  auf  der  Insel  ei-st  seit  kurzem.  Von  wildlebenden  Vögeln  führt 
sein  Brief  Wachtel  und  Feldhuhn  mit  Namen  auf  und  unter  den 
abendlichen  Vogelstimmen  glaubt  er  die  der  heimischen  Nachtigall 
zu  erkennen.  Von  Haustieren  erwähnen  unsere  Berichte  das  Rind ; 
daß  es  damals  wie  heute  wenig  ansehnliches  Buckelvieh  der  Zebu- 
rasse war,  was  gezüchtet  wurde,  zeigt  Sprengers  Beschreibung: 
»Und  seind  die  Küw  klein  und  feist  und  uff  dem  ruck  hof recht« 
(=  buckelig).  Das  Fettschwanzschaf  schildert  er  in  den  Worten: 
»In  diessen  landen  seyn  seltzam  aventurig  Schaf,  haben  breit  kurtz 
schwentz,  dar  inn  tragen  sie  ir  unstlich  (=Unschlitt)  und  haben 
sunst  in  yrem  leip  gantz  kein  unstlich«;  daß  sie,  wie  übrigens 
alle  Schafarten  des  tropischen  Afrika,  glatthaarig  gleich  den  eben- 
falls im  Lande  gezüchteten  Ziegen,  nicht  wollig  waren,  fiel  Hans 
Mayr  auf.  Die  Güte  des  im  Land  erzeugten  Fleisches  rühmt  wie 
die  der  Seefische  und  des  reichlich  vorhandenen  Brunnenwassers 
Almeidas  Brief  an  den  König.  Honig  und  Wachs  waren  als 
Erträgnisse  der  eifrig  betriebenen  Bienenzucht  reichlich  vorhanden. 
Als  Bienenkörbe  benutzte  man  Krüge,  die  50  Liter  faßten,  bedeckte 
die  Öffnung  mit  einem  Kokosfasergewebe,  in  dem  die  Fluglöcher 
angebracht  waren,  und  hängte  sie  in  Bäumen   auf. 

Die  Gewässer  um  die  Insel  waren  reich  an  guten  Fischen  und 
Pottwale  sah  man  von  den  Schiffen  aus  zahlreich  im  Meer  sich 
tummeln.  Sie  sind  bis  ins  vorige  Jahrhundert  in  den  ostafrikanischen 
Gewässern  gejagt  worden  und  der  im  mittelalterlichen  Abendland 
wie  im  Osten,  vor  allem  als  Parfüm,  sehr  hochgeschätzte  Amber- 
gris  (Ambra),  eine  an  verschiedenen  Stellen  des  Pottwalkörpers 
sich  bildende,  wahrscheinlich  krankhafte  Verhärtung,  war  ein 
wichtiger  Ausfuhrartikel  von  Ostafrika. 

Unter  der  Beute,  die  bei  der  Plünderung  den  Portugiesen 
in  die  Hände  fiel,  war  viel  Rosenwasser  von  feinem  Geruch  in 
gläsernen  Fläschchen,  Einfuhr  aus  Arabien  und  Persien,  viel  Glas- 
ware von  mannigfacher  Form,  z.  T.  wahrscheinlich  aus  dem  Irak, 
dessen  Gläser  im  Osten  besonderen  Ruf  genossen,  und  aus  Cambaya, 
von  wo  viel  schwarze,  blaue  und  gelbe  Glasperlen  nach  Ostafrika 
eingeführt  wurden,  ebenso  wie  blaue  und  bunte  Baumwollstoffe, 
die  die  Portugiesen  in  den  verschiedensten  Sorten  erbeuteten. 

Als  Waffen  gebrauchte  man  Bogen  und  Pfeile  mit  Wider- 
haken sowie  Wurfspeere  (Assagaie) ;  Schwerter  sahen  die  Portugiesen 
nur  wenige;  die  Schilde  waren  teils  von  Palmenholz  gefertigt,  teils 
aus  Seide  und  Baumwolle,  wie  sie  auch  anderwärts  (Ormuz)  im 

1  Q.  U.,  S.  88-90. 


54 

Gebiet  der  arabisch- persischen  Kultur  vorkommen  —  »cofos«  lautete 
in  portugiesischer  Transskription  ihr  einheimischer  Name^  Bom- 
barden  fand  man  vier,  doch  verstanden  sich  die  Araber  auf  ihren 
Gebrauch  nur  schlecht. 

Almeidas  Aufgabe  in  Quiloa  war  erfüllt  und  am  9.  August 
1 505  lichtete  das  Geschv^^ader,  nun  wieder  elf  Segel  stark,  zur 
Fahrt  nach  Mombasa  die  Anker.  Gleich  am  folgenden  Tage  geriet 
eins  der  deutschen  Schiffe,  die  »Rafael«,  in  schwere  Gefahr.  Sie 
war  bei  einem  in  der  vorausgehenden  Nacht  vom  Führerschiff  aus 
befohlenen  Segelmanöver,  bei  dessen  Ausführung  die  »Lionarda« 
schwer  gefährdet  wurde,  allein  hinter  den  andern  zurückgeblieben 
und  sah  sich  bei  Tagesanbruch  ganz  nah  an  Land,  als  unerwartet 
Windstille  eintrat  und  das  Schiff  mit  der  Flut  dem  Gestade  zu- 
getrieben wurde.  Der  Kapitän  Fernäo  Suares  ließ  sofort  einen 
Anker  auswerfen,  aber  erst  in  vier  Kabellängen  Tiefe  fand  man 
Grund.  Da  es  zudem  Felsgrund  war,  mußte  man  befürchten,  daß 
das  Tau  zerschnitten  würde;  ein  weiteres  hatte  man  nicht  und  so 
war  das  Schiff  in  der  ernstesten  Gefahr  auf  ein  Unterwasserriff 
aufzulaufen,  dessen  Vorhandensein  das  Schäumen  der  Wellen  ver- 
riet. Da  warf  sich  FernSo  Suares  in  der  höchsten  Not  mit  der 
gesamten  Mannschaft  auf  die  Kniee  und  sie  gelobten  für  den  Fall 
der  Rettung  gemeinsam  einen  Pilger  zu  U.  L.  Frau  von  Guadalupe 
zu  schicken,  den  man  auch  sofort  ausloste.  Und  siehe  da,  gleich 
darauf  kam  ein  Lüftchen  auf,  das  ihnen  ermöglichte  aus  der  gefähr- 
lichen Landnähe  herauszukommen,  und  auch  den  Anker  gelang 
es  glücklich  zu  bergen^.  Sonst  verlief  die  Fahrt  ohne  Zwischen- 
fälle und  Almeida  erreichte  mit  zehn  Schiffen  am  13.,  die  »Rafael« 
am  14.  August  die  Außenreede  von  Mombasa  (4°  3'  s.  Br.  und 
39  0  37'  ö.  L). 

Wie  Quiloa  war  auch  Mombasa  Inselstadt^.  hn  Osten  und 
Norden,  im  Westen  und  Südwesten  ist  die  Insel  vom  Festland 
umschlossen  und  nur  durch  schmale  Meeresarme  von  ihm  getrennt. 
Die  Stadt  lag,  hoch  auf  den  Korallenfels  gebaut,  an  der  Ostseite 
der  großenteils  von  Buschwald  bedeckten,  fruchtbaren  Insel,  nicht 
weit  von  der  Einfahrt  in  den  östlichen  Meeresarm,  der  stellenweise 
nicht  mehr  als  einen  Armbrustschuß  breit  war"*.  Von  dem  Grün 
der  Palmenhaine  und  der  Gärten  ihrer  Umgebung,  die  die  gleichen 


'  Q.  U.,  S.  139f.  Von  ostafrikanischen  Schilden  gebraucht  z.  B. 
Correa  den  Ausdruck  in  Lendas,  Bd.  I,  S.  550  und  Castanheda  a.  a.  O., 
1.  II,  c.  6. 

2  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  4. 

3  Strandes  a.  a.  O.,  Nebenkärtchen  auf  der  Karte  am  Schluß. 
<  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  7. 


55 

Erzeugnisse  wie  die  von  Quiloa,  nur  in  reicherer  Fülle  hervor- 
brachten und  dazu  Zuckerrohr,  hoben  sich  die  mehrstöckigen  Häuser 
mit  dem  weißen  ■  Kalkbewurf  und  den  flachen  Dächern  hell  ab. 
Nach  der  Landseite  hatte  sie  zum  Schutz  gegen  Angriffe  der  Neger 
des  Festlandes,  denen  die  Furt  von  Makupa  im  Nordwesten  bei 
Ebbe  den  Übertritt  auf  die  Insel  ermöglichte,  eine  nicht  sehr  hohe 
Mauer,  nach  der  Hafenseite  war  sie  unbefestigt;  doch  mußte  der 
steile  Anstieg  des  Geländes  einem  Angreifer  hier  beträchtliche 
Schwierigkeiten  in  den  Weg  legen, 

Vasco  da  Gama  hatte  auf  der  Entdeckungsfahrt  die  Insel 
berührt,  aus  Vorsicht  indes  nur  auf  der  Außenreede  Anker  geworfen. 
Er  war  mit  scheinbarer  Freundlichkeit  aufgenommen  worden,  aber 
nur  mit  Mühe  und  Gefahr  nächtlichen  Anschlägen  entgangen. 
Die  traditionelle  Feindschaft,  die  zwischen  dem  mächtigeren  Mom- 
basa  und  seiner  nördlichen  Nachbarstadt  Melinde  (3  °  15'  s.  Br.  und 
40  0  7'  ö.  L.)  bestand,  hatte  ihm  dann  dort  gute  Aufnahme  ver- 
schafft und  den  Abschluß  eines  Freundschaftsvertrages  ermöglicht 
Während  der  nächsten  Jahre  war  Mombasa  zwar  in  seinem -Handel 
durch  gelegentliche  Kaperei  portugiesischer  Kapitäne  einmal  ge- 
schädigt worden,  die  Stadt  selbst  aber  bei  ihrer  geschützten  Lage 
und  starken,  kriegerischen  Bevölkerung  von  jedem  Angriff  verschont 
geblieben.  Diesmal  sollte  es  ihr  nicht  so  glimpflich  ergehen ;  denn 
Almeida  kam  mit  der  Absicht  sie  entweder  zu  vertragsmäßiger 
Unterwerfung  zu  nötigen  oder  zu  zerstören.  Offenbar  sollte  vor 
allem  ihr  lebhafter  Wettbewerb  im  Handel  mit  Sofala  zugunsten 
des  nun  portugiesischen  Quiloa  so  weit  als  möglich  ausgeschaltet 
werden'.  Aber  der  arabische  Fürst  der  Stadt  hatte  die  Gefahr 
kommen  sehen  und  Vorkehrungen  gegen  einen  Angriff  getroffen. 

Als  daher  am  13.  August  1505  nach  Ankunft  der  Flotte  auf 
der  Außenreede  Goncalo  de  Paiva  mit  der  Karavelle  in  den  schmalen 
Eingang  des  Hafens  einfuhr  und  dort  Lotungen  vornahm,  erhielt 
er  aus  einem  Festungswerk  am  Ufer  Feuer  und  eine  Bombarden- 
kugel  durchschlug  ihm  das  Schiff  von  einer  Seite  zur  andern,  ohne 
indes  von  der  Bemannung  jemanden  zu  verletzen.  Die  Karavelle 
erwiderte  mit  ihrem  gesamten  Geschütz,  eine  Kugel  fuhr  durch 
das  nicht  sehr  starke  Mauerwerk  der  feindlichen  Befestigung,  setzte 
das  Pulver  in  Brand  und  die  Besatzung  rettete  sich  nur  durch 
schleunige  Flucht.  Da  die  Messungen  ausreichende  Tiefe  auch 
für  die  großen  Schiffe  ergaben,  fuhr  die  gesamte  Flotte  in  den 
Meeresarm  ein  2.  Noch  ein  weiteres  mit  Artillerie  bewehrtes 
Festungswerk  auf  einem  Uferfelsen  vor  dem  Südende  der  Stadt 


»  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  4  Anfang. 
2  ebd.,  c.  4. 


56 

wurde  niedergekämpft  —  >wir  legten  uns  do  für  und  schössen 
mit  grossem  ernst  dar  yn  und  vertryben  unser  feynd«,  heißt  es 
bei  Sprenger^  —  und  dann  gingen  alle  Schiffe  im  Hafen  vor 
'Anker,  Die  von  den  Arabern  verwendeten  Geschütze  waren,  wie 
sich  später  herausstellte,  aus  dem  in  der  Nähe  von  Mombasa  am 
12.  Februar  1501  gestrandeten  und  von  den  Portugiesen  selbst 
verbrannten  Schiff  des  Sancho  de  Tovar  gehoben  worden  2. 

Nach  kurzer  Beratung  mit  den  Kapitänen  sandte  der  Vize- 
könig im  Boot  Joäo  da  Nova  mit  dem  einen  von  zwei  einheimischen 
Lotsen,  die  er  aus  Quiloa  mitgenommen  hatte,  an  Land  um  dem 
arabischen  Herrn  der  Stadt  Botschaft  zu  überbringen,  die  ihm  nur 
zwischen  freiwilliger  Unterwerfung  und  Krieg  die  Wahl  ließ.  Als 
das  Boot  sich  dem  Ufer  näherte,  rottete  sich  sofort  ein  bewaffneter 
Volkshaufe  zusammen;  man  ließ  den  Lotsen  nicht  zu  Worte  kommen, 
schalt  ihn  einen  Hund,  der  Schweinefleisch  esse,  schlimmer  noch 
als  die  Christen,  weil  er  sie  hergebracht,  und  drohte  ihn  in  Stücke 
zu  hauen,  wenn  er  es  wage  den  Fuß  aufs  Land  zu  setzen.  Joäo 
da  Nova  kehrte  unverrichteter  Dinge  an  Bord  zurück.  Es  galt 
nun,  bevor  man  den  Angriff  auf  die  volkreiche  Stadt  wagte  —  auf 
10  000  Einwohner  schätzt  sie  der  Bericht  von  der  »Rafael«  — ,  über 
die  Streitkräfte  und  Absichten  des  Verteidigers  Kunde  zu  erlangen. 
Zu  diesem  Zweck  schickte  Almeida  nach  Einbruch  der  Nacht 
Boote  dem  Ufer  entlang  aus  mit  dem  Auftrag,  wenn  möglich, 
einen  Gefangenen  einzubringen.  Auf  dieser  nächtlichen  Streife 
erlebten  die  Portugiesen  eine  Überraschung:  aus  dem  Dunkel  des 
Strandes  wurde  ihnen  plötzlich  in  ihrer  eigenen  Sprache  höhnisch 
zugerufen,  sie  sollten  machen,  daß  sie  weiterkämen ;  Mombasa  sei 
nicht  Quiloa  und  sie  sollten  nicht  glauben,  daß  sie  hier  Hühner 
zu  essen  bekämen  wie  dort;  wenn  sie  aber  an  Land  gehen  wollten, 
so  stehe  die  Mahlzeit  für  sie  bereit.  Auf  Befragen  erklärte  der 
Rufer,  daß  er  Portugiese  und  aus  Lissabon  3,  1502  vom  Schiff 
des  Antonio  do  Campo,  das  zum  Geschwader  des  Admirals  Vasco 
da  Gama  gehörte,  desertiert  und  Muhamedaner  geworden  sei.  Er 
diente  in  Mombasa  als  Bombardier.  Umsonst  versprach  man  ihm 
sicheres  Geleil  und  Verzeihung,  wenn  er  sich  dem  Vizekönig  stelle; 
er  lehnte  es  ab.     Immerhin    machten  die  Portugiesen   auf   ihrer 


1  Nach  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c.  7  »dous  cubelos  cercados  de  pedra 
ensofa,  que  adiante  estavam  com  artilheria,  a  qua!  obra  despejou  o 
caminho  de  maneira,  que  naquelle  dia,  e  no  seguinte  sondado  o  rio, 
foram  mettidas  no  porto  todalas  näos«. 

2  Ramusio,  Navigationi  et  viaggi,  Venetia  1550,  Bd.  I,  f.  138 r. 

3  Mayr  nennt  ihn  einen  kastilianischen  Christen  (a.  a.  O.,  S.  141), 
aber  er  weiß  von  der  Sache  nur  durch  Hörensagen,  da  »Rafael«  erst 
am  14.  August  in  Mombasa  ankam. 


57 

Streife  einen  glücklichen  Fang:  ein  Diener  aus  dem  königlichen 
Hause  selbst  fiel  ihnen  in  die  Hände.  Almeida  versprach  ihm 
Leben  und  Freiheit,  wenn  er  die  Wahrheit  sage,  und  erfuhr  darauf, 
daß  in  der  Stadt  außer  etwas  Artillerie  4000  streitbare  Männer  seien, 
großenteils  schwarze  Sklaven,  darunter  500 Bogenschützen',  und  daß 
weitere  2000  Mann  noch  vom  Festland  erwartet  würden,  ferner, 
daß  man  zum  Widerstand  bis  aufs  Äußerste  entschlossen  sei. 

Der  Vizekönig  wußte  nun,  woran  er  war,  und  am  14.  August 
morgens  berief  er  die  Kapitäne  um  zu  beraten,  ob  ein  Angriff 
auf  die  Stadt  gewagt  werden  solle.  Die  Mehrzahl  entschied  sich 
trotz  ihrer  Stärke  und  der  Ungunst  der  Landungsverhältnisse  im 
Sinn  Almeidas  für  einen  solchen.  Alsbald  wurde  nun  von  allen 
Schiffen  die  Beschießung  aufgenommen  und  vom  Land  kräftig 
erwidert.  Auf  den  Rat  des  Fernao  Suares,  Kapitäns  der  »Rafael«, 
die  erst  an  diesem  Tag  eintraf,  beschloß  Almeida  nachmittags 
größere  Abteilungen  zu  landen,  die  an  zwei  Stellen  die  Stadt  in 
Brand  setzen  sollten  um  dem  für  den  nächsten  Morgen  fest- 
gesetzten allgemeinen  Angriff  vorzuarbeiten.  Die  Bauart  von 
Mombasa  legte  diesen  Gedanken  nah ;  an  fast  jedes  der  massiven 
Steinhäuser  nämlich  waren  Lehmhütten  mit  Holzstangengerüst  und 
Palmblattbedachung  angebaut,  die  als  Ställe  und  Schuppen  dienten 
und  rasche  Verbreitung  des  Feuers  versprachen.  Die  eine  Landungs- 
abteilung wurde  dem  Fernao  Suares  selbst  unterstellt,  das  Kommando 
der  andern  übertrug  Almeida  seinem  Sohne  D.  Lourengo.  Der  erste 
griff  mit  etwa  300  Mann,  meist  Büchsen-  und  Armbrustschützen 
von  »Lionarda«,  »Rafael«  und  »Flor  de  la  mar«,  bei  der  Haupt- 
landestelle in  der  Gegend  des  Zollhauses  an,  während  D.  Louren^o 
mit  Mannschaften  von  »Jeronimo«,  »Botafogo«  und  dem  Schiff 
des  Antäo  Gon?alves  (»Judia«)  gegen  den  Teil  der  Stadt  vorstieß, 
in  dem  der  Palast  des  Königs  lag  und  der  der  stärkste  war,  weshalb 
die  Verteidiger  hier  einen  Angriff  am  wenigsten  erwarteten.  Die 
Flut  begünstigte  in  der  Nähe  des  Zollhauses  das  Herankommen 
mit  den  Booten  und,  wiewohl  man  um  die  Portugiesen  zu  schrecken 
am  Strande  zwei  Elefanten  hin-  und  hertrieb^,  ein  Hagel  von  Pfeilen 
und  Steinen  ihnen  entgegenflog  und  der  Feind  zähen  und  nach- 
haltigen Widerstand  leistete,  erzwang  Fernao  Suares  hier  die 
Landung;  mit  Hilfe  von  Pulvertöpfen  wurde  Feuer  an  einige  der 
Palmdachhütten  gelegt  und  binnen  kurzem  brannte  es  derart,  daß 


1  So  beziffert  sie  Castanheda  a.a.O.,  I.  II,  c.  5;  Barros  gibt  die 
hohe  Zahl  von  1500  (Dec.  I,  1.  VIII,  c.  7).  Hans  Mayr  spricht  von  500, 
die  nach  Beendigung  der  Kämpfe  in  der  Stadt  den  Palmenhain  vor 
derselben  bewachten. 

2  Q.  U.,  S.  114. 


58 

nach  Hans  Mayr  die  Stadt  e  i  n  Feuer  schien,  und  so  fast  die  ganze 
Nacht.  Auch  eine  Menge  Steinhäuser  fielen  den  Flammen  zum 
Opfer  und  mit  ihnen  ging  viel  Reichtum  zugrunde.  Wie  Fernäo 
Suares  hatte  auch  D.  Lourengo  seinen  Zweck  erreicht,  aber  zwei 
Tote  und,  wie  die  andere  Abteilung,  eine  Anzahl  Verwundete 
gehabt,  darunter  Joao  Serrao,  den  Kapitän  der  »Botafogo«.  Ein 
Versuch  der  Portugiesen  drei  Schiffe  von  Cambaya,  die  bereits 
entladen  und  am  Strand  aufgelegt  waren,  ebenfalls  zu  verbrennen, 
wurde  von  den  Feinden  vereitelt.  Trotz  scharfen  Nachdrängens  der 
Gegner  erreichten  indes  alle  Abteilungen  ihre  Boote  und  konnten 
ohne  weitere  Verluste  an  Bord  zurückkehren.  In  der  Nacht,  die 
folgte,  war  Mondfinsternis. 

Der  allgemeine  Angriff  auf  Mombasa  wurde  für  den  folgenden 
Tag,  Maria  Himmelfahrt,  den  1 5.  August,  angesetzt.  Er  sollte  an 
zwei  Stellen  zugleich  unternommen  werden,  am  Südende  der  Stadt, 
wo  auf  der  Höhe  des  Korallenfelsens  über  einer  Landungsstelle 
der  Königspalast  stand  und  wo,  am  nächsten  der  Hafeneinfahrt, 
die  Hauptmasse  der  Flotte,  acht  Segel  stark,  darunter  das  Flagg- 
schiff »Jeronimo«,  lag,  und  dann  an  der  Hauptlandestelle,  der 
Ribeira,  zu  der  acht  steile  Straßen  herabführten,  zwei  davon  mit 
hohen  Steintreppen  und  alle  sehr  eng.  Den  Sturm  auf  das  Viertel 
beim  Königspalast  behielt  der  Vizekönig  sich  selber  vor,  den  An- 
griff an  der  andern  Stelle  vom  Tag  zuvor  übertrug  er  D.  Lourengo, 
zu  dessen  Abteilung  diesmal  die  Mannschaft  des  Joäo  da  Nova, 
Fernäo  Suares  und  Diogo  Correa,  also  auch  Sprenger  und  Hans 
Mayr  gehörten,  die  Hauptmasse  der  portugiesischen  Streitkräfte i. 


>  Strandes'  Auffassung  vom  Hergang  der  Eroberung  Mombasas 
wird  sich,  obwohl  auf  eigene  Anschauung  der  Örtlichkeiten  gegründet, 
doch  kaum  aufrechterhalten  lassen;  sie  fußt  hauptsächlich  auf  dem 
Berichte  des  Barros,  der  sehr  ausführlich,  farbig  und  lebendig,  aber  im 
Örtlichen  unklar  und  unzutreffend  ist,  wie  er  denn  in  seiner  nach  Livia- 
nischer  Weise  —  daher  der  portugiesische  Livius«  —  stilisierenden, 
auf  lückenlose  Zusammenhänge,  schöne  und  anschauliche  Erzählung 
ausgehenden  schriftstellerischen  Art  mit  dem  Beiwerk  überhaupt  frei 
verfährt.  Auch  verführt  ihn  (wie  Livius)  sein  Erzählertalent  und  Streben, 
das  nationale  Heldentum  in  hellstem  Olanz  erstrahlen  zu  lassen,  zu 
recht  freier  Behandlung  der  Tatsachen  und  lebhafter  Ausschmückung. 
Aus  dem  Berichte  des  Pero  Fernandes  Tinoco  (a.  a.  O.,  S.  338),  der 
selbst  zur  Abteilung  Almeidas  gehört  hatte  und  den  das  Topographische 
überall  besonders  interessiert  —  man  bekommt  den  Eindruck,  daß  er 
Pläne  gefertigt  hat  — ,  der  ferner  die  Stadt  der  Länge  und  Breite  nach 
abgegangen  (»julgo  .  .  .  do  que  vi  amdandoa  toda  de  comprido  e  de 
largo«)  und  sich  vom  flachen  Dach  des  Königspalastes  aus  ein  Bild  von 
ihr  verschafft  hat  (  a  fora  sobyr  me  [ao  eirajdo  das  casas  delrei <),  ergibt 
sich,  daß  Almeida  bei  den   »tasas  delrei«  am  Ende  der  Stadt  ein-  und 


59 

Da  ein  Ufervorsprung  verhinderte,  daß  auf  D.  Lourengos  Landungs- 
booten Flaggensignale  Alnieidas  gesehen  werden  konnten,  so  wurde 
verabredet,  daß  auf  einen  Bombardenschuß  von  der  »Jeronimo« 
beide  Abteilungen  an  Land  gehen  und  sich  von  zwei  Seiten  nach 
dem  Königspalast  durcharbeiten  sollten.  Bei  schwerster  Strafe 
wurde  wegen  der  für  die  Gesamtheit  damit  verbundenen  Gefahr 
verboten,  daß  irgend  jemand,  bevor  die  Stadt  völlig  vom  Feinde 
gesäubert  sei,  zum  Zweck  des  Raubes  ein  Haus  betrete,  dagegen 
versprochen,  daß  sie  nach  Vertreibung  des  Gegners  zur  Plünderung 
preisgegeben  werden  sollte. 

Am  15.  August,  zwei  Stunden  vor  Tagesanbruch,  gingen  alle, 
nachdem  sie  sich  gerüstet,  die  Absolution  empfangen  und  gefrüh- 
stückt hatten,  in  die  Boote  und  legten,  den  Tag  erwartend,  bei 
Flut  nahe  dem  Ufer  bei,  das  vom  Flammenschein  der  Brände 
noch  immer  erhellt,  unheimlich  menschenleer  und  verlassen  vor 
ihnen  lag.  Der  Feind  hatte  sich  ins  Innere  der  Stadt  zurück- 
gezogen, seine  Hauptmasse  in  den  Teil,  wo  D.  Lourenqos  Angriff 
zu  erwarten  war.  Sobald  es  hell  wurde,  .dröhnte  von  der  »Jero- 
nimo« der  Signalschuß  herüber,  die  Boote  stießen  an  Land  und 
beide  Abteilungen  konnten,  ohne  Widerstand  zu  finden,  den  Ufer- 
streifen besetzen.  Die  des  Vizekönigs  führte  der  Diener  des  ara- 
bischen Herrschers,  der  am  ersten  Abend  gefangen  worden  war. 
Ohne  nennenswerte  Käm.pfe  gelangte  dieselbe  bis  in  die  Nähe 
des  Königspalastes.  Dort  erst  machten  die  Almeida  gegenüber- 
stehenden Feinde  einen  ernstlichen  Versuch  ihm  den  Weg  dahin 
zu  verlegen ;  allein  wiederum  bewährte  sich  die  Überlegenheit  der 
Bewaffnung  und  die  stürmische  Tapferkeit  der  Portugiesen:  der 
Gegner  wurde  unter  beträchtlichen  Verlusten  an  Toten  verjagt, 
ohne  daß  Älmeida  auch  nur  einen  Verwundeten  hatte,  und  der 
Palast  ohne  Gegenwehr  besetzt.  Auf  seinem  Stadt  und  Insel  weit- 
hin überschauenden  flachen  Dach  pflanzte  mit  dem  Ruf  »Portugal, 
Portugal!«  Femao  Bermudes,  den  Almeida  mit  Ruy  Freire  zur 
Bewachung  zurückließ,  kurz  danach  die  königliche  Fahne  von 
weißem  Damast  auf,  mit  dem  Kreuz  des  Christusordens  in  karmesin- 
farbenem  Atlas.     Der    König  von    Mombasa   war  aus   der  Stadt 


nicht  von  Norden  oder  Westen,  wo  doch  auch  die  Stadtmauer  zu  über- 
winden gewesen  wäre,  und  durch  größere  Teile  der  Stadt  zum  Königs- 
palast vorgedrungen  ist  und  daß  die  Stelle,  wo  er  eindrang  (por  houtro 
porto  que  estä  da  parte  das  casas  delrei  de  bombaca),  noch  stärker  von 
Natur  war  als  diejenige,  an  der  D.  Lourengo  angriff.  Dazu  stimmt, 
daß  nach  Barros  der  Palast  auf  dem  höchsten  Punkte  der  Stadt  lag,  also 
wohl  sicher,  wie  Strandes  vermutet,  an  der  Stelle,  die  seit  dem  Schluß 
des  lö.Jahrhunderts  die  portugiesische  Feste  Jesus  einnahm.  Demnach 
hat  der  Vizekönig  am  Südende  vom  Strand  aus  gestürmt. 


60 

geflüchtet  und  einige  60  Araber,  in  reiche  Mäntel  und  Turbane 
gekleidet,  sah  man,  während  Almeida  noch  ein  paar  benachbarte 
Straßen  vom  Feind  säuberte,  dieselbe  gleichfalls  verlassen  und  ohne 
sonderliche  Eile  die  Richtung  auf  ein  Palmenwäldchen  nehmen, 
wohin  sich,  wie  man  hörte,  auch  der  König  begeben  und  die 
nicht  wehrfähige  oder  aus  der  Stadt  hinausgedrängte  Bevölkerung 
sich  zurückgezogen  hatte. 

Schwere  Kämpfe  mußte  die  Landungsabteilung  D.  Louren?os 
bestehen.  In  guter  Ordnung  hatte  sie,  voran  die  Büchsen-  und 
Armbrustschützen,  den  unteren,  nicht  bebauten  Teil  des  steilen 
Uferhanges  erstiegen  und  zwischen  den  Ruinen  von  ein  paar 
während  der  Nacht  verbrannten  und  verlassenen  Häusern  hindurch 
die  vom  Hafen  steil  emporführenden  Gassen  betreten.  Zunächst 
war  der  Widerstand  hier  nur  schwach;  je  weiter  man  aber  ins 
Stadtinnere  drang,  wo  die  Häuser  dreistöckig  wurden,  um  so 
heftigere  Kämpfe  entwickelten  sich.  Männer  und  Weiber,  Araber 
und  Neger  nahmen  auf  feindlicher  Seite  daran  teil.  Aus  den 
Fenstern  wie  von  den  flachen  Dächern  herab  prasselten  Steine, 
Pfeile,  Assagaie  und  Wurflanzen  auf  die  Angreifer  herab.  Ihre 
Büchsenschützen  kamen  bei  der  Enge  der  Straßen  und  dem  Ge- 
dränge nur  schwer  zum  Schuß;  verwendbarer  erwiesen  sich  die 
Armbrustschützen,  deren  Bolzen  gar  manchen  am  Fenster  oder 
auf  der  Dachaltane  sichtbar  werdenden  Feind  ereilten.  Nur  äußerst 
langsam  gewannen  die  Portugiesen  Boden.  Die  Gassen  waren  so 
eng,  daß  nicht  mehr  als  zwei  nebeneinander  darin  gehen  konnten, 
und  wurden  noch  weiter  durch  Steinbänke  verschmälert,  die  vor 
fast  jedem  Haus  standen.  Das  hatte  allerdings  auch  Vorteile  für  die 
Stürmenden;  denn  die  Steine,  die  von  den  Dächern  auf  sie  ge- 
schleudert wurden,  schlugen,  da  die  Werfenden  sich  vor  den  Arm- 
brustschützen in  Deckung  zu  halten  suchten,  fast  alle  zuerst  an 
die  Wand  des  gegenüberliegenden  Hauses  an,  wodurch  die  Wucht 
des  Wurfes  abgeschwächt  wurde.  Zudem  bot  sich  unter  den  zahl- 
reichen Baikonen,  die  über  die  Straße  vorsprangen,  Deckung  gegen 
die  feindlichen  Geschosse  und  sicherer  Stand  für  die  portugiesischen 
Schützen.  Es  erwies  sich  nötig,  trotz  Almeidas  Anordnung,  in 
einzelne  Häuser  einzudringen,  von  denen  besonders  hartnäckige 
Gegenwehr  geleistet  wurde.  Die  Verfolgung  der  daraus  fliehenden 
Feinde  und  das  erste  Vordringen  in  engem  Straßenzug  ging  in 
einzelnen  Fällen  über  die  flachen  Dächer  hin ;  nur  Schritt  für  Schritt 
und  unter  schweren  Verlusten  räumte  der  Verteidiger  die  einzelnen 
Viertel  und  flüchteten  die  Überlebenden  aus  der  Stadt.  In  einer 
zäh  gehaltenen  engen  Gasse  brachte  er  eine  alte  Wand  zum  Ein- 
sturz, trennte  dadurch  die  Abteilungen  des  D.  Lourenqo,  der  die 
Spitze  hielt,   und   des  Joäo  da  Nova  und  verursachte  unter  den 


61 

Nachdrängenden  eine  Stauung,  die  bei  der  drangvollen  Enge  und 
dem  Schießen  von  Fenstern  und  Dächern  herab  leicht  zu  schweren 
Verlusten  hätte  führen  können;  doch  gelang  es  auch  hier  durch 
Eindringen  in  ein  Haus  und  Besetzung  der  nächsten  Dächer  von 
oben  her  Luft  zu  schaffen  und  zum  Königspalaste  durchzudringen, 
von  dem  bei  D.  Lourengos  Ankunft  bereits  die  portugiesische 
Fahne  wehte.  Nun  brach  man  gemeinsam  noch  den  letzten,  ver- 
einzelten Widerstand  und  am  Mittag  war  die  ganze  Stadt  in  den 
Händen  der  Portugiesen.  Sprenger  schließt  seine  knappe  Schil- 
derung der  Erstürmung  von  Mombasa  mit  den  Worten:  »Also: 
wo  es  nit  sunderlich  gottes  wil  gewessen  onmuglich  das  wir  in 
der  stat  hetten  mögen  blieben.  Aber  durch  gottes  verhengknis 
unn  fursehung  bleib  manicher  heyd  tod,  und  der  unsern  wurden 
nit  mer  dan  zwen  umb  ir  leben  bracht.  Wir  eroberten  unn  be- 
hielten die  stat  mit  grosser  frolockung  und  dancksagung  got  dem 
almechtigen.« 

Nun  galt  es  sich  gegen  Überraschung  von  außen  sicherzu- 
stellen; denn  in  geringer  Entfernung  von  der  Stadt  hatte  der 
arabische  Fürst  sich  mit  immer  noch  beträchtlicher  Streitmacht 
verschanzt;  ein  Angriff  aber  auf  die  mit  gut  500  Bogenschützen 
allein  besetzte  Stellung  lag  nicht  in  Almeidas  Absicht.  Es  wurden 
also  die  nach  dieser  Seite  ausmündenden  Straßen  durch  Wachen 
gesichert,  dann  die  Stadt  in  Quartiere  eingeteilt  und  zur  Vermei- 
dung von  Streitigkeiten  je  eins  davon  jeder  Schiffsmannschaft  zur 
Plünderung  überwiesen,  wobei  noch  viele  Bewohner  in  ihren 
Häusern  versteckt  aufgefunden  und  teils  getötet  teils  gefangen 
wurden.  Der  Befehl  lautete,  daß  alle  Beute  auf  den  Schiffen  ab- 
geliefert und  gesammelt  werden  sollte  um  dann  später  versteigert 
zu  werden.  Ein  Versuch  des  Königs  in  persönliche  Verhandlungen 
mit  Almeida  zu  treten  scheiterte  daran,  daß  der  letztere  die  ver- 
langten Geiseln  zu  stellen  verweigerte  und  seine  ehrenwörtliche 
Zusage  sicheren  Geleits  für  ausreichende  Bürgschaft  erklärte.  Den 
ganzen  Nachmittag  dauerte  die  Plünderung  der  Stadt.  Im  könig- 
lichen Palast  zwar  fand  man  die  erwarteten  Reichtümer  nicht  und 
eine  unserer  Quellen'  läßt  durchblicken,  daß  nicht  die  flüchtigen 
Araber  sie  mitgenommen  hätten,  aber  im  übrigen  wurden,  außer 
großen  Mengen  indischer  Baumwollstoffe  aus  Cambaya,  in  die  sich 
die  ganze  ostafrikanische  Küste  kleidete,  kostbare  Seiden-  und  Gold- 
stoffe, persische  Teppiche  und  prächtige  Satteldecken,  Gold,  Silber, 
Perien  und  Edelsteine,  Elfenbein  und  Ambergris  erbeutet  und  die 
Lebensmittel  Vorräte  der  Schiffe  in  willkommenster  Weise  durch  Reis 
und  Hirse,  Butter  und  Honig  sowie  durch  Kamel-  und  Schaffleisch 


Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  6. 


62 

ergänzt.  Das  in  der  Stadt  vorhandene,  durchweg  eiserne  Geschütz 
fiel  ebenfalls  in  die  Hände  der  Sieger.  Seinen  Bericht  über  die 
Plünderung  Mombasas  schließt  Sprenger  mit  den  Worten:  »Unn 
funden  so  groß  gut  wie  vorangezeigt  das  mir  alles  zuoffenbaren 
onmuglich:  got  sey  ewig  lob  ere  und  glori  amen.« 

Für  die  Nacht  zog  Almeida  alle  seine  Leute  aus  der  Stadt 
zurück;  denn  es  bedurfte  bei  der  Nähe  des  ortskundigen  Feindes 
äußerster  Wachsamkeit;  bei  der  Ermüdung  der  Mannschaft  aber 
war  zu  befürchten,  daß  sie  sich  in  den  Häusern  allzu  sorglos  dem 
Schlaf  hingeben  würde.  So  wurden  sie  im  Freien,  einen  Büchsen- 
schuß weit  von  dem  Palmenwäldchen,  worin  der  Feind  stand, 
die  Nacht  hindurch  wach  und  in  Bereitschaft  gehalten  und  am 
nächsten  Tag,  dem  16.  August,  Samstag,  die  Plünderung  bis  zum 
Abend  fortgesetzt,  die  Beute  auf  die  Schiffe  gebracht  und  dann 
die  Stadt  von  neuem  angezündet,  während  die  Portugiesen  sich 
in  guter  Ordnung  und  unbelästigt  vom  Feind  auf  die  Schiffe 
zurückzogen.  »Trotzdeln«,  so  heißt  es  in  dem  Bericht  von  der 
»Rafael«,  »waren  die  Christen  noch  nicht  recht  zum  einen  Tor 
hinaus,  da  kamen  schon  die  Mauren  durch  ein  anderes  herein 
um  ihr  Unglück  zu  sehen :  es  lag  da  in  den  Gassen  und  Häusern 
viel  Volks  tot;  man  sagte,  daß  es  1500  waren.«  Die  schönste 
und  volkreichste  Stadt  der  ostafrikanischen  Küste,  Quiloa  an  Ein- 
wohnerzahl, Handelsverkehr  und  Reichtum  weit  überlegen,  lag 
zum  großen  Teil  in  Trümmern.  Von  den  Gefangenen,  deren  Zahl 
ziemlich  hoch  gewesen  zu  sein  scheint,  hatte  man  notgedrungen 
die  Frauen  und  Kinder  freigelassen,  die  kräftigen  Männer  wurden 
nach  Indien  mitgenommen  um  dort  als  Ruderer  auf  den  Galeeren 
einem  elenden  Sklavenlos  zu  verfallen.  Von  der  Größe  des  Un- 
glücks zeugt  ein  Brief,  den  der  König  von  Mombasa  gleich  nach 
der  Katastrophe  an  den  arabischen  Herrscher  von  Melinde  schrieb 
und  den  uns  in  seinem  Wortlaut  der  Bericht  von  der  »Rafael« 
erhalten  hat.    Er  lautet: 

»Gott  erhalte  dich,  Cyd  Ale  (Said  Ali)!  Ich  tue  dir  kund 
und  zu  wissen,  daß  hier  ein  großer  Herr  vorbeigekommen  ist, 
der  flammend  in  Feuer  kam.  Er  fiel  in  meine  Stadt  mit  solcher 
Macht  und  Grausamkeit,  daß  er  niemand  das  Leben  schenkte, 
weder  Mann  noch  Frau,  weder  Jüngling  noch  Greis  noch  Kind, 
mochf  es  auch  noch  so  klein  sein.  Es  entgingen  ihm  nur,  die 
vor  seiner  Wut  sich  flüchteten.  Nicht  nur  die  Menschen  erschlugen 
sie  und  brannten,  sondern  die  Vögel  des  Himmels  schössen  sie 
zur  Erde  herunter.  So  groß  ist  der  Gestank  der  Leichen  in  meiner 
Stadt,  daß  ich  nicht  wage  sie  zu  betreten.  Sie  wären  nicht  im- 
stande dir  die  Ungeheuern  Reichtümer  anzugeben  und  Rechnung 
darüber  abzulegen,  die  sie  von  dieser  Stadt  fortführen.   Ich  begnüge 


63 

mich  damit  dir  diese  traurigen  Nachrichten  zu  geben,  damit  du 
dich  sicherstellst« 

Die  Gesamtverluste  der  Portugiesen  bei  und  in  Mombasa  gibt 
der  Bericht  von  der  »Rafael«  und  mit  ihm  übereinstimmend  die 
Historiker  Castanheda  und  Goes  auf  5  Tote  und  viele  Verwundete 
an'.  Zu  den  Toten  kam  am  27.  August^  noch  Femao  d'E^  (oder 
de  Sä),  der  Kapitän  des  Admiralschiffes,  der  einem  Pfeilschuß  durch 
die  große  Zehe  bald  nach  der  Abfahrt  von  Mombasa  eriag.  Er  war 
erst  kurz  vor  Abfahrt  der  Flotte  von  Lissabon  aus  marokkanischer 
Gefangenschaft  in  die  Heimat  zurückgekehrt  3.  Das  Geschoß  soll 
vergiftet  gewesen  sein.  Von  diesen  angeblich  vergifteten  Pfeilen 
der  schwarzen  Bogenschützen  hatten  die  einen  Eisen-,  die  andern 
an  den  Schaft  angesetzte,  in  Feuer  gehärtete  Holzspitze.  Die  Wunden, 
die  von  den  ersteren  herrührten,  sollen  schlimmer  ausgesehen  haben, 
aber  harmloser  gewesen  sein,  die  der  andern  sollen  sich  als  gefähr- 
lich erwiesen  haben,  doch  vermochte  man  nicht  zu  erfahren,  ob 
die  Wirkung  auf  Bestreichen  mit  Pfeilgift  beruhte  oder  ob  das 
Holz  selber  giftige  Eigenschaften  hatte.  Behandelt  wurden  die 
Wunden,  und  angeblich  erfolgreich,  indem  man  Speckstückchen 
hineinlegte  und  immer  erneuerte,  ein  Verfahren,  das  ein  Kriegs- 
gefangener von  Quiloa  dem  Vizekönig  empfohlen  haben  soll. 

Sobald  die  Einschiffung  von  Beute  und  Mannschaft  beendigt 
war,  befahl  Almeida  die  Anker  zu  lichten ;  der  geplante  Festungs- 
bau auf  Anjediva  verlangte  Zeit,  und  Cochin  mußte  vor  dem  Monsun- 
wechsel erreicht  werden.  Aber  die  Windverhältnisse  erwiesen  sich 
als  ungünstig,  die  Beschaffenheit  des  Hafeneingangs  als  gefährlich 
für  die  Ausfahrt"*.  Man  war  genötigt  sofort  von  neuem  die  Anker 
auszuwerfen  und  an  so  seichter  Stelle,  daß  sie  bei  Ebbe  auf  dem 
Trockenen  lagen.  Zwei  Tage  später,  am  18.  August,  wurde  ein 
neuer  Versuch  gemacht  trotz  Gegenwind  die  offene  See  zu 
gewinnen,  aber  auf  der  Außenreede  lief  die  »Lionarda«  infolge 
ungestümen  Windes  nahe  dem  von  Gonqalo  de  Paiva  zerstörten 
Bollwerk  auf  und  verlor  das  Steuer,  das  man  trotz  eifrigen  Suchens 
nicht  mehr  fand.  Sie  schien  verloren  und  der  größte  Teil  der 
Besatzung  wurde  von  andern  Fahrzeugen  aufgenommen.  Die  ganze 


1  Mit  dieser  Gesamtzahl  steht  Sprengers  Angabe  nicht  in  Wider- 
spruch: er  rechnet  nur  die  beim  Sturm  Gefallenen;  Barros  gibt  nur 
4  Tote  einschließlich  des  Fernao  d'E?a  und  über  70  Verwundete,  Correa 
wie  gewöhnlich  eine  viel  zu  hohe  Zahl. 

2  Goes,  Chron.,  p.  II,  c.  3. 

3  Barros,  Dec.  I,  1.  VIII,  c  8. 

*  Almeida  schreibt  in  dem  Bericht  von  Cochin,  16.  Dezember  1505 
(Torre  do  Tonibo,  gav.  20,  ma?o  10,  n.  33) :  (Mombasa)  nom  he  tam  boo 
porto,  he  periguoso  para  sair  . 


64 

Nacht  saß  das  Schiff  fest  und  dann  trieb  es  in  der  Frühe  die 
Flut  wieder  zurück  vor  die  Stadt.  Sollte  es  gerettet  werden,  so 
mußte  man  ihm  ein  neues  Steuer  schaffen,  aber  dazu  fehlte  das 
Material.  So  verfiel  man  auf  den  Ausweg,  daß  jedes  der  an- 
wesenden Schiffe  ein  Stück  von  dem  seinen  hergeben  mußte.  Am 
2 1 .  hatten  die  Zimmerleute  das  neue  Ruder  fertig,  aber  nun  machte 
seine  Anbringung  sehr  erhebliche  Schwierigkeiten,  weil  man  das 
Fahrzeug  nicht  überholen  konnte.  In  der  Nacht  zum  22.,  bei 
Fackelschein,  gelang  auch  diese  Arbeit  ^  und  am  23.  August  wurde 
die  »Lionarda«  von  den  Booten  ins  offene  Meer  hinausgeschleppt. 
Zum  zweitenmal  war  das  deutsch-italienische  Handelskonsortium 
vor  schwerem  Verlust  bewahrt  geblieben. 

Inzwischen  hatte  sich  zu  den  elf  Segeln,  mit  denen  Almeida 
vor  Mombasa  angekommen  war,  ein  zwölftes  gesellt:  die  »Gabriel« 
vom  zweiten  Geschwader,  Kapitän  Vasco  Gomes  d'Abreu,  war 
dort  am  20.  August  eingelaufen.  In  schwerem  Sturm  war  ihr  unter- 
wegs die  Spitze  des  Hauptmastes  mit  dem  Mastkorb  abgebrochen 
worden  und  herabgestürzt,  ohne  daß  drei  Seeleute,  die  sich  gerade 
im  Mastkorb  befanden,  dabei  Schaden  genommen  hätten.  Von 
den  übrigen  Schiffen  des  zweiten  Geschwaders  wußte  die  »Gabriel« 
schon  länger  nichts  mehr;  es  war  durch  Sturm  getrennt  worden. 
Während  für  die  »Lionarda«  das  neue  Ruder  gezimmert  wurde, 
hatte  Almeida  sieben  Schiffe  nach  Melinde  vorausgesandt^,  er  selbst 
fuhr  mit  den  fünf  zurückgebliebenen  am  23.  August  von  Mombasa 
ab,  trieb  aber  infolge  der  Strömungen  an  Melinde  vorüber  und 
vereinigte  sich  dann  in  der  S.  Helena-Bucht,  fünf  Leguas  weiter 
nördlich,  der  heutigen  Ungama-  oder  Formosa-Bai,  wo  er  am  24. 
ankam,  mit  dem  vorausgesandten  Teil  der  Flotte,  der  unterdes  in 
Melinde  Hammel,  Hühner  und  andere  Lebensmittel  sowie  frisches 
Wasser  eingenommen  hatte^.  Unterwegs  war  die  »Lionarda«,  das 
Unglücksschiff,  wieder  mit  einem  andern  Fahrzeug  zusammen- 
gestoßen, wobei  ihr  der  eine  Flügel  eines  Ankers  zerbrochen 
wurde,  doch  waren  ohne  weitern  Schaden  beide  von  einander  los- 
gekommen. In  der  S.  Helena -Bucht  waren  einzeln  schon  vor 
Almeida  zwei  weitere  Schiffe  des  zweiten  Geschwaders  angekommen, 
die  Melinde  ebenfalls  verfehlt  hatten,  nämlich  die  Karavellen  des 
Joäo  Homem  und  des  Lopo  Chanoca.    Die  letztere  war  aber  um 


>  Almeida  a.a.O.:  >foy  necesario  fazerlhe  outro  (governalho)  a 
apalpadelas  porque  a  nom  podiamos  poer  em  monte  e  metemos  Iho 
de  noite  as  tochas  que  foy  grande  mercee  que  me  nosso  senhor  fez 
porque  parecia  empossivell«. 

2  Almeida  a.a.O.  und  Sprenger  in  Q.  U.,  S.  115. 

3  Caspar  da  Oama  a.  a.  O.,  S.  201. 


65 

Wasser  und  Lebensmittel  einzunehmen  nach  Meh'nde  zurückge- 
fahren, Joäo  Hörnern  hatte  sein  Schiff  in  der  Bucht  zurückgelassen 
und  sich  persönhch"  zum  gleichen  Zweck  über  Land  dahin  begeben. 
Von  dem  Schicksal  der  übrigen  Fahrzeuge  ihres  Geschwaders 
wußten  seine  Leute  wenig  zu  melden.  Ein  Sturm  hatte  sie,  schon 
lange  bevor  der  Meridian  des  Kaps  erreicht  war,  nächtlicherweile 
von  den  andern  getrennt  und  seitdem  hatten  sie  ihren  Weg  allein 
gemacht.  Leichtsinn  und  bequemes  Gehenlassen  ihres  Führers  hatte 
unterwegs  um  ein  Haar  Mannschaft  und  Fahrzeug  zugrunde  gerichtet. 
Jo3o  Homem  war  ein  echter  Ritter,  der  auf  Gott  und  sein  gutes 
Schwert  vertraute,  sein  Element  der  Kampf,  und  hier  stand  er  ohne 
Furcht  und  Tadel  seinen  Mann ;  aber  um  die  Autorität  des  Kapitäns 
zu  wahren  fehlten  ihm  so  ziemlich  alle  Eigenschaften;  er  hatte  bei 
seiner  schnurrigen  Art  auch  offenbar  gar  keine  Lust  dazu.  Leben  und 
leben  lassen  war  sein  Grundsatz.  Von  Haus  aus  arm,  brachte  er 
das  Wenige,  was  der  Dienst  des  Königs  ihm  eintrug,  in  lustigen 
Gelagen  mit  Soldaten  und  Seeleuten  durch.  Vorauszudenken  und 
zu  sorgen,  sich  und  andere  in  Zucht  zu  halten  war  seine  Sache 
nicht  Die  Instruktion  Almeidas  befahl,  daß  auf  jedem  Schiff  Schlüssel 
zu  den  Wasser-  und  Lebensmittelkammem  nur  in  den  Händen  des 
Kapitäns  und  des  von  ihm  bestellten  Proviantmeisters  sein  und 
ohne  Befehl  des  Kapitäns  niemand  die  Kammern  sollte  betreten 
dürfen.  Am  Ende  jedes  Monats  sollte  festgestellt  werden,  was 
verbraucht  sei  und  wieweit  das  Vorhandene  noch  reiche,  damit, 
wenn  nötig,  zu  rechter  Zeit  unterwegs  die  Vorräte  ergänzt  würden. 
Von  den  Vorschriften  über  die  V^erteilung  des  Weins  war  schon 
früher  die  Rede.  Joao  Homem  aber  hatte  gleich  bei  ^r  Ausfahrt 
aus  dem  Tejo  seinen  Leuten  erklärt,  daß  er  nicht  daran  denke  den 
Proviantmeister  zu  machen,  und  alles,,  was  von  Lebensmitteln  ver- 
teilt werden  konnte,  sogleich  an  die  Mannschaften  ausgeben  lassen; 
es  solle  jeder  selbst  seinen  Anteil  verwahren ;  Wasser  und  Wein 
könnten  sie  sich  holen,  wann  sie  wollten.  Es  war  dann  so  ge- 
kommen, wie  es  kommen  mußte;  man  war  schätzungsweise  noch 
450  Leguas  vom  Kap  entfernt,  da  erschienen  eines  Tages  der  Schiffs- 
und Proviantmeister  in  der  Kajüte  des  Kapitäns  und  meldeten  unter 
Tränen,  daß  dank  seiner  Freigebigkeit  auf  der  Karavelle  nur  noch 
ein  halbes  Faß  Wasser  vorhanden  sei.  Seine  Antwort  auf  diese 
niederschmetternde  Eröffnung  hat  es  verdient,  daß  sie  der  Nach- 
welt erhalten  geblieben  ist.  »Schurken«,  fuhr  er  die  beiden  an, 
»glaubt  ihr  so  wenig  an  U.  L.  Frau  dort?«  —  er  zeigte  dabei  auf 
ein  Bild  der  Madonna  im  Rosenkranz,  für  das  er  große  Verehrung 
hegte  —  »glaubt  ihr  nicht,  daß  sie  euch  Wasser  und  Brot  und 


^  Gaspar  da  Gama  a.  a.  O.,  S.  201. 

Hümmerich,  Deutsche  Handelsfalirt  nach  Indien. 


66 

Gold  und  Silber  geben  wird?  Kein  Wort  weiter!  Sie  wird  uns 
geben,  was  wir  zum  Leben  brauchen.«  Und  wirklich,  der  Himmel 
hatte  ein  Einsehen :  am  folgenden  Tag  stieg  in  der  Morgenfrühe  eine 
der  unbewohnten,  bis  dahin  noch  nicht  entdeckten  Felsinseln  von 
Tristäo  da  Cunha  auf  und  es  gelang  die  Karavelle  mit  Wasser  und 
Holz  frisch  zu  versehen,  Fische  die  Menge  im  Netz  zu  fangen,  eine 
reiche  Beute  von  Seevögeln  und  Robben  einzubringen  und  so  einen 
Salzfleischvorrat  zu  schaffen,  der  bis  Quiloa  reichte.  Lebensmittel  für 
die  weitere  Reise  hatte  die  Karavelle  dann  noch  in  Sansibar  erhalten, 
wo  die  Kunde  von  der  Eroberung  Quiloas  die  Bevölkerung  einge- 
schüchtert und  gefügig  gemacht  hatte'. 

Da  Gegenwind  dem  Vizekönig  nicht  gestattete  den  portugiesen- 
freundlichen Herrscher  von  Melinde  persönlich  zu  besuchen,  sandte 
er  die  Kapitäne  von  »Lionarda«  und  »Rafael«  im  Boote  dorthin  ihm 
Geschenke  König  Manuels  zu  überbringen,  von  denen  eines  ein 
kostbarer  goldener  Becher  war.  Der  Scheich  zeigte  sich  erfreut  über 
die  Zerstörung  von  Mombasa  und  sandte  reichlich  Erfrischungen 
nach  der  S.  Helena-Bucht.  Mit  Diogo  Correa  und  Fernäo  Suares 
kamen  dann  auch  Joäo  Homem  und  Lopo  Chanoca  dorthin  zurück. 
In  der  Bucht  selber,  die  1502  Vasco  da  Gama  auf  seiner  zweiten 
Indienfahrt  angelaufen,  aber  vergebens  nach  Trinkwasser  abgesucht 
hatte,  entdeckten  Almeidas  Sohn  und  Lourengo  de  Brito  einen  sehr 
alten  Brunnen,  der  gereinigt  wurde  und  alsbald  sehr  gutes,  für  die 
ganze  Flotte  ausreichendes  Wasser  gab^.  Auch  Holz  und  Fleisch 
wurden  eingenommen.  Almeidas  Absicht  war  gewesen  auch  dem 
starken  und  reichen  Mukdischu  (2°  20'  n.  Br.  45°  25'  ö.  L.)  an  der 
Somaliküst^die  Macht  Portugals  vor  Augen  zu  führen,  aber  sie  wurde 
aufgegeben,  einerseits  wegen  der  ungünstigen  Landungsverhältnisse 
der  Stadt,  anderseits,  weil  man  fürchten  mußte,  den  Monsun  zu  ver- 
säumen. Mittwoch  den  27.  August  fuhr  die  Flotte,  nun  wieder  elf 
größere  und  kleinere  Schiffe  und  drei  Karavellen  stark,  mit  Kurs 
nach  Indien  von  der  S.  Helena-Bucht  ab  und  durchquerte,  zum 
zweitenmal  den  Äquator  kreuzend,  bei  günstigem  Wind  und  ohne 
Zwischenfälle  in  siebzehn  Tagen  den  »Golf  von  Mekka«,  d.  h,  den 
nördlichen  Indischen  Ozean  zwischen  dem  Somaliland,  der  Südküste 
Arabiens  und  dem  westlichen  Gestade  Vorderindiens.  Drei  Tage 
bevor  das  letztere  erreicht  wurde,  sah  man  von  den  Schiffen  aus  in 


'  Über  Joao  Homem  und  seine  Fahrt  vgl.  den  Bericht  von  der 
»Rafael«  in  Q.  U.,  S.  144;  Castanheda  a.a.O.,  1.  II,  c.  8;  Barros,  Dec.  I, 
1.  IX,  c.  4;  Correa,  Lendas,  Bd.  1,  S.  580.  Auch  Vasco  Gomes  d' Abreu 
hatte,  wie  es  scheint,  Tristao  da  Cunha  berührt:  vgl.  den  Bericht  des 
Pero  Quaresma  an  König  Manuel  vom  31.  August  1506  aus  Mo^ambique 
in  Alguns  Documentos,  S.  147  ff.  und  Q.  U.,  S.  144  Anm.  47. 

2  Almeida  a.  a.  O. 


67 

großen  Mengen  rote,  nicht  sehr  große  Krebse  an  der  Oberfläche  des 
Meeres  schwimmen,  das  damals  bereits  bekannte  erste  Zeichen  der 
Landnähe,  und  dreißig  Leguas  weiter  wurden  schlanke,  gefleckte 
Schlangen,  die  größten  eine  Elle  lang,  in  der  See  sichtbar,  irgend 
eine  Gattung  der  Hydrophiinae  ^  Am  1 2.  September  wurde  auf  der 
»Lionarda«  Land  gesichtet  —  es  war  die  Küste  südlich  von  Goa  — 
und  am  folgenden  Tag  trafen  elf  Schiffe,  darunter  die  drei  deutschen, 
drei  Tage  später  die  übrigen  bei  ihrem  nächsten  Ziel  ein,  dem 
Hauptinselchen  der  Anjediva- (Fünfinsel-)  Gruppe  auf  14"  45'  n.  Br., 
740  5'  ö.  L. 


VI.  Anjediva,  Onor,  Cananor 
und  der  Portugiegenmord  in  Couläo. 

Knapp  1 V2  km  lang  und  weniger  als  V2  km  breit,  steigt 
etwas  südlich  vom  Carwar- Vorgebirge  die  Insel  steil  aus  der  See  auf; 
doch  bietet  an  der  Nordküste  ein  flacher  Strand  einen  bequemen, 
gegen  Wind  und  Wellen  geschützten  Anlegeplatz  2.  Alsbald  nach 
der  Landung  besichtigte  der  Vizekönig  mit  den  kriegserfahrensten 
Edelleuten  und  sonstigen  Sachverständigen  das  Gelände  um  den 
geeignetsten  Platz  für  die  geplante  Festung  ausfindig  zu  machen  und 
fand  die  Niederungen  wie  die  Höhen,  deren  es  eine  größere  und 
zwei  kleine  gab,  dicht  bewachsen  mit  Gras  und  immergrünen  Busch- 
und  Baumbeständen ;  auch  fließendes  Wasser  fehlte  nicht.  Am  Fest- 
land gegenüber,  nur  wenige  Kilometer  nördlich,  sah  man  stattliche 
Berge  bis  zu  600  m  nah  am  Meer  aufsteigen  und  weiter  am  Horizont 
zog  sich  von  Nord  nach  Süd  die  blaue  Höhenlinie  der  Ghat  hin. 
Die  Insel  war  unbewohnt,  doch  zeugten  die  Ruinen  eines  aus  großen 
Bruchsteinen  aufgeführten  alten  Tempels  nahe  der  Landungsstelle, 
den  schon  der  arabische  Reisende  Ibn  Batuta  (1345)  gesehen  zu 
haben  scheint 3,  und  zwei  gleichfalls  mit  Haustein  sorgfältig  aus- 
gemauerte Wasserbehälter,  von  denen  der  eine  zu  dem  Tempel  ge- 
hörte und  groß  und  tief  genug  war,  daß  ein  Schiff  von  400  Tonnen 
darin  hätte  schwimmen  können,  von  einer  Zeit,  in  der  Anjediva 
bewohnt  gewesen  war.  Trefflichen  Baustein  und  Lehm  bot  die  Insel 
selber,  Kalk  hatte  die  Flotte  von  Quiloa  mitgebracht. 

Am  Tage  nach  der  Ankunft,  Sonntag,  begann  man  sogleich  mit 
dem  Bau  der  Festung.    Sie  wurde  z.  T.  auf  den  Grundmauern  des 

»  Q.  U.,  S.  47,  116,  144. 

*  A  Journal  of  the  first  voyage  of  Vasco  da  Gama  1497—99,  transl. 
and  edited  by  E.  G.  Ravenstein,  London  1893,  S.  80  und  Karte  4. 
3  Yule  and  Bumell,  Hobson-Jobson,  London  1903,  S.  28. 

5* 


68 

alten  Tempels  errichtet.  In  seiner  unmittelbaren  Nähe  hatte  man  auch 
einen  Brunnen  gefunden,  der  sie  mit  Trinkwasser  versehen  konnte, 
und  die  Ufergewässer  erwiesen  sich  als  reich  an  Fischen  und 
Muscheln,  was  für  die  Versorgung  der  künftigen  Feste  gleichfalls 
nicht  ohne  Belang  war.  Der  Vizekönig  selber  legte  den  Grundstein, 
die  Schiffsartillerie  gab  festliche  Salven  ab,  die  Trompeten  erklangen 
und  dann  stimmte  die  im  Chorhemd  amtierende  Geistlichkeit  das 
Te  deum  laudamus  an,  daß  es  feierlich  über  die  einsame  Insel  tönte. 
Bald  nachdem  die  Arbeit  begonnen  hatte,  an  der  wiederum  in  regel- 
mäßigem Wechsel  alle  verfügbaren  Arme  beteiligt  waren,  vermehrte 
sich  in  willkommener  Weise  deren  Zahl :  am  24.  September  trafen 
vom  zweiten  Geschwader  das  Schiff  des  Bastiao  de  Sousa  und  mit 
ihm  der  künftige  Kommandant  der  Festung,  Manuel  Paganha,  ein 
sowie  die  Karavelle  des  Antäo  Vaz.  Die  des  Gongalo  Vaz  de  Goes 
hatte  Paganha  als  Stationsschiff  instruktionsgemäß  in  Quiloa  zurück- 
gelassen; von  Lucas  da  Fonseca  und  Lopo  Sanchez,  die  auf  der 
stürmereichen  Fahrt  von  ihm  getrennt  worden  waren,  hatte  er  keine 
Kunde  mehr  erhalten.  Der  erstgenannte  kam  erst  nach  ihm,  zu  spät 
um  noch  die  Fahrt  nach  Indien  machen  zu  können,  in  Mogambique 
an  und  mußte  dort  überwintern,  d.h.  den  Monsun  abwarten.  Lopo 
Sanchez  aber  war  genötigt  gewesen  sein  leck  gewordenes  Schiff 
40  Leguas  südlich  vom  Kap  Corrientes^  auflaufen  zu  lassen  und  mit 
der  Besatzung  in  die  Boote  zu  gehen,  die  dann  bis  auf  wenige  Mann 
teils  an  der  Küste,  wo  sie  Rettung  gesucht,  teils  wie  er  selber  im 
Meere  den  Tod  fand.  Mit  diesem  Schiff  ging  das  Material  von  einer 
der  drei  Brigantinen  verloren,  die  in  Quiloa,  Anjediva  und  Cochin 
zusammengesetzt  werden  sollten.  Von  ihnen  hatte  man  die  eine 
instruktionsgemäß  in  Quiloa  gelassen ;  der  Bau  der  zweiten,  für  die 
indische  Inselfeste  bestimmten  Brigantine  sowie  der  gleichfalls  für 
Anjediva  in  Stücken  mitgenommenen  Galeere  von  1 20  Rudern  war 
neben  dem  der  Festung  von  Almeida  sofort  nach  der  Ankunft  auf 
der  Insel  in  Angriff  genommen  und,  um  die  nötige  Rudermannschaft 
für  beide  Fahrzeuge  zu  beschaffen,  Lopo  Chanoca  und  Gongalo  de 
Paiva  mit  ihren  Karavellen  zur  Jagd  auf  muhamedanische  Schiffe  aus- 
gesandt worden.  Beide  Kapitäne  trafen  in  der  Tat  schon  am  26.  Sep- 
tember mit  erbeuteten  Sambuken  und  vielen  Gefangenen  ein ;  auch 
von  den  Arabern  und  Negern,  die  bei  der  Eroberung  von  Mombasa 
in  die  Hände  der  Portugiesen  gefallen  waren,  mag  ein  Teil  auf  den 
zwei  Ruderschiffen  Verwendung  gefunden  haben.  Zum  Kapitän  der 
neuen  Galeere  wurde  JoäoSerrao  ernannt.  Seine  Aufgabe  war  Wacht- 
dienst  entlang  der  Küste  und  Unterdrückung  des  hier  blühenden, 
hauptsächlich  von  Muhamedanern  betriebenen  Seeraubs,  Kaperung 


J  Barros,  Dec.  I,  1.  IX,  c.  6. 


69 

der  ohne  portugiesischen  Paß  fahrenden  Schiffe  und  möghchste 
Unterbindung  des  arabischen  Handels,  der  bisher  an  Anjediva  vor- 
über seinen  Weg- genommen  hatte.  Scharfer  Auslug  wurde  nach 
drei  Schiffen  von  Mekka  gehalten,  die  im  Lauf  des  September  auf 
der  Fahrt  nach  Calicut  über  Anjediva  kommen  und  außer  wert- 
voller Ladung  weißes  Kriegsvolk  an  Bord  haben  sollten,  das  der 
Samorin  von  Calicut  angeblich  vom  Mamelukensultan  erbeten 
hatte.  Diese  Nachricht  war  Almeida  gleich  bei  seiner  Ankunft 
durch  einen  indischen  Kurier  (Pattamar)  zugegangen,  den  Gongalo 
Gil  Barbosa,  der  portugiesische  Handelsagent  in  Cananor,  mit  Briefen 
für  die  zu  erwartende  Flotte  dorthin  entsandt  hatte.  Er  meldete 
zugleich,  daß  in  Cananor,  Cochin  und  Coulao  20  000  Quintal 
Spezereien  zum  Verladen  bereit  seien.  Der  Vizekönig  seinerseits 
hatte  Joao  Homem  mit  der  Karavelle  »St.  Georg«  abgeschickt 
um  an  den  genannten  Orten  die  Ankunft  der  großen  Flotte  anzu- 
kündigen und  Weisung  zu  überbringen,  daß  alle  Vorbereitungen 
getroffen  werden  sollten  um  rasche  Abfertigung  der  Gewürzschiffe 
zu  ermöglichen.  Die  drei  Fahrzeuge  von  Mekka  abzufangen  gelang 
nicht;  sie  haben  um  den  portugiesischen  Kreuzern  zu  entgehen 
ihren  Weg  offenbar  auf  hoher  See  gemacht;  jedenfalls  brachte 
schon  am  26.  September  einer  der  schnellen  malabarischen  Cature, 
schmaler  Einbäume  von  60 — 80  Fuß  Länge  mit  Segel  und  Ruder- 
vorrichtungi,  von  Cananor  die  Meldung,  daß  eines  davon  in  Calicut 
mit  vier  venezianischen  Geschützgießern  an  Bord  angekommen 
war,  die  der  Mamelukensultan  dem  Samorin  schickte. 

Die  Bewohner  des  nahen  Festlandes  waren  dunkelfarbige, 
heidnische  Inder  und  Untertanen  des  Rajas  der  in  südöstlicher 
Richtung  acht  Leguas  entfernten  Hafenstadt  Onor  (Honäwar,  14  ^ 
17'  n.  Br.,  74°  27'  ö.  L.)  in  Nord-Canara.  Dieser  selbst  stand  in 
Abhängigkeitsverhältnis  zu  dem  Herrscher  des  mächtigen  süd- 
indischen Binnenreiches  von  Vijayanagar  (Bisnagar),  das  die  Portu- 
giesen nach  dem  damals  gerade  regierenden  Fürsten  (Narasinha) 
auch  Narsinga  nannten.  Die  nördliche  Grenze  des  letzteren  an 
der  Küste  bildete  die  meerbusenartig  erweiterte  Mündung  des  beim 
Carwar-Vorgebirge  sich  ins  Meer  ergießenden  Kalipadi-Flusses, 
des  Rio  Ligua  oder  Aliga  der  Portugiesen.  Am  Nordufer  des 
Kalipadi  begann  das  große  Reich  der  muhamedanischen  Bahmani- 
Dynastie,  Dekan,  genauer  die  damals  von  den  dekanischen  Sultanen 
fast  unabhängige  Herrschaft  Bijapur  (Vijayapura)  des  Yusuf  Adil 
Schah  in  Goa.  Seine  Grenzfeste  Cintacora  lag  auf  einer  ziemlich 
steilen  Anhöhe  am  Nordufer  des  Kalipadi  2,  Da  es  für  die  Portugiesen 

•  Lodovico  di  Varthema  ed.  Badger,  London  1863,  S.  154  und  Yule 
and  Bumell,  Hobson  — Jobson  s.  v.  Catur. 
2  Q.  U.,  S.  145  f. 


70 

von  Wichtigkeit  war  die  Nachbarschaft  ihres  neuen  Stützpuni<tes 
an  der  Küste  kennen  zu  lernen,  unternahm  D.  Lourengo  mit 
Joao  da  Nova  und  andern  Kapitänen  dorthin  eine  Erkundungs- 
fahrt in  Booten,  wobei  er  lotend,  zum  Zeichen  des  Friedens  eine 
weiße  Flagge  zeigend,  in  die  Kalipadi-Mündung  einfuhr.  Man 
fand  als  Besatzung  von  Cintacora  etwa  1000  Mann,  darunter  viel 
»weiße  Mauren«,  wohl  bewaffnet  mit  Schwertern,  Bogen,  Parti- 
sanen und  großen,  runden  Schilden,  durchweg  untadelige  Leute. 
Die  »weißen  Mauren«  gehörten  offenbar  zu  dem  zahlreichen  fremden 
Kriegsvolk  des  Adil  Schah,  Arabern,  Türken,  Persern,  die  er  neben 
einzelnen  levantinischen  Renegaten  in  seinem  Dienst  hatte ;  Gaspar 
da  Gama  hatte  als  sein  Kaperkapitän  zu  diesen  wenigen  Abend- 
ländern gehört.  Die  Feste  selbst  war  mit  kleinen  Bombarden  aus- 
gerüstet, womit  man  die  Besatzung  schießen  sah.  Der  Kommandant 
traf  mit  D.  Lourengo  ohne  ihn  zu  kennen  friedliche  Vereinbarungen, 
sandte  dann  dem  Vizekönig  selber  Geschenke  in  Lebensmitteln  und 
ließ  sagen,  daß  er,  wenn  die  Portugiesen  Handelsbeziehungen  anzu- 
knüpfen wünschten,  ihnen  außer  Lebensmitteln  Rubinen  und 
Diamanten  anbieten  könne.  Almeida  bestätigte  die  Abmachungen 
seines  Sohnes  und  sicherte  dem  Handel  freies  Geleit  zu. 

Der  Bau  der  Festung  schritt  inzwischen  rüstig  vorwärts,  um 
so  mehr,  als  Almeida  durch  Gegenwind  und  Sturm  33  Tage  auf 
der  Insel  festgehalten  wurde.  Mitte  Oktober  war  der  Hauptturm 
auf  zwei  Stockwerke  gebracht,  Vormauer  und  Zwinger  anscheinend 
weit  gefördert,  der  Graben  begonnen  ^  60  Mann  mit  starker 
Artillerie  bildeten  unter  dem  Kommando  des  Manuel  Paganha  die 
Besatzung,  zu  der  noch  einige  20  Personen  in  höheren  Ämtern 
hinzutraten.  Die  Feste  trug  den  Namen  S.  Miguel.  Mit  Rücksicht 
auf  die  Edelleute,  Soldaten  und  Flotten  man  nschaften,  die  hier  zurück- 
blieben, bei  Eroberung  von  Mombasa  aber  mitgekämpft  und  darum 
Anspruch  auf  einen  Beuteanteil  hatten,  wurde  noch  auf  Anjediva 
die  Verteilung  der  dort  eingebrachten  Beute  vorgenommen.  Zu 
Kommissaren  dafür  ernannte  Almeida  den  Fernäo  Suares,  Kapitän 
der  »Rafael«,  ferner  Nuno  Vaz  Pereira,  einen  portugiesischen  Edel- 
mann, der  mit  ihm  nach  Indien  ging,  und  einen  alten  Freund,  den 
kastilianischen  Adeligen  Guadelajara.  Gold,  Silber  und  Perlen  fielen 
an  den  König,  wie  es  scheint,  doch  erhielt  derjenige,  der  sie  ab- 
geliefert hatte,  V20  des  Wertes^,  Die  ganze  übrige  Masse  wurde 
an  den  Meistbietenden  versteigert,  ausgenommen  die  Baumwoll- 
stoffe   von  Cambaya,   die  Almeida   nach    ihrem  Wert  abschätzen 

1  Pero  Fernandes  Tinoco  a.  a.  O.,  S.  340;  die  Stelle  ist  in  der 
Urkunde  schlecht  erhalten. 

2  Bericht  von  der  Rafael  in  Q.  U.,  S.  142  und  Brief  Gaspars  da 
India  an  den  König  in  Carlas  de  Affonso  de  Albuquerque,  II,  S.  371  ff. 


71 

und  für  Zwecke  des  Handels  mit  Sofala  in  den  Beuteanteil  des 
Königs  aufnehmen  ließ,  ebenso  wie  u.  a.  ein  buntseidenes  Zelt, 
wertvolle  Teppiche  und  Gewänder,  Goldbrokat  und  Seidenstoffe, 
eine  volle  Rüstung  mit  Brust-,  Bein-  und  Armstücken  aus  mehr- 
fach aufeinandergesteppter  Seide,  so  widerstandsfähig,  daß  weder 
Schwerthieb  noch  -stich  durchging,  ein  kostbar  aufgezäumtes, 
schönes  Pferd,  der  Sattel  mit  Karneolen  reich  besetzt,  die  gestickte 
Decke  von  karmesinroter  Seide,  femer  das  Siegel  des  Herrschers 
von  Mombasa,  dies  alles  in  dessen  Palast  erbeutet.  Den  Anteil 
des  Königs  eingerechnet  ergab  sich  ein  Wert  von  20 — 30000  Cru- 
zados  1.  Vom  Erlös,  wie  es  scheint,  dessen,  was  nach  Abzug  von 
Gold,  Silber  und  Perlen  blieb,  sollte  an  die  Bemannung  der  Flotte 
nach  einer  in  Mombasa  schon  erlassenen  Bestimmung  Almeidas 
V20  zur  Verteilung  kommen,  vielleicht  in  einer  für  Prisen  durch 
die  Instruktion  vorgeschriebenen  Abstufung  der  Anteile,  wie  sie 
dort  dem  Flottenkommandanten,  den  Kapitänen  der  hochbordigen 
Schiffe  und  Galeeren,  dann  der  Karavellen,  weiter  den  Steuerleuten 
und  Schiffsmeistern,  Artilleristen,  Armbrust-  und  Büchsenschützen, 
gemeinen  Soldaten  und  Seeleuten  bis  herunter  zum  Schiffsjungen 
zugestanden  sind^.  So  groß  indes  die  bei  der  Versteigerung  erzielte 
Summe  war,  Castanheda,  der  auch  hier  anscheinend  einer  guten 
Quelle  folgt,  schätzt,  daß  von  der  tatsächlich  gemachten  Beute 
ebensoviel,  wie  an  den  König  und  alle  Berechtigten  verteilt  wurde, 
der  Verteilung  widerrechtlich  entzogen,  verheimlicht,  unterschlagen 
worden  war^  vor  allem  wohl  Gold  und  Silber,  das  verhältnis- 
mäßig leicht  verborgen  werden  konnte.  Ein  für  die  lockeren  An- 
schauungen gerade  der  Vornehmsten  und  für  die  schon  damals 
unter  den  Portugiesen  in  Indien  herrschenden  Mißbräuche  recht 
bezeichnendes  Dokument  ist  uns  in  einem  Brief  erhalten,  den 
Gaspar  da  Gama  unterm  16.  November  1506  von  Cochin  aus  an 
den  König  richtet-*.  Almeida  hatte  den  landes-,  sprach-  und  geschäfts- 
kundigen einstigen  Juden  unter  Beigabe  seines  Sekretärs  Gaspar 
Pereira  beauftragt  Nachforschungen  nach  widerrechtlich  angeeig- 
netem und  veräußertem  Gut  aus  der  Beute  von  Mombasa  und 
über  den    unbefugten  Verkauf  europäischer  Tauschwaren,    deren 


1  Bericht  des  Gaspar  da  Gama  (20000  Cruzados)  in  Carlas  d'A. 
d'A.,  Bd.  III,  S.  201,  Castanheda  (30 OOO  Cruzados)  a.a.O.,  I.  II,  c  13. 
Die  Augsburger  Quelle  gibt  die  Beute  von  Quiloa  und  Mombasa  zu 
-22000  Crusati  oder  mer  werdt    an  (Q.  U.,  S.  151). 

-  Bericht  von  der  -Rafael  in  Q.  U.,  S.  142  und  Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  325  f.  Die  Höhe  der  einzelnen  Anteile  s.  ebd., 
Bd.  III,  S.  177  ff. 

3  A.  a.  O.,  I.  II.,  c  13. 

«  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  371-380. 


72 

Einfuhr  dem  König  vorbehalten  war,  durch  portugiesische  Schiffs- 
kapitäne und  Beamte  anzustellen  und  beide  hatten  in  Baticala  und 
Cananor  belastendes  Material  besonders  gegen  Guadelajara,  Fernäo 
Bernmdes,  Ruy  Freire  und  Diogo  Correa,  den  Kapitän  der  »Lionarda«, 
gesammelt.  Der  Ton  des  Briefes,  der  den  selbstlosen  Diensteifer 
des  Verfassers  nicht  genug  ins  Licht  setzen  kann,  ist  unerfreulich, 
aber  die  mitgeteilten  Tatsachen  und  Beschuldigungen  doch  recht 
interessant  Mit  größter  Erbitterung  spricht  Gaspar  von  Guadelajara. 
Sein  Amt  bei  Verteilung  der  Beute  von  Mombasa  hat  ihn  reich 
gemacht;  Gott  und  die  Welt  weiß,  woher  das  viele  Geld  stammt, 
das  er  jetzt  hat.  Daß  er  Korallen,  eine  dem  König  vorbehaltene 
Ware,  eingeführt  hat,  ist  erwiesen,  und  es  ist  bei  weitem  nicht  das 
einzige  gewesen.  Aber  er  ist  vornehmer  Abkunft  und  alter  Freund 
Almeidas:  der  Vizekönig  hat's  ihm  in  seiner  Güte  und  Nachsicht 
verziehen,  ja,  er  hat  ihn  zum  Alcaide  mör  (Burgvogt)  der  Feste 
in  Cananor  gemacht  mit  1 20  000  Reis  (rund  3000  Mk.)  jährlichem 
Gehalt  und  viel  Freigütern.  In  dieser  Stellung  treibt  er  nun 
schwunghaften  Handel  mit  den  muhamedanischen  Kaufleuten  von 
Cananor  in  Waren  und  in  andern  Dingen,  für  deren  Aufzeichnung 
vier  Blatt  Papier  nicht  ausreichen  würden.  Der  König  soll  nur 
künftig  keinen  Kastilianer  mehr  nach  dem  Osten  schicken ;  sie  sind 
seine  Widersacher,  suchen  nur  ihren  Vorteil,  wollen  in  Indien 
schnell  reich  werden  und  kehren  dann  mit  dem  Erworbenen  nach 
Kastilien  zurück.  Hier  spricht  der  Neid  und  die  Abneigung  gegen 
den  Landfremden  und  Günstling  des  Vizekönigs;  aber  auch  die 
portugiesischen  Edelleute  treiben's  schlimm.  Fernaio  Bermudes 
hat  in  Baticala  einem  muhamedanischen  Kaufmann  »viel  Gold  von 
Mombasa«  zum  Weiterverkauf  übergeben,  hat  Korallen  von  fünf 
Sorten,  je  hundert  Gran  zum  Preis  von  einem  bis  fünf  Gold- 
pardaos  (Münze  im  Wert  von  rund  8  Mk.)  verkauft  und  sonst 
gesündigt;  Ruy  Freire  hat  in  Cananor  Gold  und  Silber  im  Werte 
von  700  Cruzados  aus  der  Beute  von  Mombasa  an  einen  muha- 
medanischen Kaufmann  gegen  Edelsteine,  Perlen  und  feine  indische 
Baumwollstoffe  (Sinabaffos)  verhandelt;  den  Wert  der  Waren  in 
Lissabon  schätzt  Gaspar  auf  3000  Cruzados.  Der  gleiche  Kauf- 
mann hat  von  Diogo  Correa  silberne  Armspangen,  Frauenschmuck 
aus  Mombasa  im  Wert  von  200  Cruzados  und  Korallen  für  72  Cru- 
zados erworben  und  dafür  Perlen  und  Edelsteine  gegeben,  deren 
Wert  in  Lissabon  der  Briefschreiber  schätzungsweise  zu  1000  Cru- 
zados angibt.  Gaspar  hat  diese  Verfehlungen  dem  Vizekönig  mit- 
geteilt, aber  bei  all  seinen  trefflichen  Eigenschaften  —  diesen  Miß- 
bräuchen gegenüber  ist  Almeida  machtlos:  »wollte  er  alle  bestrafen, 
die  wegen  Handels  mit  verbotenen  Waren  Strafen  verfallen  sind, 
und  dazu  andere,  die  viel  Gold  und  Silber  von  Mombasa  gestohlen 


73 

haben,  dann  müßte  er  den  größten  Teil  der  Leute,  die  in  Indien 
sind,  vom  Erdboden  vertilgen  und  würde  dann  vielleicht  keine 
Kapitäne  und  Kriegsleute  mehr  dahaben,  die  gegen  die  Mauren 
kämpften«.  Die  allgemeine  Auffassung  ist  eben  die,  schreibt  Gaspar, 
»daß  es  keine  Sünde  ist,  vii^eim  man  Ew.  Hoheit  bestiehlt«. 

Der  Beuteanteil  von  V20  der  Masse,  wie  ihn  Almeida,  offen- 
bar nach  einem  bestehenden  Brauch,  im  Fall  von  Mombasa  fest- 
gesetzt hatte,  war  freilich  nicht  hoch;  wurde  auch  von  den  Be- 
teiligten als  karg  empfunden.  Der  Vizeköhig  schreibt  von  Cochin 
unterm  16.  Dezember  1505  an  den  König,  daß  nach  Ansicht  der 
ganzen  Armada  deren  Anteil  an  dem,  was  Gott  ihnen  zu  gewinnen 
gebe,  erhöht  werden  müsse  um  der  großen  Mühen  willen,  womit 
es  errungen  werde,  und  daß  er  selber  das  als  großen  Gnaden- 
erweis des  Königs  ansehen  würde,  ausdrücklich  aber  bitte  dies 
nicht  auf  seinen  Beuteanteil  zu  beziehen,  mit  dem  er  vollauf  zu- 
frieden sei  und  wofür  er  dem  König  die  Hand  küsse'.  Die 
schwerste  Enttäuschung  widerfuhr  indes  den  drei  Schiffen  der 
deutsch-italienischen  Handelsgesellschaft:  sie  waren  im  Verlauf  der 
Reise,  wie  in  der  »Merfart«  mit  Stolz  hervorgehoben  wird,  »inn 
allen  ferten  und  streyiten«  dabei,  aber  bei  der  Verteilung  der  Beute 
sollten  sie  leer  ausgehen.  Sprenger  schweigt  merkwürdigerweise 
über  die  unangenehme  Tatsache,  aber  der  Augsburger  Bericht  läßt 
keinen  Zweifel  an  ihr;  unklar  ist  nur  die  von  den  Portugiesen 
für  ihr  Verfahren  gegebene  Begründung.  Es  scheint,  daß  man 
den  Kaufleuten  einen  Rechtsanspruch  nur  für  Prisen,  die  auf  See 
gemacht  waren,  zugestand,  nicht  aber  für  die  Beute  einer  Unter- 
nehmung zu  Land,  auch  wenn  sie  dabei  hatten  mitkämpfen  müssen. 
Jedenfalls  erhielten  die  Deutschen  an  der  Beute  von  Mombasa  vor- 
läufig keinen  Anteil,  sondern  mußten  sich  begnügen  gegen  die 
Benachteiligung  Protest  zu  erheben  und  die  endgültige  Entschei- 
dung der  Angelegenheit  dem  König  vorzubehalten  2  Wie  dieselbe 
ausgefallen  ist,  wissen  wir  nicht. 


•  Torre  do  Tombo,  gav.  20,  maco  10,  n.  33. 

2  Die  Stelle  des  Augsburger  Berichtes,  des  einzigen,  in  dem  die 
Tatsache  erwähnt  wird,  lautet  (Q.  U.,  S.  151):  vvirt  geacht  der  naum 
zu  quilua  und  Monbasa  uf  22  000  Crusati  oder  mer  werdt  sein  ,  hofftend 
die  teitschen  ir  geburnde  peutt  auch  zuo  haben  Hand  die  Portogaiexe 
(=  Portogalesi)  gesagt  die  tauten  wern  zu  verstan  sam  ain  Rytt  uf  land 
und  nit  ain  naum  etc.  und  sy  hettends  dar  für  unser  3  nave  soltten  nuchs 
dar  von  haben.  Aber  sy  welttend  soUichs  dem  portt.  kinig  haim  setzen 
was  der  tett  wer  faste  und  irt  halb  unverhinderte  auf  sollichs  habend 
die  unsern  protestiert  umb  die  sum  des  naums  und  anders  in  rechter 
form  /  daß  alß  sy  mit  in  her  über  pracht  habend.  Das  Verständnis  des 
Textes  wird  dadurch  erschwert,   daß  der  Verfasser  des  Berichtes   die 


74 

Schon  ehe  D.  Louren^o  in  Cintacora  friedh'che  Beziehungen 
mit  dem  Festungskommandanten  des  Sabayo  angeknüpft  hatte, 
waren  Abgesandte  des  Rajas  von  Onor  auf  Anjediva  erschienen 
um  ein  Gleiches  im  Namen  ihres  Herrn  zu  erbitten,  was  Almeida 
gern  bewilligt  hatte.  Onor  und  Baticala  (Bhatkal  auf  13°  59'  n.  Br.) 
waren  die  beiden  Häfen  der  Westküste,  über  die  dem  mächtigen 
Rao  von  Vijayanagar  die  arabischen  und  persischen  Pferde  von 
Ormuz  zugeführt  wurden,  deren  er  jährlich  2000 — 3000  nötig 
hatte  um  die  gewaltige  berittene  Streitmacht  auf  der  Höhe  halten 
zu  können,  die  die  ständigen  Kriege,  vor  allem  mit  den  benach- 
barten dekanischen  Machthabern,  erforderten.  Die  zwei  Städte 
hatten  als  Eingangspforten  des  großen  Reiches  ein  Menschenalter  vor 
dem  Erscheinen  der  Portugiesen  in  Indien  noch  erheblich  größere 
Bedeutung  gehabt.  Daß  die  dort  ansässigen  muhamedanischen 
Kaufleute,  in  deren  Händen  der  einträgliche  Pferdehandel  lag,  die 
wertvollen  Tiere  von  Onor  und  Baticala  aus  auch  an  die  Bahmani- 
Sultane  von  Dekan,  seine  Feinde,  verkauften,  daß  er  selbst  sie  mit 
allzu  hohen  Preisen  bezahlen  mußte,  hatte  den  damaligen  Rao 
von  Vijayanagar  derart  gegen  sie  erbittert,  daß  im  Jahre  1479  auf 
seinen  Befehl  in  beiden  Städten  von  den  Hindu  ein  großer 
Muhamedanermord  ins  Werk  gesetzt  und  ihrer  angeblich  10000 
erschlagen,    der  Rest   vertrieben    wurde.     Die   Flüchtlinge   hatten 


entscheidenden  portugiesischen  Worte,  »cavalgada  und  presa,  deutsch 
wiedergibt,  dabei  aber  den  Sinn  nicht  ganz  unzweideutig  zu  bezeichnen 
vermag  und  so  der  Gegensatz  etwas  schief  wird.  Das  deutsche  naum 
=  näm  st.  M.,  auch  näme  st.  F.  »gewaltsames  Nehmen«,  »Beute«  ent- 
spricht im  allgemeinen  dem  portugiesischen  presa«  recht  wohl,  läßt  aber 
doch  nicht  wie  presa«  sofort  an  die  zur  See  gemachte  »Prise  denken; 
»cavalgada«  bedeutet  für  gewöhnlich  »feindlicher  Einfall  (zu  Pferde)  , 
„Streife"  und  dem  entspricht  »ain  Rytt  uf  land  .  Die  Worte  des  deutschen 
Textes  heißen  also:  »Die  Taten  wären  zu  verstehen  als  ein  Ritt  an 
Land  und  nicht  ein  Prisen  machen  (auf  See)  .  Dem  Gebrauch  von 
»cavalgada«  und  »presa«  in  unserm  Fall  entspricht  das  nicht  ganz  genau. 
In  dem  erwähnten  Brief  des  Gaspar  da  India  (a.  a.  O.,  S.  372)  lesen  wir: 
(dom  francisco  d'Almeida)  fello  (nämlich  den  Guadelajara)  quadrilheiro 
sobre  as  cavallgadas  de  momba^a«,  d.  h,  Almeida  »machte  ihn  zum 
Kommissar  über  die  Beutemasse  des  Einfalls  in  Mombasa";  und 
ebenso  schreibt  Almeida  (a.  a.  O.) :  »Senhor,  da  cavalguada  de  Momba?a 
me  derom  eses  panos«,  »Herr,  aus  der  Beute  des  Einfalls  in  Mombasa 
hat  man  mir  die  beifolgenden  Stoffe  gegeben«  —  er  macht  dem  König 
ein  Geschenk  damit.  Es  wird  also  von  den  Portugiesen  ein  Unterschied 
gemacht  zwischen  Prisen,  die  auf  See  gemacht  werden,  d.  h.  »presas«  — 
so  ist  das  Wort  in  Almeidas  Instruktion  vielfach  gebraucht  —  und  »caval- 
gadas«  Beute  von  Landunternehmungen.  Vgl.  auch  Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  354;  III,  178,  179,  180. 


75 

sich  nach  Goa  gewandt  und  von  da  ab  hatte  dieser  Hafenplatz 
allmählich  jene  beiden  an  Bedeutung  überflügelt  und  besonders 
den  Pferdehandel  nach  Dekan  ganz  an  sich  gezogen.  Die  feind- 
selige Haltung  der  Muhamedaner  und  ihre  häufigen  Überfälle  auf 
seine  Stadt  hatten  dann  den  Raja  von  Onor  genötigt  sie  von  der 
Mündung  des  Shiravati  (Gairsopa),  an  der  sie  bis  dahin  gelegen 
hatte,  reichlich  eine  Legua  flußaufwärts  an  das  Nordende  eines 
Strandsees  zu  verlegen,  den  der  Shiravati  durchfließt.  Seit  diesen 
Ereignissen  waren  Jahrzehnte  vergangen  und  zahlreiche  Muha- 
medaner waren  neben  den  Hindu  wieder  in  Onor  angesiedelt'. 
Die  Stadt  war  schon  lange  eins  der  schlimmsten  Seeräubernester 
in  diesen  Gegenden.  Freier  Ausblick  längs  der  Meeresküste,  die 
Notwendigkeit  für  die  Seefahrer  sich  in  deren  Nähe  zu  halten  um 
den  Wechsel  von  Land-  und  Seewind  für  die  Fahrt  zu  benutzen, 
die  zahlreichen  kleinen  Häfen  und  die  Barren,  die  größeren  Schiffen 
das  Einfahren  in  dieselben  unmöglich  machen,  haben  in  Verbindung 
mit  den  Piratenneigungen  der  Bewohner  den  Seeraub  hier  von 
jeher  begünstigt.  Zu  Almeidas  Zeit  war  Onor  der  Schlupfwinkel 
von  zwei  gefährlichen  Korsaren,  Raogi  und  Timoja,  von  denen 
der  letztere  1498  auf  Vasco  da  Gama  während  dessen  Heimreise 
einen  Überfall  versucht  und  1510,  nachdem  er  sich  »mit  dem 
Instinkt  der  Raubvögel,  welche  den  Schlachtfeldern  nachziehen  2«, 
den  Portugiesen  angeschlossen  hatte,  Albuquerque  den  Weg  zur 
Eroberung  Goas  gezeigt  hat.  Jeder  der  beiden  Piraten  besaß  fünf 
oder  sechs  größere  Ruderschiffe  mit  zahlreicher,  wohlbewaffneter 
Mannschaft  und  zahlte  von  dem  Ertrag  seines  Gewerbes  dem 
Raja  von  Onor  eine  beträchtliche  Abgabe  3  —  der  Bericht  von 
der  »Rafael«  spricht  von  4000  Cruzados  -~,  wie  sie  auch  dessen 
Streitmacht  verstärkten. 

Das  zunächst  freundschaftliche  Verhältnis  zwischen  der  Stadt 
und  den  Portugiesen,  das  während  des  Festungsbaus  auf  Anjediva 
in  einer  Sendung  von  Lebensmitteln  aus  Onor  Ausdruck  gefunden 
hatte,  erlitt  kurz  vor  deren  Abfahrt  einen  Bruch.  Eine  Sambuke 
mit  Pferdeladung  von  Ormuz  hatte  ohne  Kenntnis  von  der 
Anwesenheit  der  Portugiesen  auf  der  Insel  im  Sturm  Anjediva 
anlaufen  wollen  und  sich  beim  Anblick  ihrer  Schiffe  in  Richtung 


•  Barros,  Dec.  1, 1.  VIII,  c.  10  und  Duarte  Barbosa  in  Coli,  de  Not. 
Bd.  II,  S.  29L 

2  Peschel,  Zeitalter  der  Entdeckungen,  Stuttgart  1877,  S.  461. 

3  Barbosa  a.a.O.  und  Carlas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  I, 
Lisboa  1884,  S.  172:  onor  he  cova  de  ladroes,  tem  atallaias  e  fustas; 
pagua  o  Rey  da  terra  LXXX  mil  pardaos  ha  ei  Ray  de  narsimgua  cadano, 
e  a  terra  nam  na  pode  suprir,  e  o  Rey  daa  luguar  qiie  harmas  e  fnrtem, 
e  partem  com  eile  e  desta  maneira  vivem    (I.Dezember  1513). 


76 

auf  Onor  geflüchtet.  Da  ihr  indes  von  den  verfolgenden  Booten 
der  Weg  verlegt  wurde,  hatte  die  Mannschaft  nahe  der  Shiravati- 
Mündung  das  Fahrzeug  auf  den  Strand  gesetzt  und  sich  schwimmend 
ans  Ufer  gerettet.  Die  Sambuke  wieder  flott  zu  machen  gelang 
den  Portugiesen  nicht;  von  den  19  Pferden,  die  sie  führte,  konnten 
zwar  neun  glücklich  in  die  Boote  gebracht  werden,  aber  da  der 
Sturm  immer  heftiger  wurde,  mußte  man  sie  an  Land  schwimmen 
lassen  und  legte  einer  Anzahl  von  Indern,  die  inzwischen  am 
Strand  erschienen  waren,  die  Verpflichtung  auf,  die  Tiere,  die  von 
ihnen  eingefangen  wurden,  in  den  nächsten  Tagen  zurückzugeben. 
Nun  mußten  diese  sie  aber,  wie  es  scheint,  an  den  Raja  von  Onor 
abliefern,  und  als  die  Portugiesen  wiederkamen  um  ihre  Beute 
abzuholen,  erfuhren  sie  lediglich  diese  Tatsache.  Die  von  Almeida 
daraufhin  erhobene  Beschwerde  beantwortete  der  Raja  anscheinend 
mit  Ausflüchten  und  Hinhalten.  Allein  die  Zeit  drängte,  die 
Geschäfte  in  Anjediva  waren  erledigt  und  Almeidas  ritterlichem 
Stolz  erschien  die  Haltung  des  Rajas  als  Herausforderung.  So 
gingen  am  16.  Oktober  die  Portugiesen  mit  der  ganzen  verfüg- 
baren Flotte  unter  Segel  und  warfen  am  folgenden  Morgen  vor 
der  Shiravati-Mündung  Anker.  Der  Vizekönig  war  gesonnen 
Gewalt  anzuwenden,  falls  der  Raja  nicht  ohne  Verzug  die  Pferde 
herausgeben  oder  Entschädigung  anbieten  würde.  Sofort  nach 
der  Ankunft  wurde  ein  Boot  klar  gemacht  um  durch  Lotung  fest- 
zustellen, ob  größere  Schiffe  die  Barre  passieren  und  bis  zur  Stadt 
gelangen  könnten.  Die  Tiefe  erwies  sich  indes  als  ausreichend 
nur  für  Karavellen  und  kleine  Fahrzeuge.  Das  Land  zu  beiden 
Seiten  des  Flusses  machte  den  Eindruck  dichter  Bevölkerung;  elf 
aufgelegte  größere  Seeschiffe  und  zahlreiche  Sambuken  hatte  man 
vom  Boot  aus  gesehen.  Ein  paar  muhamedanische  Kaufleute  waren 
unterwegs  an  den  Bootsführer,  Fernäo  Suares,  mit  der  Bitte  heran- 
getreten, daß  die  Portugiesen  einige  ihnen  gehörende  Fahrzeuge 
nicht  verbrennen  möchten ;  sie  wollten  den  Raja  zur  Zahlung  der 
Entschädigung  für  die  Pferde  bestimmen.  Aber  der  Tag  verstrich, 
ohne  daß  etwas  dergleichen  geschah.  Nun  traf  Almeida  seine 
Vorbereitungen  zum  Angriff.  In  18  Booten  und  einer  Karavelle 
fuhren  bei  hellem  Mondschein  etwa  600  —  Sprenger  spricht  von 
800  —  Mann  während  der  Nacht  den  Fluß  hinauf  und  erreichten 
vor  Tagesanbruch  die  Stadt,  aus  der  unterdes  Weiber,  Kinder 
und  die  wertvollste  Habe  ins  nahe  Gebirge  geflüchtet  worden  waren. 
Der  Mond  war  inzwischen  untergegangen  und  tiefe  Finsternis. 
Sobald  es  hell  wurde,  erzählt  Sprenger  i,  »da  sahen  wir  ein  land 
daruff  ein  grosse  schar  volcks  /  also  das  der  hauffen  nit  was  zuo 

'  Q.  U.,  S.  118  f. 


77 

zelen  /  und  stunden  alle  in  weissen  hembdem  sunder  were  unn 
wollen  unsers  Hauptmanns  (d.  h.  Almeidas)  willen  gantz  nichts 
volnbringen  /  der  Häuptmann  hieß  uns  under  sie  schiessen :  und 
als  bald  wir  das  geschutz  ußgeen  liessen  /  do  flohen  sie  all  schneel 
hyn  wegk  /  und  kurtzlich  erschynen  sie  widerumb  am  selben 
ende  mit  grosser  menge  zum  streit  geruste  mit  schönen  Schiiten 
und  Schwertern  noch  yrer  land  sitten  gewappet.  Sie  hetten  auch 
in  der  selben  gegene  am  gestatten  des  meres  vil  kostlicher  schiff 
in  gewertig.  Wir  wurffen  inn  yre  huser  unn  schif  erschrockenlich 
unn  ernstlich  fuwer  /  und  theten  uns  widerumb  inn  unser  botten 
unn  schössen  under  sie  /  aber  uff  dem  lande  hatten  wir  nit  vil 
handeis  mit  ynen  /  sie  achten  auch  uff  unser  schyssen  nit  groß  / 
unn  stunden  kecklich  gegen  uns  /  also  das  wir  nit  vil  raups  von 
ynen  brachten.«  Nach  der  von  Sprenger  gewählten  Bezeichnung 
der  Tracht  darf  man  annehmen,  daß  der  Menschenmasse  am  Strand 
muhamedanische  Kaufleute  das  Gepräge  gaben ;  denn  die  Kleidung 
der  Hindu  bildete  nur  ein  von  den  Hüften  bis  zum  Knie  reichendes 
Lendentuch,  der  Oberkörper  war  nackte  Zu  ernsten  Kämpfen  ist 
es  in  Onor  offenbar  nicht  gekommen ;  der  Verlust  der  Portugiesen 
belief  sich  auf  einen  Toten  und  einen  Verwundeten;  der  letztere 
war  Almeida  selbst,  der  durch  einen  Pfeil  am  linken  Fuß  leicht 
getroffen  wurde;  auch  die  Feinde  hatten,  soweit  sich  das  fest- 
stellen ließ,  nicht  viel  mehr  als  20  Tote  und  eine  größere  Zahl 
Verwundete;  aber  14  ihrer  Schiffe  sollen  in  Flammen  aufgegangen 
sein.  Den  Zweck  der  Strafexpedition  —  mehr  war  kaum  beab- 
sichtigt —  hatte  Almeida  mit  geringen  eigenen  Opfern  erreicht 
und  am  Nachmittag  kehrten  die  Portugiesen  zu  ihren  Schiffen 
zurück.  Darf  man  den  portugiesischen  Historikern  des  1 6.  Jahr- 
hunderts und  dem  Berichte  Gaspars  da  Gama  an  den  König 
glauben,  so  ließ  der  indische  Fürst  noch  am  Abend  dieses  Tags 
dem  Vizekönig  seine  Reue  über  den  von  ihm  begangenen  Friedens- 
bruch, die  Bereitwilligkeit  zur  Entschädigung  für  die  Pferde  und 
die  Bitte  um  Frieden  aussprechen,  ja  erklären,  daß  er  sich  zum 
Vasallen  des  Königs  von  Portugal  machen  und  ihm  Tribut  zahlen 
wolle.  Almeida  soll  darauf  erwidert  haben,  daß  ihm  für  den 
Augenblick  die  Zeit  zu  Verhandlungen  fehle,  daß  er  aber  in  Kürze 
seinen  Sohn  mit  einer  Flotte  schicken  werde  um  Frieden  mit  dem  Raja 
zu  schließen  und  dessen  Tribut  entgegenzunehmen.  Noch  am  selben 
Abend  (18.  Oktober)  wurde  die  Weiterfahrt  nach  Cananor  angetreten. 
Sie  ging  nahe  der  Küste  hin,  deren  Schönheit  Sprenger  an- 
genehm in  die  Augen  fiel:  »unn  inn  dem  selben  lande  sein  hynden 
groß  berge  /  daruff  und  umb  Pfeffer  unn  andermer  Spetzerey  wechst  / 

»  Q.  U.,  S.  117  f. 


78 

unn  forn  gegen  dem  mere  ist  es  ein  schön  iand  mit  Palmiten 
bäumen  wol  gezyret«.  Die  Zeit  des  feuchten  Südwestmonsuns 
neigte  dem  Ende  zu,  der  heiße  und  troci<ene  Nordostpassat  begann 
zu  wehen,  der  Pfeffer  ging  der  Reife  entgegen:  »der  Pfeffer  wechst 
geleich  als  ein  Weintraube  unn  ist  schön  grün  /  dann  so  pfluckent 
sie  yn  abe  und  durrent  yn  uff  eym  Tuch  an  der  Sonnen  /  Er 
wirt  zeytig  umb  sant  Martins  tag :  oder  Weynachten  /  dann  umb 
die  selbige  zeit  ist  es  in  den  landen  am  heisten  /  und  inn  dem 
hohen  Sommer  geacht^«.  Bei  Cumbola  (Kumblah)  südlich  von 
Mangalore  endigte  der  zu  Vijayanagar  gehörige  Teil  des  Seegestades 
und  die  Flotte  segelte  nun  der  Malabarküste  entlang,  die  politisch 
in  eine  Reihe  kleiner,  unter  sich  rivalisierender  Staaten  zerfiel,  von 
denen  der  nördlichste  Cananor  war.  Ein  30 — 80  km  breiter,  wohl- 
bewässerter Streifen  Landes,  zieht  sich  Malabar  zwischen  den  west- 
lichen Abhängen  der  Ghat  und  der  Arabischen  See  bis  zum  Kap 
Comorin,  der  Südspitze  der  Halbinsel,  hin,  im  Innern  ein  male- 
risches Berg-  und  Waldland,  längs  der  See  fruchtbare  Ebene,  die 
üppige  Felder  und  Haine  von  Areka-  und  Kokospalmen  bedecken, 
wechselnd  mit  uralten  Wäldern,  die  Küstenlinie  aber,  zumal  im 
südlicheren  Teil,  durch  zahlreiche  Flußmündungen  und  weite 
Strandseen,  die  sich  über  mehr  als  360  km  erstrecken,  mannigfaltig 
und  schön  gegliedert  und  überall  von  größeren  und  kleineren 
Siedelungen  belebt.  Jahrhunderte  lang  waren  diese  Gestade  schon 
ein  Mittelpunkt  des  östlichen  Welthandels,  Calicut  seit  dem  H.Jahr- 
hundert einer  seiner  größten  Stapelplätze.  Die  Rubinen  und  Saphire 
von  Ceylon  und  Hinterindien,  die  Diamanten  von  Dekan  und  die 
Perlen  des  Manaargolfs  fand  man  in  seinen  Bazaren.  Gewürz- 
nelken und  Muskatnuß  kamen  von  den  Molukken  und  Inseln  der 
Banda-See  auf  seine  Märkte.  Die  beste  Zimmetrinde,  die  von 
Ceylon,  Pfeffer  und  Ingwer  von  Malabar  selbst,  Kampher  von 
Borneo  und  Sumatra,  Moschus  von  Tibet  und  Hinterindien,  kurz, 
alles,  was  der  Osten  an  Kostbarem  und  Begehrtem  erzeugte,  wurde 
hier  in  Mengen  gehandelt.  Dem  mächtigen  Calicut  gegenüber 
hatten  die  kleineren  Staaten,  wie  Couläo,  Cochin,  Cananor,  bis 
zum  Erscheinen  der  Portugiesen  in  zweiter  Linie  gestanden;  das 
von  Anfang  an  gesuchte  gute  Einvernehmen  mit  den  neuen  An- 
kömmlingen aber  und  deren  ständiger  Kriegszustand  mit  dem 
Samorin  von  Calicut  hatte  die  Bedeutung  von  Cochin  als  Pfeffer- 
und  von  Cananor  als  Ingwermarkt  zweifellos  gehoben  und  ver- 
sprach noch  weitere  Vorteile  für  die  Zukunft. 

Cananor  (Kannanür,    d.  h.    Krischnas   Stadt,    11"  50'  n.  Br., 
75"  20'  ö.  L.)  wurde  am  22.  Oktober  von  der  Flotte  erreicht.    Die 

1  Q.  U.,  S.  124. 


79 

Stadt  liegt  auf  der  Nordseite  einer  nach  Süden  offenen  Meeres- 
bucht, die  durch  ein  steiles  Vorgebirge  gegen  den  Wellenschlag 
des  Ozeans  geschützt'  ist,  und  war  damals  einer  der  bedeutendsten 
Seehäfen  in  Malabar.  Ihr  Raja,  nächst  denen  von  Calicut  und 
Couläo  der  angesehenste  an  dieser  Küste,  wenn  auch  nicht  so 
mächtig  wie  jene  beiden,  hatte  schon  das  zweite  portugiesische 
Geschwader,  das  des  Pedralvares  Cabral,  im  Januar  1501  in  seinem 
Hafen  freundlich  aufgenommen.  Vasco  da  Gama  hatte  auf  seiner 
zweiten  Indienfahrt  hier  einen  portugiesischen  Handelsagenten, 
Gongalo  Gil  Barbosa,  mit  Personal  zurückgelassen  und  der  brahma- 
nische  Raja  denselben  gegen  die  in  seinem  Gebiet  ebenso  zahl- 
wie  einflußreichen  und  kriegerischen  Mäppila  (Mopiah),  die  ein- 
heimischen Muhamedaner,  wenn  auch  nur  mit  Mühe,  zu  schützen 
gewußt. 

Als  Almeida  in  Cananor  eintraf,  warteten  dort,  wie  er  bereits 
vor  Wochen  in  Anjediva  erfahren  hatte,  zwei  Gesandte  des  Rao 
von  Vijayanagar  auf  ihn,  des  reichsten  und  mächtigsten  Herrschers 
in  Südindien,  dessen  Reich  sich  von  den  Westghat  bis  zum 
Bengalischen  Meerbusen  und  vom  Kap  Comorin  bis  zur  Kistna 
erstreckte.  Da  Gongalo  Gil  Barbosa  für  sie  um  baldige  Audienz 
bat,  wurde  dieselbe  gleich  auf  den  folgenden  Tag  festgesetzt.  Die 
Faktorei  verfügte  nicht  über  einen  Raum,  der  als  würdiger  Rahmen 
für  den  feierlichen  Empfang  hätte  gelten  können,  und  so  beschloß 
man  den  letzteren  an  Bord  stattfinden  zu  lassen.  Im  Hinblick  auf 
die  Größe  des  indischen  Herrschers  aber  und  den  Umstand,  daß 
Almeida  die  Person  des  Königs  von  Portugal  repräsentierte,  gab 
der  Rat  der  Fidalgos  und  Kapitäne  ein  Gutachten  dahin  ab,  er 
solle  sogleich  den  Titel  Vizekönig  annehmen  und  sich  mit  aller 
demselben  entsprechenden  Pracht  und  mit  königlichem  Zeremoniell 
bei  der  Audienz  umgeben ;  nach  den  in  Lissabon  darüber  getroffenen 
Verfügungen  sei  er  zwar  erst  nach  Errichtung  befestigter  Stütz- 
punkte in  Cochin,  Couläo  und  Cananor  berechtigt  die  vizekönigliche 
Würde  anzunehmen,  allein  es  könne  kein  Zweifel  darüber  bestehen, 
daß  die  Festungen  in  Quiloa  und  Anjediva  für  die  Sicherung  der 
portugiesischen  Kolonialherrschaft  als  gleichwertig  den  zwei  ersten 
gelten  dürften,  und  eine  dritte  werde  angesichts  der  von  Gon^alo 
Gil  dafür  getroffenen  Vorbereitungen  in  Cananor  binnen  kürzester 
Frist  errichtet  sein.  Almeida  verschloß  sich  den  vorgebrachten 
Gründen  nicht  und  mit  fürstlichem  Gepränge  empfing  er  auf  seinem 
Schiff  am  23.  Oktober  als  Vizekönig  die  Gesandten  des  indischen 
Rajas.  Auf  dem  hohen  Hinterkasteil  der  »Jeronimo«,  das  mit 
Sonnenzelt  überspannt  und  wie  die  ganze  Flotte  festlich  bewimpelt 
war,  stand  auf  einer  Erhöhung  sein  Sessel.  Über  dem  ärmellosen 
altportugiesischen  Obergewand  (pelote)  von  Atlas  hing   ihm  ein 


80 

Königsmantel  von  Brokat;  über  den  Schultern  lag  eine  reiche 
goldene  Kette  und  ihm  zur  Seile  hielt  ein  Page  das  blanke 
königliche  Schwert,  während  sein  Sohn  Lourengo,  alle  Fidalgos, 
Kapitäne  und  Ritter  in  Festgewändern  den  Sessel  umstanden.  Die 
Schiffsgeschütze  donnerten,  während  die  Inder  im  Boot  herüber- 
fuhren; als  sie  an  Bord  anlangten,  begannen  die  Trompeten  zu 
schmettern  und  die  Kesselpauken  dröhnten,  der  Vizekönig  stieg 
von  der  Estrade  herab,  ging  ihnen  ein  paar  Schritte  entgegen  und 
hieß  sie  dann  auf  Sesseln  gleich  dem  seinen  Platz  nehmen.  Hierauf 
entledigten  sich  die  Gesandten  ihres  Auftrags,  der  durch  einen 
Dolmetscher,  vielleicht  Almeidas  Vertrauensmann  Gaspar  da  India, 
dem  Vizekönig  übermittelt  wurde.  Der  Rao  ließ  den  Wunsch 
nach  freundschaftlichen  Beziehungen  mit  dem  König  von  Portugal 
ausdrücken,  erklärte  sich  einverstanden,  falls  dieser  in  irgend  einem 
seiner  Häfen,  ausgenommen  Baticala,  das  verpachtet  sei,  eine 
Festung  bauen  wolle,  und  versprach  sogar  alles  dafür  nötige 
Material  zu  liefern  und  Hilfskräfte  zu  stellen.  Als  wirksames 
Mittel  zur  festen  Begründung  beiderseitiger  Freundschaft  brachte 
er  die  eheliche  Verbindung  des  portugiesischen  Thronerben  mit 
einer  Prinzessin  seines  Hauses  in  Vorschlag.  Hierauf  überreichten 
die  Gesandten  neben  kostbaren  Geschenken  für  den  Prinzen  einen 
Brief  an  König  Manuel,  der  den  Inhalt  seiner  Gesandtschaft  noch 
einmal  schriftlich  enthielt.  Damit  war  die  Audienz  beendet  und 
die  Gesandten  kehrten  an  Land  zurück.  Der  Gedanke  der  von 
dem  indischen  Fürsten  vorgeschlagenen  Eheschließung  scheint  den 
Vizekönig  während  der  folgenden  Wochen  ernsthaft  beschäftigt 
zu  haben.  »Könnte  es  nicht  in  Gottes  Ratschluß  liegen«,  so 
etwa  äußert  er  sich  in  dem  Brief  an  König  Manuel  vom  16.  De- 
zember 1505,  »durch  diese  Ehe  die  gesamte  Welt  hier  dem  Christen- 
tum zuzuführen?«  Einen  eigenen  Gesandten  mit  denen  des  Rao 
nach  Vijayanagar  zu  schicken,  wie  diese  es  anscheinend  wünschten 
und  König  Manuel  es  ihm  freigestellt  hatte,  konnte  er  sich  freilich 
nicht  entschließen.  War  es  seine  Abneigung  dagegen,  Portugal 
in  die  politischen  Händel  der  indischen  Staaten  verwickeln  zu 
lassen,  und  die  schweren  inneren  Wirren,  von  denen  Vijayanagar 
damals  heimgesucht  war?i  Es  gebe  keinen  Pfeffer  in  Narsinga 
und  es  sei  weit  vom  Meer  entfernt  2,  so  begründet  er  jedenfalls 
die  Weigerung  gegenüber  dem  Drängen  des  Pero  Fernandez  Tinoco, 
den  der  König,  ohne  allerdings  Almeida  an  diese  Wahl  zu  binden  3, 
für  eine  etwaige  Gesandtschaft  dorthin  ausersehen  hatte.     Schien 


1  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  203. 

2  ebd.,  Bd.  II,  S.  342. 

3  ebd.,  Bd.  II,  S.  327. 


81 

ihm  nur  der  Mann  ungeeignet  oder  wirkte  beides  zusammen? 
Wenn  die  Person  des  Pero  Femandez  der  Stein  des  Anstoßes 
für  ihn  gewesen  seih  sollte,  so  wäre  das  nach  den  zwei  Briefen, 
die  dieser  in  der  Angelegenheit  am  21.  November  1505  und 
1 5.  Januar  1 506  von  Cochin  aus  an  den  König  schreibt ',  mehr 
als  begreiflich.  Ein  breiter,  seichter  Schwätzer,  aber  ausgestattet 
mit  einem  Selbstbewußtsein,  für  das  es  keinen  Zweifel  gibt,  daß, 
wenn  der  Vizekönig  ihn  Ende  Oktober  als  Gesandten  nach  Vija- 
yanagar  geschickt  hätte,  zur  Zeit,  wo  er  seine  zweite  Epistel  schreibt, 
also  Mitte  Januar,  Calicut  und  Couiäo  von  dem  Rao  bereits  in 
Trümmer  gelegt  wären  2  —  diesen  Menschen  konnte  Almeida  un- 
möglich ernst  nehmen,  ganz  abgesehen  von  dem  Charakter,  den 
namentlich  der  letzte  Brief  in  einem  sehr  ungünstigen  Lichte  zeigt 
Übrigens  soll  ihm  nach  Correa^  vom  König  auch  mehr  die  Auf- 
gabe zugedacht  gewesen  sein,  in  Vijayanagar  den  Handel  mit  Edel- 
steinen in  die  Wege  zu  leiten,  auf  die  er  sich  verstanden  habe. 
Wie  in  bezug  auf  den  Zeitpunkt  die  Annahme  des  neuen 
Titels  den  Bestimmungen  von  Almeidas  Instruktion  nicht  ganz  ent- 
sprach, so  auch  das  Anlaufen  von  Cananor.  Manuels  Anweisung 
lautete  dahin,  daß  von  Anjediva  der  Kurs  unmittelbar  auf  Cochin 
gesetzt  und  dort  mit  möglichster  Beschleunigung  vor  allem  die 
Gewürzschiffe  abgefertigt,  dem  Raja  von  Cananor  nur  im  Vorbei- 
fahren ein  Brief  Manuels  zugestellt  und  die  Stadt  von  dem  Vize- 
könig später  erst  besucht  werden  sollte.  Wenn  Almeida  trotzdem 
schon  jetzt  in  Cananor  landete,  so  war  der  Grund  nicht  bloß 
Rücksicht  auf  die  Gesandten  des  Rao ;  vielmehr  hatte  ihm  Gongalo 
Gil  Barbosa  bereits  nach  Anjediva  Meldung  zugehen  lassen  über 
Vorbereitungen,  die  er  unter  dem  Vorwand,  ein  festes  Haus  für 
die  portugiesische  Faktorei  zu  errichten,  in  aller  Stille  und  Heim- 
lichkeit zum  Bau  einer  Festung  in  Cananor  getroffen  habe.  Mehr 
und  mehr  nämlich  hatte  sich  herausgestellt,  daß  gegen  die  ein- 
heimischen Muhamedaner  der  Raja  trotz  seiner  Freundschaft  für 
die  Portugiesen  auf  die  Dauer  nicht  imstande  sein  würde  sie  zu 
schützen.  Die  Mopiah  saßen  zahlreich  über  ganz  Malabar  verteilt 
und  bildeten  hier,  wenn  die  Schätzung  des  Duarte  Barbosa  (um 
1516)  richtig  ist,  etwa  ein  Fünftel  der  Bevölkerung.  Der  Sprache 
nach  wie  die  übrigen  Bewohner  des  Landes  Malayali,  gingen  sie 
wie  die  Männer  aus  der  Kriegerkaste  der  Najer  nur  mit  Lenden- 
tuch bekleidet,  trugen  aber  im  Gegensatze  zu  diesen  Kopfbedeckung 
und  langen  Bart.  Ihre  Bräuche  waren  z.  T.  die  der  heidnischen 
Inder:   so  erbten   z.  B.,  obwohl   die  Polyandrie  der  Najer  ihnen 

i~ebd.,  Bd.  II,  S.  341-344  und  Bd.  III,  S.  170-177. 

2  ebd.,  Bd.  III,  S.  175. 

3  Lendas  da  India,  Bd.  I,  S.  618. 

Hümnierich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien.  a 


82 

fremd  war,  doch  wenigstens  die  eine  Hälfte  des  Vermögens  die 
Schwestersöhne.  Daß  sie  in  der  Kastenordnung  hoch  standen, 
veranlaßte  nicht  wenige  Inder  zu  ihrem  Glauben  überzutreten  um 
dadurch  die  eigene  soziale  Stellung  zu  verbessern.  So  nahm  die 
Zahl  der  Mopiah  ständig  zu.  Kapital,  Reederei  und  Seehandel 
von  Malabar  lag  zum  weitaus  größten  Teil  in  ihren  Händen  ^ 
Die  Furcht,  aus  dieser  Stellung  durch  die  neuen  Ankömmlinge 
verdrängt  zu  werden,  machte  neben  dem  religiösen  Fanatismus 
die  Mopiah  in  Cananor  wie  anderwärts  zu  erbitterten  und  bei 
ihrem  Reichtum,  Einfluß  und  kriegerischen  Sinn  sehr  gefährlichen 
Feinden  der  Portugiesen.  Wollten  diese  sich  behaupten,  so  mußte 
es  aus  eigener  Kraft  geschehen.  Daß  man  sich  aber  in  Cananor 
behauptete,  schien  wichtig  wegen  der  Bedeutung,  welche  die  Stadt 
für  den  Handel  mit  indischem  Ingwer  hatte.  Der  Verbrauch  dieses 
Gewürzes  war  im  Abendland  kaum  weniger  verbreitet  als  der 
des  Pfeffers;  man  benutzte  es  nicht  nur  in  den  Apotheken  zur 
Herstellung  einer  Latwerge,  man  würzte  damit  auch  viele  Fleisch- 
und  Fischgerichte  ebenso  wie  den  beliebten  Würzwein.  Der 
größte  malabarische  Ingwermarkt,  Calicut,  in  dessen  Umgebung 
zugleich  die  beste  Qualität  des  Gewürzes  erzeugt  wurde,  war  nun 
den  Portugiesen  von  Anfang  an  verschlossen ;  größere  Mengen 
von  Ingwer,  freilich  eine  geringere  Sorte,  hatte  in  Indien  sonst 
außer  Couläo  nur  Cananor  zu  bieten.  Um  sich  also  den  Bezug 
hier  zu  sichern,  mußten  die  Portugiesen  zur  Anlage  einer  Festung 
schreiten,  in  der  sie  für  sich  selbst  und  ihre  Waren  Schutz  gegen 
die  Mopiah  'finden  konnten.  Die  natürliche  Lage  des  Ortes,  den 
ihnen  der  Raja  für  ihre  Faktorei  angewiesen  hatte,  kam  diesem 
Bedürfnis  entgegen.  Es  war  eine  schmale,  palmenbewachsene 
Landspitze,  durch  Graben  und  Wall  gegen  das  Land  zu  bei  einer 
geringsten  Breite  von  44  m^  leicht  abzusperren  und  auf  den  andern 
Seiten  durch  Fels  und  Meer  trefflich  gesichert:  »als  ob  Gott  das 
Gelände  geschaffen  hätte  um  der  Festung  ewige  Dauer  zu  geben«, 
urteilt  der  Vizekönig  in  dem  Brief  vom  16.  Dezember.  Wasser 
gab  es  freilich  im  Innenraum  der  geplanten  Anlage  nicht,  wohl 
aber  fand  sich  im  allernächsten  Vorgelände  ein  Brunnen,  aus  dem 
sich  die  Besatzung  mit  Trinkwasser  versorgen  konnte.  Alle 
Bedingungen  waren  gegeben,  ein  Erdwall  mit  Pfahl  werk  von 
Gongalo  Gil  bereits  über  die  Landenge  gezogen,  die  Grundmauern 
der  eigentlichen  Feste  gelegt;  es  galt  nun  zu  dem  Bau  noch  die 
Erlaubnis  des  Rajas  zu  erwirken.  Zu  diesem  Zweck  ließ  der  Vize- 
könig eine  Zusammenkunft  mit  ihm  für  den  24. Oktober  vereinbaren. 


1  Carlas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  I,  S.  306  f. 

2  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  17. 


83 

Der  königliche  Palast  lag  etwa  12  km  von  der  Stadt  entfernt. 
Längs  des  Weges  dahin  war  alles  bewohnt  wie  eine  Straße.  Da 
Almeida  seiner  Instruktion  gemäß  vor  der  Ankunft  in  Cochin  nicht 
an  Land  gehen  sollte,  fand  im  Bereich  des  Faktoreigeländes  die 
Zusammenkunft  am  Seestrande  statt,  im  Schatten  von  Palmen, 
dicht  am  Meer  ließ  der  Raja  aus  feinen  Stoffen  ein  luftiges  Zelt 
schlagen  und  davor  einen  gleichfalls  mit  seidenem  Sonnenzelt 
überspannten  Landungssteg  errichten.  Kriegerische  Musik  von 
Pauken,  Becken  und  metallenen  Blasinstrumenten  verkündete  zur 
verabredeten  Stunde  sein  Nahen.  Mehr  als  6000  Menschen  folgten 
ihm,  darunter  etwa  die  Hälfte  Najer,  alle  nackt  bis  auf  ein  knapp 
um  Hüften  und  Oberschenkel  geschlungenes  weißes,  gelbes  oder 
rosafarbenes  Tuch,  die  einen  bewaffnet  mit  Schilden  und  Schwertern, 
andere  mit  langen  Lanzen  oder  Wurfspeeren,  deren  Eisen  eine 
halbe  Elle  lang  waren,  wieder  andere  mit  Pfeilen  und  Bogen,  die 
den  englischen  Bogen  an  Länge  glichen.  Mit  hohlen  Ringen, 
die  am  Schuh  der  eisen-  oder  messingbeschlagenen  Lanzen  und 
am  Griff  der  ohne  Scheide  getragenen,  nur  zum  Hieb  gebrauchten 
Schwerter  befestigt  waren,  verursachten  sie,  die  Waffen  schwingend 
und  laute  Schreie  ausstoßend  (»Cucuya«),  ein  kriegerisches  Getöse. 
So  schritten  sie  unter  Scheinkämpfen  vor  und  hinter  dem  Raja  her. 
Dieser  selbst  saß  mit  untergeschlagenen  Beinen  auf  einem  kostbar 
gearbeiteten  flachen  Traggestell,  das  vier  Männer  auf  den  Schultern 
trugen,  während  ein  fünfter  nebenlierschreitend  ihm  den  an  langem 
Bambusrohr  befestigten  Sonnenschirm,  das  Abzeichen  der  Würde, 
über  das  Haupt  hielt,  andere  mit  Fächern,  die  sie  an  langen,  ver- 
goldeten Stäben  trugen,  ihm  Kühlung  fächelten.  Gekleidet  war 
er  in  ein  feines,  weißes  Baumwolltuch,  das  ihm  von  den  Hüften 
bis  über  die  Hälfte  der  Oberschenkel  herabhing  und  durch  einen 
reich  mit  Edelsteinen  besetzten  breiten  Gürtel  gehalten  war'.  Das 
emporgebundene  Haar  war  verhüllt  von  einer  hohen  seidenen  Kopf- 
bedeckung, die  der  Bericht  von  der  »Rafael«  mit  einer  galizischen 
Sturmhaube  vergleicht.  Dieselbe  Form  hatte  eine  goldene  Krone, 
die  ein  Edelknabe  dem  Raja  hielt  und  die  nach  der  gleichen  Quelle 
acht  portugiesische  Mark  (229,5  g)  wiegen  mochte.  Während 
Kinn  und  Wangen  rasiert  waren,  trug  der  Fürst  einen  langen 
Schnurrbart  nach  türkischer  Art.  In  den  durchbohrten  Ohrläppchen 
hing  kostbarer  Schmuck  von  Perlen  und  Edelgestein,  Nachdem 
er  das  Zelt  erreicht  hatte,  das  außer  ihm  nur  Brahmanen  betreten 
durften,  ließ  er  sich  auf  einem  dort  bereitstehenden  Ruhebett  nieder. 


'  Barros,  Dec.  I,  1.  IX,  c.  4  und  Q.  U.,  S.  61  ff.,  wo  Schilderungen 
derartiger  Aufzüge  der  Rajas  nach  Correa  und  Duarte  Barbosa  sowie 
Oiovanni  da  Empoli  gegeben  sind. 


84 

Alsbald  legte  auch  Almeidas  Boot  am  Landungssteg  an  und 
unter  Vorantritt  von  Trompetern,  uniformierten  Leibwächtern,  Stab- 
trägern mit  vergoldeten  Silberstäben  und  eines  Pagen,  der  ihm 
das  blanke  königliche  Schwert  vortrug,  schritt  er  mit  einem  kleinen 
Gefolge  von  Edelleuten  dem  Zelte  zu,  unter  dem  ihn  der  Raja 
aufs  freundlichste  empfing.  Kein  Muhamedaner  war  bei  der  nun 
folgenden  Unterredung  anwesend;  als  Dolmetscher  diente  Gaspar 
da  India.  Den  Hauptgegenstand  bildete  der  Festungsbau,  dessen 
Notwendigkeit  der  Vizekönig  unter  Hinweis  auf  den  Kriegszustand 
mit  Calicut,  auf  die  Feindschaft  der  Mopiah  und  die  Sicherung 
der  Portugiesen  und  ihres  Handels  sowie  auf  die  Vorteile,  die 
aus  dem  letzteren  für  Cananor  erwachsen  würden,  eingehehend 
begründete.  Der  Raja  willigte  denn  auch  sowohl  in  diese  Forde- 
rung Almeidas  wie  angeblich  in  die  andere,  daß  in  seinem  Lande 
der  Handel  des  portugiesischen  Königs  und  seiner  Untertanen 
künftig  abgabenfrei  sein  solle :  wenigstens  behauptet  das  der  portu- 
giesische Historiker  Fernäo  Lopez  de  Castanheda  ^  Darauf  trennten 
sich  nach  Austausch  von  Geschenken  beide  im  besten  Einvernehmen. 

Gleich  am  nächsten  Morgen,  dem  25.  Oktober  2,  ging  Almeida 
mit  aller  auf  den  Schiffen  entbehrlichen  Mannschaft  an  Land  und 
in  rüstiger  Arbeit  aller,  des  Edelmannes  wie  des  gemeinen  Soldaten, 
unter  Beihilfe  auch  des  Rajas,  der  Material  wie  Handwerker  zur 
Verfügung  stellte,  wurden  in  fünf  Tagen  auf  den  vorbereiteten 
Fundamenten  Mauer  und  Türme  bis  zu  der  Höhe  aufgeführt,  daß 
das  Geschütz  in  Stellung  gebracht  werden  konnte  und  die  Feste 
verteidigungsfähig  war.  Man  gab  ihr  den  Namen  »Santangelo«. 
Das  Kommando  (capitania)  erhielt  der  Obermundschenk  des  Königs, 
Lourengo  de  Brito,  der  von  Manuel  zwar  zum  Kommandanten  der 
in  Couläo  zu  erbauenden  Festung  bestimmt  war,  aber  das  Gewisse 
dem  Ungewissen  vorzog  und  die  bereits  im  Bau  begriffene  hier 
übernahm.  Gouverneur  (alcaide  mör)  wurde,  sehr  zum  Verdruß 
der  portugiesischen  Edelleute,  der  oben  erwähnte  Kastilianer  Gua- 
delajara.     Als  Besatzung  blieben  rund  150  Mann. 


•  A.  a.  O.,  I.  II,  c.  17.  Die  Nachricht  ist  wenig  glaubwürdig;  die 
Höhe  der  1502/03  gezahlten  Abgaben  s.  bei  Matteo  di  Begnino  in 
Hümmerich,  Vasco  da  Gama,  S.  200.  Vermutlich  liegt  Verwechslung 
mit  der  unten  erwähnten  Herabsetzung  des  Gewürzpreises  vor;  ein  so 
weittragendes  Zugeständnis  des  Rajas  hätte  Gaspar  da  Gama  in  dem 
Brief  an  den  König  sicher  nicht  unerwähnt  gelassen. 

2  Goes  (Chron.,  p.  II,  c.  7)  und  Castanheda  (a.  a.  O.,  1.  II,  c.  17) 
geben,  während  ihre  eigene  Darstellung  des  Aufenthaltes  in  Cananor 
richtig  auf  den  25.  Oktober  führt,  den  23.  an,  ein  Beweis,  daß  Goes 
hier  wie  im  ganzen  dem  Bericht  Castanhedas  folgt ;  denn  gemeinsame 
Quelle  für  den  Irrtum  ist  nicht  anzunehmen. 


85 

In  der  Handelsagentur  (feitoria)  löste  Lopo  Cabreira  den 
Gon^alo  Gil  schon  jetzt  ab.  Das  war  nicht  beabsichtigt  gewesen. 
Da  der  am  Ort  befindliche  Faktor  die  Lieferungsverträge  mit  den 
einheimischen  Kaufleuten  abzuschließen  hatte,  war  es  für  die  rasche 
Abfertigung  der  nach  Portugal  bestimmten  Schiffe  an  sich  vorteil- 
hafter, wenn  er,  wie  in  Cochin  Diogo  Femandes,  vor  seiner  Ab- 
lösung auch  die  Ladung  noch  selbst  in  die  Wege  leitete.  Allein 
das  erwies  sich  hier  als  unmöglich.  Das  Verhältnis  des  bisherigen 
Handelsagenten  zu  den  muhamedanischen  Kaufleuten  war  das  denk- 
bar schlechteste,  ihre  geschäftlichen  Beziehungen  zur  Faktorei  fast 
abgebrochen.  Der  Preis,  den  sie  für  ein  Quintal  Pfeffer  forderten, 
überstieg  den  in  Cananor  zuerst  bezahlten  nach  dem  Bericht  Gaspars 
da  Gama  um  250  Reis'.  Meint  er  mit  dem  zuerst  bezahlten  (»ho 
prego  primeiro«)  den  vom  Admiral  1502  vereinbarten  Preis,  der 
nach  Almeidas  Instruktion  1505/06  für  die  Einkäufe  maßgebend 
sein  sollte,  so  würde  das,  den  Cruzado  zu  390  Reis  gerechnet, 
einschließlich  der  Abgabe  an  den  Raja,  eine  Steigerung  von  3,05 
auf  3,69  Cruzados,  ohne  die  Abgabe  von  2,89  auf  3,54  Cruzados 
bedeutet  haben  2.  Verhandlungen  des  Gaspar  da  Gama  und  des 
Diogo  Lopes,  Faktoreischreibers  der  »Jeronimo«,  mit  den  Kauf- 
leuten und  dem  Raja  führten  indes  rasch  zur  Einigung :  der  Pfeffer- 
preis wurde  auf  3  Cruzados  für  das  Quintal  festgesetzt  und  sollte 
zur  Hälfte  in  Geld,  zur  Hälfte  in  Waren  gezahlt  werden ;  das  war 
ein  für  die  Portugiesen  recht  günstiges  Ergebnis  3.  Auch  der  Raja 
hatte  übrigens  gegen  Gongalo  Gil  eine  scharfe  Anklageschrift  beim 
Vizekönig  einreichen  lassen,  worin  dem  Handelsagenten  Schädi- 
gung des  Landes  vorgeworfen  wurde.  Die  Erbitterung  gegen 
ihn,  berichtet  Almeida  unterm  16.  Dezember  an  den  König,  sei 
derart  gewesen,  daß  nur  die  Kunde  von  der  Ankunft  der  großen 
portugiesischen  Flotte  vor  Anjediva  ihn  und  seine  Leute  vor  dem 
Äußersten  bewahrt  habe ;  sofortige  Entfernung  vom  Amte  sei  also 
nötig  gewesen,  so  unerwünschten  Aufenthalt  auch  die  Neuordnung 
der  Faktorei  in  Cananor  mit  sich  gebracht  habe.  Almeida  gibt 
mit  den  ersten  Schiffen,  die  abgehen,  die  Anklageschrift  nach 
Portugal  weiter,  wohin  Gongalo  Gil  zurückkehrt,  empfiehlt  aber 
mit  Hinweis  auf  die  Falschheit  der  Menschen  im  Lande  und 
auf  A\itteilungen  Lourengos  de  Brito,  in  denen  die  Anklagen  als 
unwahr  bezeichnet  werden,  sorgfältige  Prüfung  des  Falles. 

1  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  202. 

2  Vgl.  die  Angaben  des  Matteo  di  Begnino  in  Hümmerich,  Vasco 
da  Gama,  S.  201. 

3  Ca  Massers  Angaben  führen  auf  einen  Preis  von  3,61  Cruzados, 
was  ungefähr  dem  von  den  muhamedanischen  Kaufleuten  zunächst  ge- 
forderten entspräche  (a.  a.  O.,  S.  26). 


86 

Hatte  Oaspar  da  India  in  Cananor  wiederum  sein  kauf- 
männisches Geschick  und  sein  Verhandlungstaient  bewiesen,  so 
sollte  dem  Alternden  hier  auch  ein  schönes  Glück  zuteil  werden, 
dessen  er  dankbar  in  den  drei  Briefen  an  den  König  gedenkt, 
die  uns  von  ihm  erhalten  sind^  Als  ihn  14Q8  Vasco  da  Gama 
mit  Gewalt  von  Anjediva  nach  Portugal  mitführte,  hatte  er  in  Indien 
eine  Familie  zurückgelassen.  Nun  erfuhr  er,  daß  ein  erwachsener 
Sohn  von  ihm,  der  inzwischen  wie  der  Vater  dort  weit  herum- 
gekommen war,  in  Vijayanagar  mit  dem  Bruder  Luis,  einem  portu- 
giesischen Mönch,  der  sich  zweimal  in  den  vorangegangenen  Jahren 
länger  dort  aufgehalten  hatte,  zusammengetroffen  und  durch  ihn 
veranlaßt,  im  Februar  1503,  kurz  nachdem  Gaspar  mit  dem  Admiral 
Malabar  wieder  verlassen  hatte,  nach  Cananor  gekommen  war  2. 
Wie  der  Vater  hatte  er  alsbald  die  Taufe  genommen,  wie  Gaspar 
den  seinen  nach  einem  der  heiligen  drei  Könige  aus  Morgenland 
den  Namen  Balthasar  erhalten  und  als  Dolmetscher  acht  Monate 
in  der  dortigen  Faktorei  gedient.  Lopo  Suares,  der  ihn  hier  kennen 
und  offenbar  seine  Fähigkeiten  schätzen  gelernt  hatte,  nahm  ihn 
von  Cananor  nach  dem  als  Ladehafen  wichtigeren  Cochin  mit 
und  nun  war  er  dort  als  Dolmetscher  tätig,  gewillt  wie  sein  Vater 
dauernd  in  portugiesische  Dienste  zu  treten.  Gaspar  empfiehlt 
den  jungen  Mann,  der  zu  der  Zeit,  wo  er  den  letzten  seiner  drei 
Briefe  schrieb  (Ende  1507),  28  Jahre  alt  war,  wiederholt  der  Gnade 
des  Königs. 

Um  die  Ladung  der  Gewürzschiffe  nicht  zu  verzögern  hatte 
der  Vizekönig  am  27.  Oktober,  wie  er  an  den  König  schreibt, 
»Rafael«  und  »Lionarda«  sowie  das  Schiff  des  Antäo  Gongalves, 
die  »Judia«,  nach  Cochin,  Ruy  Freire  nach  Couläo  vorausgeschickt, 
er  selbst  fuhr  auf  der  »Jeronimo«  mit  den  andern  erst  drei  Tage 
später  von  Cananor  ab  und  traf  am  1.  November,  Allerheiligen, 
in  Cochin  ein.  Die  drei  erstgenannten  Fahrzeuge  waren  dort  am 
30.  Oktober  angekommen,  nachdem  am  vorhergehenden  Tag 
zwischen  Chaliam,  das  wenig  südlich  von  Calicut,  am  Südufer  des 
Beypoor-Flusses  lag,  und  Cochin  Sambuken  ihnen  gefolgt  waren, 
ohne  daß  es  indes  zu  einem  Angriff  kam.  Nach  einer  Fahrt  von 
über  sieben  Monaten  hatte  damit  die  Flotte  das  Ziel  ihrer  Reise 
glücklich  erreicht. 

Aber  kaum  waren  am  1.  November  abends  die  Anker  der 
»Jeronimo«  im  Hafen  gefallen,  da  legte  eine  in  Cochin  stationierte 

i~Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  195  ff.  und  200  ff. 
und  Bd.  II,  S.  371  ff.  Zeitlich  ist  der  an  zweiter  Stelle  genannte  un- 
datierte am  frühesten,  etwa  Dezember  1505,  der  zuerst  aufgeführte,  eben- 
falls ohne  Datum,  am  spätesten,  Ende  1507,  abgefaßt. 

2  Carlas  d'A.  d'A.,  Bd.  111,  S.  202  f. 


87 

Karavelle  unter  dem  Befehl  des  Christoväo  Jusarte  bei  ihr  an  und 
brachte  die  Hiobspost,  daß  in  Couläo  den  portugiesischen  Handels- 
agenten Antonio  de  Sä  mit  16  Leuten  das  Schicksal  ereilt  habe, 
vor  dem  in  Cananor  den  Gonqalo  Oil  des  Vizekönigs  Ankunft 
in  Indien  bewahrt  hatte:  sie  waren  sämtlich  erschlagen  worden, 
Coulao  (Kollam,  9°  10'  n.  Br.,  76°  30'  ö.  L),  heute  Quilon  im 
Staate  Travancore,  auf  sandiger  Ebene,  gartenumgeben  in  einer 
geschützten  Bucht  am  Meer  gelegen,  wird  schon  von  den  frühesten 
arabischen  und  europäischen  Reisenden  als  bedeutender  Stapelplatz 
des  östlichen  Handels  erwähnt  und  war  das  noch  im  Beginn  des 
16.  Jahrhunderts.  Der  brahmanische  Raja  herrschte  über  ein  an- 
sehnliches und  reiches  Gebiet,  das  sich  bis  jenseits  des  Kaps 
Komorin  erstreckte,  und  unterhielt  eine  achtunggebietende  Streit- 
macht, größtenteils  Bogenschützen,  mit  der  er  in  ständigem  Grenz- 
krieg gegen  Vijayanagar  lag.  Duarte  Barbosa  (1516)'  bezeichnet 
Couläo  als  eine  sehr  große  Stadt  mit  trefflichem  Seehafen,  in  dem 
viele  Muhamedaner,  Heiden  und  indische  Christen  Handel  trieben 
und  ihre  zahlreichen  Schiffe  nach  Ceylon,  Koromandel,  Bengalen 
und  Pegu,  Sumatra  und  Malakka  schickten.  Da  die  Stadt  am 
Südende  des  malabarischen  Pfeffergebietes  lag,  kamen  gewisse 
Mengen  dieses  Gewürzes  hier  auf  den  Markt.  Eine  sehr  wichtige 
Einnahme  des  Rajas  aber  bildeten  die  Zölle,  -die  der  rege  Schiffs- 
verkehr in  seinen  Häfen  einbrachte.  Affonso  d'Albuquerque  hatte 
gegen  Ende  des  Jahres  1 503  die  Stadt  besucht,  Pfefferladung  dort 
eingenommen  und  als  Handelsagenten  den  Antonio  de  Sä  von 
Santarem  mit  einer  Anzahl  anderer  Portugiesen  zurückgelassen.  Nun 
waren,  wie  es  scheint,  alle  Parangi  (»Franken«),  die  sich  in  der 
Stadt  befanden,  in  dem  Gemetzel  zu  Ende  Oktober  umgekommen. 
Eigene  Unklugheit  des  Antonio  de  Sä  und  eigenmächtig  gewalt- 
tätiges Vorgehen  des  unbesonnenen  Draufgängers  Joäo  Homem 
hatten  das  Unheil  verschuldet. 

Von  Anjediva  aus  hatte  der  Vizekönig  den  Ritter  mit  seiner 
Karavelle  abgesandt  um  den  Handelsagenten  in  Cananor,  Cochin 
und  Coulao  seine  Ankunft  zu  melden,  damit  sie  Vorbereitungen 
für  die  Ladung  träfen.  Als  die  Karavelle  in  Coulao  eintraf,  erzählte 
Antonio  de  Sä  dem  Kapitän,  daß  es  Pfeffer  in  genügender  Menge 
in  der  Stadt  gebe,  daß  aber  34  muhamedanische  Kauffahrer  im 
Hafen  lägen  um  Ladung  einzunehmen.  Sie  würden  dieselbe  auch 
schon  erhalten  haben,  wenn  er  nicht  bei  der  zuständigen  Stelle 
Einspruch  erhoben  und  darauf  hingewiesen  hätte,  daß  vertrags- 
mäßig in  Coulao  muhamedanische  Kaufleute  erst  Ladung  erhalten 
sollten,  wenn  die  Schiffe  des  portugiesischen  Königs  ihren  Bedarf 


CoUec^ao  de  Noticias,  Bd.  II,  S.  348. 


88 

gedeckt  hätten.  Man  habe  ihm  darauf  zugesagt,  daß  Weisung  in 
diesem  Sinn  ergehen  würde.  Das  Verhalten  der  indischen  Behörde 
war  sonach  einwandfrei  gewesen,  das  Angebot  von  Waren  seitens 
der  indischen  Kaufleute  aber  anscheinend  unzulängh'ch.  Der  Ver- 
dacht lag  nahe,  daß  die  muhamedanischen  Handelsherrn  sie  an 
sich  zu  ziehen  wüßten.  Die  Gabe  ruhigen  Zuwartens  besaß  nun 
niemand  weniger  als  Joäo  Homem;  er  fand,  daß  es  ein  sehr 
einfaches  und  wirksames  Mittel  gebe  den  muhamedanischen  Kauf- 
leuten die  Pfefferausfuhr  unmöglich  zu  machen,  ein  Mittel,  wie  es 
ähnlich  gegenüber  den  christlichen  Kauffahrern  von  den  Mameluken- 
sultanen in  Alexandrien  angewandt  wurde,  nämlich  Wegnahme  der 
Steuer  und  Segel;  und  dem  kurzsichtigen  Antonio  de  Sä  leuchtete 
das  ein.  Joao  Homem  ging  also  sogleich  ans  Werk  und  die 
muhamedanischen  Kaufleute  leisteten,  da  außer  der  »S.  Jorge«  noch 
die  Karavelle  desjusarte  im  Hafen  lag,  aus  Furcht  vor  Verbrennung 
ihrer  Schiffe  gegenüber  der  brutalen  Vergewaltigung  keinen  Wider- 
stand. Segel  und  Ruder  wurden  in  die  portugiesische  Faktorei 
gebracht  und  Joäo  Homem  fügte  nun,  von  Antonio  de  Sä  nicht 
zurückgehalten,  zur  ersten  Torheit  die  zweite  noch  größere  hinzu: 
er  fuhr  von  Coulao  ab  und  dem  Vizekönig  entgegen  um  ihm  von 
seinen  Taten  Bericht  zu  erstatten.  Das  war  noch  vor  Almeidas 
Ankunft  in  Cananor  geschehen.  In  der  Gegend  dieser  Stadt  kaperte 
die  Karavelle  zwei  kleine  muhamedanische  Schiffe  und  der  Ritter 
legte  nun  eine  neue  Probe  seiner  Umsicht  ab:  er  schickte  die 
gefangene  Mannschaft  entwaffnet  unter  Deck  und  setzte  auf  jedes 
der  Schiffe  drei  Portugiesen  zur  Bedienung  von  Steuer  und  Segel. 
Beim  Monte  Deli  etwas  nördlich  von  Cananor  traf  er,  stolz  mit 
seinen  Prisen  daherkommend,  die  portugiesische  Flotte.  Aber  das 
Unglück  wollte,  daß  gerade  in  diesem  Augenblick  eines  der  zwei 
gekaperten  Schiffe  sich  von  der  Karavelle  etwas  weiter  entfernt 
hatte;  die  Gefangenen  benutzten  rasch  entschlossen  den  günstigen 
Augenblick,  überfielen  und  erschlugen  die  drei  Portugiesen  und 
entrannen  aufs  hohe  Meer,  ohne  daß  man  ihrer  wieder  habhaft 
werden  kannte.  Almeida  war  empört  über  die  leichtfertige  Art, 
wie  Joaio  Homem  den  Tod  der  drei  Mann  verschuldet  hatte,  und 
er  wäre  seines  Kommandos  auf  der  Stelle  entsetzt  worden,  wenn 
nicht  zahlreiche  Edelleute  für  ihn  gebeten  hätten.  Almeidas  Gunst 
hatte  er  auch  so  verscherzt.  Inzwischen  waren  in  Coulao  die 
Dinge  gekommen,  wie  sie  kommen  mußten.  Die  muhamedanischen 
Kaufherrn  hatten  über  die  ihnen  angetane  Gewalt  und  Schmach 
bei  den  obersten  Beamten  des  Rajas  heftige  Beschwerde  erhoben 
und  diese  wie  die  Stadtbevölkerung  für  sie  Partei  genommen.  Eine 
erregte  Menschenmasse  griff  die  Faktorei  an  und  Antonio  de  Sä 
mußte  sich  aus  dem  ungeschützten  Hause  mit  zwölf  Mann  in  eine 


89 

kurz  zuvor  erbaute  Kapelle  U.  L.  Frau  flüchten.  Da  sie  hier  den 
Angfreifem  kräftigen  Widerstand  entgegensetzten,  legten  die  er- 
bitterten Massen  Feuer  an  den  kleinen  Bau  und  in  seinen  Flammen 
fanden  sämtliche  Eingeschlossene  ihren  Tod.  Die  Faktorei  wurde 
ausgeplündert.  Christovao  Jusarte,  der  noch  im  Hafen  lag,  hatte 
angesichts  der  wütenden  Volksmenge  nicht  gewagt  von  seiner 
kleinen  Karavelle  aus  Hilfe  zu  bringen,  er  hatte  sich  damit  begnügt 
von  den  Schiffen  der  muhamedanischen  Handelsherrn  fünf  zu 
verbrennen  und  brachte  dann  in  eiliger  Fahrt  die  Nachricht  von 
dem  Unglück  nach  Goch  in. 

Almeida  war  von  dem  Vorfall  peinlich  überrascht.  Ihm  war 
in  diesem  Augenblick  vor  allem  an  einer  raschen  Abfertigung  der 
zahlreichen  Pfefferschiffe  gelegen;  eine  Strafexpedition  aber,  die 
gegen  Coulao  damit  um  des  portugiesischen  Ansehens  willen  not- 
wendig geworden  war,  mußte  ihm  diesen  nicht  unbedeutenden 
Hafenplatz  fürs  erste  verschließen.  Trotzdem  sandte  er  noch  an 
demselben  Abend  seinen  Sohn  D.  Lourenqo  auf  der  »Flor  de  la 
mar«  in  Begleitung  von  »Gabriel«  sowie  fünf  Karavellen^  nach 
Goulao  ab,  wohin  Ruy  Freire  ohne  Kunde  von  dem  Geschehenen 
bereits  unterwegs  war.  Nach  rascher  Fahrt  trafen  sie  dort  unerwartet 
ein  und  vernichteten  trotz  heftiger  Gegenwehr  ohne  eigene  Verluste 
25  Schiffe,  die  im  Hafen  lagen,  mitsamt  ihrer  meist  aus  Gewürz- 
nelke, Zimt  und  andern  Spezereien  bestehenden  Ladung  und  der 
Artillerie;  denn  ein  einsetzender  Landwind  trieb  die  brennenden 
Fahrzeuge  führerlos  ins  Meer  hinaus,  in  dem  sie  versanken  2.  Eine 
weitere  Genugtuung  freilich  erreichte  D.  Louren^o  nicht.  Die 
indischen  Behörden,  mit  deren  Einverständnis  der  Portugiesenmord 
stattgefunden  hatte,  schickten  keine  Gesandtschaft  und  taten  nichts 
zur  Beilegung  der  Feindseligkeiten.  Daß  sechs  von  den  verbrannten 
Sambuken  muhamedanischen  Untertanen  des  Rajas  von  Cananor, 
die  fünf  von  Jusarte  zerstörten  Schiffe  nach  Kayan-Kulam  gehörten, 
gab  hier  wie  dort  Anlaß  zu  Schwierigkeiten  3. 

Der  Urheber  des  ganzen  Unglücks,  Joao  Hörnern,  erhielt 
während  des  Kampfes  um  die  Schiffe  einen  Bombardenschuß,  der 
ihm  Schild  und  Brustpanzer  durchschlug,  außer  einer  Quetschung 


'  Bericht  Almeidas  aus  Cochin  vom  16.  Dezember  1505. 

2  Ebd. 

^  In  dem  Rechtfertigungsbrief,  den  der  neue  Raja  von  Cananor 
am  6.  Dezember  1507  an  den  König  richtet,  wird  der  Vorfall  (Carlas 
d'Affonso  d'Albuquerque,  Bd.  11,  S.  402)  unter  den  Gründen  angeführt, 
die  schließlich  zum  Bruch  und  zu  der  langen  Belagerung  der  portu- 
giesischen Feste  von  Mai  bis  Ende  August  dieses  Jahres  geführt  hätten. 
Die  Schwierigkeiten  mit  dem  Raja  von  Kayan-Kulam  wegen  der  Ladung 
s.  im  folgenden. 


90 

in  der  Herzgegend  aber  keinen  Schaden  tat.  »Sein  Glaubenseifer«,  so 
urteilt  Joäo  de  Barros,  »bei  Ausführung  des  ersten  Handstreichs  war 
anscheinend  so  rein,  daß  er  um  deswillen  sich  nicht  schuldig  machte; 
denn  das  bezeugte  ihm  Gott  in  dem,  was  er  zu  seiner  Rettung 
tat«.  Almeida  freilich  dachte  anders;  denn  obwohl  D.  Lourengo, 
der  wie  viele  angesehene  Edelleute  dem  Unverwüstlichen  geneigt 
war,  ihn  bei  der  Rückkehr  der  Flotte  vorausschickte  um  dem  Vize- 
könig die  erste  Meldung  von  dem  Gelingen  der  Strafexpedition  zu 
machen  und  ihm  so  dessen  Gnade  wieder  zu  gewinnen,  enthob  ihn 
Almeida,  der  anscheinend  inzwischen  genaueren  Bericht  über  die 
Vorgeschichte  des  Unglücks  von  Coulao  erhalten  oder  andere  Tor- 
heiten des  Ritters  erfahren  hatte,  seines  Kommandos.  »Er  hat  zahl- 
reiche Mißgriffe  begangen  und  sich  ziemlich  viele  Vergehen  zu 
schulden  kommen  lassen,  würde  das  auch,  wenn  ich  es  zugelassen 
hätte,  weiter  getan  und  schließlich  noch  sein  Schiff  zugrunde 
gerichtet  haben«,  schreibt  der  Vizekönig  in  dem  Briefe  vom  16.  De- 
zember 1505.  Das  hat  ihn  nicht  gehindert,  als  ein  Jahr  später 
Joäo  Homem  nach  Portugal  zurückkehrte,  ihn  der  Gnade  des 
Königs  angelegentlich  zu  empfehlen,  weil  er  sehr  gut  gedient  habe 
und  mehrfach  von  Bombardenschüssen  getroffen  worden  sei,  so 
in  der  großen  Seeschlacht,  die  D.  Lourengo  am  16.  März  1506  der 
Flotte  des  Samorin  von  Calicut  in  der  Bucht  von  Cananor  lieferte 
und  in  der  auch  ein  Sohn  von  Joäo  Homem  mitfocht'. 


VII.  Cochin  und  die  Ladung  der  Schiffe. 

Die  Stadt  Cochin  (Kochchl,  10»  n.  Br.,  76«  12'  ö.  L),  vor  der 
Eroberung  Goas  durch  Affonso  d'Albuquerque  Hauptstützpunkt 
der  Portugiesen  in  Indien,  lag  auf  einem  schmalen,  sandigen  Streifen 
Landes,  den  im  Westen  das  Meer  bespülte,  im  Osten  weithin  sich 
erstreckende  Strandseen  von  wechselnder  Breite,  das  sogenannte 
»Hinterwasser  von  Cochin«,  vom  Festland  abtrennten,  am  Südufer 
eines  etwa  700  m  breiten  Flusses,  der  hier  zur  See  durchbrach 
und  Cochin  von  der  benachbarten  Insel  Vaipin  schied,  etwas  land- 
einwärts, aber  noch  im  Bereich  von  Ebbe  und  Flut.  Der  Boden 
war  feucht ;  überall  fand  man  in  geringer  Tiefe  Wasser^.  Stattliche 
Palmenhaine  belebten  die  flache  Landschaft  und  von  Osten  schauten 
über  die  wohlangebaute  Ebene  und  das  Hügelland  die  hier  noch 
ansehnlichen  Höhen  der  Chat  herüber.     Die  Stadt  war  seit  dem 

i^rtas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  392  und  Castanheda 
a.a.O.,  1.  II,  c.  25f. 

2  Q.  U.,  S.  147. 


91 

Erscheinen  der  Portugiesen  im  Osten  der  größte  Pfeffermarkt  von 
Malabar  geworden.  Erstreckte  sich  das  Gebiet,  in  dem  der  meiste 
und  beste  Pfeffer  •  wuchs,  auch  vom  Kap  Komorin  bis  in  die 
Gegend  von  Cananor ',  so  war  weitaus  am  ergiebigsten  doch  das 
Hinterland  von  Cochin,  und  die  zahlreichen  von  den  Ghats  herab- 
kommenden und  durch  Strandseen  unter  sich  verbundenen  Flüsse 
erleichterten  seinen  Transport  nach  dem  Hafenplatz. 

Den  Raja  Trimumpate  (Trimumpara),  der  1500,  nach  dem 
Portugiesenmord  in  Calicut,  Cabral  gastlich  aufgenommen  und  ihm 
Ladung  verschafft,  der  trotz  aller  Drangsale,  welche  die  aus  seiner 
Portugiesenfreundlichkeit  erwachsene  Feindschaft  mit  dem  Samorin 
über  ihn  und  sein  Land  gebracht,  an  dieser  Freundschaft  treu  fest- 
gehalten und  so  den  neuen  Ankömmlingen  ermöglicht  hatte  in 
Indien  festen  Fuß  zu  fassen,  fand  Almeida  bei  seiner  Ankunft  nicht 
mehr  auf  dem  Throne.  Hochbetagt  hatte  er  die  Herrschaft  nieder- 
gelegt und  sich  dem  Weltleben  entsagend  in  einen  Tempel  unter 
seine  Brahmanen  zurückgezogen  -.  Das  Erbe  hatte  der  Landessitte 
gemäß  einer  seiner  Schwestersöhne  angetreten,  nicht  ohne  daß 
innere  Wirren  den  Frieden  des  Landes  störten ;  denn  ein  ursprüng- 
lich zum  Nachfolger  bestimmter  älterer  Schwestersohn  Trimumpates, 
der  in  dessen  Kämpfen  mit  dem  Samorin  —  wie  einer  der  größten 
Vasallen,  der  Herr  von  Repelim  am  Fuße  des  Ghat^  —  gegen 
seinen  Oheim  und  die  Portugiesen  in  Waffen  gestanden  hatte,  von 
der  Nachfolge  deswegen  ausgeschlossen  und  mit  dem  Herrn  von 
Repelim  ins  Gebirge  vertrieben  worden  war,  hatte  ihm  den  Thron 
bestritten,  freilich  ohne  Erfolg.  Der  neue  Raja  aber  hatte  im 
Sinne  seines  Oheims  die  freundschaftlichen  Beziehungen  zu  Portu- 
gal bisher  getreulich  weitergepflegt.  Von  diesen  Ereignissen  erfuhr 
Almeida,  als  er  am  Tage  nach  der  Ankunft  vor  Cochin  an  Land 
ging,  durch  den  portugiesischen  Handelsagenten  am  Orte,  Diogo 
Fernandes  Correa,  und  er  sah  sich  dadurch  in  eine  gewisse  Ver- 
legenheit versetzt. 

Mit  einem  Ableben  des  greisen  Trimumpate  in  nicht  zu  ferner 
Zeit  hatte  man  in  Lissabon  gerechnet  und  hätte  es  gern  gesehen, 
wenn  in  diesem  Falle  die  Wahl  zum  Nachfolger  auf  den  portu- 
giesischen König  gefallen  wäre.  Almeidas  Instruktion  enthält'*  die 
Bestimmung,  daß  er  bei  Erledigung  des  Thrones  unter  Hinweis 
auf  die  Vorteile  und  die  Sicherheit,  die  dem  Lande  daraus  erwachsen 
würden,   in  jeder  möglichen  Weise,  aber   ohne  die   Gefühle   der 

'  Garcia  d'Orta,  Aromatum  et  .  .  .  medicamentorum  apud  Indos 
nascentium  historia,  Antverpiae  1593,  S.  87  f. 

2  Barros,  Dec.  I,  i.  iX,  c.  5. 

3  Barros,  Dec.  I,  1.  VII,  c.  1. 
<  A.  a.  O.,  S.  323. 


92 

einheimischen  Bevölkerung  zu  verletzen,  dieses  Ziel  verfolgen  soll. 
Das  war  nun  zwar  hinfällig  geworden ;  aber  er  brachte  von  Portu- 
gal einen  Brief  und  Geschenke  Manuels  für  den  Raja  von  Cochin 
mit,  die  als  Anerkennung  für  dessen  Treue  gedacht  waren,  darunter 
eine  goldene  Krone  im  Wert  von  900  Cruzados:  sollte  er  die 
Geschenke  in  die  Hände  Trimumpates  oder  in  die  des  neuen 
Herrschers  legen?  Der  letztere  besuchte  ihn  kurz  nach  seiner 
Ankunft  an  Land  und  versicherte,  daß  er  mit  der  gleichen  Treue 
und  Ergebenheit  wie  sein  Oheim  den  Portugiesen  zugetan  sei ; 
allein  der  Vizekönig  beschloß  wegen  der  Geschenke  zunächst  doch 
die  Meinung  seiner  Edelleute  und  Kapitäne  einzuholen,  von  denen 
freilich  ein  großer  Teil  D.  Lourengo  auf  der  Strafexpedition  nach 
Couläo  begleitete.  Als  Trimumpate  in  seiner  Pagode,  wohl  durch 
den  Brief  Manuels,  Kenntnis  von  der  Sachlage  erhielt,  ließ  er  den 
Vizekönig  für  seine  Person  um  die  Geschenke  bitten.  Aber  der 
alsbald  von  Almeida  berufene  Rat  entschied  sich  nach  lebhaftem 
Hin  und  Her  für  den  neuen  Raja;  man  befürchtete  im  andern 
Fall  Unstimmigkeiten,  ja  Wirren  zwischen  beiden  und  hielt  es  für 
richtiger  sich  die  Freundschaft  des  regierenden  zu  erhalten,  zumal 
in  einem  Augenblick  wie  diesem,  wo  es  infolge  des  Portugiesen- 
mordes von  Couläo  auch  unter  den  Muhamedanern  in  Cochin 
gärte  und  die  bisherigen  Pfefferiieferanten  wenig  Neigung  zeigten 
Ladung  zu  geben '.  So  fand  denn  in  der  Festung  —  wohl  sehr 
bald  nach  Allerheiligen  2  —  unter  dem  üblichen  Gepränge  die 
Übergabe  der  Geschenke  an  diesen  statt.  Feieriich  wurde  er  als 
Herrscher  anerkannt  und  er  wie  seine  Nachfolger  von  jeder  Art 
Gehorsams-  und  Abhängigkeitsverhältnis  zu  Calicut,  wie  es  vor 
Ankunft  der  Portugiesen  in  Indien  bestanden  hatte,  freigesprochen. 

'  Brief  Caspars  da  Qama  in  Carlas  d'A.  d'A.,  Bd.  Ill,  S.  203, 
2  Die  Zeitangaben  des  Barros,  Goes  und  Castanheda  sind  ungenau 
und  widersprechend  für  diese  Tage.  Die  zwei  letzteren  setzen  fälsch- 
lich Almeidas  Ankunft  auf  den  30.  Oktober,  an  dem  Rafaei«,  »Lionarda« 
und  das  Schiff  des  Antao  Qongalves  (»Judia  )  Cochin  erreichten ;  Barros 
gibt  für  Almeidas  Ankunft  richtig  den  I.November  an,  läßt  aber  Fernao 
Suares  (  Rafael«)  gleichzeitig  mit  ihm  eintreffen.  Bei  Goes  und  Casta- 
nheda verschieben  sich  die  Ereignisse  durch  den  Irrtum  zeitlich  etwas. 
Die  Überreichung  der  Geschenke  wird  nicht  vor  dem  2.  November  an- 
gesetzt werden  dürfen,  aber  der  Natur  der  Sache  und  den  Bestimmungen 
der  Instruktion  gemäß  (a.  a.  O.,  S.  295)  gleich  in  den  ersten  November- 
tagen stattgefunden  haben.  Ob  D.  Louren?o  da  von  Coulao  und  Cale- 
coulao  (Kayan-Kulam)  schon  wieder  zurück  sein  konnte,  wie  die  ge- 
nannten Quellen  angeben,  ist  zweifelhaft.  Bei  der  Übergabe  der  Geschenke 
war  er  selber  jedenfalls  nicht  zugegen ;  denn  nach  dem  Zeugnis  der 
Urkunde  in  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  361  sah  ihn 
der  Raja  am  30.  Dezember  1505  bei  anderer  Gelegenheit  zum  erstenmal. 


93 

Sie  sollten  das  Recht  haben  Gold-,  Silber-  und  Kupfermünzen  in 
ihrem  Lande  zu  schlagen  und  jedes  andere  Vorrecht  von  Königen 
genießen.  Als  Ehrengehalt  wurden  ferner  ihm  selbst  und  seinen 
Nachfolgern  640  Cruzados  jährlich  für  einen  goldenen  Becher  an- 
gewiesen, Zeichen  ehrender  Erinnerung  an  die  drei  Prinzen  des 
Hauses,  die  in  den  Kämpfen  des  alten  Rajas  mit  dem  Samorin  1 503 
gefallen  waren,  und  zahlbar  von  jenem  24.  April  1 504  an,  wo  mit 
Najem  Trimumpates  und  seinem  Häuflein  tapferer  Portugiesen 
Duarte  Pacheco  an  der  Furt  bei  Cochin  den  Samorin  besiegt  und 
eine  portugiesische  Bombardenkugel,  in  dessen  unmittelbarer  Nähe 
einschlagend,  die  Sänfte  des  Herrn  von  Repelim  zertrümmert,  die 
Sonnenschirme  beider,  die  Abzeichen  ihrer  Würde,  zu  Fall  gebracht 
und  ihnen  neun  Mann  getötet,  der  stolze  Herr  von  Calicut  aber, 
selbst  bespritzt  von  dem  Blute  des  Brahmanen,  der  ihm  den  Betel 
reichte,  zu  eiliger  Flucht  seinen  Palankin  verlassen  hatte'.  Dagegen 
sollte  er  in  Erinnerung  an  das  Gute,  das  König  Manuel  dem  alten 
Raja  getan,  ihm  die  gleiche  Treue  wie  dieser  beweisen,  den  Portu- 
giesen gegen  ihre  Feinde  jederzeit  beistehen  wie  sie  ihm  gegen 
die  seinen.  Nachdem  der  neue  Herrscher  erwidert  und  steteTreue 
gelobt,  Almeida  aber  feierlich  in  der  Kirche  den  Vertrag  beschworen 
hatte,  setzte  der  Vizekönig  ihm  vor  den  zahlreich  versammelten 
vornehmen  Portugiesen  und  Indern  die  Krone  aufs  Haupt,  die 
Vertragsurkunden  wurden  ausgetauscht  und  der  Raja  kehrte  dann 
inmitten  eines  festlichen  Zuges,  in  dem  die  Geschenke  vor  ihm 
hergetragen  wurden,  nach  seinem  Palaste  zurück. 

Am  nächsten  Morgen  begannen  die  Gewürzschiffe  des  Königs 
und  die  des  deutsch-italienischen  Handelskonsortiums  alsbald  Pfeffer 
zu  laden.  Ihre  rechtzeitige  Abfertigung  war  während  der  nun 
folgenden  Woche'n  die  wichtigste,  der  Ausbau  der  Feste  in  Cochin 
eine  zweite  Hauptaufgabe  des  Vizekönigs.  Nachdem  der  erste  Krieg, 
den  der  Samorin  1 503  gegen  den  Raja  von  Cochin  geführt  hatte 
um  den  Portugiesen  diesen  wichtigsten  Stützpunkt  ihres  Handels 
in  Indien  zu  entziehen,  durch  das  Erscheinen  der  Flotte  unter  den 
beiden  Albuquerque  Anfang  September  mit  seinem  Rückzug  aus 
dem  bis  auf  die  Insel  Vaipin  bereits  eroberten  Land  unrühmlich 
zu  Ende  gegangen  war,  hatte  der  von  dem  Admiral  Vasco  da  Gama 
1502   in   Cochin  zurückgelassene   Handelsagent,    der   umsichtige, 

'  Castanheda  a.a.O.,  1.  I,  c.  75;  dazu  ergänzend  und  berichtigend 
die  drei  im  wesentlichen  inhaltsgleichen  Beschwerdebriefe,  die  der  Raja 
von  Cochin  über  Albuquerques  Friedensschluß  mit  Calicut  im  November 
und  Dezember  1513  an  König  Manuel  richtet  (Cartas  de  Affonso  de 
Albuquerque,  Bd.  III,  S.  73ff.),  und  (ebd.,  S.  256ff.)  den  Bericht  des 
Alvaro  Vaz  an  den  König  vom  24.  Dezember  1504  aus  Cochin,  S.  265. 
Vgl.  auch  ebd.,  Bd.  IV,  S.  42. 


94 

kühne  und  energische  Diogo  Fernandes  Correa,  den  Francisco 
d'Albuquerque  bestimmt  etwa  3  km  unterhalb  der  Stadt  gegen  das 
Meer  zu  am  Fluß  eine  Festung  anzulegen.  Sie  wurde  Mitte  Sep- 
tember tatkräftig  in  Angriff  genommen,  unter  Beihilfe  des  Rajas 
rasch  in  Holz  ausgeführt  und  lag  an  der  Stelle,  wo  später  in  der 
Portugiesenstadt  Cochin  das  große  Strandlagerhaus  stand  (Casa 
do  armazem  da  Ribeira)i.  In  den  schweren  Kämpfen,  die  im 
folgenden  Jahr  mit  dem  Samorin  auszufechten  waren  und  vor  allem 
durch  den  Heldenmut  des  Duarte  Pacheco  entschieden  wurden, 
hatten  die  Portugiesen  dann  ein  weiteres,  ebenfalls  hölzernes 
Festungswerk  zur  Sperrung  einer  aus  dem  angrenzenden  Gebiete 
des  Samorin  herüberführenden  Furt  angelegt.    Aber  auf  die  Dauer 


1  Barros,  Dec.  I,  1.  VII,  c.  2.  Castanheda  sagt,  daß  man  sie  am 
Ufer  des  Flusses  von  Cochin,  oberhalb  der  Stadt  nach  dem  Innern  zu 
angelegt  habe,  »weil  sie  hier  sicherer  sei  und  den  Heeren  von  Calicut 
den  Eintritt  wehre«  (I.  I,  c.  57).  Ist  das  schon  an  sich  nicht  wahrschein- 
lich, weil  dadurch  die  wichtigste  Verbindung,  die  mit  der  See,  gefährdet 
worden  wäre,  so  widerspricht  ihm,  außer  der  bestimmten  Angabe  des 
gut  unterrichteten  Barros,  auch  eine  Stelle  in  dem  Brief,  den  Francisco 
d'Albuquerque  am  27.  Dezember  1503  von  Cochin  aus  an  König  Manuel 
schrieb  und  von  dem  eine  frühe  deutsche  Übersetzung  aus  dem  Nach- 
laß Konrad  Peutingers  erhalten  ist  (Tagebuch  des  Lukas  Rem,  ed.  B. 
Qreiff,  Augsburg  1861,  S.  139-157).  Es  heißt  dort  (S.  144):  »Item,  es 
deucht  uns  das  pest  zu  sein,  daz  wir  das  schloß  bei  dem  wasser,  das 
durch  die  statt  Cutzin  fleußt,  unten  am  mer  machen,  dann  es  sunst  in 
der  statt  nit  vil  sterk  het.<  Was  den  Namen  betrifft,  so  wird  dort  be- 
richtet (S.  147):  »Und  am  montag  (d.  h.  18.  September)  huob  wir  an  ze 
graben  das  fundament,  und  gaben  dem  schloß  den  namen:  Castello 
Dalberquercke.«  Castanhedas  Irrtum  bez.  der  Lage  beruht  auf  Ver- 
wechslung: in  1.  I,  c.  58  sagt  er,  daß  die  von  den  beiden  Albuquerque 
erbaute  Holzfeste  den  Namen  »Manuel«  erhalten  habe,  zu  Ehren  unseres 
Herrn  und  zur  Erinnerung  an  den  König  Manuel,  dessen  Vasallen  ihre 
Erbauer  waren«.  Manuel«  hieß  nun  aber  in  Wirklichkeit  ein  anderes,  von 
Diogo  Fernandes  erst  1505,  nach  der  Abreise  des  Lopo  Suares,  erbautes 
Festungswerk,  das  in  der  Tat  zwei  Leguas  flußaufwärts  von  Cochin 
lag.  In  dem  Bericht  von  Almeidas  Sekretär  Qaspar  Pereira  an  den 
König  (Cartas  d'A.  d'A.,  II,  S.  356)  heißt  es:  que  se  fose  para  riba 
jumto  com  o  castello  manuell,  que  diogo  fernandes  depois  da  hida  de 
lopo  soares  fez  ,  und  in  dem  Bericht  Almeidas  vom  16.  Dezember  1505: 
»Senhor,  ontem  derradeiro  dia  de  novembro  fui  ver  huuma  torre  de 
madeira,  que  Dieguo  Fernandez  (fez)  duas  legoas  por  este  rio  acima 
.  .  .  e  la  entramos  dentro  na  torre  a  quäl  e  tam  boa  e  tam  forte  e  esta 
tam  bem  aparelhada  d'artilharia  que  soo  por  ella  merece  Dieguo  Fer- 
nandez muita  merce  porque  a  fez  em  luguar  muito  proveitoso  e  muito 
necesario  sem  a  quäl  este  rio  nunqua  estevera  bem  seguro  porque  a 
tiro  de  bombarda  della  esta  a  terra  del  Rei  de  Callecu«. 


95 

konnten  diese  Sicherungen  dem  Bedürfnis  doch  nicht  genügen 
und  so  hatte  Diogo  Fernandes,  nicht  nur  Handelsagent,  sondern 
auch  Burgvogt  in  Cochin,  bereits  vor  Almeidas  Ankunft  im  Ein- 
verständnis mit  dem  neuen  Raja  den  Bau  einer  steinernen  Feste 
begonnen,  den  Almeida  in  richtiger  Erkenntnis  seiner  Bedeutung 
nun  möghchst  rasch  und  nachdrückUch  zu  fördern  bestrebt  war. 
Warm  erkennt  er  Diogo  Fernandes'  Leistung  an ;  sie  scheint  ihm 
ein  Werk,  das  wenig  kostet  und  dem  König  die  ganze  Produktion 
des  Landes  sichert.  Die  Mauer,  wie  sie  begonnen  ist,  dünkt  ihm 
an  Stärke  der  besten  in  Portugal  gleich.  Von  neuem  greifen  die 
Fidalgos  und  Ritter  so  gut  wie  der  gemeine  Mann  zum  Spaten, 
schieben  Sandkarren  und  tragen  Steine,  während  die  Maurer  mit 
Kelle  und  Mörtel  am  Werk  sind.  Vor  Tagesanbruch  geht  man 
an  die  Arbeit;  der  Vizekönig  selber  und  D.  Alvaro  de  Noronha, 
der  neue  Burgvogt  (alcaide  mör)  erheben  sich  täglich  um  2  oder 
3  Uhr  morgens  um  ermunternd  dabei  zu  sein.  Zwei  Stunden 
nach  Sonnenaufgang  zwingt  freilich  die  Glut  der  Tropensonne 
zur  Einstellung  der  Arbeit  und  erst  am  Spätnachmittag  kann  sie 
wieder  aufgenommen  werden.  Auch  unfreiwillige  Unterbrechungen 
treten  ein :  drei,  vier  Tage  bleibt  gelegentlich  der  Stein  ganz  aus, 
der  aus  dem  Innern  herangeschafft  werden  muß  und  oft  nicht  in 
genügender  Menge  zur  Stelle  ist  Immerhin,  es  geht  vorwärts  und 
der  Vizekönig  hofft  im  Dezember,  daß  die  Mauern,  bis  er  nach 
Beendigimg  der  Ladung  Cochin  verlassen  wird,  zwölf  Fuß  hoch 
aufgeführt,  ein  Turm  mit  drei  Stockwerken  fertig  sein  werden. 
Auch  sonst  wird  gebaut  Ein  Hospital  ist  vor  Jahresende 
bereits  geschaffen,  nicht  so  prächtig  wie  das  in  Lissabon,  berichtet 
der  Vizekönig,  aber  ein  ordentliches  Haus  mit  guten  Betten  und 
reichlicher  Wäsche.  Die  letztere  stammt  aus  der  Beute  von  Quiloa 
und  Mombasa.  Es  liegt  unmittelbar  bei  der  Kirche  und  die  Kranken 
können  von  ihrem  Lager  aus  das  Christusbild  am  Hochaltar  sehen 
und  die  Messe  singen  hören.  Der  Plan  eine  Ruderflotte  zu  bauen, 
die  dauernde  Stationierung  eines  Geschwaders  im  Osten  macht 
Vorkehrungen  für  diese  Zwecke  erforderlich :  schon  im  Dezember 
ist  ein  Magazin  für  Schiffsbedarf  errichtet  und  der  Verkehr  darin 
so  stark,  daß  der  König  sich  wundem  würde,  wenn  er  ihn  sähe, 
schreibt  Almeida.  Starke  Flaschenzüge  um  Fahrzeuge  zu  bemasten, 
eine  Windemaschine  um  kleinere  Schiffe,  wie  Karavellen,  an  Land 
zu  ziehen  sind  montiert  Woran  es  zunächst  noch  fehlt,  sind  die 
nötigen  Schiffshandwerker  und  Materialien.  Die  Notwendigkeit 
vor  Antritt  der  Heimreise  die  von  der  langen  Fahrt  mitgenommenen 
Gewürzschiffe  durch  Brennen  vom  Bohrwurm  zu  reinigen,  neu 
zu  kalfatern  und  auszubessern,  nimmt  Zimmerleute  und  Kalfaterer 
stark    in    Anspruch,    verschlingt    viel   von    den    mitgenommenen 


96 

Materialien.  Darum  geht  auch  die  Zusammensetzung  der  zweiten 
Galeere  zunächst  nur  langsam  vorwärts.  Dagegen  kreuzt  die  in 
Anjediva  erbaute  unter  Joäo  Serrao  schon  in  der  Nähe  von  Cochin; 
doch  sind  die  Ruderer  noch  nicht  vollzählig. 

Zu  Kaperkrieg  und  Unterbindung  des  muhamedanischen  See- 
handels wie  zum  Geleit  der  mit  portugiesischem  Paß  fahrenden 
einheimischen  Schiffe  streifen  drei  Karavellen  die  Küste  südlich 
von  Cochin  ab ;  ihre  Kreuzfahrten  gehen  über  Kap  Komorin  hinaus 
bis  zu  den  Perlfischereien  von  Cail  am  Golf  von  Manaar,  wo  sie 
auf  die  von  der  Koromandelküste  kommenden  Schiffe  lauern.  Zwei 
davon  haben  auf  offener  See  vier  in  Couläo  beheimatete  Fahrzeuge 
weggenommen  und  80  Mann  von  der  Besatzung  getötet,  ihre  Reis- 
ladung erbeutet  und  die  Schiffe  dann  verbrannt  Bei  der  Knapp- 
heit der  Lebensmittel  in  Cochin  kommt  die  Zufuhr  sehr  erwünscht. 
Drei  oder  vier  weitere  Schiffe  sind  zwischen  Couläo  und  Kap 
Komorin  am  Strande  von  den  Karavellen  vernichtet  worden.  Andere 
Seestreitkräfte  sind  nach  Norden  abgegangen  um  die  Herren  der 
Meeresküste  zu  Vasallen  des  Königs  zu  machen.  Die  Kreuzfahrten, 
schreibt  der  Vizekönig,  haben  es  nun  allerdings  mit  sich  gebracht, 
daß  viele  Waren,  die  sonst  von  Indien  nach  Portugal  gebracht 
werden  konnten,  dies  Jahr  in  der  Ladung  fehlen.  Malabar  selbst 
erzeugt  nur  Pfeffer  und  Ingwer,  und  »was  von  auswärts  kommt, 
bleibt  infolge  der  Furcht  vor  unsern  Armaden  aus«.  Die  muha- 
medanischen Kauffahrer,  die  von  Malakka,  Sumatra,  Pegu  und 
Bengalen  mit  Spezereien,  Drogen,  Edelsteinen  und  andern  Kost- 
barkeiten dem  reichen  Cambaya,  dem  Welthafen  Ormuz  und  dem 
Roten  Meer  zustrebten,  nahmen  um  den  portugiesischen  Kreuzern 
zu  entgehen  ihren  Weg,  statt  der  Küste  entlang,  über  die  Male- 
diven und  den  offenen  Ozean. 

Besonderes  Augenmerk  wandte  Almeida  der  Sperrung  des 
Hafens  von  Calicut  zu.  Vom  Raja  und  den  zwei  großen  muha- 
medanischen Lieferanten  der  Portugiesen  in  Cochin  jeweils  über 
geplante  Abfahrt  arabischer  Handelsschiffe  aus  den  Häfen  des 
Samorin  unterrichtet,  ließ  er  die  Küste  ständig  überwachen,  im 
Gefühl  unbedingter  Überlegenheit  der  portugiesischen  Schiffe  und 
Waffen  und  des  Heldenmutes  von  Führern  und  Mannschaften  mit 
erstaunlich  geringen  Kräften  und  doch  anscheinend  wirksam. 
Gelegentliche  Verluste  blieben  freilich  auch  nicht  aus.  Am  9.  Januar 
liefen  mit  ihren  Karavellen  Lopo  Chanoca  und  Nuno  Vaz  Pereira 
in  Cochin  ein,  die  Segel  von  Bombardenkugeln  durchlöchert  und 
zerfetzt,  das  Fahrzeug  des  Lopo  Chanoca  überhaupt  übel  zu- 
gerichtet. Sie  hatten  südlich  von  Calicut  die  Mündung  des  Flüß- 
chens  Chetua,  über  die  angeblich  Pfeffer  ausgeführt  werden  sollte, 
umsonst   nach    muhamedanischen    Kauffahrern    abgesucht,    waren 


07 

dann  aber  bei  dem  wenig  nördlicheren  Panane,  einem  belebten 
Hafenplatz  des  Samorin,  nahe  der  Küste  von  etwa  80  »Prauen« 
—  Einbäumen  zum'  Rudern,  mit  Segel  Vorrichtung '  —  und  zwei 
großen  Schiffen  angegriffen  worden.  Windstille  hatte  ihnen  nicht 
gestattet  die  überlegene  Manövrierfähigkeit  ihrer  Karavellen  voll 
zur  Geltung  zu  bringen  und  die  feindliche  Artillerie  sowie  die 
vielen  Pfeilschützen  hatten  ihnen  aus  geringer  Entfernung  hart 
zugesetzt.  Schlimmer  war  aber,  daß  auf  Chanocas  Fahrzeug  unter 
Deck  beim  Laden  einer  heiß  geschossenen  Bombardenkammer  ein 
Funke  ins  Pulverfaß  gekommen,  durch  die  Explosion  das  Deck 
gesprengt  worden  war  und  viele  dabei  schwere  oder  leichte  Brand- 
wunden erlitten  hatten.  Obwohl  von  diesem  Fahrzeug  nicht  mehr 
als  vier  Mann  unverletzt  geblieben  waren,  gelang  es  doch  nach 
langem  Kampfe  den  Feind  schließlich  zur  Umkehr  in  den  Hafen 
zu  zwingen  und  mit  einem  Verlust  von  sechs  Toten  und  zahl- 
reichen Verwundeten,  von  denen  im  neu  gegründeten  Hospital 
noch  einige  starben,  Cochin  zu  erreichen. 

All  diese  rege  Tätigkeit  jedoch  trat  an  Bedeutung  hinter  der 
Sorge  für  die  rechtzeitige  Abfertigung  der  Gewürzschiffe  zurück. 
Der  Portugiesenmord  und  der  ihm  folgende  Kriegszustand  mit 
Coulao  hatte  diesen  Hafen,  in  dem  andernfalls  ein  oder  zwei 
Schiffsladungen  Pfeffer-  zu  kaufen  gewesen  wären,  für  dies  Jahr 
verschlossen.  Nach  Beendigung  der  Strafexpedition  gegen  Coulao 
hatte  D.  Lourenqo  daher  das  in  der  Instruktion  als  möglichen  Ein- 
kaufshafen genannte,  wenig  südlich  von  Cochin  an  einem  aus- 
gedehnten Hinterwasser  gelegene  Kayan-Kulam  (Caiecouläo)  an- 
gelaufen um  für  das  Schiff  des  Ruy  Freire  Pfefferfracht  zu  erhalten. 
Dort  hatten  auch  die  Indienflotten  der  drei  vorausgehenden  Jahre 
durch  einen  eingeborenen  Thomaschristen  mit  Namen  Matthias 
für  je  ein  bis  zwei  Schiffe  Gewürzladung  bekommen^  und  mit 
diesem  Manne  unterhandelte  man  auch  jetzt.  Allein  diesmal  erhob 
der  Herr  des  kleinen  Ländchens,  das  damals  anscheinend  ganz  oder 
halb  selbständig,  ein  Jahrzehnt  später  dem  Raja  von  Coulao  Unter- 
tan war 3,  Einspruch  gegen  sofortige  Lieferung:  die  fünf  Schiffe, 
die  Christoväo  Jusarte  im  Hafen  von  Coulao  nach  dem  Portu- 
giesenmord verbrannt  hatte,  waren  Eigentum  muhamedanischer  Kauf- 
leute aus  Kayan-Kulam  gewesen  und  der  Raja  forderte  von  Almeida 
dafür  zunächst  Entschädigung;  im  übrigen  sei  die  Ladung  dem 
Vizekönig  sicher  und  werde  es  immer  sein.    Zu  Unterhandlungen 

'  Lodovico  di  Varthema  ed.  Badger,  S.  154. 

2  Vgl.  seinen  Brief  vom  18.  Dezember  1504  in  Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  268. 

3  Vgl.  Lodovico  di  Varthema  ed.  Badger,  S.  179f.  und  Duarte 
Barbosa  in  Collecgao  de  Noticias,  Bd.  II,  S.  348. 

Hümmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien.  7 


98 

über  diese  Forderung  fuhren  mit  D.  Louren^o  ein  Bruder  von 
Matthias  und  ein  anderer  Thomaschrist  nach  Cochin  zum  Vize- 
könig, während  Ruy  Freire  in  Kayan-Kulam  bh"eb.  Da  aber  Jusarte 
die  Mannschaft  der  verbrannten  Schiffe  für  mitschuldig  an  der  Blut- 
tat von  Couläo  erklärte  und  Almeida  vor  Abfertigung  der  Gewürz- 
schiffe keine  Zeit  zu  persönlicher  Untersuchung  des  Falles  blieb, 
erklärte  er  die  Entscheidung  bis  dahin  vertagen  zu  müssen,  ließ 
aber  dem  Raja  sagen,  daß  er  von  Antonio  de  Sä  Waren  des  Königs 
gegen  die  Verpflichtung  zur  Pfefferlieferung  erhalten  habe  und  ihm 
daher  zwei  Schiffsladungen  möge  geben  lassen.  Er  versprach,  daß 
Schiffe  und  Hafen  von  Kayan-Kulam  dafür  volle  Sicherheit  genießen 
sollten.  Einstweilen  sandte  er  ihm  ein  Geschenk  in  Edelsteinen 
und  die  Abgesandten  waren  befriedigt.  Inzwischen  hatte  aber 
Ruy  Freire  an  Ort  und  Stelle  auf  eigene  Faust  unterhandelt  und 
alles  verdorben  durch  das  Angebot  mit  mehr  Ware  zu  bezahlen, 
das  Gegenteil  dessen,  was  die  indischen  Kaufleute  wollten,  die 
vor  allem  Edelmetall  verlangten.  Es  war  darüber  zum  Unfrieden 
gekommen  und  er  hatte  ohne  Ladung  abfahren  müssen.  In  der 
ersten  Dezemberhälfte  sah  der  Raja  sich  dann  freilich,  wie  es 
Almeida  vorausgesehen  hatte,  zum  Einlenken  genötigt;  ob  die  von 
Matthias  damals  geführten  Verhandlungen '  ein  Ergebnis  gehabt 
haben,  erfahren  wir  nicht. 

In  Cananor,  wo  Ingwer  und  kleinere  Posten  Pfeffer  eingekauft 
werden  konnten,  scheinen  die  Lieferungen  auch  nicht  in  den 
gewünschten  Mengen  und  mit  der  gerade  in  diesem  Jahr  so  nötigen 
Raschheit  erfolgt  zu  sein;  die  Verbrennung  der  Schiffe  in  Couläo, 
von  der  muhamedanische  Untertanen  des  Rajas  mitbetroffen  worden 
waren,  hatte  in  Verbindung  mit  dem  Bau  der  Festung,  der  gegen 
Ende  Dezember  nahezu  vollendet  war,  und  mit  der  Tätigkeit  der 
portugiesischen  Kaperschiffe  den  Haß  der  Mopiah  von  Cananor 
weiter  verschärft,  und  nachdem  Joao  Serräo  mit  der  Galeere  nach 
Cochin  abkommandiert  worden  war,  hatte  ein  bewaffneter  Angriff 
auf  die  noch  nicht  in  die  Festung  verlegte  Faktorei  stattgefunden 
und  nur  das  rechtzeitige  Eingreifen  des  Rajas  schweres  Blutver- 
gießen verhindert.  Auch  danach  erhielten  die  Portugiesen  mehr 
schöne  Worte  als  Gewürzladung  2. 

Besser  ließ,  nachdem  Verhandlungen  mit  dem  Raja  und  den 
Kaufleuten  die  wegen  der  Vorgänge  in  Couläo  herrschende 
Spannung  gemildert  hatten,  Einkauf  und  Verladung  sich  zunächst 
in  Cochin  an.  Hier  lagen  zu  diesem  Zweck  die  drei  Schiffe  der 
deutsch-italienischen  Handelsgesellschaft,  »Jeronimo«,  »Rafael«  und 


'  Bericht  Almeidas  vom  16.  Dezember  1505. 

2  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  359f. 


9Q 

»Lionarda«,  femer  die  »Judia«  (d.  h.  »Jüdin«),  die  dem  Neuchristen, 
also  getauften  Juden  Fernando  de  Noronha  gehörte,  einem  großen 
Reeder  in  Lissabori  und  Ritter  des  königlichen  Hauses,  der  vom 
König  damals  den  Handel  mit  Brasilholz  von  der  Terra  Nova 
(Brasilien)  um  4000  Cruzados  jährlich  gepachtet  hatte  und  dorthin 
jedes  )ahr  seine  Schiffe  sandte.  Es  wird  derselbe  sein,  nach  dem 
die  Insel  gegenüber  der  brasilianischen  Küste  benannt  ist,  die  ein 
Femäo  de  Noronha  1503  entdeckt  hattet  Daß  das  Fahrzeug  in 
Wirklichkeit  nicht  den  für  ein  portugiesisches  Schiff  der  Manue- 
lischen Zeit  und  ein  Jahr  vor  dem  großen  Judenmord  in  Lissabon 
äußerst  auffallenden  Namen  trug,  daß  vielmehr  boshafter  Witz  es  im 
Hinblick  auf  den  Eigentümer  aus  einer  »S.  Christoväo«  zur  »Jüdin« 
gemacht  hat,  ergibt  eine  Urkunde  Almeidas  vom  30.  Oktober  15052. 
Von  königlichen  Schiffen  lud  in  Cochin  sicher  die  »Magdalena«, 
dagegen  »Conceigao«^  und,  wie  es  scheint,  »Botafogo«  in  Cananor. 
»Gabriel«  und  »Flor  de  la  mar«  hätten  nach  der  Instruktion  in  Indien 
bleiben  sollen,  und  weil  sie  von  den  dazu  bestimmten  Schiffen  die 
größten,  ihre  Kapitäne  aber  beide  angesehene  Männer  waren,  so  ent- 
hieh  Almeidas  Instruktion  iie  Bestimmung,  daß,  wenn  bei  Bildung 
kleinerer  Schiffsverbände  für  besondere  Zwecke  einer  der  beiden 
Edelleute  einem  solchen  angehöre,  er  Geschwaderkommandant  sein 
solle.  Es  scheint,  als  ob  diese  Bestimmung  dem  Vizekönig  un- 
bequem gewesen  wäre.  Er  kannte  die  trefflichen  Eigenschaften 
seines  Sohnes,  in  dem  hoher  Heldensinn  sich  mit  einer  Liebens- 
würdigkeit und  Menschlichkeit  paarte,  die  ihm  die  Herzen  gewann, 
und  er  wußte,  daß  er  D.  Lourengo  jede  Aufgabe  anvertrauen  durfte. 
Joao  da  Novas  hochfahrende  Art  dagegen  erbitterte  die  Gemüter; 
man  hätte  ihm  nur  widerwillig  gehorcht'*.  Konnte  Almeida  also 
ihn  und  Vasco  Gomes  d'Abreu  in  guter  Art  und  ohne  Verletzung 
ihrer  Ehre  nach  Portugal  zurückschicken,  so  war  ihm  das  jeden- 
falls erwünscht.  Seine  Instruktion ^  bot  dazu  die  Möglichkeit: 
Änderung  der  vom  König  getroffenen  Bestimmungen  im  ganzen 
wie  im  einzelnen  war  ihm  gestattet,  wo  nach  Zeitpunkt  und  Sach- 
lage ein  anderes  Verfahren  mehr  im  Interesse  des  Königs  zu  liegen 
schien.  Nun  war  für  ein  Fahrzeug  von  der  Größe  der  »Flor  de 
la  mar«  ein  Überwintern  in  dem  seichten  Hafen  von  Cochin  in 
der  Tat  nicht  ungefährlich;  deswegen  hatte  er  Ende  November 
noch  daran  gedacht  sie  mit  dem  Schiff  des  Felipe  Rodrigues  unter 
D.  Lourenqo  als  Geschwaderchef  nach  Quiloa  zu  schicken  um  beim 

1  Q.  U.,  S.  119  Anm.  141. 

2  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  178. 

3  Carlas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  180.  ^ 
*  Bericht  vom  16.  Dezember  1505. 

5  A.  a.  O.,  S.  332. 


100 

ersten  günstigen  Wetter  von  dort  zu  Kaperfahrten  nach  dem  Ein- 
gang des  Roten  Meeres  aufzubrechen.  Daß  »Gabriel«  mit  Ladung 
nach  Portugal  zurückgehen  sollte,  hatte  er  mit  Vasco  Gomes  damals 
schon  vereinbart.  Die  Expedition  nach  dem  Roten  Meer,  die  in 
der  Instruktion  für  die  Zeit  nach  Abfertigung  der  Gewürzflotte 
vorgesehen  war  und  für  die  ein  paar  größere  Schiffe  von  Wert 
gewesen  wären,  hatte  er  um  zuvor  die  drei  wichtigen  Festungs- 
bauten in  Indien  zu  Ende  zu  führen  aufs  folgende  Jahr  verschoben ; 
Schiffe  vom  Geschwader  des  Pero  d'Anhaia,  die  er  zur  Aufnahme 
von  Gewürzfracht  noch  erwartete,  waren  ausgeblieben,  Ladung  aber 
durfte  er  hoffen  in  genügender  Menge  für  die  »Gabriel«  zu  er- 
halten. Ihre  Anwesenheit,  schreibt  er  an  den  König,  würde  ihn 
stattlicher  machen,  aber  er  könne  sie  entbehren,  »und,  so  Gott  will, 
wird  sie  in  Portugal  150000  Cruzados  wert  sein«,  Vasco  Gomes 
war  es  leid,  fügt  er  hinzu,  aber  die  Vorstellung,  daß  dem  König 
mehr  damit  gedient  sei,  bestimmte  ihn  die  Heimkehr  nicht  zu  ver- 
weigern. Ob  der  Vizekönig  mit  ähnlichen  Gründen  auf  Joäo  da 
Nova  eingewirkt  hat,  ob  dieser  selbst  die  wiederholte  Unterordnung 
unter  den  jungen  D,  Lourengo  unangenehm  empfand,  jedenfalls 
wurde  als  letztes  Gewürzschiff  die  »Flor  de  la  mar«  im  Januar 
1506  in  Cochin  geladen. 

Über  das  Leben,  das  während  der  Monate  November,  Dezember 
und  Januar  in  der  portugiesischen  Feste,  an  der  Wage  und  im 
Hafen  von  Cochin  herrschte,  sagen  unsere  Reiseberichte  fast  nichts, 
aber  wir  können  uns  aus  Urkunden  eine  Vorstellung  davon  machen. 
Die  Dienstvorschriften  waren  sehr  streng.  An  Land  gehen  durften 
nur  der  königliche  Handelsagent  und  sein  Schreiber  und  auch 
diese  nur  an  den  Tagen,  für  die  der  Vizekönig  das  Ein-  und  Aus- 
laden von  Waren  anordnete,  die  sie  von  dem  Handelsagenten  des 
Königs  im  Lande  zu  empfangen  oder  ihm  zu  übergeben  hatten 
und  bei  deren  Übergabe  und  Annahme  sie  zugegen  sein  mußten. 
Andern  Personen  an  Bord,  auch  den  Kapitänen  und  Leuten  von 
Stellung,  konnte  die  Erlaubnis  nur  vom  Vizekönig  selber  erteilt 
werden  und  nur,  wo  ein  dienstliches  Interesse  vorlag.  Übernachten 
an  Land  war  bei  strenger  Strafe  untersagt;  war  es  unvermeidlich, 
so  mußte  der  von  Bord  Beurlaubte  in  der  Faktorei  schlafen,  bei 
Beschäftigung  an  Land  auch  dort  wohnen.  Ein  Kapitän,  der  sich 
gegen  diese  Bestimmungen  verfehlte,  verlor  sein  ganzes  Gehalt  für 
die  Reise  und  verfiel  außerdem  noch  einer  vom  König  zu  ver- 
hängenden Strafe;-  Schiffsmeister  und  Steuerleute  gingen  ihres 
Gehaltes,  ihrer  Freigüter  und  jeder  Ware,  die  bei  ihnen  gefunden 
wurde,  verlustig,  wurden  für  eine  vom  König  zu  bestimmende 
Zeit  nach  St.  Helena  verbannt  und,  wenn  das  Geschwader  auf  der 
Rückreise  die  Insel  berührte,  dort  zurückgelassen,  andernfalls  auf 


101 

Lebenszeit  nach  S.  Thome  verwiesen ;  der  gemeine  Mann  wurde 
noch  überdies  ausgepeitscht  und  die  entehrende  Bestrafung  auf  allen 
Schiffen  durch  Ausrufer  bekannt  gegeben.  Es  galt  Desertionen 
zu  verhindern,  die  gerade  in  diesen  ersten  Jahren  der  indischen 
Unternehmungen  besonderes  Unheil  stiften  konnten,  wie  das  Bei- 
spiel der  zwei  Mailändischen  Geschützgießer  zeigt,  die  Lodovico 
di  Varthema  1505  in  Calicut  traf^,  femer  Zwistigkeiten  und  Un- 
ruhen zu  verhüten,  wie  sie  aus  Verletzung  der  Kastenbräuche  und 
Ausschreitungen  jeder  Art  entstehen  konnten  2. 

Die  Hauptarbeit  an  Bord  jedes  Schiffes  hatte  zunächst  der 
königliche  Handelsagent  (feitor)  mit  seinem  Schreiber.  Er  hatte 
mit  diesem  vor  der  Ausreise  in  Lissabon  die  Waren,  die  durch 
die  Faktorei  seines  Schiffes  gingen,  unter  Prüfung  von  Gewicht, 
Maß  oder  Zahl,  je  nach  der  Art  der  Ware,  von  der  Casa  das 
Indias  e  deGuine  zu  übernehmen  und  Empfangsbestätigung  darüber 
auszustellen ;  seinerseits  erhielt  er  von  Faktor  und  Schreiber  des 
Indienhauses  ein  Verzeichnis  aller  empfangenen  Waren,  die  er  unter 
den  gleichen  Sicherungen  an  den  königlichen  Handelsagenten  des 
Platzes  abzuliefern  hatte,  an  dem  er  im  Osten  Ladung  einnahm. 
Die  Quittung,  die  er  von  ihm  darüber  erhielt,  war  bei  der  Rück- 
kehr dem  Indienhause  vorzulegen.  Die  gleiche  Ordnung  galt  für 
die  Ladung  der  Spezereien  und  der  andern  Erzeugnisse  des  Ostens. 
Fehlte  bei  der  Übergabe  der  indischen  Waren  an  die  Casa  das 
Indias  mehr,  als  billigerweise  für  normalen  Verlust  angesehen 
werden  konnte,  so  hatten  es  zu  dem  in  Lissabon  geltenden  Preis 
der  Ware  der  Faktor  des  Schiffes  und  der  verantwortliche  indische 
Agent  des  Königs  zu  zahlen;  fehlte  bei  der  Übergabe  der  euro- 
päischen Waren  in  Indien  etwas,  so  hatte  es  der  Schiffsfaktor,  der 
sie  hingebracht,  nach  Maßgabe  der  in  Indien  dafür  geltenden  Preise 
zu  ersetzen.  Art  und  Menge  der  Spezereien,  die  mit  den  dafür 
bestimmten  Schiffen  zu  schicken  waren,  setzten,  soweit  möglich, 
im  voraus  Faktor  und  Schreiber  des  Indienhauses  fest;  das  Ver- 
zeichnis dessen,  was  er  zu  verladen  hatte,  erhielt  jeder  der  Handels- 
agenten in  Lissabon.  Eine  Zusammenstellung  über  die  Gesamt- 
menge der  zu  ladenden  Gewürze  sowie  Vorschriften  über  den 
Preis  der  europäischen  Waren  und  die  Art  ihres  Verkaufes  ent- 
hielt sodann  ein  dem  Vizekönig  von  dem  vedor  da  fazenda  D. 
Martinho  in  Lissabon  übergebenes  Schriftstück.  Maßgebend  sollten 
bei  Ein-  und  Verkauf  im  Osten  für  Almeida  die  Preise  sein, 
die  Lopo  Suares  bei  der  vorgehenden  Reise  dort  gezahlt  und 
erhalten  habe.    Darunter  sollte  bei  den  Spezereien  auch  dann  nicht 


1  Ausgabe  von  Badger,  S.  260  ff. 

2  Hierzu  wie  zum  Folgenden  vgl.  die  Instruktion  Almeidas  a.  a.  O. 


102 

herabgegangen  werden,  wenn  die  indischen  Kaufleute  sie  biUiger 
anbieten  würden,  die  Tauschwaren  auch  dann  nicht  teurer  verkauft 
werden,  wenn  sich  ein  höherer  Preis  als  der  erzielen  ließe,  zu 
dem  sie  Lopo  Suares  abgegeben  habe;  hier  wie  dort  jedoch  sollten 
die  Preise  nicht  unter  die  von  dem  Admiral  im  Jahr  1 502  bewilligten 
und  verlangten  herabgehen ;  man  müsse  den  indischen  Kaufleuten 
Vertrauen  einflößen,  den  Glauben  an  Stetigkeit  in  den  gegenseitigen 
Handelsbeziehungen  wecken. 

Falls  Pfeffer  sich  in  den  vorgesehenen  Mengen  auf  den  mala- 
barischen  Märkten  nicht  fände,  sollte  nach  Almeidas  Instruktion 
guter  Lack,  soviel  man  erhalten  könne,  und  von  feinem  Zimmet 
und  Ingwer  das  Doppelte  der  vorgeschriebenen  Mengen  verladen 
werden.  Alle  Spezerei  aber  —  und  das  ist  eine  der  wichtigsten 
Bestimmungen  —  durfte  nur  durch  die  an  Ort  und  Stelle  in  Indien 
stationierten  königlichen  Handelsagenten  und  ihre  Beamten  ein- 
gekauft werden  und  von  niemandem  sonst.  Daher  mußten  die 
Gelder  nicht  nur  des  Königs,  sondern  auch  aller  Freigutberechtigten, 
soweit  Pfeffer  dafür  eingekauft  werden  sollte,  diesen  übergeben 
werden.  Damit  das  richtig  vorbereitet  war,  zahlten  vor  der  Aus- 
reise von  Lissabon  der  Kapitän  und  die  sonstigen  Personen  jedes 
Schiffes,  die  vom  König  Erlaubnis  hatten  noch  über  ihr  Freigut 
hinaus  Pfeffer  zu  laden,  desgleichen  die  Kommandanten,  Fak- 
toren, Angestelhen  und  das  sonstige  Personal  der  Festungen  dem 
Faktor  ihres  Schiffes  all  das  Geld  ein,  das  sie  zum  Ankauf  des 
Pfeffers  wie  auch  der  andern  ihnen  erlaubten  Waren  mitnahmen. 
Aufbewahrt  wurde  es  zusammen  mit  dem  des  Königs  vom  Kapitän. 
Der  von  jedem  eingezahlte  Betrag  wurde  vom  Schiffsschreiber  ver- 
bucht und  außerdem  als  Einnahme  des  Königs  unter  besonderem 
Titel  und  auf  den  Namen  der  Person  in  die  Bücher  des  Indien- 
hauses eingetragen  mit  dem  Zusatz,  daß  das  Geschäft  auf  Gefahr 
des  Einzahlers  gehe.  Dort  wurde  auch  jedem  Quittung  ausgestellt. 
Schiffsmeister,  Steuerleute,  Matrosen  und  sonstige  Bemannung  be- 
hielten das  Geld  für  ihre  Freigüter  während  der  Reise  in  eigener 
Verwahrung.  Erst  nach  der  Ankunft  in  Indien  übergaben  sie  die 
Beträge  für  Freigut  dem  Handelsagenten  des  Schiffes;  dessen 
Schreiber  trug  sie  in  sein  Buch  sowie  in  ein  von  ihm  und  dem 
Faktor  angelegtes  und  unterzeichnetes  Heft  ein,  das  ein  Vertrauens- 
mann der  Seeleute  so  lang  in  Verwahrung  behielt,  bis  ihm  der 
Schiffsfaktor  die  ordnungsmäßigen  Quittungen  des  königlichen 
Handelsagenten  am  Ort  ausgehändigt,  dem  er  die  Beträge  der 
einzelnen  zum  Einkauf  übergeben  hatte.  Gegen  diese  Quittungen 
erhielten  die  Seeleute  dann  in  Lissabon  ihre  Freigüter ;  das  zurück- 
gegebene Heft  diente  dem  Schiffsfaktor  zu  seiner  Entlastung.  Die 
eine  Hälfte  des  für  das  Geld  der  Freigutberechtigten  eingekauften 


103 

Pfeffers  fiel  als  Abgabe  an  den  König,  die  andere  erhielten  sie  zu  freier 
Verfügung.  Fehlte  am  Gewicht  etwas,  so  teilten  sie  sich  mit  dem 
König  in  den  Verlust;  ging  Schiff  oder  Ladung  unterwegs  zugrunde, 
so  wurde  für  dadurch  verlorene  Freigüter  kein  Ersatz  geleistet. 

Außer  dem  Freigut  an  Pfeffer  durften  Kapitäne,  Schiffsmeister, 
Steuerleute,  Mannschaften  jede  Art  Drogen  und  Apothekerwaren, 
femer  Edelsteine,  Perlen,  Wohlgerüche,  Gewebe  u.  a.  einführen 
gegen  eine  Abgabe  von  'A  und  V20  an  den  König.  Für  den 
Einkauf  dieser  Waren  hatte  der  Vizekönig  eine  zuverlässige  Per- 
sönlichkeit, die  mit  den  Verhältnissen  im  Osten  vertraut  war,  zum 
Handelsagenten  (feitor  para  a  compra  das  cousas  miudas)  zu  er- 
nennen und  ihr  einen  Schreiber  beizugeben.  Dieser  zeichnete  die 
seinem  Faktor  von  den  Parteien  übergebenen  Beträge  auf  und  beide 
leisteten  einen  Eid,  sich  ihrer  Aufgabe  nach  bestem  Wissen  und 
Gewissen  zu  entledigen.  Beide  durften  zu  den  vom  Vizekönig 
bestimmten  Zeiten  an  Land  gehen  und  wurden  hier  gehalten  wie 
die  andern  Handelsagenten  und  Kapitäne,  Bezüglich  der  Preise, 
die  sie  zahlten,  hatten  sie  sich  nach  dem  Gutachten  der  örtlichen 
portugiesischen  Handelsagenten  und  ihrer  Beamten  zu  richten. 
Konnten  sie  die  gewünschte  Menge  der  verlangten  Waren  nicht 
erhalten,  so  stand  die  Verteilung  des  von  ihnen  Gekauften  dem 
Vizekönig  oder  dem  Geschwaderkommandanten  der  jeweils  im 
Hafen  liegenden  Schiffe  zu,  Waren  Perlen,  Edelsteine  oder  andere 
Wertgegenstände  dabei,  so  wurden  sie  nach  der  Teilung  gezählt, 
mit  dem  Namen  des  Eigentümers  ins  Buch  des  Schiffsschreibers 
sowie  in  ein  Buch  eingetragen,  das  der  Kapitän,  der  Schiffsfaktor 
und  Faktoreischreiber  sowie  ein  von  den  Beteiligten  ernannter 
Vertrauensmann  unterzeichneten,  und  dasselbe  mit  den  Kostbar- 
keiten in  eine  verschlossene  Truhe  gelegt,  zu  der  die  Genannten 
je  einen  Schlüssel  führten.  Dies  Verfahren  bei  den  kleinen,  leicht 
zu  verbergenden  Stücken  diente  dazu,  die  Abgabe  an  den  König 
wie  das  Eigentum  der  einzelnen  sicherzustellen.  Jede  Truhe  sollte 
femer  noch  ein  vom  Vizekönig  oder,  wo  er  nicht  am  Orte  sei, 
vom  Geschwaderkommandanten  unterfertigtes  Verzeichnis  der  darin 
niedergelegten  Sachen  enthalten  und  außerdem  in  zwei  Exemplaren 
auf  zwei  verschiedenen  Schiffen  ein  von  Almeida  durch  Unter- 
schrift beglaubigtes  Gesamtverzeichnis  eingeschickt  werden. 

Irgendwelche  Ware  durfte  ohne  Erlaubnis  des  Königs  von 
niemandem  nach  Indien  eingeführt  werden,  weder  auf  eigene  noch  auf 
fremde  Rechnung,  bei  Strafe  des  Verlustes  der  Ware  und  des  Soldes 
und,  wenn  es  ein  Kaufmannsschiff  war,  des  Schiffes  an  den  König. 

»Das  Geld  von  den  Schiffen  der  Kaufleute  werdet  Ihr«,  so 
lautet  die  für  die  Deutschen  wichtigste  Bestimmung  der  Instruktion 
Almeidas,  »unserm  Faktor  übergeben  lassen,  damit  sie  aus  seiner 


104 

Hand  mit  dem  Ihrigen  icaufen,  gemäß  den  Bedingungen  der  Ver- 
träge, von  denen  Ihr  Abschriften  mitnehmt,  die  Euch  D.  Martinho 
geben  wird.  Und  ebenso  werdet  Ihr  es  mit  den  Waren  halten, 
die  sie  mitnehmen« ^  Jeder  direkte  Verkehr  mit  den  einheimischen 
Kaufleuten  war  ihrem  Agenten  also  untersagt;  Kauf  und  Verkauf 
gingen  vöUig  durch  die  Hände  der  portugiesischen  Faktoren  in 
Cochin  und  Cananor.  Das  sind  die  wesenthchen  Bestimmungen, 
die  für  den  Handel  1505/06  maßgebend  gewesen  sind. 

Am  2.  November  begannen,  wie  gesagt,  nach  Sprenger  die 
Gewürzschiffe  in  Cochin  zu  laden.  Diogo  Fernandes  Correa  hatte 
offenbar  trefflich  vorgesorgt.  Es  war  gut  getrockneter  Pfeffer  von 
der  vorhergehenden  Ernte.  Vermittelt  wurden  die  Käufe  durch 
einen  damit  beauftragten  Handelsbeamten  des  Rajas,  Candagora^, 
Hauptlieferanten  der  Portugiesen  waren  der  schon  in  dem  Bericht 
des  Francisco  d'Albuquerque  vom  27.  Dezember  15033  genannte 
Cherina  Mercar  sowie  Mamale  Mercar,  zwei  muhamedanische  Kauf- 
leute "*.  20  200  Quintal  Pfeffer  hatte  Candagora  dem  Vizekönig 
zu  liefern  versprochen  und  die  Ladung  ging  bis  in  die  erste 
Dezemberhälfte  auch  nach  Wunsch  und  ohne  Störung  von  statten. 
Soweit  ihn  nicht  der  Bau  der  Festung  in  Anspruch  nahm,  über- 
wachte Almeida  selbst,  außer  ihm  D.  Alvaro  de  Noronha  und  vor 
allem  der  rastlos  tätige  Diogo  Fernandes  das  Geschäft  des  Wiegens 
und  des  Transportes  der  Ware  zu  den  Schiffen.  Die  Instruktion 
mahnte  in  dieser  Beziehung  zu  genauester  Kontrolle,  Vorsicht 
besonders  mit  den  fremden  Gewichten  5.  Landesüblich  war  für 
Pfeffer  im  Osten  das  Bahar.  Bezüglich  seines  Verhältnisses  zum 
portugiesischen  Quintal  scheint  man  sich  nicht  von  Anfang  an 
einig  gewesen  zu  sein;  wenigstens  gibt  Francisco  d'Albuquerque 
in  dem  Brief  vom  27.  Dezember  1 503  aus  Cochin  ^  es  auf  drei 
portugiesische  Quintal  an,  während  es  dort  nach  Matteo  di  Begnino'^ 
1502/03  auf  3  Quintal  22  Pfund  berechnet  worden  und  nach  dem 
Lyvro  dos  pesos  da  Ymdia  des  Antonio  Nunes  von  1554^  sogar 
3  Quintal  30  Pfund  alten  Gewichtes  ^  gleich  war.  An  der  Ladung 
der  Schiffe  des  Affonso  d'Albuquerque  hatte  denn  auch  viel  gefehlt' o. 


1  A.  a.  O.,  S.  323. 

2  Ebd.,  S.360. 

3  Tagebuch  des  Lukas  Rem,  S.  148. 

*  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  361. 

5  A.  a.  O.,  S.  329. 

6  A.  a.  O.,  S.  148. 

^  Vgl.  Hümmerich,  Vasco  da  Gama,  München  1898,  S.  200. 

8  Collec^ao  de  monumentos  ineditos,  Bd.  V,  S.  33  f. 

9  S.  o.  S.  24  Anm.  2  und  S.  25. 

10  Cartas  de  A.  de  A.,  Bd.  II,  S.  301  f. 


105 

Mit  der  Entschuldigung,  daß  Bahar  und  Quinta!  nicht  zusammen- 
stimmten, suchten  im  übrigen  ungetreue  Beamte  der  Faktoreien 
ihr  Arbeiten  in  die  eigenen  Taschen  zu  verschleiernd  Wirksame 
Beaufsichtigung  des  Wiegens  und  des  Transportes  zum  Schiff 
wurde  erschwert  durch  die  weite  Entfernung  der  Pfefferwage ;  sie 
befand  sich  mehr  als  3  km  oberhalb  der  Festung  in  der  Inder- 
stadt Im  Interesse  des  Königs  dachte  daher  Almeida,  wie  er  im 
Dezember  an  Manuel  schreibt,  ernstlich  daran  sie  in  die  Nähe  der 
Festung  zu  verlegen,  war  mit  dem  Raja  und  den  Kaufleuten  auch 
bereits  einig  darüber  geworden.  Der  größere  Teil  des  Pfeffers, 
der  zu  Verlust  gegangen  ist,  meint  er,  wird  auf  dem  Weg  von  der 
bisherigen  Wage  zum  Schiff  aus  den  Booten  weg  gestohlen  worden 
sein  —  tatsächlich  lagen  nach  Sprenger  die  Schiffe  eine  Legua, 
über  6  km,  von  der  Stadt  entfernt  im  Strom  — ;  er  hat  gegen 
die  Diebstähle  Maßregeln  ergriffen  und  hofft,  daß  nichts  mehr 
vorkommt. 

Auch  an  der  Wage  begann  die  Arbeit,  nachdem  Diogo  Fer- 
nandes  um  2  oder  3  Uhr  aufgestanden  war  und  in  der  Festung 
eine  Messe  gehört  hatte,  in  den  frühesten  Morgenstunden  und 
endete  erst  mit  Eintritt  der  Dunkelheit;  der  Faktor  nahm  an  der 
Wage  auch  seine  Mahlzeiten  ein.  Bis  in  die  Nacht  hatte  er  dann 
noch  mit  seinen  Schreibern  die  Berechnungen  zu  machen.  Gewogen 
wurden  in  den  ersten  Wochen  täglich  800,  900,  ja  1000  Quintal 
Pfeffer  und  mehr.  Solange  die  zahlreichen  Schiffsboote  zur  Ver- 
fügung standen,  vollzog  sich  auch  die  Beförderung  an  Bord  ohne 
Störung. 

Dort  nützte  man  jeden  verfügbaren  Laderaum  nach  Möglich- 
keit aus.  Schiffszwieback  und  Wasserbehälter  sowie  alle  Lebens- 
mittel, die  das  vertrugen,  wurden  schon  vor  Beginn  der  Ladung 
aus  den  unteren  in  die  an  Deck  befindlichen  Kammern  gebracht. 
Auf  die  Tonne  Laderaum  sollten  1 2  Quintal  verstaut,  Pfeffer  und 
andere  Waren  in  wohlverschnürten  Ballen  in  die  Kammern  unter 
Deck  befördert  werden,  die  des  Königs  mit  seinem  Zeichen  ver- 
sehen und  mit  Angabe  des  letzteren  vom  Schiffsschreiber  verbucht, 
unter  besonders  sorgfältiger  Überwachung  der  Freigutpfeffer,  den 
jedes  Schiff  führte,  an  Bord  ohne  Verpackung  abgewogen,  ver- 
bucht und  in  doppelt  gezeichneten  Ballen  mit  dem  übrigen  in 
den  Kammern  sicher  verstaut  werden.  Bei  der  Beschleunigung, 
mit  der  in  diesem  Jahr  das  Laden  vorgenommen  werden  mußte, 
und  unter  erschwerenden  Umständen,  die  gegen  Mitte  Dezember 
eintraten,  konnten  indes,  wie  es  scheint,  manche  Vorschriften  hin- 
sichtlich der  Ladung  nicht  genau  befolgt  werden.    Eine  Stelle  in 


Brief  des  Gaspar  da  Gama  von  1506  a.  a.  O.,  S.  379. 


106 

Almeidas  Bericht  an  den  König  vom  16.  Dezember,  die  allerdings 
verstümmelt  und  nicht  ganz  klar  ist,  zeigt  es.  Offenbar  war  eine 
vom  König  angeordnete  genaue  Schätzung  der  Anteile  der  einzelnen 
Parteien  auf  den  Schiffen  der  Kaufleute  bei  der  Ladung  unmöglich 
gewesen  und  Almeida  hatte  daher  mit  deren  Kapitänen  und  Handeis- 
agenten vereinbart,  daß  der  gesamte  auf  ihren  Fahrzeugen  ver- 
frachtete Pfeffer  in  Lissabon  in  ein  Lagerhaus  gebracht  werden 
und  der  König  einem  jeden  sollte  geben  lassen,  was  ihm  zukäme, 
und  ebenso  bei  den  andern  Waren.  Ende  Dezember  mußte  ferner 
die  »Lionarda«,  nachdem  sie  in  Cochin  bis  zum  18.  Dezember 
beträchtliche  Mengen  Pfeffer  alter  Ernte  eingenommen  und  bezahlt 
hatte,  in  Cananor  2600  Quintal  davon  an  »Rafael«,  immerhin  eins 
der  Schiffe  des  Konsortiums,  aber  auch  an  die  »Conceigao«,  ein 
Fahrzeug  des  Königs,  abgeben  und  sollte  dafür  ohne  Bezahlung 
Ersatz  von  dem  königlichen  Handelsagenten  in  Cananor  erhalten. 
Bei  der  Abfahrt  des  ersten  Geschwaders  am  2.  Januar  1 506  fehlten 
ihr  angeblich  noch  »bey  1000  Centner'«.  Ihre  Abfahrt  nach  Portu- 
gal wurde  dadurch  sehr  verzögert  und  sie  kam  in  eine  für  die  Reise 
wesentlich  ungünstigere  Jahreszeit  als  »Jeronimo«  und  »Rafael«. 
Zudem  scheint  es,  daß  in  Cananor  entsprechende  Mengen  Pfeffer  gar 
nicht  zu  erlangen  waren  —  man  dachte  an  Rückkehr  nach  Cochin  — 
und  sie  statt  dessen  Zimmet  einnehmen  mußte,  während  der  bezahlte 
Pfeffer,  gemäß  Almeidas  Versprechen  an  den  Faktor  der  »Lionarda«, 
als  zu  günstiger  Bedingung  auf  der  »Flor  de  la  mar«  verladen  gelten 
und  den  Kaufleuten  aus  dem  Drittel  (genauer  30  %)  ersetzt  werden 
sollte,  das  an  den  König  als  Abgabe  zu  entrichten  war  2,  In  letzter 
Stunde  erreichte  der  in  Cochin  bis  11.  Januar  1 506  zurückgebliebene 
Faktor,  daß  ihm  dort  wenigstens  noch  400  Quintal  Pfeffer,  wahr- 
scheinlich aber  schon  aus  der  neuen  Ernte,  je  zur  Hälfte  von  Diogo 
Fernandes  und  seinem  Nachfolger  Louren?o  Moreno  gegeben  und 
mit  der  Karavelle  des  Nuno  Vaz  Pereira  auf  Gefahr  des  Königs 
nach  Cananor  gesandt  wurden  um  dort  an  Bord  der  »Lionarda« 
genommen  zu  werden. 

Die  Gründe,  weshalb  Almeida  die  Umladung  von  der  »Lionarda« 
auf  die  zwei  andern  Schiffe  vornehmen  ließ,  waren  einerseits  die 
mangelhafte  Anlieferung  von  Gewürzen  in  Cananor,  wohin  zur 
Vervollständigung  ihrer  Ladung,  besonders  wohl  mit  Ingwer  und 


1  Q.  U.,  S.  150.  Die  Richtigkeit  der  Angabe  ist  mir  zweifelhaft. 
Der  Befehl  zum  Umladen  kam  am  26.  Dezember;  am  2.  Januar  fuhren 
die  »Rafael«  und  »Conceigäo«  ab:  wenn  innerhalb  dieser  wenigen  Tage 
»Lionarda«  1600  Quintal  in  Cananor  ersetzt  bekommen  konnte,  wozu 
dann  überhaupt  das  Umladen?  Warum  verlud  man  nicht  unmittelbar 
auf  die  beiden  andern? 

2  Bericht  des  Qaspar  Pereira  in  Cartas  de  A.  de  A.,  Bd.  II,  S.  364. 


107 

Pfeffer,  bereits  am  26.  November  drei  Schiffe,  darunter  »Rafael« 
und  »Judia«,  von  Cochin  abgegangen  waren',  anderseits  die  Not- 
wendigkeit, instruktionsgemäß  einen  Teil  der  Schiffe  möghchst  bald 
nach  Portugal  abzufertigen,  und  endlich  Rücksichten  auf  die  Segel- 
leistung der  einzelnen :  es  sollten  nicht  die  besseren  Segler  durch 
die  schlechteren  —  und  zu  diesen  gehörte  die  »Lionarda«,  wie  es 
scheint  —  in  der  Fahrt  behindert  werden  2.  Das  erste  Geschwader 
ging  von  Cananor  am  2.  Januar  1506  ab.  Es  bestand  aus  der 
»Rafael«,  deren  Kapitän  Fernao  Suares  Geschwaderkommandant 
war,  der  »Jeronimo«  und  der  »Judia«,  Kapitän  Antao  Gonqalves^ 
sowie  den  königlichen  Schiffen  »Botafogo«  und  »Conceigäo«, 
Kapitän  der  letzteren  Bastiao  de  Sousa. 

Die  »Lionarda«  war  am  20.  Dezember  geladen  von  Cochin 
nach  Cananor  abgegangen,  kam  am  Weihnachtsabend  an  und 
wartete  dort  auf  die  zwei  Schiffe,  in  deren  Gesellschaft  sie  die 
Rückreise  machen  sollte,  nämlich  »Gabriel«  und  »Magdalena«. 
Die  Ladung  dieser  beiden  ging  langsamer  vor  sich  als  die  der 
ersten  Schiffe.  Trotz  Abmahnung  seitens  der  Portugiesen  hatte 
der  Raja  sich  in  der  ersten  Dezemberhälfte  zu  kriegerischen  Maß- 
nahmen —  wie  es  scheint,  gegen  einen  aufsässigen  Vasallen  oder 
den  verbannten  Kronprätendenten  —  veranlaßt  gesehen  und  seit- 
dem stockten  die  Zufuhren.  Während  vorher  800 — 1000  Quintal 
täglich  gewogen  worden  waren,  brachte  man  es  nun  nicht  mehr 
über  300.  Dabei  war,  was  jetzt  geliefert  wurde,  Pfeffer  neuer 
Ernte,  noch  ungenügend  getrocknet  und  mit  tausend  Mängeln 
behaftet  Auch  die  Beförderung  an  Bord  war  schwieriger,  seitdem 
die  großen  Boote  der  bereits  abgefahrenen  Schiffe  dafür  nicht 
mehr  zur  Verfügung  standen;  ununterbrochen  mußte  der  Vize- 
könig den  Raja,  seine  Handelsbeamten  und  die  Kaufleute  mahnen, 
nach  Kulis  und  Prauen  für  das  Ladegeschäft  suchen  und  der  Ärger 
nahm  kein  Ende. 

Wiederholt  schon  hatte  der  Raja  die  Portugiesen  um  Hilfe 
für  seine  kriegerischen  Unternehmungen  ersucht.  Einen  Tag  nach 
Abfahrt  der  »Lionarda«,  am  21.  Dezember*,  Sonntag,  nahmen  diese 
nun  unter  D.  Alvaro  de  Noronha  an  einem  Streifzug  des  Rajas 
nach  einer  benachbarten  Insel,  flußaufwärts  von  Cochin,  teil.  Die 
Karavelle  des  Lopo  Chanoca  war  am  vorhergehenden  Abend  bereits 


»  Q.  U.,  S.  119  und  148. 

2  Bericht  Almeidas  vom  16.  Dezember  1505. 

3  Das  ergibt  sich  mit  Wahrscheinlichkeit  aus  Cartas  de  A.  de  A., 
Bd.  II,  S.  354,  Zeile  7-10  im  Zusammenhalt  mit  Bd.  III,  S.  178,  Zeile  lOf. 

*  Das  »onze  de  novembro«^  in  Cartas  de  A.  de  A.,  Bd.  II,  S.  3?6 
ist  Versehen. 


108 

nach  der  Feste  Manuel  vorausgefahren  und  erwartete  dort  die  An- 
kunft der  zwei  großen  Boote  von  »Gabriel«  und  »Magdalena« 
sowie  eines  kleinen  Bootes  und  eines  malabarischen  Caturs,  die 
mit  mehr  als  200  portugiesischen  Edelleuten  und  Mannschaften 
besetzt  und  mit  Bombarden  ausgerüstet  frühmorgens  zu  den 
5000—6000  Mann  starken  Kräften  des  Rajas  stießen,  von  denen 
etwa  zwei  Drittel  Najer  waren.  Zu  irgendwie  ernsthaftem  Ein- 
greifen fand  indes  D.  Alvaro  keine  Gelegenheit;  nicht  viel  mehr 
als  ein  paar  Schreckschüsse  abzugeben  gestattete  ihm  der  Raja. 
Ein  kämpfender  Feind  kam  den  Portugiesen  während  des  ganzen 
Tages  kaum  zu  Gesicht  und  das  Unternehmen  bestand  fast  nur 
darin,  daß  die  Najer  des  Rajas  ohne  jede  Ordnung  hier  und  da 
an  Land  gingen,  längs  dem  Ufer  ein  paar  ärmliche  Hütten  nieder- 
brannten, Kokosnüsse  in  ihre  Einbäume  sammelten  und  von  den 
Palmen  eine  Anzahl  fällten;  »denn  das  Umhauen  der  Kokospalmen, 
sagen  sie,  ist  der  Sieg«  —  so  berichtet  Gaspar  Pereira^  an  den 
König.  Hatte  die  kampflustigen  Portugiesen  schon  die  ihnen  auf- 
genötigte Untätigkeit  geärgert,  so  erregte  der  Raja  ihren  Unwillen 
vollends  durch  die  dringende  Bitte,  während  der  ganzen  Aktion 
seiner  Leute  nichts  zu  essen  oder  zu  trinken:  wenn  sie  es  täten, 
würde  das  eine  schlechte  Vorbedeutung  sein.  So  waren  sie  froh, 
als  am  Nachmittag  der  indische  Herrscher  die  Seinen  mit  lautem 
»Cucuya«  (Mal.  Kükkuya)  zum  Sammeln  und  Zurückgehen  rufen 
ließ.  Er  war  in  gedrückter  Stimmung;  denn  der  Tag  hatte  ihn 
vier  Tote  und  sieben  oder  acht  Verwundete  gekostet.  Während 
er  und  seine  Leute  in  größeren  und  kleineren  Booten  nach  Cochin 
zurückkehrten  und  die  Portugiesen  in  der  Feste  »Manuel«  und 
auf  der  Karavelle  ihr  Essen  einnahmen,  strömten,  teils  zur  Befriedi- 
gung der  Neugier  teils  zur  Plünderung  der  zerstörten  Hütten,  in 
zahlreichen  Caturen  und  großen  Prauen  heidnische  Inder  und 
Muhamedaner,  Untertanen  des  Rajas  wie  des  Samorin  herbei,  dessen 
Gebiet  ja  der  Feste  »Manuel«  gegenüber  begann,  und  doch  war 
außer  dem  bißchen  Holz,  aus  dem  die  Hütten  bestanden,  und 
den  paar  Schemeln,  die  ihren  Hausrat  bildeten,  nichts  zu  holen. 
Auf  dem  Rückweg  versuchten  D.  Alvaro  und  sein  Gefolge,  als 
sie  am  Palaste  des  Rajas  bei  der  Inderstadt  mit  den  Booten  vorüber- 
kamen, noch  eine  Audienz  zu  erlangen,  wurden  aber  nicht  vor- 
gelassen ;  Tag  und  Stunde,  ließ  er  ihnen  am  Tor  sagen,  sei  ganz 
ungünstig:  ihm  sei  vor  kurzem  eine  Katze  über  den  Weg  gelaufen^; 
am  nächsten  Morgen  könnten  sie  ihn  sprechen.  »Semsaborias«, 
»Abgeschmacktheiten«  —  mit  diesem  Worte  faßt  Almeidas  Sekretär 

»"äTa.  O.,  S.  357. 

2  Qaspar  Pereira  a.  a.  O.,  S.  359 ;  vgl.  auch  Duarte  Barbosa  a.  a.  O., 
S.  332. 


109 

Gaspar  Pereira,  der  im  Gefolge  D.  Alvaros  gewesen  war,  die  Ein- 
drücke dieses  Tages  zusammen.  In  der  Festung  erstattete  man 
dem  Vizekönig  noch  Bericht  und  hörte,  daß  wieder  sehr  wenig 
Pfeffer  zur  Wage  gekommen  war.  Ging  hier  das  Ladegeschäft 
unbefriedigend,  so  hatte  D.  Lourengo  in  Cananor  nicht  mehr  Glück, 
wohin  der  Vizekönig  ihn  zur  Ladung  und  Abfertigung  der  »Flor 
de  la  mar«  geschickt  hatte.  Er  kehrte  von  dort  am  26,  Januar 
nach  Cochin  mit  dem  Schiff  zurück,  dem  noch  4000 — 5000  Quintal 
Pfeffer  zur  vollen  Ladung  fehlten. 

Der  oberste  Handelsbeamte  des  Rajas,  Candagora,  hatte  nun 
schon  wiederholt  bei  den  Dolmetschern  des  Vizekönigs,  Gaspar 
da  Gama  und  seinem  Sohne  Balthasar,  sowie  bei  Gaspar  Pereira 
darauf  hingewiesen,  daß  er  durch  seine  Bemühungen  um  die 
20200  Quintal  Pfeffer  und  mehr,  deren  Lieferung  er  den  Portu- 
giesen vermittelt,  sich  wohl  das  Geschenk  verdient  habe,  das  ihm 
Almeida  dafür  versprochen,  und  daß  er  von  Lopo  Suares  60  Cru- 
zados  und  einen  goldenen  Armring  im  Werte  von  40  Cruzados 
erhalten  habe.  Der  Vizekönig  ließ  ihm  daher  am  28.  Dezember 
im  Beisein  der  Genannten  durch  Diogo  Pires  in  der  Festung 
100  Cruzados  aushändigen,  ihm  für  seine  Mühewaltung  danken 
und  ein  weiteres  Geschenk  versprechen,  wenn  er  noch  4000  bis 
5000  Quintal  Pfeffer  für  die  »Flor  de  la  mar«  beischaffen  würde. 
Der  Inder  versprach  und  bekräftigte  es  durch  Handschlag  —  »wie 
sie  es  gewöhnlich  tun  und  in  den  meisten  Fällen  dabei  lügen«, 
berichtet  Gaspar  Pereira  an  den  Könige  Willkommen  war  bei 
der  mangelhaften  Pfefferanfuhr,  daß  am  31.  Dezember  mit  portu- 
giesischem Geleitsbrief,  begleitet  von  der  Karavelle  des  Nuno  Vaz 
Pereira  ein  indisches  Schiff  mit  Zimmetladung  in  Cochin  einlief.  Ein 
Teil  des  Zimmets  wurde  sogleich  als  Freigut  auf  die  »Gabriel«  ver- 
laden, obwohl  die  dort  Freigutberechtigten  an  Diogo  Fernandes  Geld 
für  Pfeffer  gegeben  hatten.  Am  4.  Januar  1506  war  Vasco  Gomes 
d'Abreu  reisefertig  und  fuhr  am  6.  in  Begleitung  von  drei  Schiffen 
muhamedanischer  Kaufleute,  die  Pfeffer  geladen  hatten  und  Sicher- 
heitspässe vom  Vizekönig  führten,  nach  Cananor  um  dort  noch 
Lebensmittel  einzunehmen.  Er  sollte  sehen,  ob  die  »Lionarda«  reise- 
bereit sei,  und  auf  die  allein  noch  in  Cochin  zurückbleibende 
»Magdalena«  warten  um  mit  den  beiden  zusammen  als  Geschwader- 
kommandant 2  die  Heimreise  auf  der  »Gabriel«   anzutreten, 

Sonntag  den  11,  Januar  war  auch  die  Ladung  dieses  Schiffes 
beendigt;  zum  Kapitän  hatte  Almeida  den  bisherigen  Handels- 
agenten in  Cochin,  Diogo  Fernandes  bestimmt,  dessen  dreijährige 


>  A.  a.  O.,  S.  360. 
»  A.  a.  O.,  S.  362. 


110 

Amtszeit  ablief,  und  derselbe  sollte  sich  in  der  Nacht  mit  seinem 
Personal  und  dem  noch  in  Cochin  anwesenden  Faktor  der 
»Lionarda«  auf  der  »Magdalena«  einschiffen,  als  der  Raja  nach- 
mittags dem  Vizekönig  seinen  Besuch  in  der  Festung  anmelden 
ließ :  er  wolle  von  Diogo  Fernandes  Abschied  nehmen.  Spät 
abends  kam  er  dann  auf  einem  Palankin,  begleitet  von  seinen 
Handelsbeamten,  und  mit  ihm  gleichzeitig  in  einem  Boote  die 
muhamedanischen  Kaufleute  Cherina  Mercar  und  Mamale  Mercar. 
Almeida  und  sein  Sohn  empfingen  den  Raja  am  Tor  der  Festung, 
führten  ihn  hinauf,  und  nachdem  alle  Platz  genommen,  ließ  der 
Inder  sich  zunächst  von  dem  verlustreichen  Seegefecht  bei  Panane 
erzählen,  von  dem  die  Karavellen  des  Lopo  Chanoca  und  Nuno 
Vaz  Pereira  zwei  Tage  vorher  zurückgekommen  waren.  Die 
Kaufleute  erkundigten  sich  besorgt,  ob  unter  diesen  Umständen 
ihre  drei  Schiffe  im  Geleite  der  »Gabriel«  wohl  auch  genügend 
sicher  seien,  und  Almeida  beruhigte  sie  mit  festem  Selbstbewußt- 
sein, Dann  wandte  das  Gespräch  sich  der  Abreise  des  Diogo 
Fernandes  zu.  Der  Raja  bat  ihn  vor  dem  Vizekönig  noch  einmal 
Zeugnis  dafür  abzulegen,  wie  er  und  sein  Land  den  Portugiesen 
immer  zu  Diensten  gewesen  seien,  und  in  diesem  Sinn  daheim 
auch  dem  König  zu  berichten,  Seiner  Hoheit  aber  zugleich  namens 
des  Rajas  zu  sagen,  daß  Diogo  Fernandes  auch  auf  dessen  Nutzen 
gesehen,  daß  er  seine  Abrechnungen  ordnungsmäßig  gemacht,  alles 
bezahlt  und  jeden  zufriedengestellt,  auch  die  Abgaben  an  ihn  in 
vollem  Betrag  entrichtet  habe,  so  daß  er  hohe  Ehre  und  Gnade 
von  Seiten  des  Königs  verdiene.  Dann  bat  er  den  Vizekönig,  den 
neuen  Festungskommandanten  sowie  den  neuen  Handelsagenten 
nach  dem  Abgang  des  bewährten  Diogo  Fernandes  so  wie  dieser 
seinen  Interessen  und  denen  des  Landes  gerecht  zu  werden,  Almeida 
versprach  das,  rühmte  Diogo  Fernandes  als  trefflichen  Ritter,  er- 
klärte sich  aber  seiner  Instruktion  entsprechend  für  verpflichtet,  vor 
dessen  Abreise  den  Raja  und  jedermann  im  Lande  zu  fragen,  ob 
der  Handelsagent  irgend  jemandem  etwas  schuldig  geblieben  sei. 
Alle  Anwesenden  verneinten  das ;  nur  erklärten  sie,  daß  der  Admiral, 
sein  Neffe  Esteväo  da  Gama  und  sein  Oheim  Vicente  Sodre  sowie 
Pedro  d'Aguiar,  der  gleichfalls  mit  der  Flotte  des  Admirals  1 502/03 
in  Cochin  gewesen  war,  25  Bahar  Zimt  gekauft  und  nicht  bezahU 
hätten,  Diogo  Fernandes  erwiderte,  daß  er  von  der  Sache  nichts 
wisse,  weil  die  Ladung  damals  in  großer  Eile  vor  sich  gegangen 
sei,  daß  die  Kaufleute  ihm  aber  tatsächlich  von  jener  Schuld 
gesprochen  hätten.  Man  versicherte,  daß  ihn  keinerlei  Verantwor- 
tung treffe,  es  wurde  aber  beschlossen,  wenn  Gaspar  da  Gama,  der 
den  Admiral  1 502/03  begleitet  hatte  und  zur  Zeit  in  Cananor  war, 
die  Forderung  der  Kaufleute  als  zu  Recht  bestehend  anerkenne, 


111 

so  solle  der  Vizekönig  sie  begleichen  und  man  den  Betrag  von 
Vasco  da  Gama,  oder  wer  sonst  zahlungspflichtig  sei,  in  Portugal 
wieder  einziehen.  Darauf  bestieg  der  Raja  seinen  Palankin  und 
nahm  mit  Tränen  in  den  Augen  von  Diogo  Fernandes  und  dem 
ebenfalls  heimkehrenden  Ruy  d'Araujo  und  Ruy  d'Abreu  Abschied, 
wobei  er  den  Wunsch  aussprach  den  Handelsagenten  sowie  Ruy 
d'Araujo,  einen  sehr  fähigen  jungen  Mann,  der  sich  von  Sprache 
und  Sitte  des  Landes  gute  Kenntnisse  erworben  hatte,  künftig  ein- 
mal wiederzusehen.  Dem  Diogo  Fernandes  hatte  er,  wie  man  sich 
erzählte,  schon  vorher  fünf  Schnüre  Perlen,  die  er  um  den  Hals 
trug,  die  Kaufleute  aber  zwei  Ringe  geschenkt  und  einen  dritten 
erwartete  er  noch.  Mit  acht  Fackelträgem,  die  ihm  der  Vizekönig 
mitgab,  kehrte  sodann  der  Raja  nach  Cochin  zurück,  während  seine 
Handelsbeamten  bis  tief  in  die  Nacht  hinein  in  der  Festung  blieben, 
wo  man  zwei  Briefe,  die  der  indische  Fürst  in  der  Landessprache, 
dem  Malayälam,  an  König  Manuel  geschrieben  hatte,  ins  Portu- 
giesische übersetzte  um  beide  Fassungen  dem  -Diogo  Fernandes 
auf  der  »Magdalena«  mitzugeben.  In  der  Nacht  zum  13.  Januar 
fuhr  das  Schiff  mit  vielen  Edelleuten  und  Rittern  an  Bord  und  in 
Begleitung  der  Karavelle  des  Nuno  Vaz,  die  die  oben  erwähnten 
400  Quintal  Pfeffer  für  die  »Lionarda«  mitführte,  nach  Cananor  ab, 
mit  einem  sehr  ausführlichen  Bericht  an  den  König  aus  der  Feder 
von  Almeidas  Sekretär  Gaspar  Pereira.  Er  enthält  alles,  was  in  der 
Zeit  vom  18.  Dezember  1505  bis  12.  Januar  1506  an  Bemerkens- 
wertem vorgefallen  war,  ist  erhalten '  und  die  Quelle  der  im  Vorher- 
gehenden für  diese  Zeit  gegebenen  Darstellung;  eine  ähnliche, 
jedenfalls  aber  umfänglichere  Darstellung  der  Zeit  vom  25.  März 
bis  zum  18.  Dezember  1505,  die  mit  dem  Geschwader  des  Femao 
Suares  abgesandt  worden  war 2,  ist  uns  verloren.  Am  21.  Januar 
traten  »Gabriel«,  »Lionarda«  und  »Magdalena«  von  Cananor  aus 
die  Heimreise  an  und  es  blieb  nur  >Flor  de  la  mar«  in  Cochin 
zurück,  die  am  8.  Januar  dort  zu  laden  begonnen  hatte  und  am 
2.  Februar  allein  nach  Portugal  in  See  ging.  Des  Vizekönigs 
nächste  Aufgabe  in  Indien  war  damit  glücklich  erledigt,  aber  die 
Erfahrungen,  die  er  mit  dieser  ersten  Ladung  gemacht  hatte,  be- 
stimmten ihn  zu  dem  Rat  an  den  König,  im  kommenden  Jahr  (1 506) 
keinen  Pfeffer  von  Indien  holen  zu  lassen ;  er  werde  dann  zur 
rechten  Zeit  im  voraus  und  mit  Muße  die  nötigen  Mengen  ein- 
kaufen und  in  guten  Magazinen  anhäufen  lassen,  so  daß  die  Schiffe 
bei  ihrer  Ankunft  nur  zu  laden  brauchten.  Auf  diese  Weise  würde 
man  von  der  augenblicklichen  Marktlage  unabhängiger  sein  und 


1  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  354— 36Q. 

2  Cartas  de  A.  de  A.,  Bd.  II,  S.  354. 


112 

möglicherweise  erreichen,  daß  mehr  mit  Waren  und  weniger  mit 
Geld  gezahh  werden  könne.  Dieser  Rat,  so  einleuchtend  er  ist, 
war  leichter  zu  geben  als  zu  befolgen:  die  Kosten  der  jährlichen 
Indienflotte,  deren  man  zum  Ausbau  der  Machtstellung  Portugals 
im  Osten  doch  auch  für  1506  nicht  hätte  entraten  können,  waren 
zu  groß,  als  daß  die  Krone  ein  Jahr  auf  die  Einkünfte  aus  dem 
Oewürzhandel  verzichten  konnte. 

Von  Mitte  September  bis  Ende  Januar  hatte  der  Aufenthalt 
der  »Lionarda«  in  Indien  gedauert,  der  von  »Rafael«  bis  Anfang 
Januar.  Wenn  trotzdem  weder  der  Bericht  Sprengers  noch  der 
von  der  »Rafael«  viel  in  Indien  Gesehenes  und  Erlebtes  enthält, 
so  ist  daran  vor  allem  wohl  die  Schwierigkeit  schuld  in  Cochin 
an  Land  zu  kommen.  Sprenger  läßt  Indien  bei  Onor,  also  unter 
140  17'  n.  Br.  beginnen,  dem  ersten  Orte  des  Festlandes,  den  er 
berührt  hat.  Das  ist  ein  Irrtum,  denn  als  Anfang  des  »Ersten 
Indien«  wird  z.  B.  bei  dem  ungefähr  gleichzeitigen  Duarte  Barbosa^ 
das  bedeutend  nördlichere  Reich  Gudscherat  bezeichnet.  Unter 
dem  seit  dem  späten  Altertum  mit  wechselnder  geographischer 
Beziehung  gebrauchten  Namen  India  Maior,  Großindien,  versteht 
Sprenger  die  Gebiete  südlich  von  Cananor,  also  in  erster  Linie 
Malabar.  Die  bedeutendsten  Häfen  dieser  Küste  sind  ihm  bekannt: 
er  weiß  von  dem  im  Mittelalter  und  zu  seiner  Zeit  noch  besuchten 
Hafenplatz  Pandarane  (etwa  11°  26'  n.  Br.),  dessen  Name  in  der 
Form  PantalänT  heute  an  einem  elenden  Fischerdorf  haftet,  von  dem 
Welthafen  Calicut;  zwischen  diesem  und  Cochin  hat  er  Chäliyam 
am  Südufer  des  Beypoor-Flusses  und  Tänür  im  Vorbeifahren  nennen 
hören,  in  Cochin  fast  drei  Monate  vor  Anker  gelegen  und  genauere 
Kunde  über  die  Lage  von  Kayan-Kulam  (9  ^  11 '  n.  Br.)  und  Kollam 
(8°  53'  n.  Br.)  erhalten.  Was  darüber  hinausgeht,  kennt  er  nur 
von  unsicherem  Hörensagen :  er  hat  nebelhafte  Vorstellungen  von 
dem  Reich  des  Narasinha  (Vijayanagar),  das  er  nach  der  portugie- 
sischen Bezeichnung  Narsinga  Arsinien  nennt,  wo  täglich  zwölf 
Könige  zu  Hofe  reiten,  je  einer  reicher  als  der  andere,  und  wo 
das  Grab  St.  Thomas'  des  Apostels  liegt.  Und  eines  der  Reiche, 
über  die  die  Vasallen  Narsingas  herrschen,  wäre  nach  Sprenger 
Persien,  woher  er  auch  einen  der  Heiligen  drei  Könige  stammen 
läßt;  den  zweiten  lokalisiert  er  im  Bildertext  auf  Anjediva^  und 
in  Cochin  3,  in  der  »Merfart«  »hynder  Kananor,  Kailakuten  und 
Gutzyn'*«,  den   dritten   im  arabischen  Ostafrika  5.     Die  muhame- 

1  A.  a.  O.,  S.  267. 

2  Q.  U.,  S.  17. 

3  S.  19  ebd. 

*  ebd.,  S.  125. 

5  ebd.,  S.  16  und  123. 


113 

danischen,  schiitischen  Perser  aber  sind  ihm  »ein  gentil  volck  und 
betten  Christum  unsem  erlöser  an  /  Der  selb  kunig  fürt  auch  groß 
krieg  umb  Christus  glaubens  willen  wider  die  ungläubigen  und 
heyden'«.  Den  Namen  Malakka  hat  er  gehört  und  gibt  die  Ent- 
fernung dieses  östlichen  Welthafens  von  Kollam  auf  800  Meilen 
an.  Es  ist  Festland,  sagt  er;  »dar  inn  ligen  zwo  Inseln  /  da 
kommen  Negelein  un  nüß  here  /  die  eyn  Insel  heißt  Bandam  / 
dar  uff  wachssen  Negelein  und  kein  ander  spetzerey  Die  ander 
Naguarij  /  unn  wescht  nicht  dann  rot  und  weißer  Sandel  dar  inn«. 
Die  Deutung  des  Namens  Naguarij  in  der  »Merfart«,  wofür  Sprengers 
Text  zu  den  Burgkmairschen  Holzschnitten  anscheinend  »Thanagora 
oder  Naguaria«  bot,  auf  Nagore  an  der  Koromandelküste  und  von 
Thanagora  auf  den  Bezirk  von  Tanjore^  ist  sprachlich  bestechend, 
sachlich  aber  völlig  unsicher;  zum  mindesten  würde  die  Angabe 
der  Lage  ganz  unrichtig  sein;  Sprengers  »Bandam«  hat  man  ver- 
mutlich auf  die  Banda-Inseln  zu  beziehen,  von  denen  freilich  nicht 
die  Gewürznelke  kam,  sondern  die  Muskatnuß.  Die  Vorstellungen 
sind  hier  ebenso  unklar  wie  die  Aussagen  widersprechend.  Da 
die  Gewürzinseln  von  den  Portugiesen  erst  im  folgenden  Jahrzehnt 
erreicht  wurden,  kann  das  nicht  verwundern.  Jedenfalls  kennt  er 
den  großen  Stapelplatz  Malakka,  wo  außer  Nelken,  Muskatblüte 
und  -nuß  das  Sandelholz  von  Timor,  der  Kampher  von  Bomeo, 
Gold  von  Sumatra  und  Zinn  von  Banka,  Seide  und  Poi-zellan  von 
China  auf  den  Markt  kam.  Er  gibt  sich  im  übrigen  auch  nicht 
den  Anschein  mehr  zu  wissen,  als  er  wirklich  zu  wissen  glaubt. 
So  gesteht  er  von  den  nördlichen  Gestaden  des  Indischen  Ozeans 
(des  »Golfs  von  Mekka«)  keine  bestimmte  Vorstellung  zu  haben; 
er  hat  gehört,  daß  Mekka  (Megen)  und  Cambaya  daran  liegen, 
sagt  aber  ausdrücklich,  daß  deren  Entfernung  von  einander  ihm 
unbekannt  ist  3. 

Was  das  Klima  betrifft,  so  hat  Sprenger  den  Wandel  der 
Jahreszeiten  in  Indien  selbst  erlebt  und  beobachtet,  aber  von  den 
Monsunen,  den  Jahreswinden,  schweigt  er,  obwohl  auf  ihrem  regel- 
mäßigen Wechsel  die  Schiffahrt  sowohl  der  Araber  als  auch  der 
Portugiesen  im  Indischen  Ozean  beruhte. 

Hinsichtlich  der  Erzeugnisse  ist  ihm  »Großindien«  »ein  reich 
land  von  edelgesteyn  unn  Spetzerey*«.  Bei  den  Edelsteinen  wird 
man,  soweit  das  ihm  bekannte  Malabar  in  Frage  kommt,  mehr 
an  die  dort  überall   geübte  Verarbeitung  als  an   die  Gewinnung 


1  Q.  U.,  S.  126. 

2  ebd.,  S.  126  Anm.  223. 

3  Q.  U.,  S.  125. 
*  ebd.,  S.  124. 

Hfimmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien. 


114 

denken;  Hauptorte  der  letzteren  waren  das  hinterindische  Pegu, 
Ceylon  und  die  Diamantfelder  von  Dekan. 

Von  der  Pflanzenwelt  des  tropischen  Landes  fallen  ihm  die 
Palmen  ins  Auge:  »Und  wann  du  in  dem  selben  land  bist«,  heißt  es 
von  Cochin,  »so  gestu  under  den  Palmiten  bawmeni«,  Palmwein 
und  Palmsyrup  wird  er  wohl  meinen,  wenn  es  heißt:  »Da  wachßt 
guoter  Wein,  vil  hönig^«.  Beides  mag  er,  wie  auch  Palmzucker, 
vor  allem  in  Cochin  kennen  gelernt  haben  —  vielleicht  auch  schon 
in  Quiloa  — ;  denn  Almeida  ließ  während  der  Ladezeit  die  Schiffe 
der  Kaufleute  ebenso  wie  die  des  Königs  unentgeltlich  mit  den 
Erfrischungen  versorgen,  die  das  Land  darbot.  Es  war  bei  ihnen 
auch  besonders  nötig;  hatten  sie  doch,  wie  er  tadelnd  an  den 
König  schreibt,  geradezu  sträflich  schlechte  Lebensmittel  mit- 
gebracht 3,  Auch  von  den  Früchten  Indiens  hat  man  ihnen  so 
zweifellos  manches  zukommen  lassen,  schon  deshalb,  weil  ver- 
mutlich so  wenig  wie  sonst  Skorbutkranke  an  Bord  gefehlt  haben 
werden.  So  lernt  er  die  »indische  Feige«  (port.  figo  da  India) 
kennen  und  hebt  neben  dem  angenehmen  Geschmack  bewundernd 
ihre  Größe  wie  die  der  Früchte  des  Tropenlandes  überhaupt  hervor. 
Köstlich  mundet  ihm  das  Reiskorn  und  er  rühmt,  daß  es  an  Weiße 
dem  heimatlichen  Semmelmehl  nicht  nachstehe*.  Der  an  Stämmen 
oder  Stützen  emporkletternde  Pfeffer  erinnert  ihn  dadurch  wie 
durch  den  freilich  mehr  ährenförm igen  Fruchtstand  an  die  heimische 
Rebe.  Er  hörte,  daß  man  um  den  schwarzen  Pfeffer  des  Handels 
zu  gewinnen  die  Früchte  noch  grün  abpflückt  und  auf  Tüchern 
an  der  Sonne  trocknet,  daß  sie  um  Martini  oder  Weihnachten, 
in  der  heißesten  Zeit,  reif  werden  und  daß  der  Hauptstapelplatz 
des  Pfeffers  Cochin  ist.  Der  Verfasser  des  Berichtes  von  der 
»Rafael«  weiß  auch  von  den  wilden  Zimmetbäumen,  der  Canella 
brava  der  Portugiesen,  in  den  Bergen  gegenüber  Anjediva,  deren 
Blätter  er  mit  denen  des  Lorbeerbaumes  vergleicht.  Sie  bilden 
übrigens  einen  charakteristischen  Bestandteil  auch  der  Flora  von 
Cochin  5. 

Von  der  Tierwelt  »Großindiens«  nennt  Sprenger  den  Elefanten, 
spricht  im  Vorbeigehen  von  »dem  mancherlei  wilden  und  wunder- 
lichen Getier,  das  man  nicht  beschreiben  kann 6«,  von  der  Menge 
der  Büffel,  die  als  Haustiere  namentlich  in  den  Deltaländern  und 
tiefgelegenen,  feuchten  Gegenden  gehalten  werden,  und  der  Rinder, 


'  Q.  U. 

,  S.  124. 

2  ebd., 

S.  18. 

3  Bericht  vom  16.  Dezember  1505. 

*  Q.  U. 

,  S.  ISf. 

»  Q.  U. 

,  S. 124  und 

145. 

6  ebd.. 

S.  19. 

115 

die  in  mehreren  Arten,  besonders  der  Zeburasse,  vortrefflich  gedeihen, 
z.  T.  aber  auch  minderwertig  sind.  Daß  die  Kuh,  wie  bei  dem 
südindischen  Hirtenvolke  der  Toda  der  Büffel,  in  ganz  Indien  heihg 
gehalten  wurde,  Schlachten  des  Tieres  als  Frevel  galt,  hat  er  offen- 
bar gehört ;  er  erwähnt  freilich  nur,  daß  man  sie  nicht  tötete  ^ 

Mehr  weiß  er  über  die  Bevölkerung  von  Malabar  zu  berichten. 
Als  braunschwarz  schildert  er  ihre  Hautfarbe ;  Männer  und  Frauen 
tragen  das  schwarze  Haar  lang  und  gehen  nackt,  nur  daß  sie  ein 
Stück  Tuch  um  die  Hüften  legen,  das  er  für  Leinwand  hält  2;  in 
der  Tat  war  es  Baumwolle,  bei  Vornehmen  auch  wohl  Seide  3, 
gelb,  rötlich,  scharlachrot,  besonders  aber  weiß.  »Die  kaufleut  der 
selben  land  haben  all  weyß  hembder  an  /  und  weyß  tucher  umb 
die  köpff  gewickelt«,  heißt  es  an  anderer  Stelle;  zutreffend  ist  das 
für  die  fremden  Muhamedaner,  die  vielen  arabischen,  persischen, 
gudscheratischen  Kaufherrn,  in  deren  Händen  ein  großer  Teil  des 
malabarischen  Handels  lag;  denn  die  einheimischen  Muhamedaner, 
die  Mopiah,  gingen  bis  auf  das  Lendentuch  nackt  wie  die  Najer 
und  trugen  nur,  zum  Unterschied  von  den  Heiden,  kleine  Mützen 
(carapucinhas)  auf  dem  Kopf  und  lange  Barte.  Frauen  der  höheren 
Stände  sind  anscheinend  Sprenger  nicht  zu  Gesichte  gekommen ; 
denn  diese  hüllten,  außer  den  Najerfrauen,  auch  den  Oberkörper 
in  sehr  feine  weiße  Stoffe  ein. 

Von  den  malabarischen  Kasten  hat  er,  wie  es  scheint,  eine 
dunkle  Vorstellung,  kennt  ihrer  freilich  nur  drei:  Brahmanen 
(»Bremen«),  Najer  und  Mukkuvar  (»Mugua«).  Von  den  Brah- 
manen weiß  er,  daß  sie  Heiden  und  einflußreich  sind  und  in  der 
Kastenordnung  über  den  Kaufleuten  stehen ;  denn  das  will  er  wohl 
mit  den  Worten  sagen:  »die  selben  haben  die  gantz  kauffman- 
schaft  underthan  diesser  land^«.  Unter  den  verschiedenen  Arten 
von  Brahmanen  standen  die  eigentlichen  Malabar- Brahmanen  (Mal. 
nambüdiri)  in  den  malabarischen  Staaten  am  höchsten ;  sie  übten 
im  religiösen  wie  im  politischen  Leben  den  maßgebenden  Einfluß 
und  trieben  ihrerseits  keinen  Handel,  wie  sie  auch  keine  Waffen 
trugen.  Sie  »sind  wie  Brüder  vom  guten  Leben«,  sagt  der  Bericht 
von  der  »RafaeP«,  »und  wegen  ihrer  Heiligkeit  schlafen  sie  bei 
der  Frau  des  Königs;  und  darum  erbt  nicht  der  Sohn  des  Königs, 
sondern  sein  nächster  Schwestersohn,  weil  man  nicht  weiß,  ob 
der  Sohn  vom  König  stammt  oder  von  einem  Brahmanen«.  Daß 
sie  dem  Verfasser  des  Berichtes   als  »Brüder  vom  guten  Leben« 

^  U.,  S.  18. 

2  ebd.,  S.  17. 

3  ebd.,  S.  117  Anm.  130. 
*  Q.  U.,  S.  124. 

5  ebd.,  S.  147. 


116 

erscheinen,  hat  seinen  Grund  jedenfalls  in  der  Strenge  der  Kasten- 
bräuche in  Bezug  auf  Nahrung,  Lebensführung  und  religiöse 
Übungen.  Das  Erbrecht  der  Schwestersöhne  hing  mit  der  in  der 
Najerkaste  herrschenden  Polyandrie  und  Ehelosigkeit  zusammen; 
den  Najern  aber  gehörten  die  Rajas  mancher  südindischen  Staaten 
an,  und  die  Freiheit  der  Najerfrauen  im  Geschlechtsverkehr  mit 
Männern  der  eigenen  wie  einer  höheren  Kaste  galt  auch  für  die 
Frauen  des  Fürsten. 

Die  Najer  (Mal.  näyar),  der  stolze  landbesitzende  Kriegerstand 
von  Malabar  in  jener  Zeit,  sind  zwar  von  der  Sudra-Kaste,  nehmen 
aber  den  Rang  der  Kschatriya  ein.  Als  den  Adel  des  Landes 
bezeichnet  sie  mit  einem  gewissen  Rechte  nicht  nur  Sprenger.  Alle 
aus  Najerblut  entsprossen,  vom  Raja  selber  zu  Rittern  geschlagen 
und  in  Listen  geführt,  von  Jugend  auf  nur  für  den  Kriegsdienst 
geübt  und  in  eigenen  Fechterschulen  ausgebildet  \  stellten  sie  die 
verlässige  und  todesmutige  Streitmacht  der  malabarischen  Rajas  dar. 
Für  gewöhnlich  barhäuptig,  das  Haar  etwas  seitwärts  zum  Schopf 
aufgebunden,  in  Kriegszeiten  den  roten  Turban  auf  dem  Kopfe 
und  ein  gleichfarbiges  Tuch  um  die  Hüften  geschlungen,  begleiteten 
sie,  jederzeit  in  Waffen,  den  Herrscher  oder  großen  Herrn,  in  dessen 
Dienst  sie  standen.  Sie  wohnten  außerhalb  der  Stadt,  von  dem 
übrigen  Volke  gesondert;  ihr  Viertel  war  von  hohen  Wällen  um- 
geben, hatte  seine  eigenen  Palmenhaine  und  ausgemauerten  Bade- 
teiche. Männer  wie  Frauen  mieden  als  befleckend  jede  körperliche 
Berührung  mit  Angehörigen  niederer  Kasten,  die  sich  bei  Begegnung 
auf  der  Straße  in  angemessener  Entfernung  zu  halten  hatten,  andern- 
falls von  dem  Najer  kurzerhand  erschlagen  werden  durften  2. 

Zu  den  niederen  Kasten  gehörten  die  in  der  »Merfart«  ge- 
nannten Mukkuvar.  Sie  sind  hier  als  »Buren«  bezeichnet,  waren 
aber  den  Bauern,  den  »armen  Leuten«  der  Zeit  Sprengers,  höchstens 
in  der  niedrigen  sozialen  Stellung  vergleichbar;  die  Kaste  der 
Ackerbausklaven  bildeten  in  Cochin  tatsächlich  die  Puliyar,  während 
die  Mukkuvar  damals  wie  heute  eine  küstenbewohnende,  wenig 
geachtete  Fischer-  und  Seemannsbevölkerung  waren  3. 

Als  fremdartiges  Element  inmitten  der  heidnischen  Inder  nennt 
Sprenger  die  malabarischen  Juden,  die  damals  wohl  wie  heute* 
teils  unvermischte  »weiße«  oder  »Jerusalem-Juden«  teils  reine  Inder 
mosaischen  Glaubens  oder  Mischlinge  waren.  Juden  begegnen  in 
Malabar  seit  früher  Zeit.    Vor  Ankunft  der  Portugiesen  in  Indien 

1  Duarte  Barbosa  a.  a.  O.,  S.  326  ff. 

2  Duarte  Barbosa  a.  a.  O.,  S.  329. 

3  Cartas  de  A.  de  A.,  Bd.  I,  S.  270  und  Duarte  Barbosa  a.  a.  O.,  S.  337. 
*  Francis  Day,  The  land  of  the  Permauls,  or  Cochin,  Madras  1863, 

S.  339. 


117 

war  ihre  bedeutendste  geschlossene  Siedelung  noch  in  Cranganor 
25  km,  nördlich  von  Cochin,  in  der  zweiten  Hälfte  des  16.  Jahr- 
hunderts wird  darin  das  letztere  ihr  Hauptsitz  im  Lande,  so  daß 
der  Raja  von  Cochin  damals  wegen  der  Menge  seiner  jüdischen 
Untertanen  den  Spottnamen  König  der  Juden  führte  '.  Ganz  unan- 
sehnlich kann  ihre  Kolonie  in  der  Stadt  bereits  1505  nicht  gewesen 
sein;  das  bezeugt  die  kleine  Geschichte,  die  ein  Zeitgenosse  Sprengers, 
der  Portugiese  Gaspar  Correa,  in  seinen  »Lendas  da  India«  (»In- 
dische Geschichten«)  erzählt 2.  Mit  Almeidas  Flotte  war  Joato 
Cotrim  ^,  Sohn  eines  hohen  Hofbeamten  in  Lissabon,  nach  Indien 
gekommen.  Er  brachte,  mit  Bewilligung  des  Königs,  von  Portu- 
gal eine  Truhe  voll  hebräischer  Thorarollen  mit,  die  sein  Vater 
entweder  selbst  hatte  schreiben  lassen  oder,  was  wahrscheinlicher 
ist,  anläßlich  der  Vernichtung  der  Synagogen  in  Portugal,  die  mit 
der  1497  erfolgten  Austreibung  oder  gewaltsamen  Bekehrung  der 
portugiesischen  Juden  zusammenhing,  an  sich  gebracht  hatte.  Nach 
der  Ankunft  in  Indien  verkaufte  JoSo  Cotrim  in  der  Tat  eine  An- 
zahl davon  für  schweres  Geld  an  die  in  der  Stadt  ansässigen  Juden. 
Unglücklicherweise  aber  erfuhr  der  Vizekönig  von  der  Sache,  ließ 
in  ehrlicher  Entrüstung  über  den  Handel,  der  seinem  strenggläubigen 
Gemüt  als-  ein  Frevel  gegen  Gott  erschien,  die  verkauften  Exem- 
plare durch  Vermittlung  Candagoras  wieder  einziehen,  das  dafür 
bezahlte  Geld  den  Juden  zurückgeben,  die  Kiste  mit  den  Thora- 
rollen aber  versiegeln  und  unterbreitete  den  Fall  dem  König. 
Manuels  Entscheidung  fiel,  wie  eine  resignierte  Stelle  in  einem 
von  Correa''  mitgeteilten  Bericht  Almeidas  vom  Jahr  1508  erkennen 
läßt,  gegen  den  Vizekönig  aus.  Wenn  Correas  Angabe  richtig 
ist,  daß  die  13  von  Joäo  Cotrim  verkauften  Thorarollen  einen 
Preis  von  über  4000  Pardaos  erzielt  hatten,  so  müssen  in  der 
jüdischen  Gemeinde  von  Cochin  sehr  wohlhabende  Leute  gewesen 
sein ;  denn  der  Silberpardao,  der  als  die  gangbarere  Münze  wahr- 
scheinlich hier  gemeint  ist,  hatte  um  1550  einen  Goldwert  von 
6,65,  der.  Goldpardao  einen  solchen  von  7,98  Mark.  Dieser  Reich- 
tum war  jedenfalls  durch  kaufmännische  Tätigkeit  erworben;  denn 
die  Juden  nahmen  am  Handel  von  Malabar,  besonders  wohl  dem 
mit  Gewürzen^  und  Edelsteinen,  einen  regen  Anteil.  Edelstein- 
händler war  z.  B.  Gaspar  da  Gama  gewesen  ^ 

1  Joao  de  Lucena,  Vida  de  S.  Francisco  de  Xavier,  S.  54. 

2  Bd.  I,  S.  656. 

3  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  394. 
*  a.  a.  O.,  S.  900. 

5  Thome  Lopes  in  Collecgao  de  Noticias,  Bd.  II,  S.  184. 
ö  Brief  Manuels  an  den  Kardinal-Protektor  in  Boletim  da  Sociedade 
de  Qeographia  de  Lisboa,  VI  (1886),  S.  674. 


118 

Von  den  einheimischen  Thomaschristen  Südindiens,  Nesto- 
rianern,  hat  Sprenger  Kunde:  in  Kollain,  sagt  er,  lebten  ihrer  viele; 
auch  das  angebliche  Grab  des  Apostels  Thomas  —  in  Mailapur  an 
der  Koromandelküste  —  ist  ihm  vom  Hörensagen  bekannt  \  Von 
Fremden  im  Lande  erwähnt  die  »Merfart«  Türken,  deren  übrigens 
wenig  erhebliche  Beteiligung  am  indischen  Handel  der  gleichzeitige, 
im  Osten  weit  herumgekommene  Lodovico  di  Varthema^  bestätigt. 
Da  aber  Sprenger  von  den  Arabern  und  Mopiah  ganz  schweigt, 
ferner  Cananor,  wo  die  letzteren  besonders  zahlreich  saßen,  als 
den  Ort  der  kaufmännischen  Tätigkeit  der  »Türken«  bezeichnet 
und  sagt,  daß  sie  in  Indien  viele  Schiffe  besäßen,  wofür  wir  sonst 
kein  Zeugnis  haben,  und  daß  ihr  Handel  nach  Mekka  und  Cam- 
baya  gehe  3,  so  liegt  es  nahe  an  eine  Verwechslung  mit  Arabern 
oder  Mopiah  zu  denken. 

Ein  besonderes  Interesse  hat  für  den  deutschen  Reisenden 
begreiflicherweise  der  Raja  von  Cochin  gehabt,  den  er  offenbar 
einmal  von  seinen  Najern  begleitet  im  Palankin  in  die  Festung 
hat  kommen  und  im  Boot  eine  Wasserfahrt  hat  machen  sehen. 
Auf  dem  Palankin  inmitten  der  Seinen  zeigt  ihn  das  Hauptstück 
der  Burgkmairschen  Holzschnittfolge  von  1508,  »der  Kunig  von 
Gutzin«  und  dessen  Nachbildung  in  dem  Druck  der  »Merfart« 
von  1 509 ;  seinen  Aufzug  zu  Land  aber  wie  seine  Fahrt  im  Boote 
schildert  Sprenger  in  der  »Merfart«  mit  den  Worten*:  »Und  so 
der  Kunig  von  Gutschin  wil  in  einem  kleinen  schif  spatzyren  faren 
so  sytzen  sein  Edellüt  vorn  und  binden  im  schif  mit  yren  waffen  / 
und  der  Kunig  uff  eym  banck  under  ynen  mit  geschrengkten  fussen 
und  stet  alweg  einer  vor  ym  und  helt  ein  rundt  gedeck  über  yn 
da  mit  er  ym  schatten  macht  das  yn  die  Son  nit  brenn,  und  gat 
alweg  eynem  an  seiner  handt  Und  so  er  spatzyren  wil  so  voickt 
ym  für  unnd  nach  sein  hofgesinde  unn  volck  mit  yren  wapen 
unn  waffen  Seyten  unn  andern  frewden  spielen  Truommeten  /Bögen/ 
Hörner  Schalmeyen  etc.  mit  grosser  zal  und  frolockung«.  Eine 
Reihe  von  Einzelheiten  der  Tracht  und  Bewaffnung,  die  hier  nicht 
erwähnt  sind,  aber  der  Wirklichkeit  entsprechen,  zeigen  die  Holz- 
schnitte: den  Haarschopf  der  Najer,  ihre  Ohrgehänge,  die  klirrenden 
Ringe  an  ihren  Schwertgriffen,  die  langen  Lanzen  mit  den  großen 
Eisen,  den  edelsteinbesetzten,  breiten  Gürtel  des  Rajas  und  seine 
hohe  Kopfbedeckung.  Die  Art  seines  Sitzens  —  »mit  geschrengkten 
fussen«  —  hat  der  Künstler  freilich,  wohl  aus  Schönheitsrücksichten, 


1  Q.  U.,  S.  126. 

2  ed.  Badger,  S.  151. 

3  Q.  U.,  S.  125. 

4  Q.  ü.,  S.  125. 


119 

nicht  genau  wiedergegeben;  er  sitzt,  sagt  der  Italiener  Giovanni 
da  Empoli,  der  1503/04  mit  Affonso  d'Albuquerque  in  Indien 
war,  »mit  untergeschlagenen  Beinen  wie  ein  Schneider'*.  Die 
»wapen«,  von  denen  Sprenger  in  seiner  Schilderung  spricht,  sind  auf 
die  verschiedenen  Muster  zu  beziehen,  die  in  allen  Farben,  Gold, 
Silber,  Azurblau,  Rot  und  Schwarz  2,  auf  den  fein  lackierten,  großen, 
aber  leichten,  mit  vergoldeten  Nägeln  beschlagenen  hölzernen  Rund- 
schilden der  Najer  angebracht  waren.  Sprengers  »Bögen«  —  eine 
alte  schwäbische  Sprachform  —  sind  Pauken,  das  »rundt  gedeck« 
die  »chatta«,  der  Sonnenschirm,  eins  der  Abzeichen  der  Würde  im 
Osten. 

Ist,  was  er  über  Stände  und  Kastenbräuche  in  Erfahrung 
gebracht  hat,  nicht  viel,  so  schweigt  er  über  anderes  ganz.  Eine 
malabarische  Stadt  mit  der  weitläufigen,  zerstreuten  Anordnung  der 
Gebäude,  mit  den  wenigen  festeren  Steinbauten  muhamedanischer 
Kaufherrn,  den  aus  Lehmwänden,  Matten  und  Holz  bestehenden, 
mit  Palmwedeln  gedeckten  niedrigen  Häusern  der  einheimischen 
Bevölkerung,  ihren  steinernen  Pagoden,  Palmengärten  und  ausge- 
mauerten Teichen^  scheint  er  überhaupt  nicht  betreten,  von  Lebens- 
weise, staatlichen  Einrichtungen,  religiösem  Glauben  und  Aber- 
glauben der  Eingeborenen  so  gut  wie  nichts  gesehen  und  gehört 
zu  haben,  und  was  in  der  vlämischen  und  lateinischen  Wieder- 
gabe der  verlorenen  letzten  Abschnitte  seines  Textes  zu  Burgkmairs 
Holzschnittfolge  über  staatliche  Anordnung  gemeinsamen  Säens 
und  Emtens  steht,  ist  sachlich  kaum  zutreffend  und  hinsichtlich  der 
Echtheit  die  ganze  Stelle  verdächtig,  da  die  »Merfart«  nichts  dem 
Entsprechendes  enthält.  Allein  diese  Unzulänglichkeiten  sind  in  den 
Verhältnissen  begründet  und  können  Sprenger  nicht  zum  Vorwurf 
gemacht  werden.  Der  Bericht  von  der  >Rafael«,  für  Ostafrika  so 
ergiebig,  hat  hier  gleichfalls  nur  spärliche  Angaben,  unter  anderem 
die,  daß  die  Leichen  der  Vornehmen  in  Malabar  verbrannt  wurden. 
Die  Tage  waren  eben  mit  geschäftlichen  Pflichten  an  Bord  und 
allenfalls  in  der  Faktorei  ausgefüllt;  man  sah  die  fremde  Welt  vor 
sich  liegen,  aber  einen  tieferen  Blick  hineinzutun  hatten  die  Be- 
satzungen der  Gewürzschiffe  nur  wenig  Gelegenheit. 


'  Ramusio,  Navigationi  et  Viaggi,  Venezia  1550,  f.  157^. 

2  Pyrard  de  Laval  ed.  Gray-Beli,  London  1887,  Bd.  I,  S.  436  und 
Ramusio  a.  a.  O.,  f.  136  f. 

3  Osorius,  De  rebus  Emmanuelis,  Coloniae  1581,  1.  H,  f.  35  v;  Harros, 
Dec.  I,  1.  IV,  c.  7  Ende;  Lodovico  di  Varthema  ed.  Badger,  S.  136;  Ra- 
musio a.  a.  O.,  f.  136r;  Pyrard  de  Laval  ed.  Oray-Bel!,   Bd.  I,  S.  401  ff. 


120 

VIII.  Heimfahrt  und  Ergebnisse \ 

Am  2.  Januar  1506  war  das  erste  Geschwader  unter  Fernäo 
Suares,  fünf  Schiffe  stark,  von  Cananor  in  See  gegangen.  Die 
Fahrt  über  den  Indischen  Ozean  dauerte  vier  Wochen,  Die  Steuer- 
leute glaubten  dabei  den  üblichen  Kurs  auf  Mogambique  einge- 
halten zu  haben,  waren  aber,  ohne  es  ?u  merken,  südwärts  ab- 
getrieben. Am  1.  Februar  kam  Land  in  Sicht;  die  Messung  ergab 
eine  Breite  von  14°  und  man  glaubte  die  afrikanische  Küste  südlich 
von  Mogambique  erreicht  zu  haben.  Noch  konnten  ja  die  Längen 
nur  ganz  unsicher  nach  den  Zahlen  der  schätzungsweise  zurück- 
gelegten Meilen  ermitteH  werden.  Unter  Windstillen  kreuzte  man 
längs  dem  Lande  nach  Süden,  als  am  7.  d.  M.,  einem  Sonntag, 
zehn  Einbäume  mit  viel  Volks  vom  Ufer  her  sich  näherten.  Die 
Eingeborenen,  die  die  Boote  ruderten,  hatten  schwarzbraune  Haar- 
farbe und  krauses  Haar;  alle  trugen  dünne  Assagaie  mit  Eisen- 
spitzen und  Schilde  sowie  Bogen  und  Pfeile.  Sie  fuhren  um  die 
Schiffe  herum  und  machten  Zeichen,  wie  wenn  sie  freies  Geleit 
erbäten.  Darauf  ließ  Fernäo  Suares  ihnen  in  gleicher  Weise  be- 
deuten, daß  ein  Teil  der  Bootsinsassen  auf  die  »Rafael«  kommen 
könne.  Ihrer  25  machten  von  dieser  Erlaubnis  Gebrauch  und 
bestiegen  das  Schiff,  das  sie  wie  etwas  noch  nie  Gesehenes  be- 
trachteten. Alle  waren  nackt  und  beschnitten,  was  zu  der  irrtüm- 
lichen Annahme  verleitete,  daß  sie  Muhamedaner  seien.  Eine  Ver- 
ständigung mit  ihnen  gelang  keinem  der  Dolmetscher.  Fernäo 
Suares  befahl  den  braunen  Gästen  Speise  und  Trank  vorzusetzen 
und  Stücke  von  Baumwollenzeug  zu  schenken.    Sie  nahmen  alles 


1  Über  die  Ladung  und  Abfahrt  der  Gewürzschiffe  von  Cochin 
und  Cananor  in  diesem  Jahr  sind  die  portugiesischen  Historiker  des 
16.  Jahrhunderts  (Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  23 ;  Goes,  Chron.,  p.  II,  c,  1 1; 
Barros,  Dec.  I,  1.  IX,  c.  5;  Cornea,  Lendas,  Bd.  I,  S.  615ff.)  ganz  mangel- 
haft unterrichtet.  Ihre  Angaben  werden  widerlegt,  richtig  gestellt  und 
ergänzt  teils  durch  Sprenger  teils  durch  den  Bericht  von  der  -Rafael 
und  einen  in  Lissabon  zwischen  dem  22.  Mai  und  3.  Juni  geschriebenen 
Brief  (Q.  U.,  S.  149ff.  und  92f.),  teils  durch  Gaspar  Pereiras  bis  zum 
12.  Januar  1506  reichenden  Bericht  an  den  König.  Die  genannten  Histo- 
riker zählen  außer  Correa  nur  acht  Gewürzschiffe,  während  es  mit  »Flor 
de  la  mar«  neun  waren,  und  lassen  'Gabriel«  mit  dieser,  die  Anfang 
Februar  allein  ausfuhr,  die  Reise  machen.  Daß  die  übrigen  in  zwei 
Geschwader  geteilt  und  zu  verschiedenen  Zeiten  gefahren  sind,  weiß 
keiner  von  ihnen.  Von  den  Ereignissen  der  Heimreise  kennen  sie  nur 
die  Entdeckung  der  Ostseite  von  Madagaskar  —  Correa  auch  diese 
nicht  — ,  über  die  am  ausführlichsten  Castanheda  und  etwas  kürzer  Goes 
berichten,  während  Barros  sie  nur  im  Vorbeigehen  erwähnt. 


121 

sehr  bereitwillig  und  ließen  sich  das  Essen  schmecken ;  sobald  sie 
aber  damit  fertig  waren,  ergriffen  sie  auch  das  Geschirr,  und  ehe 
man  sich's  versah, •  hatten  sie  ihre  Boote  bestiegen,  stießen  damit 
ab  und  erwiderten  die  erwiesene  Gastfreundschaft,  indem  sie  auf 
Fernao  Suares  mit  Pfeilen  schössen.  Ein  paar  Bombardenschüsse 
trieben  sie  in  rasche  Flucht.  Unterdes  hatten  sich  andere  Ein- 
bäume dem  nahe  der  »Rafael«  fahrenden  Schiff  des  Ruy  Freire 
genähert.  Auf  einen  von  Femäo  Suares  alsbald  übermittelten  Be- 
fehl ließ  dieser  sie  dicht  herankommen  und  anlegen,  dann  aber 
bereit  gehaltene  Mannschaften  bewaffnet  in  die  Boote  hineinspringen 
um  die  Insassen  zu  Gefangenen  zu  machen ;  ein  Teil  von  diesen 
warf  sich  ins  Meer  und  entkam  schwimmend,  aber  21  fielen  in 
die  Hände  der  Portugiesen.  Danach  wurde  die  Fahrt  entlang  der 
Küste  fortgesetzt,  die  größtenteils  gebirgig  war.  Mehr  und  mehr 
zweifelten  die  Steuerleute  daran,  daß  man  das  afrikanische  Fest- 
land vor  sich  habe.  So  kam  man  zu  einer  Landspitze  und  der 
Mündung  eines  Flüßchens,  wo  man  in  14  Faden  Tiefe  Ankergrund 
fand  und  in  viertägigem  Aufenthalt  Wasser  und  Holz  einnahm, 
nicht  ohne  feindlichen  Zusammenstoß  mit  Eingeborenen,  wobei 
ein  Portugiese  verwundet  wurde.  Wieder  ging  es  längs  der  Küste 
gegen  Süden.  Allabendlich  nach  Sonnenuntergang  wurde  das 
Wetter  stürmisch  und  nachts  gingen  heftige  Gewitter  und  Regen- 
güsse nieder;  mit  gerefften  Segeln  lief  das  Geschwader  gelegentlich 
vom  Abend  bis  zum  Morgen  30  Leguas.  Ein  besonders  heftiges 
Gewitter  hatten  sie  am  1 8.  Februar  nachts ;  der  Blitz  schlug  in  den 
Fockmast  der  »Rafael«  ein  und  riß  ein  paar  Splitter  Holz  davon 
weg,  richtete  jedoch  weiteren  Schaden  zum  Glück  nicht  an.  Am 
1.  März  endlich  verlor  sich  die  Küste  zur  Rechten  und  man  stellte 
den  Inselcharakter  des  Landes  fest:  es  war  Madagaskar,  an  dessen 
Ostküste  Fernao  Suares  als  ersten  Portugiesen  der  Zufall  geführt 
hatte.  14°  waren  bei  der  ersten  Berührung  gemessen  worden, 
24°  maß  man  beim  Verfassen  der  Küste.  Da  die  Nordspitze  der 
Insel,  das  Amber-Kap,  unter  12°,  die  Südspitze,  Kap  Ste.  Marie, 
auf  25V2°  liegt,  so  hatte  man,  wenn  beide  Messungen  zutrafen, 
die  Ostküste  fast  ihrer  ganzen  Länge  nach  befahren. 

Madagaskar  war  den  Arabern  schon  seit  langem  unter  den 
Namen  Qamara  (Mondinsel)  und  Qomr  bekannt  gewesen,  an  deren 
zweiten  heute  noch  die  Komoren-Gruppe  (Qomair  =  Kleine  Qomr- 
Inseln)  erinnert.  In  Portugal  hatte  man  bestimmtere  Kunde  von  der 
großen  Insel  wie  von  Ostafrika  überhaupt  durch  Pero  de  Covilhä 
erhalten;  gefunden  hatte  sie  nach  Entdeckung  des  Seewegs  um 
das  Kap  von  den  portugiesischen  Kapitänen  zuerst  Affonso  d'Albu- 
querque,  und  zwar  auf  seiner  ersten  Reise  nach  Indien  im  Jahr 
1503.     Von  ihm  hat  sie  damals  auch  den  Namen  »Insel  des  hl. 


122 

Laurentius«  erhaltend  Hatte  Albuquerque  sie  von  Westen  gesichtet 
—  eine  Landung  hat  1 503  anscheinend  nicht  stattgefunden  — ,  so 
war  nun  der  Verlauf  der  Ostküste  im  wesentlichen  festgestellt 
worden.  Die  Kenntnis  der  Küstenumrisse  Madagaskars  ist  in  den 
folgenden  Jahren  durch  Tristäo  da  Cunha  und  Diogo  Lopes  de 
Sequeira  rasch  gefördert,  1511  in  dem  nachmaligen  Fort  Dauphin 
die  erste  europäische  Handelsniederlassung  gegründet  worden  und 
1517  zeichnete  der  Portugiese  Pedro  Reinel  in  Sevilla  eine  Karte 
davon,  die  in  bezug  auf  Genauigkeit  in  Lage  und  Umrissen  zwei- 
einhalb Jahrhunderte  nicht  übertroffen  worden  ist. 

Der  von  dem  Geschwader  befahrene  Küstenabschnitt  ist  heute 
fast  ganz  von  den  lichtsepiabraunen  Betsimisaraka  und  Tanala  be- 
wohnt. Sie  sind,  wie  das  Völkergemisch  großer  Teile  der  Insel 
überhaupt,  in  ihrer  Grundlage   nicht  gleich   den  Bewohnern  des 


'  Die  erste  Entdeckung  Madagaskars  ist  ein  strittiger  Punkt.  Von 
den  verlässigeren  portugiesischen  Historikern  des  16.  Jahrhunderts  weiß 
keiner  Bestimmtes  darüber  zu  sagen.  Nach  Goes  und  Castanheda  war 
Fernao  Suares  der  erste,  der  Madagaskar  »auf  der  Außenseite  entdeckte 
(Q.  U.,  S.  93 f.) ;  keiner  von  beiden  gibt  aber  von  einer  früheren  Berührung 
der  Innenseite  der  Insel  durch  ein  portugiesisches  Schiff  Kunde.  Nach 
Barros  wäre  Suares  der  erste  gewesen,  der  sie  »an  der  Südseite  auf- 
fand«, aber  auch  in  seinem  Werk  ist  nicht  die  Rede  davon,  daß  ein  anderer 
sie  an  anderer  Stelle  vorher  berührt  hätte.  Dagegen  berichtet  Correa 
in  den  Lendas  da  India  (Bd.  I,  S.  153  —  158)  von  einer  Entdeckung  eben 
der  Ostseite  Madagaskars  durch  den  Bruder  des  Bartolomeo  Dias  im 
Jahr  1500  und  von  einem  längeren  Besuche  der  Insel  durch  Diogo  Fer- 
nandes  Peteira  im  Jahr  1503  (Bd.  I,  S.  418).  Auf  die  erste  Angabe  hat 
Alfred  Qrandidier  in  seinem  auf  etwa  40  Bände  berechneten  Riesenwerk 
über  Madagaskar  (Bd.  I,  S.36ff.  und  Bd.  IV,  tom.  I,  p.  II,  S.  418)  die 
Ansicht  gegründet,  daß  die  Insel  bereits  1500  auf  Cabrals  Indienfahrt 
von  den  Portugiesen  entdeckt  worden  wäre,  und  seine  Autorität  hat  ihr 
Geltung  verschafft  (vgl.  Vivien  de  St.  Martin,  Dictionnaire  de  Geographie, 
und  Encyclopaedia  Britannica  s.  v.  Madagascar).  Ich  habe  nun  in  Q.  U., 
S.  95ff.  gezeigt,  daß  Correas  Darstellung  der  Reise  von  1500—1501  im 
allgemeinen  ebenso  unzuverlässig  und  unzutreffend  ist  wie  die  der  Ent- 
deckungsfahrt Vascos  da  Gama  (vgl.  Hümmerich,  Vasco  da  Gama, 
München  1898,  S.  109ff.),  habe  betont,  daß  von  den  Quellen  erster  Hand, 
die  uns  für  Cabrals  Indienfahrt  zur  Verfügung  stehen,  dem  Bericht  eines 
Steuermanns  seiner  Flotte,  dem  Brief  Vespuccis  an  Lorenzo  dei  Medici, 
datiert  vom  Cabo  Verde  4.  Juni  1501,  und  der  Copia  de  una  littera  del 
Re  de  Portagallo  mandata  al  Re  de  Castella  (Roma  1505)  keine  von  der 
Entdeckung  der  Rieseninsel  etwas  weiß,  obwohl  alle  die  abenteuerliche 
Fahrt  des  Diogo  Dias  erwähnen  und  in  dem  Vespucci-Brief  gerade  das 
geographische  Interesse  das  vorherrschende  ist,  habe  weiter  darauf  hin- 
gewiesen, daß  während  der  nächsten  Jahre  nichts  dazu  getan  worden 
ist  die  angebliche  neue  Entdeckung  weiter  auszubauen.    Bezüglich  des 


123 

Hochlands  von  Imerina  echte  Malayen,  sondern  nach  der  einen 
Anschauung  negroide,  in  Sitte  und  religiösen  Anschauungen  auf 
Melanesien  zurückweisende,  nach  der  andern  echt  afrikanische,  aus 
dem  Süden  des  Kontinents  eingewanderte  Volkselemente,  wenn  auch 
ihre  Sprache  ein  Dialekt  der  von  allen  Madagassen  gesprochenen 
einheitlichen  malayischen  (indo-melanesischen)  Sprache  ist  und 
darum  von  keinem  der  portugiesischen  Dolmetscher  verstanden 
wurde.  Die  Küstenstämme  von  Madagaskar  haben  stellenweise  etwas 
arabisches  Blut  in  sich  aufgenommen,  woran  einzelne  heut  noch 
lebendige  Familientraditionen  und  —  freilich  stark  entartete  — 
islamitische  Religionsgebräuche  hier  und  dort  erinnern.  Im  Nord- 
westen fand  Tristäo  da  Cunha  1 506/07  größere  arabisch-muhame- 
danische  Siedelungen  vor.  Daß  aber  die  Eingeborenen  der  Ostküste, 
mit  denen  das  Geschwader  des  Fernäo  Suares  in  Berührung  kam. 


Diogo  Fernandes  Peteira  steht  Correas  Angabe  zudem  in  Widerspruch 
mit  der  Darstellung  des  sonst  zuverlässigen  Chronisten  König  Manuels, 
des  Damiäo  de  Qoes  (Chron.,  p.  I,  c,  81).  Die  bisher  von  keinem  portu- 
giesischen Schiff  angelaufene  Insel,  auf  der  Peteira  überwintert  hat,  wäre 
danach  —  und  diese  Angabe  bestätigen  Antonio  Galvao  (Tratado  dos 
desvairados  caminhos  .  .  .  e  dos  descobrimentos  ed.  Bethune,  London 
1862,  S.  102),  Osorio  (De  rebus  Emmanuelis,  Coloniae  Agr.  1581,  1.  III, 
f.  SSr)  und  Barros  (Dec.  I,  1.  VII,  c.  11  Schluß)  -  nicht  Madagaskar 
gewesen,  sondern  Sokotora.  Das  stimmt  genau  zu  der  besonderen  Auf- 
gabe des  Geschwaders,  dem  er  angehörte,  (Q.  U.,  S.  94 f.):  sie  bestand 
in  Erkundung  des  Eingangs  ins  Rote  Meer  und  in  Kaperfahrten  zwischen 
Kap  Guardafui  und  der  Küste  Arabiens.  Damit  haben  sich  tatsächlich 
die  beiden  anderen  Schiffe  des  Geschwaders  und  nach  Barros'  Bericht 
auch  er  selbst  beschäftigt.  Hiernach  muß  die  alleinstehende  Angabe 
des  Correa  bei  seiner  notorischen  Unzuverlässigkeit  im  Tatsächlichen 
als  mindestens  unwahrscheinlich  gelten.  Den  Namen  Ilha  de  S.  Lourengo 
soll  Madagaskar  nach  Qoes  1506  durch  Ruy  Pereira  erhalten  haben,  der 
zur  Flotte  des  Tristäo  da  Cunha  gehörte  und  von  dieser  durch  Sturm 
getrennt  am  Tage  des  hl.  Laurentius  (10.  August)  die  Insel  entdeckt  hätte, 
oder  1508  durch  Diogo  Lopez  de  Sequeira.  Beides  ist  unmöglich;  denn 
der  Name  kommt  bereits  in  der  Instruktion  für  Cide  Barbudo  (Cartas 
de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  350)  vor,  der  von  Lissabon  im 
November  1505  nach  dem  Indischen  Ozean  abgegangen  ist  (Q.  U.,  S.  149 
Anm.  79).  Dagegen  haben  wir  eine  andere,  sehr  bestimmte  Angabe 
über  den  ersten  Entdecker:  kein  Geringerer  als  König  Manuel  bezeugt, 
daß  es  Affonso  d'Albuquerque  war,  und  zwar  in  dem  Brief  an  den  Erz- 
bischof von  Braga  vom  19.  Juni  1508  über  die  Taten  des  Tristäo  da 
Cunha  im  Osten,  Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  424:  =Item : 
na  terra  e  ilha  de  sam  lourengo  que  o  dito  tristam  da  cunha  foy  ver 
quando  llogo  de  ca  foy,  e  onde  fez  gramde  estraguo  nos  mouros,  a  qual 
ilha  he  a  que  achou  affomso  dalbuquerque,  se  acha  muito  gengibre.< 
Auch  wann  er  sie  gefunden  hat,  läßt  sich  bestimmen.    In  den  von  Albu- 


124 

alle  oder  auch  nur  in  der  Mehrzahl  Muhamedaner  gewesen  wären, 
wie  der  Bericht  von  der  »Rafael«  sagt,  ist  schwerlich  richtig.  Das 
war  hier  sicher  nur  sehr  vereinzelt  der  Fall. 

Abgesehen  von  der  Erkundung  der  Ostküste  Madagaskars  ist 
die  Heimreise  der  fünf  Schiffe  des  Fernäo  Suares  ohne  Ereignis 
rasch  und  glücklich  verlaufen.  Am  1.  März  ließ  man  die  Insel 
hinter  sich  und  schon  am  8.  d.  M.  wurde  das  Kap  passiert.  Hier 
trennte  sich  das  königliche  Schiff  »Conceicäo«  von  den  andern ; 
es  leckte  so  stark,  daß  Umkehr  nach  Mogambique  notwendig  schien. 
Die  übrigen  vier  sichteten  weiterfahrend  450  Leguas  vom  Kap  ent- 
fernt auf  hoher  See  am  22.  März  ein  großes  Schiff  und  eine  Kara- 
velle,  doch  vermochte  wenigstens  die  »Rafael«  sie  nicht  zu  erreichen. 
Es  waren  die  Fahrzeuge  des  Cide  Barbudo  und  Pero  Quaresma, 
die  mit  besonderen  Aufträgen  am  1 9.  November  1 505  von  Lissabon 
abgegangen  waren,  vor  allem  um  nach  überfälligen  Schiffen  der 


querques  Sohn  Bras  geschriebenen  Commentarios  do  grande  Affonso 
Dalboquerque,  p.  I,  c.  10  findet  sich  die  Stelle:  Partido  o  Capitao  mör 
(Tristäo  da  Cunha),  dali  a  poucos  dias  foi  aver  vista  do  parcel  de  Sancta 
Maria,  que  he  huma  coroa  d'area  em  17  graos  e  nieio  daltura,  sessenta 
legoas  de  Mo^ambique  que  Affonso  Dalboquerque  descobrio  a  primeira 
vez  que  foi  a  India.  Dies  »parcel  de  Sta.  Maria*  ist  ein  Teil  dessen, 
was  auf  zahlreichen  Karten  des  16.  Jahrhunderts  als  vBaixos  do  pracel 
(parcel)  eingetragen  ist,  nämlich  der  Untiefen,  die  der  Westküste  von 
Madagaskar  etwa  zwischen  dem  16.  und  19.  Breitengrad  vorgelagert 
sind.  Diese  hat  Affonso  d'Albuquerque  also  —  wie  sein  Sohn  sagt,  als 
er  das  erstemal  nach  Indien  ging  —  entdeckt.  Über  die  erste  Indien- 
fahrt des  großen  Kolonialhelden  (1503/04)  wußten  die  portugiesischen 
Historiker  des  16.  Jahrhunderts,  was  die  Reise  selbst  anbelangt,  fast 
nichts.  Sie  geben  ihm  z.  B.  nur  drei  Schiffe,  während  es  nach  dem 
Zeugnis  des  Italieners  Giovanni  da  Empoli,  der  sie  mitmachte  und  einen 
Bericht  darüber  geschrieben  hat  (Ramusio  a.  a.  O.,  f.  156''— ISS""),  vier 
gewesen  sind.  Das  Schiff  des  Giovanni  da  Empoli  wurde  zu  nicht 
näher  bestimmbarer  Zeit,  aber  jenseits  des  Kaps,  das  alle  vereinigt  am 
6.  Juli  passiert  hatten,  durch  Stürme,  in  denen  die  »Catelin  Dias  unter- 
ging, von  den  andern  getrennt  und  traf  erst,  als  es  von  Patta  aus  bereits 
14  Tage  nach  der  indischen  Küste  unterwegs  war,  mit  den  zwei  übrig- 
gebliebenen, darunter  dem  Flaggschiff ,  wieder  zusammen.  Am  11.  Sep- 
tember erreichte  das  Geschwader  Cananor.  Am  6.  Juli  also  hatte  Albu- 
querque  das  Kap  doubliert ;  dann  war  in  der  Bucht  von  S.  Bras  Wasser 
eingenommen  worden.  Die  Stürme  hatten  das  Geschwader  von  der 
Küste  abgetrieben ;  das  Schiff  des  Giovanni  da  Empoli  erreichte  sie  mit 
Mühe  wieder  bei  Sofala,  Albuquerque  ist,  da  man  ihn  in  Melinde  und 
Patta  vergebens  erwartete,  nicht  wieder  zu  ihr  zurückgekehrt;  er  hat 
in  der  ersten  Augusthälfte  die  Untiefen  an  der  Westküste  von  Mada- 
gaskar und,  wie  Manuel  in  dem  Brief  bezeugt,  auch  die  Insel  selbst 
entdeckt  und  ihr,  fügen  wir  hinzu,  den  Namen  Illia  de  S.  Louren^o  ge- 


125 

Indienflotten  von  1503  und  1504  längs  der  afrikanischen  Küste 
zu  forschen,  und  die  am  1 2.  März  die  Angra  das  Areas  auf  etwa 
I6V2OS.  Br.  zur  Fahrt  nach  dem  Kap  verlassen  hatten  (Q.  U.,  S.  149 
und  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  25).  Am  3 1 .  März  kam  die  Insel  Ascension 
in  Sicht,  die  der  Bericht  von  der  »Rafael«  als  eine  mäßig  hohe, 
etwa  sechs  (in  Wahrheit  rund  vier)  Leguas  lange  Felsinsel  schildert, 
kahl  und  ohne  Baumwuchs,  Niststätte  unzähliger  Seevögel.  Man 
lief  sie  nicht  an,  weil  es  kein  Wasser  dort  gab.  Am  8.  Mai  war 
man  in  Breite  der  Azoren,  verfehlte  aber  die  Inselgruppe  selber 
und  lief  mit  östlichem  Kurs  dem  Heimathafen  zu.  Am  22.  Mai 
warf  das  kleine  Geschwader  vor  Rastello  Anker  und  zwölf  Tage 
später  lief  auch  die  »Conceiqao«  dort  ein^;  sie  hatte  also  die  Reise 
nach  Portugal  doch  fortzusetzen  vermocht. 

War  die  Fahrt  dieses  Geschwaders  vom  Glück  in  seltenem 
Maße  begünstigt  gewesen,  so  hat  die  des  Vasco  Gomes  d'Abreu 


geben.  Der  Tag  des  hl.  Laurentius  ist  der  10.  August.  Das  stimmt 
bezüglich  der  Zeit  genau :  vier  Wochen  hat  Fernao  Suares  von  Cananor 
bis  an  die  Ostküste  Madagaskars  gebraucht,  in  etwas  über  vier  Wochen 
hat  Affonso  d'Albuquerque  seine  Fahrt  von  der  Westküste  der  Insel  bis 
Cananor  gemacht.  Dem  widerspricht  es  nicht,  wenn  eine  Karte  (Hydro- 
graphia)  von  Übelin  und  Essler  in  dem  Straßburger  Ptolemäus  von  1513 
(Leiewel,  Geographie  du  Moyen  Age,  Atlas,  Tafel  43),  deren  portu- 
giesische Vorlage  in  den  Jahren  1501  —  1504  (Leiewel  a.a.O.,  Bd.  II, 
§  196 ff.)  entworfen  zu  sein  scheint,  bei  Madagaskar  neben  diesem  Namen 
und  Comorbinam  (statt  Comor-diva)  die  Bezeichnung  S.  Laurentii  auf- 
weist. Da  Albuquerque  zwischen  dem  11.  und  30.,  der  von  ihm  voraus- 
gesandte Antonio  do  Campo  am  10.  September  1504  in  Lissabon  eintraf 
(das  beweisen  entgegen  den  sich  widersprechenden  Angaben  der  Histo- 
riker und  des  Bras  d'Albuquerque  die  Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  VI, 
Sp.  55,  82,  86,  103,  105),  kann  jene  Vorlage  ihn  ganz  wohl  schon  ent- 
halten haben;  andernfalls  würde,  da  die  Herausgabe  der  Ptolemäus- 
Karte  beim  Tode  Renes  II.  von  Lothringen  (10.  Dezember  1508)  nur  vor- 
bereitet war  und  erst  1513  wirklich  erfolgt  ist,  später  erlangte  Information 
zugrunde  liegen.  Für  einen  Zweifel  scheint  mir  danach  kein  Raum 
mehr:  Madagaskar  ist  am  10.  August  1503  von  Affonso  d'Albuquerque 
entdeckt  und  nach  dem  Kalenderheiligen  des  Tages  benannt  worden. 
Dies  zur  Ergänzung  und  Berichtigung  meiner  Ausführungen  in  Q.  U., 
S.  95ff.,  bei  deren  Abfassung  mir  der  II.  Band  der  Cartas  de  Affonso 
de  Albuquerque  und  die  darin  enthaltenen  Urkunden  noch  nicht  zugäng- 
lich waren.  Der  in  der  oben  herangezogenen  Instruktion  des  Cide 
Barbudo  an  der  zitierten  Stelle  genannte  Lopo  d'Abreu  gehörte  der 
Flotte  des  Lopo  Suares  von  1504/05  an  (Barros,  Dec.  I,  1.  VII,  c.  11)  und 
die  Untiefen  osö.  von  Sofala,  die  er  entdeckt  hatte  und  die  Cide  Barbudo 
kartographisch  genau  festlegen  soll,  sind  offenbar  die  Baixos  da  India  (oder 
Judia)  der  portugiesischen  Karten  des  16.  Jahrhunderts  (Bassas  da  India). 
1  Ca  Masser  a.  a.  O,,  S.  23. 


126 

mit  »Gabriel«,  »Lionarda«  (Kapitän  Diogo  Correa)  und  »Magdalena« 
(Kapitän  Diogo  Fernandes  Correa)  unter  einem  wenig  günstigen 
Stern  gestanden.  Am  21.  Januar  1506  fuhren  die  drei  Schiffe  von 
Cananor  ab  und  zunächst  der  Küste  entlang  bis  Anjediva ;  man  ver- 
mied auf  diese  Weise  die  gefährliche  Fahrt  zwischen  den  Korallen- 
riffen der  Lakkadiven  hindurch.  Von  den  Orten,  an  denen  sie  auf 
dieser  Küstenfahrt  vorüberkamen,  nennt  Sprenger  den  belebten 
Handelsplatz  Baticala  (13°  5Q'  n.  Br.)  und  bezeichnet  ihn  ohne 
nähere  Begründung  als  portugiesenfeindlich,  wohl  wegen  der  vielen 
muhamedanischen  Kaufleute,  die  hier  ansässig  waren'.  Am  5.  Fe- 
bruar kreuzte  das  Geschwader,  wenn  Sprengers  Datum  richtig  ist, 
die  Linie,  muß  dann  aber  durch  Ungunst  der  Winde  nur  sehr  lang- 
sam vorwärts  gekommen  sein ;  denn  erst  viereinhalb  Wochen  später, 
am  8.  März,  befand  es  sich,  falls  die  von  Sprenger  mitgeteilte 
Schätzung  der  Steuerleute  bezüglich  der  Entfernung  vom  Festland 
und  von  der  Komoreninsel  S.  Christoväo  zutraf  und  mit  der  letzteren 
Mayotta  gemeint  ist  2,  bei  dem  Hauptinselchen  der  kleinen  Olorioso- 
Gruppe,  die  auf  IP  35'  s.  Br.  und  47  0  25—30'  ö.  L,  ungefähr 
westlich  von  der  Nordspitze  Madagaskars  liegt;  er  nennt  es  »Fast- 
nacht« ;  Ilha  d'Entrudo  oder  de  Carnaval  müßte  es  also  geheißen 
haben  oder  von  Vasco  Gomes  d'Abreu  damals  genannt  worden 
sein,  ein  Name,  der  auf  den  portugiesischen  Seekarten  nicht  nach- 
weisbar ist.  Am  11.  März  kam  eine  der  Komoren,  S.  Christovao 
—  »sant  Christoffel«  sagi  Sprenger  — ,  am  wahrscheinlichsten 
Mayotta,  in  Sicht.  Er  erzählt,  daß  die  Insel  fruchtbar  und  reich 
an  Fleisch  und  andern  Lebensmitteln  sei  und  daß  Ingwer  darauf 
wachse;  von  wem  diese  Angaben  stammen,  sagt  er  nicht 3.  Daß 
es  dem  Geschwader  trotz  zweitägiger  Anstrengung  nicht  glückte 
an  die  Insel  heranzukommen,  fände,  wenn  »S.  Christoffel«  das 
heutige  Mayotta  war,  seine  Erklärung  schon  in  den  das  hohe 
Komoren-Eiland  rings  umgebenden  Korallenriffen,  anderseits  war 
aber  auch  der  Wind  so  heftig,  daß  Vasco  Gomes  d'Abreu  sich 
schließlich  gezwungen  sah  den  Landungsversuch  aufzugeben.    Die 


'  Duarte  Barbosa  a.  a.  O.,  S.  292. 

2  Q.  U.,  S.  77  ff. 

3  Auf  der  Karte  des  Diego  Ribero  vom  Jahre  1529  findet  sich  in 
der  Tat  bei  den  Komoren  ein  Eintrag,  daß  sie  außer  Lebensmitteln  viel 
Ingwer  hervorbrächten,  und  wenn  von  der  einen  der  im  mittelalterlichen 
Handel  gangbaren  Sorten  dieses  Gewürzes,  dem  Ingwer  von  Mekka  , 
ein  Teil  wirklich,  wie  Heyd  als  möglich  annimmt  (Levantehandel,  Bd.  II, 
S.  603)  und  schon  Affonso  d'Albuquerque  in  einem  Brief  vom  10.  No- 
vember 1507  vermutet  (Cartas  d'A.  d'A.,  Bd.  I,  S.  418),  von  Madagaskar 
gekommen  sein  sollte,  so  dürfte  man  auch  die  nahen  Komoren  wohl 
in  sein  Erzeugungsgebiet  einrechnen. 


127 

1 00  Leguas,  die  man  nach  der  Schätzung  der  Steuerleute  noch  von 
der  ostafrikanischen  Küste  entfernt  war,  wurden  vor  ungestümem 
Wind  in  der  Zeit  vom  Abend  des  12.  bis  zum  14.  März  zurück- 
gelegt und  man  erreichte  das  Festland  60  Leguas  nördlich  von 
Mo(;ambique,  also  ungefähr  in  der  Breite  der  Masimbwa-Bucht. 
Vom  14.  an  ging  die  Fahrt  der  Küste  entlang  nach  Süden  und 
am   19.  kam  man  vor  Mogambique  an. 

Wie  das  beträchtlich  größere  Quiloa  und  Mombasa  war  auch 
dies  Araberstädtchen '  auf  einer  festlandnahen,  kleinen  Insel  an- 
gelegt, die,  sandig  und  palmenbestanden  2,  die  größte  und  zugleich 
innerste  von  vieren,  am  Eingang  der  nach  Südost  sich  öffnenden 
Bucht  von  Mosoril  lag.  Politisch  gehörte  .Mogambique,  wenigstens 
dem  Namen  nach,  zum  Machtbereich  von  Quiloa.  Vasco  da  Gama 
hatte  hier  1498  die  erste  Berührung  mit  dem  ostafrikanisch-arabischen 
Kulturkreis  gehabt,  hatte  zunächst  freundliche  Aufnahme  gefunden, 
dann  aber  im  Unfrieden  nach  einer  wirkungslosen  Beschießung 
die  Stadt  verlassen.  Indes  konnte  schon  die  Indienflotte  Cabrals 
(1500)  friedlich  in  dem  Hafen  vor  Anker  gehen,  ihre  Vorräte  er- 
gänzen und  einen  Lotsen  zur  Fahrt  nach  Quiloa  an  Bord  nehmen  3, 
auf  der  Rückreise  sogar  die  Schiffe  hier  überholen,  reinigen  und 
neu  kalfatenr*.  Der  Admiral  D.  Vasco  da  Gama  schloß  dann  1 502 
Frieden  und  Freundschaft  mit  dem  Scheich  von  Moqambique  ^  und 
legte  eine  Faktorei  an  um  für  die  portugiesischen  Schiffe,  die  den 
Hafen  anliefen,  den  jeweiligen  Bedarf  an  Lebensmitteln  bereitzu- 
haltend In  der  Folgezeit  entwickelte  sich  Mogambique  zum  ver- 
hältnismäßig belebtesten  Anlegehafen  für  die  portugiesischen  Ost- 
indienfahrer; fast  alle  liefen  auf  der  Hin-  und  Rückfahrt  zur  Einnähme 
von  Wasser  und  Lebensmitteln  die  Insel  an,  einzelne  Schiffe  wie 
ganze  Geschwader  warteten  hier  nicht  selten  den  Monsunwechsel 
ab  und  von  Moqambique  aus  wurde  der  Handel  geleitet,  der  den 
Portugiesen  in  Sofala  und  an  den  Sambesi-Mündungen  (Cuama) 
im  Austausch  gegen  indische  Baumwollstoffe  Gold  und  Elfenbein 
zubrachte '.  Auch  eine  kleine  Festung  ist  noch  im  ersten  Jahrzehnt 
des  16.  Jahrhunderts  hier  angelegt  worden  s.    Die  Erzeugnisse  des 


'  Collec?ao  de  Noticias,  Bd.  11,  S.  112. 

2  Expedicao  de  Francisco  Barreto  (1569)  in  Boletim  da  Sociedade 
de  Geographia  de  Lisboa,  IV  (1883),  S.  496. 

3  Coli,  de  Not.,  Bd.  II,  S.  112f. 
*  ebd.,  S.  136. 

5  ebd.,  S.  163  f. 

'  Castanheda  a.  a.  O.,  1. 1,  c  44. 

^  Tombo  do  Estado  da  India  (1554  vollendet)  in  Colle9ao  de  Monu- 
mentos  Ineditos,  Bd.  V,  S.  7 f. 

3  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  90. 


128 

Landes  selber  waren  freilich  immer  knapp  und  man  mußte  die 
erforderlichen  Lebensmittelvorräte  vielfach  von  Quiloa,  Pemba  und 
Sansibar  beziehen '. 

Bei  der  Einfahrt  des  kleinen  Geschwaders  in  die  Bucht  von 
Mosoril  traf  die  »Magdalena«  ein  Mißgeschick:  sie  verfehlte  die 
Fahrrinne,  geriet  auf  Grund  und  bekam  ein  Leck,  so  daß  man  sie 
für  verloren  hielt.  Es  gelang  zwar  sie  wieder  flott  zu  machen, 
aber  die  Ausbesserung  zwang,  da  das  Schiff  vollständig  entladen 
und  aufgelegt  werden  mußte,  zu  einer  sehr  unerwünschten  Ver- 
längerung des  Aufenthaltes.  Man  benutzte  die  Zeit  um  die  knapp 
gewordenen  Lebensmittel  Vorräte  der  Schiffe  durch  Ankauf  von 
Ziegen,  Hühnern  und  Fischen  zu  ergänzen,  die  Fahrzeuge  vom 
Bohrwurm  zu  reinigen  und  zu  kalfatern  und  trat  dann  am  14.  April 
aufs  neue  die  Fahrt  an.  Nur  mühsam  arbeitete  das  Geschwader 
sich,  bald  in  Landnähe  bald  auf  hoher  See  kreuzend,  im  beständigen 
Kampf  mit  Sturm  und  Wellen  in  Richtung  auf  das  Kap  vorwärts. 
Ein  besonders  schlimmer  Tag  war  der  19.  Mai.  Mit  völlig  ein- 
gezogenen Segeln  lief  die  »Lionarda«  in  schwerem  Wetter.  Da, 
gegen  Abend  schlug  eine  mächtige  Woge  über  das  Vorderkastell, 
brach  dieses  sowie  die  herabgelassene  große  Rahe  mit  dem  Segel 
in  Stücke  und  schüttete  eine  solche  Wassermasse  über  das  Deck, 
daß  es  den  Leuten  bis  zur  Achselhöhle  stand.  Zugleich  neigte  das 
Schiff  sich  so,  daß  die  linke  Seite  völlig  unter  Wasser  zu  liegen 
kam,  und  blieb  in  dieser  Lage  »als  lang  eyner  eyn  pater  noster 
mocht  betten«.  Im  rechten  Augenblicke  gelang  es  indes  noch 
die  vordere  Rahe  hochzubringen  und  ein  Segel  zu  setzen:  die 
»Lionarda«  lief  vor  dem  Wind  und  richtete  sich  wieder  auf.  Aber 
die  Wassermasse  hatte  auch  eine  Luke  aufgerissen  und  sich  zum 
Teil  in  die  unter  dem  Oberdeck  liegenden  Räume  ergossen.  Tag 
und  Nacht  mußten  alle  Mann  an  Bord  sich  unablässig  mit  zwei 
Pumpen  mühen  des  Wassers  Herr  zu  werden.  Zum  Unglück 
brach  auch  noch  eine  Pfefferkammer  auf  und  die  herausstürzenden 
Ballen  erschwerten  die  Arbeit  des  Auspumpens  und  steigerten  die 
Not  aufs  höchste.  Der  Mannschaft  drohten  die  Kräfte  zu  ver- 
sagen ;  »do  was  grosser  cleglicher  iomer  erschröcklich  zu  sagen 
und  hören  /  dann  das  schiff  und  wir  waren  gantz  verloren.  Aber 
dye  kunigin  aller  barmhertzigkeit  unn  der  heilig  sant  Jacob  theten 
an  uns  groß  wunderzeichen«.  Extrarationen  von  Brot  und  Wein, 
die  den  Erschöpften  gereicht  wurden,  belebten  die  Kräfte.  Am 
20.  wurden  große  Rahe  und  Segel  ausgebessert  und  am  21.  Mai 
war  diese  Gefahr  überwunden,  die  »Lionarda«  wieder  manövrier- 
fähig.    Auch  die  beiden  andern  Schiffe,  von  denen  der  Sturm  sie 


•  Tombo  do  Estado  da  India  a.  a,  O.,  S.  16. 


129 

getrennt  hatte,  kamen  um  Mittag  wieder  in  Sicht.  Aber  die  vor- 
herrschenden Westwinde  hemmten  immer  aufs  neue  die  Fahrt.  So 
Hefen  sie  notgedrungen  in  die  flache  heutige  Algoa-Bucht,  die 
Bahia  da  i_agoa  (Bucht  der  Wasserstelle)  der  Portugiesen,  ein,  da- 
mals auch  Bahia  da  Roca  (Bucht  des  Felsens)  genannt.  So  un- 
gestüm aber  war  auch  da  der  Wind  und  Wellengang,  daß  »Lionarda« 
und  »Gabriel«  je  zwei  Anker  verloren,  was  Vasco  Gomes  d'Abreu 
veranlaßte  mit  seinem  Schiff  wieder  in  See  zu  gehen.  Die  zwei 
andern  folgten  am  I.Juni  in  Richtung  auf  das  Kap  zu.  Inzwischen 
waren  auf  der  »Lionarda«  der  Wein  und  alle  Lebensmittel  bis  auf 
Schiffszwieback  und  Wasser  ausgegangen.  Aber  der  Westwind 
hielt  mit  großer  Stärke  an,  der  Zustand  aller  Schiffe  war  offenbar 
wenig  befriedigend  und  so  gab  der  Geschwaderführer,  mit  dem 
man  sich  wieder  vereinigt  hatte,  noch  am  selben  Tage  Befehl  zur 
Umkehr  nach  Mo^mbique;  er  hatte  offenbar  beschlossen  dort  zu 
überwintern.  Auf  der  > Lionarda«  schlug  dieser  Befehl  wie  ein 
Blitz  ein.  Man  verhandelte  mit  der  Mannschaft  und  kam  mit  ihr 
überein  die  Reise  nach  Portugal  unter  allen  Umständen  fortzu- 
setzen ;  denn  die  Vorräte  reichten  nur  für  höchstens  drei  Monate 
noch  und  in  Mo^mbique,  sagt  Sprenger,  hätten  sie  alle  Hungers 
sterben  müssen  und  Schiff  und  Gut  wären  verloren  gewesen.  Am 
3.  Juni  teilte  man  Vasco  Gomes  d'Abreu  diesen  Entschluß  mit, 
allein  er  gebot  dem  Kapitän,  Schiffsmeister  und  Steuermann  bei 
Gut  und  Leben  zu  gehorchen.  Bis  zum  8.  Juni  fuhr  in  der  Tat 
»Lionarda«  noch  im  Geschwaderverband  mit  auf  Mogambique  zu 
—  es  scheint,  daß  der  Wind  nichts  anderes  zuließ  — ,  an  diesem 
Tag  aber  bestürmten  der  Faktor  des  Schiffes  und  die  gesamte  Mann- 
schaft unter  Hinweis  auf  den  bedrohlichen  Mangel  an  Lebensmitteln 
mit  dem  flehentlichen  Ruf:  »Misericordia,  Misericordial«  den  Kapitän 
nach  Portugal  umzukehren.  Diogo  Correa  willigte  ein  und  nach 
Sonnenuntergang  verließ  »Lionarda«  das  Geschwader  in  Richtung 
des  Kaps,  mußte  aber  durch  Gegenwind  gezwungen  am  11.  Juni 
aufs  neue  in  die  Bahia  da  Roca  einlaufen.  Hier  wurde  ein  schrift- 
licher Protest  gegen  den  Befehl  des  Kommandanten  aufgesetzt  und 
unterzeichnet  um  dem  König  gegenüber  den  Ungehorsam  zu  recht- 
fertigen'.  Vom  13. — 15.  Juni  legte  das  Schiff  den  Weg  bis  zur 
St  Francisco-  und  Kromme-Bucht  (Bahia  da  Lagoa^)  zurück,  wo 
gefischt  wurde.  Am  1 6.  fuhren  sie  weiter,  sahen  sich  aber  durch 
Gegenwind  genötigt  am  18.  Juni  dahin  zurückzukehren  und  bis 
zum  26.  festgehalten.  In  diesen  acht  Tagen  trat  man  in  Tausch- 
verkehr mit  den  Anwohnern   der  Bucht,  viehzüchtenden  Hotten- 


»  Q.  U.,  S.  121  Anm.  177. 
2  Q.  U.,  S.  71  ff. 
Hämmerich,  Deutsche  Handelsfahrt  nach  Indien. 


130 


totten^  und  vervollständigte  durch  Fleisch,  Wasser  und  Holz  in 
erwünschter  Weise  die  knappen  Vorräte  der  »Lionarda«.  Was 
die  Eingeborenen  für  ihr  Vieh  in  Tausch  nahmen,  war  besonders 
unbearbeitetes  Eisen,  dann  Messer;  Geld  kannten,  Gold  und  Silber 
schätzten  sie  nicht ;  für  eine  Messingschelle  mittlerer  Größe  dagegen 
kaufte  man  1503  eine  Kuh  von  ihnen  2.  Über  ihren  Kulturzustand 
berichtet  Sprenger  verhältnismäßig  ausführlich. 

Er  unterscheidet  von  der  Westküste  Afrikas  zwischen  Beze- 
guiche  (Cabo  Verde)  und  dem  Kap,  »Guinea«  im  weitesten  Sinn  3, 
das  »Land  Allago«  (»Bahia  da  Lagoa«),  dem  er  im  Bildertext  eine 
Erstreckung  von  550  Meilen  (Leguas)  längs  der  Küste  ostwärts  vom 
Kap  zuspricht*  und  das  er  an  »Arabia«,  d.  h.  das  arabische  Ost- 
afrika, im  besondern  an  Sofala,  angrenzen  läßt.  »Es  ist  ain  schön 
lustig  land  von  guotem  wasser  unnd  wolriechenden  kreuter«^.  Der 
Boden  ist  sandig  und  trägt  viel  stechendes  Dorngestrüpp,  weshalb 
Männer  und  Frauen  auf  breiten  Sandalen  von  einem  Stück  Leder, 
»beynoh  den  grossen  panthofeln  gleichförmig«,  gehen.  Das  Land 
nährt  viel  treffliches  Vieh,  Schafe,  Kühe  und  Ochsen  —  »so  groß 
wie  die  im  Alemtejo«,  sagt  der  Roteiro  von  Gamas  Reise,  »und 
erstaunlich  fett«  — ,  die  den  einzigen  Reichtum  der  Bewohner 
bilden.  Die  Hottentotten  nennt  er  wie  die  Neger  »schwartze  oder 
moren«,  »ein  halb  wild  volck«^;  die  Verschiedenheit  der  Farbe  und 
der  Körpergestalt  von  der  der  Neger  des  Grünen  Vorgebirges  ist 
ihm  anscheinend  nicht  aufgefallen,  während  der  Begleiter  des  Vasco 
da  Gama,  dem  wir  den  Roteiro  von  dessen  Entdeckungsreise  ver- 
danken, sie  deutlich  hervorhebt  und  Giovanni  da  Empoli,  der  1 503 
die  nahe  Mosselbucht  besuchte,  andere  charakteristische  Züge  des 
Typus  mit  den  Worten  schildert:  »Sie  haben  keine  Haare;  ihr 
Kopf  ist  grindig  und  unförmlich,  die  Augen  triefend.«  Auch  die 
langen,  hängenden  Brüste  der  Frauen  fielen  dem  Italiener  unan- 
genehm auf.  Beide  Geschlechter  gingen  nackt;  bei  denen,  die 
Kleidung  trugen,  waren  es  behaarte  Tierfelle,  die  wie  kurze  Mäntel 
umgehängt  bis  zum  Gürtel  reichten.  Die  Weiber  trugen  Kopf- 
bedeckung von  Schaf-  oder  andern  Tierfellen  —  »für  schlair«,  wie 
Sprenger  etwas  undeutlich  sagt  —  und  am  Mantel  befestigten  sie 


1  Q.  U.,  S.  110  Anm.  53. 

2  Giovanni  da  Empoli  bei  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  156*. 

3  Q.  U.,  S.  108  Anm.  43  und  110  Anm.  53. 

*  Vgl.  den  Bericht  von  der  »Rafael    in  Q.  U.,  S.  135,  wo  für  die 
Ilhas  Derradeiras  die  Entfernung  vom  Kap  auf  565  Leguas  beziffert  wird. 

5  Q.  U.,  S.  15. 

6  Q.  U.,  S.  110. 

7  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  156v. 


131 

buschige  Tierschwänze,  die  vorn  und  hinten  herabhingen  '.  Die 
Haare  waren  bei  vielen  Männern  mit  Klebemitteln  künstlich  unter- 
einander verpicht  undMetallplättchen  und  -knöpfe  oder  Glaskorallen 
als  Schmuck  darin  befestigt  2.  Am  auffälligsten  aber  erschien  dem 
deutschen  wie  den  andern  Beobachtern  der  ersten  Jahre  der  Kul- 
kroß,  die  Schamhülle  der  Männer,  die  auch  damals  wohl  wie  zwei 
Jahrhunderte  später  zu  Peter  Kolbs  Zeit  mittels  zweier  um  die 
Hüften  gelegter  Riemen  befestigt  wurde;  er  sagt  darüber  im  Bilder- 
text: »Die  man  tragen  köcher  oder  schänden  von  holtz  oder  leder 
über  yr  schäm  /  Aber  die  weiber«,  fährt  er  fort,  »bedecken  sich 
mit  aim  beltzflecken  /  .  .  .  Den  yungen  knäblin  binden  sy  ire 
schwentzlin  über  sich.«  Die  Schamhülle  trugen  also  Knaben  noch 
nicht 3,  Von  den  Waffen  der  Hottentotten  scheint  er  mit  den  »weißen 
stäblin«  die  einen  Fuß  langen,  zum  Parieren  von  Geschossen  und 
Hieben  gebrauchten  Kirristöcke  zu  meinen,  vielleicht  bezieht  es  sich 
aber  auch  auf  die  drei  Fuß  langen  und  daumendicken,  am  einen 
Ende  zugespitzten  Rakkumstöcke  (Wurfhölzer).  Ihre  Kraft  und 
Geschicklichkeit  im  Gebrauch  der  langen,  mit  Eisenspitzen  ver- 
sehenen Assagaie  und  im  Schleudern  von  Steinen  hebt  Sprenger 
im  Bildertext  rühmend  hervor.  Unrichtig  ist,  was  er  hier  wie  in 
der  »Merfart«  von  Erdwohnungen  der  Eingeborenen  wissen  will; 
einen  Hottentotten kraal  hat  sicher  er  so  wenig  gesehen  wie  einer 
unserer  sonstigen  Berichterstatter  aus  den  ersten  Jahren.  Trefflich 
charakterisiert  er  dagegen  die  Sprache,  die  er  von  den  Eingeborenen 
hörte  und  die  niemand  verstand,  im  Bildertext  als  »ein  schnaltzende 
red«.  So  hat  er  in  den  acht  Tagen,  während  deren  ihm  an  der  Wasser- 
stelle in  der  Bucht  Gelegenheit  dazu  geboten  war,  doch  mancherlei 
charakteristische  Eindrücke  von  Land  und  Leuten  erhalten. 

Am  26.  Juni  trat  bei  günstigem  Winde  die  »Lionarda«  ihre 
Fahrt  von  neuem  an  und  erreichte  am  I.Juli  die  heutige  Mossel- 
bucht,  damals  Aguada  de  S.  Bras;  vom  2. — 6.  Juli  wurden  bei 
einem  »guten,  glückseligen  Wind«  die  rund  60  Leguas  von  da 
bis  zum  Kap  zurückgelegt,  das  man  am  7.  Juli  glücklich  doublierte. 
Wieder  ging  es  im  Winter  der  Südhalbkugel  in  den  offenen  Ozean 
hinein.  >Es  ist  auch  umbe  den  kaben  etlich  hundert  meilen  diesser 
zeyt  so  kalt  als  es  in  unsern  landen  umb  weynachten  /  die  tag 
sein  kurtz  und  die  nacht  lang  /  und  ist  der  winter  in  diessen  zeyten 
am  aller  hertsten  /  so  die  best  zeit  des  Sommers  in  unsern  landen 
ist.«  Unter  schweren  Stürmen  und  Angst  und  Not  ging  es  vor- 
wärts; am  21.  Juli  stieg  die  Insel  St.  Helena  vor  ihnen  auf,  aber 


'  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  156v. 

2  Q.  U.,  S.  Ulf.  Anra.  57. 

3  Q.  U.,  S.  111  Anm.  55. 


132 

sie  vermochten  nicht  ans  Land  heranzukommen.  Bald  darauf  lag 
man  ein  paar  Tage  in  Windstille.  Ascension  wurde  gesichtet  und 
verschwand.  Mitte  August  waren  die  Inseln  des  Grünen  Vor- 
gebirges erreicht;  man  lief  die  größte  der  ganzen  Gruppe,  Santiago, 
an  und  zwar  wahrscheinlich  Porto  da  Praya  an  der  Südküste  (14^  50'), 
wo  1497  auch  Vasco  da  Gama  anlegte'.  Alle  Vorräte  an  Bord  waren 
wieder  arg  zusammengeschmolzen  und  so  nahm  man  Lebensmittel, 
Wasser  und  Holz  ein.  Da  Rinds-  und  Ziegenhäute  sowie  Unschlitt 
neben  Baumwolle  im  beginnenden  1 6.  Jahrhundert  die  wichtigsten 
Ausfuhrgegenstände  der  Kapverden  waren  2,  gab  es  Fleisch  in  ge- 
nügender Menge  und  an  Früchten  war  kein  Mangel,  wenn  die 
Gärten  auch  freilich  künstlicher  Bewässerung  bedurften:  Orange 
und  Zitrone,  Granatbaum  und  Feige  gediehen,  wenigstens  gegen 
die  Mitte  des  1 6.  Jahrhunderts,  in  verhältnismäßiger  Fülle  ^.  Ge- 
rühmt wird  die  feine  Baumwolle  von  Santiago,  die  hier  auch  zu 
verschiedenen  Sorten  gestreifter  Stoffe  verarbeitet  wurde.  Die 
letzteren  führte  man  nach  den  Negerländern  aus  um  Sklaven  dafür 
einzutauschen*.  Das  Klima  war  damals,  knapp  ein  halbes  Jahr- 
hundert nach  ihrer  Entdeckung  (1460)  durch  Diogo  Gomes  und 
Antonio  de  Nolle,  nicht  minder  heiß  und  unzuträglich  wie  heute. 
»Diese  Inseln«,  schreibt  Valentim  Fernandez^,  »waren  anfangs  so 
gesund,  daß  alle  Aussätzigen,  die  dorthin  kamen,  gesund  wurden; 
aber  jetzt  sind  sie  so  gesundheitsschädlich,  daß  die  gesunden  Leute 
krank  werden.  Ich  glaube,  daß  die  Neger,  nachdem  man  sie  hier 
eingeführt  hatte,  das  Klima  verdorben  haben  wie  in  ihrem  Lande, 
das  ungesund  ist.«  Von  dem  Glauben  bezüglich  der  Aussätzigen 
hat  auch  Sprenger  gehört:  »Uf  Ylen  de  may«,  berichtet  er,  »da 
werden  die  sundersichen  wyder  gesunt,  wann  sie  zwey  oder  drew 
iare  daruff  sein  oder  aber  sterben  /  unn  welch  also  gesunt  werden 
die  zyhen  darnach  wyderumb  wo  hyn  sie  wollen  und  bleiben  hie 
für  gesunt.«  Man  schrieb  ihre  angebliche  Heilung  zum  Teil  dem 
Gebrauch  des  Fettes  der  von  Mai  bis  August  zahlreich  vorkommen- 
den Meerschildkröten  zu^  Für  die  Kapverden  insgesamt  gibt 
Sprenger  die  Zahl  von  neun  (statt  zehn)  Inseln  an;  die  Namen 
weiß  er  nur  von  dreien  der  südlichen  Gruppe,  nämlich  Ilheo  do 
Fogo  (»Ylleu  der  fuga«),. Santiago  und  Mayo  (»Ylle  de  may«).    Er 


1  Ravenstein,  A  Journal  of  Vasco  da  Gama's  first  voyage,  S.  3. 

2  Duarte  Pacheco,  Esmeraldo  in  Boletim  da  Sociedade  de  Geo- 
graphia  de  Lisboa  1904,  S.  136. 

3  Bericht  des  Steuermannes  bei  Ramusio  a.  a.  O.,  f.  125r  ""^  v. 
*  Ebd. 

5  Münchner  Handschrift,  f.  184^. 

6  Ebd.  f.  66  r. 


133 

weiß,  daß  ein  Teil  der  Eilande  bewohnt,  ein  anderer  unbewohnt 
ist  und  daß  sie  dem  König  von  Portugal  gehören. 

Schon  am  18.  August  hatte  die  »Lionarda«  sich  mit  dem 
Nötigen  versorgt;  man  rechnete  auf  keine  allzu  lange  Fahrt  mehr 
und  trat  in  Gesellschaft  einer  Karavelle,  die  von  Guinea  herüber- 
gekommen war,  die  Weiterreise  an.  Aber  Windstillen  ließen  die 
Schiffe  nur  äußerst  langsam  vom  Fleck  kommen  und  am  8.  Sep- 
tember war  man  erst  60  Leguas  von  Santiago  entfernt,  als  ein 
Sturm  die  zwei  Schiffe  überfiel  und  in  die  Nähe  der  Kapverden 
zurückwarf.  Inzwischen  waren  die  Vorräte  der  »Lionarda«  wieder- 
um fast  aufgezehrt  und  der  Schiffszwieback  so  knapp  geworden, 
daß  die  tägliche  Ration  auf  sechs  Unzen  (zu  29  g)  hatte  gekürzt 
werden  müssen.  Unter  diesen  Umständen  sah  man  sich  gezwungen 
Santiago  zum  zweitenmal  anzulaufen,  kam  dort  am  1 3.  September 
an  und  versah  sich  mit  Wasser,  Fleisch,  Reis  und  Durra  (Mohren- 
hirse), die  auf  den  Kapverden  wie  auf  dem  Festlande  den  Haupt- 
bestandteil der  täglichen  Nahrung  bildetet  Am  20.  des  Monats 
ging  man  erneut  unter  Segel,  aber  nun  brach  kurz  nach  der  Ab- 
fahrt ein  heftiges  Fieber  an  Bord  der  »Lionarda«  aus;  am  1.  Ok- 
tober lagen  daran  zwanzig  Mann  darnieder  und  es  starben  an  der 
Krankheit  im  ganzen  drei  Mann.  Am  23.  Oktober  war  gleichwohl 
Funchal  auf  Madeira  erreicht  und  man  hielt  sich  elf  Tage  dort 
auf.  Hier  endlich  gelang  es  das  Schiff  wieder  mit  frischem  Zwie- 
back und  Wein  zu  versorgen.  Am  3.  November  wurden  dann 
die  Anker  zum  letztenmal  gelichtet,  am  12.  stieg  die  Felswand  des 
Kaps  S.  Vicente  an  der  portugiesischen  Küste  auf  und  am  1 5.  No- 
vember 1506  lief  die  »Lionarda«  im  Hafen  von  Lissabon  ein^.  »(Wir) 
hatten  do  mit  diesse  Reyß  in  dem  namen  gottes  volnbracht  und  ge- 
endet /  Dem  sey  Ere  und  glory  ymmer  und  ewigklichen  Amen« 
—  mit  diesen  Worten  schließt  Sprenger  in  der  »Merfart«  seinen 
eigentlichen  Reisebericht:  er  mochte  nach  all  den  Gefahren,  Mühen 
und  Entbehrungen,  zumal  der  Rückreise,  aufatmen,  als  er  den  Boden 
des  heimatlichen  Kontinents  wieder  unter  den  Füßen  spürte. 

Drei  von  den  neun  Schiffen,  die  der  Vizekönig  mit  Gewürzen 
nach  Portugal  abgefertigt  hatte,  standen  bei  Sprengers  Rückkehr  noch 
aus:  die  »Gabriel«  und  »Magdalena«,  die  von  der  Bahia  da  Roca 
nach  Mo?ambique  zurückgekehrt  waren,  und  die  »Flor  de  la  mar«, 
die  am  2.  Februar  allein  die  Heimreise  von  Indien  angetreten  hatte. 
Von  den  zwei  erstgenannten  kann  keines  vor  Ende  1506  nach 
Portugal  gelangt  sein ;  denn  Pero  Quaresma,  der  mit  Gide  Barbudo 


>  Q.  U.,  S.  84  ff. 

2  Lukas  Rem  gibt  im  Tagebuch,  S.  8,  jedenfalls  irrtümlich,  den 
24.  November  an.    Das  Datum  Sprengers  ist  sicher  das  richtige. 


134 

am  1 9.  November  1 505  von  Lissabon  abgefahren  war,  traf  bei  seiner 
Ankunft  in  Mogambique  am  27.  Juli  1506  den  Vasco  Oomes  d'Abreu 
und  Diogo  Fernandes  Correa,  wie  er  am  31.  August  d.  J.  dem  König 
bericiitet,  in  großer  Not  noch  dort  an.  Der  Zustand  ihrer  Schiffe 
muß  schlecht,  die  Instandsetzung  wegen  Mangels  an  Materialien 
schwierig  gewesen  sein.  Pero  Quaresma  überließ  ihnen,  was  er 
an  Segeltuch  bei  sich  hatte,  ferner  Teer  und  Unschlitt  und  dazu 
den  größten  Teil  seines  Schiffszwiebacks'.  Auch  Pero  Ferreira 
Fogaga,  der  Kommandant  von  Quiioa  schickte,  wie  er  am  22.  De- 
zember 1506  an  den  König  schreibt,  dem  Vasco  Gomes  d'Abreu 
nach  Mogambique,  was  für  dessen  Fahrt  Zweckdienliches  in  Quiioa 
zur  Verfügung  stand  2.  Am  31.  August,  als  Pero  Quaresma  seinen 
Bericht  an  König  Manuel  abschloß,  waren  die  zwei  Schiffe  noch 
in  Mo^ambique:  offenbar  sollten  sie  selbst  das  Schreiben  nach 
Portugal  mitnehmen.  Anderseits  ist  Vasco  Gomes  d'Abreu  mit 
dem  Oberkommando  über  die  Festung  in  Sofala  und  eine  von 
ihm  in  Mogambique  zu  erbauende  Feste  bereits  am  23.  April  1507 
wieder  nach  Afrika  abgegangen  3;  von  Verlust  eines  der  beiden 
Schiffe  weiß  kein  Historiker  etwas  und  so  müssen  »Gabriel«  und 
»Magdalena«  gegen  Ende  1506  oder  Anfang  1507  in  Lissabon 
eingetroffen  sein. 

Anders  die  »Flor  de  la  mar«.  Jöäo  da  Nova  war  infolge 
der  späten  Abfahrt  von  Indien  gezwungen  gewesen  in  Ostafrika 
zu  überwintern  und  zwar  anscheinend  in  Sansibar.  Er  hatte  dann, 
sobald  es  die  Jahreszeit  gestattete,  von  dort  aus  die  Heimfahrt  an- 
getreten. Schon  war  das  Kap  erreicht,  als  bei  Windstille*  die  »Flor 
de  la  mar«  derartig  leck  wurde,  daß  Schiffsmeister  und  Steuermann 
sich  nicht  getrauten  die  Reise  fortzusetzen.  Man  kehrte  um,  ver- 
suchte auf  den  Angocha-Inseln  das  Schiff  in  stand  zu  setzen,  mußte 
das  aber  nach  ein  paar  Tagen  als  aussichtslos  aufgeben  und  fuhr 
nach  Mogambique  um  dort  die  Ankunft  der  Indienflotte  von  1507 
abzuwarten  und  zu  sehen,  ob  sich  dann  eine  Möglichkeit  zu  gründ- 
licher Instandsetzung  ergeben  würde.  Krank  langte  Joäo  da  Nova 
dort  an.  Kurz  nachher,  etwa  in  der  zweiten  Februarhälfte  5,  lief 
das  Geschwader  des  Tristäo  da  Cunha   in  Mogambique  ein,  das 


'  Alguns  Documentos,  S.  148. 

2  Ebd.,  S.  157. 

3  Castanheda  a.  a.  O.,  1.  II,  c.  43. 

*  Commentarios  do  grande  Affonso  d'Alboquerque,  p.  1,  c.  11. 

5  Am  6.  Februar,  als  Albuquerque  den  Brief  (Carlas  de  Affonso 
de  Albuquerque,  Bd.  I,  S.  1  ff.)  schrieb,  war  Tristao  da  Cunha  noch  nicht 
zurückgekehrt  nach  Mo^ambique ;  Albuquerque  traf  ihn  erst,  als  er  selbst 
nach  dem  Aufbruch  von  dort  die  Komoren  erreicht  hatte,  und  kehrte 
mit  ihm  um  (Commentarios,  p.  I,  c.  11). 


135 

eben  von  der  verlustreichen  Fahrt  zur  Entdeckung  der  Westseite 
Madagaskars  zurückkehrte.  Trist3o  da  Cunha  freute  sich  lebhaft 
über  das  Zusammentreffen,  da  er  mit  Joao  da  Nova  befreundet 
war,  und  leistete  ihm  jede  mögliche  Hilfe.  Die  Untersuchung  des 
Schiffes  ergab,  daß  ohne  Löschen  der  Ladung  die  Wiederherstellung 
unmöglich  war.  Diesen  Umstand  benutzte  Tristao  da  Cunha:  er 
bestimmte  den  Freund  ihm  nach  Instandsetzung  der  »Hör  de  la 
mar«  wieder  nach  Indien  zu  folgen,  ließ  die  Gewürzfracht  des 
Schiffes  auf  ein  Fahrzeug  seiner  Flotte  umladen,  das  der  König 
von  einem  Reeder  in  Lagos  gechartert  hatte ',  und  schickte  dasselbe 
mit  Antonio  de  Saldanha  als  Kapitän  nach  Lissabon  zurück,  wo  es 
kaum  vor  Sommer  1507  eingetroffen  sein  wird  2.  Immerhin  war 
die  »Flor  de  la  mar«  wie  ihre  wertvolle  Gewürzladung  gerettet. 
Die  Ankunft  einer  Indienflotte  war  für  die  Bevölkerung  von 
Lissabon  ein  Fest  3.  1506  freilich  mag  seinen  Jubel  das  große 
Peststerben  gedämpft  haben,  das  in  diesem  Jahre  begonnen  und 
die  Ausrüstung  der  Flotte  des  Tristao  da  Cunha  sehr  erschwert 
hatte*  und  dann  über  vier  Jahre  fast  ohne  Unterbrechung  fort- 
dauertet Die  freudige  Ungeduld  der  Heimkehrenden  und  die 
sehnsüchtige  Erwartung  der  Angehörigen  beim  Einlaufen  der  Hotte 
mußte  allerdings  zunächst  noch  bezwungen  werden.  Hatten  die 
Schiffe  sich  im  Tejo  vor  Anker  gelegt,  so  war  den  Insassen  fürs 
erste  jedes  Anlandgehen  bei  Strafe  des  Galgens  verboten  ^  Die 
Zollbeamten  des  Königs  kamen  an  Bord  und  Offiziere  wie  Mann- 
schaften, Handelsbeamte  wie  Kaufleute  wurden  der  strengsten  Leibes- 
visitation, ihre  Kästen  der  genauesten  Durchsuchung  unterzogen  um 
Schmuggel  zu  verhindern.  Dann  wurden  die  Kästen  versiegelt  und 
wie  die  Ladung  des  Schiffes  in  das  Indienhaus  gebracht,  das  König 
Manuel  für  diesen  Zweck  nach  Aufnahme  des  Gewürzhandels  mit 
Indien  nicht  weit  vom  Strand  entfernt  hatte  bauen  lassen.  Es 
besaß  1506  nicht  weniger  als  zwanzig  große  Warenspeicher".  Einer 
davon  wurde  jedem  Schiff  zum  Einlagern  seiner  Ladung,  mochte 
sie  nun  dem  König  oder  einem  Kaufmann  gehören,  zugewiesen 
und  das  Tor  mit  dem  Zeichen  des  Fahrzeugs  versehen.  Hier 
wurde  dann  jedem  sein  nicht  zollpflichtiges  Eigentum  ausgehändigt, 


'  Castanheda  a.  a.  O.,  I.  II,  c.  30. 

2  Commentarios,  p.  I,  c.  11. 

3  Alben,  Relazioni  degli  ambasciatori  Veneti,  Appendice,  Firenze 
1863:  Relazione  delle  Indie  Orientali  dl  Vincenzo  Quirini  (1506),  S.  13. 

*  Commentarios,  p.  I,  c.  7. 

5  Tagebuch  des  Lukas  Rem,  S.  8 f. 

•  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  29. 

^  Ebd.  und  Quirini  a.  a.  O.,  S.  13. 


136 

die  Waren  wurden  gewogen,  nach  den  Qualitäten  sortiert  und  den 
Berechtigten  ihr  Freigut  von  einem  Beamten  des  Indienhauses 
überwiesen. 

Die  Abgabe,  die  von  den  an  einer  Indienfahrt  beteiligten  Kauf- 
leuten an  den  König  zu  leisten  war,  hat  in  den  ersten  Jahren  nach 
der  Entdeckung  des  Seewegs  geschwankt;  nach  den  1506/07 
geltenden  Bestimmungen  betrug  sie,  wenn  die  Ware  auf  einem 
königlichen  Schiffe  verfrachtet  gewesen  war,  60%  derselben  i;  war 
sie  auf  eigenem  Schiff  eingeführt,  so  hatten  die  Kaufleute  von 
Spezereien  wie  von  andern  Waren  ein  Viertel  an  den  König  und 
ein  Zwanzigstel  an  U.  L.  Frau  von  Bethlehem  (Belem)  abzuliefern, 
im  ganzen  also  30  %  2.  Die  Entrichtung  dieser  Abgabe  sicher- 
zustellen war  anfangs  der  alleinige  Zweck,  zu  dem  das  Eigentum 
auch  der  Handelsherrn  zunächst  in  den  Speichern  des  Indienhauses 
niedergelegt  werden  mußte.  War  der  Zollpflicht  genügt,  so  wurde 
bis  zum  Ende  des  Jahres  1504  den  Kaufleuten  ihr  Anteil  zu  freier 
Verfügung  überlassen,  nur  mit  der  Auflage,  daß  sie  unter  den  vom 
König  für  seinen  Pfeffer  festgesetzten  Preis  —  1503  waren  das 
20  Cruzados,  1 506  bereits  22  für  das  Quintal  ^  —  nicht  herabgehen 
durften.  Dieser  Zustand  wurde  durch  eine  königliche  Verordnung 
vom  1.  Januar  1505  geändert.  Das  bisherige  Verfahren  hatte  nämlich 
zu  starken  Preisschwankungen  geführt.  Als  im  August  1503  die 
bevorstehende  Heimkehr  der  Flotte  des  Admirals  gemeldet  wurde, 
fiel  auf  die  Nachricht,  daß  sie  26  000  Quintal  allein  an  Pfeffer 
geladen  hatte,  der  Preis  dieses  wichtigsten  Gewürzes  in  wenigen 
Wochen  von   40  auf  20  Cruzados  "*   und  wäre  unter  16  herab- 


'  Lukas  Rems  Tagebuch,  S.  8,  wo  statt  1504  zu  lesen  ist  1505  und 
statt  1505  beide  Male  1506,  und  Ca  Masser,  S.  29:  le  quäl  spezierie, 
et  ogn'  altra  cosa  che  sc  traze  d'India,  de  quelle  se  ha  a  pagar  de  dreto 
a  questo  Serenissimo  Re  ss.  (sessanta)  per  \  (cento)<.  Die  Angabe 
des  Quirini  auf  Seite  13:  Delle  quali  spezie  quelle  che  sono  de'  mer- 
cadanti,  e  portate  dalle  navi  del  re,  pagano  nell'  entrare  ducati  50  per 
cantaro'  kann  so  nicht  richtig  sein.  Es  liegt  wohl  Versehen  des  Heraus- 
gebers —  die  Ausgabe  beruht  auf  einer  sehr  schlecht  geschriebenen 
Kopie  —  oder  des  Abschreibers  vor  und  die  Stelle  lautete  »ducati  50  per 
cento« ;  50%  war  der  1503  vereinbarte  Satz  (Marino  Sanuto,  Diarii, 
Bd.  IV,  Sp.  546  und  665.  Vgl.  auch  Bd.  VI,  Sp.  28).  Unmöglich  ist 
auch,  was  weiter  folgt:  >e  oltre  questo  diritto  pagano  altrettanto  per 
la  fabbrica  di  un  monasterio  in  Lisbona«;  vermutlich  hieß  es  im  Original: 
pagano  -altre  10  per  cento«  per  la  fabbrica  usw.,  das  cento  oder  per  cento 
war  in  Abkürzung  gegeben  und  ist  vom  Abschreiber  falsch  aufgelöst 
bzw.  gelesen  worden. 

2  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  29. 

3  Quirini  a.  a.  O.,  S.  13  und  Marino  Sanuto,  Diarii,  Bd.  VI,  Sp.  383/84. 
*  Marino  Sanuto,  Diarii,  Bd.  V,  Sp.  133. 


137 

gegangen,  wenn  Manuel  nicht  einen  Verkauf  unter  20  Cruzados 
den  Kaufleuten  verboten  und  sich  bereit  erklärt  hätte  den  gesamten 
auf  der  Flotte  von '  ihnen  verladenen  Pfeffer  um  diesen  Preis  auf- 
zukaufen'. Der  jähe  Preissturz  hatte  den  Zusammenbruch  einer 
Anzahl  von  großen  Handelshäusern  in  Flandern,  Deutschland  und 
an  andern  Orten  zur  Folge  gehabt  und  die  Lust  zu  großen  Gewürz- 
ankäufen in  Lissabon  stark  herabgemindert.  Von  Affonso  d'Albu- 
querques  Eintreffen  im  September  1504  bis  zu  dem  von  Fernao 
Suares'  Geschwader  im  Mai  1506  waren  nach  der  Angabe  des 
venezianischen  Gesandten  Vincenzo  Quirini,  der  nach  dem  Tod 
Isabellas  von  Kastilien  (26.  November  1 504)  Philipp  den  Schönen 
(Frühjahr  1 506)  nach  Kastilien  begleitet  und  hier  Erkundigungen  über 
den  portugiesischen  Indienhandel  eingezogen  hatte,  54000  Quintal 
Gewürze  in  das  Indienhaus  eingelagert  worden  —  fast  genau 
die  gleiche  Zahl  ergeben  Ca  Massers  Zusammenstellungen  2  — , 
im  Sommer  1506  aber  noch  nicht  mehr  als  14 — 15  000  davon 
abgesetzt  3.  Nun  konnte  jederzeit  der  Fall  eintreten,  daß  ein  Kauf- 
mann, um  sein  Betriebskapital  rasch  wieder  flüssig  zu  machen,  den 
königlichen  Bestimmungen  zuwider  seinen  Pfeffer  unter  dem  vor- 
geschriebenen Preis  verkaufte,  und  hatte  er  dabei  große  Vorräte  zur 
Verfügung,  so  mußte  der  König  mit  dem  seinen  gleichfalls  herunter- 
gehen oder  er  konnte  für  längere  Zeit  auf  Absatz  nicht  rechnen. 
Beides  brachte  empfindliche  Veriuste  mit  sich;  nur  bei  hohen 
Erträgen  des  Gewürzhandels  konnten  aber  die  Kosten  des  indischen 
Unternehmens  bestritten  und  ein  den  Einsätzen  entsprechender 
Gewinn  für  die  Krone  erzielt  werden.  Diese  Sicherheit  und  die 
für  einen  geordneten  und  raschen  Absatz  notwendige  Stetigkeit 
der  Preise  zu  erzielen  war  die  Verordnung  vom  I.Januar  1505 
erlassen  worden  ^.  Sie  entzog  den  Kaufleuten  die  freie  Verfügung 
über  die  im  Indienhaus  für  sie  lagernden  Spezereien  und  bestimmte, 
daß  diese,  genau  wie  die  Vorräte  des  Königs,  nur  durch  die  Verwal- 
tung der  Casa  da  India,  hier  den  vedor  D.  Martinho,  verkauft  und 
der  Erlös  ihnen  von  dort  ausgezahlt  werden  solle.  Die  Verord- 
nung war  fünf  Monate  nach  Abschluß  des  Vertrags  der  deutsch- 
italienischen Handelsgesellschaft  mit  der  Krone  und  drei  Monate 
vor  der  Abfahrt  von  Almeidas  Flotte  erlassen  worden :  konnten 
die  wohlerworbenen  Rechte  der  Kaufleute  durch  sie  berührt  werden? 
Diese  Frage  erhob  sich,  als  am  22.  Mai  1506  »Jeronimo«,  »Rafael«, 
»Judia«  und  »Botafogo«,  am  3.  Juni  »Conceigäo«  und  am  15.  No- 
vember  die  »Lionarda«    in   Lissabon  eintrafen.     Von   den    sechs 

'  Marino  Sanuto,  Diarii,  Bd.  V,  Sp.  319. 

2  A.  a.  O,,  S.  19,  20  und  23  (53  000  Quintal). 

3  Quirini  a.  a.  O.,  S.  14. 

*  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  29  f. 


I 


138 

Schiffen  hatte  bloß  zwei,  »Botafogo«  und  »Conceigao«,  der  König 
ausgerüstet  und  beide  zusammen  trugen  nach  Ca  Masser  nicht  mehr 
als  6300  Quintal  Pfeffer,  während  »Jeronimo«  allein  5000,  »Rafael« 
4000  Quintal  Pfeffer,  700  Quintal  Ingwer,  50  Quintal  Nelken, 
40  Quintal  rotes  Sandelholz  und  10  Quintal  Kampher,  die  »Judia«, 
das  Schiff  des  Fernando  de  Noronha,  2000  Quintal  Pfeffer,  »Lio- 
narda«  mindestens  das  gleiche  Gewicht  Spezerei  an  Bord  hatten  K 
Dazu  kamen  auf  allen  Schiffen  zusammen  für  3500  Cruzados  feine 
orientalische  Gewebe  und  700  für  den  König  gekaufte  Perlen.  Im 
ganzen  ergeben  sich  nach  Ca  Massers  Rechnung  für  die  vier 
zuerst  angekommenen  Schiffe  (ohne  »Conceigäo«)  Pfeffermengen  von 
13  800  Quintal  (cantara).  Das  stimmt  ziemlich  genau  überein  mit 
den  Angaben  eines  kaufmännischen  Berichtes  aus  Lissabon  von 
Ende  Mai  oder  1, — 2,  Juni  1506,  dessen  Einfuhrzahlen  Marino 
Sanuto  in  seinem  Tagebuch  unterm  12.  Julid.  J.^  notiert.  Er  war 
ihm  über  Genua  zugekommen  und  man  möchte  vermuten,  daß 
er  aus  dem  Kontor  eines  der  genuesischen  Kaufherrn  stammte,  die 
nach  der  Augsburger  Chronik  an  dem  Unternehmen  des  deutsch- 
italienischen Konsortiums  beteiligt  waren,  so  ins  einzelne  gehen 
die  Angaben  über  die  kleinen  Posten  verschiedener  Gewürze  und 
Drogen,  die  von  Indien  mitgekommen  waren.  Auf  761  Quintal 
werden  die  letzteren  insgesamt  beziffert,  um  39  Quintal  niedriger 
als  bei  Ca  Masser;  die  Zahlen  für  die  bei  beiden  angegebenen 
Waren  sind  nicht  ganz  gleich,  verlässiger  zweifellos  die  nach  Genua 
mitgeteilten.  Die  Pfefferladung  wird  auf  13  500  Quintal  (cantara) 
angegeben.  »Bey  15  600  Centner  nuornbergisch  gewicht  mererlo 
specery«  gibt  schätzungsweise  den  vier  Schiffen  ein  ebenfalls 
zwischen  dem  22.  Mai  und  3.  Juni  geschriebener  deutscher  Brief 
aus  Lissabon,  der  uns  in  einer  von  Anton  Welser  eigenhändig 
gefertigten  Abschrift  aus  Konrad  Peutingers  Nachlaß  vorliegt.  Die 
Umrechnung  in  Nürnbergisches  Gewicht  legt  den  Gedanken  nahe, 
daß  er  an  die  Imhof  oder  Hirsvogel  gerichtet  war  und  etwa  aus 
dem  Kontor  des  einen  oder  andern  dieser  Häuser  in  Lissabon 
stammen  könnte.    Die  Imhof  zum  mindesten  hielten  dort  bereits 


»  Da  sie  in  Cananor  mehr  als  2600  Quintal  Pfeffer  an  Rafael« 
und  »Concei9ao<  abgeben  konnte  und  das  anscheinend  nicht  ihre  ganze 
Ladung  war  —  sonst  würde  Sprenger  es  wohl  gesagt  haben  (Q.  U., 
S.  119)  — ,  darf  man  vielleicht  annehmen,  daß  sie  etwa  3000  Quintal 
tragen  konnte.  Was  sie  von  Spezereien  geladen  hatte,  können  wir  nicht 
genauer  feststellen;  Pfeffer  allein  war  es  nicht  (Sprenger  a.  a.  O.):  hatte 
sie,  wie  Almeida  ihrem  Faktor  am  4.  Januar  vorschlug,  Zimt  eingenommen 
anstatt  eines  Teils  des  bezahlten  Pfeffers?  Hatte  sie  bis  zum  21.  Januar 
doch  noch  vollen  Ersatz  bekommen? 

2  Bd.  VI,  Sp.  373. 


139 

einen  Buchhalter  und  zur  Zeit  der  Abfahrt  von  Almeidas  Flotte 
befanden  sich  von  der  Familie  nicht  weniger  als  vier  Mitglieder 
am  Ort'.  Die  hier  errechneten  15  600  »Zentner«  entsprächen  alten 
Quintal.  Über  zwei  Drittel  der  Ladung  der  oben  genannten  sechs 
Schiffe  gehörten  also  den  Kaufleuten.  Das  Schicksal  der  noch  aus- 
stehenden drei  königlichen  Schiffe,  »Magdalena«,  »Gabriel«  und 
»Flor  de  la  mar«  aber  war  ungewiß.  Da  ihre  Ladung  mit  der- 
jenigen von  »ConceigSo«  und  »Lionarda«  auf  20000  Quintal 
geschätzt  wurde,  werden  von  den  drei  allein  etwa  1 3  500  Quintal 
erwartet  worden  sein.  Die  ohnehin  ungünstige  Lage  auf  dem  Gewürz- 
markte —  darüber  konnte  kein  Zweifel  sein  —  verschlechterte  sich 
für  die  Krone  beträchtlich,  wenn  die  Kaufleute  mit  ihren  zum  Teil 
weitreichenden  Verbindungen  ihre  großen  Massen  Pfeffer  in  den 
Handel  brachten.  Der  König  befand  sich  in  einer  Zwangslage 
und  zog  daraus  die  Folgerung:  er  setzte  sich  über  den  Vertrag 
hinweg  und  wandte  die  Verordnung  vom  I.Januar  1505  an 2. 
Als  die  Gewürze  in  den  Speichern  der  Casa  da  India  eingelagert 
waren,  erklärte  er  sie  nicht  freigeben  zu  können.  Vielleicht  bot 
er  gleichzeitig  den  Kaufleuten  an  ihre  Gewürze  zu  einem  an- 
gemessenen Preis  zu  übernehmen,  wie  er  es  ja  auch  1503  getan 
hatte.  Allein  diese  wußten  zu  genau,  daß  auf  Barzahlung  seitens 
der  Krone  nicht  zu  rechnen  war  und  für  sie  das  Ergebnis  des 
Handels  kaum  ein  anderes  sein  würde,  als  daß  sie  die  dem  König 
überlassenen  Gewürze  zu  einem  höheren  Preis  von  ihm  später  wieder 
in  Zahlung  nehmen  müßten.     So  lehnten  sie  ab  und  beschritten 


1  Mitteilungen  des  Vereins  für  Geschichte  der  Stadt  Nürnberg, 
1.  Heft,  Nürnberg  1879,  S.  101.  Die  Feststellung  scheint  auf  Nachrichten 
des  Imhofschen  Familienarchivs  zu  beruhen;  eine  Quelle  ist  nicht  an- 
gegeben. Da  der  Nürnbergische  Zentner  um  1800  noch  51,032  kg  hatte 
und  der  Nürnberger  Chr.  Gott),  v.  Murr,  selbst  städtischer  Wagamtmann 
und  mit  der  Geschichte  der  Nürnberger  Maße  und  Gewichte  wohl- 
vertraut, in  seiner  Beschreibung  der  vornehmsten  Merkwürdigkeiten  in 
der  Reichsstadt  Nürnberg-,  2.  Aufl.,  1802  sagt:  Das  älteste  Stadtgewicht 
ist  dem  jetzigen  gleich  ;  da  femer  die  Archivalien  über  eine  Gewichts- 
veränderung nichts  enthalten,  so  darf  dieser  Wert  unbedenklich  auch 
für  1506  angenommen  werden.  Dann  wäre  der  Nürnbergische  Zentner 
fast  genau  dem  alten  portugiesischen  Quintal  (51,408  kg)  gleich  und  die 
in  dem  Brief  angenommene  Gewürzmenge  wesentlich  höher  als  die  bei 
Ca  Masser  und  in  dem  genuesischen  Geschäftsbrief  angegebene ;  aber 
der  deutsche  Briefschreiber  weiß  noch  nichts  Sicheres:  und  mag  ir 
ladunge  sein  diser  4  nave  bey  15600  Centner  nuornbergisch  gewicht 
mererlo  specery  . 

^  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  23:  le  quäl  spezierie  sono  stä  descargate 
in  Sancruz  .  .  .  tutte  in  poder  di  Sua  Altezza  sotto  par  all'  ordenazion 
antescritta  .    Vgl.  auch  Chroniken  deutscher  Städte,  Bd.  25,  S.  279. 


140 

gegen  die  Krone  den  Prozeßweg '.  Für  die  Welser  hat  Lukas  Rem 
die  über  drei  Jahre  dauernden  Rechtshändel  durchgefochten,  über 
deren  Verlauf  im  einzelnen  wir  nicht  unterrichtet  sind.  Er  sagt 
mit  Beziehung  auf  die  Indienfahrt  von  1505/06  im  Tagebuch  nur: 
»Die  on  mas  enxtig  mie,  uberflisig  arbait,  gros  widerwertikait  mir 
damit  gegnet,  ist  unerschreibenlich«  und  fährt,  nachdem  er  die 
Rückkehr  der  »Jeronimo«,  »Rafael«  und  »Lionarda«  erwähnt  hat, 
fort:  »Da  meret  sich  erst  mie,  anxt  undt  arbait.  Sonder  erhüben 
sich  on  mas  fil  grosse  und  schwere  Recht,  den  ich  aus  wartet  ob 
3  Jar«.  Da  die  Welser  das  an  dem  Handelsunternehmen  mit  dem 
größten  Kapital  beteiligte  Haus  waren,  gehörte  auch  der  größte  Teil 
der  in  den  Speichern  des  Indienhauses  zurückgehaltenen  Gewürze 
ihnen.  Nach  einer  Urkunde  vom  1 5.  November  1 509  hatten  allein 
für  sie  die  drei  Schiffe  der  Handelsgesellschaft  2200  Quintal  Pfeffer 
mitgebracht.  Die  Fugger  und  Höchstetter  konnten  ihrem  Einsatz 
entsprechend  nur  mit  etwa  400 — 500  Quintal,  die  andern  deutschen 
Häuser  mit  noch  weniger  beteiligt  sein.  Die  Haltung  des  Königs 
war  anfangs  schroff :  mit  dem  Verkauf  des  den  Kaufherrn  gehörigen 
Pfeffers  sollte  erst  dann  begonnen  werden  dürfen,  wenn  im  Indien- 
haus Pfeffer  aus  dem  königlichen  Anteil  nicht  mehr  zur  Verfügung 
stünde.  Das  war  offenbar  darauf  berechnet  sie  einzuschüchtern 
und  gefügig  zu  machen.  Wenn  die  Handelsherrn  trotzdem  einen 
Vergleich  nicht  suchten,  sondern  den,  wie  sie  erwarten  mußten, 
langwierigen  Prozeßweg  beschritten,  so  leitete  sie  wohl  die  Hoff- 
nung, daß  der  König  bei  der  Notwendigkeit  alljährlich  neue  Indien- 
flotten auszurüsten  sie  auf  die  Dauer  nicht  entbehren  könne  und 
sich  zu  Konzessionen  werde  gezwungen  sehen.  Sie  haben  sich 
darin  nicht  getäuscht;  freilich  haben  auch  die  Erfahrungen,  die 
Manuel  mit  den  bisherigen  Formen  des  Gewürzhandels  gemacht 
hatte,  ihn  zu  einer  neuen  Gestaltung  desselben  im  Lauf  der  folgenden 
Jahre  geführt:  das  für  den  portugiesischen  Gewürzhandel  des  16.  Jahr- 
hunderts charakteristische  System  der  Contratadores  beginnt  sich 
auszubilden.  Der  König  verpflichtet  sich  seinen  Pfeffer  ausschließ- 
lich an  eine  eigens  zu  diesem  Zwecke  gebildete  Handelsgesellschaft 
zu  verkaufen  und  gibt  dieser  für  den  Vertrieb  möglichst  weitgehende 
Freiheiten,  bindet  sie  nur  an  einen  Mindestpreis,  der  gewöhnlich  um 
2—3  Cruzados  den  an  die  Krone  zu  entrichtenden  Betrag  übersteigt. 
Die  Gewürzmengen,  zu  deren  Abnahme  die  Contratadores  sich  ver- 
pflichten, bemißt  das  Indienhaus  später  so  hoch,  daß  sie  durch  die 
gesamte  jeweils  zu  erwartende  Einfuhr  nur  eben  erreicht  werden 
konnten.  Die  Zahlung  wird  teils  in  bar  teils  in  Waren  geleistet, 
»  Ich  folge  hier  der  Darstellung  Konrad  Haeblers«  a.  a.  O. ;  sie  ist 
auf  Reste  der  Prozeßakten  gegründet,  die  sich  in  der  Torre  do  Tombo 
in  Lissabon  erhalten  haben  und  mir  nicht  zugänglich  waren. 


141 

wie  sie  der  König  für  die  Ausrüstung  der  Indienflotten  und  den 
Handel  in  Indien  selber  brauchte.  Daß  es  im  Zusammenhang  mit 
diesem  neuen  Verfahren  im  Spezereihandel  der  Krone  den  Kauf- 
herrn gelungen  ist  allmählich  und  in  kleinen  Posten  einen  Teil 
ihrer  im  Indienhause  lagernden  Gewürzmengen  frei  zu  bekommen, 
macht  einer  der  ältesten  Contratos  wahrscheinlich,  die  uns  erhalten 
sind;  er  ist  1512  in  Lissabon  mit  den  Fugger  abgeschlossen  und 
enthält  die  Bestimmung,  daß,  solange  genügend  königlicher  Pfeffer 
vorhanden  wäre,  i ''/20  der  im  Vertrag  (Contrato)  vereinbarten  Mengen 
aus  diesen  Beständen  übernommen  werden  sollten,  ^lio  aber  die 
Fugger  den  Vorräten  entnehmen  dürften,  die  für  die  Kaufherrn  im 
Indienhaus  lagerten.  Die  Bedingungen,  unter  denen  sie  von  den 
letzteren  kauften,  hätten  sie  mit  diesen  selbst  zu  vereinbaren.  Der 
Fall  wird  kaum  vereinzelt  gewesen  sein  und  so  mögen  auch  die 
Welser,  vermutet  Konrad  Haebler,  allmählich  zu  einem  Teil  des 
ihnen  vorenthaltenen  Pfeffers  gekommen  sein. 

War  das  ein  Weg,  so  zeigt  die  schon  erwähnte  Urkunde  vom 
15.  November  1509  sie  uns  auf  einem  andern,  der  zum  gleichen 
Ziel  führte.  Danach  hatten  sie  von  den  2200  Quintal  Pfeffer,  die 
auf  »Jeronimo«,  »Rafael«  und  »Lionarda«  für  sie  gekommen  waren, 
475  Quintal  an  den  König  verkauft  und  zwar  zu  22  Cruzados  das 
Quintal,  während  es  sie,  wie  ihnen  vorgerechnet  wird,  die  Aus- 
rüstung der  Schiffe  und  alles  einbegriffen,  8  Cruzados  gekostet  hatte. 
Nun  erhielten  sie  aber  die  10450  Cruzados  für  ihren  Pfeffer  nicht 
bar  ausbezahlt,  sondern  es  wurden  ihnen  als  Gegenwert  12  000 
Arrobas  (rund  174  000  kg)  Zucker  aus  dem  Kontingent  zugewiesen, 
das  die  Pflanzer  von  Madeira  zehnt-  und  abgabenfrei  an  den  König 
zu  liefern  hatten,  und  zwar  je  6000  Arrobas  für  die  Jahre  1508 
und  1 509.  Der  Zucker  mußte  zwar  am  Erzeugungsort  in  Empfang 
genommen  und  auf  Kosten  der  Welser  ausgeführt  werden,  allein 
da  die  Arroba  (14,5  kg)  sie  dort  auf  noch  nicht  einen  Cruzado 
zu  stehen  kam,  so  konnte  das  Geschäft  recht  guten  Gewinn  ab- 
werfen. Was  aber  im  Zusammenhang  mit  der  Indienfahrt  von 
1 505/06  daran  vor  allem  interessiert,  ist  ein  Zusatz,  durch  den  die 
Welser  im  Falle  von  Nichteinhaltung  der  Lieferfristen  —  und  damit 
mußte  bei  Geschäften  mit  der  Krone  immer  gerechnet  werden  — 
sich  schadlos  zu  halten  suchten:  es  wurde  ihnen  das  Recht  zu- 
gesprochen für  jede  nicht  rechtzeitig  gelieferte  Arrobe  Mengen  je  im 
Wert  von  einem  Cruzado  von  den  im  Indienhaus  für  sie  lagernden 
Gewürzen  auszuführen.  Da  sie  nun  von  den  für  1508  ausbe- 
dungenen 6000  Arroben  bloß  4000,  von  den  1 509  fälligen  weiteren 
6000  keine  1200  Arroben  erhielten,  im  ganzen  also  nicht  einmal  die 
Hälfte  der  vertragsmäßig  zu  liefernden  Menge,  so  müssen  sie  über 
beträchtliche  Posten  ihres  Pfeffers  das  Verfügungsrecht  gewonnen 


142 

haben.  Selbst  1510  war  die  Krone  noch  mit  nahezu  3000  Arroben 
Zucker  im  Rückstand.  Diese  Geschäfte  sind  offenbar,  wie  Haebler 
annimmt,  der  Anlaß  für  die  zwei  Reisen  gewesen,  die  Lukas  Rem 
sehr  wider  Willen  1 509  nach  Madeira  gemacht  hat,  und  daran  vor 
allem  wird  man  zu  denken  haben,  wenn  er  von  der  »on  mas  enxtig 
mie,  uberflisig  arbait,  gros  widerwertikait«  spricht,  die  ihm  aus  der 
Indienfahrt  erwachsen  ist.  Anderseits  war  aber  auch  der  Gewinn  aus 
dem  denkwürdigen  Unternehmen  der  deutschen  Handelshäuser  kein 
geringer:  Lukas  Rem  gibt^  »bey  150  pro  Cento«  als  »die  nutzong 
diser  armazion«  an,  die  Augsburger  Chronik  ^  spricht  unter  Berufung 
auf  das  Zeugnis  eines  Beteiligten  von  175%.  Das  eine  oder  andere 
nachzurechnen  reicht  das  uns  erhaltene  Material  nicht  aus  3. 

Das  Unternehmen  der  deutschen  Kaufherrn  vom  Jahr  1505/06 
ist  in  seiner  Art  ihr  einziges  geblieben ;  eigene  Schiffe  und  einen 
eigenen  Handelsagenten  haben  sie  nicht  mehr  nach  Indien  geschickt. 
Aber  für  die  Welser-Gesellschaft  hatte  sich,  noch  bevor  »Jeronimo« 
und  »Rafael«  von  der  Reise  zurückwaren,  Lukas  Rem  bereits  in 
anderer  Form  wieder  an  einer  portugiesischen  Indienfahrt  beteiligt. 
Auf  der  Flotte  des  Tristao  da  Cunha,  die  wahrscheinlich  am  5. 
und  6.  April  1506  von  Lissabon  abfuhr '*,  hatte  er  mit  dem  portu- 

•  Tagebuch,  S.  8. 

2  Chroniken  deutscher  Städte,  Bd.  25,  S.  279  :  ich  hab  von  ainem 
glabhaftigen  gehert,  der  auch  tail  daran  gehabt  hatt,  daß  sie  175  pro 
zent  gewunen  haben,  das  ist  also  zuo  verstan,  daß  sie  an  100  Duc.  alweg 
175  Duc.  über  alle  kostung  gewunen  haben.« 

3  Konrad  Haebler  legt  bei  Berechnung  des  Gewinnes  der  Welser  für 
den  Pfeffer  einen  Verkaufspreis  von  20  Dukaten  für  das  Quintal  zugrunde. 
Den  Bruttoertrag  der  Schiffe  des  Konsortiums  an  Pfeffer  nimmt  er  zu  12000 
Quintal  an,  wovon  nach  Abzug  der  30  \  des  Königs  noch  8400  als  Netto- 
ertrag des  Anlagekapitals  von  65  400  Cruzados  blieben.  Bei  20  Cruzados 
Verkaufspreis  ergäbe  diese  Menge  168  000  Cruzados,  was  einem  Gewinn 
von  157  %  entsprechen  würde  und  von  Lucas  Rems  Angabe  nicht  weit 
entfernt  bliebe.  Nun  ergibt  sich  aber  aus  dem  Kaufmannsbrief  vom  26.  Mai 
1506  aus  Lissabon,  der  in  den  Tagebüchern  des  Marino  Sanuto,  Bd.  VI, 
Sp.  383/84  erhalten  ist  (»piper  sta  im  precio  de  ducati22«),  daß  der  Pfeffer- 
preis bereits  damals,  vier  Tage  nach  Eintreffen  der  »Jeronimo«  und  »Rafael«, 
22  Dukaten  betrug  —  auch  Quirini  (a.a.  O.,  S.  13:  vendesi  il  pevere  ducati 
22  il  cantaro«)  gibt  für  1506  diese  Zahl  —  und  das  würde  für  die  8400 Quin- 
tal bei  gleicher  Berechnung  auf  ISS^/o  führen,  was  mit  Lukas  Rems  An- 
gabe, der  jedenfalls  verlässigsten,  doch   nicht  mehr  zu  vereinigen  ist. 

*  Commentarios  do  gr.  Äff.  Dalboquerque,  p.  I,  c.  7.  So,  d.  h. 
6.  April,  auch  Goes,  Chron.,  p.  II,  c  21  und  Castanheda  a.  a.  O.,  I.  II, 
c.  30,  auch  Ca  Masser  a.  a.  O.,  S.  21.  Den  6.  März  gibt  Barros,  Dec.  II, 
p.  I,  1.  I,  c.  1.  Bei  den  Verzögerungen,  die  die  Pest  in  der  Ausrüstung 
der  Flotte  verursacht  hatte,  ist  dieser  ungewöhnlich  frühe  Termin  wenig 
wahrscheinlich.   Auch  die  späte  Ankunft  in  Mofambique  spricht  dagegen. 


143 

giesischen  Reeder  Ruy  Mendes  de  Brito  und  andern  1 800  Cru- 
zados  auf  dem  Schiff  »S.  Vicente«,  1320  auf  der  >S.  Maria  da 
Luz«  und  310  auf  der  »S.  Antonio«  angelegt.  Allein  diesmal  war 
das  Glück  der  Gesellschaft  wenig  günstig:  die  »S.  Vicente«  scheiterte 
auf  der  Hinreise  in  einem  Sturm  an  der  Nordwestküste  Madagas- 
kars, an  dessen  Erkundung  teilzunehmen  Tristäo  da  Cunha  die 
drei  Schiffe  mit  »unmasiger  gwalt«  gezwungen  hatte;  auch  die 
»S.  Maria  da  Luz«  ging,  wie  man  aus  Lukas  Rems  Worten  schließen 
muß  —  die  Historiker  sagen  nichts  davon  — ,  auf  dieser  Entdeckungs- 
fahrt zugrunde,  »S.  Antonio«  aber  kam  spät  erst  nach  Lissabon 
zurück.  Besatzung  und  Ladung  der  zwei  gescheiterten  Schiffe 
wurden  zwar  gerettet  und  in  Indien  Geld  und  Gut  in  Spezereien 
angelegt,  aber  da  diese  nun  zum  größten  Teil  auf  königlichen 
Schiffen  befördert  werden  mußten,  waren  60°/o  an  Fracht  und 
Abgaben  dem  König  zu  entrichten  und  mit  Prozeß  und  Ver- 
gleich endigte  auch  dies  Unternehmen.  Immerhin  war  der  Ver- 
lust wenigstens  gering'. 

Trotz  der  unliebsamen  Erfahrungen,  die  man  im  Handel  mit  der 
Krone  gleich  anfangs  hatte  machen  müssen,  sind  die  Verbindungen 
der  süddeutschen  Kaufleute  mit  Portugal  während  der  nächsten  Zeit 
immer  lebhafter  geworden.  Die  Fugger,  Welser  und  Höchstetter, 
die  Imhof  und  Hirsvogel,  auch  die  Behaim  und  Tucher  von  Nürn- 
berg unterhielten  Zweiggeschäfte  in  Lissabon  und  trieben  dort  einen 
ausgedehnten  Handel.  Gegen  deutsche  Bergbauerzeugnisse,  Schiffs- 
bedarf für  die  Indienflotten,  Getreide,  vlämische  Webereien  kauften 
sie  außer  den  eigenen  Erzeugnissen  Portugals,  seinem  Olivenöl, 
seinem  Wein,  seinen  Früchten,  solche  aus  den  afrikanischen  Be- 
sitzungen, wie  Elfenbein  und  Baumwolle,  vor  allem  aber  die  indischen 
Gewürze  und  in  erster  Linie  Pfeffer.  Mit  der  Ausgestaltung  des 
portugiesischen  Indienhandels  zum  Kronmonopol  nahm  dieser 
Gewürzhandel  gegenüber  1505/06  neue  Formen  an:  als  Contra- 
tadores  kauften  sie  von  dem  Indienhaus  in  Lissabon,  nun  dem 
Welthandelsplatz  für  die  Erzeugnisse  des  Ostens,  später  von  dem 
Handelsagenten  des  Königs  in  dem  seit  1500  rasch  emporblühenden 
Antwerpen,  wo  die  Portugiesen  ihre  Gewürze  jetzt  selber  auf  den 
Markt  brachten.  Daß  diese  auch  die  Kosten  für  Fracht  und  Ver- 
sicherung bis  dorthin  trugen,  bedeutete  eine  wesentliche  Verein- 
fachung des  Geschäftes  und  Verringerung  des  Risikos  für  die 
Kaufherrn,  wenngleich  anderseits  hier  wie  in  Lissabon  Saumselig- 
keit bei  der  Lieferung  zu  immer  wiederholten  Klagen  führte.  Trotz- 
dem waren  die  Gewinne  dauernd  hoch.  Daß  die  Gewürze  un- 
geachtet der  Massenzufuhr  sich  ständig  verteuerten  —  1 520  stand 

1  Tagebuch,  S.  8. 


144 

das  Quintal  Pfeffer  bereits  auf  34  Cruzados  —  daran  trugen  indes 
nicht  sie  in  erster  Linie  die  Schuld,  sondern  die  rücksichtslose  Aus- 
nutzung  des  Gewürzmonopols   durch    die   portugiesische  Krone. 

Venedig  war  damit  aus  der  Stellung  herausgedrängt,  die  es  als 
weitaus  wichtigste  Vermittlerin  der  Spezereien  an  die  abendländische 
Welt  gespielt  hatte.  Der  Hauptstrom  des  Welthandels,  der  über 
die  Lagunenstadt  nach  Deutschland  und  dem  nördlichen  Europa 
geflutet  war,  hatte  sich  eine  neue  Bahn  gesucht  und  befruchtete 
nun  für  ein  Jahrhundert  das  Westgestade  des  Erdteils.  Die  schweren 
Befürchtungen,  die  man  in  Venedig  an  die  Entdeckung  des  See- 
wegs von  Anfang  an  geknüpft  hatte,  haben  sich,  wenn  auch  nur 
allmählich,  erfüllt.  Als  in  der  Nacht  vom  27.  zum  28.  Januar  1505, 
zwei  Monate  vor  der  Ausfahrt  von  Almeidas  Flotte,  der  Fondaco 
dei  Tedeschi  in  Venedig  niederbrannte  und  die  deutschen  Kauf- 
leute, die  darin  gewohnt  hatten,  sich  fluchtartig  in  der  Stadt  hierhin 
und  dorthin  zerstreuten,  da  wird  dem  Marino  Sanuto  der  Vorgang 
zum  Symbol  und  er  schreibt  in.  sein  Tagebuch:  »Schlimmes  Vor- 
zeichen dies  Abbrennen  des  Fondaco  und  die  Nachrichten  über 
CalicutM«  Die  Republik  hat  den  Deutschen  ein  neues,  prächtigeres 
Haus  bauen  und  von  Tizian  mit  Fresken  schmücken  lassen,  aber 
ihre  teilweise  Abwanderung  nach  dem  neu  aufstrebenden  Welthafen 
der  Gewürze  am  Tejo  und  das  allmähliche  Stillerwerden  der  Verkehrs- 
wege über  die  Alpen  hat  sie  auf  die  Dauer  doch  nicht  verhüten  können. 
Die  Durchstechung  der  Landenge  von  Sues,  die  damals  ernsthaft 
erörtert  worden  ist  und  vielleicht  Rettung  hätte  bringen  können, 
mußte  bei  den  rasch  der  Katastrophe  zudrängenden  politischen  Ver- 
hältnissen in  der  Levante  ein  bloßer  Gedanke  bleiben ;  von  den  kost- 
baren Gewürzen,  die  in  geringeren  Mengen  dem  Verbrauch  zugeführt 
wurden,  ging  zwar  noch  bis  ins  1 7.  Jahrhundert  ein  nicht  unbeträcht- 
licher Bruchteil  über  die  Levante  und  Italien,  allein  der  Pfefferhandel, 
der  weitaus  wichtigste,  war  für  Venedig  endgüUig  verloren. 

Aber  auch  für  die  oberdeutschen  Städte,  über  die  bisher  dieser 
Warenzug  des  Welthandels  von  Venedig  aus  gegangen  war,  ist  das 
verhängnisvoll  geworden.  Mit  dem  Aufblühen  Antwerpens,  an  dem 
ihre  Handelsgesellschaften  einen  so  hervorragenden  Anteil  hatten,  ge- 
winnt die  bequeme  und  trotz  der  vielen  Zollstätten  verhältnismäßig 
billige  Wasserstraße  des  Rheins  gesteigerte  Bedeutung  und  auf  diesem 
Wege  gehen  nun  die  Gewürzladungen  der  schwäbischen  und  frän- 
kischen Kaufherrn  ins  innere  Deutschland :  die  Binnenlage  der  ober- 
deutschen Städte  und  ihre  weite  Entfernung  von  der  belebenden 
Verkehrsader  des  großen  Stromes  wird  in  Verbindung  mit  politischen 
Verhältnissen  ein  Grund  zu  ihrem  wirtschaftlichen  Niedergang. 


Diarii,  Bd.  VI,  Sp.  126. 


145 


IX.  Die  Quellen. 


Die  Fahrt  der  ersten  Deutschen  nach  dem  portugiesischen  Indien 
1505/06  fügt  sich  in  den  Rahmen  einer  portugiesischen  Indien- 
fahrt ein.  Da  die  Teilnahme  fremder  Kaufleute  an  diesen  Unter- 
nehmungen der  Krone  im  ersten  Jahrzehnt  nach  Entdeckung  des 
Seewegs  zu  den  Gewürzländem  nichts  Ungewöhnliches  war,  so 
schweigen  die  portugiesischen  Historiker  des  16.  Jahrhunderts  von 
der  Handelsfahrt  der  Welser  und  Fugger,  der  Höchstetter  und 
Gossenprott,  Imhof  und  Hirsvogel  ganz,  und  Sprenger,  der  Kauf- 
mann, der  sie  als  Agent  mitgemacht  hat,  sagt  gerade  von  der  kauf- 
männischen Seite  des  Unternehmens  so  gut  wie  nichts.  So  sind 
wir  in  dieser  Beziehung  nur  unvollkommen  unterrichtet.  Ein  nach 
Blatt  317  eingelegtes  Blatt  in  der  sehr  veriässigen  >Cronica  alter 
und  newer  geschichten«  von  dem  Augsburger  Wilhelm  Rem  gibt 
uns  allein  genaueren  Aufschluß  über  die  deutschen  Teilnehmer, 
deren  einer  ihm  persönlich  Mitteilungen  darüber  gemacht  hat,  und 
allgemeinen  Aufschluß  über  die  italienischen  Teilnehmer  sowie  über 
die  von  beiden  angelegten  Summen,  erwähnt  auch  die  an  den  König 
und  das  Kloster  Belem  zu  leistenden  Abgaben,  den  an  die  Fahrt 
anschließenden  Prozeß  mit  der  Krone  und  den  Gewinn  der  Kauf- 
leute. Ebenso  dürftig  und  zum  Teil  nur  auf  die  Welser-Gesell- 
schaft bezüglich  sind  die  Angaben  im  Tagebuch  des  Lukas  Rem, 
ganz  kurz  auch  die  des  deutschen  Briefes,  der  uns  in  Abschrift 
von  Anton  Welser  in  der  Staats-,  Kreis-  und  Stadtbibliothek  Augs- 
burg erhalten  ist  (Q.  U.,  S.  149 — 151)  und  aus  dem  Lissaboner 
Kontor  eines  der  beteiligten  Nürnberger  Häuser  zu  stammen  scheint, 
geschrieben  zwischen  dem  22.  Mai  und  3.  Juni  1506  und  vor  An- 
kunft der  »Lionarda«,  also  ehe  noch  das  kaufmännische  Ergebnis 
irgendwie  zu  überschauen  war  und  die  Schwierigkeiten  mit  dem 
König  sich  ergeben  hatten.  Im  übrigen  sind  wir  auf  das  ange- 
wiesen, was  aus  den  Berichten  des  Ca  Masser  und  Vincenzo  Quirini 
an  die  Signoria  von  Venedig  vom  Jahr  1506  allgemein  über  die 
Bedingungen  der  privaten  Teilnahme  am  Indienhandel  zu  erschließen 
ist,  was  femer  die  in  den  Diarii  di  Marino  Sanuto,  Bd.  IV — VI 
(1 501  —  1 507)  erhaltenen  Briefe  italienischer  Großkaufleute  in  Lissa- 
bon, das  wenig  umfangreiche  und  auf  die  Handelsfahrt  von  1 505/06 
und  den  Prozeß  mit  der  Krone  meist  nur  mittelbar  sich  beziehende 
Aktenmaterial  der  Torre  do  Tombo  in  Lissabon  sowie  die  Instruk- 
tion Almeidas  und  ein  paar  Stellen  in  den  Berichten  vom  16.  De- 
zember 1 505  und  1 2.  Januar  1 506  ergeben,  die  er  selbst  und  sein 
Sekretär  Gaspar  Pereira  von  Cochin  aus  an  den  König  gesandt 
haben.  Das  Bild,  das  nach  diesem  von  ihm  größtenteils  schon  be- 
nutzten Material  von  dem  kaufmännischen  Teil  der  Reise  entworfen 

Hnmmerlch,  Deutsche  Htmdelsfahrt  nach  Indien.  ]q 


146 

werden  kann,  hat  Konrad  Haebler  in  seinem  Werk  »Die  überseeischen 
Unternehmungen  der  Welser  und  ihrer  Gesellschafter«,  Leipzig  1903, 
S.  7  ff.  in  allen  wesentlichen  Zügen  einwandfrei  festgelegt. 

So  spärlich  unsere  Nachrichten  in  dieser  Richtung  sind,  so 
reich  und  rein  fließen  die  Quellen,  vor  allem  deutsche  und  portu- 
giesische, für  die  äußeren  Ereignisse  der  denkwürdigen  Fahrt  Al- 
meidas,  und  da  die  deutschen  Schiffe,  wie  Sprenger  sagt,  mit  »inn 
allen  ferten  und  streytten  waren«,  so  gehören  auch  diese  in  den 
Rahmen  der  ersten  deutschen  Handelsfahrt  nach  Indien,  Wir 
besitzen  zunächst  vollständig  oder  im  Auszug  eine  Reihe  Berichte, 
die  von  Teilnehmern  der  Reise  herrühren,  zum  Teil  Männern,  die 
in  ansehnlicher  oder  leitender  Stellung  auch  in  das  Einblick  er- 
hielten, wovon  andere  keine  Kenntnis  haben  konnten.  Zu  den 
letzteren  gehört  Balthasar  Sprenger  nicht,  aber  seine  auf  Tagebuch- 
aufzeichnungen gegründete,  ohne  Ortsangabe  im  Jahr  1509  er- 
schienene »Merfart«  und  sein  Text  zu  der  prächtigen  Holzschnitt- 
reihe von  1508,  zu  der  Hans  Burgkmair  d.  Ä.  durch  ihn  angeregt 
worden  ist,  geben  doch  ein  recht  anschauliches  und  zuverlässiges 
Bild  von  dem,  was  er  erlebt  und  gesehen  hat,  und  über  die  stürme- 
reiche und  gejfahrvolle  Rückreise  des  zweiten  Geschwaders,  zu  dem 
die  »Lionarda«  gehörte,  erfahren  wir  Näheres  überhaupt  nur  durch 
ihn.  Wertvoller  noch  als  der  Bericht  Sprengers  war  der  von  der 
»Rafael«,  von  dem  uns  die  Valentin  Ferdinand-Handschrift  der 
Bayerischen  Staatsbibliothek  in  München  einen  Auszug  in  portu- 
giesischer Sprache  erhalten  hat.  Ich  war  früher  (Q.  U.,  S.  90  ff.) 
mit  Schmeller  der  Meinung,  daß  wir  den  dort  in  der  Überschrift^ 
genannten  Deutschen,  Hans  Mayr,  als  Verfasser  des  Berichtes  an- 
zusehen hätten,  und  in  Zweifel,  ob  er  ihn  ursprünglich  deutsch 
oder  portugiesisch  abgefaßt  habe.  Genaue  Vergleichung  mit  den 
Darstellungen  des  Castanheda  und  Goes  hat  mich  zu  der  Über- 
zeugung gebracht,  daß  er  deren  Hauptquelle  gewesen  ist  und  dem- 
nach wohl  von  Haus  aus  so  wenig  deutsch  geschrieben  war,  wie 
das  bei  Valentin  Ferdinand  der  Fall  ist.  Die  auffällige  Erscheinung, 
daß  durchweg  in  der  dritten  Person  dargestellt  wird  (»dhy  forom 
ao  porto  dale,  onde  estiverom  9  dias«),  als  ob  der  Verfasser  an 
den  Ereignissen  gar  nicht  beteiligt  wäre,  findet  eine  einfache  Er- 
klärung: der  Bericht  ist  von  Valentin  Ferdinand  nicht  wörtlich 
abgeschrieben,  wie  man  nach  dem  »trelladado  da  nao  sam  raffael« 
in  der  Überschrift  meinen  möchte,  sondern  er  ist  ein  Auszug,  bei 
dem  die  erste  Person  in  die  dritte  umgewandelt  wurde,  freilich 
ein  sehr  ausführlicher  und  treuer.    Das  beweist  z.  B.  die  Stelle  über 

1  f.  2r:  >  Do  Viagem  de  dorn  francisco  dalnieyda  primeyro  visorey 
da  India  E  este  quaderno  foy  trelladado  da  nao  sam  raffael  em  que  hia 
hansz  mayr  por  scrivam  da  feytoria  E  capitam  fernam  suarez«. 


147 

den  Untergang  der  >Bella<.  Castanheda  schreibt  (a.  a.  O.,  I.  II,  c.  1), 
nachdem  er  Tag  und  Umstände  ebenso  wie  die  Handschrift  an- 
gegeben hat:  (BeUa)  »se  foy  ao  fundo,  e  salvou  se  toda  a  gente 
sem  mais  outra  cousa  se  nao  huma  arca  de  prata  da  capella  do 
viso  rey,  e  Pero  ferreira  foy  ho  derradeiro  que  se  sahio  da  nao, 
a  qual  quando  se  meteo  de  baixo  dagoa  fez  hum  arroido  muy 
temeroso  e  tamanho  que  se  ouviria  a  huma  legoa«.  Bei  Valentin 
Ferdinand  heißt  es:  »e  foy  a  fondo  onde  se  salvou  a  gente  e 
duas  arcas  de  capella  em  que  hia  prata  e  ornamentos  e  a  gente 
salvou  seu  dinheiro  etc«.  Das  »etc.«  kann  nicht  heißen  »ihr  Geld 
usw.«  —  denn  es  wurde  ja  nichts  weiter  gerettet  — ,  sondern  zeigt, 
daß  etwas  ausgelassen  ist,  was  Valentin  Ferdinand  nicht  weiter 
interessierte,  nämlich  das  Geräusch,  mit  dem  das  Schiff  sank.  Ein 
anderer  Fall:  ein  Bericht  von  der  »Rafael«  mußte  natürlich  alles 
Wichtigere  enthalten,  was  besonderes  Erlebnis  gerade  dieser  Schiffs- 
mannschaft war.  Nun  bezeugt  Sprenger  (Q.  U.,  S.  1 1 5),  daß  zwischen 
Quiloa  und  Mombasa  die  »Rafael«  in  schwere  Seenot  geriet.  Valentin 
Ferdinands  Darstellung  zeigt  hier  eine  Kürze  (Q.  U.,  S.  129),  die 
sprachlich  bis  zur  Auslassung  des  Prädikates  geht  und  sachlich  nur 
das  Datum  des  Aufbruchs  der  Flotte  von  Quiloa  und  der  Ankunft 
in  Mombasa  nebst  Angabe  der  gegenseitigen  Entfernung  beider 
Orte  enthält.  Castanheda  dagegen  stellt  (a.  a.  O.,  1.  II,  c.  4)  aus- 
führlich das  Erlebnis  dar,  und  da  er  sonst  dem  Bericht  von  der 
»Rafael«  folgt,  ist  das  hier  wohl  erst  recht  mit  Sicherheit  anzu- 
nehmen. Ausführlicher  und  mit  mehr  ganz  bestimmten  Einzel- 
zügen ausgestattet  als  der  farblose,  offenbar  verkürzte  Bericht  bei 
Valentin  Ferdinand  ist  auch  die  Darstellung,  die  Castanheda  von 
der  Entdeckung  Madagaskars  gibt  und  die  sicher  auf  die  gleiche 
Quelle  zurückgeht.  Der  Verfasser  des  Berichtes  von  der  »Rafael« 
scheint  ein  Mann  von  Geltung  gewesen  zu  sein ;  sonst  wäre  ihm 
wohl  schwerlich  der  Brief  des  Herrschers  von  Mombasa  an  den 
von  Melinde  in  die  Hände  gekommen,  den  unsere  Handschrift  in 
wörtlicher  Übersetzung  zu  bieten  scheini;  er  wäre  sonst  wohl  auch 
in  Cananor  bei  der  Zusammenkunft  Almeidas  mit  dem  Raja  kaum 
zugegen  gewesen,  was  seine  Schilderung  doch  wohl  wahrscheinlich 
macht.  Sehr  möglich,  daß  Fernao  Suares  selber,  der  Kapitän  der 
»Rafael«  und  ein  hochangesehener  Mann,  den  Bericht  verfaßt  und 
daß  ihn  Hans  Mayr,  der  Faktoreischreiber  des  Schiffes,  geschrieben 
und  eine  Abschrift  dem  ihm  bekannten  Valentin  Ferdinand  für 
Anfertigung  seines  Auszugs  zur  Verfügung  gestellt  hat.  Was  die 
Benutzung  des  Originalberichtes  durch  Castanheda  und  Goes  an- 
langt, so  hat  der  erstere  unmittelbar  aus  ihm  geschöpft,  während 
Goes'  kürzere  Darstellung  in  der  Hauptsache  auf  der  Castanhedas 
beruht.     Ich   setze  eine  charakteristische  Stelle   hierher.     Valentin 

10* 


148 

Ferdinand  (Q.  U.,  S.  127):  »2  dias  de  julho  tormenta  com  tro- 
voada  tinham  tanta  que  da  capitayna  cayrom  2  homens  ao  mar  e 
ao  lyonarda  huum«;  Castanheda:  »aos  dous  de  Julho  Ihe  deu 
huma  muyto  grande  torvoada  com  hum  pee  de  vento  tarn  bravo 
que  rompeo  as  velas  da  capitaina  e  da  nao  de  Diogo  correa,  de 
que  foräo  tres  homens  ao  mar«.  Das  »de  que«  ist  der  Vorlage 
entsprechend  offenbar  auf  »capitaina«  und  »nao  de  Diogo«  correa  zu 
beziehen  und  heißt:  »von  denen  (drei  Mann  ins  Meer  fielen)«;  Goes 
aber  bezieht  es,  was  grammatisch  natürlich  ebenso  möglich  ist,  bloß 
auf  »nao«  und  schreibt:  »Ihe  deo  aos  dous  dias  de  Julho  huma  tao 
forte  trovoada,  que  rompeo  as  velas  da  sua  (nämlich  Almeidas) 
nao  e  as  de  Diogo  correa,  da  quäl  nao  de  Diogo  correa  cairäo 
tres  homens  ao  mar«.  Dieser  Irrtum  kann  nur  aus  dem  Texte 
des  Castanheda,  nicht  aus  dem  Bericht  von  der  »Rafael«  stammen 
(falls  ihn  Valentin  Ferdinand  getreu  wiedergibt,  woran  wir  keinen 
Grund  haben  zu  zweifeln);  denn  der  ist  unzweideutig.  Aller  Wahr- 
scheinlichkeit nach  ist  übrigens  auch  hier  der  Text  bei  Valentin 
Ferdinand  gekürzt:  die  Vorlage  wird  sich  nicht  mit  der  an  sich 
belanglosen  Tatsache  begnügt  haben,  daß  drei  Mann  ins  Meer 
stürzten,  sondern  wie  Castanheda  und  Goes  berichtet  haben,  daß 
zwei  von  ihnen  ertranken,  der  dritte  aber,  Fernäo  Lourengo,  sich 
eine  ganze  Nacht  schwimmend  über  Wasser  hielt  und  dadurch  am 
nächsten  Morgen  trotz  hohem  Seegang  und  Nebel  von  einem  nieder- 
gelassenen Boot  gerettet  werden  konnte.  Die  südliche  Entfernung 
vom  Festland,  in  der  man  den  Meridian  des  Kaps  passierte,  gibt 
Goes  mit  Castanheda  auf  175  Leguas  an,  was  auf  die  ganz  un- 
wahrscheinliche Breite  von  45°  führen  würde,  während  Valentin 
Ferdinand  70  Leguas  hat.  Diese  Beispiele,  deren  Zahl  sich  leicht 
vermehren  ließe  (vgl.  oben  S.  1 34),  mögen  genügen ;  ich  kehre  zu 
den  Quellen  erster  Hand  zurück. 

Da  ist  an  dritter  Stelle  unter  denen,  die  die  ganze  Reise  be- 
handeln, der  Brief  des  Gaspar  da  Gama  an  den  König  zu  nennen 
(Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  111,  S.  200—204).  Er  ist 
anscheinend  in  Cochin  geschrieben  und  war  wohl  bestimmt  mit 
den  ersten  Gewürzschiffen,  die  am  2.  Januar  1 506  von  Cananor 
abfuhren,  nach  Portugal  zu  gehen.  Die  Person  des  Verfassers  und 
seine  rastlosen  Bemühungen  im  Dienste  des  Königs  sind  etwas 
aufdringlich  in  den  Vordergrund  gestellt,  aber  der  Bericht  enthält 
mancherlei  Einzelheiten  über  die  Vorgänge  in  Quiloa,  Melinde, 
Onor,  Cananor  und  Cochin,  die  in  den  andern  Quellen  nicht  ent- 
halten sind,  und  ist  daher  nicht  ohne  Wert,  zumal  Gaspar  Ver- 
trauensmann des  Vizekönigs  war. 

Von  einer  unleidlichen  Breite,  Pointelosigkeit  und  verhältnis- 
mäßigen Inhaltsarmut  sind  die  Briefe  des  Pero  Fernandes  Tinoco 


149 

an  den  König  aus  Cochin  vom  18.  und  21.  November  1505.  Im 
ersten  berichtet  er  (Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II, 
S.  335—341)  über. die  Hinreise,  im  zweiten  (ebd.,  S.  341—344) 
führt  er  wie  in  einem  andern  vom  15.  Januar  1506  (ebd.,  Bd.  III, 
S.  170 — 177)  bittere  Beschwerde  über  den  Vizekönig,  der  ihn 
unterwegs  schlecht  behandelt  habe  und  jetzt  nicht  als  Gesandten 
nach  Vijayanagar  schicken  wolle.  Der  letzte  strotzt  nur  so  von 
Anklagen  und  Verleumdungen  gegen  Almeida.  Hier  kommt  bloß 
der  erste  der  drei  Briefe  in  Betracht  und  dessen  kritischer  Wert 
liegt  besonders  in  den  topographischen  Einzelheiten,  die  er  über 
Mombasa  und  den  Sturm  auf  die  Stadt  gibt  und  die  eine  genauere 
Vorstellung  von  den  Hergängen  der  Eroberung  ermöglichen.  Da- 
neben gestattet  der  Bericht  die  Kontrolle  von  ein  paar  Datums- 
angaben der  andern  Quellen.  Das  Original  ist  zum  Teil  zerrissen 
und  der  Text  lückenhaft. 

Verloren  ist  der  von  Almeidas  Sekretär  Gaspar  Pereira  über 
die  Ereignisse  von  der  Ausfahrt  aus  dem  Tejo  bis  etwa  zum 
1 7.  Dezember  an  den  König  erstattete  jedenfalls  sehr  umfangreiche 
Bericht,  der  in  zwei  Exemplaren  ausgefertigt  mit  dem  Geschwader 
des  Femao  Suares  nach  Portugal  ging,  erhalten  nur  ein  ihn  er- 
gänzender Bericht  Almeidas,  datiert  von  Cochin  1 6.  Dezember  1 505 
(Torre  do  Tombo,  gav.  20,  mago  10,  n.  33),  leider  auch  teilweise 
zerrissen  und  lückenhaft.  Für  die  Zeit  vom  18,  Dezember  1505 
bis  12.  Januar  1506  haben  wir  dagegen  den  des  Gaspar  Pereira, 
der  mit  der  »Magdalena«  am  letztgenannten  Tage  von  Cochin 
abging  (Cartas  de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  354 — 369) 
und  viel  Interessantes  bietet. 

Ein  paar  auf  Anteile  an  der  Beute  von  Quiloa  und  Mombasa 
sowie  auf  die  Ladung  in  Cananor  bezügliche  Angaben  enthält  die 
Urkunde  des  Vizekönigs  vom  30.  Oktober  1505  in  Cartas  de 
Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  III,  S.  177 — 181.  Von  Unterschla- 
gungen, die  an  der  Beute  der  zwei  afrikanischen  Städte  durch  portu- 
giesische Kapitäne  der  Flotte  von  1505  sowie  den  Kastilianer 
Guadelajara  zum  Nachteil  der  Krone  verübt  worden  waren,  und 
von  unerlaubtem  Handel  der  gleichen  Leute  mit  gewissen  der  Krone 
vorbehaltenen  Waren  erfahren  wir  Genaueres  durch  den  Brief  des 
Gaspar  da  Gama  an  den  König  vom  1 6.  November  1 506  (Cartas 
de  Affonso  de  Albuquerque,  Bd.  II,  S.  371— 380). 

Von  den  Darstellungen  der  portugiesischen  Historiker  des 
16.  Jahrhunderts  sind  die  des  Castanheda  und  Goes  im  Anschluß 
an  den  Bericht  von  der  »Rafael«  bereits  oben  behandelt;  Barros 
ist  für  die  Hinreise  einer  andern,  offenbar  guten  und  ergiebigen 
Quelle  gefolgt,  die  den  JoSo  da  Nova  stärker  hervortreten  ließ  und 
im  übrigen  manche  Einzelheiten  enthielt,  die  bei  den  andern  nicht 


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zu  finden  sind;  so  erfahren  wir  z.  B.  durch  ihn  allein,  daß  Almeidas 
Admiralschiff  die  »Jeronimo«  war;  anderseits  macht  er  von  der 
Heimreise  der  Gewürzschiffe  —  wie  übrigens  auch  die  andern  — 
so  unzutreffende  und  von  der  Entdeckung  Madagaskars  nur  so 
flüchtige  Angaben,  daß  man  annehmen  muß,  er  hat  den  Bericht 
von  der  »Rafael«  nicht  gekannt.  Die  Abweichungen  von  den 
zwei  genannten  Historikern  sind  nicht  erheblich  und  erklären  sich 
zum  Teil  aus  seiner  schriftstellerischen  Eigenart,  die  auf  schöne 
Erzählung  und  lückenlose  Zusammenhänge  und  auf  Verherrlichung 
der  Taten  seines  Volkes  ausgeht.  So  ist  bezüglich  der  Einzelheiten 
Castanhedas  minder  schöner  Bericht  wohl  der  verlässigere. 

Correas  Darstellung  in  den  Lendas  da  India  ist  auch  für  die 
Reise  Almeidas  nur  mit  großer  Vorsicht  zu  benutzen ;  wo  sie  denen 
der  andern  bezüglich  der  Daten  und  Tatsachen  widerspricht,  ver- 
dient sie  keinen  Glauben,  auch  wenn  die  bestimmtesten  Einzel- 
angaben gemacht  werden.  Ein  Musterbeispiel  für  die  Art,  wie  er 
mit  geschichtlichen  Wirklichkeiten  schaltet,  ist  seine  Erzählung  der 
Vorgänge  in  Mombasa  (Bd.  I,  S.  544 — 561),  zum  großen  Teil 
reines  Spiel  der  Phantasie,  »Legende«;  bezeichnend  auch  die  große 
Seeschlacht,  die  er  den  Vizekönig  vor  der  Ankunft  in  Cochin  bei 
Cananor  der  Flotte  des  Samorin  liefern  läßt  (Bd.  I,  S.  595 — 605), 
anscheinend  Verwechslung  mit  dem  Seesieg,  den  über  sie  D.Louren^o 
am   16.  März  1506  in  der  Bucht  von  Cananor  errungen  hat. 

Im  ganzen  aber  ist  die  Überlieferung  der  Reise  reich  und 
gut  und  das  Bild,  das  von  ihr  gewonnen  werden  kann,  bis  in 
die  Einzelheiten  gesichert. 


Druck  von  C.W.  Bearfeldla 


Druckfehler- Berichtigung : 

S.  41   Z.  16  lies:  »arische«  statt  -arabische«. 

S.  44  Z.  5     lies:  »Setubal«  statt  »Sebutal«. 

S.  77  Z.  42  lies:  »ander  mer«  statt  »andermer«. 


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HF  Hummerich,  Franz 

3565  Die  erste  deutsche 

H8  Handelsfahrt  nach  Indian, 

1505/06