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eßbaren Schwaͤmme
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Oeſterreichiſchen Kaiſerſtaates.
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Von
Leopold Trattinnick.
Wien und Trieſt,
in Geiſtingers Buchhandlung, 1809.
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geliebteſten Vaterlande,
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gluͤcklichen Vaterlande
ſo vieler
thaͤtiger und tugendhafter Bürger,
ſo e und ausgezeichneter Gelehrten und
Kuͤnſtler,
ſo erhabener und unuͤbertrefflicher Helden,
der Wiege des Adels,
der Heimath
der heiligſten Religion und der reinſten Sittlichkeit,
dem Sitze
der gerechteſten, weiſeſten und beſten
Monarchen
widmet dieſe Schrift,
fo unbedeutend fie auch immerhin ſeyn mag,
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ein geringes Merkmahl
feiner feurigſten Liebe, feiner unbegränzten Verehrung.
und feiner wahrhafteſten Anhänglichkeit
aus unbefangener Seele und lauterſtem Antriebe
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Vorrede.
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Bald nach der Erſcheinung des ſechsten Hef-
tes von meinem größeren Schwammwerke,
welches den Titel: Oeſter reichs Schwaͤm—
me, fuͤhret und ebenfalls wie das gegenwaͤr⸗
tige auf Koſten der Joſeph Geiſtinger⸗
ſchen Verlags handlung erſcheinet, wurde ich
von einigen ſehr anſehnlichen Maͤnnern auf
eine nicht weniger humane als nachdruͤckli⸗
che Weiſe aufgefordet, ein eigenes Werk
von den Giftſchwaͤmmen des Vaterlandes
zu ſchreiben. Meine tiefe Verehrung fuͤr die⸗
ſe Herren, das Ehrenvolle ihres Zutrauens
und meine warme Theilnahme an den Drang⸗
falen der leidenden Menſchheit und vorzuͤg⸗
lich meiner biedern und guten Mitbürger lie⸗
ßen mich nicht lange im Ungewiſſen, was
ich thun ſollte. Es wurde mir zwar ſchwer,
VI
und koſtete mich ſo manches nicht unbedeu⸗ |
tende Opfer Ich mußte daruͤber einen aro-
ßen Theil meiner angefangenen und fuͤr mich
weit vortheilhafteren Arbeiten brach liegen
laſſen, ich mußte den Wuͤnſchen und Forde⸗
rungen meiner Freunde auf die Dauer die⸗
ſes Geſchaͤfts die Genuͤgeleiſtung verſagen,
ich mußte meinen besaurus botanicus in der
Fortſetzung unterbrechen u ſ. w. Doch was
für ein Opfer koͤnnte auch einem gutgeſinn⸗
ten Staatsbürger zu theuer ſeyn, wenn es
darauf ankommt, Ungluͤcksfälle zu verhüten
und dem Vaterlande ſelbſt einen reellen Dienſt
zu erweiſen? Ich entſchloß mich alſo mein
Moͤglichſtes zu thun und mein Schifflein flott
zu machen um in den Litterariſchen Ocean
hinauszuſegeln und dann, mit Schägen
reich beladen, in mein liebes Vaterland wie⸗
der zuruͤckzukehren. Aber die Idee: gerade
von Giftſchwaͤmmen zu ſchreiben, wollte
mir nicht behagen! Ich legte meinen Gon
nern die Grunde vor, die mich beſtimmten,
lieber die eßbaren Schwaͤmme abzuhandeln
und fie waren fo gluͤcklich, ihren Beyfall zu
erhalten. Das Weſentliche dieſer Gruͤnde
beſtand ungefaͤhr im Folgenden: a) daß es
genug ſey, die eßbaren Schwaͤmme gut zu
VII
kennen um ſich vor den giftigen zu huͤten,
weil vor der Hand alle jene, die hier nicht
mit aufgenohmen worden, für ſchaͤdlich und
giftig zu halten wären; und daß bı die Zahl
der eigentlichen Giftſchwaͤmme noch nicht
gewiß ware, theils weil man die Eigenſchaf—
ten ſo vieler Hundert Schwaͤmme noch gar
nicht beobachtet hat, theils weil ſelbſt uͤber
die als giftig berufenen die Meinungen der
Sachkundigen noch ſehr getheilt, und wirk—
lich viele Gruͤnde vorhanden ſind, ihre ab—
ſolute Schaͤdlichkeit zu bezweifeln, wie man
dieſes aus dem, was am Ende meiner Einlei—
tung geſagt wird, zur Genuͤge erſehen kann.
Man hat die Anſtalten getroffen, daß
auch von dieſen eßbaren Schwaͤmmen eine
zweyfache Ausgabe, naͤhmlich: die eine mit
den Wachsfiguren und die andere mit illumi⸗
nirten Kupfern feilgebothen werden konnte.
Da aber in der gegenwaͤrtigen Sammlung ei⸗
nige Arten wieder aufgenohmen werden muß⸗
ten, die in dem aͤlteren Schwammwerke ſchon
abgeliefert waren; fo hat der Herr Verle-
ger mit meinem Einverſtaͤndniß beſchloßen,
fuͤr diejenigen Abnehmer des Cabinets (der
Wachsſiguren) dieſelben Stuͤcke aus dieſer ges
VIII
genwaͤrtigen Collection zuruͤckzunehmen und
vom Preiſe abzuziehen, welche bereits in dem
mycologiſchen Cabinete der Oeſterreichiſchen
Schwaͤmme abgeliefert und gefertiget wor⸗
den. In Hinkunft ſollen aber in dem nunmehr
wieder fortzuſetzenden mycol. Cab. d. Defterr.
Schw. keine von denen Arten wieder erſchei⸗
nen, welche in der gegenwaͤrtigen Sammlung
der eßbaren Schwaͤmme enthalten ſind.
Mein Auftrag bezielte ein Werk, welches
einerſeits durch triviale Sachkenntniſſe und
populaͤren Vortrag zur praktiſchen Anwen⸗
dung tauglich; aber auch zugleich ſo einge⸗
richtet ware, daß auch andere Leute als Koͤ—
che und Marktrichter darin ihr Intereſſe
finden duͤrften.
Dieſer Abſicht bemuͤhte ich mich, ſo gut
ichs vermochte, zu entfprechen. Ich ließ daher
alles dasjenige weg, was nur allein für Gelehr⸗
te von Profeſſion verdaulich zu ſeyn ſchien.
Was aber weſentlich zur Kenntniß der Sache
gehoͤret, und ſollte es auch noch fo neu und
noch fo ernfthaft ſeyn, das ſuchte ich alles im
buͤndigſten Zuſammenhange zu geben. Fuͤr
die Mühe und Anſtrengung der Aufmerkſam⸗
IX
keit, die vielleicht manchem meiner Leſer dieſe
Lectuͤre koſten mag, ſuchte ich ihn durch ei—
ne gefaͤllige Schreibart, durch eingemengte,
vielleicht nicht ganz unwirkſame Epiſoden,
durch originelle Anſichten der Dinge und durch
fo manches Blümchen der Redekunſt ſchad⸗
los zu halten. Ich hoffe naͤhmlich dadurch zu
bewirken, daß der Zerſtreuung vorgebeugt
werde und daß man das Trockne und das
Ernſthaftere um fo viel aufmerkſamer ſtudi—
ren werde, da ich meinen Gaͤſten das Gericht
durch die eingeſtreute Würze ſchmackhafter
zu machen getrachtet habe.
Die Einleitung iſt erſt nach ganz vol⸗
lendetem Werke geſchrieben worden; und da
ich das Errando discimus vorzüglich auf mich
ſelbſt anwende; fo bitte ich, aus jener die Be⸗
richtigung zu ſchoͤpfen, wenn etwa in dem
Werke ſelbſt ein Widerſpruch aufſtoßen ſollte.
Der menſchliche Geiſt erweitert ſich alltaͤglich
durch Erfahrungen und Vernunftſchluͤſſe, und
ſo aͤnderte ſich auch in dem meinigen man⸗
che ſchon früher geſchilderte Anſicht Ich
haͤtte noch ſehr viel zu ſagen gehabt, was
mir die abgeſteckten Gränzlinien aufzuneh⸗
men und auszuführen verwehrten. Sollte
ich aber erfahren, daß man dieſes Wenige
mit Zufriedenheit aufgenohmen und noch
mehr uͤber dieſe Materie zu leſen wuͤnſche; ſo
könnte ich mich wohl einſt noch entſchluͤſſen,
den Wuͤnſchen meiner Freunde zu begegnen,
ihnen uͤber die Natur der Schwaͤmme et⸗
was ſehr Ausfuͤhrliches und ein mit zahlrei⸗
chen Belegen aller Art Penn Saukhuc,
zu liefern.
Wien den 6. Dezember 1808.
Der Verfaſſer.
Einleitung.
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Die großen und raſchen Fortſchritte unſerer Phy—
ſiker in Erforſchung der Naturkraͤfte, fo ſehr fie
auch immer Beyfall und Erſtaunen verdienen mo—
gen, ſie begraͤnzen ſich noch immer mit dem Um—
fange des Naturreiches der anorganiſchen Korper,
der Stoffe, woraus die Natur ihre Miriaden von
Weſen conſtruirt, und in die ſie, nach geendig—
ter Beſtimmung, wieder zuruͤckzukehren ſcheinen.
Wagt es auch manchmal ein kuͤhner Geiſt, die
Geſetze der organiſchen Natur entziffern zu wol—
len; ſo zeigt ſich nur zu bald der große Abſtand
zwiſchen der Feinheit der Natur und der Stumpf—
heit des Menſchlichen Vermoͤgens, und wenn wir
eine Zeitlang mitleidig zugeſehen, wie er die Wir⸗
kungen der uns gaͤnzlich unbekannten Lebenskraft
aus mechaniſchen Regeln zu erklaͤren verſuchte, wie
er da der Natur, von einſeitigen Beobachtungen
geleitet, Geſetze vorſchreibt, die ſie bey der erſten
XII
Unterſuchung durch Ungehorſam verſpottet; ſo er—
roͤthen wir vor der Schande, die unſere Eitelkeit
auf einmal von dem hoͤchſten Gipfel des Stolzes
bis zur Unmuͤndigkeit des Kindes herabſchleudert,
und wir finden zum Aushaͤngſchilde fuͤr die gelehr—
ten Hirngeſpinſte dieſer mechaniſchen Phyſiologen
eine Deviſe, die allen zukuͤnftigen Sophiſten
zur Warnung dienen ſollte und die uns in vier
Worten das Schickſal aller der Schwindelkoͤpfe
ſchildert, welche ihrer Menſchlichkeit vergeffen, ſich
in die hohen Regionen der Feſſelloſen Geiſter ver—
ſteigen, und halb ſpoͤttelnd, halb bedauernd rufen
wir ihnen nach:
Icarus Icarias nomine fecit aquas!
Iſts wohl moͤglich, daß wir ſo thoͤricht ſeyn
koͤnnten uns einzubilden, über Zeugung, Wachs—
thum und Lebenskraft Genugthuung und Auf—
ſchluͤſſe zu erhalten, während wir noch keiner im
Stande ſind, auch nur die innere Natur der Me—
talle, der Salze, des Feuers, der Cryſtalliſation,
der chemiſchen Verwandtſchaft u. d. gl. zu erklaͤ⸗
ren? Mit welchen Nahmen wuͤrden wir wohl den
Mann bezeichnen, der es wagen wollte, vielleicht
von der bloſſen Analogie geleitet, die innere Ein-
richtung und die Naturprodukte der andern Welt—
koͤrper uns ſinnlich darzuſtellen? und dennoch iſt
der Sprung von der chemiſch-mechaniſchen Welt
XIII
zur organiſchen noch weit großer als der von der
Erde zu den Geſtirnen! Zwar hat die Natur, wenn
ich ſo ſagen darf, ihre Ruhe, oder vielmehr An—
fangspunkte, von welchen ſie ausgeht, gewiſſe
Kräfte, gewiſſe Formen, gewiſſe Erſcheinungen
nach mehrerley Richtungen hin bis zu mancherley
bald hoͤheren bald niedrigeren Graden der Vollkom—
menheit in Verbindung mit ſehr heterogenen Ver—
haͤltniſſen zu verbreiten, und ſo iſt zum Ex. das
allereinfachſte Thier und die unvollkommenſte Pflan:
ze jedes in ſeiner natuͤrlichen Ordnung auf einen
ſolchen Punkt geſtellet, welche einander ſehr nahe
kommen; aber von dem einen aus entfaltet die Nas
tur Willkuͤhrlichkeit, Begierde, Geſchlechtstrieb,
Hunger und Durſt, Selbſtſucht, Neigung und
Abſcheu; von dem andern hingegen nur Reizbar—
keit, periodiſche Entwicklung, Reprodukzions-Ver—
moͤgen, Dauerhaftigkeit und Wiedererweckung der
Fortpflanzungs-Exkretionen; von dem einen die—
ſer Punkte ſteigt ſie hinauf bis zum Orangutang, bis
zum Adler, bis zum Wallfiſch, bis zum Hayen, bis
zur Schildkroͤte, bis zur Rieſenſchlange, bis zum
Goldfiſch, bis zum Sphinx, bis zur Perlenmuſchel
u. ſ. w.; von dem andern erreicht ſie die Hoͤhe der
Hedona, des Hibiscus, des Antirrhinum, des
Hypericum, der Musa, der Thapsia, des Cyno-
morium, des Equisetum, des Fucus und des
XIV
Clathrus. Beyde dieſer Punkte ſind noch immer
weſentlich genug verſchieden, wie zwey Arten einer
Gattung (und in der That find ſie auch nichts ans
ders als zwey verſchiedene Abkömmlinge der orga—
niſchen Schöpfung !) fie mögen demnach einander,
wie immer nahe kommen; fo bleibt doch immer der
Thierheit die Willkuͤhr, und der Vegetabilität die
Ernaͤhrung ohne Magen ausſchluͤßlich! |
Bey der Betrachtung der organiſirten ? We⸗
fen muͤſſen wir vor allem uns überzeugen daß es
ein großer Fehler ſey, wie auf einer Leiter von
den Stufen der gemiſchten Körper zu den. me
drigſten Graden der Thiere und der Pflanzen
hinauf klettern zu wollen! Wir muͤſſen vielmehr
zuerſt jenen Anfangspunkt aufſuchen, von wel⸗
chem die Natur ausging, als ſie den Plan der
organiſchen Schöpfung ergriff, wir muͤſſen am
allererſten die einfachern und, wenn ich fo ſagen
darf, die unvollkommneren Verſuche der Schoͤ⸗
pfung ſtudiren, auf welche in aufſteigender Reihe
beſſere, kuͤnſtlichere, zuſammengeſetztere folgen,
und bey welchen ſich die Natur nicht ſelten wie—
der einen dichotomen Weg zur Veredlung nach
mancherley Zwecken gebahnt hat! Und wenn es je
zu hoffen iſt, daß wir auf irgend einem Pfade
in die Geheimniſſe der Organiſation eindringen
duͤrften; ſo iſt dies der einzige unfehlbare, der
*
Natur ſelbſt am beſten angemeſſene, weil ſie im—
mer nur vom Einfachen zum Zuſammengeſetzten,
vom Niedrigen zum Erhabenen, vom Kleinen
zum Großen fortzuſchreiten pfleget. Waͤhrend daß
ſie uns dann bey der unterſten Stufe dieſer Ge—
ſchoͤpfe nur kaͤrglich einige Reſultate vergoͤnnet,
und irgend etwelche unſerer Zweifel entraͤthſelt,
Nang wir deſto gewiſſer, indem wir ihre Spu—
ren Schritt fuͤr Schritt verfolgen, mit jeder hoͤ—
heren Stufe zu neuen und hoͤheren Geheimniſ—
ſen und am Ende wohl ſelbſt zu den hoͤchſten
und wichtigſten, die man nur irgend in dem
Buche der Natur zu finden ſich ſchmeicheln darf!
Schon bey dem erſten Blicke auf die orga—
niſche Welt, wir mögen fie von was immer für
einer Seite betrachten, unterſcheiden wir zwo
ganz verſchiedene Naturen, eine animaliſche und
eine vegetabiliſche. Jene nicht etwa ein bloßer
Abkoͤmmling der letzteren, hat vielmehr ihren Ur—
ſprung, ihre niedrigſte Stufe ganz nahe an der
Seite der vegetabiliſchen, und die Animalitaͤt iſt
daher nicht etwa nur eine erhoͤhte und veredelte
Vegetabilitaͤt. Die Vegetabilitaͤt mag noch ſo
hohe Stufen der Vollkommenheit und Vered—
lung erreichen, ſo wird ſie ſich doch niemals der
Animalitaͤt naͤhern. Und wirklich lehrt uns die Erz
fahrung, daß ſich Vegetabilien und Thiere nur im—
XVI
mer deſto weiter von einander entfernen, jemehr ſie
ſich dem hoͤchſten Grade ihrer Veredlung naͤhern.
Ein Orangutang und eine Hedona find unlaͤug⸗
bar einander weit unaͤhnlicher, als ein Fadenbilz
und eine Polypengattung. Dennoch hat die Thie—
riſche Natur ſchon in ihrer niedrigſten Stufe eini—
ge Vorzuͤge vor der vegetabiliſchen, und wir muͤſ—
ſen daher bey einer Naturalmethode ganze
Thierreich uͤber das Gewaͤchsreich erheben. Denn
Willkuͤhr, Empfindung, und Leidenſchaften ſetzen
immerhin auch eine feinere und kuͤnſtlichere Orga—
nifation voraus als bloße Reizbarkeit! und wir ſe—
hen uͤberdies, daß die extremen Stufen der Anima⸗
litaͤt weit erhabner ſind, als ſich jene der Vegetabi⸗
litaͤt nur jemahls erdenken laſſen!
Laſſen wir nun das Thierreich in der Ferne,
und wenden wir unſere ganze Aufmerkſamkeit auf
das Reich der Gewaͤchſe, welches als das untere
und einfachere uns auch eine fruͤhere Aerndte von
Reſultaten verſpricht, die denn einſt unſere Nach⸗
koͤmmlinge in den Stand ſetzen werden, ihre Nach⸗
forſchungen auch bis in die erhabneren Gebiethe
der Animalitaͤt fortzuſetzen!
Doch kaum haben wir die Schwelle betret⸗
ten; durch die wir in das ſchoͤne Reich der Flora
eintreffen; ſo bemerken wir auch ſchon, daß ſich
die Natur überall gleich bleibe, und daß ſich die
XVII
Vegetabilien eben fo in phaͤnerogamiſche und ery—
ptogamiſche, wie die organiſirten Körper uͤber—
haupt in Animalien und Vegetabilien abtheilen.
Aehnliche Zertheilungen erfahren wir nachher, in
aufſteigender Reihe ſowohl unter den Phaͤneroga—
men wie unter den Cryptogamen. Und alle dieſe
Seitentheile oder Strahlen aus dem Mittelpunkte
der anfangenden Vegetation ſind von ſolcher Be—
ſchaffenheit, daß ſie eben ſo uͤber einander geſetzt
werden koͤnnen wie Thierreich und Gewaͤchsreich,
ohne uͤbrigens einen eigentlichen Zuſammenhang
und eine Gemeinſchaft als die der Vegetabilitaͤt,
der Phaͤnerogamie u. ſ. w. zu haben. Denn die
Phaͤnerogamen ſind allerdings edler als die Crypto—
gamen, die Completen edler als die Verworrenen,
die Normalpflanzen edler als die Verwandten
u. ſ. mw *). Aber hoͤchſt merkwuͤrdig iſt, daß
die großen Maſſen der natuͤrlichen Familien des
Gewaͤchsreiches ſaͤmmtlich in ihrer unterſten Stufe
) Ich beziehe mich hier auf meinen Merhodus naturalis plan-
tarum, an deſſen Ausführung ich ſchon ſeit vielen Jahren
arbeite, wovon auch bereits im J 1602 ein ſehr unvollkom⸗
mener Ent wurf erſchienen iſt, und welchen ich nun bald in
einer ganz veraͤnderten Geſtalt den Freunden der Botanik
vorlegen zu können hoffe, ungeachtet ich ſehr überzeugt bin,
daß man noch unendlich viel zu verbeſſern finden werde, ehe
ein ſolches Werk als complet angeſehen werden kann. Aber
eben dieſe Maͤngel muͤſſen erſt bekannt werden, um durch
Mitwirkung anderer berichtigt und ausgefüllt werden zu
koͤnnen.
B
XVIII i f
von Schwaͤmmen oder Schwammartigen Geſchoͤ⸗
pfen beginnen; denn die Verworrenen haben z. B.
Cynomerium und Balanophora aufzuweiſen, ſo
wie die weit erhabeneren Completen aus der Unmuͤn⸗
digkeit der Aphyteja emporſteigen, einer Pflanze, die
fo ganz Schwamm iſt, daß fie ſogar den Geruch und
Geſchmack mit dieſer Familie gemein hat, die nach
ihrer Geſtalt zu den Lytothecien, nach den Ne⸗
ben⸗Organen zu Hydnum gezahlt werden müßte,
die aber dennoch ſo vollſtaͤndig gebaut iſt, daß
fie Kelch, Blumenblaͤtter und Nectarien, Staub⸗
gefaͤſſe und Pollen, Narben und Fruchtknoten,
entfaltet, ſo wie ſie auch am Ende eine große
Frucht, eine deutliche Beere hervorbringt!
Schwaͤmme oder Schwammartige Gewaͤchſe.
ſind es alſo, in welchen die Natur ihre ſimpeln
Anfaͤnge der Vegetation uns vor die Augen ge—
ſtellet, in denen ſie die geringſte Complication
ihrer Verfahrungsweiſe in Bildung, Erhaltung
und Fortpflanzung der Gewaͤchſe ſich zur Maf-
regel genommen, und in welchen ſie es uns ſo—
dann am leichteſten gemacht hat, ihren Geheim⸗
niſſen auf die Spur zu kommen, und ſowohl
uͤber Vegetation als Organiſation uͤberhaupt ei—
nige ach! ſo wuͤnſchenswerthe und fuͤr die Menſch—
heit in mehrerley Abſichten hoͤchſt wichtige Auf—
ſchluͤſſe zu erhalten. |
| XIX
Im ſtrengen Sinne find es zwar nicht die
Schwämme ſelbſt, ſondern die Byſſusartigen Ve—
getabilien, die ich fuͤr die einfachſten und dem
Anfangspunkte der Vegetation am naͤchſten an—
gehörigen Gewaͤchſe erkenne: aber beyde zuſam—
men machen in meiner Naturalmethode eine be—
ſondere Abtheilung, die Cohorte der Schwamm—
artigen (Fungosae) aus, und umfaſſen zuſam—
mengenommen die ganze Abtheilung der Perſoon—
ſchen Fungorum Gymnocarpium. Ueberdieß hat
es mit den Byſſusartigen Gewaͤchſen noch ein be—
ſonderes Verhaͤltniß, das uns veranlaßt, nicht
ſie, ſondern vielmehr die eigentlichen Schwaͤm—
me in die Categorie der einfachſten und uran—
faͤnglichen Vegetabilien zu verſetzen. Man hat
naͤhmlich bereits an mehreren derſelben die Er—
fahrung gemacht, daß ſie unter gewiſſen Um—
ſtaͤnden, die ihre weitere Entwicklung beguͤnſti—
gen, ſich in wirkliche Schwaͤmme, in Thelaepho⸗
ren, Boleten u. d. gl. verwandeln; und man
zweifelt alſo mit vielem Grunde an der Weſent⸗
lichkeit dieſer Familie, die vielleicht nichts ande—
res, als unvollendete Auswuͤchſe der Schwaͤmme
enthaͤlt, die wegen Mangel des Lichts, der Luft
u. ſ. w. gehindert waren, jenes Organ zur Reife
zu bringen, das bey den Schwaͤmmen zugleich
die Stelle der Blumen und der Fruͤchte vertritt,
B 2
XX 5
und wofuͤr ich in meinem Werke über die Der
ſterreichiſchen Schwaͤmme den Kunſtnahmen des
Fruchtkoͤrpers (Encarpium) feſtgeſetzt habe. De-
matium bombycinum und Mesenterica argen-
tea ſind nach der Beobachtung des Palisot- de-
Beauvois (ſ. Annales du Mus. d'hist nat, Cah.
46. IV. Année p. 334 et seqq.) und ſogar ſchon
nach der Erfahrung des Vaillant (S. deſſ. Bota-
nicon Parisiense p. 41.) nichts weiter als Stu—
fen eines unausgebildeten Boletus, ja ſie koͤnnen
fogar in einer gewiſſen Lage zur Himantia wer⸗
den. Ich ſelbſt habe dieſe Beobachtung oͤfters wie—
derhohlet, und ich habe ein Exemplar vor mei—
nen Augen, in dem man es deutlich ſieht, wie
die ſich durchkreuzenden Faͤden des Dematium
ſich gleichſam zuſammenſtricken, um die Löcher
eines Boletus zu bilden, welcher nichts weiter
als Boletus (Poria) Fimbriatus Pers. iſt. Rhi-
zomorpha subcorticalis wird nach Palisot- de-
Beauvois (a. a. O. p. 338.) zu einem Boletus,
und die Himantia domestica habe ich immer als
einen Vorbothen des Merulius destruens be-
obachtet, ſo daß ich ſie fuͤr nichts weiter als fuͤr
das Mycelium des letzteren erkennen kann. Ra-
codium cellare entſteht in ſehr feuchten Kel—
lern und auf vollen alten Weinfaͤſſern, verwan—
delt ſich aber in Dematium Bombycinum, wenn
| XXI
es trockner wird. Racodium Corium habe ich
in Weinkellern auf ploͤtzlich geleerten Weinfaͤſ—
ſern, vorzuͤglich aber an den untergelegten Bal—
ken (Sattel) aus Dematium Bombycinum wer—
den geſehen, wenn zugleich eine trockne Jahrs—
zeit und ein geoͤffneter Luftzug die ſchnellere Aus—
trocknung des letztern bewirkte, und eine von
mir neuentdeckte weiße Art von Rhizomorp a,
die im friſchen Zuſtande unertraͤglich nach Ka—
tzenurin ſtinkt, und in Brunnroͤhren und tiefen
Kellern wohnet, hat endlich gar Scheibenfruͤchte
(Orbillae Achar:) getragen. Ich habe ſie einſt⸗
weilen abgebildet, und ihr, da ſie eine ganz neue
Species iſt, den Nahmen: Cornicularia subter-
ranea beygelegt. Mehrere Beyſpiele ſcheinen vor
der Hand nicht noͤthig zu ſeyn, um meine obige
Aſſertionen zu bekraͤftigen und uns gegen die
ganze Familie der Byſſusartigen Gewaͤchſe miß⸗
trauiſch zu machen. | |
Von allen Vegetabilien ſcheinen demnach die
Schwaͤmme am beſten geeignet zu ſeyn, uns in
die Geheimniſſe der Vegetation einzufuͤhren und
ſolchergeſtalt ſelbſt über das große Raͤthſel der
organiſchen Natur einige Aufloͤſung zu verheiſſen.
Allein es ſtoͤßt uns hier eine Frage auf,
die nothwendig eher beantwortet werden muß,
als wir an weitere Folgerungen zu denken und
XXII
erkühnen duͤrfen! Was iſt ein Schwamm?
In Voigts Magazin der Phyſik und Naturge—
geſchichte VIII. Bds. 4. Stuͤck S. 80 ſagt Per⸗
foon: Ein Schwamm iſt eine Pflanze, die fi)
bloß als nackete Fruktifikations-Theile darſtellt;
und in feiner Synopsis fungorum edit. 1 ma. de⸗
‚fine er ihn mir folgenden Worten: Fungus est
vegetabile simplicissimum, solummodo partes
fructificationis aut potius, dum ut plurimum jam
maturescens invenitur, fructum sensu latiore
sumtum, nudum exhibet. In beyden dieſer Defl?
nitionen fehlt ein weſentlicher Theil, der Schwamm
ſelbſt, denn die Frucht des Schwammes iſt eben
ſo wenig der Schwamm, als die Wallnuß ein Nuß⸗
baum. Beſſer und vollſtaͤndiger iſt daher folgende
des Hrn. Dr Haberle (S. deſſ. Commentar, z. d.
Bertuch. Taf. d. allg. Nat. Geſch. Gewaͤchsreich
I. Bds. 1. Thl. S. 66.) welcher ſagt: Schwaͤm⸗
me ſind fleiſchige oder ſaftige Gewaͤchſe, ohne Luft—
gefaͤße und Saamenlappen, ſo wie ohne Laub
und beſondere Geſchlechts- oder Befruchtungsorga—
ne, die ihre zur Fortpflanzung dienende Brut
(in geringerer Anzahl, als bey den Pilzen) in
einem freyliegenden Haͤutchen — dem Schurz —
(Hymenium) erzeugen. Allein auch dieſe Defini⸗
tion hat einen Fehler, ich meyne den der zu
großen Weitlauftigfeit. Darf ich es wagen, an ih⸗
-@ | !
XXIII
rer Stelle eine andere neue zu verſuchen; ſo iſt
mir ein Schwamm ein Vegetabil, das aus
dem Schwammgewaͤchs und aus dem
Fruchtkörper beſtehet.
Schwammgewaͤchs und Fruchtkoͤrper
find aber zwey von mir neu. eingeführte Kunſt—
termini, wovon es alſo meine Pflicht iſt, hier
eine beſtimmte Erklaͤrung mitzutheilen.
Unter Schwammgewaͤchs (Mycelium
mihi, oder Carcithium Neckeri) verſtehe ich je—
ne Gallertartig-faſerichte Subſtanz, welche mei—
ſtentheils nur unterhalb ihres Standortes ausge—
goſſen, bloß die Funktionen des Wachsthumes
und der Ernaͤhrung zu verrichten beſtimmt iſt.
Dieſes Schwammgewaͤchs iſt bisher von den mei-
ſten Schwammforſchern faͤlſchlich fuͤr die Wurzel
der Schwaͤmme gehalten worden. Leider! war
dieſer Irrthum die Urſache, warum man es bis⸗
her faſt gaͤnzlich vernachlaͤſſigte, da es doch zur
Unterſcheidung der Arten eben ſo weſentlich und
nothwendig iſt, als bey den phaͤnerogamiſchen
Gewaͤchſen der Stengel und die Blaͤtter! In
der That iſt es auch weit mehreren Veraͤnderun⸗
gen unterworfen, als Mancher ſich einbildet!
Es iſt einjaͤhrig, oder perennirend, es liegt ent⸗
weder ganz unter der Erde, oder uͤberſteigt ſei⸗
nen Standort und bildet einen Schwammfilz
XXIV
(Symphoresis), e ein Gegenſtück vom Rhizoma der
Sexualpflanzen, oder einen Wulſt (Volva), oder
ein Mittelgewaͤchs (Scleromium) wie bey dem
Zunderſchwamme u. ſ. w. Auch diſtinguirt ſich
das Myeelium“ durch ſehr mannigfaltige Modififas
tionen des Geruches, der Farbe, der Conſiſtenz,
und beſonders durch das Verhaͤltniß ſeiner Fibern
zu der Maſſe der Gallertartigen Feuchtigkeit, Ver⸗
haltniſſe, worauf es ganz beſonders ankommt, ob
die Art ſchneller oder langſamer vegetiren, anſehn—
liche oder nur hagere Fruchtkoͤrper hervorbringen
ſolle u. d. gl. Nach meinem Sinne iſt alſo gerade
das Mycelium ſelbſt der Schwamm, was ſonſt
die Pflanze ohne Bluͤthen und ohne Frucht dar-
ſtellet, das Vegetabil, das man verſetzen, zerthei—
len und pfropfen kann, und welches man wirklich
auf eben die Weiſe zur Vermehrung ſo mancher eßba⸗
ren Schwaͤmme, beſonders der Champignons (Aga-
ricus Pratella campestris P.) verwendet, das oft
mit Erde verunreinigt, den Nahmen des Schwamm—
ſteines (piatra fongaja) fuͤhret, und wodurch der
Freyherr v. Jaquin der jüngere den Boletus tube-
raster aus Neapel nach Wien verpflanzt und allda
wie eine andere Pflanze im Gewaͤchshauſe er⸗
zeugt hat. Das Schwammgewaͤchs hat eine ſtarke
Analogie mit gewiſſen Flechtengattungen, beſonders
mit den Gallertartigen (Collema Ach. d. i. der 6.
\
XXV
Unterabtheilung der Gattung Parmelia!) und.
noch mehr mit gewiſſen Phycaͤen, oder Waſſeral—
gen, als z. B. mit Ulva, Batrachospermum u.
d. gl. deren Subſtanz eben ſo Gallertartig und mit
Fibern durchwebt iſt. Da aber die Flechten bloß
uͤber dem Standorte und die Phyeaͤen bloß un-
ter dem Waſſer vegetiren, ſo iſt bey den erſteren
kein Grund vorhanden, warum ihre Fruchtor—
gane von den vegetativen ſo ſtark verſchieden ſeyn
ſollten, wie die Fruchtorgane der Schwaͤmme.
Dagegen fructificiren die Phycaͤen ganz unter
dem Waſſer, und wir koͤnnen ihnen deßwegen
noch weniger Heterogenität zumuthen als den
Flechten, da ihre Fructification nicht einmahl
aus der Maſſe des Vegetabils hervorbricht, ſon—
dern nur eine Art von Geſchwulſt hervorbringt,
über die ſich das Gewaͤchs durch Proliſication
fortſetzet und verlängert. Das Schwammgewaͤchs
vegetirt auf eine von den uͤbrigen Gewaͤchſen
hoͤchſt verſchiedene Weiſe, naͤhmlich nicht in pa—
raleller Richtung nach aufwaͤrts, ſondern viel—
mehr in Schlangenlinien und ſich durchkreuzen⸗
den Geſtricken. Die Fibern desſelben durchweben
ſich im Fortwachſen, und haͤufen ſich unter ge—
wiſſen Umſtaͤnden wie ein dichter Polſter an.
Dieſes Zuſammendraͤngen vermehrt aber, bey fort—
waͤhrend guͤnſtigen Umſtaͤnden, die Vegetations⸗
XxVI 8
kraft bis zum Uebermaß. Das Vegetabil inder
nicht mehr Raum genug ſich zu vergroͤßern und
ſeine Nahrung fuͤr ſich ſelbſt zu verwenden. Es
ſondert alſo, um ſich zu erleichtern, einen Theil
ſeiner Subſtanz aus ſeinem Innerſten aus (und
dieſes iſt gerade der gebildetſte, der feinſte Theil
des Gewaͤchſes!) es bringt dieſe Ausſonderung
an die freye Luft, allwo ein neuer Reitz dieſem
Organ eine veraͤnderte Richtung mittheilet und es
zu denjenigen Functionen beſtimmet, die wir die
Geſchlechtsverrichtungen nennen. Es iſt hier nicht
der Ort, dieſe Theorie noch weiter ins Detail
zu verfolgen: aber dieß wuͤnſchte ich doch der
Aufmerkſamkeit eines jedweden Naturforſchers be⸗
ſonders zu empfehlen, daß eine Erklaͤrung natuͤr⸗
licher Erſcheinungen in der organiſchen Welt nie⸗
mahls ſo wie der Gang einer Pendeluhr aus der
Mechanik, ſondern einzig aus den von der Hand
des Schoͤpfers den Weſen zugetheilten und mit
ihrer Exiſtenz innigſt verbundenen Kraͤften, aus
Einwirkung der aͤuſſerlichen Dinge und Gegen—
wirkung der Lebenskraft erklaͤrt werden muͤſſe,
nicht aus der Attraction, Impenetrabilitaͤt, Schwere,
Elaſticitaͤt u. ſ. w. |
Was den Fruchtkörper (Encarpium)
betrifft; fo habe ich zwar ſchon im Vorhergehen⸗
den Einiges gemeldet, woraus man erkennen kann,
XXVII
was ich darunter verſtehe. Allein man wird es
hoffentlich auch nicht für uͤberfluͤſſig halten, hier
noch Einiges nachzutragen, was uͤber dieſen Ge—
genſtand noch mehr Licht zu verbreiten taugen
duͤrfte? Der Urſprung des Fruchtkoͤrpers iſt, wie
wir ſchon wiſſen, aus der innerſten Subſtanz,
und gleichſam aus dem Marke des Myceliums-
Da er ſeinen Zuwachs nicht unmittelbar von
außen, ſondern aus der ſchon homogeniſirten
Subſtanz des Vegetabils erhalt, fo iſt es nicht
ſchwer zu begreifen, warum er immer viel com—
pacter, feiner und reiner iſt, als das Mycelium.
Sein Geruch iſt nicht der Geſtank der Faͤulniß,
ſondern ein geiſtiger Hauch des Lebens, und wenn
das Mycelium wie immer den bekannten fatalen
mephitiſchen Schimmelgeruch verbreitet; ſo uͤber—
wiegt in dem Encarpium der Geruch des Wei—
tzenmehles, mit Ammoniak mehr oder weniger ge—
miſcht; mit einem Worte, ſein ganzer Charakter
gleicht dem der Saamenfeuchtigkeit, die bey den
Pflanzen in den Bläschen des Pollen und bey
den Thieren in den Teſtikeln enthalten iſt. Da
man das Mycelium bisher nur für eine Wurzel
gehalten hat; ſo war es ſehr natuͤrlich, daß man
auch die Natur des Encarpiums verkannte. Ueber⸗
haupt zu ſagen, betrachtete man dieſes als den
Schwamm ſelbſt, welches ungefaͤhr ſo viel ſagen
XXVIII
will, als wenn man z. B. bey der gemeinen Becher—
flechte (Baeomyces, Scyphophoron, pyxidatus
Ach.) den Thallus fuͤr die Wurzel, die Podetia
fuͤr Struͤnke, die Scyphos fuͤr die Organe der
Vegetation, und nur die Cephalodia fuͤr die
Blumen oder Fruͤchte erklaͤren wollte. Die hier
zum Augenmerk genommene Analogie des Schwan?
mes mit der Becherflechte erklaͤrt uns im Gegen⸗
theile ſehr anſchaulich, daß das Mycelium in
Vergleichung mit dem Thallus, die eigentliche
Pflanze, das Laub (krons) oder der Schwamm
ſelbſt, hingegen der aus demſelben hervorgedrun—
gene Fruchtkoͤrper, er mag was immer fuͤr
eine Bildung haben, nichts mehr und nichts weni⸗
ger ſey, als die fich in Frucht verwandeln⸗
de Bluͤthe des Schwammesz folglich, wenn
ein Strunk vorhanden iſt, fo ſey dieß ein Bluͤ⸗
thenſtiel (pedunculus) wie die podetia des Be⸗
cherſchwammes; der Hut ſey ein gemeinſchaftlicher
Blumen- oder Fruchtboden (Scyphus bey Scy-
phophoron) und die Lamellen, Röhren, Köcher,
Stacheln, Tuberkeln u. d. gl. ſeyen an der
Stelle der Koͤpfchen (Cephalodia) die Austhei⸗
lung der Brut in ihre Fächer. Die weſentli—
chen Theile des Fruchtkoͤrders find: a) das
Schwammfleiſch (Perisarcium), in welchem die
Fibern aber nicht mehr fo geſtrickt wie bey dem
XXIX
Mycelium, ſondern vielmehr groͤßtentheils para—
lell laufen, und ſich ebendeßwegen dichter und
feſter an einander anſchließen. b) Die befruchtende
Saamenfeuchtigkeit. Dieſe wird erſt da ausge—
fondert, wo der Schwammkoͤrper die feinſte Aus—
bildung erlangt hat, und iſt eigentlich der reinſte
Extract von der geiſtig-gallertartigen Subſtanz
desſelben. Man kann demnach in den meiſten
Faͤllen den Fruchtkoͤrper auch wohl ein Staub-
gefaͤß (Stamen) nennen, wovon der Strunk das
fllamentum und der Hut die Anthera iſt. Der
Pollen befindet ſich innerlich an den Seiten der
Lamellen oder der Roͤhrchen, und enthaͤlt die au—
ra seminalis, deſſen Kuͤgelchen jedoch nicht erſt
auf den Narben der Fruchtknoten, ſondern mei—
ſtens ſchon an ihrer Geburtsſtelle zerplatzen, und
durch den Geiſt, den ſie aushauchen, die ganze
weibliche Anlage des Encarpiums befruchten. o) Die
Schuͤrze (Hymenium); unſtreitig der ausgebildet—
ſte von den feſten Theilen des Fruchtkoͤrpers.
Sie ift, fo viel davon bisher bekannt iſt, bey al-
len Schwaͤmmen androgyn, und alſo im ſtreng—
ſten Sinne der Thallus der Schwaͤmme. Der
reelle Unterſchied der von ihr hervorgetriebenen
maͤnnlichen und weiblichen Organe ſcheint allen
Beobachtungen zufolge darin zu beſtehen, daß
die männlichen Bläschen vorzüglich die geiſtigen
XXX | |
und riechenden Stoffe, die weiblichen hingegen,
nur eine concentrirte ſpeciſike Gallerte enthalten,
die durch den hinzukommenden Reitz jenes erſtern
zum neuen Leben erweckt wird. Denn wir muͤſ—
ſen uns erinnern, daß das Vegetabil des Schwam—
mes eine Gallerte ſey, die mit Fibern gemengt
iſt, welche hoͤchſt wahrſcheinlich Roͤhrenartige
Schlaͤuche ſind, die ihr die Nahrung zufuͤhren
und bereiten. d) Endlich die Brut (sporulae)
ſelbſt, die, wie geſagt, mit dem Pollen untermengt
aus dem Hymenium hervorkeimt und zur An:
bauung neuer Individuen beſtimmt if. Es iſt,
wie man hier ſieht, ſehr wenig Unterſchied zwi⸗
ſchen den wahren Saamen der Phoenogamen
und der Brut oder den Schwammkeimen (Sporu—
lae) der Schwaͤmme. Für Knoſpen kann ich aber
die Schwammkeime nicht wohl halten, weil
Knospen ohne vorausgegangene Befruchtung aus
der Subſtanz des vegetativen Theils als wirkli—
che Anfaͤnge neuer Individuen hervorkommen,
hier aber ein Hy menium zugegen iſt, das immer
beyde Geſchlechter enthaͤlt, und weil alle Frucht⸗
koͤrper gleich nach geſchehener Befruchtung ver—
weſen oder verwandelt werden, da doch zur Er⸗
naͤhrung und Ausbildung der Knoſpen eine viel
laͤngere Dauer der Communication mit dem Bo—
den, aus dem ſie hervorkommen, erforderlich,; ja
| XXXNI
unentbehrlich iſt. Der einzige weſentliche Unter—
ſchied in den Saamen der Schwaͤmme von den
uͤbrigen Saamen ſcheint nur in dem Mangel der
Cotyledonen zu beſtehen, welche aber nicht noͤthig
find, da hier das Corculum ein purer fluͤſſiger
Koͤrper iſt.
Daß dieſe Theorie noch mancher Erlaͤuterun—
gen und Beweiſe beduͤrfe, fuͤhle ich ſelbſt ſehr wohl.
Ich werde auch noch Gelegenheit finden, einiges
und anders vorzutragen, deſſen Beziehung hierauf
ſehr weſentlich iſt; allein mich in ein weitlaͤuftiges
Detail einzulaſſen, das erlau ben mir die Graͤnzen
dieſes Werkes nicht, das doch immerhin vielmehr
nur zum allgemeinen Gebrauche als zum Lehrbuche
fuͤr Freunde der Mycologie beſtimmt iſt und daher
nur einen Umriß des Weſentlichen enthalten darf,
was wir naͤhmlich in unſern Tagen uͤber die Na—
tur der Schwaͤmme ſagen koͤnnen.
Schon aus demjenigen, was ich bey Erklaͤ⸗
rung der Geſchlechtsorgane angegeben habe, wird
man meine Theorie Über die Zeugung und Fortpflan—
zung der Schwaͤmme verſtehen. Hier muß ich noch
hinzufuͤgen, daß die Geſchlechtsorgane der Schwaͤm—
me ſo wie uͤberhaupt der ganze Prozeß ihrer Be⸗
fruchtung von jenem der Algencohorte (als worun⸗
ter ich in meinem Methodus die Phyceas, Licheno;
sas, Mycenas, Sarcocarpas und Gasteremyces
XXXII a
rechne) wohl unterſchieden werden muͤſſen. Es iſt
hier vor allem eine Erinnerung noͤthig, naͤhmlich dieſe,
daß ſowohl die Schwaͤmme, als die Übrigen fo ebene
genannten Familien der Algen eine ſehr ſtarke Nei⸗
gung haben Zwillingsgeburten hervorzubringen.
Es ſind daher ſehr oft mehrere Sporulae zuſammen
von einem Brutbehaͤlter (Gongylangium Bernh.)
eingeſchloſſen. Allein bey den Schwaͤmmen z. B. Pe⸗
zizen, ſind dieſe Gongylangia nichts weiter als ver⸗
wachſene, dem Hymenium einverleibte Sporulae,
Bey den Algen hingegen verhaͤlt ſich die Sache
ganz anders. Hier find die Gongylangia abgeſon⸗
derte Organiſationen, die aus dem vegetativen Theis
le der Pflanze hervortreiben, manchmahl noch wei—
ter zuſammengeſetzt ſind und ein Receptaculum
secundarium oder einen Polſter (Stroma) bilden.
Auch befinden ſich bey den Algen die beyden Se,
zualorgane nicht fo durch einander ausgegoſſen wie
bey den Schwaͤmmen, ſondern groͤßtentheils in ge—
wiſſer ſchon etwas ausgezeichneter Entfernung von
einander.
Gleichen, Buͤllard u. m. a. behaupten, daß
eine gewiſſe Portion der ſpermatiſchen Fluͤſſigkeit von
den Stigmaten eingeſogen und zu den Embryonen
der Saamen in dem Fruchtknoten hingebracht were
den muͤſſe, wenn dieſer fruchtbar werden ſolle. Allein
dieſe Theorie iſt offenbar wieder zu materiell und
XXXIII
zu mechaniſch fuͤr die organiſche Natur! Die
Grundlage jedes neu entſtehenden Vegetabils
oder Thieres iſt ein ausſchließendes Eigenthum
des weiblichen Koͤrpers, dem es einzig an der
Materie fehlet, welche erfordert wird, um in
denjenigen Organen, welche die Entwicklung des
Embryo bewirken muͤſſen, eine ſolche Thaͤtigkeit
durch ihren Reitz zu erwecken als hiezu erforder—
lich iſt, eine Thaͤtigkeit, welche mit jener der
Selbſterhaltung im Widerſpruch ſtehet, und die
dann maͤchtig genug iſt, um jene entweder ganz
zu unterdruͤcken, oder ihr wenigſtens das Gleich—
gewicht zu halten. Um aber den zu dieſem Zwe—
cke erforderlichen Reitz zu erwecken, wird eine
viel feinere Operation erfordert, als man ſich
gewoͤhnlich vorzuſtellen pfleget. Eine Fluͤſſigkeit
kann nicht ſo weit durch dieſe uͤberaus feinen
Schlaͤuche fortgeſchafft werden, als wie z. E. bey
den Gefaͤſſen eines Griffels bis zu den Embryo—
nen im Fruchtknoten, wenigſtens nicht, ohne
durch Beymiſchung anderer gaͤnzlich veraͤndert
und auf ihrem Wege ſehr lange aufgehalten zu
werden. Wir ſehen im Gegentheile ſo wohl bey
den Pflanzen als bey den Thieren, daß von dem
Augenblicke an, als die Befruchtung geſchehen iſt,
in den Organen der Geburt ſo große Veraͤnde—
rungen vorgehen, daß wir geſtehen muͤſſen, die
XXXIV f 8
Belebung der Embryonen muͤſſe auch ſchon von
dieſem Augenblicke an Statt gehabt haben. Leiten
wir dagegen dieſe großen Wirkungen von dem
geiſtigen Hauche her, der aus der ſpermatiſchen
Feuchtigkeit ſich entwickelt, und bey den Thie⸗
ren die Nerven, bey den Pflanzen die feinſten
und reitzbarſten Gebilde beruͤhret, und ſie durch
dieſe Beruͤhrung augenblicklich zu einer verkehr⸗ |
ten neuen Thaͤtigkeit umſtimmet; ſo haben wir
einen Begriff, der uns Genuͤge leiſten und un:
ſern weitern Unterſuchungen zur Orientirung
dienen kann. So koͤnnen wir z. E. gleich an den
Schwaͤmmen verſchiedene irt bemer⸗
ken, die dieſe Lehre im hohen Grade zu beſtaͤ—
tigen, allen andern aber zu widerſprechen ſchei—
nen. Es gibt unter den Blaͤtterſchwaͤmmen, Löcher:
und Stachelſchwaͤmmen mehrere, deren Hut in
der erſten Periode, das iſt: waͤhrend der Perios
de der Befruchtung, rings um mit dem Strun⸗
ke durch eine Haut dergeſtalt verbunden iſt, daß
ſowohl der Zutritt der aͤußern Luft, als auch
die allzuſchnelle Verduftung des von dem Hyme-
nium ausduftenden Aethers dadurch verhindert
wird. Die uͤbrigen Schwaͤmme, denen dieſe Haut
mangelt, die man bald Ring (Annulus), bald
Vorhang (Cortina) nennet, pflegen bald ihre
Huͤte ganz und gar einzurollen, bald ſich dach—
XXXV
ziegelfoͤrmig und feſt anliegend zu bedecken, oder
durch einen beſonderen Filz, wie keuſche Maͤd—
chen ihren Buſen zu verſchleyern. Wozu dieſe
Vorſicht, wenn es nicht darum zu thun ſeyn
ſollte, den belebenden Duft ſo lange aufzubehal—
ten, bis alle Brutkeime von demſelben belebt
und zur Entwicklung neuer Individuen diſponirt
worden ſind? Das Ausfallen des Saamens zu
verhuͤten, kann nicht die Abſicht ſeyn, da dieſer
damahls noch nicht reif und auf der Oberflaͤche
des Hymenium kaum zu bemerken iſt! Viele
Schwaͤmme, z. B. alle Arten von Clathrus, Phal-
lus, Amanita ſind waͤhrend dieſes Zeitraumes
von einer Wulſthaut (Volva) gaͤnzlich eingeſchloſ—
fen, und bey dieſen iſt auch wirklich die aura semi-
nalis weit fluͤchtiger und uͤberhaupt viel mehreren
Gefahren des Verluſtes ausgeſetzt, als bey allen ans
dern Gattungen der Schwaͤmme. Die Pezizen ſchlie⸗
ßen ihre Muͤndungen, die Helvellen und Morchellen
falten ſich ſehr enge zuſammen, andere, wie die Cla⸗
varien, Spathularien, Leotien u. ſ. w., verbergen
ſich unter fremden Koͤrpern, z. B. unter den Moo⸗
ſen und Abfaͤllen der Baͤume, oder ſie draͤngen ſich
ſo feſt zuſammen und wachſen ſo geſellig, daß ſie
ſich wechſelſeitig dieſes Beduͤrfniß des befruchten⸗
den Geiſtes mittheilen koͤnnen. Merkwuͤrdig und/
| C2
2
XXXVI
wie es ſcheint, hieher gehoͤrig, iſt auch die Be—
obachtung, daß bey denjenigen Schwaͤmmen, die
in großen Haufen beyſammen oder aus einerley
Maſſa vom Mycelium hervorwachſen, alle mit—
ſammen, ſo wohl große als kleine, in einem glei—
chen Zeitraume die Function der Befruchtung
verrichten. Sollte man nicht hieraus den Schluß
ziehen duͤrfen, daß jener ſo wunderthaͤtige Ae—
ther, indem er auch nur in einigen Theilen ei—
nes zuſammengeſetzten Fruchtkoͤrpers Belebung
erwirkte, dennoch auf den ganzen einen ſo ſtar—
ken Einfluß habe, daß alle weitere Entwicklung
auf einmahl aufhoͤret, und nur allein die Des
guͤnſtigung der befruchteten Brut von der ganz
zen Maſſa des Encarpiums betrieben werde?
Mit einem Worte: ſo bald als einmahl dieſer
Geiſt diſſipirt iſt, fo hoͤret aller Wachsthum auf,
nur die befruchteten Brutkeime werden noch ei—
lig zum Ziel gebracht, und der ganze Fruchtkoͤr—
per geht in Faͤulniß uͤber. Die Zunderſchwaͤmme
konnen meiner Behauptung nicht entgegen ge—
ſtellet werden! denn ihre Wiederauflebung und
Erneuerung der Functionen geſchieht niemahls
aus den nähmlichen Organen. Der alte Frucht—
koͤrper verhaͤrtet nur, anſtatt zu verfaulen, und
wird zum Standorte, ohne mehr ein Schwamm
zu ſeyn. Es gibt aber auch Zunderſchwaͤmme,
XXXVII
die nicht perenniren. Dieſe ſind jedoch vielmehr
fleiſchig als holzig, und nicht ſelten ſchwitzen ſie
Waſſertropfen aus, wo man ſie denn auch, je—
doch nur uneigentlich, Thraͤnenſchwaͤmme nennet.
Alle weichen Schwaͤmme riechen viel ſtaͤrker, als
die Holzartigen. Bey genauer Unterſuchung wird
es ſich auch zeigen, daß die letztern weit weni—
ger von denjenigen Blaͤschen hervorbringen, die
dem Pollen der Antheren entſprechen. Bey den
umgekehrten Schwaͤmmen, z. B. bey Poria, kann
ferner ein fuͤr alle Mahl kein fluͤſſiges, ſondern
nur ein aͤtheriſches Befruchten Statt haben, da die
Lage dieſer Schwaͤmme der Lage der übrigen ent
gegen geſetzt, und folglich das Abfließen einer
ſolchen Feuchtigkeit nicht gedenkbar iſt. Uebrigens
ließe es ſich ja ſogar mathematiſch demonſtriren, daß
eine Fluͤſſigkeit, die ſo fein waͤre, daß ſie von
den Narben der Schwammbrut eingeſogen wer—
den koͤnnte, ſchon wenigſtens bis zur Subtilitaͤt
eines Duftes verduͤnnet ſeyn muͤßte — und in
dieſem Falle verdienet ſie alſo auch nicht mehr
ein Liquor genannt zu werden. Iſt es aber ein
Duft; ſo ſind wir ſchon an unſerem Ziele, und
es koͤmmt nun nur auf den Ort an, welcher
von demſelben beruͤhrt und gereitzt werden muͤſſe?
Der Keim ſelbſt, oder nur das ihn enthaltende
Organ? Da aber jener ſowohl feinen erſten Ur⸗
XXXVII
ſprung, als ſeine ſpaͤtere Entwicklung einzig von
dem letzteren herleitet; ſo ſehe ich keinen Grund
ein, warum wir dem Keime dieſes Stimulans
zuſprechen ſollten, da es doch im Gegentheile ſo
noͤthig iſt, daß das muͤtterliche Behaͤltniß eine
erhoͤhte Lebhaftigkeit erhalte, um einen neuen
Koͤrper zu bilden, und aus ſeiner eigenen Sub—
ſtanz zu ernaͤhren, und da es zu dem Keime
auf keinem andern Wege, als durch dieſes weib—
liche Organ gelangen kann! Die Reſultate, die
aus dieſer Theorie entſpringen, ſind von der
groͤßten Wichtigkeit; aber es iſt hier nicht der
Ort dazu, ſie alle auszufuͤhren und zu beweiſen,
und ich muß es daher einſtweilen der Urtheils—
kraft meiner Leſer ſelbſt uͤberlaſſen, ſie heraus zu
ziehen und zu verſammeln. Nur ein Paar davon
ſey mir erlaubt, aphoriſtiſch zu ſkizziren, weil
ſie mit der Kenntniß der Schwaͤmme uͤberhaupt
ſo feſt verknuͤpft ſind, daß wir dadurch in den
Stand geſetzt werden, mittelſt derſelben unſer
Urtheil daruͤber mit demjenigen, was uns von
den Phoͤnogamen bekannt iſt, in ein ebenmaͤßi⸗
ges Verhaͤltniß zu bringen. Die Schwaͤmme ge⸗
hören demnach
La) nach der Strenge des Linnaͤaniſchen ER
Syſtemes in die Gynandria Monandria. Doch
mup man nicht vergeſſen, daß ich hier nur von
XXXIX
den eigentlichen Schwaͤmmen vede, und alle die
ſchon oben genannten Algenfamilien, deren einige
man bisher den Schwaͤmmen bepzutäblen ge⸗
wohnt war, davon ausſchließe.
b) Die Blumen der Schwaͤmme ſind groͤßten—
theils nackte Blumen, d. h.: ſie haben keinen
Kelch und keine Blumenkrone. Doch machen Cla—
thrus, Phallus, Amanita u. d. gl. hievon eine.
Ausnahme, denn die Volva iſt bey dieſen we—
nigſtens eben ſo gut fuͤr einen Calyx zu halten,
als die Schlitzen der Aphyteja Hydnora. Der
Schwamm ſelbſt iſt ein Staubgefaͤß, das mit
dem Pollen vermengt, die Fruchtknoten ausheckt.
c) Man kann alle Schwaͤmme durch den Saa—
men, und die perennirenden noch uͤberdieß durch
die Zertheilung des Myeceliums fortpflanzen. Als
lein ein Fruchtkoͤrper, Encarpium kann nicht vers
ſetzt, gepfropft oder geſteckt werden; denn er iſt
nichts weiter als ein Staubgefaͤß, oder eine
nackte Blume. Darum entwickeln ſich auch die
abgeſchnittenen Schwaͤmme nicht weiter, waͤhrend
daß ſelbſt die bloßen Eyer der Wulſtſchwaͤmme
ſich auch noch außer ihrem Standorte entfalten.
d) Wenn wir die hier gegebene Definition
eines Schwammes hintanſetzten; ſo muͤßten wir
manche Pflanzengattung dem Gebiethe der Schwaͤm⸗
me einverleiben, die doch weit naher mit den hoͤ⸗
XL
heren Familien des Gewaͤchsreiches verwandt iſt,
z. B. Cynomorium iſt nach feiner ganzen Sub:
ſtanz ein wahrer Schwamm, und hat noch uͤber—
dieß maͤnnliche und weibliche Geſchlechtsorgane ſo
durch einander gemengt, wie eine Clavaria. Et⸗
was weiter entfernt waͤren dann auch die Gat—
tungen Arum, Caladium, Pothos, Calla. Am-
brosinia, Zostera, Dorstenia, Ficus, Mithri-
datea, Cecropia, Zamia, Typha, Aponogeton,
Artocarpus, Cytinus, Monotropa, Bromelia,
Araucaria, Banksia u. d. gl. Allein der wahre
Naturforſcher begnuͤgt ſich nicht mit ſolchen ein—
ſeitigen Vergleichungen; denn wenn dieß angien⸗
ge, fo müßte man auch die Gattungen Marc-
graavia und Eucalyptus, um der Calyptra
willen, den Laubmooſen, die koͤpfigen Arten von
Statice wegen des Ringes den Agaricis und ſo
viele Arten von Ruscus, Xylophylla, Phyl-
lanthus, Platilobium u. d. gl. den Farren ein⸗
verleiben.
Mit dieſen wenigen Saͤtzen zufrieden, werfe
ich mir nunmehr eine neue, nicht weniger inte
reſſante Frage auf: Wie pflanzen ſich die
Schwaͤmme fort? Die Antwort hierauf iſt
mit großen Schwierigkeiten verbunden, dennoch
hoffe ich, Einiges und Anderes davon erklaͤren zu
konnen.
| XLI
Ich will, da der Weg zweyfach iſt, zuerſt
die Fortpflanzung durch das Mycelium erörtern,
und dann auch uͤber den andern, die Verbreitung
des Saamens, mein Moͤglichſtes verſuchen.
Schwaͤmme, deren Mycelium nur annuell
iſt, wie bey den meiſten Arten von Ag. Mycena,
Omphalia, Coprinus, von Phallus, von Peziza,
von Clavaria u. d. gl. koͤnnen ſich offenbar eben
ſo wenig als andere ſogenannte Sommergewaͤchſe,
ſo wenig als eine Euphorbia Helioscopia durch
die Zertheilung oder Ausdehnung des Schwamm—
gewaͤchſes vermehren! Diejenigen hingegen, die wie
ein Agaricus campestris, oder Boletus Tube-
raster ein perennirendes Mycelium haben, koͤn—
nen auch durch die Zertheilung desſelben, wie
eine perennirende Pflanze durch die Zertheilung
der Wurzeln, der Wurzelſoroſſen u. d. gl. ver⸗
mehret werden. Dieſes geſchieht denn auch wirklich
ſehr haͤufig, theils abſichtlich, theils zufaͤllig, letz—
teres durch Ueberſetzung der Baͤume, durch Ver—
führung der Erde, durch den Verbrauch des Moor
ſes, des Laubes, des Duͤngers u. ſ. w. Wir ſehen
daher nirgends mehr Schwaͤmme, als in einem Gar—
ten, in welchen die Gewaͤchſe aus ſehr verſchiede⸗
nen Gegenden mit ſammt dem Ballen verſetzt wor⸗
den (verſteht ſich, wenn keine andern Hinderniſſe,
als z. B., Witterung, trockene Lage, oder Fleiß
XLH
des Gaͤrtners, das Aufkeimen derſelben verwehren!)
und der k. k. Luſtgarten von Schoͤnbrunn iſt ein
redender Beweis hievon! Die paraſytiſchen Schwaͤm⸗
me der Baͤume koͤnnen nur auf dem individuellen
Baume fortwuchern, dem ſie angebohren wurden,
und der Boletus fumosus koͤmmt in dem modern⸗
den Weidenbaume alle Jahre an einer andern
Stelle mit ſeinen Encarpien zum Vorſchein, bis
einmahl der Stamm abgehauen oder fein Myce-
lium durch einen ſehr ſtrengen Winterfroſt ge—
toͤdtet wird. Es erhellet hieraus, daß die Ver—
mehrung durch das Myeelium nur ein Aushuͤlfs—
und Nebenmittel iſt, wodurch die Natur die
Schwaͤmme vermehret, aber lange kein ſolches,
auf welches fie die ſichere Erhaltung ihrer wah—
ren Arten bauen duͤrfte! In einen Standort
uͤbertragen, der ſeiner Ernaͤhrung zuwider iſt,
oder zu einer Jahrszeit, die das Vegetiren des—
ſelben verhindert, kann es ſehr lange ruhen,
ohne das Wiederauflebungs-Vermoͤgen zu verlie—
ren, und nur ſtarke Hitze, oder ſtarker Froſt,
oder die Freßbegierde der Inſekten koͤnnen es
gaͤnzlich vernichten. Faͤulniß und Waſſer verder—
ben es, aber ſchwerlich ganz und gar, und die
daraus entſpringenden neuen Byſſusgewaͤchſe ſchei—
nen nur corrumpirte und monſtroſe Conforma-
tionen zu ſeyn, die nicht mehr Kraft genug ha⸗
XLIII
ben, ihren wahren Typus darzuſtellen. Zur Zeit
der Belebung vegetirt es mehr oder weniger raſch,
je nachdem die Kraft der feuchten Waͤrme ſtaͤr—
ker oder minder iſt. Jedoch ſcheinen die meiſten
Mycelien überhaupt nur ſehr langſam, und in
oft unterbrochener Thaͤtigkeit fortzuwachſen und
ſich auszubreiten. Sie dringen in die Erde, und
vermengen ſich mit den Partikeln derſelben. Doch
muß man dieſes nicht fuͤr eine bloße Miſchung,
ſondern als eine Erſcheinung anſehen, die mit
derjenigen ganz einerley iſt, wann wir Stuͤck—
chen Holz, Steinchen, friſche und duͤrre Blaͤt—
ter, Grashalme, Vogelfedern, Fruͤchte und Saa—
men, Mooſe, Inſekten-Cadaver und hundert
andere Kleinigkeiten mit dem ſchnell aufgebluͤh—
ten Fruchtkörper verwachſen oder durchgewachſen
erblicken. Iſt ein Mycelium Paraſyt eines leben:
den Baumes; fo lebt es entweder in dem Mo⸗
der desſelben, wie jene in der Erde, oder in ges
faͤlten und abgeſtorbenen Hoͤlzern, oder es iſt
ſo ganz und gar Paraſyt, wie die Miſtel, und
naͤhrt ſich von den unverdorbenen Saͤften des
Baumes. Geraͤth es, z. B. wenn ein Baum ge—
faͤlt worden, durch Uebertragung in eine ſolche
Lage, in welcher es nicht alle die Bedingniſſe
ſeiner Entwicklung im vollen Maße antrifft; ſo
uͤberwaͤchſt es ſich zuweilen ohne aller Inflore⸗
XLIV
ſcenz, wie z. B. unter den Phaͤnogamen der
Kopfkohl der Spargel, das Bitterſuͤß und wie
Gewaͤchſe, die von einer finſtern Stelle eine lan—
ge Strecke hin fortkriechen, um ſich der Spalte
zu naͤhern, wodurch die Luft und das Tages-
licht einbricht; oder fie bringen zwar einen Frucht⸗
koͤrper, aber nicht ihren eigenen, ſondern ein
Monstrum, eine Peloria! Wir ſehen daher manch⸗
mahl mit Erſtaunen auf dem gefaͤllten Holze in
der Holzkammer ganz andere Schwammgattun⸗
gen als wir kurz zuvor an den naͤhmlichen Baͤu⸗
men, da ſie noch im Walde ſtanden, bemerkten.
pelorien der Phoͤnogamen entſtehen, wie ich
ſelbſt beobachtet habe, wenn fremdartige Pflan—
zen ſo dicht durcheinander wachſen, daß der Filz
ihrer Wurzelfaͤſerchen gezwungen wird, ſich ge—
genſeitig zu umfangen und zu durchweben. Da
die Mycelien Gallertartig und faſt fluͤſſig find;
ſo iſt es um ſo viel begreiflicher, daß zwo hete—
rogene Myeelien ſich — nicht miſchen — aber
doch, wie wir oben von der Erde geſagt haben,
durchwachſen koͤnnen, und in dieſem Falle (wel—
cher eben nicht ſehr ungewoͤhnlich zu ſeyn ſchei—
net!) moͤgen wohl auch die Schwaͤmme, ſo gut
wie die Phoͤnogamen zu Pelorien werden. Ich
ſah nicht ſelten zwey und dreyerley Arten von
Schwaͤmmen aus einem Stuͤcke hervorbluͤhen,
XLV
aber faſt immer nur von der gleichnahmigen
Gattung, z. B. 2 Agaricos oder 2 Boletos. Der
ältere, der hier ſchon laͤnger domicilirte, ſchien
die Oberhand zu gewinnen und den jungen An—
koͤmmling zur Annahme einer Form zu noͤthi—
gen, die der ſeinigen aͤhnlich war. Oft moͤgen
vielleicht die Mycelien ſelbſt einander nach Para—
ſytenart ausſaugen, und bey den Schwaͤmmen
kann man dieſer Nahrung allerdings einen viel
wichtigeren Einfluß auf die Conformation des
Encarpiums eingeſtehen, als bey den Phoͤnero—
gamen. Denn wir ſehen ſchon bey den Baum—
ſchwaͤmmen, wie viel von der Verſchiedenheit der
Saͤfte abhaͤngt, da die naͤhmliche Art anders auf
der Buche, anders auf der Eiche, anders auf
dem Weidenbaume und wieder anders auf dem
Maßholderbaume ſich entwickelt, wie wir dieſes
ſehr leicht an Daedalea quercina, Boletus fe-
mentarius, Boletus citrinus, Boletus hepati-
cus, Sistotrema versicolor, Agaricus ostreatus
und hundert andern beobachten koͤnnen. Wun—
dern wir uns alſo gar nicht, und ſuchen wir
die Urſachen ja nicht in großer Ferne auf, wenn
wir auf einmahl im Walde neue Schwaͤmme be:
obachten; denn wenn der Saame von einem Bo—
letus in die Nachbarſchaft anderer Myeelien ge—
fallen, ſo mußte das daraus entſtandene juͤngere
XLVI
Mycelium leiden, und allenfalls zu einer Thae⸗
lephora werden. Aber dieſer Baſtard wird bald
wieder verſchwinden (außer, wenn er aufs neue
durch gleiche Zufaͤlle erzeugt wird!) und die Ur⸗
arten werden daneben fortdauern, und immer
die naͤhmlichen bleiben.
Die periodiſche Erſcheinung der Sihbmnns
koͤrper beweiſet uns indeſſen ganz deutlich, daß
wir nicht allzuviel auf den Einfluß der Witte:
rung anrechnen duͤrfen! Die Schwaͤmme kommen
auch bey einer nicht ganz guͤnſtigen Witterung
in der beſtimmten Jahrszeit zum Vorſchein, nur
bleiben fie kleiner, nur erſcheinen fie etwas ſpar—⸗
ſamer, nur veraͤndern ſie ihre Geſtalt! Aber was
fuͤr ein Weſen iſt wohl geneigter auszuarten,
als die Schwaͤmme? Ich ſchluͤſſe hieraus, daß
es bey den Schwaͤmmen eben ſo wohl wie bey
den uͤbrigen Pflanzen wahre ſpecifike Unterſchiede
gebe, die in den innerlichen Eigenſchaften ihrer
Vegetation gegruͤndet ſind, und das Mycelium,
als das eigentliche Vegetabil des Schwammes
hinlaͤnglich verſchieden ſeyn muͤſſe, um uns für
die Zukunft gruͤndliche charakteriſtiſche Merkmahle
zur Unterſcheidung der Arten anzubiethen, da
wir von der Form der Fruchtkoͤrper, wie aus
dem Vorigen erhellet, nur allzuleicht betrogen
werden koͤnnen. Im Uebrigen ſcheint es mir, daß
XLVII
dieß meiſtens nur einjaͤhrige Myeelien ſind, wel—
che ſogar- genau die Periode des Emporbluͤhens
beobachten und die perennirenden halten ihre Pe—
rioden lange nicht ſo puͤnktlich; auch ſcheint es
bey dieſen weit mehr auf die Witterung anzu-
kommen, und wenn ſie alſo auch einiger Maſſen
periodiſch erſcheinen; ſo hat dieſes wahrſcheinlich
nur in den Verhaͤltniſſen der den Jahrszeiten
eigenthuͤmlichen Witterung ihre Grundurſache und
nicht in einer angebohrnen periodiſchen Abwechſ—
lung von Thaͤtigkeit und Ruhe. In wie fern
die Mycelien fremder Himmelsſtriche ſich an die
Natur eines andern gewoͤhnen und aeclimatiſi—
ren laſſen? dieß kann wegen Mangel hillaͤngli—
cher Beobachtungen zur Zeit nicht entſchieden
werden. Die Paraſptiſchen, ſcheinet mir, würden
weit ſchwerer dahin zu bringen ſeyn, als die
Erdſchwaͤmme; weil ſie von jeher Standort und
Nahrung mit der Mutterpflanze getheilt haben,
und alſo ein Naturell haben muͤſſen, das dem
Naturell derſelbigen gleichet. Allein von den Erd—
und Moderſchwaͤmmen, die einen duͤſtern und
feuchten Standort haben, und deren Mycelium
vielleicht niemahls die Macht der Sonnenſtrahlen
erfaͤhrt, von dieſen, meine ich, moͤchten wohl
viele ſich in die verſchiedenſten Weltgegenden vers
pflanzen laſſen. Beſtaͤtigung fuͤr dieſe Vermu⸗
XLVIII
thung finden wir, wenn wir die Flora Danica
mit den Floren vom ſuͤdlichen Europa und ſelbſt
von Sibirien, dem Orient und China verglei⸗
chen. Sehr naturlich! die Schwaͤmme leben ja
eingeſenkt in ihrem Standorte, wie die Tange
im Waſſer, und man weiß ja, daß gewiſſe Tang—
arten durch die Schifffahrt in ganz entfernte
Meere uͤbertragen und alldort zu einheimiſchen
gemacht worden!
Die andere und bey weitem die gewoͤhnlich—
ſte Art der Fortpflanzung der Schwaͤmme iſt
die durch den Saamen, oder die ſogenannte
Schwammbrut (Sporulae). Die Saamen der
Schwaͤmme zeichnen ſich von denen der uͤbrigen
Gewaͤchſe durch die Erſtaunungswuͤrdige Zart—
heit und durch das Corculum aus, welches eine
pure verdichtete Gelatina iſt, und ſich ſelbſt die
Stelle der Cotyledonen vertritt. Was den erſten
Punct betrifft; ſo ſcheinen ihnen zwar die Algen
(in der von mir oben angegebenen ausgedehnten
Bedeutung) und feloft die Mooſe und die Far:
ren nichts nachzugeben; allein dieſe enthalten
doch immer ihrer viele beyſammen in einem Be—
haͤlter (und in dieſem Falle find auch die Saa—
men der Phoͤnogamen immer viel kleiner als an—
dere !), die Schwaͤmme hingegen tragen faſt lau⸗
XLIX
ter einzelne Saamen, und dennoch find diefe von
der Art der allerkleinſten!
Das Keimen, der Saamen glaube ich, wenn
es ja erklaͤrt werden ſolle, auf folgende Art er—
klaͤren zu können: Jeder Schwammſaame iſt ein
nackter Keim, der aber durch den Zutritt der
Luft in ſeiner Oberflaͤche vertrocknet, und ſolcher—
geſtalt ein uneigentliches Saamenkorn bildet. Ge—
raͤth ein ſolches Korn an den Ort, wo Feuch—
tigkeit, Waͤrme und vielleicht noch ein drittes or—
ganiſches Aufloſungsmittel dieſe Rinde durchwei—
chen, fo ergießt ſich die Gallerte und tritt als Keim
in das Meer der Elemente, die ſie fuͤttern. Allein
bey einem Raiſonnement uͤber die Wirkungen oder
Erſcheinungen der organiſirten Weſen ſollte es
uns genuͤgen, ſagen zu koͤnnen; warum etwas
geſchieht? Wie es geſchieht, angeben zu wollen,
heißt abermahl die Organiſation zum todten Me—
chanismus herabwuͤrdigen. Das Saamen- oder
Brutkorn des Schwammes kann ſich unſtreitig
ſehr lange, ja wohl viele Jahre erhalten, bis
endlich einmahl alle die Bedingniſſe zuſammentref—
fen, welche zu feinem Aufkeimen erforderlich find.
Eines dieſer Bedingniſſe ſcheint denn auch die Jahrs
zeit zu ſeyn, und dieſe periodiſche Neigung zu Feie
men iſt eine Eigenſchaft, die wir nicht anders als
| ur D
L
aus der angeerbten Urkraft der ſpecifiken Materie
jeder Art herleiten koͤnnen!
Die Brutkoͤrner der perennirenden Myeelien
moͤgen vielleicht auf der Stelle keimen, wie ſie
ausfallen, und nur erſt dann ausbluͤhen, wenn
ihre Mycelien einmahl ſtark genug und gleichſam
mannbar ſind. Vielleicht gehoͤret dazu auch noch
der Zufall, daß ſich mehrere individuelle Myeelien
von einerley Art durchwachſen! denn da die Frucht—
körper mehrerer Schwammarten aus verſchiede—
nen Organen zuſammengeſetzt ſind, die doch alle
die Brutkorner abwerfen, wie z. B. bey den Mor⸗
cheln der Hut und der Strunk; ſo kann es
wohl ſeyn, daß dieſes Durchwachſen der Mytce—
lien von den Koͤrnern des Hutes und des Strun—
kes erforderlich iſt, wenn wieder eine Morchel
aufwachſen und beyde Organe entwickeln ſoll.
Hieraus ließe ſich denn alſo die Erſcheinung der
unvollkommenen Schwammgebilde erklaͤren. Ich
habe mehrmahlen Boleten ohne aller Anlage von
Roͤhrchen, Agariken ohne Blätter, Helvellen
ohne Huͤte geſehen, die doch uͤbrigens ſo gut
ausgebildet waren, daß man die Art genau be—
ſtimmen konnte, zu der ſie gehoͤrten!
Oefters erſcheinen in unſeren Waͤldern, auf
unſeren Wieſen, in den Kellern u. ſ. w. Schwaͤm⸗
me, von denen man bisher keine Spur in der
Li
ganzen Gegend finden konnte, und die der zufäl-
ligen Beſchaffenheit dieſer Standorte fo angemeſſen
zu ſeyn ſcheinen, daß vielleicht in tauſend Jahren
keiner da wachſen konnte, und in wieder tauſend
Jahren keiner mehr da wachſen duͤrfte. Sind etwa
die Schwaͤmme Vegetabilien, ohne alle beſtimm—
te Form, und haͤngt dieſe etwa ganz von dem
Einfluſſe der aͤußerlichen Umſtaͤnde ab? Der wahre
Thraͤnenſchwamm (Merulius destruens P.) waͤchſt
nur in Gebaͤuden und kommt unter gewiſſen Um:
ſtaͤnden daſelbſt zum Vorſchein, wenn in der Nähe
derſelben nur überhaupt Holzſchwaͤmme, vornaͤhm—
lich Zunderſchwaͤmme wachſen. Der Herr Legati⸗
onsrath von Wehrs ſcheint die Meinung von der
Einheit der Arten in ſehr ausgedehntem Sinne zu
beguͤnſtigen, wenn er in ſeiner Abhandlung über
den Schwamm und deſſen Vertilgung
aus den Wohnungen (S, allgem. Anzeiger
der Deutſchen, Jahrg. 1806 v. Nro. 28g bis 292)
zwiſchen den Schwaͤmmen der Waͤlder und dem
Thraͤnenſchwamme gar keinen Unterſchied machet,
ſondern die Entſtehung des letzteren von dem Saa—
men herleitet, der mit den Balken und Dielen
aus dem Walde in die Haͤuſer uͤbertragen wor⸗
den ſeyn ſollte, und wenn er in dieſem Aufſatze
uͤberhaupt nur vom Schwamme redet, er mag
den Thraͤnenſchwamm oder was immer fuͤr einen
D 2
Lil |
andern bezeichnen. Bisher hat aber noch niemand
den wahren Thranenſchwamm außer den Gebaͤu—
den, Bergwerken, Ruinen u. d. gl. im Walde
getroffen. Man findet zwar in ſehr warmen und
zugleich ſehr feuchten Sommern haufig Thraͤnen⸗
ſchwaͤmme, allein dieſe find nicht vom Merulhis
destruens, ſondern angeſogene und fleiſchig ge—
wordene Abarten vom Boletus fomentarius P.
Ich kann es nicht laͤugnen, daß ich in ſo fern
ganz der naͤhmlichen Meinung ſey, wenn man
nähmlich den wahren Thraͤnenſchwamm fuͤr eine
bloß durch Standort und Nahrung erzeugte Pe—
loria des Roletus fomentarius ausgibt. In Folge
deſſen muß ich aber auch gleich einer Menge ande:
rer ſporadiſch erſcheinender Schwammgebilde das
jus speciei abſprechen und hiemit die plötzliche Erz
ſcheinung ſolcher Schwaͤmme fuͤr Pelorien, Abar⸗
ten, Modificationen und Baſtarde erklaͤren.
Wenn aber der Herr Legationsrath von Wehrs
(a. a. O. S. 3527) alſo fortfaͤhrt: „Auch kann
es ſeyn, und wer wird es verneinen? daß der Saa⸗
me der Holzſchwaͤmme mit dem Holzſafte ſchon beym
Aufwachſen des Holzes in dieſes kommt, und fo
lange darin ſtill liegt, bis ihn die Holzfaͤulung
endlich in Bewegung ſetzt;“ fo kann ich ihm nicht
beyfallen, obgleich es mir nicht entgangen iſt, wie
Lin
finnreich in den neueſten Tagen einer der größten
Botaniker, Decandolle in dem Memoire sur les
Champignons Parasites (ſ. Annales du Mus.
V. Année, Cah. 49. p. 56 et seqq.) von den
Aecidiis, Xylematibus, und den übrigen Als
gen dieſer Familie ungefähr das naͤhmliche ber
hauptet. Eine Intusſuſception des Saamens zu—
geben, hieße nach meinem Urtheile den Kreis—
lauf der Saͤfte in den organiſchen Korpern fuͤr.
einen puren Mechanismus erklaͤren! Nie kann
ein fremder Koͤrper in den Organen eines an—
dern zugegen ſeyn, ohne ihn entweder zu zerſtoͤ⸗
ren, oder von ihm zerſtoͤrt zu werden. Alles,
was durch die Gefaͤße eines organiſchen Koͤrpers
durchgehet, wird in die Subſtanz verwandelt,
homogeniſirt, und wenn es unfaͤhig iſt, homo—
geniſirt zu werden; ſo entſteht ein Zweykampf
der Naturen, und der fremde Koͤrper iſt ein
Gift, das, wenn es nicht mehr ausgeworfen wer⸗
den kann, den enthaltenden Körper widerngtuͤr—
lich reitzt, daß er erkrankt und endlich darauf—
geht. Man muß ſich die Saftgefaͤße der Pflan⸗
zen, die dieſe Saamen fortbewegen ſollen, nicht
wie Schlaͤuche vorſtellen, in denen ein ſolches
Koͤrnlein wie ein Fiſch im Waſſer fortſchwimmen
koͤnnte, man muß an die engen Paͤſſe denken,
und ſich erinnern, daß man ſich die Circulgtion
LIV
der Saͤfte in den feinſten Organen nicht anders
als durch die Aufloͤſung in einen uͤberaus feinen
Duft gedenken kann! Im Vorbeygehen alſo zu ſa—
gen, die paraſytiſchen Schwaͤmme und Afterſchwaͤm⸗
me, die alle Jahre auf den Blättern der Baͤu—
me und anderer Pflanzen erſcheinen, mochten wohl
eher den zu gleicher Zeit mit den Gewaͤchſen wie—
der auflebenden Inſekten oder der ſpecifiſchen Leich—
tigkeit ihrer Saamen, vermoͤg welcher dieſe hoch
in die Luft aufſteigen und nur bey Gewittern von
dem Regen praͤcipitirt werden, das Vehiculum
ihrer periodiſchen Wiederanbauung zu verdanken
haben, als der Einſaugung durch die Wurzeln!
Man erinnere ſich noch zum Ueberfluß, daß die
Wurzeln der meiſten Baͤume ſehr tief in der Erde
verborgen liegen, und daß es oft ſehr ſchwer werden
dürfte, zu erklaͤren, wie dieſe Schwammſaamen
einige Fuß tief durch den Erdboden eindringen und
in dem Schoß desſelben gerade auf die unendlich
feinen Saugſpitzen der Wurzeln zutreffen ſollten!
So wohl hier, bey der ſpeciellen Abhandlung
der eßbaren Schwaͤmme, als wie auch in meinem
andern Schwammwerke, habe ich ſchon mehrmah⸗
len die Unzulaͤſſigkeit der meiſten unſerer nur pro⸗
viſoriſch eingefuͤhrten Gattungen und Arten der
Schwaͤmme bemerket. Ich ergreife hier zum erſten
Mahl die Gelegenheit, meine Gedanken uͤber eine
LV
beſſere Grundveſte derſelben mit Unbefangenheit
denjenigen vorzulegen, welche durch die Schaͤrfe
ihres Geiſtes und durch ihre großen Naturkennt—
niſſe berufen ſind, das Richteramt in 1 An⸗
gelegenheiten auszuuͤben.
Alle claſſiſchen Theoretiker der Botanik ſtim—
men in dem Grundſatze uͤberein, daß man die
Gattungs-Charaktere von der Bluͤthe und Frucht,
die Charaktere der Arten aber von den bloß ve—
getativen Organen der Gewaͤchſe herleiten ſolle.
Bey den Schwaͤmmen hat man dieſen Grundſatz
bisher noch ſehr wenig befolgt, man hat das ei—
gentliche Vegetabil, das Mycelium gaͤnzlich ver-
nachlaͤſſigt, man hat die Gattungen von der mei—
ſtens ſehr zufaͤltigen und wandelbaren Geſtalt des
Encarpiums, die Arten aber von den Modifica®
tionen derſelben entlehnet. Da wir nun aber,
nach dem, was vorausgegangen iſt, die wahre Na-
tur der Schwaͤmme beſſer kennen gelernt haben;
ſo ergibt ſich, daß in Zukunft die Schwamm⸗
gattungen nur nach den weſentlichen Verſchieden⸗
heiten des Encarpiums, die Arten hingegen nach
jenen des Myeeliums beſtimmt werden muͤſſen.
Der weſentlichſte Theil des Fruchtkoͤrpers iſt das
Hymenium, die Schuͤrze, und in feiner Ober:
flaͤche die Staubblaͤschen und die Brutkörper—
chen. Blaͤttchen, Röhrchen, Locher, Falten, Wern,
*
LVI
Schlitzen, Pfriemfaͤden, Knoͤtchen u. ſ. w., das
alles ſind nur ſolche Bildungen, die von gerin—
gen zufaͤlligen Verſchiedenheiten des Bodens, des
Standortes, der Witterung, der Geſellſchaft u.
d. gl. Veraͤnderungen erleiden. Wenigſtens dürs
fen dieſe Conformationen nur mit einer viel groͤ—
ßeren Behuthſamkeit als bisher dazu angewandt
worden iſt, zu der Abſicht, Gattungen zu ſta—
tuiren, benutzt werden. Man koͤnnte meines Er—
achtens viel ſicherer auf die Subſtanz und den
Ort des Hymeniums bauen, und ſonach alle
Gattungen der Schwaͤmme vor der Hand auf
folgende drey, nahmentlich: Lithothecium, Hy-
menot' ecnım und Naematothecium, welches
bey Perſoon Familien ſind, reduciren, ob ich
gleich hoffe, daß man in der Folge wieder viel
mehrere, aber ganz andere, als die bisherigen
Genera einführen werde. Die Gattung Naema⸗
tothecium begreift zwar ſchon die ſogenannten
Byſſusgewaͤchſe. Allein mit Ausſchluß derjenigen,
die nur Anfaͤnge und Kruͤppel von Schwaͤmmen
find, möchten denn doch Die übrigen vielleicht
noch einft der Familie der wahren Schwaͤmme
angehörig befunden werden! Auch der Ort des
Hymeniums gibt einen brauchbaren Charakter!
Denn bald uͤberzieht es den ganzen Fruchtkoͤr⸗
per, bald nur einen gewiſſen Theil desſelben.
LVII
Bald iſt es eingeſchloſſen, bald offen. Es unter—
liegt zuweilen gewiſſen Verwandlungen; es pro—
liferirt und waͤchſt mit dem Perisarcium fort,
oder hat auch wohl ſeine beſtimmte Dimenſion
und wird von dem Schwammfleiſche uͤberwach—
ſen u. ſ. w.
Die Brutkoͤrper (Se der Schwaͤmme
koͤnnten zuweilen nach ihrer Geſtalt und Farbe,
ein anderes Mahl hingegen nach ihrer Menge,
nach ihrem Stande, nach ihrer Art zu reifen
und abzugehen diſtinguirt werden.
Gegen die verfuͤhreriſchen Pelorien haben
wir keinen andern Schutz, als die Beobachtung
in der Cultur und die Vergleichung der unver—
wandelten Organe. Aber das Naͤhmliche gilt ja
auch von den Pelorien der Phoͤnerogamen!
Die Arten, habe ich geſagt, ſind nach dem
Mycelium (verfteht ſich in der Zukunft, wenn
ein Mahl mehrere Beobachtungen daruͤber ge—
macht ſeyn werden!) zu unterſcheiden. Der Zeit:
punkt, in dem man dieſes beobachten und unter—
ſuchen ſoll, waͤre nach meiner Meinung am be
ſten dann auszuwaͤhlen, wenn es eben im Be—
griffe ſtehet, Fruchtkoͤrper auszutreiben, und noch
ehe, als ſich dieſe entfalten. Die Merkmahle,
die man daran finden koͤnnte, um Arten zu un—
terſcheiden, koͤnnten allenfalls in der Conſiſtenz
LVIII
und Zaͤhigkeit, in dem Gemengſel mit fremden
Koͤrpern, in der Entſpinnung der Fibern, in der
Lage, in der Verwandlung, in der Farbe, in
dem Geruche, in der Verbreitung, in der Dauer,
in der Geſtalt und in den Auswuͤchſen uͤber dem
Standorte geſucht und ausgewaͤhlt werden. Die—
ſer Weg iſt denn freylich ſehr ſchwer, aber er
iſt auch der einzige zur 1 Kenntniß der
Schwaͤmme.
Unterdeſſen bedienen wir uns aber zur Aus—
hilfe der bloß erkuͤnſtelten Gattungen und Arten.
Die Folgezeit wird uns (wohl nicht mit Rieſen—
ſchritten!) zur Kenntniß der wirklichen und wah—
ren geleiten! Wir muͤſſen uns indeſſen begnuͤgen,
die verſchiedenen Schwammgebilde, ſeyen es nun
Arten oder bloße Naturſpiele fragmentariſch ken⸗
nen zu lernen, und von Zeit zu Zeit neue Auf—
ſchluͤſſe über die großen Raͤthſel, die ſie uns aufwer—
fen, durch fortgeſetzten Fleiß zu erhalten!
Unter den neueren Authoren, welche in der
Mycologie den erſten Rang behaupten, hat Per—
ſoon, der erſte und vorzuͤglichſte derſelben, folgen—
de Gattungen feſtgeſetzt; deren weſentliche Charak—
tere und Merkwuͤrdigkeiten ich nun meinen Leſern
im Umriſſe hier darzuſtellen gedenke.
J. Der Gitterſchwamm (Clathrus) beſteht aus
einem eyrunden, ſtielloſen, gitterartig-fleiſchigem
LIX
Hute. In der Jugend iſt dieſer Körper mit ei
ner mehlicht-klebrichten Maſſa angefuͤllet, im Al-
ter hingegen iſt er ganz hohl. Eine weißliche
Wulſthaut verhuͤllt ihn bis zu ſeiner Entwick—
lung, und bevor dieſe zerplatzt, bildet der Schwamm
ein weiches lederartiges Ey, wie die der folgenden
Gattung. Das Netz des Hutes iſt weitſchichtig ge—
ſtrickt, und beſteht aus dicken, in die Runde zu—
ſammen laufenden, anaſtomoſirenden, faſt Cinno—
berrothen Aeſten, die mit dem Hymenium bekleidet
ſind, welches zur Zeit der Reife gaͤnzlich zerfließt,
und einen unertraͤglichen Cadaveroͤſen Geſtank ver:
breitet. Man kennt bisher nur 2 Arten davon,
die in den waͤrmſten Provinzen des füdlichen Eu:
ropa zu Hauſe ſind. Sie gehoͤren zu den ausge—
zeichneten Schoͤnheiten, aber nicht zu den eßbaren
Schwaͤmmen. Einigermaßen finden wir in der Ver—
mittlung dieſes Schwammes eine Verbindung der
wahren Schwaͤmme mit den Bauchbilzen, z. B.
mit Lycoperdon bezeichnet, und wirklich hatten
Linnse und feine Zeitgenoſſen verſchiedene Arten
von Trichia, Arcyria, Stemonitis u. d. gl. mit
dieſer Gattung vereinigt.
II. Der Gichtſchwamm (Phallus). Der Hut iſt
geſtrunkt auf feiner ganzen eyfoͤrmigen Oberfläche
zellicht; das gallertartig-ſchleimichte Hymenium,
zerfließt in eine Jauche, in welcher die Brutkoͤrn⸗
LX
chen ſchwimmen. In der Jugend ſteckt der Schwamm
in einer Wulſthaut, und gleicht foͤrmlich einem
Eye. Wenn dieſes zerplatzt; ſo erhebt ſich der Hut
auf ſeinem Strunke mit ſichtbarer Schnelligkeit.
So, wie der eingeſchloſſene Schwamm alle Theile
des Eyes in der Nachahmung darſtellet (s. meis
ne Naturgeſch. der Oeſterr. Schwaͤmme. I. S. 94
u. f.) fo zeigt uns der entwickelte Fruchtkoͤrper mit
einer wirklich bewundernswuͤrdigen Analogie, die
Geſtalt einer aufgerichteten penis (i<oaAasg), an
welcher die corpora cavernosa, die Urethra, die
Glans penis, das Orificium und ſogar das scro—
tum ein jedes an ſeinem Platze zu erkennen ſind.
Man hat deßwegen einer Art desſelben, die ſich
darin vorzuͤglich auszeichnet, den Beynahmen:
impudicus gegeben; und es iſt auffallend, daß die
Natur in ihren Geſchoͤpfen auch ſolche verrufene
Dinge nachahmet und ſogar die Polygamie in
gewiſſen Familien des Gewaͤchsreiches beguͤnſtigt.
Allein die hoͤchſte Reinigkeit und die edelſte Unbe—
fangenheit darf von keinem Anblick erroͤthen! Die
Wuͤrde der Natur iſt weit uͤber alle menſchliche
Vollkommenheit und Größe erhaben! Auch der
Unſchuldigſte unter den Sterblichen iſt doch we—
nigſtens fahig, durch thieriſche Triebe erniedrigt
zu werden; die Natur entehrt ſich niemahlen und
kann niemahlen entehrt werden. Darum bildet
-"LXI
und ordnet fie mit der groͤßten Freyheit, und ihr
Anſtand leidet nichts dabey; weil man ihr ſchlech—
terdings keine andern, als edle und tadelloſe Ab—
ſichten zumuthen kann. Ihr gleichet einigermaßen
der menſchenfreundliche Wundarzt, der mit wohl—
thaͤtiger Unbarmherzigkeit den leidenden Koͤrper
enthuͤllet, ohne an was anderes, als an die Wie—
derherſtellung ſeiner verletzten Geſundheit zu den—
ken. Perſoon verzeichnet uns ſechs Arten von die—
ſer Gattung, die alle fuͤr die Arzeneykunde wichtig
zu ſeyn ſcheinen, und eine genauere Pruͤfung ver—
dienten. Man hat vordem die Morchelarten (Mor-
chella) mit dieſer Gattung vereinigt, bloß weil der
Hut derſelben mit dem Hute des Gichtſchwammes
einige Aehnlichkeit hat, allein gewiß mit Unrecht:
denn Morchella hat keine Volva, kein fluͤſſiges
Hymenium und die Erſcheinungen der Metamor—
phoſe find im hoͤchſten Grade verſchieden! Zum Ge—
nuß koͤnnen die Gichtſchwaͤmme ſchlechterdings nicht
verwendet werden.
III. Der Sackſchwamm (Amanita). Hat ei⸗
ne Wulſthaut; einen fleiſchigen, meiſten Theils
getaͤfelten Hut, gedraͤngte, faſt einfoͤrmige Lamel—
len, einen meiſtens verlaͤngerten Strunk und oͤf—
ters auch einen Ring. Perſoon hat in feiner Sy-
nopsis fungorum 16 Arten: aber es ſind ſeither
ſchon wieder mehrere neue Arten entdeckt worden,
LXII A
z. B. von Albertini und Schweinitz. Es gibt
3 Abtheilungen in dieſer Gattung a) mit einer
ganz diſtinguirten, deutlichen Wulſthaut ohne
Ring; b) mit einer deutlichen Wulſthaut und ei—
nem Ringe ze) mit einer undeutlichen, am Steunfe
verwachſenen und ſich zerpfluͤckenden Wulſthaut,
und warzigt getaͤfeltem Hute. Die Arten der
letzten Abtheilung pflegt man insgeſammt Flie⸗
genſchwaͤmme (Myoperda) zu nennen. Nur weni⸗
ge Sackſchwaͤmme find eßbar, die Fliegenſchwaͤm—
me aber uͤberhaupt fuͤr giftig zu halten. Die
erſte Abtheilung naͤhert ſich ſehr den Tintenſchwaͤm⸗
men, Coprinis, einer Abtheilung der Blaͤtter—
ſchwaͤmme aus Perſoons Schwammſynopſe, indem
fie faſt eben ſo zart gebauet find, ſehr enge (ges
draͤngte) Lamellen, einen Anfangs glockenfoͤrmigen
Hut haben, und in eine Jauche zerfließen. In der
2ten Abtheilung find mehrere, wie z. B. der Kai⸗
ſerling, eßbar. Doch wird auch die Amanita in-
carnata aus der erſten Abtheilung von Micheli fuͤr
einen Schwamm angegeben, welchen man in Ita—
lien ohne Nachtheil verſpeiſet. Die Gattung Ama-
nita (fo wie wir fie hier nehmen!) iſt offenbar nur
eine erkuͤnſtelte; denn außer dem Wulſte iſt ſie
von Agaricus in keinem Stuͤcke verſchieden. Was
nun aber dieſes Organ betrifft; ſo finden wir ja
auch in den übrigen Agaricis haͤufige Spuren und
LXIII
Uebergaͤnge davon. Bey den erſtgenannten Co—
prinis iſt fie. an vielen Arten in dem erſten Al—
ter gar nicht zu verkennen, mehrere Agarici
von der Abtheilung Omphalia zeigen ein glei—
ches, und bey den Lepiotis und Cortinarlis
ſcheint nur die Vergaͤnglichkeit derſelben groͤßer
und die Verwachſung an den Strunk ungefaͤhr
wie bey den Fliegenſchwaͤmmen feſter zu ſeyn.
Hier iſt noch zu bemerken, daß La Mark nach
dem Beyſpiele des Dillenius, und Haller unter
Amanita ganz was anders verſteht, als den Sack—
ſchwamm. Er bezeichnet naͤhmlich mit dieſem Nah:
men alle jene Arten des Blaͤtterſchwammes (Aga-
ricus), welche einen fleiſchigen Hut und einen
Strunk haben (S. Encyclop die methodique;
Botan. T. I. p. 104 et 694). Unter Agaricus
hingegen verſteht er die Perſoonſchen Arten von
Boletus, Daedalea, mehrere Merulios , Sisto-
tremata u. d. gl.
IV. Der Blaͤtterſchwamm (Agaricus). Der
Hut hat Blätter, oder Blaͤttchen (Lamellae), d.
i. aus einer Dupplicatur des Hymeniums beſte—
hende und vom Centrum nach dem Rande des
Hutes hin Strahlenfoͤrmig auslaufende, ſcharf—
randigte Lappen. Unberechnet der neueren Arten
und der ungeheuern Menge der zweifelhaften
Varietaͤten, die vielleicht (tin der Manier, wie
LYXIV
men bisher die Arten beſtimmt hat, zu verfah—
ren!) noch dem größten Theile nach fuͤr eigene
Arten in der Folge ausgegeben werden duͤrften,
zaͤhlt Perſoon in der erſten Ausgabe feiner Sy-
nopsis 447 Species. Es ſind die Amanitae des
‚La Mark mit Ausſchluß der wirklichen Perſoon—
ſchen Amanita und mit Inbegriff der meiſten Ar⸗
ten von Merulius des naͤhmlichen Authors. Da
die Zahl der hiehergehoͤrigen Arten zu groß iſt,
um eine Ueberſicht zu geſtatten, ſo war eine Un⸗
terabtheilung in gewiſſe Familien hoͤchſt nothwen⸗
dig, die denn auch Perſoon wirklich mit ſehr
vielem Gluͤcke gemacht hat. Nur an die Stelle
der weiteren Untertheilungen der Familien ſelbſt
wären manchmahl noch andere und ſchaͤrfer ab;
gezeichnete zu wuͤnſchen. Die ſo eben erwaͤhnten
Familien der Blaͤtterſchwaͤmme waͤren dann aut
Perſoons Synopsis folgende:
A. Lepiota (Stiefelſchwamm). Die Lamel⸗
len ſind etwas trocken, unwandelbar, der Strunk
ſteckt vom Grunde an bis zu einer gewiſſen Hoͤ—
he in einer feſt verwachſenen Haut, die im juͤn⸗
gern Alter bis an den Rand des Hutes reichet,
und alſo die Lamellen verſchluͤßt. Dieſe Haut
reißt ſich nachher um und um von dem Hute
los, und bildet den Ring, welcher bey einigen
Arten ſehr lange dauert, bey andern hingegen
>
LXV
ſammt der Decke des Strunkes ſehr bald ver—
weſet und verſchwindet. Agaricus collinitus,
meynt Perſoon, koͤnnte in der Jugend leicht fuͤr ei—
ne Lepiota gehalten werden, da er doch in reife—
rem Alter ſich als eine deutliche Cortinaria zeiget.
Dieſe Familie enthaͤlt mehrere eßbare Schwaͤmme,
aber auch mehrere verdaͤchtige. Sie haben das
Eigene, daß ſie mehr als alle uͤbrige Arten von
Agaricus geneigt ſind, jede Art fuͤr ſich in der
Groͤße ſtark zu differiren.
’ B. Cortinaria (Schleyerſchwamm). Der Hut
iſt meiſtens fleiſchig, die Lamellen an der Baſis
eingeſchnitten, gewoͤhnlich mit dem Hute und
Strunk von einerley Farbe, werden jedoch am
Ende mehr oder weniger zimmetfarbig; der Strunk,
welcher bey vielen knollicht iſt, iſt mit einem Vor—
hang verſehen, der ſich ſpaͤterhin in ein Spinne:
webenartiges Gefaͤſer zerpfluͤcket. Die Unterthei—
lungen dieſer Familie ſetzt Perſoon nach der Farbe
feſt. Allein dieſe iſt hier nicht ganz ſo zuverlaͤſſig,
als wohl zu wuͤnſchen waͤre. Zum Gluͤcke iſt dieſe Fa⸗
milie noch nicht von den allergroͤßten! Was aber
hier vorzüglich viele Schwierigkeiten hervor bringt,
iſt die nahe Verwandtſchaft der Arten, und es
ſcheint, daß in der Folge wohl ſehr viele davon
reducirt, und fuͤr bloße Spielarten erklaͤrt wer⸗
den duͤrften. Als erwieſen eßbar iſt noch keine ein⸗
E 5
LXVI
zige von den 53 Arten dieſer Familie bekannt
gemacht worden. Ihr Vorhang (Cortina) ver⸗
fhlüßt in der Jugend die Lamellen, und oft
bleiben an dem geoͤffneten Rande des Hutes noch
Spuren desſelben in kleinen Fezen und Faſern
uͤbrig.
C. Gymnopus (Nacktfuß). Der Hut fleiſchig,
voͤllig rund, gewoͤlbt, die gleichfaͤrbigen Lamel—
len vertrocknend; der Centralſtrunk ohne Vor—
hang und ohne Ring, alſo nackt. Im Stande
der Jugend ſind die Huͤte dieſer Schwammarten
am Rande ſo ſtark eingerollt, daß durch dieſe
Einrollung die jungen Lamellen ſo gut beſchuͤtzt
werden, wie bey den Arten der vorigen beyden
Familien, durch den Ring und durch den Vor—
hang. Dieſe Familie iſt die ſtaͤrkſte von allen,
und enthaͤlt nicht weniger als 138 Arten, die
freylich wohl dem größten Theile nach, nur Mo:
dificationen und Abarten zu ſeyn ſcheinen, aber
doch in der gegenwaͤrtigen Manier als Arten ges
trennt und unterſchieden werden mußten. Die
vielen von Perſoon ſelbſt nahmhaft gemachten
Arten anderer Familien, als wie Ag. Mycena
roseus, Ag. Myc. strobilinus, Ag. Cortinaria
nudus, Ag. Omphalia adustus und ſelbſt ande:
re aus der naͤhmlichen Familie, die wie Ag. fer-
tilis, grandis etc. in andern, als denſelben Ahr
| LxvIi
theilungen geſucht werden duͤrften, in welchen er ſie
mufgeſtellet hat, ſcheinen uns einen Wink zu ge—
ben, daß dieſer große Naturforſcher ſchon ſelbſt
die nahe Anverwandtſchaft gewiſſer auch in der
Synopsis entfernter Schwammarten gefühlt habe,
und daß unſere obige Behauptung von der Erſchei—
nung ſporadiſcher Schwammgebilde auch ihm nicht
ganz ungeahndet aufſtoſſen duͤrfte. Es iſt noch
ſehr wenig von der Eßbarkeit der Nacktfuͤße be:
kannt, dennoch ſcheint es, daß gerade in dieſer
Familie die meiſten eßbaren Arten der Schwaͤmme
aufgenohmen ſeyn duͤrften. Es kommt alſo nur noch
auf dießſeitige Verſuche an. Die Abtheilungen der
gegenwärtigen Familie in kleinere Sectionen find
von Perſoon ebenfalls nach den Farben benannt
worden, aber fie find auch eben fo unſicher wie die⸗
ſelben der vorigen.
D. Mycena (Nagelſchwamm). Zarte, kleine
Schwaͤmmchen, mit einem gewoͤhnlich bloß haͤuti—
gen, geſtreiften, durchſcheinenden, gewoͤlbten und
ausdaurenden Hute, eintrocknenden gleichfarbigen
Lamellen, und einem meiſtens hohlen, verlaͤnger—
ten, nackten Strunk. Die 39 Arten dieſer Fami⸗
lie hat Perſoon ohne weitrer Untertheilung geſchil—
dert. Faſt alle dieſe ſcheinen wahre plantae an-
nuae (Sommergewaͤchſe) zu ſeyn. Sie dauern
auch nicht lange, und erſcheinen in allen Jahrs⸗
zeiten. Viele davon werden zur Nahrung verwen⸗
E 2
LXVII
det und mit dem gewöhnlichen eßbaren ges
ſchwamme verwechſelt. Wenn fie faul und verdor⸗
ben find, mögen fie die Geſundheit verderben, be⸗
ſonders wenn man ſie im Uebermaaße genießet.
Die Familie der Nagelſchwaͤmme ſcheint mir ſehr
wenig wahre Arten, ſondern nur Spielarten zu
enthalten, aber dieſe wenigen moͤgen ſich dann
doch deſto beſſer vor alle den uͤbrigen auszeich⸗
nen. In den innerlichen Eigenſchaften moͤchten
fie alle bis auf wenige Umſtaͤnde uͤbereintreffen.
E. Coprinus (Tintenſchwamm). Der Hut
haͤutig, verweslich, oder etwas fleiſchig und am
Ende zerberſtend. Die Lamellen werden am Punkte
ihrer Reife zu einer ſchwaͤrzlichen Jauche; der
Strunk iſt weißlich mit oder ohne Ring. Die
hieher gehörigen Schwaͤmme wachſen alle auf ſehr
unreinen Orten, z. B. auf faulen Brettern,
Duͤnger u. d. gl.; ſie ſind von ſehr verſchiedener
Größe, haben. K faſt nur 2 Hauptformen in
der Geſtalt. Die erſtern haben einen Glockenfoͤr⸗
migen, am Strunke faſt anliegenden Hut, eine
weiße Grundfarbe, in der erſten Jugend roſen⸗
rothe Lamellen, die aber am Ende ganz kohl⸗
ſchwarz werden und voͤllig zerfließen, wo dann
ein ſolcher Schwamm ſehr haͤßlich und eckelhaft
ausſieht. Die der 2ten Abtheilung haben mehr
runde, halb Fugelfornnge Huͤte, die etwas flei⸗
LXIX
fig find, Die Lamellen werden in der letzten
Lebensperiode fleckicht, angeloffen und gleichſam
ruſſig. Die Schwaͤmme dieſer Abtheilung ſcheinen
faſt der folgenden Familie anzugehoren. In Per-
ſoons Schwammſpynopſe befinden ſich 41 Arten
Tintenſchwaͤmme. Alle ſind fuͤr giftig zu halten,
F. Pratella (Wandelſchwamm). Der Hut
iſt fleiſchig oder auch faſt haͤutig, glatt, dauer—
haft; ſind ſeine Lamellen etwas angeloffen, ſo
werden ſie zuletzt ſchwarz und ſchmutzig, ſind ſie
aber einfaͤrbig und nur etwas waͤſſerig, ſo wer—
den ſie durch das Saamenpulver bloß verduͤſtert.
Manchmahl hat der Strunk einen Ring, manch⸗
mahl auch keinen. Unter den 24 Arten, die in
dieſer Familie bey Perfoon vorkommen, gibt es
einige eßbare und vorzuͤglich die Champignons.
Die meiſten aber ſcheinen ungeſund zu ſeyn. We⸗
nigſtens ſollte man ſie nur in ihrer erſten Ju⸗
gend (im jungfraͤulichen Zuſtande) verſpeiſen. Per⸗ f
ſoon wirft die Frage auf, ob nicht Ag. Lepio-
ta haematospermus und Ag. Cortinaria visci-
dus et Gomphus mit mehrerem Rechte hieher
gezählt werden ſollten? Die Wandelſchwaͤmme
haben perennirende Mycelia.
G. Lactifluus (Braͤtling). Der Hut ift flei⸗
ſchig, faſt bey allen vertieft. Die Lamellen traͤu⸗
feln von einer milchaͤhnlichen Fluͤſſigkeit. Nur 17
LXX 6
Arten ſtehen in unſerer Bibel unter dieſer Rub⸗
rike. Sie ſind eßbar, in ſo fern ihre Milch nicht
zu cauſtiſch iſt, aber bey einigen iſt ſie es in ſo
hohem Grade, daß ihr Genuß den Tod nach ſich
zieht. Die ſchoͤne Harmonie, in dieſer Anord⸗
nung der Perſoonſchen Familien der Blätter
ſchwaͤmme iſt hier beſonders auffallend. Wir ha⸗
ben den Uebergang von Coprinus zur Pratella
bemerket. Viele von den Arten dieſer Familie
ſind ſchon Milchtriefend, nur nicht in fo hohem
Grade, wie die Braͤtlinge. Dieſe Lactiflui end⸗
lich nähern ſich auch ſchon wieder durch die gee
raden, oͤfters halb einfachen und geſpaltenen Las
mellen den Taͤublingen der naͤchſtfolgenden Fahne,
und greifen ſogar auch ſchon weiter vor, naͤhmlich
durch den genabelten niedrigen Hut, bis an den
Nabelſchwamm, Omphalia. Die Milchſchwaͤmme
haben alle untereinander eine ſehr nahe Verwandt⸗
ſchaft. Dennoch, da ſie beſtimmt an gewiſſen Or⸗
ten zu Hauſe ſind, und alle Jahre erſcheinen,
kann man fie für verſchiedene Arten nur mit,
einiger Einſchraͤnkung halten,
H. Russula (Zaubling). Der fleiſchige Hut
iſt gewöhnlich niedrig, die eintrocknenden Lamel⸗
len ſind gleichlang. Der nackte Strunk iſt ge⸗
woͤhnlich weiß. Die Taͤublinge find gefährliche
Coquetten, die durch ihr heiteres, aͤußerſt gefaͤl⸗
LXXI
liges Anſehen zum Genuß einladen, und ihn nur
zu oft mit dem Tode bezahlen laͤſſen. Dennoch
werden ſie haͤufig verſpeiſet, beſonders die grau—
gruͤnlichen, die man Gruͤnlinge oder Gremlinge
nennet. Sie ſcheinen durch Einwurzlung in den
erſten Wegen dieſe lethalen Wirkungen hervorzu—
bringen. Darum moͤgen die jungen am wenigſten
ſchaden, wenn man ſie gut reinigt, Wurzelanſatz
und Lamellen abſondert, und ſie lange genug auf
dem Feuer erhält, darum iſt auch haͤufiges Waſ—
ſertrinken und kalte, naſſe Umſchlaͤge das beſte
ſpecifike Gegenmittel. Perſoon hat 24 Arten da—
von, und theilt ſie nach den Farben ein.
I. Omphalia (Nabelſchwamm). Der ſehr
regelmaͤßige Hut iſt fleiſchig oder haͤutig, Trich—
terformig oder genabelt, die ungleich langen Saft—
oder Milchlofen Lamellen laufen an den Strunk
herab. Der Centralſtrunk iſt nackt. Die Hauptab⸗
theilung iſt hier in groͤßere und kleinere, die noch
weitere Untertheilung nach den Farben. Von den
50 Arten dieſer großen Familie iſt noch keine als.
eßbar bekannt geworden. Doch ſcheinen mehrere
derſelben wirklich genußbar zu ſeyn. Manche von
dieſen ſind ausnehmend ſchoͤn, ſie ſcheinen in dieſer
Horde das zu ſeyn, was die Papageyen unter den
Voͤgeln, die Schmetterlinge unter den Inſecten,
LXXII
und die Liliaceen unter den vbönegamiſhen Ge⸗
waͤchſen ſind.
K. Pleuropus (Schwimmer). Der Put iſt
fleiſchig, niedrig, ſchief, ganz- oder halbrund,
der Strunk nackt, excentriſch, zur Seite einges
fügt oder gar nicht vorhanden. Dieß find faſt
lauter Paraſyten der Baͤume, an denen einige
derſelben oft in großem Gedraͤnge hervorbrechen,
und ſich Dachziegelfoͤrmig bedecken. Es gibt uns
ter der Gattung Amanita, und unter der Fa—
milie von Lepiota mehrere, die zu der gegen:
waͤrtigen eine ſehr nahe Verwandtſchaft haben.
Unter den 32 Arten dieſer Reihe ſind mehrere
eßbar, noch keine aber giftig befunden worden.
Doch ſind viele davon ganz unſchmackßaft/ le⸗
derartig und trocken.
V. Der Aderſchwamm (Merulius). Der Hut
iſt fleiſchig oder haͤutig, die Schürze adericht,
mit oberflaͤchigen, aufgedunſenen Adern oder Fal⸗
ten. Dieſe Gattung umfaßt ſehr ungleichar—
tige Schwammgebilde. Faſt ſollt' es uns ſcheinen,
daß Perſoon hier eine wirklich natürlihe Schwamm⸗
gattung habe bilden wollen, weil er die Form der
Fruchtkörper dabey weniger, als bey irgend ei—
ner andern, in Abſicht genohmen, und ſeine Cha,
rakteriſtik nur von der Beſchaffenheit des Hyme—
niums hergeleitet hat. Allein die Gattung des
*
5 ILXXIII
Aderſchwammes iſt deſſen ungeachtet noch immer
zu gekuͤnſtelt und zu gemengt. Dahin ſcheint
auch ſchon die Erfahrung zu deuten, daß es ſo
ſchwer iſt, die Graͤnzen zwiſchen dieſer und jenen von
Agaricus, Daedalea, Sistotrema, Thelepho-
ra, Helvella und Peziza zu finden. Die Abthei⸗
lung der hier aufgenohmenen 25 Arten in 3
Familien war um ſo noͤthiger, da ſich dieſe wirk—
lich ſo weſentlich unterſcheiden, daß ſie in dem
Geiſte der Methode jede fuͤr ſich zu einer eige—
nen Gattung erhoben zu werden verdienten. In
der That aber ſcheinen die Merulii der 2. und 3.
Abtheilung nur Monſtroſitaͤten, oder Pelorien
zu ſeyn; die erſte hingegen ſich ganz beſonders
auszuzeichnen, wenn gleich manche Arten derſel—
ben in der Folgezeit vielleicht nur als bloße Va—
rietaͤten vereinigt werden duͤrften. La Mark ver⸗
ſteht unter Merulius die Familie Pleuropus der
vorigen Gattung und unſer Merulius Cantha-
rellus iſt bey ihm eine eigene Gattung, die Can-
tharellus flavescens genannt wird. Die uͤbri⸗
gen Arten unſeres Merulius ſind bey La
Mark theils unter ſeinem Merulius, theils un—
ter Agaricus in ſeiner Bedeutung zu ſuchen.
Linne, Juͤſſieu u. d. gl. haben noch keinen Me-
rulius, ſondern ſtellen die Arten dieſer Gattung
unter die Fahne pon Agaricus und Boletus,
LXXIV 4
Haller iſt der Stifter derſelben. Die oben er⸗
waͤhnten 3 Familien der Aderſchwaͤmme heißen
nach Perſoon: ö
A. Cantharellus (Pfefferling, Roͤthling).
Mit einem voͤllig runden, meiſtens Becher- oder
Trichterfoͤrmigen Hute, und einem Centralſtrunk.
Einige Arten von der Familie Omphalia, als z. B.
Agaricus involutus, gilvus, squammulosus ,
lobatus, cochleatus u. d. gl. haben hieher eine
ſehr weſentliche Beziehung. Eine 2te anonpmiſche
Unterabtheilung dieſer Familie, die man ſehr leicht
uͤberſehen kann, paßt gar nicht zu der gegebenen
Definition und enthaͤlt lauter zarte, oft ſtrunk—
loſe Schwaͤmme, die mit den Helvellen ſehr nahe
verwandt ſind. |
B. Serpula (Thraͤnenſchwamm.) Dieſe 4
Schwammarten würde ich lieber mit Daedalea
und Sistotrema zuſammen in eine Gattung vers
einigen. Sie find "gefährliche Feinde aller Holz
fabrikate, und haben ſchon oͤfters ganze Haͤuſer
zu Grunde gerichtet. Ich ſah die Hauptart, den
Merulius destruens P. in dem vormahligen Ge⸗
baͤude des hieſigen Univerſitaͤtsgarten herrſchen,
und es mußte eingeriſſen werden. Auch traf ich
ſie einſt in ihrer groͤßten Vollkommenheit und
Verbreitung in einer Alpenhuͤtte, auf dem Berge
Duͤrrenſtein (demſelben, wo Cluſius vor 200 Jah⸗
1
70 | LXXV
ren geweſen, und deſſen Gipfel feit jener Zeit,
meines Wiſſens noch von keinem andern Bota—
niker erſtiegen worden!) in einer betraͤchtlichen
Hoͤhe auf der ſogenannten Herrnalpe, wo er das
ganze Gebaͤude ſo ſehr ſchon angegriffen hatte,
daß ich bey jedem Schritte in ein ausgefreſſenes
Loch des Fußbodens verſank. Laͤngs der ganzen
Decke und an den Waͤnden herab, hingen lange
Borduren vom Schwamme mit ſchneeweißen, dick
angeloffenen, faſt fleiſchigen Rändern, die gegen
die Tabackfarbe des Hymeniums einen ſehr ſon—
derbaren, eckelhaften Contraſt darſtellten, welcher /
ich weiß nicht durch was fuͤr eine Ideenaſſocia—
tion in mir ungefaͤhr eben denſelben Abſcheu,
wie der Anblick von ſehr fetten Spinnen, Kroͤ—⸗
ten und Eidechſen erweckte. Das Waſſer tropfte
ſo ſtark von dieſem fleiſchigen Weſen herab, daß
man ſchon in einiger Entfernung von der Huͤtte
dieß Stillicidium vernehmen konnte. Aber der
Geruch war noch das allerunangenehmſte, was
ich davon empfand. Er gliech gewiſſer Maßen
dem Geruche einer Todtengruft, es war ein
muͤffender, etwas Maͤuſeartiger, mephitiſcher Ge—
ſtank von ſolcher Heftigkeit, daß ich nicht begrei—
fen kann, wie ihn die Menſchen, die da wohn—
ten und ſchliefen, ertragen konnten, ohne krank
zu werden? Ich begab mich auf den Heuboden,
LXXVI | MH
allein auch das Heu war von dem Geruche des
Schwammes verpeſtet, und obgleich der Wind
nur gelinde war, ſo bemerkte ich doch die ganze
Nacht hindurch mit großer Unruhe das Krachen
und Wanken des Gebaͤudes. Ich glaubte auch
in der Dunkelheit einiges Phosphoreſeiren daran
bemerkt zu haben, wenn es nicht etwa eine
Taͤuſchung war, denn es gab da fo viel phos—
phoreſcirendes Holz, daß ich mich an feinem An-
blick fuͤr die Widerwaͤrtigkeiten des Schwammes
voͤllig entſchaͤdigen konnte.
C. Gomphus GHaſenoͤhrlein). Ein keulen⸗
foͤrmiger Schwamm, mit ſehr feinen Adern an den
Seiten. Dieſer Schwamm, welcher von Schmie—
del und Wulfen in Abbildungen und Beſchreibun—
gen bekannt gemacht wurde, iſt ein ſehr wunder:
barer und auffallender Baſtard. Er iſt naͤhmlich
ſeiner ganzen Geſtalt nach eine Clavaria, zu⸗
weilen, wenn er naͤhmlich einen unvöbköczabe⸗
nen Hut heraustreibt, eine Helvella, und nach
ſeiner Seitenbedeckung mit der Schuͤrze ein Me⸗
rulius, der wohl auch der Daedalea ſich naͤ⸗
hert. Seine Subſtanz im reifen Alter iſt kork—
artig, die Farbe rothbraun oder violett. Oben
iſt er ganz eben abgeſchnitten und gleichſam ent—
hauptet. Man koͤnnte ſich vielleicht vorſtellen,
daß ein Brutkorn von einer Dacdalea, wann es
LXXVI
in der Erde zum Keimen gekommen, ſolche Frucht:
koͤrper hervorbringe, deren ſonſt immer angewach—
ſener Hut auch dieß Mahl an eben der Stelle
flach und ohne Bedeckung verblieben, an der er
ſich ſonſt anzuheften pfleget, da er dieß Mahl kei—
nen Gegenſtand getroffen, und man koͤnnte von
dieſer Idee ausgehend, den Durchgang des Hutes
in den Strunk und eine Menge anderer Erſchei—
nungen in der Bildung und Entwicklung der
Schwaͤmme begreifen und erklaͤren.
VI. Der Labyrinthſchwamm (Daedalea). Der
halbirte Leder- oder Korkartige Hut iſt auf der Un
terſeite mit laͤnglichen Labyrinthartigen, zum Theil
Loͤcherfoͤrmigen Vertiefungen durchbrochen. Die
Gattungen Daedalea und Sistotrema laſſen ſich
wohl in keinem reellen Charakter von einander un⸗
terſcheiden. Beyde find in ihrer Jugend Boleti.
Nach und nach erweitern ſich die Löcher in die
Laͤnge nach allen Richtungen, wie die Laufgraͤben
bey einer Belagerung. Am Ende gleichen einige
faſt den Agaricis. Die Raͤnder der Schuͤrze um
dieſe Gaͤnge herum, werden natuͤrlicher Weiſe eben
fo verſchiedentlich ausgedehnet, und welche derſel—
ben wachſen, beſonders am Grundſtuͤcke in ver—
ſchie dene faſt Hydnenartige Fetzen und Spitzen aus.
Perſoon hat nur 5 Arten von Daedalea: allein
es gibt wohl noch mehrere, und einige ſind von
LXXVII
ſolcher Schoͤnheit, daß man nicht fo leicht etwas
gleiches unter den Phöͤnerogamen finden mag.
VII. Der Löcherſchwamm (Boletus). Der
Hut mannigfaltig. Roͤhrchen und rundliche 8:
cher auf der Unterſeite desſelben. Daß dieſe Lö⸗
cher eine ungeſchluͤtzte Muͤndung haben ſollen,
ſetzt freylich Perſoon auch noch hinzu. Allein ich
finde, daß alle Boleti, wenn fie alt werden,
nur mehr oder weniger, beſonders in der Naͤhe
des Strunkes oder des Grundſtuͤckes, womit ſie
aufſitzen, nach Art des Sistotrema, geſchluͤtzte
Muͤndungen bekommen! In Perſoons Schwamm⸗
ſynopſe finden ſich 95 Arten von dieſer Gattung
aufgenohmen. Bey La Mark heißt dieſe Gattung
nach den Alten Agaricus, und wenn der Frey:
herr von Jaquin im I. Bde. ſeiner Flora Aus-
triaca sub Nro. 41 eine Abart vom Boletus
lucidus P. Agaricus Pseudoboletus nannte;
ſo muß man dieß nicht fuͤr ein Verſehen, fon:
dern für eine eritiſche Anmaſſung erkennen, die
nicht ohne Grund iſt, indem Linnse die Nahe
men Agaricus und Boletus gegen den Gebrauch
und gegen die Grundſaͤtze der Philosophia Bo-
tanica verwechſelt hat. Doch heut zu Tage ſind
nun einmahl die Linneaniſchen Nahmen allge:
mein angenohmen, und wir muͤſſen ſie beybe⸗
halten, um keine Verwirrung zu ſtiften. Unſer
LXXIX
Claſſiker theilt dieſe Gattung in folgende Fami⸗
lien ab.
A. Suilli (Bilzlinge). Der Hut iſt gepolſtert
und fleiſchig. Die Maßa der etwas langen Roͤhrchen
loͤſt ſich von dem Fleiſche ab. Die Haͤlfte iſt eß⸗
bar, die Hälfte iſt giftig. Für giftig oder doch
verdaͤchtig ſind alle jene zu halten, die nach dem
Anbruche oder Durchſchnitt in der Luft ploͤtzlich
ihre weiße oder gelbe Grundfarbe in Blau, Gruͤn
oder Bleyfarbe verwandeln. Sie find eine vorzuͤg⸗
liche Zierde der Waͤlder.
B. Diatrepi (Stichſchwaͤmme). Der Hut iſt
fleiſchig, Lederartig oder noch öfter Korkartig: die
Roͤhrchen ſind kurz, von dem Fleiſche des Hutes nicht
abgeſondert. Dieß ſind die eigentlichen normalen Bo—
leti; denn die Suilli möchten wegen der Losgebung
der Loͤchermaſſa wohl eher eine beſondere Gattung
ausmachen? Da die Familie ſehr groß iſt; ſo hat
ſie wieder ihre Unterabtheilung; naͤhmlich:
a) mit einem ganz runden Hute und einem ſenk—
rechten centralen, oder ercentrifchen Strunke;
b) mit einem halbirten Hute und einem Sei⸗
tenſtrunke;
c) mit einem halbirten Strunkloſen, d. i. auf⸗
ſitzenden Hute.
In der letzten dieſer Unterabtheilungen kom⸗
men einige Arten vor, die zuſammengenohmen ei⸗
LXXX
ne eigene Gattung ausmachen duͤrften. Dergleichen
waͤren der Boletus fomentarius, igniarius u. ſ. w.
naͤhmlich, die Zunderſchwaͤmme! Die annuellen
Zunderſchwaͤmme betrachte ich als corrumpirte Waſ—
ſerſuͤchtige Abarten!
., Poriae (Sturzſchwaͤmme). Der Schwamm
iſt umgewendet, d. iſt: auf ſeiner Oberſeite Löche—
richt. Die meiſten haben faſt gar keinen Hut. Pers
ſoon ſcheint dieſe und die folgenden Familien faſt
fuͤr eigene Gattungen zu halten, und ich waͤre
allerdings damit einverſtanden.
D. Polyporus (Narbenſchwamm). Der
Schwamm theilt ſich in Lappenfoͤrmige Aeſte, die
von allen Seiten mit ziemlich großen Löchern ver—
ſehen find, und gleichſam Blatternarbicht ausſehen.
Die einzige hieher gehörige Art, Bolramosus,
waͤchſt nur in Bergwerken an den faulenden
Balken.
E. 8 (Fleiſchſchwamm). Faſt möcht'
ich dieſen Schwamm, deſſen Roͤhren voͤllig frey
ſind, aus dem ganzen Gebiethe der Schwaͤmme
herausreißen, und ihn an eine andere Stelle un:
ter die Phoͤnogamen zu Cynomorium bringen.
Die Kelche jenes anfaͤnglichen Zuſtandes ſcheinen
wirkliche Blumen zu ſeyn. Das Mehrere hievon
leſe man in dem Werke ſelbſt sub Lit. V. Nro. 21.
x ?
LXXXI
VIII. Der Loͤcherzahnſchwamm (Sistotrema
P.) Der Hut iſt mannigfaltig; die Schuͤrze iſt
anfangs rundloͤchericht, wird aber nachher in un—
foͤrmliche Zähne zerſchluͤtzt. Dieſe Gattung wird
wahrſcheinlich in der Folge wieder eingehen muͤſſen.
Die Baſtarden, Monſtroſitaͤten und Pelorien ab—
gerechnet, als wohin ich z. E. Sist. confluens zaͤh⸗
le; ſo ſcheinen mir die uͤbrigen Arten ſaͤmmtlich
nichts weiter als Boleti und Daedaleae zu ſeyn.
Die Synopsis enthaͤlt 12 Arten davon. Perſoon
ſagt, ſie machen einen Uebergang vom Boletus
zum Hydnum. Man muß aber nicht alles Ueber—
gang nennen, was einzelne Aehnlichkeiten dar—
ſtellet, denn ſonſt ſehe ich nichts als Wirbeln,
unter denen der Verſtand erliegt!
IX. Der Stachelſchwamm (Hydnum.) Der
Hut iſt mannigfaltig, die Schürze Igelfoͤrmig d. i.
in ganze Pfriemartige Zaͤhne geformt. Ein Stachel⸗
ſchwamm entſteht, wenn die Roͤhrchen des Loͤcher—
ſchwammes ſich ganz von einander abſondern und
an der Spitze geſchloſſen ſind. Im Vorbeygehen
muß ich bemerken, daß dieſe Spitzen oder Weich—
ſtacheln nicht immer ganz einfach ſondern viel mehr
ſehr oft in 2, 3 und mehrere Spitzen zertheilt
ſind! Die Stachelſchwaͤmme ſcheinen nichts weiter
als Modifikationen verſchiedener anderer Schwamm⸗
gattungen zu fepn, vorzüglich der Boleten und
5
LXXXII
der Clavarien. Von dieſer Gattung enthaͤlt Per—
foond Synopsis 26 Arten, die er in folgende
Ordnungen abtheilet:
a.) geſtrunkte mit einem voͤllig runden, oder
wohl auch etwas ausgeſchweiftem Hute.
Dieſe kommen den Boleten am naͤchſten. Meh—⸗
rere ſind eßbar und einige von ausnehmender
Schoͤnheit. Ihre Fruchtſeite iſt gleichſam der Mo—
del, in den die Diatrepi gegoſſen worden: denn
bey ihnen iſt gerade da Leere wo die Boleten voll
ſind und Voͤlle wo dieſe leer ſind.
b.) mit einem halbirten meiſtens Strunkloſen
oder nur wagrecht geſtrunktem Hute.
In dieſer Abtheilung hat Perſoon auch Hyd-
num Erinaceus, der nicht hieher gehoͤret, ſon—
dern vielmehr eine eigene Gattung ausmacht, die
bey La Mark und Jussieu Hericius (Urchin)
heißt. Es iſt eigentlich zu ſagen ein Schwamm,
der einen Strunk, aber keinen Hut hak. Statt
des Hutes zertheilt ſich der Strunk unmittelbar
in eine große Menge von Aeſten, die aber zu haͤu—
fig und zu gedrängt find, als daß fie auswachſen
konnten und daher den Pfriemfaͤdchen des Stachel-
ſchwammes aͤhnlich verbleiben.
c.) Bloß ausgegoſſen, verkehrt d. i. oberhalb
Igelfoͤrmig mit runden Stacheln ohne allen
Hut.
| LXXXIII
Dieß ſind alſo die Gegenſtuͤcke oder die Guß—
formen von Poria! Perſoon ſcheint ſie fuͤr eine
eigene Gattung zu halten, und nennt fie Odon-
tia.
d.) Ohne aller Analogie eines Hutes, ein
Keulenſchwammformiger Koͤrper, welcher
von allen Seiten mit Stacheln beſetzt iſt.
Auch dieſe Abtheilung diſtinguirt Perſoon mit
einer Auszeichnung und nennt fie Hexicium,
welches wohl zu merken iſt, damit man ſich nicht
mit dem Hericius der Franzoſen confundire. Die
wenigen hieher gehoͤrigen Arten ſind wirklich Co—
rallenfoͤrmige Keulenſchwaͤmme und ihre Weich—
ſtacheln ſcheinen nichts weiter als unvollkommene
Anfaͤnge von Fortſaͤtzen zu ſeyn, die zu einer
Zeit austrieben, da das Hymenium ſchon gebil—
det war. Er W
X. Der Knoͤtchenſchwamm (Thelephora).
Der Hut iſt Lederartig, auf feiner Unterſeite mit
Waͤrzchen, zuweilen jedoch nur ſelten mit ver—
juͤngten Stachelſpitzen beſetzt, oder auch wohl
ganz einfoͤrmig und glatt. Alle Arten dieſer Gat—
tung tragen ganz deutlich das Gepraͤge der un—
vollendeten Bildung. Ich ſtelle mir die Sache un—
gefaͤhr folgendermaſſen vor. Wenn ein Mycelium
von einem Boletus, Merulius, Daedalea oder
Hydnum wegen Mangel des Bodens nicht genug
J 2
LXXXIV
Nahrung erhalt um feine Vollſtaͤndigkeit zu er—
halten; fo kann es zu jener Zeit wo es die Eins
wirkung der Feuchtigkeit und der Waͤrme zum
fructiſiziren aus dem Standorte hervorlocken,
auch keine vollſtaͤndigen und mit allen Organen
der Regel verſehenen Encarpia hervorbringen.
Dieſe Vermuthung wird vorzuͤglich durch die Er—
fahrung beſtaͤttigt, daß dergleichen Thelephorae
ſich nicht ſo ordentlich von Jahr zu Jahr propa— |
given, ſondern nur ſporadiſch erſcheinen und wie:
der verſchwinden, ohne daß man ſich erklaͤren
koͤnnte, aus welchem Bezirke ſie hergekommen,
und wohin ſie wieder gewandert ſeyn moͤgen.
Bey den wahren Arten der Schwaͤmme kann man
in allen Faͤllen den Zug ihrer Propagation ſo gut
wie bey den Phoͤnerogamen bemerken! Die 47
Arten dieſer Ehrhartiſchen Gattung, welche mit
Ausſchluß der von Perſoon zuerſt aufgefuͤhrten,
bey Bulliard, La Mark, Sowerby u. d. gl. unter
Peziza, Helvella und Auricularia geſucht wer⸗
den muͤſſen, theilt die Synopsis in folgende Halb:
gattungen oder Familien ab:
Ai. Craterella (Hohlſchwamm). Der Hut
iſt voͤllig rund, oberhalb ausgehoͤhlt, oder Trich—
terfoͤrmig; die Scheibe ſtriegelicht- ſtruppig. Die
beyden hieher gehoͤrigen Arten moͤchten wohl der—
gleichen unvollkommene Merulü von der Abthei⸗
lung Chantarelli ſeyn!
1 f LXXXV
B. Stereum (Oehrleinſchwamm). Der Hut
iſt halbirt und zulezt wagrecht. Ich halte mich
durch zahlreiche Beobachtungen fuͤr uͤberzeugt,
daß alle die hierher gehoͤrigen Arten, als Unge—
ſtaltheiten, dem Baͤnderſchwamme (Boletus ver-
sicolor P.) mit feinen Abarten angehoͤren.
C. Corticium (Hautſchwamm). Bloß ausge—
goſſene, umgewendete, verſchiedenartige Schwamm—
maſſen, die mit Knoͤtchen verſehen find. Die Arten
dieſer Familie ſind nach meiner Meynung nichts
weiter als verhaͤrtete und vertrocknete aus ihrem
Boden hervorgewachſene Mycelien ohne Inflores—
cenz. Sie find deſtomehr Byffusartig je finſterer
der Ort war, in welchem ſie entſtanden ſind. Im
Gegentheile ſind ſie Gallertartig, und durch die
Vertrocknung endlich Lederartig. Die Papillen,
wenn ſie ſich zeigen, ſind bloße unvollkommene
Anfaͤnge von einem Hymenium.
XI. Der Aſtſchwamm: (Merisma). Der
Schwamm iſt aͤſtig, Lederartig, zuſammengedruͤckt,
glatt, nur an der Spitze iſt er oͤffters haarig.
Die Merismen ſind nach ihrer Subſtanz Telepho—
ren, nach ihrer Geſtalt hingegen Keulenſchwaͤmme.
Sie ſind daher, mich freymuͤthig zu erklaͤren,
wirkliche Clavarien von einer troknen Subſtanz
und ſpezifiſch verſchiedener Bildung, ſo wie ſie
auch wirklich ſchon fruͤher mit dieſen vereiniget
LXXXVI
waren. Vielleicht verhaͤlt fh 15 Merisma zu
Clavaria, wie Thelephora zu Boletus? Arten
finden wir in Perſoons Spnopſe fieben.
XII. Der Keulenſchwamm (Clavaria). Eine
bald einfache, bald aͤſtige Keule auf einem kurzen
nur ſelten deutlichen Strunke, oder mit einem
ſolchen von ziemlicher Dicke ohne Bezeichnung der
Graͤnze. Perſoon hat 62 Arten, wovon manche
eßbar ſind. Die erſte Abtheilung der Corallenfoͤr—
migen oder Aeſtigen (Holmskiolds Ramaria) hat
den meiſten Anſpruch auf die Trennung und Er—
hebung zu einer eigenen Gattung. Nur ſcheinen
viele Arten unaͤcht und bloße Varietaͤten zu feyn.
In der 2ten Abtheilung der hoͤchſt eigentlichen
Keulenſchwaͤmme ſind einige Arten Paraſyten von
Inſektenlarven. Was aber von den beyden knol—
lichten Arten (Clav. granulata und Phacorhiza)
zu halten ſey, iſt mir zur Zeit noch ein großes
Raͤthſel! Ihre Knospenfoͤrmige Unterlage ſieht faſt
aus wie die Zwiebel jener lebendig zeugenden
Moosart (des Hypni annotini Web.) aus wel—
cher die vormahls von Roth und Hoffmann ſoge—
nannte Trentepohlia erecta entſpringet. Giebt es
etwa noch gar unter den Keulenſchwaͤmmen wirk⸗
liche Lebendig gebaͤhrende d. i. Knospen abwerfende
Gewaͤchſe?
XIII. Der Erdzuͤngler (ebglöszng Eine
LXXXVI
kleine, kurze, meistens flachgedruͤckte, fleiſchige Keule
mit einem Fluͤgelrande, der aus dem Strunke
heraufſteigt. Die ſieben Arten dieſer Gattung
denke man ſich als etwas kleine wenig aͤſtige
ſchlanke Keulenſchn aͤmme mit flachen faft ebenen
feſt anliegenden in den Strunk herablaufenden
Huͤten; alſo eine Annaͤherung zur Morchel!
XIV. Der Spatelſchwamm (Spathularia ).
Keulenſchwamm mit einem breitgedruͤckten, haͤu—
tigen Hute, welcher zu 2 entgegengeſetzten Sei—
ten ſenkrecht an dem Strunke herablaͤuft. Es
giebt nur eine einzige Art von dieſer ſehr aus—
gezeichneten Gattung.
XV. Der Muͤtzchenſchwamm (Leotia). Ein
Koͤpfiger Schwamm, deſſen rundlicher oder Ke—
gelfoͤrmiger Hut ſich am Rande ſehr einwaͤrts
umbieget und feinen Strunk feſt einſchließt. Dief:
Gattung welche aus g ſehr kritiſchen und wenig
bekannten Arten beſteht, naͤhert ſich beſonders der
von Geoglossum, obgleich die Huͤte hier frey
ſind. Aber es giebt ja auch unter Morchella
Arten mit angewachſenen und mit freyen Huͤten.
XVI. Der Faltenſchwamm (Helvella). Hat
einen haͤutigen aufgeblaſenen, faſt unfoͤrmlichen,
beyderſeits herabgebogenen Hut. Die Helv. acau-
lis iſt wohl eine wahre Peziza. Die uͤbrigen 9
Arten ſtellen eine Gattung dar, die zwar mit
LXXXVIII
der folgenden ſehr nahe verwandt iſt, aber den-
noch eine eigene zu ſeyn ſcheinet. Sie ſind wahr⸗
ſcheinlich alle eßbar.
XVII. Die Morchel (Morchella). Der ge⸗
ſtreckte Hut iſt rund und voll Gruͤbchen mit ges
gitterten Rändern. Man hat vormals mit gro:
ßem Unrechte dieſe Gattung mit Phallus vereinigt.
Selbſt Bulliard und Ventenat begiengen noch die—
ſen Fehler. Allein die Reihe der bisher aufgezaͤhl—
ten Gattungen wird zweifelsohne den großen Ab—
ſtand von Morchella und Phallus einem Jedwe⸗
den fuͤhlbar machen; 8 Arten ſind in der Sy—
nopſe aufgenommen.
XVIII. Der Gallertſchwamm (Tremella).
Eine hingegoſſene, Gallertartige, Kreisfoͤrmigge—
faltete Maſſa. Die mehrſten haben keinen eigen—
thuͤmlichen Hut. Man hat bereits die Waſſerge—
waͤchſe von dieſer Gattung ausgeſchloſſen und ſie
den Phycaͤen einverleibt. In der Folge moͤchten
wohl noch mehrere von den 25 Arten dieſer Sat:
tung verlohren gehen, und theils in andere uͤber—
tragen, theils zu bloßen monſtroſen und ſterilen
Auswuͤchſen herabgeſetzt werden.
XIX. Der Schuͤſſelſchwamm (Peziza). Der
halbkugeligte vertiefte, etwas angeſchwollene,
Schuͤſſelfoͤrmige Fruchtboden (der Hut, oder die
Brutbehaͤlterbuͤchſe) fuͤhrt ſeine Brutbehaͤlter in
LXXXIX
der vertieften glatten Scheibe. (Letztere find haͤu—
tig und dem unbewaffneten Auge kaum ſichtbar,
und fliegen gleich Staͤubchen davon, die meiften
enthalten 8 Brutkoͤrnchen). Dieſe Gattung bedarf
noch vieler Unterſuchungen und hoͤchſtwahrſchein—
lich einer Zertheilung in mehrere. Ich bin auch
allerdings der naͤhmlichen Meynung, die ſchon
Haberle a. a. O. S. 73. geaͤuſſert hat, daß naͤhm⸗
lich ein großer Theil davon gar nicht unter die
Schwaͤmme, ſondern unter die Algen (in die
Familie Sarcocarpae in die Nachbarſchaft von
Cyathus) hingehoͤre, und daß die Gattung Octos—
pora des Hedwig noch ferner beybehalten werden
dürfte. Perſoon hat 151 Arten, die er unter
folgende Rubriquen eintheilet:
A. Tremelloideae: (Gallertartige) ſind
mehr oder weniger von der Subſtanz des Gal—
lertſchwammes. Wahrſcheinlich ſind dies lauter
Octoſporen!
B. Helvelloideae: (Faltenſchwammartige)
find etwas größer, fleiſchig- haͤutig, zerbrechlich,
auſſen mehlicht. Hieher gehört die Helvella acau-
lis!) Auch unter dieſen ſind viele Octosporae.
C. Meiſtentheils kleine. Die Becher ſind von
auſſen ſtreifig, haarigt, ſtriegelich, oder wollig
und feinhaarig. Hieher gehört unter andern auch
die prächtige Peziza coccinea.
XC
D. Ganz glatte, Waxartig — fleiſchige; mei—
ſtentheils kleine, die wiederum in geſtrunkte und
in Strunkloſe untergetheilet werden. Die erſtern
ſind ſehr artige Dingerchen von der Form eines
Ciboriums oder Kelchglaſes aber zuweilen von aͤuſ—
ſerſter Zartheit und ſo klein, daß man fie kaum be-
merket.
E. Lederartige, trockne, glatte oder ſtaubige
groͤſtentheils ohne Strunk. Dieſe ſcheinen am wer
nigſten in dieſe Gattung zu paſſen.
F. Stictis: (Napfpilz) eine eigene Gattung,
die unter die Algen zu den Sarcocarpis in die
Nachbarſchaft von Naemaspora gehoͤret, und auch
wirklich bereits von mehreren Mycologen nach dem
Beyſpiel des Tode von dem eee ge⸗
trennt worden iſt.
SG. Solenia (Trinkglasſchwamm). Ein faſt
haͤutiges geſtrecktes, Schlauchfoͤrmiges am Grunde
hohles Fruchtbehaͤltniß. Dies find ſehr kleine
Schwaͤmmchen, die vielleicht einzig geeignet find
in dieſer Gattung und in der Familie der aͤchten
Schwaͤmme belaſſen zu werden.
XX. Der Schlauchwerfer (Ascobolus). Der
Fruchtboden iſt faſt Napffoͤrmig, Halbkugelrund,
fleiſchig. Die unverkennbaren Brutbehaͤlter, ragen
aus der Brutbehaͤlterunterlage hervor, werden
zuletzt abgeworfen und ſind meiſtens mit 8 in
XCI
einer Feuchtigkeit ſchwimmenden Brutkoͤrnchen
angefuͤllet. Auch dieſe kleine Gattung duͤrfte mit
Vorrecht in die Familie der Sarcocarpium über?
tragen werden! Uebrigens geben uns dieſe Schwaͤm—
me ein ſehr ſchoͤnes Licht über die Natur des Hy-
menii: denn bey dieſen Pezizenartigen Schwaͤm—
men iſt auch der Fruchtboden mit einer analogen
Haut bekleidet, welche wie die placenta der Dor-
stenia, von den Piſtillen durchſtochen wird und
dann die reifen Körner ausfallen läßt. Es koͤmmt
nun vorzuͤglich darauf an, ob wir dieſe heraus—
getriebenen Saamenſchlaͤuche fuͤr wahre Behaͤlter,
oder nur fuͤr Zwillingsgeburten, wie die 4 Saa—
men bey der Didynamia gymnospermia halten
ſollen? Eine Aufgabe fuͤr die zukuͤnftigen Beobach—
ter der Schwaͤmme!
XXI. Der Kopfſchwamm (Helotium). Der
Fruchtboden (ein Hut) iſt beſtrunkt, regelmaͤßig
erhaben, halbkugelig, unten und oben, wie bey
den Faltenſchwaͤmmen, glatt, und fuͤhrt ſeine
Brut an der obern Flaͤche, wie die Pezizen. Dieſe
Schwammgattung ſcheint nicht hieher zu gehoͤren
indem fie mit Leotia fo nahe v' Handt iſt, daß
La Mark und Decandolle mehrere Arten damit
in eine Gattung vereinigt haben. Die uͤbrigen
ſind vielleicht wahre Helvellen! Es koͤmmt hier auf
die Fruchthaut des Hutes an, ob ſie auf der
XCII
Oberſeite oder auf der untern zur Schuͤrze wird! —
Perſoon hat nur 7 Arten.
XXII. Der Schimmerſchwamm (Stilbum).
Ein Schimmelartiger beſtrunkter Schwamm, deſſen
volles und rundes Koͤpfchen anfangs von einer
waͤſſerichten und faſt Gallertartigen Subſtanz iſt,
bey ſeiner Reife aber undurchſichtig und truͤbe
wird. Einige von den 16 Arten dieſer Gattung
werfen das Köpfchen ab, andere behalten es, doch
verweeſet es ſehr bald auf dem Strunke.
XXIII. Der Koͤrnerſchwamm (Aegerita).
Strunkloſe, Koͤrnerfoͤrmige, volle Mehlartige
Schwaͤmmchen. Dieſe beyden letzten Gattungen
der Schwaͤmme find den Schimmel und Byſſusar—
tigen Gewaͤchſen ſo nahe verwandt, daß ſie in der
Folge ſehr wahrſcheinlich dahin uͤberſetzt werden
duͤrften. Sie gehoren alſo zu den allereinfachſten
Bildungsformen der Vegetation, die vielleicht
darinn beſteht, daß ein abgetriebenes Gallertar—
tiges Brutkoͤrnchen ſich durch Anſaugung erwei—
tert und endlich wieder ein neues aus ſeinem In—
nerſten hervortreibet.
Dies ſind nun die ſaͤmmtlichen von Dr. Per—
ſoon aufgeſtellten Gattungen der eigentlichen
Schwaͤmme. Denn da wir die fungos Gymnocar-
pos für Algen erklaͤren, denen der ten Ordnung
hingegen (naͤhmlich den Byſſusartigen) eine eigene
XCIII
und zwar in der Natuͤrlichen Reiche der Gewaͤchſe
die allerunterſte und letzte Familie anweiſen; ſo
blieb uns fuͤr die Familie der Schwaͤmme in die—
ſem ſtrengen Sinne, wie ſie hier genommen wer—
den, nichts weiteres übrig als Perſoons 2te Claſſe
(Fungi gymnocarpi) und zwar auch von dieſer
nur die Ate und Ste Ordnung feiner Schwaͤmme,
naͤhmlich feine Lytothecii und Hymenothecii.
Um aber in den Geiſt dieſer Methode beſſer
einzudringen, wollen wir jetzt dieſes ganze Gebieth
der eigentlichen Schwaͤmme in einer tabellariſchen
Darſtellung uͤberſchauen.
nee
Familie Der Schwammartigen
Gewädhfe.
| Erſte Familie.
Wahre Schwaͤmme.
EMI III IT
I. Aufloͤſungsgeburten: Lytothecii.
1. Gitterſchwamm: Clathrus.
2. Gichtſchwamm: Phallus.
II. Schuͤrzgeburten: Hymenothecii.
A. Strahlenartige: Agaricoidei.
XCIV
4. Blaͤtterſchwamm: Agaricus.
(3.) Sackſchwamm: Amanita.
a. Stiefelſchwamm: Lepiota.
5. Schleyerſchwamm: Cortinaria,
F. Wandelſchwamm: Pratella.
c, Tintenſchwamm: Coprinus.
d. Nagelſchwamm: Mycena.
o. Nacktfuß: Gymnopus,
g. Braͤtling: Lactifluus.
h. Taͤubling: Russula.
7. Nabelſchwamm: Omphalia.
k. Schwimmer: Pleuropus.
5. Aderſchwamm: Merulius.
a. Pfefferling: Cantharellus.
B. Loͤcherartige: Boletoidei.
6. Labyrinthſchwamm: Daedalea.
5. 6. Thraͤnenſchwamm: (Merulius) Ser̃-
pula.
c. Haſenoͤhrlein: (Merulius) Gomphus,
Loͤcherzahnſchwamm: Sistotrema.
e. Fleiſchſchwamm: (Boletus) Fistulina.
Loͤcherſchwamm: Boletus.
a. Bilzling: Suillus.
5. Stichſchwamm: Diatrepus,
9. Sturzſchwamm: Poria.
7. d. Narbenſchwamm: (Boletus) Poly-
porus.
S g
XCV
C. Nackthaͤutige: Gymnodermatoidei.
10. Knoͤtchenſchwamm: Thelephora.
a. Hohlſchwamm: Craterella.
5. Oehrleinſchwamm: Stereum.
9. Stachelſchwamm: Hydnum, (exceptis
b cla v eformibus!)
10, c. Hautſchwamm: (Thelephora) Cor-
i ticium.
D. Keulenfoͤrmige: Clavaeformes.
9. d. Species 157 Igelſchwamm. (Hyd-
num) Erinaceus,
9. d. Corallenſchwamm (Hydnum) Heri-
cium.
12. Keulenſchwamm: Clavaria.
11. Aſtſchwamm: Merisma
E. Faltenhuͤte: Helveiloidei.
17. Morchel: Morchella.
16. Faltenſchwamm: Helvella.
14. Spatelſchwamm: Spathularia.
13. Erdzuͤngler: Geoglossum.
21. Koyfſchwamm: Helotium.
15. Muͤtzchenſchwamm: Leotia.
F. Gallertartige: Tremelloidei.
18. Gallertſchwamm: Tremella.
G. Unaͤchte und zweifelhafte Schwammgat—
ri; a tungen.
19. Schuͤſſelſchwamm: Peziza,
XCVI
a. Gallertartige: Tremelloideae.
5. Faltenſchwammartige: Helvelloideae,
c. Kleine, haarichte: minores.
d. Glatte, Wachsartige: glabrae.
e. Lederartige: Coriaceae.
F. Napfpilze: Stictides.
19. g. Trinkglasſchwamm: Solenia.
20. Schlauchwerfer: Ascobolus.
22. Schimmerſchwamm: Stilbum.
23. Koͤrnerſchwamm: Aegerita.
Die meiſten Menſchen und ſelbſt gebildete
Naturforſcher betrachten die Schwaͤmme als die
allerunvollkommenſten und veraͤchtlichſten Pro-
dukte der ganzen organiſchen Schoͤpfung, und
gleichſam als mißrathene Verſuche der belebenden
Natur, deren ſie ſich faſt ſchaͤmen ſollte und die
ſie als ihre verworfenſten Stiefkinder nur in die
abgelegenſten und verborgenſten Winkel, in die
Heimath der Verweſung und der Faͤulniß ver—
weiſet. Die charakteriſtiſche Undankbarkeit unſerer
Art geht ſo weit, daß wir vorſetzlich die Augen
verſchließen, um das zahlloſe Gute und Verdienſt—
liche nicht bemerken zu muͤſſen, das ſie uns ohne
Unterbrechung erweiſen, und mit wahrhaft Goͤtt—
licher Wohlthaͤtigkeit anbieten. Finden wir dage—
gen auch nur einen Scheingrund, uͤber ſie zu
klagen und ſie als unſere aͤrgſten Todfeinde zu
XC VII
verſchreyen: o! ſo wetteifern wir einer mit dem
andern, alle Bitterkeit unſers Herzens gegen ſie
auszugieſſen und ſie als Baſtarde, als Schmaroz—
zer, als Taugenichtsſe, als Betruͤger, Banditen
und Meuchelmoͤrder, als Verderber unſerer Haabe,
ja wohl gar als die gefaͤhrlichſten Feinde ganzer
menſchlicher Gemeinheiten zu laͤſtern.
Wie ungerecht und grundlos dieſe Ausfaͤlle
und Angriffe auf den Ruhm der Schwaͤmme ſind,
kann man ſich leicht überzeugen, wenn man nur
unpartheyiſch genug iſt, um folgende beyde Mo—
tive zu Gemuͤth zu nehmen, daß naͤhmlich erſtens
bis auf dieſe Zeit noch ſehr wenig geſchehen iſt,
und nur ſehr wenige Menſchen ſich die Mühe ges
nommen haben, die Natur und Eigenſchafften der
Schwaͤmme zu ſtudiren und ihre Beſtimmung in
der großen Haushaltung der Natur oder ihre An—
wendung zur Befriedigung unſerer Beduͤrfniße zu
erforſchen; daß anderntheils an den Nachtheilen
die wir von dieſen Geſchoͤpfen erlitten haben, nur
unſere dicke Unwiſſenheit, unſere unverzeihliche
Traͤgheit und Stumpfheit Schuld ſey, die uns
verhindert, den Zuſammenhang natuͤrlicher Er—
ſcheinungen mit den Abſichten des hoͤchſten Geiſtes,
der alles nur nach den weiſeſten und wohlthaͤtigſten
Abſichten einleitet, zu errathen und zu begreifen!
Und was ſie nicht kennet, was fie kennen zu ler⸗
XCVIII
nen aus Bequemlichkeit ſcheuet, das pflegt die ty⸗
ranniſche Unwiſſenheit jederzeit als unnuͤtz, als
verdaͤchtig, als gefährlich zu verrufen! Wie ſollte
man wohl von unſerm Zeitalter Aufklaͤrung der
größten und intereſſanteſten Naturgeheimniße er-
warten, da es noch ſelbſt unter den Weiſen dieſer
Periode fo irrſinnige Sophiſten giebt, welche die
Entſtehung der Schwaͤmme von der Gaͤhrung der
Faͤulniß herleiten, welche ſie fuͤr zweck- und ge—
ſchlechtloſe Gebilde anſehen, welche ſich einbilden,
ihre Bildung aus der Mechanik, ihre Beſtandtheile
aus der Chemie und ihre Mannigfaltigkeit aus der
Mathematik ableiten und erklaͤren zu koͤnnen!
Wir kennen ſie alſo noch gar nicht oder doch zum we—
nigſten nur hoͤchſt unvollſtaͤndig dieſe unſere fo ver—
haßten und ſo uͤbel beruͤchtigten Feinde! Wir wiſ—
ſen nicht, was ſie ſind? nicht, warum ſie ſind?
nicht, wie ſie ſind? Was wir aber von ihnen wiſ—
ſen, iſt nichts als ein pures Verzeichniß der ecla—
tanteſten Vorzuͤge, der wichtigſten Wohlthaten,
der liebenswuͤrdigſten Gefaͤlligkeit — und von un—
ſerer Seite entgegen der aͤuſſerſt brutalen Stupi—
ditaͤt, die mitten im Genuße den Freund verflucht
und verlaͤſtert, der ſich, ohne darauf zu achten,
nur Muͤhe giebt, ſeinen blinden Gegner mit Gut—
thaten und Annehmlichkeiten zu uͤberhaͤufen!
Auch ich kenne ſie, leyder! nur ſehr ſchlecht,
IC
und, ich geſtehe es offenherzig, ich bin nicht we:
niger einer von den vielen Unwiſſenden, die ſehr
oft, gleich ungerathenen Kindern, welche ſich ſelbſt
verderben, um nur dem wohlmeynenden Ernſte
des lehrenden Vaters ihren Muthwillen entgegen
zu ſtemmen, ſich an den edelſten Naturgaben durch
Mißbrauch oder falſche Zumuthungen verſuͤndiget
haben. Dennoch wag ich es jetzt, um einen Theil
des begangenen Unrechts wieder gut zu machen,
die Ehre dieſer Schoͤpfung zu retten, und auch
das Wenige, was mein Unvermoͤgen aufzubrin—
gen im Stande iſt, mag vielleicht hinreichen ihr
manchen Verehrer zu gewinnen, und ſo manchen
diktatoriſchen Vanendoͤrfer mitten im Donner des
über dieſe unſchuldige Weeſen ausgeſprochenen
Anathems zum Schweigen zu bringen.
Ich will von dem Gebrauche beginnen, den
wir von den Schwaͤmmen machen. Wenn es auch
nur wenige Arten ſind, die wir mit Sicherheit
und mit der ſorgfaͤltigſten Auswahl zum Genuße
oͤffentlich empfehlen duͤrfen; ſo ſind doch auch ſchon
unter dieſen manche ſo ergiebig und ſo ſchaͤtzbar,
daß wir ſie fuͤr nichts anderes als fuͤr eine Gabe
der himmliſchen Milde unſerer Allmutter Natur
erkennen und annehmen duͤrfen. Ich kann mich
hier der buͤndigſten Kuͤrze bedienen, da ich bey den
eben in dieſem Buche ſelbſt vorgetragenen Merkwuͤr⸗
G 2
C
digkeiten der eßbaren Schwaͤmme unter ihren Ti
teln alles Weeſentliche geſagt zu haben vermuthe.
Hier muß ich nur noch die Anſichten vereinigen
und meine Leſer darauf aufmerkſam machen, daß
es unter den eßbaren Schwaͤmmen ſolche giebt, die
ſich durch Haut gout und Delicatesse ganz be:
ſonders auszeichnen, ich darf mich dießfalls ohne
Zweifel vor allen den uͤbrigen auf die Truͤffel,
auf den Kaiſerling, auf den Champignon, auf
den Herrnbilzling, auf den Reizker, Braͤtling /
Raßling, Morchel u. d. gl. berufen. Bey einigen
andern Arten, wie bey dem Roͤthlinge, dem Hal—
limaſch, dem Nagelſchwamme u. ſ. w. iſt die uns
geheure Freygibigkeit ſehr merkwuͤrdig, womit
die Natur fie uns in den Schooß wirft. Die eß—
baren Schwaͤmme kommen nicht allein zu allen
Jahrszeiten und in allen Weltgegenden zum Vor—
ſchein, ſelbſt Groͤnland und Kamſchatka nicht aus—
genommen; ſondern ſie laſſen ſich auch in unſern
Gaͤrten, ja ſogar in den Haͤuſern in den ſchlechte—
ſten Winkeln, in Kellern und leeren Tonnen er—
zeugen. Sie ſind daher willkommene Gaͤſte, die
uns viel Angenehmes mitbringen, ohne uns durch
viele Foderungen von Aufmerkſamkeit zu geniren.
Mit manchen von dieſen Schwaͤmmen wird großer
Handel getrieben und ganze Nationen leben faſt
einzig von den Schwaͤmmen. Man kann ſie zu
| 50
allerhand Leckerſpeiſen verwenden, man kann ſie
aber auch bloß in der Aſche gebraten oder wohl
gar roh verſpeiſen. Man kann ſie getrocknet fuͤr
den Winter aufbehalten und auch mit Salz und
Eßig oder mit Baumoͤl oder mit Zucker condiren.
Daß aber die hier aufgefuͤhrten Schwammarten
nicht alle eßbaren Arten des ganzen Erdbodens ſeyen,
verſteht ſich von ſelbſt: denn die Pohlen, die Ruf
ſen, die Morgenlaͤnder und die Amerikaner haben
wieder ganz andere Arten, wie wir aus den Wer—
ken der Reiſenden z. B. aus Pallas, Buxbaum,
Michaux u. d. gl. abnehmen koͤnnen.
Die tiefſte Armuth findet in den Tagen des
Mangels noch Zuflucht und Rettung in dem Fuͤll—
horn der Natur, wenn ſie in den Waͤldern
Schwaͤmme aufſuchet, und ſelbſt im Winter giebt
es noch Plaͤtze und unterirrdiſche Gaͤrten, wo ſie
mit muͤtterlicher Vorſichtigkeit dieſe Sonderlinge
hingepflanzt und fuͤr den ſchmachtenden Ungluͤck—
lichen verwahret hat. Aber es iſt nicht genug,
daß wir hier nur der wenigen Schwammarten Er—
waͤhnung machen, die bereits allgemein fuͤr eßbar
erkannt ſind. Wir koͤnnen vielmehr im Gegentheile
behaupten: Es gebe nur ſehr wenige gif
tige Schwaͤmme und auch dieſe waͤren
es nur für Schwaͤchlinge und Sch wel—
ger.
ci
Da ich auf den Punkt der Vergiftung in
dieſer Einleitung noch einmahl zuruͤckkommen
werde; ſo will ich mich vor itzt nicht laͤnger dabey
aufhalten. |
Auch in der Wirthſchaft, nicht bloß in der
Kuͤche, leiſten uns die Schwaͤmme erhebliche
Dienſte und ſie wuͤrden uns gewis noch viel meh—
rere leiſten, wenn wir nur fleißiger darauf bedacht
waͤren, ſie zu unterſuchen und zu beobachten.
Die Zunderſchwaͤmme, die aller Orten ſo uͤber—
ſchwenglich haͤufig wachſen, ſie liefern uns ein
ſehr erwuͤnſchtes und wohlfeiles Beduͤrfniß und
man koͤnnte ſie noch uͤberdies zu allerley anderen
Abſichten verwenden. Von allen zaͤhen und Leder—
artigen Schwaͤmmen kann man Papier machen.
Auſſerdem koͤnnten ſicher viele Schwaͤmme gleich
Thieriſchen Theilen zur Fabrikation von Am mo—
niak und zu Wallrath (adipocire) ſtatt In⸗
ſelt zu Seife und Lichtern benutzt werden! Siehe
Haberle Comm. I. 1, S. 34. Auch zur Färbes
rey ſind manche Schwaͤmme anwendbar. Die
Schwimmer, die Tintenſchwaͤmme und mehrere
Loͤcherſchwaͤmme wie z. B. der Nußbaumſchwamm
Boletus platyporus P. waͤren in dieſer Abſicht
vorzuͤglich zu empfehlen. Schweine, Hirſchen,
Schaafe u. d. gl. lieben verſchiedene Arten Schwaͤm⸗
me und naͤhren ſich davon, und in der Arzney—
Cm
mittellehre verdienen die Zunderſchwaͤmme, der
Lerchenſchwamm, die Gichtſchwaͤmme, die Boviſt—
arten, der wohlriechende Weidenſchwamm, (Dae-
dalea suaveolens P.) die Hirſchbrunſt (Sclero-
derma cervinum P.) die Truͤffelarten, das Ju—
dasohr, der Herrnbilzling u. d. gl. empfohlen und
aufgefuͤhret zu werden. Aus der Analogie zu
ſchließen, moͤchten dann wohl auch der Fleiſch—
ſchwamm wegen feiner Aehnlichkeit mit Cynomo-
rium, der Fliegenſchwamm, der Speytaͤublingeu.
d. gl. wichtige Arzneyen abgeben koͤnnen und eine
Pruͤfung von behutſamen und Sachkuͤndigen Aerz—
ten verdienen.
Doch wir wollen nun auch der Beſtimmung
der Schwaͤmme in der Haushaltung der Natur
nachforſchen! Freylich wohl intereſſirt dieſe Unter-
ſuchung nur den gebildeteren Theil meiner Leſer:
aber dieſer iſt's auch gerade ſelbſt, an deſſen Bey—
fall oder Nachſicht mir alles gelegen iſt; die uͤbri—
gen moͤgen mir die fromme Abſicht zu Guten hal—
ten, daß ich ſie nicht bloß zu ernaͤhren und zu
bereichern, ſondern auch zu beſſern und minder
ſinnlichen Menſchen zu machen, daß ich ihren Geiſt
aufzuheitern und auf eine edle des Menſchenran—
ges wuͤrdige Weiſe zu unterhalten wuͤnſche. Die
Menſchen, ſagt Haberle “) find oft wie die
*) Comm. zu Bertuch's Bilderb. I. 1. p. 33,
CIV |
ӣfeinen Kinder, fie wollen alles was ihnen die
Natur darbietet, nur immer ins Maul ſtecken.
Die Leſer werden finden, daß dieſe Gewaͤchſe ein
ſehr ernſthaftes Spielzeug für die Menſchen wer—
den koͤnnen, wenn ſie die Naturthaͤtigkeit bey de—
ren Entſtehung verfolgen wollen.“ Doch ſelbſt als—
dann, wenn ſeltnere Mißtoͤne die Harmonie der
Schöpfung zu zerſtoͤhren ſcheinen, endigt fie mit
einer Auflofung derſelben, die den Werth des
Schoͤnen uͤber ſich ſelbſt erhoͤht und die ſelbſt dieſe
vermeintlichen Diſſonanzen in Wohlklang und be—
zaubernde Anmuth verwandelt. Der Thraͤnen—
ſchwamm, von welchem ich oben geredet habe,
ſoll uns dieſes durch ein Beyſpiel begreiflich ma—
chen! Wenn wir alles mit gebuͤhrender Aufmerk—
ſamkeit in Gedanken rekapituliren was ich von den
Eigenſchaften dieſes ſo merkwuͤrdigen Schwammes
gemeldet habe; ſo iſt von den vielen Anſichten,
die uns dabey aufſtoßen, ungefaͤhr folgende eine
der erſten; daß, da derſelbe nun einmahl beſtimmt
iſt, die Gebaͤude, von welchen er Beſitz genom—
men, zu Grunde zu richten, die vaͤterliche Vor—
ſicht des Schoͤpfers an demſelben zugleich unver—
kennbar ſey, indem er die Menſchen, die ſie be—
wohnen, durch ſeinen faſt unertraͤglichen Geſtank
bey Zeiten warnet, ja wohl mit Gewalt zwinget,
ſie eher zu verlaſſen als noch ihr Einſturz das
=
CV
Leben derſelben bedrohet. Anderſeits koͤnnen wir
uns fuͤr uͤberzeugt halten, daß die Plage dieſes
Schmammes nichts weiter als eine exekutive Ein—
quartierung und eine wohlverdiente Strafe ſey
und daß ſie mit zu den vielen hoͤchſt weiſen Anſtal—
ten der Natur gehoͤre, wodurch uns ihr ſie beherr—
ſchender Genius zwinget, die Schoͤpfung, aus der
wir unaufhörlich unſere Beduͤrfniſſe entlehnen,
nicht wie eine niedrige Sklavin zu mißhandeln,
ſondern ihr vielmehr ſo viele Achtung und Neigung
zuzuwenden, daß es einem jeden von uns die erſte
und die intereſſanteſte Angelegenheit ſeyn ſollte,
ihre Verfaſſung, ihre Zwecke und ihre Mittel, zu
dieſen Zwecken zu gelangen, mit Aufwand aller
unſerer Geiſtesfaͤhigkeiten zu ſtudiren. Weitere
Fortſchritte in der Naturkunde, nur dieſe ſind das
Bedingniß und wir werden unſere Gebaͤude ſo an—
legen, daß fie nie wieder der Infection des Thraͤ—
nenſchwammes unterworfen ſind, und weder ſeine
noch die Thraͤnen der Ungluͤcklichen werden die Ge—
maͤcher der Sterblichen benetzen, wenn aͤchter Ge—
brauch der Vernunft und gruͤndliche Kenntniß der
Natur ihre Handlungen leiten! Denn, wenn
ſchon der bloße Inſtinkt die Thiere ſo wohlthaͤtig
bewahret, wie wir es alltaͤglich beobachten koͤnnen;
ſo muß der goͤttliche Funke des Lichts der Vernunft,
der unſere Weeſenheit fo weit über die Thierwelt.
CVI 0
erhebt, uns noch weit ſicherer und weit wirkſamer
bemaͤchtigen, aus dem Labyrinth der Verhaͤltniſſe
uns empor zu heben und nur jene Weege der Na—
tur zu ergreifen, deren Richtung das Ziel unſerer
Beſtimmung unfehlbar erreichet! Bulliard berech—
net, daß Schwaͤmme in einem beſtimmten Zeit—
raume ungefaͤhr 600 Mal ſo viel Waſſer einſau—
gen als andere Gewaͤchſe, die in dem Erdboden
Wurzel faſſen. Er ſchließt hieraus: „que la Na-
ture emploie ces Champignons comme autant
de r&gulateurs pour le maintien de l’&quilibre,
si necessaire entre les fluides et les solides; il
me semble voir un contre poids d’un effet
prompt et sur, lequel est toujours prét à étre
mis en action, des que le cas le requiert.“ *)
Ueberhaupt ene die Schwaͤmme von dieſer
Seite, ſo wie die Myriaden von Inſekten und
Wuͤrmern, als unſere geheimen Wohlthaͤter und
als ſehr thaͤtige Beamte der natuͤrlichen Polizey
betrachtet zu werden. Alles was fault, alles, was
mit ſeinen mephitiſchen Ausduͤnſtungen die Luft,
die wir unaufhoͤrlich einathmen und erneuern muͤſ—
ſen, verpeſten wuͤrde, iſt der Allgewalt dieſer Ve—
getabilien unterworfen, die es in kurzer Zeit auf⸗
zehren und umwandeln. Und wenn auch welche von
dieſen geſchaͤftigen Polizeyſoldaten ſelbſt wieder zum
r Champ. I. p. 64.
CVH
Genuß TONER N RR find und, wer weiß aus wel—
chen Urſachen, nicht brauchbar ſeyn ſollen; ſo hat
die Natur an ihnen doch alles gethan, was ſie
thun konnte, um ſie uns ſchaͤtzbar und merkwuͤr—
dig zu machen, da ſie dieſelben bald durch die
Anmuth ihrer Geſtalt und durch die ausgeſuchte—
ſten Schoͤnheiten der Faͤrbung ausgezeichnet, bald
durch verſchiedene mittelbare Nuͤtzlichkeiten mit uns
wieder auszuſoͤhnen verſucht hat, da ſie naͤhmlich
entweder als Arzneymittel, als Fabrikationsſtoffe
oder als Nahrung für andere uns nuͤtzliche Thiere,
endlich auch ſelbſt als nuͤtzlich und preißwuͤrdig ge⸗
ruͤhmt zu werden verdienen.
In der That, es iſt ein ruͤhrender und Herz—
erhebender Anblick, die faſt an Eitelkeit graͤnzende
Bemuͤhung der Natur gewahr zu nehmen, womit
ſie ſich ereifert, alles Haͤßliche hinweg zu ſchaffen,
alles Eckelhafte zu verſtecken und alles Todte in
neues jugendliches Leben zu verwandeln. Wer die
Natur noch niemahls in ihrer Werkſtaͤtte beſucht,
ich möchte lieber ſagen; bey ihrer Toilette uͤber—
raſcht hat: der gehe hinaus in den Wald und be—
trachte die reizende Gruppirung der Erdſchwaͤmme,
vornaͤhmlich die der Bilzlinge, der Taͤublinge, der
Praͤtlinge u. d. gl., der ſehe wie fie im ausgefauls
ten Pappelbaume ungeheure Maſſen vom Boletus
citrinus gufgethuͤrmet, die eine Pracht darſtellen,
CVIII
der alle Blumen Indiens weichen; der unterſuche
die zahlloſen und oft hoͤchſt merkwuͤrdigen Varie—
täten der Baͤnderſchwaͤmme und alle die Wunder:
geſtalten von Schwaͤmmen die die Eiche und der
Weidenbaum hervorbringen. Wer aber nur allein
die großen, in die Augen fallenden Naturſchoͤn—
heiten ſeiner Aufmerkſamkeit wuͤrdigen wollte, der
wuͤrde ſich einen großen, ja bey weitem den größe
ten Theil ihrer Ergögungen entziehen. Das Ver—
groͤßerungsglas entdeckt uns nicht allein die Ge—
heimniße der Organiſation, ſondern auch ſolche
Bildungsformen, welche durch ihre Neuheit, durch
Zeichnung und Farben, durch Contraſt und Ana—
logie und ſehr oft durch gewiſſe uns uͤberraſchende
Erinnerungen und Aehnlichkeiten mit ganz andern
Dingen in der Seele des Beobachters wahres Ent—
zuͤcken erwecken und ihm einen Geſchmack ein:
floͤßen, der ſeinen Neigungen auf die Zeit ſeines
Lebens eine eigene Richtung mittheilet und ihn auf
ewig vor allen verkehrten, thoͤrichten und Natur—
widrigen Begierden verwahret. Wer einmahl mit
Erfolg in dieſe Gefilde der optiſchen Schoͤpfung
eingedrungen, der kennt in Zukunft nur eine
einzige Leidenſchaft, die alles uͤberwindende Liebe
der Natur und der Wahrheit!
Im Wald und Feld, auf Bergen und in
a Gruͤnden
CIX
Dich, unausſprechlich Maͤchtiger,
Unendlich Guter, Herrlicher,
Gott, aller Welten Gott! Dich ſuchen und Dich
f finden;
Selbſt da, noch da, dich finden, wie du biſt
Und wie du wirkeſt, Du, deß Nahme heilig iſt,
Wohin dem ecklen Stolz den Blick zu richten
grauet, ö
Wohin ſogar der Geiz nicht ſchauet,
Welch' eine Seeligkeit!
O Luſt, durch kein Gewiſſensnagen, |
Kein Ungeſtuͤmm im Herzen und im Magen,
Nicht durch Transſcendentalitaͤten
Und keinen Qualm der Interpreten
Geſtumpft, verbittert und entweyht!
— — —— — Pp — c — —ů ͤ .. —
— — ꝶ——— — — —— — —
Heyl! Heyl dem Mann, den nichts ſo ſehr ver—
| gnügt,
Als uͤberall nach Gott zu fragen,
Um Ihn den Wurm, den Halm, den Schim—
mel zu befragen!
Denn ſonder Antwort werden ſie
Fuͤrwahr ihn nie entlaſſen; aber wie,
O, wie wird ſolche ſtaͤts ſein Herz durchgluͤhn!
f wie wird
CX
Den wilden Forſt, den er durchirrt
In einen Tempel ſchnell verwandelt er erblicken!
Welch' froh Erſtaunen, das aus weitem Aug'
| ihm quillt!
Ha, welch ein ſchauderndes Entzuͤcken,
Das mit des nahen Gott's Gefuͤhl ſein Herz
durchdringt!
5 Tode.
Doch nicht allein Bildung und Farbe ſtehen
der Natur bey der Familie der Schwaͤmme zu Ge—
bothe. Ihnen iſt auch die lieblichſte Parfuͤmerie der
Lilien und Roſen nicht fremde. Der Duft des
wohlriechenden Weidenſchwammes ſo wie der des
Rauchſchwammes (Boletus fumosus) ahmet dem
Badian (Illicium anisatum) nach und ſcheint ihn
noch an Feinheit zu uͤbertreffen. Es iſt in der That
ſehr frappant, fo eleganteGeſchoͤpfe in der ſchlechteſten
Heimath faulender und ganz vermorſchter Weiden—
baͤume zu finden. So entwickelt ſich aber auch zu—
weilen das glaͤnzendſte Genie des Dichters oder des
Helden in der elendeſten Dunkelheit einer armſee—
ligen Strohhuͤtte, oder wohl gar 5 Treppen hoch
in der Dachſtube des Schneiders!
Die Ceratophora Fribergensis des Hum⸗
boldt (Perſoons Boletus odoratus verbreitet einen
ſehr angenehmen Veilchengeruch, wenn ſie ver—
brennt wird. Es wuͤrde ſich ein artiges Verzeich—
CX
niß von den wohlriechenden Schwaͤmmen ſammeln
laſſen; aber ich muß abbrechen um nicht über die
Graͤnzen meines vorgeſetzten Planes auszuſchweifen!
Alles in der Natur ſteht mit einander in Zu—
ſammenhang, eines iſt um des andern willen da.
Gaͤbe es z. B. keine Inſekten; ſo wuͤrden ſo viele
Tauſend Gewaͤchsarten, deren Befruchtung nur
von ihrer Beyhuͤlfe abhaͤngt, ausſterben, und
viele unſerer nuͤtzlichſten Hausthiere wuͤrden vor
Hunger verſchmachten. Wir kennen indeſſen dieſe
Nothwendigkeit aller Exiſtenzen und ihrer Ver—
richtungen im Detail noch ſehr wenig: aber wir
kennen genug davon um uns zu uͤberzeugen, daß
auch die uͤbrigen Arten, deren Beſtimmung in der
Haushaltung der Natur wir noch nicht erforſcht
hahen, eine aͤhnliche, wenigſtens eben ſo weiſe
und eben ſo wohlthaͤtige Beſtimmung haben muͤſ—
ſen. Unter der zahlloſen Menge der mikrokosmi—
ſchen Thierchen giebt es ſehr viele, die faſt einzig
von den Schwaͤmmen zu leben ſcheinen, ja man
wurde ſogar vor nicht gar langer Zeit in den Irr—
wahn gefuͤhrt, daß die Schwaͤmme ſelbſt Thiere,
eine Art von Corallgewaͤchs waͤren, daß ſich ſein
Haus Pflanzenfoͤrmig baute, wie ſo viele andere
Zoophyten der Meere. Dieſer Irrthum wurde
unter andern auch durch die chemiſche Analyſe der
Schwaͤmme bekraͤftigt, da man fand, daß ſie auf
CXII
trockenem Weege Waſſer a flüchtiges Del, etwas
Kohlenſaures Gas aber nur hoͤchſt wenig Koh—
lenſtoff geben, die vorzuͤglichſte Urſache ihres
ſchnellen Wachsthumes, da ſich dieſes immer im
umgekehrten Verhaͤltniſſe gegen die Menge des
vorhandenen Kohlenſtoffes zeiget! Allein die Er—
fahrung mußte uns auch bald wieder eines beſſern
belehren, daß naͤhmlich alle dieſe Thierchen nur
Gaͤſte und keine Beſtandtheile der Schwaͤmme ſind;
zumahl die Arten dieſer Paraſyten oͤfters in einem
und demſelben Schwamme verſchieden und zum
Theile auch ſchon von unſern Entomologen benannt
ſind. Alle dieſe Thierchen nun leben Hordenweiſe
in den Schwaͤmmen. Ein einziger Schwamm iſt fuͤr
ſie nicht ein Haus — nein! eine große volkreiche
Hauptſtadt! ſie naͤhren ſich davon, ſie bewohnen
dieſelben, ſie finden allerley Stoffe zu ihren ander—
weitigen Beduͤrfniſſen in denſelben. Daß auch an—
dere Thiere die Schwaͤmme lieben und ſie mit Be—
gierde aufſuchen, iſt theils ſchon gemeldet worden,
theils auch ohnedem eine allbekannte Sache. Ich
finde es demnach uͤberfluͤſſig, hierorts noch mehr
davon zu erwaͤhnen und begnuͤge mich mit der
bloßen Erinnerung an dieſe een der
Schwaͤmme. |
Die meiften Schwammarten ſcheinen Aphro—
diſiacaliſche Kräfte zu beſitzen und durch den Ges
CXIII
nuß mitzutheilen. Von den Truͤffeln, vom Gicht—
ſchwamme, von dem Fliegenſchwamme haben wir
Erfahrungen, die dieſes auffallend beweiſen. Da
ſie ſchleimigt-Gallertartige Beſtandtheile haben und
eine Quantität nackten Pollen enthalten; ſo laͤßt
ſich dieſe Eigenſchaft auch ſehr leicht ohne weitere
Erklaͤrung begreifen. Sie moͤgen daher wohl vie—
len Antheil an der Bevoͤlkerung ſowohl der thieri—
ſchen als der Menſchenwelt nehmen und die weni—
gen lethalen Faͤlle, die ſie veranlaßt haben, ſind
demnach auf der andern Seite wieder reichlich durch
die geſtaͤrkte Zeugungskraft verguͤtet!
Noch muß ich meine Leſer auf einige Kleinig—
keiten aufmerkſam machen, die wohl einſt als die
Quelle wichtiger und großer Folgen angeſehen
werden duͤrften. Durch den Geruch der Schwaͤmme
werden viele Thiere, oft aus großen Entfernungen,
herbey gelockt. Schäffer erzaͤhlt von dem Gicht—
ſchwamme, daß ſein fataler Geſtank eine Menge
Inſecten herbey gelockt, und daß er demſelben den
Beſitz von mancher neuen Art von Fliegen, zu ver—
danken habe. Wir ſehen nun in den Schwaͤmmen
ein Stimulans, das die Thierwelt in Bewegung
ſetzet, manches nuͤtzliche Thierchen herbey lockt,
das vielleicht dieſer Gegend fehlt, oder andere von
ihrem Ueberfluße befreyet!
Die paraſytiſchen Schwaͤmme (denn auch
2
F
unter den wahren Schwaͤmmen giebt es viele Pa—
raſyten!) koͤnnten in Zukunft wohl auch ein lehr—
reiches Kennzeichen uͤber die Natur und Eigen—
ſchaften intereſſanter Arzney- und Handels-Ge—
waͤchſe abgeben. Denn wenn wir auch wirklich
unter dem heißen Erdguͤrtel einen Baum antreffen
ſollten, auf welchem die naͤhmlichen Schwammar—
ten wohnen, die wir in Europa z. E. auf unſern
Eichen antreffen; fo würde es keinem Zweifel unter⸗
liegen, daß er geclimatiſirt werden koͤnne und daß
er uͤberdies auch alle die Eigenſchaften unſerer Ei—
chen beſitze. Ein Mehr und ein Weniger, das die
Sachkundigen wohl zu unterſcheiden wiſſen, ift -
bey allen Dingen zu beobachten!
Ich will es nur im Vorbeygehen beruͤhren,
daß uns die Schwaͤmme ferner durch die bloße
Mannigfaltigkeit ihrer oft ſehr frappanten Formen
nuͤtzlich werden koͤnnten. Denn es moͤchten wohl
manche darunter geſchaffen ſeyn, in dem Geiſte irgend
eines Mathematikers oder eines Maſchiniſten auf
einmahl eine Idee zu beleben, deren Ausfuͤhrung
fuͤr die Menſchheit die groͤßte Bedeutung haben
koͤnnte!
Aber dies muß ich zum Schluße noch der
Ueberlegung meiner Leſer Preis geben, daß es die
Schwaͤmme ſind, denen wir alle Beurbarung der
Erde mittelbar und urſpruͤnglich zu verdanken base
CXV
ben. Kein Gewaͤchs findet Nahrung in der rohen
von aufgeloͤßten Organiſationen noch ungeſchwaͤn—
gerten Erde. Die Flechten und die Mooſe wachen.
zwar auch auf kahlem Geſtein: allein gewoͤhnlich
hat doch ſelbſt dieſen ein Byſſus ihren Acker be—
ſtellet. Selbſt da, wo wir nichts ſehen, moͤgen
wohl die feinen Geflechte und der Kleber der My—
celien hineindringen, und ſo nach einer Reihe von
Jahren erſt Schwaͤmme, dann Algen und endlich
auch andere Gewaͤchſe empor kommen.
Wenn wir nun dieſes alles wohl beherzigen
und alle Vorurtheile aus unſerer Seele verban—
nen; fo ſehen wir uns gezwungen, unſere uͤber—
eilten Ausſpruͤche über die Verächtlichkeit der
Schwaͤmme zuruͤck zu nehmen und ſie vielmehr
für die beiten Kleinodien im Diadem der Blumen—
goͤttinn zu erkennen! | ih
Nun liegt es mir noch ob, alles was wee—
ſentlich und erprobt iſt uͤber die Genußbarkeit und
über die Gifte der Schwaͤmme zu verſammeln.
Die friſchen, unzerlegten Beſtandtheile der
Schwämme find Ammoniakaliſch-Seifenartig (und
manche faſt Urines) mehr oder weniger oͤhlicht,
waͤſſericht, ſchleimicht und in ziemlich hohem Grade
galertartıg. Aus dem allen konnen wir ſchließen,
daß ſie zur Nahrung geeignet und wenn gleich
22 |
CXVI
weniger als die Fleiſchſpeiſen, doch auch mehr als
alle die uͤbrigen Vegetabilien nahrhaft ſind.
Da aber die Subſtanz der Schwaͤmme in
Abſicht auf die Miſchung ihrer Beſtandtheile man
cherley Verſchiedenheiten unterworfen iſt; ſo folget
daraus, daß nicht alle Schwaͤmme gleich gut und
einige derſelben nur darum ungenießbar ſind, weil
ihre Lederartige oder hoͤlzerne Maſſe ſich weder
weich kochen, noch weniger aber im Magen, zu einem
Chylus aufloͤſen laßt. Praͤdominiren die Ammonia—
kaliſchen Subſtanzen; ſo kann der Schwamm zwar
weich und angenehm, aber dennoch wegen allzu—
großer Schaͤrfe fuͤr etwas ſchwaͤchliche Subjecte,
oder auch fuͤr die ſtaͤrkſten, in allzugroßer Menge
eingenommen, ſchaͤdlich ſeyn. Eigentlich narkotiſche
Kraͤfte ſcheint kein Schwamm zu beſitzen. Die
Wirkungen der Schwaͤmme, die den Symptomen
der narkotiſchen Gifte aͤhnlich ſind, duͤrften viel—
mehr ſympathetiſch von der Affection des Magens
und der Gedaͤrme, als von was anderem herruͤh⸗
ren. Srifche und reine Schwaͤmme ſchaden alſo nur
durch das Uebermaß des einen oder des anderen
der angegebenen Beſtandtheile, und in dieſem
Falle (vorausgeſetzt, daß es zu ſpaͤt iſt, den Feind
durch ein Brechmittel aus dem Leibe zu ſchaffen!)
kann freylich wohl, wie Krapf uns belehret,
das pure kalte Brunnenwaſſer, ſowohl innerlich
CXVII
genommen, als aͤußerlich im Umſchlage a
det, die erwuͤnſchten Dienſte leiſten.
Allein dieſe Art von Vergiftung, kann weder
ſehr gewoͤhnlich, noch von großer Bedeutung ſeyn!
In den meiſten Faͤllen geſchieht ſie, nach meiner
voͤlligen Ueberzeugung, bloß durch den Mißbrauch
und die Unklugheit derjenigen, die ſie aufnehmen
und zubereiten. Schwaͤmme, die noch im unrei—
fen, jungfraͤulichen Zuſtande gepfluͤckt worden,
gehen weder in Fructification, noch in Faͤulung
uͤber. Haben ſie aber einmahl die Periode ihrer
voͤlligen Entwicklung erreichet; fo bringen fie Saas
men, und oft ſchon waͤhrend dem Auswerfen deſ—
ſelben fangen ſie auch an zu verderben. Schon der
erſte Anbruch dieſer Periode, die mit der Ver—
ſtreuung des Pollen oder mit der Ausduftung der
in ihm enthaltenen Saamenfeuchtigkeit beginnet,
lockt eine Menge Ungeziefers herbey, die ſich ſehr
ſchnell darinn einniſtelt und vermehret.
Welcher von dieſen dreyen der Hauptumſtand
ſey, dem wir die Vergiftung der Schwaͤmme zu—
ſchreiben muͤſſen, weiß ich nicht beſtimmt anzu—
geben. Aber hoͤchſt wahrſcheinlich nehmen alle dreye
ihren Antheil daran: denn faule Koͤrper, zumal
wenn ſie ſehr waͤſſerig ſind, erkennet die ganze
Welt fuͤr ungeſund. Das mit den Schwaͤmmen
verſchluckte Ungeziefer, mag entweder animaliſche
CXVIII 1
Gifte entwickeln, oder man ingerirt fie noch le—
bend und ſie bringen durch ihr Straͤuben und
Kneipen in den Eingeweiden einen Reitz hervor,
welcher durch ſein Anhalten heftige Entzuͤndungen
und Kraͤmpfe erwecket und nicht leicht abzuwenden
iſt, indem dieſe Thierchen ſo klein ſind, daß ſie
nicht abgeſpuͤhlt noch erdruͤckt werden koͤnnen. Es
giebt aber mehrere Thiergattungen, von welchen
wir wiſſen, daß ſie ein ſo zaͤhes Leben haben, daß
ſie ſelbſt die Hitze des ſiedenden Waſſers eine ge—
raume Zeit hindurch ertragen konnen. Folglich
laßt es ſich begreifen, daß wohl auch gewiſſe ans
dere Arten noch eine Zeit lang in unſeren Einge—
weiden fortleben moͤgen, wenn ſie mit anderen
Dingen verſchluckt worden, oder daß ſelbſt ein ge—
lindes Kochen ſie nicht nothwendiger Weiſe toͤdten
muſte. |
Das Wichtigſte aber, was ich an den Gift:
ſchwaͤmmen fuͤr den angreifenden Theil halte,
ſind — die Sagmen der Schwaͤmme. Vorſichtige
Köche pflegen wirklich allenthalben diejenigen Theile
abzulofen und hinweg zu werfen, die wir bereits
aus dem Verlaufe dieſer Einleitung als das Hy-
menium, die Saamen tragende Haut der Schwaͤm⸗
me kennen gelernt haben. Allein manchmal mag
ſelbſt im Fleiſche noch ein Theil von dieſen Saa—
men oder wohl auch vom Pollen ſtecken bleiben!
CRIX
Dieſe Saamenbrut mag ferner bey manchen
Schwaͤmmen eine ſpezifike Kraft haben, eher als
andere in unſeren Eingeweiden zu keimen, d. h.
zu zerplotzen und ein anfangendes Mycelium
zu entfalten! Da nun aber jedes organiſche Wee—
ſen, ſo lange es lebt, in keinem andern leben
kann, ohne mit ihm im Kampf zu ſeyn; ſo er—
klaͤrt es ſich leicht, warum eine gewiſſe Menge
ſolcher Schwammkeime in unſerem Magen große
Unordnungen anrichten muͤſſe, da ſie ſich darinn
feſtzufetzen, aͤnzuſaugen und einzuniſteln bemuͤhet,
und da es den erſten Weegen eine Unmoͤglichkeit
iſt, dieſelben, ſo lange ſie leben und entgegen—
wirken, fortzufchaffen und in unſere Subſtanz
zu verwandeln. Daß es in dieſem Falle ſehr viel
auf die Integritaͤt und die Kraft unſerer Digeſtion
ankomme, begreift ſich von ſelbſten, und die ſuc—
seffive Angewoͤhnung an einen gewiſſen Reitz kann
auch bewirken, daß wir ihn endlich ertragen ler—
nen, ohne ihn weiter laͤſtig zu finden. Die Empfin—
dung abſtumpfende Mittel (Paregorica) ſcheinen
daher am meiſten angezeigt zu ſeyn, bey einer
Schwammvergiftung dieſer letzten Art“).
Ich habe auch des Pollen erwaͤhnet; und
dieſer mag manchmal mit den Reitz vermehren hel—
) Jedoch nur in fo lauge, als noch keine Entzündung ror⸗
handen iſt: denn alsdann ifi wieder der Gebrauch des ka
ten Waſſers das ſicherſte und einſachſte Specificum!
CXX
fen und in gewiſſen Arten der Schwaͤmme ſehr tief
in die Subſtanz des Koͤrpers hinein verbreitet ſeyn.
Dies vermuthe ich insbeſondere von jenen Arten
der Schwaͤmme, deren Fleiſch beym Anbruch oder
Durchſchnitt ſtrahlenförmig anlaͤuft und gruͤn oder
livid wird, welche Farbe wir jedesmahl auch
an den frey liegenden Kuͤgelchen der beyden Sexual—
organe in dem Hymenium des Schwammes er—
blicken.
Will man ſich alſo vor Vergiftungen durch
den Genuß der Schwaͤmme huͤten; ſo waͤhle man
vor der Hand keine anderen, als welche hier als
eßbar und gefahrlos ſind aufgeſtellet worden; und
will man ja auch andere verſuchen; ſo nehme man
nur junge unentwickelte Exemplare, trenne La—
mellen, Roͤhrchen, Stacheln und was dergleichen
mehr Formen des Hymeniums find, mit aller Vor:
ſicht davon ab, zerſchneide uͤbrigens den Schwamm
in kleine Spalten, waſche dieſe rein und zu wie—
derholten Mahlen im Brunnenwaſſer aus und
koche ſie ſehr lange mit einem Zuſatz von Kochſalz
und Zwiebeln.
Es giebt ſchlechterdings keine allgemeinen cha—
racteriſtiſchen Merkmahle der giftigen Schwaͤmme.
Doch ſind diejenigen, die beym Anbruche ſchnell
die Farbe ihres Fleiſches veraͤndern und blau oder
bleyfarbig werden, meiſtens fuͤr verdächtig zu hal⸗
CXXI
ten. Auch die Milchtriefenden Schwaͤmme find wer
gen ihrer Scharfe im Allgemeinen für bedenklich
zu halten.
Will man Schwaͤmme pruͤfen, ob ſie eßbar
oder giftig fegen ? fo verdienen folgende Methoden
als vorzuͤglich empfohlen zu werden.
a) Man lege einen Silberloͤffel und eine ge—
ſchaͤlte Zwiebel in die Bruͤhe und laſſe ſie eine ge—
raume Zeit mit den Schwaͤmmen ohne anderen
Zuſatz kochen. Lauft der Löffel an oder wird
die Zwiebel ſchwaͤrzlich; ſo ſind die Schwaͤmme
fuͤr giftig zu halten.
b) Man verkoſte ein Stuͤckchen davon ganz
roh und behalte es lange im Munde. Zeigt ſich
dann ein widerlicher Geſchmack, ein eckelhafter Ge—
ruch oder eine Schaͤrfe, ſo iſt die Art, von der
es genommen iſt, ebenfalls zu verwerfen.
c) Man beobachte die Merkmahle einmahl
eßbar befundener Schwaͤmme ſehr genau und auch
eine geringe Abweichung in der Farbe, mache ſie
uns verdaͤchtig!
d) Von Schwaͤmmen, die man nicht ſehr
wohl kennet, wage man es nicht, gleich die erſten
Mahle eine groͤßere Quantität zu genießen.
e) Man ſchreibe nicht auf die Schuld der
Schwaͤmme was etwa ein verdorbener Magen,
eine uͤble Dispoſition oder eine ſehr widernatuͤr⸗
CXXH
liche Vermiſchung heterogener Subſtanzen zuwege
gebracht hat. ?
Daß aber an den uͤblen Wirkungen der
Schwaͤmme größten Theils unſere verderbte Natur
und kraftloſe Verdauung naͤchſt der fehlerhaft en
Zubereitung Schuld ſey, beweiſet das Beyſpiel
einiger Rußiſchen Nationen, die faſt einzig von
Schwaͤmmen leben und mit unter auch viele von
denjenigen verzehren, die wir für giftig halten,
wie z. B. die Bilzlinge.
»In den waldigten Gegenden (ſagt Pallas“)
iſt der Genuß der Schwaͤmme naͤchſt dem Brod die
gewoͤhnlichſte und faſt einzige Faſtenſpeiſe des ar—
men Landvolkes, auf den Winter werden einige
Arten getrocknet, andere eingeſalzen, aufbewahret.
Ueberhaupt genießt man in Rußland (den Fliegen—
ſchwamm und einige kleine magern Pilze, auch
die ſtinkenden Miſtſchwaͤmme ausgenommen) faſt
alle andere Arten, auch, wenn ſie ſchon wurm—
ſtichig und dem Untergange nahe ſind, und doch
hoͤret man nicht, daß dieſe Gewaͤchſe, ſo wie ſie
der Landmann hier zu genießen pflegt, naͤhmlich
bloß mit Salz, oder mit Oehle geſotten, oder
nur mit etwas Salz verkehrt auf die Kohlen ge—
ſetzt und halb gar gebraten, jemahls ſchaͤdlich ge—
worden ſeyen: alle eßbaren Arten, deren eine vor
*) S. Pall. Reiſen 1 Thl. S. 43.
CXXIII
der andern haͤufiger zu entſtehen pflegen, weiß
das Volk mit Rußiſchen Nahmen zu unterſcheiden.
Es ſind darunter auch ſolche, welche man in an—
dern Landern als ſchaͤdlich verwirft.“ u. ſ. w.
Wie viel die Gewohnheit von Jugend auf
vermoͤge, den Menſchen ſelbſt an den Genuß der
ſtaͤrkſten Giftſchwaͤmme zu gewöhnen, beweiſet das
Beyſpiel der Kamtſchadalen und der Koraͤken, die
den Fliegenſchwamm eſſen, um ſich zu berauſchen
und in eine gewiſſe Wuth zu gerathen, wenn ſie
zu Felde ziehen oder jemanden umbringen wollen.
Ja die Begierde nach dieſem Genuß geht bey den
Koraͤcken fo weit; que lorsqu'un homme en
est yvre pour en avoir manger, ils ne lui
permettent pas de pisser par terre, mais ils
lui donnent un vaisseau, et boivent son urine,
s’imaginent, qu'elle produit le méëme effet,
que le Champignon: la dose est de trois ou
quatre, mais lorsqu'ils veulent s’enyvrer,
ils en mangent jusqu'à dix”*),
1 x
*) Krascheninnikow Histoire de Kamtschatka ete. etc. trad.
du Russien ete. Sie machen auch eine Art von berauſchen—
dem Getraͤnk davon, das fie Mukhamorr nennen. S. Leſſep's
Reiſe von Kamtſchatka nach Frankreich II Thl. und Krünitz
Encyclopaͤdie die Artig eln: Jakuten und Bamsfcheife.
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I. Die Truͤffel (Tuber eibarium
Pers.)
S. Wachspraͤp. A und Abbild. Tab. A.
Die Trüffeln, von welchen hier die Rede iſt,
werden fonit auch die ſchwarzen Trüffeln, Tar—
tüffeln, Erdſchwämme, Erdnüſſe, Erdmorcheln,
im Franzöſ. Truffes, Ital. Tartufi. Engl.
esculent Puff-ball oder Truffles, Span. Cria-
dillas (Teſtikel), Portug. Tortuthos, Holl.
Tartuffels, oder auch Aardbuilen, Dan. Tröfs
ler, Schwed. Haräpple, Poln. Tartufole,
Ruß. la Tartuffle, Ungar. Szarvas gomba
oder Szarvaska genannt.
Ungeachtet ſie nicht zu der eigentlichen Fa⸗
milie der Schwämme gehören, weil ſie ihre Fort—
pflanzungskörner (die Schwammkeime, Sporu-
lae) nicht an der Oberflache der Geſchlechts haut
A
2
(Hymenium) hervortreiben, fondern fie inners
lich in einer Art von Fruchthülle verbergen: ſo
müſſen ſie dennoch in einem Werke abgehandelt
werden, deſſen Beſtimmung Popularität, deſſen
Gegenſtand derjenige Theil der Speiſematerialien
iſt, welchen man im gemeinen Leben mit dem
Nahmen der Schwämme zu bezeichnen gewohnt
iſt, und den fait alle Schriftſteller (die allerneues
ſten allein ausgenommen) denſelben beyzuzählen
pflegen. |
Die Trüffeln wurden vormahls für eine ein,
zige Art von Kugelſchwamm gehalten, und dem
zu Folge auch im Linneeiſchen Sexualſyſtem und
vielen andern Werken unter der Benennung Ly-
coperdon tuber aufgeführet. Allein mit vollem
Rechte hat man in den neuern Zeiten die Trüffel
zu einer eigenen Gattung erhoben, und verſchiede—
ne Arten derſelben nach dem Verhältniß ihrer Ges
ſtalt und Farbe unterſchieden. So hat man dann
jetzt 1) die Trüffel (Tuber cibarium), 2) die
weiße Trüffel (Tuber album), 3) die graue
Trüffel (Tuber griseum), 4) die Bieſamtrüf—
fel (Tuber moschatum), 5) die Sommertrüf—
fel (Tuber aestivum), mit welcher letztern auch
die grünliche Trüffel des Albertini und Schwei—
nis (Tuber virens) in eine einzige Art vereini—
get zu ſeyn ſcheinet. Noch gibt es hier und da
Benennungen von Trüffeln, welche einige andere
3
bisher noch unbeſtimmte Arten anzuzeigen ſchei—
nen. Ins beſondere aber habe ich vor einigen Jahr
ren von der Hochfürſtl. Batthyaniſchen Herrfchaft.
Enzersdorf eine ämtliche Beantwortung des all—
dort angeſtellten Wald- und Revierjdgers und
Walderxaminators, Herrn Carl Meiſters, auf
24 von mir entworfene die Naturgeſchichte der
Trüffel betreffende Fragen erhalten, worunter die
ı5te Autwort eine neue Art zu betreffen ſcheinet,
über deren nähere Aufklärung ich mich bisher ver-
geblich bemühet habe, genauere Nachrichten zu
erhalten. Es heißt nähmlich daſelbſt: „Es gibt
rothe (Trüffeln), welche die kleinſten, weiße,
welche größer, und ſchwarze, welche die größten
und ſchmackhafteſten ſind; die rothen und weißen
wachſen am häufigſten im Leimichten (Lehmigen),
dagegen die ſchwarzen nur im ſchwarzen Boden
gefunden werden“ Was bier unter der rothen
Trüffel verftanden werde, iſt mir gänzlich unbe—
kannt; es müßte denn nur eine Abart der ſoge—
nannten Sommertruffel von den Förſtern ſo ge—
nannt werden
Die Trüffel iſt ein unordentlich geformter,
mehrentheils ziemlich eyförmiger, zuweilen aber
auch ganz Eugelrunver Knollen, an welchem man
derſchiedene Eindrücke und Vertiefungen bemerkt,
die theils von dem Aneinanderliegen mehrerer
Stücke derſelben, theils von dem Druck der nar
A 2
4
be dabey befindlichen Steine, Wurzeln und an-
derer harten Körper herzurühren ſcheinen. Außer
dieſen größern Unebenheiten iſt auch die ganze
Oberfläche derſelben mit gedrängten niedergedrück—
ten und ganz ſtumpfkantigen Pyramiden, wie
mit einer mineraliſchen Druſenrinde umgeben.
Dieſe ſind aber ſehr unregelmäßig, 3, 4, 8 und
mehrſeitig, bald mit flachen, bald mit einge—
drückten Seiten, und ihre Größe varirt im Durch—
meſſer von 1 bis zu 3 Linien, beſonders nach dem
Alter und der Reife der Trüffel. Noch gibt es zu—
weilen Riſſe oder Spalten in der Rinde der Trüf—
fel, wo dann die weißliche Subſtanz hervorbricht,
ſo wie öfters z. B. an der Ananas die Schale
zerplatzet, und das ſchmackhafte Fleiſch hervor—
blicken läßt. Von außen iſt nähmlich die Farbe
der Trüffel ein bräunliches Grauſchwarz, faſt wie
bey dem Federharze oder wie bey derjenigen Art
von Steinkohlen, die man Holzkohlen nennet.
Von innen iſt ſie ſchmutzigweiß, mit zarten roth—
bräunlichen Adern marmorartig durchzogen, und
ſieht daher im Durchſchnitt einer Muskatnuß
ziemlich ähnlich. Im jüngern Zuſtande ſind beyde
Farben, ſowohl die äußere als die innere, hel—
ler, und durch die Verweeſung aſſimiliren ſie ſich
endlich wieder der Erde, in welcher fie entſtanden.
Da die Trüffel nur unter der Erde wächſt,
ſo ſcheint es nicht nöthig zu ſeyn, ſie mit andern
4
5
überirrdiſchen, z. B. Kugelſchwämmen, zu vers
gleichen. Indeß mag es auch zum Ueberfluß ge—
ſagt ſeyn, daß die Trüffel keine Spur von einer
Wurzel an ſich hat, daß ſie ſich niemahls öffnet,
und daß ihre Subſtanz ſich niemahls in Staub,
Brey oder Waſſer auflöſet. Am leichteſten könnte
ſie allenfalls, jedoch ohne Gefahr, mit den übri—
gen Trüffelarten oder mit der Kirſchbrunſt CScie-
roderma cervinum) verwechſelt werden. Man
darf jedoch nur die rauhe druſenartige Oberfläche
im Gedächtniſſe behalten, ſo iſt es bey allen übri—
gen Vergeſſenheiten unmöglich, in einen ſolchen
Verſtoß zu gerathen.
Der Geruch der friſchen Trüffel, welcher an
dem jungen Gewächs ſehr ſchwach, an der fau—
lenden Pflanze hingegen abſcheulich iſt, fällt wäh—
rend dem Zeitpuncte ihrer beſten Reife in ein Ges
miſch von flüchtigem Laugenſalz, gas artigen Koh—
lenſtoff und den Dämpfen von kochendem Fleiſche.
Der Geſchmack iſt mehlicht, etwas ſeifenartig,
und ich finde noch überdieß in demſelben eine vor—
zügliche Aehnlichkeit mit dem Geſchmacke der gu—
ten Kaſtanien, jedoch gleichſam mit einer Würze
von Kalmus und mit einer ſchwachen Spur des
Duftes von friſchgegärbtem Pferdeleder.
Der Genuß der Trüffel belebt das Nerven—
ſyſtem der Hydnophagen mit einer wollüſtigen
Regbarkeit, gleichwie fo manche andere Pflan⸗
6
zenproduete aus der Familie der Orchideen, der
Scitamineen, Liliaceen u. dal. Der Grund die
fer Wirkung ſcheint in der höchſt verfeinerten Bes
ſchafferheit der nährenden Subſtanz zu beruhen,
welche unverändert von den lymphatiſchen Gefä⸗
fen in das Geblüt abgeſetzt wird, und dann ges
rade nur ſo viel zu wenig homogeniſirt iſt, um
in denjenigen Organen, welche aus den letzten
Endigungen der Blutgefäße den Erſatz der verlor—
nen Beſtandtheile erhalten, eine ungewöhnliche
Senſation zu erwecken, ohne ſie zur gänzlichen
Verſchließung des Durchzuges zu reizen. Viel—
leicht hat auch wirklich, wie Haller und einige
Andere zu vermuthen ſcheinen, die Subſtanz der
Trüffel einige materielle Aehylichkeit mit den wer
ſentlichen Subſtanzen des thieriſchen Körpers oder
mit dem Zeugungsſtoffe. Zum wenigſten läßt der
Ge duch, und ſelbſt der Geſchmack derſelben, eine
ſolche Vermuthung nicht ganz ohne Rechtfertigung.
Und wenn es alſo iſt, ſo wird es um ſo viel be—
greiflicher, daß eine eingenommene Nahrung den
Geſchlechtstrieb erwecket, weil ſie in dem Körper
dasjenige Reizmittel verbreitet, welches unter ges
wiſſen Umſtänden von der Natur ſelbſt hervorge—
bracht werden ſollte, aber vielleicht wegen irgend
einer Stockung in den Gefäßen oder wegen Er—
müdung der Nervenkraft mangelt. Die Trüffel
iſt demnach ein Aphrodiſiacum, und zwar von vor—
7
züglicher Gattung, eine wohlthätige Gabe des
Himmels für diejenigen, die ihrer bedürfen. Der
ſto mehr ſollen und mögen fie aber auch dieſeni—
gen meiden, welche dazu keine Veranſaſſung has
ben, damit ſie nicht in Gefahr gerathen, mit
einem innerlichen Feinde zu kämpfen, und eine
Flamme zu vertilgen, die fo leicht ein heilloſes
Unglück anrichten kann, genöthiget werden, da
es weit leichter iſt, den erſten als den letzten Ge—
fahren zu entweichen. Obgleich die Trüffel, wie
aus dem Bisherigen erhellet, ein unſchädliches
Nahrungsmittel iſt, ſo verdient ſie deßwegen doch
nicht unbedingt empfohlen zu werden. Man hat
Erfahrungen, ſagt Houttuin, daß Leute durch
den unmäßigen Gebrauch den Tod davon gegeſ—
ſen haben. Man kann ſich nun freylich wohl auch
an andern unſchädlichen Nahrungsmitteln zu Tod
eſſen und zu Tod trinken. Aber doch an manchen
früher! Alle reizenden Subſtanzen find in dieſer
Betrachtung bedenklicher als die bloß nährenden,
z. B. Pfeffer mehr als Brod, Wein mehr als
Waſſer, Salz mehr als Honig u. ſ. w. Allein
auch noch aus andern Urſachen iſt der Genuß der
Trüffeln, ſo wie der Genuß aller Arten von
Schwämmen, minder empfehlungswürdig. Wenn
nähmlich die Trüffel auch nur im geringſten Gras
de überreif geworden, ſo pflegen ſich zahlloſe
Schmarotzer aus dem Heere der Inſecten dabey
8
einzufinden, die ihre Labyrinthe mit haſtiger Ges
ſchäftigkeit durchwühlen, und die, indem ſie für
ſich nur Lohn und Befriedigung ärndten, zugleich
den ihnen von der Natur angewieſenen Poſten
beſtellen, und eines ihres wichtigſten Berufsge—
ſchäfte erfüllen, indem ſie das Faulende hinweg—
ſchaffen und die neue Erzeugung befördern. Denn
da die Trüffel von ſich ſelbſt ſich nicht öffnet, und
noch überdieß unter der Erde begraben liegt, ſo
würde ſie ſich weder fortpflanzen noch vermehren
können, wenn nicht ſolche dienſtfertige Gehülfen
beſtellt wären, die ihre Keime befreyen und von
einer Stelle zur andern bringen müſſen. Aber
eben dieſe Inſecten find es auch, deren Gegen,
wart entweder die Subſtanz der Schwämme vers
giftet, oder die vielleicht, was mir das Wahr—
ſcheinlichere zu ſeyn ſcheinet, als die der ficherften
Zeugen einer bereits durch Alter und Faulung gif—
tig gewordenen Weeſenheit erklärt werden muß.
An ſich betrachtet, und mit Hintanſetzung al—
ler Vorurtheile des Luxus und der Mode, ver—
dient es die Trüffel bey weitem nicht, von den
Magnaten und Reichen ſo hoch geſchätzt zu wer—
den, als ſie es von den älteſten Zeiten zu ſeyn
pflegte. Man könnte, bey einer goͤwiſſen Zubereis
tung, an tauſend andern Dingen vielleicht einen
eben ſo guten, vielleicht einen noch beſſern Ge—
ſchmack finden, wenn es nur Mode wäre. Wir
9
ſehen mitleidig auf unſere kraftvollen Stammvä—
ter, wenn wir im Tacitus leſen, daß ſie ſich von
Eicheln und Haſelnüſſen ernährten. Aber was iſt
wohl für ein anderer Uaterſchied unter den heu—
tigen und den damahligen Lebensmitteln, als ein—
zig in der größern Mannigfaltigkeit und in der
Zubereitung derſelben? — Wäre nicht das Vor—
urtheil allmächtig, die deutſche Eichel würde bald
das arabifhe Gift der Coffeeſtaude, und der va—
terländiſche Kalmus den weſtindiſchen Ingwer vers
drängen. Die Trüffel ſey immerhin wohlriechend,
edel, köſtlich, nahrhaft, geſund, beilſam; —
der Champignon, der Raßling, der Röthling,
der Goldbrätling, der Nagelſchwamm, die Mor—
chel und der Herrnpilzling find es nicht um fo gar
viel weniger. — Doch es ſey ferne von mir, daß
ich dieſer Lieblingsſpeiſe einiger Trüffelfreunde ih—
ren Werth bekämpfen wollte! Es iſt in fo mans
chen Ländern, wo nicht die Jäger das Monopol
in den Händen haben, ein wahrer Himmelsſeegen
für die armen Landleute, daß ſie ſich mit dem
ohnehin mühſamen Aufſuchen dieſer Afterſchwäm⸗
me einiges Geld verdienen mögen!
Man kauft die Trüffeln nach dem Gewichte.
Die Preiſe aber ſind ſehr ungleich, nach Verſchie—
denheit der Jahrszeit und des beſſern oder ſchlechtern
Gedeitens. Zu Markte pflegen fie bey uns nicht
gebracht zu werden, ſondern die Specereyhändler
10
löͤſen ſolche in größern Quantitäten denen Herr⸗
ſchaften, Jägern oder Landleuten ab, und ob ſie
gleich die meiſten aus Ungarn, Mähren und Stey—
ermark, ja ſelbſt aus Oeſterreich erhalten, ſo
müſſen ſolche demungeachtet beym Verkaufe für
italiäniſche und franzöſiſche gelten. Ehemahls, als
noch alle Trüffeln aus Italien nach Deutſchland ver—
ſchrieben wurden, koſtete das Pfund 10 Thlr., und
nicht ſelten noch mehr. Seitdem find fie weit über die
Hälfte im Preiſe gefallen. Doch iſt es ſchwer, bey
dem gegenwärtig ſo wandelbaren Werthe aller
Waaren, ihren Preiß beſtimmt anzugeben. Die
Mayländiſchen in Oehl eingelegten koſteten vor ei—
nigen Jahren das Pfund zwey oder drey Thaler.
Die Vinaigriers in Paris verkaufen auch Truf-
fes marinsées. Aber ſelbſt in Frankreich iſt ihr
Preiß ſehr veränderlich. Zuweilen koſtet in An—
goumois das Pfund nur ı5 bis 20 Sols
(nähmlich im J. 1779), und wenige Tage hers
nach wohl 100 Sols, wenn nähmlich ſtarker
Froſt und Schnee einfällt. Für reiche Tafeln wird
auch dort wohl eine Trüffel, die von vorzüglicher
Güte iſt, und ein Pfund wiegt, für einen Louise
d'or gekauft. Nach Hamburg kommen dieſe
Schwämme in Fäſſern oder Kiſten aus Bourdeaux
und Mar ſeille. (S. Beckmanns Vorb. zur Waa-⸗
renkunde, 2. Th. S. 72). Man pflegte übrigens
die meiſten ausländiſchen Trüffeln, ſowohl die
11
eingemachten als die marinirten, in Deutſchland
aus Aix, Avignon, Bourdeaux, Cette und Niz—
za zu verſchreiben.
Meines Wiſſens wird die Trüffel zu nichts
weiter als zur Speiſe verwendet, und zwar nur
für die ausgeſuchteſten Tafeln. Zwar pflegen ſie
hier und da in Gegenden, wo ſie häufig gefunden
werden, von den Sammlern ſelbſt genoſſen zu
werden, indem ſie ſolche bloß in der Aſche braten
und dann die Haut abſchälen oder abſchaben. Man
bringt ſie nach Art der Kaſtanien gebraten und
geſchält und in eine Serviette eingewickelt auf die
Tafel, wo ſie dann, weil ſie warm erhalten wer—
den, den fo beliebten Duft nicht allein im Zim—
mer, ſondern wohl im ganzen Hauſe verbreiten.
Manche pflegen ſie auch mit Butter zu röſten,
nachdem ſie ſie vorher in zarte Scheibchen zerſchnit—
ten. Die alten Römer pflegten fie mit Oehl, Pfef—
fer und Wein zuzubereiten. Auf den Tafeln der
Vornehmen erſcheinen ſie heut zu Tage ſelten als
eigentliches Gericht, ſondern meiſtens nur als
Würze, indem man Schildkröten, Rohrhühner
und verſchiedene Fiſche damit zubereitet, und in
Verbindung mit köſtlichen Brühen, Citronenſaft
und allerley Gewürzen auftiſchet. Um vollends die
ganze Würze des Trüffelduftes in den Gerichten
zu erhalten, pflegen die Köche die abgelößten
12
Schalen mitzukochen, und erſt vor dem Anrichten
der Speiſe ſolche wieder heraus zunehmen.
Die alten Griechen und Römer kannten und ver—
ehrten dieſe Schwämme als eine vorzügliche Lecker—
ſpeiſe. Bey den erſtern hießen fie dove, bey den letz
tern tubera terrae. Sie geben, vorzüglich Pli—
nius, ihre Kennzeichen, ihren Standort, ihre Far—
be, Subſtanz, Bau und Größe, die Bedingniſſe ihr
res Gedeihens, den Unterſchied der Jahreszeiten,
ihre Dauer und Verweſung, endlich auch ſogar
ihren Geſchmack, Gebrauch, Zubereitung und
Verwahrung an. Zum Aufſuchen derſelben wuß—
ten ſie ſich nicht, wie wir, der Hunde und der
Schweine zu bedienen, ſondern ſie erkannten ihre
verborgene Gegenwart aus gewiſſen Erhebungen
des Bodens, aus den Riſſen in demſelben, und
aus der Gegenwart gewiſſer Pflanzen, die nach
dem Zeugniſſe des Atheneus araanon und vvopuR-
N bießen. Was aber dieſes für Pflanzen gewe—
ſen, darüber bin ich nicht im Stande eine befrie—
digende Antwort zu ertheilen. Handel iſt aller—
dings auch ſchon damahls mit dieſer Waare ge—
trieben worden, weil ſie ihre beſten Trüffel, ſo
wie wir noch heut zu Tage, aus dem Innern von
Afrika, aus den Numidiſchen Wüſten erhielten.
Die Trüffel hat demnach die Ehre, mit dem
Weinſtock und mit dem Roggen für eines der äl—
teſten und verbreitetſten Lebensmittel der Menfchen
13
und für einen der älteſten Handelsartikel erkannt
zu werden, ohne jemahls ihren großen Anwerth
bey den Tafeln der Mächtigen und der Reichen
zu verlieren. Eine Erfahrungs ſache, die gewiß
bewundert zu werden verdienet, da es doch ſo
viele hundert andere minder berühmte Waaren
gibt, die ſie ſowohl an Güte als an Nutzbarkeit
übertreffen. Die Belege der hier abgehandelten
Geſchichte findet man bey Beckmann a. a. O. S.
73 u. f
Da die Trüffeln nicht, wie andere Schwäm—
me, friſch zu Markte gebracht, und auf der
Stelle verſpeiſet, ſondern zum Handel beſtimmt,
und oft über ein Jahr aufbehalten werden; ſo
verſteht es ſich von ſelbſt, daß auch gewiſſe
Vorſichtsregeln zu dieſer ihrer Aufbewahrung er»
forderlich ſind, ohne welchen ſie in kurzer Zeit
verfaulen oder verdorren und verderben müßten.
Sie beſtehen im Folgenden: Man reinigt die fri⸗
ſchen aus der Erde genommenen Trüffeln mit lei—
nenen Tüchern von allem Schmutze, wickelt hier—
auf jede beſonders in ein mit Wachs getränktes
Papier, und verwahret fie in einem gläfernen
hermetiſch verſchloſſenen Gefäße. Dieſes Gefäß
legt man ſodann in einen Zuber, worin man von
Zeit zu Zeit friſches Waſſer eintragen und das
alte ausgießen läßt. Andere tauchen die Trüffeln
in ein Gefäß mit Oel, und durch dieſes Mittel
14
bewahrt man fie am ficherften vor dem nachrheis
ligen Einfluß der Luft, durch welche die Trüffel
entweder zu ſehr ausgedörrt oder zur Gallerte
werden würde. Die gewöhnliche und einfacheſte
Weiſe fie aufzubewahren beſtebt darin, daß man
ſie in einem unterirrdiſchen Gewölbe in ein Ge—
miſche von Sand und etwas Lehm vergräbt, je—
doch mit der Vorſicht, daß ja eine die andere
nicht berühre. Man muß auch öfters nachſehen,
und alle diejenigen wegwerfen, an welchen faule
Flecken ſich zeigen. Auch iſt es nützlich, die Erde
öfters umzuwühlen oder mit friſcher zu verwechſeln.
Wenn anders, was ſich jetzt noch nicht ent⸗
ſcheiden läßt, die Angaben der Schriftſteller nicht
‚mehrere Arten unter einem Rahmen vermengen:
fo find unter den Europäiſchen die Trüffeln aus
Piemont, aus Montſerat und aus Mayland die
beſten. In Rom ſchätzet man die aus der Nach—
barſchaft der Stadt Norcia für die beſten. In
den ſüdlichen Theilen von Frankreich ſind ſie gar
gemein, beſonders in Languedoc, Provence, Dau—
phine, Angoumois, Perigord, Guienne, auch
in Bourgogne, Lorraine, Franche-Comté, Cham
pagne. Um Avignon werden fie den Reiſenden im
Herbſte in allen Wirthshäuſern vorgeſetzt. In
dem Park von Villatneuſe, bey der Abtey von
St. Denise, in Frankreich, traf man ſonſt eine
ſo große Menge Trüffeln an, daß ſie deßwegen
15
im Jahr 1764 von dem königlichen General, Pror
cureur, Herrn von Villatneuſe, an die Obſt—
händler in Paris auf ſechs Jahre, für jährlich
250 Livres und 10 Pfund Trüffeln, die fie in je—
der Jahreszeit dieſem Herrn ausliefern mußten,
verpachtet wurden. Aus allen Trüffeln in der Welt
werden aber die Afrikaniſchen, welche ſchon Pli—
nius und Juvenal für die delicateſten erklären,
noch jetzt in Frankreich für die beſten gehalten.
Daß fie in den Numidiſchen Wüſten häufig wach-
ſen, und von den Arabern ſehr gern gegeſſen wer—
den, erzählt Joh. Leo (Africae deser, Ant-
verp. 15 6. p. 300), der fie Terfez nennet.
Der gewöhnliche Standort der Trüffeln ſind
lichte, hochſtämmige Eichenwälder, beſonders
aber die Nähe von Steineichen. Eine etwas er—
habene Lage und eine Oeffnung für den Regen
begünſtigen ihre Erzeugung. In Gemäßheit der
oben angeführten ämtlichen Aus ſage des Herrn
Meiſter wachſen ſie in Gegenden, wo Eichen,
Haſelnußbäume, und hauptſächlich, wo Aſpen
wachſen, an der Nord» und Abendſeite, niemahls
aber an der Mittagsſeite; in feuchten Boden oder
ſogenannten ſuttigten Walvboden. Im lichten
Holz gedeihen ſie am beſten; wird aber das Holz
gefällt, ſo pflegen ſie auszugehen. Dieſe letzte Er—
fahrung, welche ſowohl in der angeführten Aus—
age, als wie auch in den meiſten Schriftſtellern
16
vorkömmt, würde uns faſt den Verdacht einflds
ßen, die Trüffeln für bloße Producte der Baum-
wurzeln zu halten. Ja man behauptet ſogar, ſie
unten an den Wurzeln der Eichbäume gefunden
zu haben, ſo, daß man Mühe hatte, ſie von
den Knoten dieſer Wurzeln zu unterſcheiden. Man
bat endlich zuweilen ſteinartige Körper oder Ver—
härtungen in der Subſtanz derſelben gefunden.
(ſ. Houttuin. Linn. Pfl. Syſt. 3. Th. 1. Bd.
S 835). Aber alle dieſe Erfahrungen beweiſen
weiter nichts, als daß es der Natur beliebe, auch
die Trüffel da, wo es die Umſtände verſtatten,
lieber an der Mutterpflanze zahlloſer Paraſyten,
und vorzüglich an der Gebährerinn der meiſten
Schwammarten, der Eiche, in Verwahrung zu
legen. Dern wenn wir mit dieſer die Erfahrun—
gen eines Micheli, eines Grafen de Borch, ei—
nes Mützſchefal, Munier, Geoffroi u. ſ. w. ver⸗
gleichen: ſo werden wir belehrt, wie behutſam
man bey dergleichen Schlußfolgen zu Werke ge—
hen müſſe, und wie leicht man im Gegentheil auf
Irrthümer und Hirngefpinnfte verfallen könne.
Dieſen letztgenannten Gewährsmännern zu Folge
ſagt Beckmann a a. O. S. 59 u. f. über die
Standorte der Trüffel:
„Dieſe unterierdiihen Schwämme wachſen
in einem lockern, fruchtbaren, ſchwarzen und et—
was feuchten Boden, den die Mineralogen Damm
1
1
.
| 17
erde, Stauberde, Humus, die Franzoſen ter-
re franche nennen. Am häufigſten werden fie in
Eichen- Kaſtanien- und Buchenwaldungen gefun—
den, und man will bemerkt haben, daß fie fichr
wenn die Bäume abgetrieben werden, verlieren.
Unter Aepfel- Birn- und Nußbäumen ſoll man
fie ſogar in Angoumois, wo fie ſehr häufig find,
nie gefunden haben. Dort hält man die, welche
unter Eichen geſammlet werden, für die beſten;
nächſt dieſen die aus der Nachbarſchaft der Wa—
cholderſträuche. Ebendaſelbſt trifft man fie auch in
Weingärten, auch im Ackerlande zwiſchen den
Stoppeln an. Aber im obern Italien, und viel—
leicht in vielen Ländern, wo noch nicht darnach
geſucht iſt, find fie auch in mäßig feuchten Wies
ſen, deren Boden auch allerdings Stauberde,
Humus iſt. Sie ſcheinen in allen Ländern von Eu—
ropa zu ſeyn, und ſie ſind auch in einigen Gegen—
den von Aſien und Afrika gefunden worden. Linne
fand ſie ſogar in Lappland, Kämpfer in Japan,
wo man ſie eben ſo begierig ſucht und verſpeiſet
als in Europa.“
Man findet fie ı bis 6 Zoll tief unter der
Erde, bald einſam, bald, und zwar gewöhnlich
in Klumpen von 3 bis 7 Stücken beyſammen.
Sie liegen alsdann aneinander, und drücken ſich
flach an den Seiten, mit welchen fie ſich berüh—
ten. Zuweilen, jedoch ſelten, belauft ſich die
18
Zahl der Stücke in einem Loche über 20 Da die
Trüffel in Anſehung der Fortpflanzung mit dem
Kugelthier analog iſt, und in ihrer Subſtanz meh—
rere Generationen von Trüffeln enthält, welche
durch die Zerſtöhrung und Verweeſung der Mut—
terpflanze zu ihrer Freyheit und Entwickelung ge—
langen: ſo ſollten wohl an einem Orte, wo einſt
ein Trüffelkeim hingekommen, mit der Zeit eine
große Menge derſelben beyſammen entſtehen. Als
lein es geht hier wie anderswo in der Natur;
die ſchwächern müſſen im erſten Keim unterliegen,
damit die andern deſto vollkommner werden Fin,
nen! Es kommen dann nur wenige zum Vorſchein,
indem die übrigen entweder frühzeitig verweeſen
oder vielleicht mit den erſtern zuſammenwachſen.
Man findet zuweilen da, wo eine alte Trüffel erſt
vor kurzen verfaulte, eine ganze Brut von ſehr
zahlreichen jungen Schwämmen. Werden nun dieſe
entweder von Inſecten oder von den Schweinen
zerſtreut, ſo mögen ſie ſich vermehren und viel⸗
leicht in der individuellen Anzahl fortwachſen.
Bleiben ſie aber in einer Grube beyſammen, ſo
iſt dies ſowohl des Raumes als der Nahrung
halber unmöglich. Denn die Trüffel iſt eine den
Boden erſchöpfende Pflanze. Die Erfahrung, daß
über ihr Feine andere Pflanze unmittelbar zu wach—
ſen pflege, ſcheint weit mehr aus dieſer Urſache
hergeleitet werden zu müſſen, als aus dem Ger
ruche der Trüffel, der freylich wohl auch der fie
umgebenden Erde ſich mittheilet, aber doch nicht
verhindert, daß wenigſtens in der Nähe von ihr
viele Pflanzen gedeihen.
Man ſammelt die Trüffel vom halben Auguſt
bis in den Winter. Wenn Schnee und Froft den
Erdboden in ſeiner Oberfläche verſchließen, dann
hat es mit der Trüffelärndte natürlicher Weiſe
fein Ende. Ein gelinder Froſt iſt indeſſen derſel—
ben nicht nachtheilig, er verbeſſert vielmehr ihren
Wohlgeſchmack. Aber nach ſtarker Kälte pflegt
ſie zu verweeſen und zu verſchwinden. Bey ganz
gelinden Wintern werden daher die Trüffeln bis
faſt zur Entſtehung der neuen, d. i. bis in den
April hinaus, gefunden. Die ächte Trüffel, oder
die ſchwarze Trüffel, wächſt Anfangs ſehr lange
ſam. Wenn ſie aber einmahl die Größe der Erb—
ſen erreicht hat, dann ſcheint auch ihre Vegeta—
tion lebhafter und raſcher zu gedeihen. Der Zeit:
punkt dieſer Zunahme fällt in den Julius und in
den Auguſt. Es iſt auch ſehr leicht zu begreifen,
warum ſie alsdann in einem Monathe mehr zuneh—
me als vorher in dreyen. Denn wenn es auch
wirklich in den früheren Monathen häufig regnet,
ſo iſt doch die Erde noch nicht hinlänglich von den
Sonnenſtrahlen erwärmet. Nun iſt aber die Trüf—
fel eine Pflanze, die bloß unter der Erde ihre
ganze Lebensperiode vollendet. Und da ſie kein
5 B 2
28
Paraſyt, ſondern ein wahres Erdgewächs iſt,
welches nicht durch Wurzeln, ſondern durch un—
mittelbare Einſaugung an ihrer ganzen Oberfläche
ſich ernähret: ſo muß ſie freylich wohl in jener
Zeit am beſten gedeihen, wann nähmlich die or-
ganiſchen Theilchen der Dammerde, vermittelſt
der Wärme, in einen halb gasartig halb tropf—
baren Zuſtand aufgelöſet worden ). Es gehöret
übrigens zur Sache, die Bemerkung zu machen,
die reichſte Trüffelärndte ſey eine Folge naſſer
Sommer, und zumahl warmer Regen in der letz—
ten Hälfte des Auguſt. In trockenen Sommern
hingegen werden faſt gar keine oder doch nur ſehr
kloine gefunden. Im Jahr 1710 hat man in ganz
S:anfreich keine Trüffeln haben können (wie Ge—
offroi berichtet), weil der vorhergehende ſtrenge
Winter ihre Brut vernichtet zu haben ſcheinet.
In ſolchen Fällen mag es vielleicht mit den Trüf—
feln wie mit gewiſſen Gynandriſten gehen, davon
man manchmahl viele Jahre keine Spur gewahr
) Es ſtimmt mit dieſer Betrachtung ganz überein,
daß die weiße Truͤffel ſowohl als die Sommer,
trüffel weit fruher zu ihrer Reife gelangen, als
welche nicht allein die Fläche des Bodens über:
ſteigen und die freye Sonne genießen, ſondern
auch wirklich einige wurzelartige Anſätze aufzu⸗
weiſen haben.
21
nimmt, da fie doch einigemahl an derſelben Stelle
in großer Menge erſcheinen. Vielleicht werden die
erſten Keime verhindert, ſich zu entwickeln, und
eine dritte folgt unmittelbar auf die erſte? Die
ſehr einfache Natur dieſer Vegetabilien läßt dieß
von den Trüffeln ſo gut wie von den Polypen
und manchen andern ſehr einfachen Gliedern des
Thier- und Pflanzenreiches vermuthen! —
Gewöhnlich erreichen die Trüffeln die Größe
einer Welſchen Nuß; man hat aber auch Ben»
ſpiele von viel größeren. Fauſtgroße ſind ſchon eine
große Seltenheit, und werden mit 5, Io auch
mehreren Gulden bezahlt. Nach Keyßlers Erzäh—
lung ſoll im Jahr 1729 in Caſal eine Trüffel von
12 Pfunden gefunden und für 4 Louisd'or ver—
kauft worden ſeyn. Einige Jahre früher ſoll eis
ner Prinzeſſinn von Piemont ſogar eine von 14
Pfund und von der Größe eines kleinen Tellers
überreicht worden ſeyn. (S. Beckmann a. a. O.
S. 70). |
Herr Meifter macht in der gerühmten amtlis
chen Ausſage zu wiederhohlten Mahlen eines ro,
then Käfers Meldung, welcher nach der Trüffel
ſehr lüſtern ſeyn ſoll, und der ſie häuftg beſuchet,
ſobald ſie ihre völlige Reife erlangt hat, oder
wohl gar bereits faule Flecken bekömmt. Ob nun
dieß ein Attellabus, ein Carabus, eine Cicindela
oder wohl gar ein Acarus ſey, kann ich nicht bes
22
ſtimmen, da ich das Inſeet niemaßls gefehen har
be, und da in derſelben Ausſage auch nicht eins.
mahl von der Größe dieſes Inſeets eine Meldung
gemacht wird.
Man ſammelt die Trüffeln vom Ende Au—
guſts bis um die Hälfte des Novembers. Früher
würden ſie zu klein und auch weniger ſchmackhaft
ſeyn. Allein die vorzüglichſte Urſache, warum ſie
erſt dann geſammelt werden, iſt wohl der Duft,
durch welchen ſie ſich erſt dann den Sammlern
und ihren Gehülfen, den Hunden, verrathen.
Wer den Geruch der Trüffel genau kennet, der
kann um dieſe Zeit, bey warmer Witterung in
den Abendſtunden und wenn die Luft ihm ſanft
entgegenwehet, die Gegenwart eines Neſtes der—
ſelben auf 20 Schritte weit wittern. Es gibt
Leute, welche ſie ſehr verläßig zu ſuchen verſtehen.
Freylichwohl iſt es weit ſchwerer, in einer Ge—
gend Trüffeln zu ſuchen, wo noch niemahls wel—
che gefunden worden, als wenn man bereits mit
ihren Standörtern bekannt iſt. Allein dieſe Leute
wiſſen es ſehr genau, daß der Ort, wo Trüffeln
gedeihen ſollen, etwas erhaben, der Boden leicht,
etwas ſandig und ziemlich ſchwarz, dem Regen
und den Sonnenſtrahlen geöffnet, und durch das
Herabſintern von höhern Waſſerbehältern immer—
hin mäßig durchnäßt ſeyn müſſe. Die Praxis lehrt
fie ſolche nur in lichten hochſtämmigen Wäldern
23
von 60 bis 80 Jahren zu ſuchen, die nur wenig
oder gar kein Unterholz haben. Wo viel Moos
oder Kränter den Boden bedecken, da hoffen fie
keine Trüffelärndte zu gewinnen. Sie mögen wohl
fogar am Aus ſehen der Bäume, beſonders in der
Gegend der Wurzel, gewiſſee Merkmahle ahn⸗
den, die ſich aber leichter durch die Uebung erler—
nen als befchreiben laſſen. Man will behaupten,
daß es gewiſſe Pflanzen gebe, aus welchen ſich
die Nähe der Trüffelneſter errathen ließe ).
Allein bisher habe ich noch niemahls in Erfah—
rung bringen können, was für Arten dieſelben
ſeyn ſollten Ich kann bloß dieſes aus eigener Er⸗
fahrung angeben, daß ich in der Nähe gefunde—
ner Trüffel Cistus Helianthemum, Bellis pe-
rennis, Gnaphalium dioicum, Myosotis syl-
vestris, Viola arvensis, Anemone sylve-
stris, Inula hirta, Aster Amellus, Lychnis
viscaria, Polygala vulgaris, Genista Ger-
manica, Asclepias Vincet oxicum, Prenan-
) Auch eine gewiſſe blaue Fliege ſoll fleißig über dem
Orte ſchweben, und dadurch die Gegenwart der
Trüffel verrathen. Vermuthlich legt fie ihre Eyer
dahin, damit ihre Brut in derſelben ihre Nahrung
finden moͤge. Der Graf von Boch hat zwey fol»
cher Truffelfliengen unter dem Rahmen mouche
de Truffe abgebildet, eine blaue und eine ſchwarze—
24
thes muralis, Lapsana communis, Hieraei-
um sylvaticum, Potentilla alba, Orchis
Morio u. dgl. beobachtet habe. Am nächſten das
bey ſchien mir immer ein Thymus oder eine
Tormentilla zu ſeyn. Der Boden ſowohl als
die Stämme waren in anſehnlicher Menge von
allerley überirrdiſchen Schwämmen, beſonders
aber von Pilzlingen und Täublingen aller Arten
gezieret. Das geübte Aug der Trüffelſucher ent⸗
deckt mit Leichtigkeit auf 3 bis 3 Fuß Entfer—
nung von den Stämmen der Bäume gewiſſe Er—
böhungen des Erdbodens, welche von denjenigen,
fo die Maulwürfe *) zu machen pflegen, ganz
und gar verſchieden ſind, indem ſie keine durch—
wühlte Erde an den Tag bringen, ſondern nur
eine geringe zuweilen von einigen Riſſen bezeich-
nete Erhebung der oberſten Rinde des Bodens
barſtellen. |
Allein es gibt noch andere Mittel, diefe vers
grabene Schätze der Pomona den verborgenſten
Schlupfwinkeln zu entreißen. Da die Schweine
den Larven der Nashornkäfer, der Schröter, und
) In Gegenden, wo es viele Erdmaͤuſe, Waldrat⸗
ten, Hamſter oder Maulwuͤrfe giebt, da iſt es
nicht gut Truffeln zu ſuchen, denn dieſe Thiere
pflegen ihnen nachzuſtellen und fie auszurotten.
25
den Regenwürmern (der ſogenannten Untermaft)
emſig nachwühlen, und bey dieſer Gelegenheit auch
manchmahl Trüffeln hervorarbeiten: ſo iſt es
(man weiß nicht beſtimmt wann?) den Liebha—
bern endlich eingefallen, ſich ihrer zum Aufſuchen
der Trüffeln zu bedienen. Vermuthlich waren die
Italiäner die erſten, welche ſich dieſer Methode
bedienten. Platina, welcher im Jahr 1481 ſtarb,
ſagte ſchon (in feinem Buche de honesta volu-
ptate, von dem Haller Bibliot, B. I. p. 235
Nachricht gibt), ſie würden mit Säuen geſucht.
Dieſe Erfindung mag dann ungefähr um die Mitte
des ten Jahrbunderts ihren Urſprung gehabt
haben. In Frankreich, beſonders in Angoumois
und Perigord, wie auch in Oberitalien pflegt
man noch heut zu Tage die Trüffeln auf dieſe
Weiſe zu ſammeln. Die Schweine, welche dazu
gewählt werden, müſſen ungefähr 5 Monathe
alt, ſchlank, und zum Gehen gewöhnt ſeyn, um
die Arbeit vom Morgen bis zum Abend ausſtehen
zu können Nicht ſelten müſſen fie 3 bis 4 Lieues
in einem Tage durchlaufen. Eben deßwegen bleibt
ein Schwein zu dieſer Abſicht nur ein Jahr taug—
lich, und jährlich muß ein anderes dazu abgerich—
tet werden, welches auch nicht viele Mühe macht.
Man ſucht ein ſolches aus, welches Trüffeln be—
gierig verſchſuckt; denn manche freſſen ſie gar
nicht, und dieſe find auch zum Suchen ganz uns
25
tauglich. Jene führt man in Gegenden, wo Trüfs
feln find, oder wo man dergleichen vergraben hat
Wenn ein Schwein ſie findet, ſchmeichelt man
demſelben, und gewöhnt es, ſeinen Fund gegen
Eicheln oder ein anderes noch angenehmeres Fut—
ter fahren zu laſſen. Das Suchen mit ſolchen abs
gerichteten Säuen geht am beſten bey guter Wit—
terung; nicht bey ſtarker Näſſe, auch nicht bey
heftigem Winde. Dagegen iſt ein gelinder Wind
gut, und alsdann führt man das Thier gegen
denſelben. Hat es eine Trüffel gefunden, ſo greift
man ihm ans Ohr, zieht es zurück, und nimmt
jene mit der Hand heraus, worauf dem Schwei—
ne gleich eine Handvoll Eicheln oder Getreide ge—
geben wird. Weil die Säue auch ſehr begierig
nach der ſogenannten Untermaſt wühlen, ſo muß
der Führer ſo geſchickt ſeyn, ſie davon abzuhal⸗
ten. Er räumt auch die Steine hinweg, welche den
Thieren ſchaden können; denn oft ſind ſie ſo hitzig
im Suchen, daß ſie ſich den Rüſſel ganz wund und
blutig wühlen. Um Boronien, Florenz und in
andern Gegenden von Italien ſoll man den Säuen
am Hinterfuße einen Strick binden, ſolche vor
ſich herlaufen laſſen, und fie, wenn fie zu bre⸗
chen anf ingen, da nit zurückziehen. Auch ſoll man
die Trüffelſchweine ringeln, d. h. ihnen den Rüſ—
ſel mit einem ledernen Riemen belegen, den man,
wenn ſie Trüffeln gefunden haben, abnimmt,
| 27
worauf man ihnen Eicheln oder Kaſtanien zur
Belohnung gibt. Alſo iſt es ſehr nothwendig,
daß man in Gegenden, welche Trüffeln haben,
nicht den Schweinhirten mit der Heerde kommen
läßt, als welche alles aufzehren würde. (Beck—
mann a. a. O S. 64 u. f.)
Weit gewöhnlicher, obgleich minder nützlich
iſt aber, zumahl in Deutſchland, das Aufſuchen
der Trüffeln mit Hunden. Dieſe Art der Trüffel—
jagd ſcheint indeſſen jünger zu ſeyn als die mit
den Schweinen. Nach Deutſchland ſind die erſten
Trüffelhunde im erſten Viertel des vorigen Jahr—
hunderts, zugleich mit Trüffeljägern, aus Ita—
lien verſchrieben worden. Dieſes große Verdienſt
wird verſchiedenen großen Perſonen zugeeignet,
und vielleicht ſind mehrere faſt zugleich auf dieſen
Einfall gekommen. Auguſt II., König von Po—
len, ſoll ums Jahr 1720 zehn Trüffelhunde, das
Stück für 100 Thaler, aus Italien haben kom—
men laſſen. Nach Sachſen hat Graf Wakkerbart
im Jahr 1724 die erſten verſchrieben, nachdem
ein Schäferhund in der Gegend Sedlitz, bey
Dresden, im October 1719 Trüffeln entdeckt
hatte. Im Brandenburgiſchen erhielt ein Italiä—
ner, Nahmens Bernardo Vanini, die ausſchließ—
liche Erlaubniß, im ganzen Fürſtenthum Halber—
ſtadt Trüffeln aufzuſuchen, dagegen er jährlich
einige Pfunde der Hofküche liefern mußte. Keys⸗
a >
23
ler meinte, der Wittembergiſche geheime Rath
von Forſtner habe in Deutſchland die erſten ſu—
chen laſſen, durch die beyden abgerichteten Hun—
de, welche, auf ſeine Veranlaſſung, dem Erb—
prinzen von Wittemberg, den er als Oberhof—
meiſter auf Reiſen begleitete, am Turiner Hofe
geſchenkt waren. (Beckmann a. a. O. S. 78
u. f)
Man kann allerley Racen von Hunden zu
dieſem Geſchäfte verwenden. Kleine Pudel, Hüh⸗
nerhunde, Spitze, Bologneſer und Dachshunde
können die nähmlichen Dienſte leiſten. Es gibt
aber mehrerley Methoden, dieſe Thiere zu dem
Trüffelſuchen abzurichten. Z. E. man läßt ſich
eine Trüffel vom Hunde apportiren, die aber in
Leinwand eingenähet ſeyn muß, damit er ſie nicht
freſſen lerne, als welche Unart ſchwer wieder abs
zugewöhnen iſt. Hernach geht man mit dem Hun—
de aufs Feld, verſteckt die Trüffel leicht, läßt ſie
ſuchen und bringen, und ſo lernt er die Kunſt
bald, ſo daß man ihn im Herbſte in den Wald
führen und ernſtlich Trüffeln ſuchen laſſen kann.
Die Italiäner, welche die Trüffelhunde gewöhn—
lich Putta nennen, geben ihnen des Morgens ein
Stück Brod, welches in Trüffelöhl gekocht wor—
den, und ziehen ſodann mit ihnen auf die Jagd,
wo ſie bey jedesmahliger Meldung mit Brod be—
lohnt werden, ſo wie ſie überhaupt nichts anders
5 29
zu freſſen bekommen. Auch gibt man ſolchen Hun—
den öfters in Butter gebackene Trüffelſpältchen
zum Futter, und wenn ſie dieſe Koſt ſchätzen ge—
lernt haben, ſo begrabt man im Walde eine ge—
backene Trüffel anfangs ſehr ſeicht, nach und nach
aber immer tiefer, und läßt ſie ſuchen. So ge—
wöhnet endlich der Trüffelhund den Geruch, und
ſcharret auch jede andere aus. Ein guter Trüffel—
hund ſchlägt an bey einem jedes mahligen Fund,
wie auf einen Hirſchen. Man muß nun herbeyei—
len, denn ſonſt wird er viele Stücke verſcharren
und verderben. Man gibt dem Hunde ſein Futter,
liebkoſet ihn, und grabt mit einem gewöhnlichen
Gartenſpatel die Trüffeln ſelber aus.
In des Grafen de Borch Lettres sur les
Truffles du Piemont, Milan. 1780. in gvo.,
Bulliard in der Histoire des Champignons,
Paris 1791. Fol., in der Zeitung der Induſtrie
und Speculation, Wien 1804 in gvo., und in
manch andern Werken finden wir Vorſchläge zur
Cultur der Trüffeln. Da ich aber in allen dieſen
viel Unanwendbares und Eingebildetes finde, ſo
will ich an die Stelle derſelben lieber meine eiges
nen vorlegen.
Man erwähle ein abhängiges (ſchiefes) ge—
gen Welten geneigtes Stück Land. In deſſen ober»
ſten Theile wird ein von Bäumen beſchattetes
Waſſerbehältniß oder eine Waſſerleitung (allen
30
falls wie ein Mühlbach) angelegt. Die untern
Theile des Hügels mögen einzeln erwachſene Ei—
chen, Kaſtanien (Castanea, nicht Aèesculus!)
Wachholderbäume u. dgl. beſchatten. Der Bo—
den ſey leicht, ſchwarz, locker und ſandig. Al—
les Gebüſch, alles Unterholz, alle mächtige Pflan⸗
zen, beſonders aber die ſtark wuchernden Gräſer,
wie Reyhgras, Binſen, Hundsroggen u. dgl.
müſſen vertilgt werden. Oefteres Beſtreuen mit
Aſche iſt ſowohl zur Vertilgung der Mooſe als
auch aus anderen Urſachen beſonders zu empfeh—
len. Zerſtreute größere Stücke kalkartiger Steine
find nicht allein unſchädlich, ſondern ſogar ſehr
nützlich. Noch muß es in dieſer Gegend keine
Mäuſe und keine Maulwürfe geben, und das
Land muß niemahls zum Sumpfe werden. Man
ſucht dann im April oder May eine junge friſche
Brut von Trüffeln, zertheilet ſie, und legt zwey
oder drey Stückchen zuſammen 2 Zoll tief unter
die Erde, jedoch mit der Vorſicht, daß immer
eine gute Portion der mütterlichen Erde an den
jungen Trüffeln feſt kleben bleibe; weßhalben es
nöthig iſt, die Brut vor dem Aus nehmen naß zu
machen und naß zu verpflanzen. Man hat nach—
her nichts weiter zu thun, als das über dieſen
Stellen aufkeimende Unkraut fleißig zu vertilgen,
und dafür zu ſorgen, daß es dem Baſſein nie
mahls am Waſſer mangeln möge. Freylichwohl
| 31
iſt dieß keine Methode, die man ſo leicht über all,
wie die Cultur des Champignons, anwenden
könnte. Unterdeſſen gibt es doch Gegenden genug,
in welchen man eine ſolche Trüffelplantage anlegen
könnte, ohne eben große Unkoſten darauf zu ver—
wenden. Vielleicht könnte man auch Treibbeeten
unter Glasfenſtern anlegen? Ich würde rathen,
die dazu verwendete Erde mit vielen halbverwit—
terten Theilen von Vaumrinden und abgefalle—
nem Laube mit Dünger von Walothieren, vor—
züglich von Schweinen, wie auch von allerley
Inſecten u. dgl. zu mengen. Das Beet müßte
erhaben angelegt werden, damit die Sonnenſtrah—
len nicht bloß die Oberfläche, ſondern auch die
Ränder derſelben ringsherum erwärmen können.
Man hat auch Mittel ſie zu vertilgen vor—
geſchlagen. Das Nachſuchen und Umwühlen der
Trüffelſucher, welche durch ihr Geſchäft man—
chem Grundeigenthümer Schaden zufügen, war
die Veranlaſſung derſelben. Allein ich halte es für
unnöthig, dergleichen zu wiederholen; denn in
gebauten Gründen wachſen keine Trüffeln, und
die übrigen (ſolche nähmlich, deren Boden nicht
nöthig hat umgewendet zu werden!) können durch
Umzäunungen beſſer als durch die unſichere und
zugleich verſchwenderiſche Art der Ausrottung ge
ſchützet werden.
Eine Pflanze, die weder Wurzel noch Stamm
32
hat, und dennoch Fein Paraſyt iſt, deren äußer—
liche Geſtalt einen mineraliſchen Körper nachah—
met, deren Subſtanz hingegen durch und durch
ein pures Aggregat von eingeſchachtelten Keimen
darſtellet, ein ſolches Naturprodukt iſt in der
That eine merkwürdige und ſehr Räthſelhafte Er—
ſcheinung. Ich ſtimme allerdings einem Geoffroi
bey, wenn er die Trüffeln als Pflanzen betrach—
tet, welche zugleich Wurzel, Stamm und Frucht
ſind. Ich bemerke noch an ihnen in den Vertie—
fungen ihrer Runzeln um und um gewiſſe Filzar—
tige Körper, welche vielleicht die Nahrung wie
die Haargefäße an den Wurzeln der übrigen Pflan—
zen einſaugen, und mit dem weißen Marke der—
ſelben in Verbindung ſtehen, das ſich in ſchicht—
förmige Labyrinthiſche Lagen zwiſchen die Adern
der Keime zerſtreuet. Dieſes Markichte Weeſen
bildet gleichſam fo viele einzelne Kuötchen (daher
auch in der Oberfläche die Knotichte Druſenför—
mige Geſtalt der Trüffel!) und wenn dieſe Knöt—
chen einen gewiſſen Grad der Reife erlangt ha—
ben, ſo fangen ſich in dem Mittelpunkte eines
jeden derſelben die Keime zu bilden an. Je ſtär—
ker, je ſaftvoller dann das Fleiſch der Trüffel in
der Zeit der Entwicklung geworden, deſto meh—
rere Keime werden ſich in der Folge in den Mit:
telpunkten der Knötchen abſetzen, deſto größer,
deſto vollkommner wird die ganze Trüffel gedei⸗
e 33
ben. Denn da die Keime viel wäſſeriges Weſen
zwiſchen ſich haben, und ſich ins gemein den ſphä—
riſchen Geſtalten nähern: fo müſſen fie natürlich.
den Raum des Ganzen beträchtlich vergrößern,
da das Mark vielmehr aus faſerichten Organen
zuſammengewebt iſt. Soll demnach eine Trüffel
vorzüglich groß werden: ſo muß ſie nicht allein
zur Zeit der Reife von Wärme und Feuchtigkeit
begünſtigt werden, ſondern ſchon ihr erſtes Ems
porkeimen muß das Gepräge eines kraftvollen
Stammes an ſich haben, und keine widrigen Ein—
flüſſe müſſen ſie in ihrem erſten Wachsthume zu⸗
rückſetzen.
34 | ;
* 2 2 TEN DE DENE — —ͤ — NT TEN — 0) .
—
II. Die weiße Trüffel (Tuber
album Pers.)
‚Im
S. Wachspraͤp. B. und Abbild. Tab. B.
Man nennt die weiße Trüffel auch Frühlings-
trüffel im Gegenſatze der vorigen, welche auch die
Herbft » und Wintertrüffel genannt wird. Eigent—
lich wird ſie zwar nicht im Frühlinge reif, jedoch
immerhin, im Durchſchnitt, um ein paar Mo—
nathe früher als die vorige. Man findet ſie aber
auch viel früher, weil ſie nicht unter, ſondern
über der Erde zu wachſen gewohnt iſt. Im Früh—
linge, ſagt Bulliard, könnte man ſie wohl eher
für was immer für ein anderes Vegetabil der
Schwammfamilie, als für eine Trüffel halten,
Denn ſie iſt damahls noch ganz weich, glatt,
und von reiner weißer Farbe. Erſt, wann ſie
reif wird, pflegt ihre Oberfläche höckericht und
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35
blaßbräunlich zu werden. Sie hat jedoch niemahls
ſolche ſpitzige und flachſeitige Erhabenheiten, wie
wie fie an der ächten Truffel beobachtet haben.
Ihre Schale wird auch niemahls jo hart. Ihre
inwendige Subſtanz iſt zwar der Subſtanz der
ſchwarzen Trüffel ſehr ähnlich, jedoch ſind deren
Adern von den Schwammkeimen und die Schich—
ten des Markes viel feiner und von einer ange—
nehmeren röthlichen Färbung.
Die weiße Trüffel hat zwar keine Wurzel,
aber doch einen ſcheibenrunden wurzelförmigen
Anſatz, mittelſt deſſen ſie mit dem Boden zuſam—
menhanget und aus demſelben ihre Nahrung eins
ſauget. Im Alter ſcheint dieſer Anſatz almeblig |
zu verſchwinden.
Da die weiße Trüffel bisher faſt 8
entweder für eine bloße Abart, oder wohl gar
nur für eine minder vollendete Modification der
ſchwarzen Trüffel gehalten worden: fo iſt ſehr, zu
vermuthen, daß das Meiſte, was von dieſer ge⸗
ſagt worden, auch auf die weiße angewendet wer—
den könne. Die weiße Trüffel iſt indeſſen weit we-
niger ſchmackhaft, ihr Geruch iſt etwas unange—
nehm, und fällt ziemlich ſtark in das Knoblauch—
artige. Sie ſcheint indeſſen viel ſeltener als die
ſchwarze zu ſeyn, und da die Eber ſie ſtäts mit
größter Lüſternheit aufſuchen, auch viel leichter
als die ſchwarzen entdecken, indem fie die Fläche
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36
des Bodens überſteiget: ſo kann man ſich dieſe
ihre Seltenheit um ſo viel leichter erklären. Im
Alter werden dieſe Trüffeln graubraun, und ſe—
hen faſt wie ein Kugelſchwamm (Lycoperdon)
aus. Sie pflegen auch überhaupt kleiner zu ſeyn
als die ſchwarzen, und ihre Geſtalt iſt im Gan—
zen regelmäßiger und ründer. Man findet ſie mehr
im Lehmigten Boden, an den Gehweegen.
Im Handel iſt dieſe Trüffel ungewöhnlich.
Man ißt ſie marinirt, in Spalten zerſchnitten.
Als Zugabe zu Fleiſchbrühen bedient man ſich der⸗
jenigen, welche ſich durch Wohlgeruch vor den
übrigen auszeichnen. Man ißt ſie auch im letztern
Falle gebraten, wie die Kaſtanien, unter der
Serviette. Aber es gibt auch ganz geruchloſe
Stücke von dieſer Art Trüffeln. Sie find übris
gens ſowohl als die ſchwarzen eine etwas unver—
dauliche Speiſe, von welcher ſich alle diejenigen
enthalten ſollen, deren Eingeweide nicht ganz
nach Wunſche verdauen.
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37
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III. Der Kaiferling (Amanita Cae-
sarea P.)
S. Wachspraͤp. C. Abbild. Tab. C.
De. Kaiſerling oder Herruſchwamm iſt der edel»
ſte von allen eßbaren Schwämmen. Ob er wirk—
lich deßwegen oder nicht vielleicht zum Angedenken
des unglücklichen Kaiſer Claudius dieſe fo erhas
bene Benennung erhalten habe, iſt freylich wohl
noch die Frage. Es nennen ihn zwar mehrere alte
Schriftſteller den König der Schwämme; und in
der That ſcheint er dieſen Nahmen ſowohl durch
fein wirklich maſeſtätiſches Anſehen, als auch
durch die Vorzüge ſeines Geͤſchmackes und feiner
übrigen Eigenſchaften zu rechtfertigen. Unterdeſſen
iſt es doch eine Thatſache, die in der Geſchichte
dieſes Schwammes erwähnet zu werden verdienet,
daß die Kaiſerinn Agrippina ihren Gemahl, den
8 |
Römiſchen Kaiſer Tiberius Claudius, welcher
ein beſonders großer Freund diefer Speiſe gewe—
ſen, mit einem vergifteten Gerichte dieſes Schwam—
mes hingerichtet habe, um ihren Liebling Domi—
tius Nero, einen Stiefſohn des Claudius, auf
den Thron zu erheben. Es ſagt daher der Römi—
ſche Dichter Juvenal in der Sat. Vea:
Vilibus ancipites fungi ponentur ami-
a LIS“, {
Boletus domino, sed qualem Claudius
edit,
Ante um uxoris, post quem nihil am-
plius edit.
und in der Sat. Vlta:
— — — Minus ergo nocens erit Agrip—
pinae
Boletus; siquidem unius praecordia
pressit a
Ille. senis, tremulumque caput descen-
dere jussit
in coelum, et longum manantia labra
salivam.
Und Martial binterließ uns folgendes hierauf
bezogenes Diſtichon: er
Quid dignum tanto ventrique gulaeque
precabor ?
Boletum ut, qualem Claudius edit,
edas,
N
39
Eben fo pflegte auch, laut dem Zeugniffe
des Suetonius, der Kaiſer Nero ſelbſt über die—
ſen Schwamm ſarcaſtiſch zu ſcherzen, und den
Boletus eine Götterſpeiſe zu nennen, weil ſein
Vater Claudius durch den Genuß desſelben ums
Leben gekommen, und weil es bey den Römern
Sitte war, die abgeſchiedenen Kaiſer unter die
Götter zu zählen.
Die Römer pflegten nähmlich dieſen Schwamm,
welchen dieſe ſo berüchtigten Schwelger mit einer
ganz beſonderen Aus zeichnung beehrten, Boletus
zu nennen; doch heißt er auch beym Plinius Vol-
va, und Cicero hat von ihm unter der Benen—
nung Elvela gefprochen. Die heutigen Italiäner
der Gegend von Rimini kennen dieſe Schwämme
unter der Benennung: Ovoli rossi. Im Tos—
caniſchen hingegen heißt der Kaiſerling: Uovolo
ordinario. Im Franzöſiſchen wird er l'Oronge
vrai, auch l’Amanite Orange, auch le Jase-
ran, le Laseras jaune, in Languedoc Rouma—
nel, Dorghe genannt. Auf Holländiſch heißt er:
Gouderverwige Kampernoelje, auf Dän.
Den guldfarvede Bladſvamp, auf Schwediſch:
Guldfärgade Bladſvamp, auf Engl. The gol-
den Agaric, Span. und Portug. Agarico cae-
sareo Ur gomba (Dominorum fungus) hieß
diefer Schwamm, wenigſtens zu den Zeiten des
TCGluſius, in Ungarn.
40
Da dieſer edle Schwamm mit dem giftigſten
aller Schwämme und mit vielen andern ſchädli—
chen Arten eine ſehr merkwürdige Aehnlichkeit
hat: fo iſt es höchſt wichtig, feine Kennzeichen
ſehr genau im Gedächtniſſe zu behalten. Faſt alle
die übrigen Arten der aus der Erde hervorwach—
ſenden Wulſtſchwämme (Amanita) find giftig.
Als eßbar iſt wenigſtens außer dem gegenwärti—
gen kein einziger zu empfehlen. Am leichteſten
möchte aber der Kaiſerling mit dem gemeinen Flie—
genſchwamme (Amanita muscaria) verwechſelt
werden; beſonders wenn, wie es öfters geſchieht,
auf der Oberfläche des Hutes häufige Läppchen,
als Ueberbleibſel der abgeriſſenen Wulſthaut, hän—
gen bleiben, und ſie wie jenen ſeinen unächten
Beuder mit getäfeltem Schmuckwerk verzieren.
Allein der Flisgenſchwamm hat einen Purpurro—
then Hut, weiße Lamellen, einen vergänglichen
Ring und eine feſt anliegende in Flocken ſich zer⸗
pflückende Wulſthaut.
Die vorzüglichſten Kennzeichen des Kaiſer—
Unges find demnach ein großer weißer weit geöff—
neter Wulſt, ein knolliger, voller, von außen
Ockergelber Strunk, ein großer herabhängender
Ring, ein lebhaft Pomeranzenfarbiger oder dunkel—
goldgelber Hut, deſſen Mitte etwas niederge—
drückt, der Rand aber, zumahl im jüngern Al—
ter, mit Strahlenartigen Falten geziert iſt, blaß
41
goldgelbe, ſehr breite Lamellen, und ein überaus
feines, weiches, weißes Fleiſch. Geruch hat er
wenig, und dieſer hat einige Aehnlichkeit mit dem
Dufte des Flieders (Syringa vulgaris). N
Die Wulſthaut des Kaiſerlinges ſteckt größ—
tentheils unter der Erde zwiſchen dem Moder von
abgefallenen Laub, Baumreiſern, Mooſen,
Flechten und Gräſern; und da fie nicht ſeltend in
der Erde ſtecken bleibt, wenn man den Schwamm
berauszieht: jo muß man ſich dadurch nicht irre
machen laſſen; denn ich habe eben deßwegen meh—
rere weſentliche Kennzeichen angegeben, damit,
im Falle das eine oder das andere mangeln möch—
te, noch immer genug andere übrig wären, woraus
man ſich von der Aechtheit dieſer Schwammart
überzeugen könnte. Die Farbe iſt überhaupt das
aller verläßlichſte Kennzeichen desſelben. Nur im
letzten Alter wird es Bronzfarben oder braun und
Fleckig. Dann iſt er aber auch nicht mehr genuß⸗
bar, weil ſein weiches alsdann gelbliches Fleiſch
in eine ſtinkende Jauche zerfließet, und eine Menge
von Maden ihn bewohnet, weßwegen auch als—
dann ſein Strunk nicht mehr voll, ſondern hohl
und zerfreſſen erkannt wird.
Im erſten Zuſtande der Entwickelung gleicht
er einem Ey von weißlicher Farbe, welches je—
doch etwas größer und oben viel dicker iſt als das
Ey, aus welchem der Gichtſchwamm emporſteigt.
42
Pald darauf zerplatzt es an feiner Spitze, und
der Dottergelbe Hut drängt ſich hervor, woran
auch zuweilen, weil er in der Jugend etwas kle—
bricht iſt, bald mehr bald weniger Stückchen von
dieſer Haut kleben bleiben, wie dieſes bey dem
Fliegenſchwamme viel öfter der Fall iſt, und dieſe
weißen Läppchen verzieren ihn auf eine ganz eige—
ne Weiſe. Sobald der Hut ganz aus der Höhle
des Eyes (Wulſtes) heraus iſt, fängt er an,
ſich auszubreiten. Eine natürliche Folge davon iſt,
daß ſich die untere Fruchthaut (Epicarpium in—
ferius), welche bisher den Rand des Hutes mit
dem Strunke verband, und die Lamellen verbarg,
um und um von dem Hute losreißet, und da fie
ſtärker als an andern Schwämmen iſt, ſo bleibt
ſie lange Zeit als ein anſehnlich gefaltener Ring
an ihrem Geburtsorte ſitzen, und neigt ſich nach
abwärts. Sie iſt gelblich wie der Strunk und die
Lamellen. Im reiferen Alter läßt ſich auch die
obere Fruchthaut von dem Hute leicht ablöſen.
Dann bemerkt man zuweilen auch eine gewiſſe
feine gleichſam gewirkte Faſernzeichnung auf der
Oberfläche des Hutes; und nicht ſelten zertheilen
tiefe Spalten ſein Fleiſch bis zu den Lamellen.
Die Abänderungen beſtehen, außer den Mo—
dificationen, in der ſehr wandelbaren Größe;
denn an Höhe varirt er von 3 bis zu 14 Zoll.
Der größte Durchmeſſer des Hutes war mir auf
/ 43
10 Zoll bemerkbar. Der Hut bleibt manchmahl
etwas länger gewölbt, wird aber am Ende im—
mer in der Mitte eben. Ich halte deßwegen Per—
ſoons Amanita caesaren und A. aurantjiaca
nur für eine Species. Sonſt müßte ich nur die
von mir ſelbſt beobachteten, auf einer Stelle bey—
ſammen wachſenden, durch Liebergänge vereinig—
ten Individuen für beyde der eben genannten Ar—
ten erklären.
Auf den Marktplät ätzen Wiens habe ich ihn
noch niemahls angetroffen. Dennoch fand ich ihn
ſowohl in der Nähe als ander wärts. Vorzüglich
ſchön und anſehnlich traf ich ihn in den Gehölzen
des K. K. Luſtſchloſſes Schögbruann. In den Ges
birgslabyrinthen zwiſchen Weidling und Mauer—
bach iſt er eben nicht ſeltſam. In Mähren, Uns
garn und an den Küſten des Adriatiſchen Meeres
wird er häufig geſammelt und genoſſen.
Man rühmt zum Gebrauch nur junge derbe
Stücke, und nachdem man ſolche mit Waſſer rein—
lich abgeſpühlet, das Unterſte weggeſchnitten,
und die Lamellen abgelöſet: fo zer ſchneidet man
den ganzen Schwamm in Spalten, bereitet eine
Brühe von guter Fleiſchſuppe mit Butter, Mehl
und zerſtoßenem Waizenbeod, nimmt dann auch
Sahue (Milchrahm dazu, und läßt die Schwäm—
me damit gar werden. Manche lieben mehr den
Geſchmack des Weins, andere miſchen Fleiſch von
394
jungen Hühnern, Fröſchen oder Fiſchen darun⸗
ter. Zur Würze bedient man ſich bald der Sar—
dellen, bald des Pfeffers, der Gewürznelken,
der Muskatenblüthe oder der Citronenſchalen. Auch
Quendel, Majoran, Peterſilgen und Zwiebeln
pflegen manche als Zuſatz dabey zu verſchwenden.
Der Kaiſerling gilbt die Gerichte ſo ſtark,
daß man eine große Quantität Safran anwenden
müßte, um eine gleiche Wirkung hervorzubringen.
Cluſius erzählet uns nach feiner eigenen nai—
ven Weiſe, er habe eines Tages bey einem Un—
gariſchen Magnaten, Nahmens Balthaſar von
Batthyan, auf deſſen wohlbefeſtigtem Schloſſe
Nemeth⸗Wypwar geſpeiſet, als wohin er alljähr—
lich einige Mahle durch ein eigenes Schiff von
Wien zur Tafel ſey abgeholet worden. Da nun
die Kaiſerlinge in ihrer Brühe aufgetragen wur—
den, er aber vordem noch niemahls ſie geſpeiſet
hatte: fo konnte er ſich nicht enthalten, den eds
len Gaſtfreund in franzöſiſcher Sprache anzure—
den (denn, ſagt er, dieſer große Mann ſprach
außer ſeiner Mutterſprache auch Latein, Italiä—
niſch, Franzöſiſch, Spaniſch, Deutſch und Van—
daliſch!), und ihm ſeine Verwunderung zu be—
zeugen, daß man dieſes Gericht ſo gar ſehr mit
Safran gewürzt habe. Allein der edle Wirth
wandte ſich zu feinen übrigen Gäſten, und fags
te (auf Ungriſch): Meiſter Cluſius hat ſich ges
45
ſchnitten. Die ganze Geſellſchaft erhob ein lau—
tes Gelächter; denn es war Allen ſehr wohl
bekannt, wie emſig er bereits die Schwämme
im Walde unterſucht hatte. Und hier bey der
Tafel waren doch ſie ſeine Meiſter!
*
46
7
IV. Der Hallimaſch (Agaricus, Le-
piota, Polymyces. P.)
S. Wachspraͤp. D. und Abbild. Trab. D.
Wi dieſer Schwamm in andern deutſchen Län—
dern genannt werde, habe ich durchaus nicht in-
Erfahrung bringen können. Er ſcheint überhaupt
den deutſchen Schriftſtellern wenig bekannt zu ſeyn.
Bey uns wird er zuweilen auch wohl Stock
ſchwamm, Winterſchwamm, Spätling, Halli—
maaſch und Heckenſchwamm geheißen.
Er wächſt äußerſt häufig auf halbvermorſch—
ten Wurzelſtöcken von gefällten Buchen, Ruſten
u. dgl. „ wie auch auf der Erde im Moder don
den Abfällen der Bäume. Man findet ihn vom
Ende des Auguſtmonaths an bis in den Novem—
ber, ja bey gelinder Witterung oft noch viel ſpä—
ter. Auf den Marktplätzen ſieht man davon eine
oft ganz unglaubliche Menge:
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Auf Baumſtämmen wächſt dieſer Schwamm
viel lieber als in der Erde, und ſeine Haufen
find viel ſtärker, zu 68 und darüber. Er bewei—
ſet dadurch, fo wie durch die wirklich große Aehn> \
lichkeit, feine nahe Vetwandtſchaft mit dem
Stockſchwamme (Agaricus, Lepiota, caudi—
einus Fers.), weßwegen ihn denn auch der eng—
liſche 1 i Sowttsg Agaricus stipitis
nennet. 1 ö K
Der Sbllmeſte hat keinen Wulſt, wohl
aber einen ziemlich ſtarken Ring, durch deſſen
Aus dehnung in der Jugend die Lamellen verhüllt
werden, indem er den Rand des Hutes mit dem
Strunke verbindet. Dieſe Haut ſetzt ſich ſichtbat—
lich bis an den Grund des Strunkes fort, und
es ſteckt demnach der Strunk in derſelben wie ein
Fuß in dem Strumpfe.
Aus dieſer Urſache nennt man dieſe Shoe
art, fo wie alle andere eben fo gebildete Arten,
einen Stiefelſchwamm (Lepiota). Bey dem ge—
genwärtigen Stiefelſchwamme iſt dieſe Haut oh—
ne Filzſchuppen, und hat nur einige leichte läng—
liche Falten, wodurch ſie ſich ſchon weeſentlich
von dem Stockſchwamme unterſcheidet.
Die Hüte der jüngern Individuen ſind faſt
Kugelrund oder Kopfförmig. In der Folge brei—
ten fie ſich wagrecht aus, doch behalten fie in
der Mitte immer eine ſtarke, dunkler gefärbte
45 ' |
Nabelförmige Erhebung. Der Hut eines volle
kommen gebildeten Schwammes mißt gewöhn—
lich 3 Zoll im Durchmeſſer. Er iſt gewöhnlich
dunkelbraun ins Rothgelbliche ſpielend. Seine
Oberfläche iſt etwas feucht, und daher ein wer
nig glänzend; auch hat ſie gewöhnlich viele duns
kelfärbige ziemlich anliegende Filzſchuppen, wel⸗
che am Nabel herum viel kleiner und viel ge—
drängter zu ſehen find als in feinem Umfange.
Die Lamellen ſind weiß, und haben eine
ſehr unrein roſenfarbene Spielung. Im Alter
werden fie gelblich. Sie find von mäßiger Breis
te in zwey und dreyfachen Reihen, und laufen
etwas am Strunk herab.
Der volle fleiſchige Strunk iſt bey 4 Zoll
hoch, und wird am Grunde etwas dicker.
Der Hallimaſch ändert in der Größe von
2 bis zu g Zoll der Höhe. Sein Hut fällt zuwei—
len ins Aſchgraue oder wohl auch ins Oliven—
grüne, zuweilen iſt die blaßgelbbraune Farbe
mit einem röthlichen Schimmer durchmengt. Der
feuchte Glanz iſt bald ſehr lebhaft, bald kaum
zu bemerken. Die Filzſchuppen ſcheinen auch zus
weilen ganz zu fehlen. Der Nabel iſt öfters fehr
niedergedrückt und kaum zu bemerken.
Der Hallimaſch iſt angenehm zu verſpeiſen.
Sein Geſchmack hat einige Aehnlichkeit mit dem
Fleiſche von Lämmern. Geruch iſt kaum einer
N R 2 49
an ihm zu Whrken. Man kocht ihn entweder
als Zuſatz zu gedünſtetem Fleiſche, oder beſon—
ders in Fleiſchbrühe, mit einiger Zugabe von
Mehl, Butter, Sahne. Zur Würze pflegt man
Sardellen, Pfeffer und Zwiebeln zu gebrauchen.
Es iſt der wohlfeilſte und am wenigſten
gefährliche Marktſchwamm.
50
V. Der Stockſchwamm (Agaricus,
Lepiota, caudicinus. Pers.)
S. Wadhspräv. E. und Abbild. Tab. E.
5 meiner Naturgeſchichte der Oeſterreichiſchen
Schwämme habe ich unter No. XIV. eine bee
ſondere Abart des Stockſchwammes geliefert.
Hier folgt er in ſeiner gewöhnlichen Bildung.
Ich benütze zugleich dieſe Gelegenheit, einige
Fehler zu berichtigen, die mir damahls ent—
wiſcht ſind. Ich hielt nähmlich zu jener Zeit
noch den Hallimaſch für eine bloße Abart des
Stockſchwammes, und wußte nicht, daß der
Ag. Polymyces Pers, unſer gewöhnlicher Hal⸗
| limaſch ſey Hieraus floß die unrichtige Angabe
über die erſtaunliche Menge des zu Markte ge
brachten Stockſchwammes. Es iſt nähmlich hie—
von die ganze Summe des Hallimaſch abzuzie—
Sun
7.
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51
ben. Auch iſt zu bemerken, daß man hier noch
manche andere Schwammarten, z. B. den Lauch—
ſchwamm (A. Gymnopus alliatus P.), den
Kresling (A. Mycena, esculentus P.), den
Drehling (A. Pleuropus, ostreatus F.) und
noch mehr andere mit dieſem Nahmen bezeichnet.
Unterdeſſen iſt es doch wahr, daß in man—
chen Jahren von dem wirklichen Stockſchwamm
eine große Menge zu Markte gebracht wird.
Auch trifft man ihn oft untermengt mit dem
Hallımalch ſowohl in den Wäldern als auf dem
Markte an, und ſowohl die Zeit als der Ge—
brauch und die Eigenſchaften ſind unter beyden
übereinſtimmend.
Man erkennet den Stockſchwamm aus dem
genabelten, meiſtens hellbraunen, im Alter am
Rande etwas ausgeſchweiften glatten und etwas
feuchten Hute, aus den blaß Zimmetbraunen,
am Grunde ausgeſchnittenen und am Strunke
etwas herablaufenden Lamellen, aus dem wei—
chen verweeslichen Ringe und aus dem ziemlich
dünnen unterhalb ſchwärzlichen Strunke, deſſen
Ueberzug ſich auf und auf in lockere faſerigte
Schuppen zerflücket.
Der in der Jugend volle walzenförmige
Strunk pflegt im Alter hohl zu werden. Der Hut
iſt niedrig; zuweilen ſchlägt er ſich auch zurück in die
D 2
52
Geſtalt eines Trichters, oder zerplatzt am Rande
herum in häufige Schlitzen und Riſſe.
Die Farbe des Hutes und die Größe ſind
ſehr veränderlich. Auch darin iſt er ſehr unbe—
ſtändig, daß er, nach Verhältniß ſeines Stan—
des, ſich bald ſchief bald gerade aufrichtet.
Er wächſt immer an moderndem Holze, an
abgeſtorbenen Baumwurzeln u. dgl. Einzeln
kömmt er äußerſt ſelten vor. Aber fo große Haus
fen wie der Hallimaſch bildet er doch niemahls.
Auf der hier beygefügten Kupfertafel ſind
zwey von den gewöhnlichen Formen dieſer
Schwammart vorgeſtellet worden.
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VI. Der Raßling (Agarıcus, Gym-
nopus, Monceron.)
S. Wachspraͤp. F. und Abbild. Tab. F.
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Der Raßling, Rösling oder Mouceron ge
höret hier zu den etwas ſeltneren Marktſchwäm—
men. Man muß aber wohl merken, daß dieſe
ſämmtliche Benennungen verſchiedenen andern
eßbaren Schwämmen ertheilt zu werden pflegen.
Z. B. der Lauchſchwamm wird auch ſo gehei—
ßen. Dennoch glaubte ich hier den Nahmen
Raßling beybehalten zu müſſen, theils weil er
einzig unter demſelben auf unſern Märkten be—
kannt iſt, theils auch, weil ich ſeine Naturge—
ſchichte in meinem größern Schwammwerke )
) Heſterreichs Schwaͤmme b. d. H. No. 19.
54
unter eben demſelben abgehandelt habe. Ich
werde in der Folge die andern gleichnahmigen
Schwämme durch andere feſtgeſetzte Benennun—
gen unterſcheiden.
Der ächte Raßling If ein Schwamm ohne
Wulſt und ohne Ring. Von Farbe iſt er un⸗
reinweiß, und fällt bald mehr ins Bräunliche,
bald ins Graue. Er erreicht ſelten über 23 Zoll
an Höhe, und ſein am meiſten ausgebreiteter
Hut hat beyläufig 2 Zoll im Durchmeſſer. Sos
wohl der Hut als der Strunk find außerordent—
lich fleiſchig, derb und voll. Die Lamellen ſind
weißlich, überaus gedrängt, ſehr ſchmal und
ſichelförmig gebogen. Der Rand des Hutes iſt
immer ſehr beträchtlich eingerollt.
Oefters wachſen ihrer mehrere vom Ur—
ſprung an zuſammen, allein gewöhnlich lebt er
einſam.
Man ſammelt den Raßling zur Zeit der
Spitzmorchel, d. i. im May und Junius, in
Gebirgswaldungen, zwiſchen Buchen und Ei—
chen, allwo er aus der Erde aus dem Moder
der Abfälle und an den verdorbenen Wurzeln
der Bäume emporblüht.
Er iſt, beſonders im jüngern Alter, über—
diemaßen lieblich und wohlgeſchmack. Er riecht
zwar nicht ſo heftig, aber, wie es mich deucht,
wohl noch angenehmer als die Trüffel. Man
55
könnte feinen Geruch faſt mit dem Geruche der
Aurikeln vergleichen, wenn nicht immerhin der
gewiſſe Schwammgeruch beygemiſcht wäre, wel—
chen man jedoch auch an allen andern eßbaren
Arten erkennet. 0
Man wählt für die Küche nur die jüngern
Stücke, und pflegt ſie auch zum ſpätern Ge—
brauche getrocknet aufzubewahren. Zu dieſem En—
de pflegt man fie an einem Zwirnsfaden Pa—
ternoſterartig anzufaßen, und in der freyen Luft
an einem trockenen Orte aufzuhängen.
Perſoons Agaricus Gymnopus graven-
lens ſcheint nicht hieher zu gehören, weil er die
Dicke des Fleiſches vom Hute nur auf 4 Linien
angibt, auch hätte er dann gewiß des Sowerby
feinen Ag. graveolens anführen müſſen, wels
cher allerdings der nähmliche Raßling iſt.
Ich wüßte zwar kein Beyſpiel, daß jemand
von dem Genuß dieſes Schwammes einen Wachs
theil an ſeiner Geſundheit erfahren hätte. In—
deſſen ſchreibt doch Janus Planecus an feinen
Freund Battarra im Jahr 1744: „Zuweilen
äußern ſich auch ſolche Schwämme als ſchädlich,
welche man ſouſt allgemein für die beſten und für
die unſchädlichſten zu halten gewohnt iſt, wie z. B.
diejenigen, die wir Prunuli oder Pruneoli (ans
fer Raßling) nennen, und womit die Tafeln des
Adels wegen ihrer Vorzüge des Geruches und
56
des Wohlgeſchmacks prangen. Es wird Ihnen
wohl noch bekannt ſeyn, wie vormahls einige un—
ſerer anſehnlichſten Mitbürger ſich durch den Ge—
nuß derſelben die Ruhr und heftige Weihen a
zen zugezogen haben.“
Ich erkläre mir meinerſeits dieſe He andere
ähnliche Erſcheinungen bloß dadurch, daß man
auch von dem geſundeſten Schwamme vergiftet
werden könne und müſſe, wenn er zu alt, faulig
oder von vielen Maden bewohnt iſt. Dieß kann
nun bey ſehr feuchter und warmer Witterung viel
leichter als ein anderes Mahl geſchehen. Auch
können vielleicht gewiſſe Beymiſchungen geſchehen
von ähnlichen ſchädlichen Schwämmen, und end—
lich iſt doch der Menſch ſelbſt nicht immer gleich
gut zur Verdauung eines jedweden Nahrungs—
mittels vorbereitet. Wie viele Tauſende ſind nicht
ſchon von dem Genuß der Erdäpfel, der Pfirfis
che, der Kirſchen erkrankt? Sollte man wohl
deßwegen die Erdäpfel, Pfirſiche und Kirſchen
für giftig oder für verdächtig erklären? — —
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VII. Der Honigtaͤubling. (Agaricus
Gymnopus Russula Pers.)
S. Wachsprap. G. und Abbild. Tab, G.
Die wahren Täublinge, die man oft auch Krem—
linge Grünlinge oder Frauentäublinge nennet,
ſollten nach meinem Urtheile gänzlich von den
Märkten verbannt werden, da auch die beſten un—
ter denſelben ſchon öfters giftig oder doch ſchäd—
lich befunden worden, ohne daß man gewiſſe
Kennzeichen angeben könnte, aus welchen ſie ſich
von den Genußbaren unterſcheiden ließen.
Perſoon hat freylich wohl unter derjenigen
Abtheilung der Blätterſchwämme (Agaricus)
die er Täublinge (Russula) nannte, eine Art
characteriſirt, welcher er den Beynahmen des
eßbaren (Agaricus Russula esculentus) zu ers
theilen wagte: allein auſſerdem, daß diefer Nah
me nicht beſtehen kann, weil zwey verſchiedene
E
58
Arten einer Gattung nicht den nähmlichen Nah»
men führen können, und weil ſchon früher nähm—
lich unter der Abtheilung von Mycena eine an-
dere Art Agaricus esculentus genannt wurde;
fo ift auch die bisherige Beſtimmung der Arten
von Schwämmen und insbeſondere von Blätter—
ſchwämmen zu ungewiß, als daß man das Leben
und die Geſundheit der Menſchen darüber aufs
Spiel ſetzen könnte. Man kann einen Schwamm
nur dann für geſund und des allgemeinen Gebrau—
ches fähig erklären, wenn verjährter Gebrauch
und ſtandhafte Merkmale feine Unſchuld bewei—
ſen, geſetzt auch daß Mißbrauch und Unbehutſam—
keit bey ſeinem Genuße je Schaden angerichtet
hätten; wenn z. E. verdorbene Stücke genoſſen
wurden! Allein die ächten Täublinge ſind ſo wan—
delbar in der Farbe, daß es wohl möglich wäre,
daß die von Perſoon angenommenen Arten in der
Folgezeit vielleicht nur für Spielarten gehalten
werden dürften, und daß eben ſo wie ihre äußer—
liche Geſtalt auch ihre innern Eigenſchaften vers
ſchiedenen Modifikazionen unterliegen, die bald
in der Jahrszeit, bald in der Witterung und in
verſchiedenen andern äußerlichen Einflüſſen ihren
Grund haben. Und auf dieſe Art mag man ſich
die zahlreichen Widerſprüche erklären, die uns
allenthalben in des ſeel. Krapf Naturgeſchichte
der Täublinge aufſtoßen, und die uns ſchon allein
59
die Zweydeutigkeit ihrer Eigenſchaften zur Genü⸗
ge erklären.
Der Honigtäubling iſt kein Täubling (Rus—
sula) ſondern ein Naktfuß (Gymnopus) und
er führt dieſen Volksnahmen bloß wegen ſeiner
Aehnlichkeit mit den Täublingen. Er hat einen
fleiſchigen, vollen, meiſtens gleichdicken Strunk,
deſſen Subſtanz ſchneeweiß, deſſen Aeußeres
glatt, ohne Ring, weiß, jedoch bald mehr bald
weniger ins Roſenrothe, oder wohl auch ins Ku—
pferfärbige gewendet iſt. Es giebt auch berſchie—
dene Abweichungen, ſo, daß der Strunk bald
unten bald in der Mitte dicker iſt, auch fein Ber-
hältniß zum Hute mancherley Verſchiedenheiten
darſtellet, da er zuweilen kaum die Dicke eines
Schwanenkieles übertrifft. Obſchon er gewöhn—
lich an 3/4 eines Zolles im Durchmeſſer, und et⸗
was über 2 Zoll in der Höhe zu erreichen pfle
get. Oben erweitert er ſich, ohne merklichen Ab,
ſatz in einen fleiſchigen Hut, deſſen Subſtanz zwar
auch weiß, jedoch gegen die Oberfläche hin meh—
rentheils mit einem röthlichen Hauche gefärbt
iſt. Dieſer Hut iſt im jüngern Alter faſt kugel—
förmig und am Rande herum ſehr ſtark eingerollt.
Nach und nach erweitert er ſich in die Form eines
Schirmdaches mit einem Nabel in der Mitte,
und verſchiedenen unregelmäſſigen Buckeln und Ver⸗
tiefungen. Seine Farbe iſt kupferroth, jedoch
E 2
60
geht fie nicht felten in ein ſehr ſtarkes Roſenroth
über. Im Alter der Verweſung wird ſie ſchmutzig
und fällt bald mehr ins Bläuliche bald ins Braune.
Was aber das vorzüglichſte Kennzeichen dieſer
Schwammart ausmachet, iſt der feine ſchuppen—
förmige Gries an der ganzen Oberfläche des Hu—
tes, welcher von der Oberhaut deſſelben herkommt,
die ſich Anfangs in kleine Wärzchen erhebt, nach»
her aber in ſchuppenartige ungeſtaltete Spisen
zerplatzt, die ihrer Feinheit und Menge wegen
dem ganzen Hute ein gewiſſes rauhes Anſehen
verſchaffen, welches jedoch in manchen Individuen
viel weniger auffällt, und überhaupt ſo wie die
Farbe und die Größe (welche letztere bey einem
ganz erwachſenen, im Durchmeſſer 2 bis 3 Zolle
beträgt) verſchiedenen Modifikationen unterwor⸗
fen iſt. 1
Die Blätter (Lamellen) auf der Unterſeite
des Hutes find weiß, ziemlich breit, von ungleis
cher Länge, nicht geſpalten, wie bey den ächten
Täublingen.
Der Schwamm iſt wohlſchmeckend, faſt wie
ein Champignon. Man bereitet ihn auf mancher—
ley Arten wie andere Schwämme, insbeſondere
pflegen die Landleute ihn klein zu zerſchneiden,
und mit Mehl und Zwiebeln nebſt Salz und Pfef—
fer in Butter oder Schmalz zu röſten. Man muß
vorſichtig alle jene ächten Täublinge aus ſondern,
61
die gefpaltene Blätter haben, auch iſt es nützlich
die Strünke der etwas erwachſenen der Länge
nach durchzuſchneiden, und wann ſich die geringſte
Spur von Ungeziefer darin wahrnehmen läßt,
ſolche lieber gänzlich wegzuwerfen.
Der Honigtäubling, den man auch unächten
rauhen Täubling nennet, findet ſich zerſtreut in
gemiſchten Eichen-Buchen- und Birkenwäldern.
Man bringt ihn vom Anfang des Julius bis in
den September zu Markte.
63
S CSE ELITE EL 0 44444.
VIII. Der Lauchſchwamm. (Agaricus,
Gymnopus, alliatus Pers.)
S. Wachspraͤp. H. und Abbild, Tab, H.
Man nennet dieſen kleinen eßbaren Schwamm
auch Knoblauchſchwamm, Raßling, Wieſen⸗
ſchwamm, Mußeron und findet ihn in ganz
Deutſchland, ja wahrſcheinlich auch noch auſſer
Deutſchland und beſonders vom 46. Grad der
nördl. Breite bis zum 50. Er iſt im Frühling
und zwar im April am häuftgſten, jedoch pflegt
er auch im Oktober und November geſammelt
zu werden. In naſſen und kühlen Jahren wird
er zuweilen auch mitten in den Sommermonathen
gefunden. Er wächſt am liebſten im Heideland,
d. h. in feiner ſchwarzer Moorerde, die aus ver—
weſenen Abfällen von Föhren, Tannen, Heiden
u. d. gl. entſtanden iſt, wo häufiges Moos die
ſchnelle Austrocknung des Bodens verhindert. Er
2
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chene chene Aube WA
63
liebt den Schatten und beſonders die Grenzen
der Wälder an der Nordſeite. Zuweilen kömmt
er auch in Grasgärten und auf Wieſen vor.
Man erkennet den Lauchſchwamm aus dem
zarten, aber dennoch etwas ſteifen glatten roth—
bräunlichen und unterhalb ſchwärzlichen, inwen—
dig hohlen, etwas flachgedrückten und faſt durch,
ſcheinenden Strunk, welcher ſich zu einem bis
2 ı/2 Zoll erhebt, aus dem wenig gewölbten,
nur etwas fleiſchigen, am Rande ſtrahlenförmig
gefaltenen, gelb- oder graubräunlichen im Mittel:
punkte dunkelgefärbten Hute, der gewöhnlich nur
1/2 oder 3/4 eines Zolles im Durchmeſſer hat
und nur in ſehr ſeltenen Fällen größer wird, und
endlich aus den ſchmutzigweißen, hie und da ver—
wachſenen mäſſig breiten, im Alter gekraußten
Lamellen, welche ſich leicht und ganz vom Hute
ablöſen und daher einen ſehr ſtarken Grund an
die Hand geben, ihn eher der Gattung des Ader—
ſchwammes (Merulius) als der des Blätter
ſchwammes (Agaricus) beyzuzählen.
Es iſt ein gewürzhafter angenehmer
Schwamm: denn obgleich ſein Geruch etwas ins
Knoblauchartige fällt; ſo iſt doch dieſes ſo ſehr
gemildert, daß es einen im Geſchmack vielmehr
an gewiſſe antiſcorbutiſche Kräuter aus der Fa—
milie der Kreuzblumen (Linnees Tetrabynamiſten)
erinnert, und zwar um fo vielmehr, da er auch
64
wirklich etwas geſalzenes mit ſich zu führen ſchei⸗
net. Man bedient ſich feiner nach abgeſchälten
Blättern zur Würze der Fleiſchbrühen bey ver-
ſchiedenen Gerüchten. Man pflegt auch ihn auf-
zuſpahren, indem man ihn vorher rein abgewa⸗
ſchen, und hernach an der Luft getrocknet hat.
Eben dadurch unterſcheidet aber der Lauchſchwamm
ſich ganz beſonders von gewiſſen kleinen ähnlichen
Arten des Miſtſchwammes (Coprinus) als wel—
che ſich nicht auftoknen laſſen, ſondern entweder
ganz in eine ſchwarze Jauche zerflieſſen, oder
wenigſten ſchwarz und faul werden.
Auch von dem großen Nagelſchwamm (Ag.
Mycena Alliaceus) deſſen Eßbarkeit wenigſtens
noch unbekannt iſt, muß man den Lauchſchwamm
unterſcheiden: denn dieſer Nagelſchwamm iſt viel
größer, ſteifer und riecht weit ſtärker nach Knob—
lauch. Er wächſt in den Niederungen der Alpen
einſchichtig und kömmt alldort nur in den Sommer»
monathen zum Vorſchein.
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IX. Der gemeine Nagelſchwamm.
(Agaricus Mycena esculentus Pers.)
S. Wachspraͤp. I. und Abbild. Tab, I.
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Die ſonſt noch üblichen Benennungen dieſer
Schwammart find: Kreßling, Kreösling, klei—
ner Stockſchwamm, Nägelſchwamm u: ſ. w. Im
Franz. wird er Agaric. Clou genannt, und
Langftedt äuſſert im allgem. Botan. Reperto—
rium J. Bd. S. 42 die Vermuthung, daß der
Isländiſche Ketesvepper, woraus die Islän—
der eine Speiſe bereiten, die fie Sveppekal nen—
nen, ebenfalls hieher gehören möge.
Man findet ihn im Frühling und im Herbſt
in lichten Wäldern, auf etwas feuchten Wieſen,
an den Rändern der Aecker und zuweilen ſelbſt
an den Wegen. In Kärnthen bringt man zu En—
de des April ganze Körbe voll davon zu Markte.
Auch in Wien wird er manches Jahr häufig auf
66
den Marktplätzen geſehen, obgleich mehr nur in
den Vorſtädten.
Es iſt eines von den minder delicaten Pros
Ducten der Schwammpomona. Man kann und
pflegt zwar hie und da den Nagelſchwamm roh
zu verſpeiſen: allein er iſt auf dieſe Art eher uns
angenehm als leckerhaft, denn ſein Fleiſch iſt
äußerſt dünne, und fein Geſchmack etwas widerlich
und bitter.
Unterdeſſen nimmt man dieſen Schwamm
dennoch ſo wie den vorigen zur Vermiſchung
mit Fleiſchbrühen und andern Speiſen, wo er
in Verbindung mit allerley Gewürzen für ein
gutes Gerücht gehalten wird. De guftibus non
eft disputandum !
Er wächſt gefellig in lockern Häufchen von
3 bis 10 Stücken, zuweilen auch einzeln.
Sein hohler Strunk wird gewöhnlich nur
ı bis 12 Zoll hoch, und hat oft nicht über
eine halbe Linie im Durchmeſſer. Er iſt ſehr
zart, und lange nicht ſo ſteif, wie bey dem
Lauchſchwamme, iſt übrigens nach verſchiedenen
Richtungen und Biegungen aufrecht.
Der zarte halbdurchſcheinende Hut hat ſehr
wenig Fleiſch, und iſt der Farbe nach meiſtens
ziemlich helle, doch niemahlen rein weiß, ſon—
dern fällt gemeiniglich ins Gelbbraune, doch
gibt es auch Stücke, die ins Graue, oder ins
67
Kaſtanienbraune fallen. Hut und Strunk find
immer gleichfärbig, nur iſt der Strunk jedes»
mahl um ein weniges bläſſer als der Hut. An—
fangs iſt der Hut halbkugelrund, mit der Zeit
breitet er ſich aber in ein flaches Gewölb aus,
deſſen Mitte mit einer Spur von Nabel bezeich—
net iſt, und es iſt noch überdies eine Schatti—
rung um denſelben herum, die faſt wie ein Augen—
ſtern ausſieht. Auch der Rand iſt mit dunkleren
Strahlenlinien geziert, die von der Einfügung
der Lamellen ihren Urſprung haben.
Die Lamellen ſind ziemlich breit, lanzett—
förmig, etwas weitſchichtig, von Farbe weißlicht,
jedoch meiſtens ſehr unrein ins gelbliche oder
bräunliche ſpielend.
Auſſer den bereits angegebenen Abweichun—
gen giebt es noch einige andere Ausnahmen, z.
B. in der Größe, da dann einige wohl einen gan—
zen Zoll am Hute im Durchmeſſer haben. Auch
iſt der Strunk von ungleicher Länge, und wird
wohl gar über 3 Zoll hoch, und wächſt er vol—
lends zwiſchen faulenden Mooſen hervor; ſo fin—
det man ſeine ganze untere Hälfte mehr oder
weniger mit einem Barte von äußerſt feinen Saugs
gefäſſen oder Wurzelfäſergen bewachſen.
— ——
63
IOHYIGOIOOGOOGHIIHI2909039I999993939
X. Die Gugemuke. (Agarieus, Pra-
tella, edulis. Pers.)
S. Wachspräp. K. und Abbild. Tab. K.
— 2 ——
Die Gugemuke, welche man auch weißen
Ehegattling, Ehegürtel, Heiderling, Trauſchling,
Dreitſchling, wie den Champignon, Kuckenmu—
cken, Angerling, Aegärtling, Aegerling, Brach—
bülz, Egerling, Leedling, Weidling, Wieſen—
pfifferling, Wieſenſchwamm, Haidſchwamm,
Drüſchling, Erdgürtel, Feldſchwamm, Brach—
männchen, Holl. Gewoone Kampernoelje;
Brabant. Weyer of Weykampernoelje;
Dän, Jordsvamp, Paddehat, Skurvhat;
Schwed. Champignon; Engl. the Toaditool ;
Franz. l'Agaric comeftible, Campagnoule,
Vinous; Ital. Il Pratajuolo, i pradellr,
Brife; Span. Agarico campeſtre; feta,
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2 . 7 UgGEemm ut N
e, . da) Sc ee. . ni .
69
xeta,jeta; Perrechicua, Outo; Portug. Aga-
rico dos campos, cogumelo ou tortulho de
comer; Ruß. Griby; Poln. Piezar; Wend.
Kuckmack; Ungr. Tseperke Gomba; Lett.
Breedenes zu nennen pflegt, verhält ſich zum
ächten Champignon, wovon das nächſtfolgende
Capitel handelt, gerade fo wie die Walderdbeere
zur Gartenerdbeere, oder wie im Thierreiche die
—
wilde Katze zur zahmen. Es gibt nähmlich aller⸗
ley Merkmahle der Bildung, wodurch ſich die
Gugemuke ziemlich ſtandhaft von dem Champig—
non unterſcheidet, wie der gewöhnlich hohle
Strunk, die Bläſſe der Lamellen und vornähm—
lich das Verhältniß der Dicke zur Länge des
Strunkes, indem die Gugemuke immer einen
dünneren länglichen und unterhalb knolligen Strunk
zu haben pflegt, da doch der Strunk des Cham—
pignon walzenförmig, ja zuweilen wohl gar ver—
kehrt kegelförmig, und überhaupt ſehr kurz,
voll und fleiſchig iſt. Demungeachtet giebt es doch
in allen dieſen Stücken zuweilen Ausnahmen,
und wenn auch dieſe nicht wären; ſo könnte man
fragen; ob wohl nicht vielmehr die Verſchieden—
heit des Standortes ſelbſt die Urſache an den
Veränderungen der angegebenen Geſtalten ſeyn
dürfte, anſtatt, daß man von der letzteren auf
die Nothwendigkeit eines verſchiedenen Standors
tes zu ſchließen habe? Wirklich habe ich ſelbſt
*
* en
u.
70
in Erfahrung gebracht, daß einige Gärtner Brut
von der Gugumuke ausnehmen, ſie nach Art
der Champignonsbrut cultiviren, und wahre
Champignons erhalten. Ich will deſſen ungeach—
tet hier nicht entſcheiden, ob beyde nur einerley
oder zwey verſchiedene Arten ſeyn ſollen. Genug,
daß man im gemeinen Leben, und beym Ge—
brauche ſelbſt Gugemuke und Champignon von
einander zu unterſcheiden pfleget!
Da indeſſen die Verwandtſchaft dieſer bey,
den Schwammarten ſehr groß iſt, und die meiſten
Schriftſteller und Floriſten ſolche nicht von ein»
ander unterſchieden haben; ſo iſt die Naturge—
ſchichte der Gugemuke von jener des Champig—
nons unzertrennbar. Wir können daher nicht mit
Gewißheit beſtimmen, ob dieſer oder jener es
ſey, den man auch in andern Welttheilen und in
dem neuen Continent ſo gut wie in dem alten
angetroffen habe. Das Mehr des Düngers, die
ſanftere Beſchaffenheit des Clima, und die Tie—
fe des Schattens ſcheint eine Hauptbedingniß zu
ſeyn, welche die Gugemuke in den Champignon
verwandelt. So viel iſt ausgemacht, daß die Gu⸗
gemuke in ihrer Geſtalt weit veränderlicher ſey,
lange nicht die Güte erreiche, und viel öfter
ungeſund befunden werde, als der ächte eulti⸗
virte Champignon.
71
Man findet ſie in gemäſſigten Climaten, im
ebenen Lande, wohl auch auf Hügeln, ſelten
auf Gebirgen, auf Gras angern, im Heideland,
auf Brachäckern und allenthalben da, wo Dün—
ger von Pferden mit andern Dünger oder mit
Erde vermiſcht vergraben liegt, oder wo ſolcher
lange gelegen und wo die durchgeſinterte Jauche
den Boden durchdrungen. In Gärten, auf
Exercierplätzen, in Lagern, oder ſelbſt in Städ—
ten, wo Pferdedünger vormahls gelegen, iſt
daher itzre Erſcheinung nichts ſeltenes. Ihre
Zeit iſt zwar ziemlich unregelmäſſig, doch kom—
men die meiſten vom Julius bis in den Sep—
tember zum Vorſchein.
Der Strunk dieſes Schwammes iſt bald
mehr bald weniger aufrecht oder gerade. Am
Grunde iſt er immer etwas aufgetrieben, zuwei—
len ſehr knollicht.
Er iſt glatt, obgleich unter dem Vergrö—
ßerungsglaſe feine Oberfläche ſehr feinfilzig er-
ſcheinet. Seine Farbe iſt weißlich, oder doch we—
nigſtens immer um vieles blaſſer als die des Hus
tes. Nur dann wenn der Hut auf eine monftiöfe
Weiſe klein, der Strunk aber ſehr lang iſt, nur
dann iſt die Farbe des Hutes und des Strunkes
einerley. Gewöhnlich mißt er in der Höhe den
Durchmeſſer des Hutes zweymahl, und ſeine
Dicke beträgt im Mittel den 5. oder 6. Theil
72
deſſelben. Allein es giebt hievon gewaltige Aus⸗
nahmen. Es gibt ſehr mißwachſene Strünke, die
verhältnißmäſſig viel länger, oder dünner, oder
ſonſt verkrüppelt, buckelig oder bauchig ſind.
Inwendig iſt er gewöhnlich hohl, doch hab ich
ſelbſt welche geſehen, die es nicht waren.
Der Hut, welcher Anfangs faſt ganz ku⸗
gelrund geſtaltet, und ducch eine ziemlich dicke
Haut mit dem Strunke um und um verbunden
iſt, die ſich nachher vom Rande des Hutes ab—
löſt, und am Strunke in Form einer Manſchette
ſitzen bleibt, die man Ring nennet, erweitert
ſich allmählig, bleibt jedoch immer gewölbt,
und ſchlägt ſich niemahls in eine trichterförmige
Geſtalt zurück. Am Rande herum iſt er immer
ſelbſt bey den älteſten und größten Individuen
eingerollt. Er iſt ſehr fleiſchig, und loͤſt ſich leicht
queer über vom Strunke ab. Sein Fleiſch iſt ſehr
weiß, dicht, faftig und manchmahl ſogar Milchs
triefend. Seine gewöhnliche Größe iſt ein Durch—
meſſer von 2 Zollen, doch hatte ich einſt ein
Exemplar in meinen Händen, deſſen Hut 9 Zoll
inn Durchmeſſer hatte. Es giebt auch allerley
Abarten und Mißgeſtalten mit buckeligten, cons
centriſch geringelten und Kegelförmigen Hute.
Die merkwürdigſte aber von allen, die mir zu
Geſichte gekommen, war die auch hier in der
Abbildung vorgeſtellte Monſtroſität mit einem
73
5 Zoll langen, ½ Zoll dicken Steunke, einem
Hute, der nicht einmahl einen ganzen Zoll gab
nebſt dem gänzlichen abſoluten Mangel der Rings
baut. Dieſer Hut iſt nun mit einer Haut über—
zogen, die ſich leicht ablöſen läßt, und ſich auch
wohl ſelbſt zum Theile abſchälet, wenn der
Schwamm ſeine vollkommene Reife erlangt hat.
Die Farbe dieſer Haut, oder ſo zu ſagen von der
Oberſeite des Hutes iſt nach dem Standorte und
der Witterung verſchieden. Je mehr Sonne, Tros
ckenheit und Winde beſto mehr fällt ihr Schmutz
ins Graubraune. Im Schatten hingegen und bey
kühler feuchter Witterung iſt ſie nicht ſelten ganz
Schneeweis.
Die ſehr gedrängten Lamellen ſind in dem
frühen Alter, bevor nähmlich die Ringhaut jers
platzet, ſehr blaß Fleiſchfarben, doch nie ſo Ro—
ſenfarben wie bey dem ächten Champignon. Tritt
nun aber einmahl die Periode der Reife ein, wo
die Schwammkeime ausfallen ſollen, fo werden
fie dunkelgraubraun und endlich faſt Kohlſchwarz.
Dabey werden ſie auch feucht und gehen zuletzt
in Faulung über, wobey ſich ein faſt unerträgli⸗
cher Geſtank entwickelt.
Um Verwechslungen zu vermeiden, hüte
man ſich ſtatt der Gugemuke einen Schwamm zu
nehmen,
2
a) deſſen Hut nicht weiß, fondern gelb,
röthlich, violett oder ſchekig iſt;
b) deſſen Lamellen nicht anfangs blaßroth
ſind, und erſt im Alter ſchwärzlich wer⸗
den;
c) deſſen Strunk keinen Ring hat, und an—
ders als weiß oder höchſtens nur ein we⸗
nig beſchmutzt iſt;
d) der auch nur die geringſte Spur von ei—
ner Wulſthaut haben ſollte, die in der
Jugend den ganzen Schwamm mit ſammt
dem Strunk und Hut bis auf die Wur—
zel verhüllet. |
Um aber auch bey dem Genuß der wahren
Gugemuke keine Gefahr zu laufen; fo wähle man
nur ſolche Stücke, deren Hut noch ſtark gewölbt,
deren Lamellen noch röthlich, deren Strunk von
keinen Maden zerfreſſen, deren Fleiſch überhaupt
noch derb und friſch iſt. Man ſchäle die Ober—
haut des Hutes und den Ring ab, verwerfe die
Blätter und koche mit dieſen ſo zubereiteten
Schwämmen eine entzweygeſpaltene Zwiebel oder
einen Silberlöffel. Wird jene blau, oder dieſer
dunkel ſo iſt es ein Zeichen giftiger und ſchädlicher
Eigenſchaften. Außerdem hat man nichts zu be⸗
ſorgen.
Man pflegt hie und da ſolche auf obige Art
zubereitete Stücke von Gugemuken und Champig⸗
75
nons in Eſſig zu legen, und fie auf dieſe Art zur
Speiſewürze für den Winter aufzubewahren, ei—
ne Methode die weit Empfehlungswürdiger und
ſicherer iſt, als das ſo gewöhnliche Auftrocknen
und Dörren der Schwämme.
Der Geſchmack der Gugemuke iſt dem des
Champignon ſo ähnlich, daß ich davon ſo wie
von ihrem Gebrauche hier gar nichts anzuführen
habe, da ich um Wiederholungen zu vermeiden
meine Leſer auf dasjenige verweiſe, was ich über
dieſe Sachen im nächſtfolgenden Artikel von dem
Champignon ſelbſt zu ſagen gedenke.
76
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XI. Der Champignon. (Agaricus,
Pratella, campestris. Pers.)
S. Wachsprap. L. und Abbild. Tab, L.
Es hat dieſer Schwamm die meiſten Benennuns
gen ſowohl im Deutſchen als in den fremden Spra—
chen mit dem vorigen gemein. Man nennt ihn je⸗
doch Vorzugs weiſe Champignon, Herrenſchwamm,
Sartenſchampignen, Tafelſchwamm u. ſ. w.
Freywillig hervorwachſend findet man ihn in
ſehr gemäſſigten Climaten z. B. in Italien, im
Südlichen Frankreich, in Spanien u. ſ. w. Er
wird jedoch, obgleich ſeltner auch in ganz Deutſch⸗
land ja wohl in noch niedrigeren Graden der nörd—
lichen Breite gefunden. Er wächſt in der Nähe
Menſchlicher Wohnſtätten in Niederungen, auf
bebauten Stellen, wo die Strenge der Nordwin⸗
—
2
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72
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7
de durch Berge und Gebäude gebrochen wird,
und zwar beſonders auf Plätzen wo Pferdedün—
ger gelegen, wo die Gärtner und Ackersleute ihre
Miſtſtellen zu haben pflegen, in Weingärten,
alten Spargelbeeten, und auf Plätzen wo öfters
Pferde geweidet werden, jedoch immer nur in
etwas ſchaͤttichten Oertern.
Er iſt der Gugemuke ſehr ähnlich, und un—
terſcheidet ſich von ſelber nur in folgenden Stü—
cken:
1) Er iſt noch Fleiſchiger, und ſein Fleiſch
iſt noch ſchmackhafter, ſaftreicher und feiner;
2) ſein Strunk iſt verhältnißmäßig kürzer
und dicker, indem er den Durchmeſſer des Hutes
in der Länge nicht übertrifft.
3) Dieſer Strunk iſt ferner kaum mehr als
zmal ſo lang gegen ſeine Dicke, auch iſt er ent—
weder ganz Walzenförmig, oder wohl gar nach
untenzu abnehmend, niemahls aber knollig. Er
ſteht immer gerade und bat weder Biegungen noch
Aus wüchſe. N
4) Der Hut iſt immer ſehr gewölbt, ohne Na,
bel und macht keine ſolchen Mißgeſtalten wie die
Gugemuke. Von Farbe iſt er anfangs rein weiß,
wird nachher bräunlich und ſeine Haut zerpflükt
78
ſich in ſchuppenförmige Schlitzen. Es gibt Abar
ten mit ſehr dunkeln Kaſtanienbraunen Hüten.
5) Die Lamellen ſind in der Jugend ſehr
ſchön, Roſenfarben und nicht Fleiſchfarb wie
bey der Gugemuke.
Der Verwechslung und Vergiftung halber
iſt ganz das nähmliche zu beobachten, was ich
im vorigen Artikel von der Gugemuke angegeben
habe.
Der Geruch des Champignon iſt zwar nur
ſchwach aber doch angenehm, und hat eine Aehn—
lichkeit mit dem Dufte von Waizenmehl und weiſ—
ſen Roſen, obgleich auch immer etwas von dem
Grundgeruch mit untermengt iſt. Der Geſchmack
iſt ſüßlich, fat Milchartig mit einer ſehr gelin—
den, dem Geſchmacke des Fleiſches ähnlichen
Würze.
Man bereitet die ganz wie die oben beſchrie—
dene Gugemuke zugerichtete Stücke Champignon
als eigenetz Gerücht in Fleiſchbrühe, mit Mehl
Butter und Milchrahm, und würzt ſie entweder
mit Sardellen oder mit Limonſchalen, Pfeffer,
Gewürznelken u. d. gl. Man ſpeiſt fie auch als
Sallat in Eſſig und Baumöhl, aber weit gewöhn—
licher iſt der Gebrauch fie nur als Zugabe zu ver⸗
79
ſchiedenen Fleiſch - und Fiſchſpeiſen zu benützen.
Man giebt fie in die Suppen zum Eingemachten,
unter das Zugemüs in Paſteten, Ragous u. ſ. w.
um den Geſchmack zu verbeſſern.
Da dieſe Schwämme ſehr geſchätzt und
theuer bezahlt werden; fo iſt mau ſchon vor lan—
ger Zeit darauf verfallen, ſie durch die Kunſt zu
erzeugen, und zu vermehren. Die vortheilhafte⸗
ſte Methode dieſer Cultur beſteht im folgenden:
Man macht in einem eigends dazu gewidmeten
Keller ſo viel da Raum iſt, Miſtbeeten zurecht,
die mit Brettern eingefaßt werden. Dieſe Beeten
oder Kiſten können 4 bis 5 Fuß in die Breite,
und 3 Fuß in die Höhe haben. Man füllt dieſe
Kiſten im Spätſommer oder im Herbſte mit
halbverfaulten, jedoch noch nicht ganz ausgekühl—
tem Pferdemiſt mit untermengtem Stroh bis an
den obern Rand, und giebt von Zeit zu Zeit,
wie ſich der Miſt ſetzet, wieder ſo viel nach, daß
die Kiſten immer übervoll bleiben. Dieſer Miſt
wird dann nur ganz wenig zuſammengetreten, und
nach 14 Tagen oder 3 Wochen, wann die größ⸗
te Hitze vorbey iſt, (während welcher Zeit man
ihn ganz wenig mit Waſſer beſpritzet) mit einer
3 oder 4 Zoll dicken Schichte fein geſiebter ſchwar—
zer Miſtbeeterde zugedeckt“ Nun nimmt man Stüs
40
cke von der wohlaufbewahrten Champignon Er⸗
de, ſteckt fie ı bis 2 Fuß weit von einander in
die obere Schichte ein, begießt ſie ein wenig mit
der Brauſe, und bedeckt bald darauf das ganze
Beet mit Rohrmatten, oder mit Brettern, die
aber nicht aufliegen dürfen. Sieht man nun nach
einigen Tagen, daß die Champignons hervor—
kommen, ſo nimmt man die Decke weg, und be—
gießt von Zeit zu Zeit das Beet, jedoch nur
ganz ſparſam mit einem abgeſtandenen Waſſer,
das mit Salpeter oder Miſtjauche vermengt
worden. Die Champignons welche groß genug
find um verbraucht zu werden, muß man vorſich—
tig mit dem Meſſer an der Erde abſchneiden, um
nicht die Brut mit herauszureiſſen. Hört nun ein»
mal die Löſe auf, ſo läßt man das Beet trocken
werden, nimmt die vergrößerte neue Brut heraus
und verwahret ſie an einem trockenen Luftigen,
gegen Sonnenſchein und Froſt geſchützten Orte
zum ferneren Gebrauche auf,
Andere bedienen ſich wohl auch irgend einer
ſchattigen Stelle im Gewächs hauſe und man kann
auch im freyen Lande Champignonbeeten anlegen,
doch müſſen dieſe ſowohl zur Nachtzeit als wie
auch bey ſtarken Winden, Regen und Gonuens
ſchein mit Brettern zugedeckt werden, jedoch ſo,
daß die Beetter nicht aufliegen, ſondern immer
81
um z oder 3 Zoll höher unterſtützt werden, als
die Fläche des Beetes ſich erhebt. Die vortheil—
hafteſten Beeten dieſer Art ſind die Dachförmigen,
weil fie mehr Fläche haben, und die überflüſſige
Feuchtigkeit beſſeren Ablauf gewinnet.
En En en —
82 .
SII:SHTSOIHOHSTO9H993089990909999
XII. Der Reizker. (Agaricus, Lac-
tifluus, deliciosus. Pers.)
S. Wachspraͤp. M. und Abbild, Tab, M.
Oogleich dieſer Schwamm nicht ſehr empfoh—
len zu werden verdient, fo gehört er doch zu
den wichtigſten, die hier abgehandelt werden
müſſen, weil er an mehreren Orten im Ge—
brauche iſt, ja ſogar in Kärnthen, Krain und
Tyrol auf eine ähnliche Art wie der Cham—
pignon cultivirt wird, da er doch mit einigen
ſehr giftigen Schwammarten ſo viele Aehnlich—
keit hat, daß man ihn nur mit vieler Genauig⸗
keit davon unterſcheiden kann.
Er führt noch viele andere Nahmen, mel»
che er jedoch auch zum Theil mit einigen der
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giftigen Arten gemein hat. Er heißt nähmlich
hie und da: der delikate oder lekere Blätter—
ſchwamm; der eßbare Reizker; Ritzke, Rietſche,
Reitziker, Salatriezchen; Reiſche; Rödling;
Räßling; Reißigel; Egerla; Reibling; Rips
pen; Tanneling, Tännling; Förling, Förch—
ling; Hirſchling, Herbſtling; Blütling; Brüt—
ling, Brietling, Brüttäubling; Herrenſchwamm,
rother Milchſchwamm; Reitſchker, ſchmaler
kleiner Milchſchwamm; ferner im Holländ. Lek-
kere Kampernoelje; Reitscher; Dän. Den
lekkere Bladsvamp; eller Riska; Engl. The
Orange Agaric; Franz. l’Amanite sauguine,
L' Agaric delicieux; Ital. Agarico deli-
zioso; Uovolo, fungo lapacendro; Span.
Agarico delicioso; Portug. Agarico deli-
cioso; Ruß. Ryschik, Royschik; Poln.
Ryzik; Böhm, Rizek; Ungar. Kizik; Krain.
Petschenitze; Finnl. Ihmisensiene; Lett.
Sehnes; Eſthn. Sened; Sineſ. Hiam chuen;
Cochinchin. Nam Dec. u. ſ. w.
Der Reizker iſt, wie man aus der Mans
nigfaltigkeit dieſer Benennungen von ſelbſt ge
wahr wird, ein wahrer Weltbürger und ſeine
Verbreitung iſt ganz auſſerordentlich. In Ruß—
land, wo man überhaupt die meiſten Schwäm—
me zu genießen pflegt, wird er am ſtärkſten
84
verbraucht, aufgetroknet und ſogar zu einer
Art von Handelsartikel verwendet, indem er in
Salz eingemacht, oft in ferne Provinzen vers
ſendet wird. Er liebt vorzüglich hochgelegene
öde Nadelwälder, beſonders Tannenwälder,
und kömmt vom Auguſt bis in den November
zum Vorſchein.
Schon die Römer ſollen dieſen Schwamm
geſchätzt, und unter dem Nahmen Bolecus vers
ſpeiſet haben. Allein dieſe Behauptung möchte
bey genauer Unterſuchung wohl nicht Stand
halten. Und ich glaube vielmehr, daß der hie—
her bezohene Boletus bloß die Amenita cae-
sarea geweſen, von welcher ſchon oben im 3.
Artikel iſt gehandelt worden, und wovon Pli-
nius L. XXII. cap. 10 ſagt: „Inter ea, quae
temere manduntur, boletos merito posu-
erim, optimi quidem hos cibi, sed im-
menso exemplo in crimen adductos, ve-
neno Tiberio Claudio principi per hanc
occasionem a conjuge Agrippina dato:
quo facto illa terris venenum alterum,
sibique ante omnes, Neronem suum dedit.
Volvam enim terra ob hoc prius gignit,
ipsum postea in volva, ceu in ovo est
luteum. Nec tunicae minor gratia in cibo
infantis boleti. Rumpitur haec primo nas-
85
centes mox in pediculo corpus absumitur,
raroque unquam geminis ex uno pede.“
Nun iſt freylich wohl der Nahme Boletus bey
den alten Lateinern von einer ſehr ausgedehn—
ten Bedeutung, und drückt faſt eben ſo viel
aus, als was wir im Deutſchen überhaupt
durch das Wort: Schwamm verſtehen: allein
die angegebene Stelle enthält eben fo wenig eis
nen Grund, woraus man gerade ſchließen könn—
te, daß die Römer den Reizker gekannt, und
genoſſen hätten. Er iſt übrigens in Italien ſehr
gemein, und wird vorzüglich im Genueſiſchen
zum Handel verwendet, und anſtatt daß ihn
die Ruſſen in Salz legen, ſo wird er dort in
Baumöhl eingemacht und verſendet.
Sein Geſchmack iſt dem des Goldbrätlings
ziemlich ühnlich. Nur iſt er etwas ſchärfer,
und noch mehr aromatiſch Pfefferartig.
Zum Verſpeiſen nimmt man vorzüglich nur
junge Stücke, deren Fleiſch noch derb und ohne
Maden iſt. Man ſchält Oberhaut und Blätter
ab, zerſchneidet ihn in Stücken, brüht dieſe
mit ſiedendem Waſſer ab, und kocht ihn nach-
her mit Butter, Mehl, Salz, und allerley
Gewürzen. Auch pflegt man ihn als Sallat mit
kleinen Meerfiſchen, Krebſen, Auſtern und Ans
tiſcorbutiſchen Kräutern zu verſpeiſen.
Der Reizker wird 2 bis 3 Zoll hoch und
ſein Hut hat ungefähr den nähmlichen Durch—
meſſer. Sein Strunk ſteckt nicht ſelten bis zum
Anfang der Lamellen in der Erde. Hut, Lamellen
und Strunk ſind von gleicher Farbe, nähmlich
dunkel goldgelb, doch fällt er zuweilen mehr ins
Ziegelrothe. In der Jugend iſt er etwas bläſſer
ohne Bänder, und dabey etwas feucht und kle—
brig. Im Alter geht er ins Bronzfarbene über,
bekömmt zahlreich zierliche conzentriſche Ringe
oder Bänder über dem Hute, die mit helleren und
dunkleren Farben abwechſeln, und ſpielt hie und
da, beſonders am Strunk und an den Lamellen
ins Grünliche. Die Lamellen und der Strunk ſind
immer um etwas bläſſer als der Hut. Jene, wenn
ſie mit den Fingern zerrieben werden, pflegen
ihre Goldgelbe Farbe in Gelbgrün zu verwan—
deln. Außerdem triefen ſie bey jeder Verletzung
von einer gelben Milch, welche nicht unangenehm
riecht, aber ſcharf und alſo ungeſund iſt, weßwe—
gen man auch die Lamellen jedesmal wegſchneidet.
Das Fleiſch iſt weiß und nur gegen auſſen zu ein
wenig von der allgemeinen Farbe des Schwammes
durchdrungen. Er darf nicht ſehr reif werden, ſo
iſt er ſchon eine Wohnſtätte und Vorrathskam⸗
mer der Maden. Man trifft daher ſelten einen
an deſſen Strunk noch voll, und nicht von Inſek⸗
ten zerfreſſen und ausgehöhlt wäre.
N
Der Strunk des Reizkers iſt Walzenförmig
oder verkehrt Kegelfoͤrmig ganz glatt und erwei—
tert ſich nach oben zu allmählig in die Subſtanz
des Hutes. Die Lamellen ſind Sichelförmig ſehr
ſchmal und gedrängt und wechſeln unregelmäſſig
in 2 und 3 Reihen von ungleicher Länge. Der
Anfangs glatte feuchte und etwas klebrichte, nach⸗
ber aber filzig gebänderte Hut iſt ſchon in der Ju—
gend im Mittelpunkte vertieft, und am Rande
eingerollt, wird aber zuletzt ganz Trichterförmig
mit einem ſtark gewölbten Umfange, an dem man
nicht ſelten allerley Vertiefungen und Riſſe be⸗
merket. |
Dieſer Schwamm hat einige Aehnlichkeit mit
dem Röthlinge (Merulius Chantarellus) noch
mehr aber mit verſchiedenen Arten der Brätlinge
oder Milchſchwämme, mit denen er auch wirklich
in einerley Familie gehöret.
Da nun einige dieſer ihm fo ähnlichen Brät—
linge ſehr ſchädlich und giftig find; fo iſt die größ⸗
te Behutſamkeit röthig, wenn man beym Eins
ſammeln des Reizkers verhüten will, daß kein
unächter oder giftiger darunter gerathe.
Man muß ſich demnach ſehr genau an die
hier vorgelegte Beſchreibung halten, und alle jene
verwerfen;
388
2) deren Hauptfarbe nicht ein dunkles Roth⸗
gelb, ſondern Grau, Braun, Weiß oder
Roth iſt; |
b) die eine Spur von Vorhang, Wulſt
oder Ringhaut haben;
c) deren Milch nicht rothgelb, ſondern weiß
oder bläulich iſt;
d) welche in Birken und nicht in Nadel⸗
wäldern wachſen;
e) an welchen Hut, Blätter und Strunk
mehr als einerlei Grundfarbe haben. |
Der Reizker wächſt mehrentheils einſchich⸗
tia; doch trifft man ihn zuweilen auch geſellig,
fo daß 3 und mehrere Stücke zuſammen aus einem
Punkte hervorwachſen. Im Alter verliert ſich
ſein Fleiſch, er wird trocken, grünlich und gegen
den Rand hin faſt durchſichtig. Sein Strunk be—
kommt Brandflecken und ein Faſerichtes Wur—
zelgewebe verbreitet ſich aus demſelben in die an—
liegende Erde. Bey uns in Wien kömmt er ſel
ten zu Markte.
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XIII. Der Goldpraͤtling. (Agaricus,
Lactifluus, ruber. Pers.)
S. Wachspraͤp. N. und Abbild. Tab. N.
Dieſer Goldbrätling, den man ſonſt wohl auch
Prätling, Milchſchwamm, rother Prätling,
Breitling, Bratbülz, Milchbülz, Brückling;
Süßling; Holländ. Melkgeevende Kamper-
noelje; Dän, Stegeswampen, Schwed. Stek-
swampen; Engl. Themilky Agarie; Franz.
L Amanit laiteuse, L’Agaric a sue blanc;
Ital. Agarico latticinoso; Span. Agarico
que arroja leche; Portug. Agarico que tem
hum succo branco semelhante ao Leite etc,
nennet, ift ein anfehnlicher und ſehr wohlſchme—
ckender Schwamm, der faſt in allen Gegenden
des gemäſſigten Erdgürtels zu Hauſe iſt, und den
man in Hochſtämmigen Buchenwäldern findet,
auf mäſſigen Gebirgen, wo feuchter Boden und
G
90
häufiges Moos feine Decke iſt. Man bringt ihn
vom halben Julius bis in den October zu Marks
te, doch gehört er immer zu den etwas ſeltneren
und koſtbaren Marktſchwämmen. Er wächſt gern
geſellig und man findet öfters ganze Haufen von
größern und kleinern durch einander.
Man erkennt ihn aus dem dicken vollen 2
bis 3 Zoll langen, und mehr als Zolldicken un
ten Meiſtens Knollichten, von außen glatten oder
nur wenig bereiften weißlichen oder blaßbräunli—
chen Strunke, aus den blaßgelben, gedrängten,
Milchtriefenden, am Strunk her ablaufenden, ein
wenig breiten Zreihigen Lamellen, und aus dem
ſehr fleiſchig gepolſterten rothbraunen oder faſt
Ziegelrothen Hute, der in feiner Entſtehung Kus
gelrund, im Alter aber ſehr ausgebreitet iſt, mit
einer ſtarken Vertiefung in der Mitte und vers
ſchiedenen Krümmungen und Buchten im Umfang.
Dieſer Hut hat gar keine Ringbänder, ſondern
iſt einfärbig, etwas bereift und zuweilen mehr
oder weniger dunkelgefleckt. Im Durchſchnitt hat
er ein blaſſes etwas bräunliches Fleiſch, und
dieſes pflegt mitten im Strunk ſpäterhin locker
und zellicht zu werden. Der Rand des Hutes iſt
ſelbſt im Alter noch eingerollt. Hat ein Schwamm
nicht alle dieſe Merkmahle, ſo iſt er für keinen
ächten Goldprätling zu halten. Und alle die übri⸗
gen Prätlinge ſind entweder verdächtig, oder doch
Ä 91
wenigſtens nicht fo wohlſchmeckend. Es gibt in-
deſſen mancherley Abarten und Naturſpiele. Vor
allen iſt die Größe dieſes Schwammes ſehr vers
änderlich, denn er wird zuweilen noch beträcht—
lich größer als ich ihn hier defchrieben habe. Auch
gibt es da, wo viele zuſammenwachſen, aller ley
Monſtroſitäten und Verwachſungen. Sein Ge—
ſchmack iſt gelinde Pfefferartig, ſüßlich, und ſein
Geruch hat einige Aehnlichkeit mit den Dämpfen
des Moſtes.
Man pflegt ihn nach vorheriger Zubereitung,
in Stücke zu zerſchneiden, in Butter zu röſten,
mit Salz, Zwiebeln, Milchrahm und Peterſilgen
zu würzen, oder wohl auch in einer Fleiſchbrühe,
mit etwas Mehl und Pfeffer zu dünſten.
Die Milch des Goldprätlings iſt weißlich.
— — 2 —
92 \
SE 2 5 022 05 5 ZZ 0 25 22 44 24442244
XIV. Der Drehling. (Agaricus Pleu-
ropus ostreatus. Pers).
S. Wachs praͤp. O, und Abbild. Tab. O.
Luer dem hler angeführten Nahmen kömmt
dieſer Schwamm im Oetober und November auf
den Markt in Wien und in den nahegelegenen
Ortſchaften. Bey verſchiedenen Schriftſtellern
führt er indeſſen auch noch mehrerley andere
Benennungen; z. B. der Auſterſchwamm, der
Auſternförmige Blätterſchwamm; man nennt ihn
auch wohl Paſtetenſchwamm, im Engl. The
oyster agaric u ſ. w. |
Der Drehling, welchen man an Nußbäu⸗
men, Buchen und Eichen, nahe an der Wurzel
dieſer Bäume in feuchten Gegenden findet, iſt
ein geſunder, jedoch nicht gar beſonders ſchmack—
hafter Schwamm, der viel Fleiſch hat und in
ſeiner Jugend auch ſehr ſaftig iſt. Man gebraucht
ihn ſo wie den Hallimaſch, Pilzling u. d. gl.
ae 22 „ 1 % >
fe gib Cid get r jẽů , 00: 9
5 2 7 Je lauen,
95
Aus einer anſehnlichen derben Fleiſchmaſſe
erheben ſich im ſtärkſten Gedränge mehrere, oft
etwelche hundert ſehr fleiſchig gepolſterte, an Ge⸗
ſtalt und Größe äußerſt mannigfaltige, ſehr kurz
oder gar unmerklich geſtielte, dachziegelförmig
übereinander gelegte oberhalb glatte und etwas
feuchte am Grunde weißlichte, übrigens fahle,
graubraune oder Kaſtanienfärbige Hüte, welche
an ihrer Unterſeite mit gedrängten ſchmalen, gan⸗
zen, herablaufenden, am Anfang und am Ende
zugeſpitzten weißen Lamellen bedeckt find,
Die Hüte find, wie ſchon gemeldet worden,
ſehr verſchieden, und dieſes kömmt theils von
dem Druck der anliegenden einzelnen Hüte, theils
von der Stellung der ganzen Gruppen her. Manch⸗
mahl ſind dieſe Gruppen nur kaum ein paar Zoll
lang, allein ich habe auch ungeheuer große ges
ſehen, die über einen Fuß im Durchmeſſer hat
ten. Diejenigen Hüte, die dann am meiſten ein«
geklemmt ſind, erhalten oft die allerſeltſamſten
Figuren, fie werden Köpfig, Keulen uad Kräu⸗
felförmig, und find bald zertheilt bald verwach—
ſen. Da die Gruppen des Drehlinges nicht im—
mer ſeitwärts ſondern öfters auch horizontal auf—
ſitzen, fo bemerkt man im letztern Falle eine ge
wiſſe conzentriſche Stellung der Hüte, ſo, daß
die Lamellen alle nach dem Mittelpuncte ſehen,
welcher gewöhnlich in einer klaffenden Spalte be⸗
94
ſteht, und die zu nächſt dabey befindlichen Hüte
find bald aufſitzend bald mit einem, zuweilen fo-
gar mit einem centralen Strunke verſehen. Die
größten Hüte ſind immer jene, welche ſich zwiſchen
dem Mittel und dem Rande befinden, ſie meſſen
pöchſtens 2 Zoll in die Breite. Nach feuchten
Sommern und bey fortwährend feuchtem Herbſte
findet man ſie ſehr häufig in alten Obſtgärten
und in lichten Waldungen, zuweilen bis zum Ende
des Jahres beſonders in der Nähe von Bächen
und in engen Thälern, wo die Winde wenig
Zutritt haben.
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XV. Der Roͤthling. (Merulius Chan-
tarellus. Pers.)
S. Wachspraͤp. P. und Abbild. Tab. P.
Da der Röthling zu denjenigen Schwämmen
gehöret, die am meiſten verbreitet find und allge
mein genoſſen werden; ſo iſt ſich nicht zu verwun⸗
dern, daß er auch ſo wie der Champignon u. d.
gl. ſehr vielerley Benennungen erhalten. So heißt
er z. B. in verſchiedenen Gegenden Deutſchlands
Pfiffer, Pfifferling, Pfefferling, gelber Cham—
pignon, Chantarelle, Rehgeiſt, Eyergelber Blät—
terſchwamm, Eyerſchwamm, gelber Pfefferling,
Röhling, Rehling, Rübling, Rödling, Reh—
gäß, Rehgeiß, Reiß, Milchſchwamm, Ziegen⸗
bart, Geelichen, Geelöhrchen, Galluſchel, Gans
ſel, Himling, Hünlich, Kochmändel u. ſ. w. fer
ner im Holländiſchen: Zeemleere Kampernoel-
je, Chanterelle, geele champiguon, Staa»
96
zenoor, Zaffrankampernoelje, het Merg
der Aarde, hemelsch Manna; im Däniſchen
Den guule Champignon eller Chantarelle,
Schwed. Chandarelle; Engl. the yellow aga-
rie or Chantarelle; Schottländ. Paddock-stool,
Devonſhire: Picksevstool; Franz. Chantarelle
jaunätre, T’agarıc Chanterelie , gerille, Bri-
goule ; Ital. Gallinaccio; Napolit. Galluc-
cio; Span. und Portug. Agarico cantarillo,
Krain. Lesitohe; Lett. Gailenes etc, etc,
Der Röthling findet ſich durch ganz Europa
in Gebirgsgegenden vorzüglich in Fichtenwäldern,
jedoch ſind auch Buchenwälder und Haideplätze
nicht ſelten ſein Standort. Er kömmt in manchen
Jahren zwey Mahl zum Vorſchein, nähmlich im
May und im Spätſommer. Die Röthlinge des
Frühlings ſind etwas kleiner, blaſſer von Farbe
und milder als jene die in der zweyten Aerndte
geſammelt werden. Dieſe iſt hingegen ergiebiger
und beyde Aerndten fallen gerade in die Monathe,
in welchen ſich, bey uns zum wenigſten, die
ſchönſte Witterung einſtellt.
Der Strunk des Röthlings iſt umgekehrt
Kegelförmig / bis ı/2 Zoll dick, voll, fleis
ſchig, derb, äußerlich glatt, roͤthlichbraun und
bereift. Er iſt gewöhnlich ſehr kurz und geht bald
unmerklich in den Hut über. Dieſer iſt Dotter,
gelb, doch geht er auch bald mehr bald weniger
97
ins Rehfarbene über und manche Individuen prans
gen vollends mit der einladenden Schminke der
Aprikoſen. Außerdem iſt er bereift, in ſeiner Zus
gend Kugelrund und eingerollt, dann aus gebrei—
tet und flach gedrückt, endlich aber aufgerichtet
und Trichterförmig. Seine Oberfläche iſt meis
ſtens uneben und beſonders am Rande Wellen-
förmig oder ausgeſchweift. Sein volles derbes
Fleiſch iſt weiß oder fahl. Man kann dieſen Hut
für nichts weiter als für eine Fortſetzung und
Ausbreitung des Strunkes erklären. Unterhalb
iſt er ganz mit gleichfärbigen Lamellenartigen
Falten bedeckt, welche in gedrängter Reihe vom
Rande des Hutes bald ſeichter bald tiefer in den
Strunk herablaufen und ſich unmerkbar verliehren.
Dieſe ſind ebenfalls bereift, zertheilen ſich ohne
alle Ordnung und wachſen öfters über die Quere
zuſammen.
Man trifft zwar da, wo der Röthling zu
Hauſe iſt, meiſtens eine große Menge davon an,
dennoch wächſt er, der Regel nach, nur einzeln,
nicht in Haufen oder Raſenartig. Seine gewöhn⸗
liche Größe beſteht in einem 3zölligen Durchmefs
ſer und einer gleichen Höhe. Ausnahmen gibt es
indeſſen auch hier ſo wie bey denen Schwämmen
überhaupt. Es gibt Monſtroſitäten der Maaße
und der Verwachſungen. Eben ſo gibt es auch
98
Fälle, in welchen man ihn in Haufen zuſammen⸗
wachſend beobachten kann.
Man pflegt dieſen Schwamm aller Orten
zum Gebrauche der Nahrung anzuwenden, und
es iſt noch kein Beyſpiel bekannt, daß je ein
Menſch durch ihn oder auch nur durch eine Ver—
wechs lung mit demſelben wäre vergiftet worden.
Abgehärtete Subſecte (qui temperamento et
digestione bœotica gaudent!) verzehren ihn
roh und ohne alle Vorbereitung. Allein den zärt⸗—
licheren Städtebewohnern möchte eine ſolche Koſt
wohl manche Unannehmlichkeit von einer Indige⸗
ſtion, Colick, Erbrechen u. d. gl. verurſachen.
Man pflegt daher in unſern Küchen die Oberhaut
und den ganzen Faltenrock abzuziehen, die nadıs
her zerſchnittenen Stücke mit heißem Waſſer ab»
zubrühen, und dann das ganze Gerücht mit einer
Zugabe von Butter, Sahne, geriebenen Waizen—
brod u. d. gl. zu dünſten. Als Würze nimmt man
nach Belieben, Salz, Pfeffer, Sardellen, Zwie—
beln, Citronenſchalen u. ſ. w. zu demſelben. Auch
möchten geſtoſſene Mandeln den Geſchmack davon
um ein Merkliches verbeſſern. An ſich iſt der Ge
ſchmack des Röthlinges gewürzhaft, Pfefferar⸗
tig, weßwegen er auch Pfefferling genannt wird,
und fein Geruch erinnert an ein Gemengſel von
gegärbtem Leder und Cardamom.
99
Um diefen Schwamm mit keinem andern zu
verwechſeln, muß man nächſt der Einheit der
Farbe noch vornähmlich die Glätte des Hutes
und die umgekehrt kegelförmige Geſtalt des vol—
len Strunkes im Gedächtniße behalten.
100
G I IE ET EIER FE
XVI. Der Kuhbilzling. (Boletus sub»
tomentosus. L). \
S. Wachspraͤp. A. und Abbild. Tab, Q.
Dies iſt der eigentlich ſogenannte Kuhbilzling
Bolet commun und Bole: Chryseathere des
Bulliard, Man nennt ihn auch wohl Bilzling
allein. Doch ſind die Benennungen der Bilzlinge
ſehr ſchwankend, und es iſt höchſtnothwendig,
auch im Teutſchen die Schwammbenennungen feſt—
zuſetzen, weil durch jene Unordnung und Ver—
wechslung der Nahmen bereits nur zu oft ſehr
bösartige Zufälle veranlaßt worden.
Er wächſt auch bey uns ſehr häufig und iſt
eine wahre Zierde unſrer Wälder. Auf Hügeln,
die mit alten Eichen, Buchen, Ulmen, und
Ahornbäumen bewachſen ſind, findet man ihn auf
der kahlen Erde im Moder der Baumabfälle,
bald einzeln bald geſellig vom Junius bis in den
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101
November. Seine zierliche Geſtalt und feine bun-
te Färbung belebt und erheitert die ernſte Duns
kelheit der Haine, ſo wie die hellen Geſtirne die
mitternächtliche Halle des Himmels. Man muß
ſich aber wohl in Acht nehmen, ihn mit andern
giftigen Arten Bilzlinge, die oft nicht weniger
ſchön ſind, und mit ihm an einer Stelle durch
einander wachſen, wie z. B. mit dem Pfefferbilz,
Blutbilz, Schweinbilz u. d. gl. zu verwechſeln.
Die Kennzeichen des Kuhbilzlinges beſtehen
im folgenden:
Der Strunk iſt voll, von außen meiſtens
gelblich und im reifen Alter gewöhnlich mit einem
Blutrothen Adergeflechte Nezartig bemahlt. Das
Fleiſch iſt weichfaſerig, weiß, im ſpätern Alter
gelblich, und läuft manchmahl, jedoch nur lang⸗
ſam an der Luft grün oder bläulich an, wenn
man den Schwamm in Stücke zerſchneidet. Der
Hut iſt fleiſchig, gewölbt, uneben, von Farbe
graubraun und feinfilzig. Nicht ſelten miſcht ſich
auch, beſonders am Gipfel eine Blutrothe Tins
te in feine Farbe. Bey trockener Witterung zer.
ſpringt ſeine Oberhaut oft in ſehr viele kleine
Läppchen und da dann das nakte Fleiſch gelblich
hervor ſieht, ſo gewinnt der Hut dadurch ein ſehr
artig getäfeltes Anſehen. Seine untere Fläche
iſt mit verwachſenen ziemlich langen Röhrchen be⸗
fest, deren Mündungen offen ſtehen, und ein
102
mit Nadeln durchſtochenes Nähkiſſen vorſtellen.
Dieſe Röhrenmaſſa iſt in der Jugend des Schwam⸗
mes überaus fein, ungemein lebhaft Schwefel⸗
gelb und faſt geſchloſſen. Am Ende hingegen wird
fie gelbgrünlich, die Mündungen werden beträcht⸗
lich, jedoch ſehr ungleich an Geſtalt und an Grö—
ße. Die meiſten ſind eckig vom Seitendruck der
anliegenden. Andere ragen weiter hervor und die
dem Strunk am nächſten find, pflegen wie aufs
geſchlizt an demſelben ringsum herab zu laufen,
und ſich ganz unvermerkt in ein bloßes Adernetz
zu verlieren.
Es gibt außerordentlich viele Varietäten und
Naturſpiele unter dieſer Schwammſpecies. Jene
der Farbe ſind bereits bezeichnet worden. Der
Filz iſt in der Jugend am deutlichſten zu bemer—
ken. Doch gibt es auch große die noch filzig ſind.
Die erheblichſten Abänderungen erleidet die Ges
ſtalt! Der Strunk iſt z. B. zuweilen dick, Enols
lig, kräuſelförmig, oder dünn, Walzenförmig,
gerade oder aufſteigend. Der Hut iſt Kugelrund,
oder flach gedrückt, regelmäſſig oder ausgeſchweift,
zuweilen excentriſch, ja es gibt ſogar verwachſene
Hüte u. ſ. w.
Man verbraucht den Kuhbilzling eben ſo
wie den Herrenbilzling, von welchem in dem
nächſtfolgenden Artikel die Rede ſeyn wird. Er iſt
aber weniger ſchmackhaft. Ob der in Schleſien
103
fo beliebte Schmalzling hieher gehöre? iſt noch
durch Augenzeugen zu entſcheiden ).
—
) Ich führe dieſen Bilzling bloß darum hier an, weil
er wirklich allgemein verbraucht wird. Dennoch hal—
te ich den Herrenbilzling allein für empfehlungs⸗
würdig. S. Oeſter. Sch. S. 184. Wenigſtens ſollte
man von dem Kubbilzlinge nur junge Stucke zum
Genuß erwaͤhlen, denn die ältern find ſchon manch
mabl der Geſundheit nachtheilig befunden worden.
Auf der bepgefugten Tafel iſt deßwegen ein juͤn—
geres Exemplar neben dem aͤlteren vorgeſteilet
worden.
104
I 2 2 5 2 2 4.488 8
XVII. Der Herrenbilzling- boden
e dulis Pers).
S. Wachs prap. R. und Abbild. Tab. R.
-
Ars dem nähmlichen Grunde, aus welchem ich
bey der vorigen Schwammart die verſchiedenen
Provinzial - und Nationalbenennungen hinwegge⸗
laſſen habe, muß auch hier ein Gleiches geſche—
hen. Denn die übrigen Nahmen des Herrenbilz
linges ſind ſo ſchwankend, daß ſie bald dieſer,
bald auch mehreren andern Arten von Bilzlingen
beygelegt werden. Herrenbilzling hingegen nennt
man meines Wiſſens ausſchlüſſungs weiſe nur den
gegenwärtigen. Auf den Marktplätzen Wiens
nennt man ihn indeſſen meiſtens nur ſchlechtweg
Bilzling. ®
Es iſt dieſes ein ſehr wohlſchmeckender, ge⸗
ſunder und empfehlungswürdiger Schwamm, bey
welchem es nur allein, ſo wie bey allen Schwäm⸗
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eee, eo BERN: . P 8 | |
N
103
men auf eine ſehr genaue Unterſcheidung bon den
ähnlichen minder genußbaren ankömmt.
Er wächſt am liebſten in Thälern und auf
Hügeln, in Nadelwäldern und im Heideland, zus
weilen auch da, wo ſehr alte Eichen in weiten
Zwiſchenräumen, die ehrwürdigen Zeugen der
reichbegüterten Vorwelt, zerſtreut und gleichſam
verſcheucht durch die Erſchütterungen eines ſtür⸗
miſchen Zeitalters das Mütterliche Erdreich in
weiten Kreiſen beſchatten.
Seine Erſcheinungszeit iſt vom Ende des
Julius bis in den October, ja, bey ſehr gelin—
der Witterung wohl auch bis zur Hälfte des Nor
vember.
Der Herrenbilzling iſt wie der vorige ein
Locherſchwamm. Allein er iſt gewöhnlicherweiſe
viel größer, dicker und fleiſchiger. Es gibt Stü⸗
cke von der Größe eines Menſchenhauptes, ob—
gleich die gewöhnlichſte Größe mit jener einer
Kaffeetaße zu vergleichen iſt. Er wächſt nur ſel⸗
ten regelmäſſig, ſondern iſt vielmehr meiſtens
ſehr Buckelig, verwachſen und unförmlich.
Es gibt auch von dieſem ſo wie von mehr
andern Bilzlingen ſterile Abarten, die zwar voll⸗
kommen auswachſen, aber keine Löcher haben,
und die dann ſehr ſchwer zu erkennen ſind, da
ihnen der Gattungscharakter mangelt. Allein der
| 2
106
Habitus und der Standort verrathen ihre Abs
kunft.
Der Herrenbilzling hat einen dicken vollen
fleiſchigen 2 bis 3 Zoll hohen unten meiſtens ver—
dickten Strunk, einen gepolſterten ſehr fleiſchigen
Hut und überausfeine verwachſene vom Strunk
abgeſonderte Röhrchen, die ſich im verhältniß⸗
mäſſig zarte, dem bloßen Auge kaum bemerkbare
ish münden. Die Farbe des Hutes iſt Kaſta⸗
nienbraun mit einem ſehr dunklen Gipfel und’
lichterem Rande. Der Strunk hat eine weißliche
Grundfarbe, iſt jedoch beſonders im obern Theile
mit einem zerfloſſenen dem Hute gleichfärbigen
Netze bemahlt. Hut und Strunk ſind überdieß
ſehr zart bereift, und beyde gehen durch das Als
ter und die Witterung zuweilen ins Aſchgraue
über. Die Anfangs weißen Löcher gehen nach und
nach ins gelbliche über, ſo wie ſie älter werden.
Das derbe Fleiſch iſt weiß, ſehr fein und nur
ganz unten am Strunke und unter der Oberfläche
bemerkt man eine ſchwache bräunliche Schatti⸗
rung. Das Fleiſch dieſes Schwammes läuft nicht
an, und verändert niemahls ſeine Farbe, ſondern
bleibt immer weiß bis es vertrocknet. |
Man merke nur auf die überaus feinen weiße
gelblichen Löcher auf den glatten, bloß Netzför⸗
mig bemahlten Strunk, und auf die Unwandel⸗
barkeit des derben weißen Fleiſches, und man
107
wird niemahls Gefahr laufen, ihn mit andern
giftigen zu verwechſeln.
Iſt hingegen ein Bilzling Goldgelb, Blut—
roth, Ziegelroth, Violet, Bleyfarben u. d. gl.
hat der Strunk ein gitterartiges Netz oder ver—
wandelt ſich beym Anbruch oder beym Durch⸗
ſchnitt das weiße oder gelbe Fleiſch ins Blaue,
Seladongrüne oder Bleyfarbene und Schwärz—
liche; fo muß man ihn als giftig oder wenigftens
als verdächtig verwerfen. Möchte doch das himm—
liſche Kleinod der Geſundheit in Zukunft nie mehr
durch Unvorſichtigkeit oder Mangel der Natur—
kenntniße verſchleubert werden, o! daß eine uns
ſichtbare Gewalt die irrende Hand hinwegwen—
den möge, die im Begriffe ſtehet einen Schwamm
zu pflüken, deſſen Genuß Verderben und Jam—
mer im Schooße forglofer Familien anrichten müß⸗
te. Ein harmloſes Alter lohne dem Menſchen⸗
freundlichen Naturforſcher feine Seegenvolle Bes
mühung, der fih mit ganzer Energie und mit
unerſchütterlicher Beharrlichkeit dem Geſchäfte
widmet, die gefahrvolle Dunkelheit der Sterbli—
chen aufzuheitern, und ſie mit der wohlwollenden
Freundlichkeit eines Schutzgeiſtes von jedem Ab—
grunde zurück zu halten, in den fie ſich ohne ihn
aus Unwiſſenheit ſtürzten.
Man nimmt den Herrenbilzling als Zuſatz
zu verſchiedenen Fleiſch- und Mehlſpeiſen, man
H 2
108
dünſtet ihn auch insbeſondere mit Schmalz, Mehl,
und Fleiſchbrühe. In Verbindung mit Sardellen,
kleinen Muſcheln und Milchrahm kann man vor⸗
treffliche Gerichte davon bereiten. Man pflegt ihn
auch in Spältchen zerſchnitten aufzutrocknen, und
ſo für den Winter an trockenen luftigen Orten
aufzubewahren, und er läßt ſich ſehr wohl wie⸗
der aufweichen, ohne viel von ſeinem Wohlge⸗
ſchmack zu verlieren.
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109
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un Das Schafeiterl. (Boletus al-
| bidus. Pers).
S. Wachspraͤp. S. und Abbild. Tab, S.
—
Die gegenwärtige Art eßbarer Schwämme
kömmt zwar auf den Marktplätzen Wiens ents
weder gar nicht, oder nur äußerſt ſelten zum Vor—
ſchein. Da ſie jedoch in Steyermark, Salzburg,
Dberöfterreih und wahrſcheinlich auch in Böh—
men allgemein verſpeiſet wird; ſo würde es eine
tadelus würdige Unterlaſſung ſeyn, wenn ich fie
hier mit Stillſchweigen übergehen wollte. Auch
in den Niederungen der öſterreichiſchen Alpen ha⸗
be ich auf meinen botaniſchen Wanderungen die—
ſen Schwamm häufig genug angetroffen. Man
findet ihn im Spätſommer in Nadelwäldern bes
ſonders unter Tannen und Fichten auf der Erde
und man glaubt vom weiten einen Blätterſchwamm
(Agaricus) zu erblicken. Er wächſt Raſenartig,
aber die Stücke ſelbſt ſind meiſtens mit einander,
wenigſtens ganz unten in einen Körper zuſammen
verwachſen. Auch find dieſe äußerſt ungleich und
auf allerley Weiſe verunſtaltet. Es wachſen nähm⸗
lich ſolche Schwämme von allen Graden der Größe
durch einander; zuweilen ſcheinen gleichſam die
110
ſtärkern aus ihrer Mitte andere hervorzutreiben,
und ein andersmahl bildet ſich ein ſolches Chaos
von unvollendeten Trieben, daß man anſteht, ob
man es für einen Knollichten oder Hökerrichten
Strunk oder vielmehr für einen einzigen monſtrö⸗
ſen Hut halten ſolle.
Ein ausgewachſenes Stück mißt ungefähr 2
Zoll in der Höhe, und 3 Zoll im Durchſchnitt.
Der volle fleiſchige kaum über einen Zoll hohe
Strunk geht oben mit einer allmähligen Ausbrei—
tung unmerklich in den Hut über. Sowohl dieſer
als der Hut ſind weiß, und faſt glatt in ihrer
Oberfläche. Allein das Alter und die Witterung
haben darauf vielen Einfluß, und man findet zu⸗
weilen ſolche Schwämme von blaßbräunlicher Far⸗
be mit filzigen oder wohl gar mit getäfelten und
ſchuppichten Hüten.
Der Hut, welcher in der Jugend ſehr gewölbt,
und faſt dem des Raßlinges ähnlich iſt, wird nach—
her in der Mitte vertieft, faſt wie bey einem Pfef—
ferlinge oder Reizker. Er iſt alsdann auch ziemlich
uneben und am Rande ausgeſchweift. Die Löcher
an der Unterſeite des Hutes ſind äußerſt zart, dem
bloßen Auge kaum ſichtbar, ſeicht und ziemlich
weit in den Strunk herab verbreitet. Sie ſind Uns
fangs Schneeweiß, gehen aber mit dem Alter ime
mer mehr ins gelbliche über. Man bereitet ihn
wie den Bilzling, Drehling u. d. gl.
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XIX. Der Eichhaſe (Boletus poly-
cephalus. P.)
S. Wachspraͤp. T und Abbild. Tab. T.
Dieſer und der nächſtfolgende Schwamm, wels
chen man auch Eichhaſe nennt, find von fo
manchen übrigens nicht unbedeutenden Schrift—
ſtellern mit einander verwechſelt worden. Ob nun
gleich dieſe Verwechslung in Abſicht auf die Ge—
ſundheit der Menſchen von aller Gefahr entfernt
iſt, indem beyde eßbar find, fo bleibt es doch
imer ein Jerthum, und Irrthümer müſſen nie⸗
mahls vernachläſſigt, ſondern aufgeklärt und bes
richtiget werden! Denn wenn ſie auch an und
für ſich unſchädlich ſind, ſo iſt es doch gewiß,
daß ſie nach und nach immer mehrere an ſich
ziehen, und endlich den ganzen Verſtand derje⸗
J
114
nigen, die ihnen freywillig anhängen, verwir⸗
ren und verderben. 0
Der Eick heſe erreicht keineswegs die Grö⸗
ße des Scheberlings (Klapperſchwammes) und
ſeine Strunkſtengel unterſtützen die Hüte im Cen⸗
trum, feine Hüte find daher ganz und nichts we—
niger als Dachziegelförmig über einander liegend,
und aufgethürmt.
Der Eichbaſe iſt ein Holz-, oder sa
ter Baumſchwamm, und zwar ein Paraſyt der
vor allen übrigen Bäumen an Schwämmen frucht⸗
baren Eiche. Ich ſah ihn in den unermeßlichen
Wäldern der Cätiſchen Gebirgskette vornähm⸗
lich zwiſchen Mauerbach und Weidling. Seine
Erſcheinungs zeit fällt in den September. Er iſt
daher auch hierinn von dem Klapperſchwamme
unterſchieden, fo wie er übrigens auch viel fels
tener als dieſer if. Man findet ihn vorzüg⸗
lich an ſolchen Stellen der Pannoniſchen
Cerreiche (Quercus Auſtriaca Willd:), wo die⸗
fe durch Sturmwinde oder Menſchen verletzt wor—
den und beträchtliche Aeſte verlohren haben, ſo
daß die Wunde nicht ſobald vernarben konnte,
bevor noch Regen, Froſt und Sommerhitze eine
Fäulniß in derſelben erzeugen muß, die nur all⸗
zubald von Inſekten gewittert, und von den ih⸗
nen nachſtellenden Spechten noch weiter beför⸗
dert wird.
115
| Aus der Mündung einer ſoſchen Wunde
dringt ein monſtröſer Schwammkörper hervor,
welcher zuweilen mehrere Pfunde ſchwer und faſt
fo groß wie die Ehrwürdige Alonge-Perücke eis
nes Altfränkiſchen Doktors wird,
Dieſe hervorragende weiße und derbe, ziem⸗
lich Saftvolle Schwamm- Maſſa zertheilt ſich
ohne aller Ordnung, doch meiſtentheils nach auf—
wärts in eine unzählbare Menge von Aeſten und
Aeſtchen, und die Natur zeigt hier gewiſſermaſ—
fen einen fururidfen und faſt ausſchweifenden
Hang zur Proſifikation und Vervielfältigung der
fpecififen Formen. Gleich dem Fabelhaften Uns
geheuer der Lernäiſchen Hydra erhebt ſie ihre
Schlangenhälſigen Häupter im dichten Gedränge,
und wenn ſchon die Menge derſelben ſich wech—
ſelſeitig im Aufrichten hindert, ſo bemerkt man
doch unter ihrem Schatten noch eine größere Ans
zahl neuer Keime, die wieder nachzuwachſen und
ſich unter jene emporzuheben verlangen. Es⸗ iſt
nicht möglich, einen ſolchen Schwamm anzuſe⸗
hen, ohne ſich an die verwickelten Verhältniſſe
einer großen Seſellſchaft zu erinnern. So wie es in
irgend einer großen Stadt Fürſten, Adeliche, Bür⸗
ger, und — arme Häſcher giebt, ſo wie ſich dort
die Großen mit ihren Abſichten und Wirkungen
durchkreutzen, während daß eine Menge von ges
ringen ſich an ihren Füßen und unter ihrem
Sa
116
Schatten emporzuarbeiten trachtet, und ſo wie
dieſe vergeblich nach Größe und Reich thümern
ringen, weil doch unmöglich alle Menſchen Für⸗
ſten ſeyn können, und weil es weder Ehren noch
Reichthümer gäbe, wenn dieſe einem jedweden
zu gleichen Theilen ausgemeſſen wären; eben fo
zeigt uns auch hier das Bild dieſes Schwam—
mes den nähmlichen Unterſchied der Größe und
ein ganz gleiches Verhältniß der Niedrigen zu
den Erhabenen, unter deren Schutze und von
deren Ueberfluß ſie zwar ſpärlich und verbor—
gen, aber doch glücklich und nicht weniger dauer⸗
haft als die übrigen alle vegetiren, obgleich ihr
Hauptſtamm es nicht vermag, jeden einzelnen
Keim bis zu jener Vollſtändigkeit der e
bohrnen zu entwickeln.
Der Hauptſtamm theilt ſich demnach in ſo
viele größere und kleinere Aeſte, als nur immer
neben einander Platz haben, und dieſe wieder in
kleinere u. |. w. Am Hauptſt amme ſowohl, als
an den Aeſten und Zweigen ſieht man unzählig
viele Triebe und gleichſam Knoſpen von Schwäm—
men. Sie ſind übrigens, wie ſchon gemeldet
worden, ohne aller Ordnung der Größe, Form,
und Richtung durcheinander geflochten.
Jeder Zweig endigt ſich in einen regelmäſ—
figen, anfangs gewölbten, nachher faſt Trich—
terförmigen fahlen Hut, welcher in ſeinem Cen⸗
117
trum aufſitzt, und aus einer bloßen Erweiterung
des Stieles entſtanden zu ſeyn ſcheinet.
Oft mißräth das ganze Vegetabil (ver—
muthlich wegen übermäſſiger Austreibung der
Fruchtkörper oder Hüte? und in dieſem Falle
iſt es ſich nicht zu wundern, wenn je irgend ein
Bot anograph gezweifelt hat, zu welcher Art er
dieſe Schwammähnliche Mißgeburt bringen ſoll—
te. Die Hüte find dann faſt den Pezizen ähn—
lich. Die Löcher fehlen, und das Ganze iſt ein
Keulenſchwamm (Clavaria) mit den Ertremitäs
ten eines Becherſchwammes (Peziza),
Gelangt jedoch der Schwamm zu feiner Rei—
fe, ſo erhalten die oberſten Hüte den Durchmeſ—
ſer eines Zolles, und dieſe ſind in der Mitte ver—
tieft und faſt genabelt, am Rande hingegen et⸗
was aufgedunſen und eingerollt. Die weiße Uns
terfläche aller Hüte iſt mit ſehr feinen, dem
freyen Auge kaum ſichtbaren, nicht ſehr tiefen
Löchern durchaus bedeckt und dieſe Löcherfläche
zieht ſich weit, ja faſt bis auf die Hälfte der
Stiele herunter. |
Man bringt ihn nur ſehr ſelten zu Marks
te, er iſt geſund und angenehm. Man bereitet
ihn in den Küchen wie den Bilzling, Drehling,
u. d. gl.
12178 7
EN —— Sr
XX. Der Klapperſchwamm Goletus
frondosus P .)
S. Wachspraͤp. U und Abbild. Tab, U.
N, Klapperſchwamm, Scheberling, Schepers
ling, Eichhaſe iſt zwar dem Boletus imbrica-
tus des Bulliard ſebr ähnlich, aber dennoch
von ihm durch Standort, Jahrszeit und Eigen⸗
ſchaften beträchtlich verſchieden; denn jener Bül—
liardſche Löcherſchwamm kömmt ſchon im May
in einer Höhe von 40 Fuß an den Bäumen zum
Vorſchein, iſt bitter, ungenießbar und hat den
Geruch von der Enzianwurzel.
Unſer Klapperſchwaym kömmt auſſer Oe—
ſterreich, ſoviel bisher davon bekannt geworden,
auch in Bayern, Ungarn und in England vor,
Er iſt eßbar wie der vorige, kömmt aber nur
ſelten zu Markte, 4
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119
Den Nahmen Scheperling muß man von
dem Oberdeutſchen Zeitworte Schepern ableiten,
welches fo viel heißt als Klappern, ein Hagel—
regen ähnliches Geräuſch hervorbringen, vers
muthlich weil die vielen Hüte beym Winde oder
wenn man den Schwamm mit der Hand ſchüt—
telt, auf eine ähnliche Weiſe klappern oder ſche—
pern, indem ſie an einander ſtoſſen, und zitternd
zurückprallen!
Daß Cluſius dieſen und nicht den vorigen
Schwamm beabſichtigt habe, erhellet daraus,
weil ſein Schwamm im Spätherbſte an den
Wurzeln der Eichen hes vortreibt, dunkelroth⸗
braun iſt, und Dachziegelförmig übereinander
| aufgehäufte, öfters zerſchlitzte Laubförmige Hü—
te hat.
Man nannte ihn zu ſeiner Zeit in Ungarn
Bokros gomba und hatte den Wahn, daß er,
wenn ein Reiſender vorübergienge, und ihn bes
wunderte, plötzlich — aus Eitelkeit — zu einer
ungeheuern Größe anwachſe, ja man ſagte ſo—
gar, es müßten ganze Geſellſchaften Zugweiſe
zu ihm in den Wald wandern, wenn man ihn
recht groß haben wollte, denn er würde immer
deſto größer, jemehr er Bewunderung erführe,
im Gegentheile begnügte er ſich mit ſeiner ge—
wöhnlichen Größe, und es ſcheine ihm gleich
120
ſam hart zu fallen, wenn er ſich von den Men⸗
ſchen vernachläſſegt ſähe! Man kann aus dieſer
Fabel mit treffender Gewißheit den Genius der
damahligen Zeiten, und die Nee; ih⸗
rer Er fiader erkennen!
Claſius ſagt ferner, man habe ihm erzählt,
daß man von dieſem Schwamm zuweilen ſo gro—
ße Stücke gefunden habe, daß man fie mit zwey
Pferden hätte wegführen müſſen, und daß gan⸗
ze Familien von Myketophagen davon ſich hät—
ten fait eſſen können; doch ſey der größte, den
er in Urgarn geſehen habe, nicht fo groß ge—
weſen, obgloich größer, als er je einen andern
Schwamm geſehen habe, nähmlich bey 3 Fuß
in der Höhe, und es hätten wobl 3 oder 4
Perſonen daran ſich ſatt eſſen können. Nur hät⸗
te er gehört, daß ſein Genuß viele Blähungen
verurſachet hätte ». ſ. w. In der That habe
auch ich noch keinen ſolchen Rieſen von Schwamm
erblicket, obgleich die größten Stücke vom Bole-
tus citrinus, die ich zu Wien im Prater geſam,
melt habe, ihm ziemlich nahe kamen, und eine
von mir beobachtete Dagdalea Quereina eine
Länge von mehr daun 7 Klaftern erreichte, die
jedoch nirgends mehr als 2 Zoll aus dem Hol
ze hervorragte, und daher nur gleichſam eine
lange Binde, nicht aber einen großen ſtarken
Körper datſtellte.
121
Der Klapperſchwamm gleichet dem Eich—
haſen, den er an Größe noch übertrifft, in der
Vielfältigkeit der Zeräſtelung. Aus ſeinem dicken,
faſt fußlangen Strunke entſpringen mehrere huns
dert, ja wohl über tauſend halbrunde Hüte,
die anf lauter aufgerichteten Stielen mit ihrem
Rande feſtſitzen und in gleicher Richtung übers
einander aufgethürmt, jedoch nur locker Dach—
ziegelfͤrmig ſich einander bedecken und beſchat⸗
ten. Dieſe Hüte ſind nichts anders als eine Fort—
ſetzung und Erweiterung des Strunkes, und
man iſt nicht im Stande, zwiſchen beyden Grän—
zen anzugeben. Sie ſind von Geſtalt halbrund,
unregelmäßig zertheilt, oder Manſchettenartig
gefalten, und zuweilen faſt dem dürren Eichen—
laub ähnlich, mit welchem ſie auch die braune
Farbe gemein haben. Ihr Durchmeſſer iſt zu a
bis 2 Zollen, und ihre Oberfläche glatt mit
concentriſchen Fibern.
Die Löcher an der weiſſen Unterſeite derſel—
ben ſind eben ſo fein wie bey dem vorigen, und
reichen eben ſo weit an den Stielen herab, ja
faſt bis an die Zertheilung der Zweige.
Se wächſt in niedrig gelegenen feuchten
Waldungen an den Wurzeln der Eichen oder
nahe an der Erde, und wird da von den
Schwammſammlern im Oktober aufgeſuchet. Er
iſt trotz ſeiner berufenen Eitelkeit nicht geeignet,
122
als ein edles Gerücht auf die Tafeln der Bow
nehmen erhoben zu werden, wohl aber kann
man ihn als eine Nahrungsſpende für die aw
beitſame dürftige Volksklaſſe aus der milden
Hand der Mütterlichen Natur erkennen, ders
gleichen ſie ſo viele zur Aushilfe in ihrem Vor⸗
rathe aufbehält, um unſere Mühſeligkeiten im
Nothfalle zu lindern, und auch im ſchlimmſten
Falle einer verunglückten Aerndte den Schmach—
tenden noch ein Labſal für ihre e, an⸗
biethen zu können.
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XXI. Der Sleiſchſchwamm (Boletus
(Fistnlina) hepatiens P.)
S. Wachspraͤp. V und Abbild. Tab, V.
Man hat im Deutſchen für dieſen Schwamm
anch noch folgende mir bekannte Benennungen:
Leberſchwamm, Zungeuſchwamm, Rindszunge,
Corallenſchwamm, Leberbilz, Blut ſchwamm und
rothe Hirſchjunge. In Frankreich heißt er Fisti-
line Langne- de - boeuf.
Der Fleiſchſcwamm if in mehr als einer
Rückſicht überaus merkwürdig, und wenn ich
gleich in meinem größeren Schwammwerke ſo
manche Vergleichung angeſtellt habe, um feine
Anſichten zu verklären, ſo blieb mir dennoch noch
einig und anderes zu bemerken übrig, welches
ich als in einer Nachleſe hier mitzutheilen nicht
für Ueberfluß halte.
124
Mancher lebt vielleicht in dem eiteln Wahn,
daß unſere Naturſyſteme und unſere Genera et
pecies plantarum wohl zum mindeſten auf
eben ſo feſten und dauerhaften Fundamenten wie
die tauſend jährigen Coloſſen Aegyptens ruhen,
und nur höchſtens in der Fzcade noch hie und
da einer Ausbeſſerung bedürfen. Aber ach, wie
ferne ſind wir noch von der Wirklichkeit dieſer
Träume! Wie ſehr beſchämt die Natur unſere
Hirngeſpinnſte! Wie oft verſpottet ſie unſere
tiefſinnigſten Spekulationen durch die unerwar—
tetſten Erſcheinungen! Wahrlich! die Methodi—
ſten der Naturgeſchichte würden weit beſſer ge⸗
than haben, wenn fie anſtatt der Mavortiſchen
Machination lieber dem Beyſpiele der Sternkun—
digen gefolgt wären, und nur getreu nachge—
zeichnet und eingeſchaltet hätten! Denn wenn
auch in der Sterncharte noch Sterne fehlen, die
noch kein Sehrohr erreichte, ſo ſind doch die
beobachteten alle an ihrem rechten Orte und in
ihren richtigen Verhältniſſen! Allein weit anders
verhält es ſich mit unſern ſyſtematiſchen Natur-
gemählden. Einſeitige Beobachtungen werden zu
allgemeinen Regeln erhoben, und doch giebt es
in der ganzen Natur kein Verhältniß, kein At,
tribut, keine Bilbungsform, die nicht durch zahl»
reiche Stufen in andere übergienge, und ſich wie
Strahlen aus einem Mittelpunkte nach allen
125
Richtungen mit den Abſtufungen der andern
durchkreutzte. Man darf ſich alſo gar nicht wun⸗
dern, wenn heute neue Gattungen durch Zer—
theilung der ältern erfhaffen werden, die mor—
gen ein neuerer Botaniſt verwirft und wieder
vereinigt! wenn dieſer jene, und ein anderer wie⸗
der andere Claſſen hervorbringt oder reſtringirt.
Die heutigen Syſteme find nicht ohne aller Nutz—
lichkeit; fie entſprechen einem Theil unſerer Bes
dürfniſſe, aber fie tragen auch alle das Geprä—
ge der Menſchlichen Unvollkommenheit, und ih»
re Vorzüge find nur relativ zu den Geiſtesfä—
higkeiten ihrer Urheber, aber in Hirfiht auf
die originelle Natur find fie alle gleich hinfällige
Luftgebäude! |
Der Fleiſchſchwamm dient uns zu einem
trefflichen Exempel über die Feſtigkeit unſerer
Gattungscharaktere. Er iſt ein Löcherſchwamm,
denn feine Unterſeite iſt wie die der übrigen Lö—
cherſchwämme durchſtochen. Er iſt aber auch ein
Stachelſchwamm, denn er treibt allenthalben
eben ſolche Pfriemförmige Fruchtſpitzchen hervor
wie die Stachelſchwämme, und nur ein Theil
derſelben öffaet ſich an ihrer Spitze. Er
iſt eine eigene Schwammgattung, denn ſeine
freyen Röhrchen ſitzen in beſondern Keſchen.
Aber dieſe Kelche verſchwinden mit dem reifen
3 ! in der Jugend find ſtatt der Röhrchen
126
nur Grübchen vorhanden. Es iſt daher eine an-
dere Gattung in der Jugend, eine andere im
Alter, eine andere auf der Unter- und wieder
eine andere auf der Oberſeite! Welcher von die—
fen vieren wollen wir den Preiß zuerkennen?
Ich könnte ſehr leicht, nicht allein aus der
Familie der Schwämme, ſondern wohl gar aus
den Phoenerogamiſchen Claſſen eine nicht ganz
unbedeutende Summe ähnlicher Beyſpiele auf—
ſtellen, allein es iſt hier nicht der Ort dazu!
Nur ſey es mir erlaubt, meine Leſer für dieß—
mal an die bereits ziemlich oft bemerkten Pe—
lorien, an die fortwährenden Veränderungen in
den Familien der Farren, der Mooſe, der Waſ—
ſeralgen, der Flechten, der Schwämme, und an
die fatale Unſtätigkeit der Gattungen: Aly!-
sum, Andropogon, Astragalus, Calamagro-
stis, Chryfanthemum, Cucubalus, Diosma,
Diospyros, Epipactis, Euphorbia, Gentia-
na, Geum, Hydrangea, Ixia, Ligustieum,
Limodorum, Mimosa, Myagrum, Of hrs,
Orchis, Paſſiflora, Satyrium, Selinum, Se-
rapias, F Tormentilla u. d. gl. zu
erinnern!
Es iſt eine ſchwere Aufgabe, den Fleiſch⸗
ſchwamm zu beſchreiben. Er iſt ſo regellos, daß
es beynahe in der ganzen Reihe der Schwäm—
me keine Geſtalt giebt, die er nicht anzuneh⸗
127
men fähig wäre. Der Bau des Schweinbilzlin-
ges iſt ihm ſo wenig zuwider, als der des
prächtigen Stammpilzes (Boletus citrinus).
Manchmal iſt er ein formlicher Keulenſchwamm
(Ole varia) und wieder ein anderes mal gleicht
er einem Faltenſchwamme oder einer Morchel.
Er erreicht die Größe eines Kopfes, und hat
zuweilen kaum über einen Zoll im Durchmeſſer.
Weniger unbeſtimmt iſt feine Farbe, denn dies
ſe iſt meiſtentheils im jugendlichen Alter ein
helles bräunliches Rothgelb. Er wird nachher
Blutroth, und geht mit der Verweſung immer
mehr ins Schwärzliche über. |
Sein Körper mag nun aber was immer
für eine Geſtalt annehmen, ſo bemerkt man
doch allemal bey dem Reifwerden deſſelben eine
rauhe warzichte Oberfläche, und dieſe Wärz—
chen, genauer betrachtet, find kleine hohle Cy⸗
linder, ein jedweder anfangs von einem häuti⸗
gen Blumen- oder Sternförmigen Kelche um⸗
fangen. Sie wachſen nach und nach fort bis zu
einer Länge von drey oder vier Linien, und ſte⸗
hen dann auf der Unterſeite gedrängt aneinan⸗
der, und die Kelche verſchwinden. Auf der Ober—
ſeite hingegen ſcheinen mancherley Hinderniſſe die
Entwicklung dieſer Röhrchen zu verwehren. Je—
ne öffnen ſich an ihrer Spitze, und verſchaffen
dieſem eben dadurch das Anſehen eines Löcher⸗
128
ſchwammes. Letztere hingegen bleiben geſchloſſen,
ſchrumpfen zuſammen und geben dem Schwamm
U
auf ſeiner Oberſeite ein Filziges Anſehen.
Sein Fleiſch iſt ſehr feinfaſericht und er
was weich, jedoch dicht, und giebt, im friſchen
Zuſtande ducchgeſchnitten, ein ſehr reizendes
Schauspiel. Die Grundfarbe davon iſt ein reis
nes helles Weiß mit mancherley Roſenfarbenen
Wellen, violetten Zügen und gelbröthlichen Wol⸗
ken. Allein von dem erſten Augenblicke an, da
es der freyen Luft ausgeſtellet iſt, verwandelt
es dieſe Mahlerey in eine dunklere gleichartige
Färbung. Nicht nur dieſe angegebenen Zeichnun⸗
gen, ſondern die ganze Oberfläche wird nach
und nach bleyfarben oder ſchwarzroth, ſo daß
es wirklich einer durchſchnittenen Leber ähnelt,
und alſo den Nahmen des Leberſchwammes ganz
und gar rechtfertiget. 0 |
Man findet dieſen Schwamm in feuchten
aber dennoch warmen Sommern an unſern Ei—
chen, und zwar ſowohl an friſchen, jungen und
gefunden Bäumen, als an alten und abgeſtor—
benen, ja ſogar auf den abgeſägten Wurzelſtö—
cken der gefällten Eichen. Man findet ihn in bes
trächtlicher Höhe von 3 bis 4 Klaftern, und
oft wieder fall ganz bey dem Boden. Der Aus
guſt iſt ſein Erzeuger. Ee kömmt nur ſelten zu
| 129
Markte. Man hat Beyſpiele ſchädlicher Wirfun-
gen, die jedoch vielleicht nur dem überreifen Als
ter, und dem paraſytiſchen Ungeziefer zutushe
ben waren.
Man genießt ihn als Sallat unter Keäu⸗
tern in Spältchen geſchnitten, doch kocht man
ihn auch wie den Bilzling.
136
re
XXII. Der Habichtſchwamm (Hyd-
num imbricatum L).
S. Wachs prap. X und Abbild. Tab. X.
Dicſer Stachelſchwamm, welchen die Bayern
braune Hirſchzunge, die Floriſten aber ziegelar⸗
tigen Stachelſchwamm oder ſchuppigen Stachel,
ſchwamm nennen, iſt mir noch niemahls zu Ge’
ſicht gekommen. Da er aber in der Salzburger—
Flora von dem rühmlichſt bekannten Herrn
Braune aufgeführet worden, und dieſes Land
nunmehr den Oeſterreichiſch⸗Kaiſerlichen Erb⸗
ſtaaten iſt einverleibt worden, ſo darf er auch
hier als ein eßbarer Schwamm nicht mit Still⸗
chweigen übergangen werden.
Sein Strunk oder Stengel iſt feſt, voll,
in der Oberfläche faſericht, un rein weiß, und
132
manchmal ſo gedrängt beyſammen ſitzen, daß
daraus eine Art von Dach entſteht, indem ſich
die Hüte felbſt Dachziegelförmig bedecken. Und
es iſt ſchwer zu entſcheiden, ob die Benennung
des Dachziegelförmigen Stachelſchwammes mehr
von dieſem Umſtande, oder von jener Bildung
der Schuppen herzuleiten ſey, die ich kurz vor⸗
her beſchrieben habe.
Der Habichtſchwamm wird einſtimmig als
ein delikater, eßbarer und geſunder Schwamm
gerühmt und er ſoll vorzüglich in Italien ſtark
genoſſen werden. Er iſt in verſchiedenen Gegen⸗
den Deutſchlands, in Dänemark und England
zu Hauſe. Ob auch in Frankreich, iſt noch die
Frage! denn Bülliards Abbildung ſcheint einen
ganz andern Stachelſchwamm vorzuftellen.
Er kömmt im September in Nadelwäldern
zum Vorſchein, und iſt ein Erdſchwamm⸗
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XXIII. Der Igelſchwamm (Hy dnum
Erinaceus P.)
S. Wachspräͤp. Y und Abbild. Tab. V.
„
Gegenwärtige Schwammart verdient es, unter
die eßbaren aufgenommen zu werden, wenn ſie
irgendwo, wie ich vermuthe, häufiger vorkom⸗
men ſollte. In Oeſterreich ſelbſt gehört ſie zwar
zu den größeren Seltenheiten, und ich habe ſie
nur einmal lebend zu Geſicht bekommen; allein
in Kärnthen, Croatien, Ungarn und Giebens
bürgen wird fie wahrſcheinlich viel häufiger ere
ſcheinen, weil es da viel mehr Eichenwälder
giebt, als in Oeſterreich. Sollte ſie demnach
dort noch nicht zum Genuß angewendet werden,
fo kann ich den Einwohnern jener Staaten Dies
ſen Schwamm als ein neues Nahrungsmittel
134 8 .
empfehlen. Nach meiner Unterſuchung hat er
gar nichts Verdächtiges geäuſſert, und nach dem
Zeugniſſe eines Bülliard wird er wirklich in Frank⸗
reich vornähmlich in Lothringen häufig genoffen,
Man hat den Igelſchwamm bisher auſſer
Oeſterreich und Frankreich auch in England ge⸗
funden. Buxbaum fand ihn in der Europäiſchen
Türkey, in Thracien oder Romanien bey dem
Dorf Belgrad an einem Kaſtanienbaume, und
Scopoli hat ihn aus dem Schoos der Erde her—
vor gehohlt. Indeß ſcheint doch die Eiche feine
wahre und eigenthümliche Geburtsſtätte zu ſeyn,
und nur abgeſtorbene Stämme, oder vom Mos
der ausgehöhlte Schäden dienen ihm zu ſeinem
Standorte.
Er beſteht aus einer See derben
Maſſa eines ziemlich ſaftigen, meiſtens Herzför⸗
migen Schwammkörpers, deſſen Geruch ſehr
ſchwach Schwammartig, aber gar nicht unange⸗
nehm iſt. Manchmal iſt er mit etwas tieferen
Aushöhlungen verſehen, und hat daher förmli—
che Herzohren und Herzhügeln. Er iſt durch und
durch von gleicher Beſchaffenheit in der Sub»
ſtanz. Seine Größe varirt von der eines Hühner“
Eyes bis zu jener eines Menſchenhauptes. Er
ſteigt in einem Bogen aus dem ſchwarzen Mo—
der ſeines Standortes hervor, iſt oberhalb am
meiften breit und erhaben, und verſchmälert ſich
133
nach abwärts in eine ſenkrechte ſtunpfe Spitze.
Zuweilen, (wenn er nähmlich aus einer beträcht⸗
lichen Tiefe emporzuſteigen genöthiget iſt) bildet
dieſe ſeine Stütze eine Art von Strunk oder
Hals, die ſich jedoch, ſobald als fie die Oeff⸗
nung erreichet, alſogleich in die gewöhnliche
Form des Schwammes ausbreitet. Der ganze
Körper dieſes Schwammes, ſo weit er offen
und frey ſteht, iſt mit einer gedrängten Menge
gleichfärbiger Pfriemfädchen (Feuchtſpisen oder
ſo genannter Stacheln) beſetzt, welche weich find,
und theils gerade, theils verſchlungen herab⸗
hängen. Nach der Angabe der Schriftſteller ſind
dieſe Fädchen hohl, und obgleich ich das Ge—
gentheil beobachtet habe, ſo ſcheint es doch, daß
mein Exemplar vielleicht nur zu jung war, und
daß ſie erſt im ſpätern Alter dieſe Beſchaffen⸗
heit erlangen. Sie ſind auf der Höhe am kürzeſten
und viel ſchütterer, auch meiſtentheils aufrecht. Je
weiter man ſie nach abwärts verfolgt, deſto länger
und deſto gedrängter ſind ſie zu bemerken, ſo, daß
die unterſten faſt die Länge eines Zolles errei—
chen. Der ganze Schwamm ſtellt daher von weiten
einen weiſſen Bart vor, welcher wie angeheftet
von dem dunkeln Grunde feines Standortes [hr
frappant an der Eiche herabhängt.
—
136
CCC
XXIV. Der Corallenſchwamm (d.
num Coralloides Schaeff)
S. Wachspraͤp. Z und Abbild. Tab. Z.
De. Corallenſchwamm giebt uns ein neues
Beyſpiel zur Belehrung über die Unſicherheit
der bisher angenommenen Gattungscharaktere,
Freylich wohl nähert er ſich nach dem erſten
Anblick den Stachelſchwämmen: denn der Bau
feiner Fruchtſpitzen iſt von jenem der übrigen
Stachelſchwämme gar nicht verſchieden, und
der eben vorher beſchriebene Igelſchwamm bil—
det einen vortrefflichen Uebergang von den Sta—
chelſchwämmen mit einem Hute zu den unbehu—
teten Strauchartigen. Wenn wir nun aber den
gegenwärtigen Corallenſchwamm genauer betrach—
ten, fo zeigen ſich bald eben fo viele, und eben fo
1
4 | da 1
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Der ER Awamm/
H ydlnam nber Schaf
Dette .
137
ſtarke Gründe, welche uns beſtimmen könnten,
ihn den Clavarien beyzuzählen. Denn aufferdem,
daß der ganze Bau mit dieſen vollkommen über,
einſtimmt, ſo iſt auch das ganze Weſen jener
Stacheln nichts weiter als eine Veräſtlung und
Zertheilung des Schwammes. Die Stacheln an
den Seiten der ſtätkeren Aeſte kann man als
un vollkommene Nebentriebe wie jene (Nro. 19)
bey dem Fichhafen anſehen, die oberſten hinge⸗
gen an den Extremitäten der Zweige, als die
letzten Veräſtlungen, wo ſich die Vegetations“
kraft der Pflanze bereits erſchöpft hat, und da⸗
her ihr? ketzten Kräfte zur Erzeugung anwendet.
Sollte man aber aus dieſem Grunde den Keu⸗
lenſchwamm (Tlavarıa) mit dem Stachelſchwam⸗
me (Hydaum) vereinigen wollen, fo würden
ſich neue Schwierigkeiten entgegen ſtemmen. Die
Mittelgeſchböpfe, bie den Corallenſchwamm mit
den übrigen Stachelſchwämmen verbinden, ver—
ketten dieſe Weſen ſo feſt untereinander, daß
man endlich auch ein Hydnum repandum mit
der Clavaria piſtillaris in eine Gattung verbins
den müßte, und wenn man dieſes eingehen woll-
te, ſo wäre zu beſorgen, daß am Ende vielleicht
noch gar alle Schwammgattungen in eine einzi⸗
ge zuſammengeſchmolzen werden müßten. Höchſt
merkwürdig und wichtig ſind in der Familie der
138
Schwämme die zahlloſen Mitteldinge, wie z. E.
ſene, welche die Blätterſchwämme mit den Lö⸗
cherſchwämmen verbinden. Gewiſſe Arten von
Daedalea, Siſtotrema, Merulius und The-
laephora ſcheinen beynahe nichts weiter als un⸗
vollkommen gebliebene Schwammarten zu ſeyn
welche eben ſo viele Anſprüche auf die Gattung
Agaricus, als auf jene des Boletus haben.
Helvella, Morchella, Spatularia und Clavaria
haben ihre Arten, von denen man nicht entfcheir
den kann, in welche von dieſen Gattungen ſie
mit größerem Rechte gezählt werden dürften.
Die Gattung Phallus verhält ſich zu dieſen ges
nau, wie Amanita zu Agaricus. Mit einem
Worte: es ſcheint uns noch ganz und gar an
jenen Beobachtungen zu fehlen, auf deren Grund
wir unſere Gattungscharaktere bey der Familie
der Schwämme ſtützen dürften, und die ange⸗
nommenen ſeyen daher blos willkührlich und nur
aufs Gerathewohl ergriffen, um doch unterdef
fen nicht ganz unbeholfen zu ſeyn, bis uns der
fortgeſetzte Fleiß der Beobachter Stoff genug
liefern wird, aus welchem ſich wahre und in der
Natur ſelbſt gegründete Gattungen bilden Taf
ſen. So lange wir aber noch in jener großen
Unwiſſenheit verweilen, welche uns verhindert,
bey den Schwämmen zu entſcheiden, was an
139
ihnen weſentliche Bildung fey, und was dem
Einfluß des Standortes, der Witterung, dem
Clima und andern zufälligen Umſtänden zuge⸗
ſchrieben werden müſſe, ſo lange werden auch
unſere Schwammgattungen bloße Anmaſſungen
und grundloſe Verſuche ſeyn, und ein Syſtem
phänogamiſcher Pflanzen ohne aller Rückſicht auf
Blüthen und Früchte würde vor unſern Schwamm'
ſyſtemen noch einen erheblichen Vorzug behaupten.
Der Corallenſchwamm iſt unſtreitig eines
der ſchönſten Produkte von dem Gebiethe der
Schwämme. Beynahe wie ein Loranthus oder
Viscum wächſt er an den Stämmen, aber noch
öfter in dem Moder beſchädigter, oder an den
Balken gefällter Eichen: Freylich wohl iſt das
eigentliche Vegetabil des Schwammes in der vers
weſenden Maſſa des Baumes aus gegoſſen, und
alſo ganz ein anderer Paraſyt als jene genann⸗
ten Phänerogamen, aber der hervortreibende
ſichtbare, zur Fortpflanzung beſtimmte Theil deſ⸗
ſelben, den man im gemeinen Leben den Schwamm
nennt, dieſer ſcheint allerdings faſt eben ſo wie
jene wahre Paraſyten blos äuſſerlich aufzuſi⸗
tzen, und ſich von den Säften des Baumes zu
ernähren. Sein runder fleiſchiger Hauptſtamm
hat zuweilen einen Durchmeſſer von mehreren
Zollen, zertheilet ſich jedoch gleich nach dem N
146
ſprunge in mehrere verhältnitzwäſſig ſtarke Aeſte.
Stam und Aeſte haben von Auſſen die blaſſe
chöne Leibfarbe der Bewohner des mittleren Eu⸗
ropa. In dem umgekehrten Verhältniſſe, wie
die Aeſte an der Zahl zunehmen, nehmen fie’
an der Dicke ab. Sie erheben ſich in auf—
ſteigender Richtung, und bilden eine ſolche
Menge von Anaſtomoſen, daß wir dadurch an
das Gerippe des gemeinen Gitterſchwammes
(Clathrus cancellatus) erinnert werden. Allein
die Extremitäten find frey, und bilden uns im
Kleinen die groteske Figur einer aus Felſen—
wand ſchief hervorgewachſenen Dachförmig ber
breiteten Föhre von weiſſem Elfenbein mit gol⸗
denen Nadeln. Er wächſt demnach, bis auf die
Anaſtomoſen, ganz Strauchartig und bildet eine
ſchöne, in mehrere Parthien abgetheilte Krone,
die zuweilen über einen Fuß im Durchmeſſer ers
reichet. An der Unterſeite der Zweige hängen
etwas ſchüttee, blaßfarbige 1 bis 3 Linien lan⸗
ge Pfriemfädchen herab, welche meiſtentheils
ganz einfach ſind. Gegen die Extremitäten hin
werden dieſe Fädchen oder Stacheln inmer län⸗
ger und häufiger. Auch ſind ſie hier meiſtentheils
äſtig oder ſonſt auf vielerley Art zuſammen vers
wachſen. Sie ſtehen hier rund um die Zweige
herum, biegen ſich aber dennoch in artiger Stel⸗
lung nach abwärts, und formiren ſehr reitzende,
141
in einander verflochtene Büſchel. Hier iſt die
Farbe der Skacheln etwas mehr geſättigt, und
ſowohl diefe, als die Zweige ſelbſt werden gelb,
und eh ſebhafter, Je beſſer die Entwicklung
des Schwammes von Gtatte“ gegangen.
Mit dietem Schwamme hat noch ein an
derer (der Ziegenbart, Hydnum abietinum P.)
die größte Aehnlichkeit. Man vergleicht dieſen
in ſeiner Jugend mit dem ſogenannten Kauli
oder Blumenkohl (Brassica cletacea Botrytis)
weil er ganz weiß, und eben ſo voll und eben
fo gekräuſelt iſt. Er hat weniger Anaſtomoſen,
iſt meiſtentheils aufrecht, und vertheilt ſich von
unten auf in breite, Geweihförmige Aeſte, uns
ter welchen einige ſo klein ſind daß man in
Zweifel fieht, ob man fie mehr zu den Pfriem⸗
fäden oder zu den Aeſten zählen ſolle. Im Alter
wird er unrein blaßgelb, und ſeine Fäden oder
Stacheln werden nicht ſelten über einen halben
Zoll lang. Die an den Aeſten find etwas auf⸗
recht, jene hingegen an den Enden der Zweige
hängen lang und ſenkrecht wie naſſe Haare her⸗
unter. Uebrigens iſt er dem vorigen ſo ähnlich,
daß man zweifelt, ob er für eine beſondere Art
oder nur für eine Varietät desſelben zu halten
ſey. Er wächſt auf Tannen und Buchen, und
wird ſelbſt unter der Erde gefunden. Die Er⸗
142 '
ſcheinungszeit von beiden find die Monate Geps
tember und Oktober. Ich habe es dieſer Um—
ſtände halber hier für überflüſſig gehalten, den
Zieger bart in dieſem Werke darch Abbildung
und Bildnerkunſt darzuſtellen.
Sie ſind übrigens alle beyde eßbar, und
werden wie die Bärentatzen bereitet.
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XXV. Die gemeine Baͤrentaze. (Cla-
varia Flava Ey
S. Wachspräp. AA. und Abbild. Tab. AA.
ee ai — —
Die deutſchen Benennungen der Gewächſe find
trotz aller diesfälligen Vermittelungen der Ges
lehrten doch immerhin ſchwankend, zweydeutig
und verführeriſch. Sie werden es auch ewig ver—
bleiben, oder unſere Mutterſprache müßte nur,
ich weiß nicht durch was für ein Schickſal, die
allein herrſchende des ganzen Erdbodens wer-
den. Manche Pflanze würde vielleicht fünfzig und
noch mehrerley Nahmen erhalten, wenn man ſich
recht eigens dafür verwenden wollte, fie aufzu⸗
ſammeln und aller Orten zu erforſchen. Allein
dies iſt noch nicht die Haupt ſchwierigkeit! Was
dieſe Nahmen am meiſten untauglich macht, allges
mein aufgenohmen zu werden, iſt der vage Miß⸗
brauch derſelben; indem nähmlich zu gleicher Zeit
1
144
eine und dieſelbe Benennung verſchiebenen, ja öf—
ters im höchſten Grade heterogenen Gewächſen
durch denſelben zu Theil geworden. So heißt z. E.
die gegenwärtige Schwammart unter andern auch
Bocks bart: allein nicht genug, daß man auch noch
mehr andere Arten von Clavaria ſo benennet,
ſelbſt einige Arten von Hydnum, wie wir bereits
bey dem vorhergehenden Artikel Lit. Z. geſehen
haben, nehmen ihren Theil daran. Aus der Far
milie der Flechten, beſonders in der Gattung
Usnea, Cornicularia, Stereocaulon etc. würden
wir leicht ein Paar Duzend Arten zufammen
bringen, die ſo genannt werden, und um die Ver⸗
wirrung von Babylon vollkommen herzuſtellen;
ſo finden wir noch ein ganzes Heer vegetabiliſcher
Bocksbärte in den Familien der Phönogamen, bes
ſonders in den Gattungen Spirea, Eriophorum,
Tragopogon, Anemone, Aira, Festuca, Di-
gitalis u. ſ. w. Freylich wohl hat Willdenow und
mehr andere ein Mittel verſucht, die Einheit der
deutſchen Benennungen herzuſtellen, indem ſie die
Sy ſtematiſchen Nahmen ihrer Werke mit einem
Gattungs⸗ und Trivialnahmen ins Deutſche übers
ſetzten. Allein es ſcheint nicht, daß man jemahls
dieſelben mit Hintanſetzung der bereits üblichen allge⸗
mein annehmen werde. Man braucht gewöhnlich
die deutſche Benennung nur dazu, um im Vaterlande
von den Ungelehrten verſtanden zu werden: und da
145
wird dann der Bauer und der Schwammkräm⸗
mer, der ſein Lebetag keine Species plantarum
in die Hand nimmt, ſchon fortan bey den Tri⸗
vialnahmen feiner Heimath verbleiben, ohne ſich
um das nomen genericum zu bekümmern. Ueber⸗
dies gerathen auch viele dieſer überſetzten Nah⸗
men ſo ſonderbar, daß ſie ihrer Deutſchheit un⸗
geachtet nicht um den mindeſten Theil verſtänd—
licher ſind, als wenn man den lateiniſchen Nah⸗
men unverändert gelaſſen hätte. Hat man doch
ſo vielen Tauſend andern ausländiſchen Nahmen
das Bürgerrecht vergönnet: warum nicht auch
denen der Naturprodukte, da dieſe den Vorzug
vor allen übrigen haben, mit der größten Präs
ciſion aller Orten und von allen Nationen vers
ſtanden zu werden? Oder ſchmeichelt es vielleicht
dem Reichthum unſerer Mutterſprache, wenn
wir hier eine Pflanze; Geſchwänzte Vogel⸗
milch, eine andere Kopfförmiger Nat⸗
terkopf und wieder eine andere kriechen der
Froſchlöffel nennen? Etzer wollte ich es noch
hingehen laſſen: geſchwänztes Ornithos
galum, Kopfförmiges Echium krie⸗
chendes Alisma zu ſagen! Allein, wenn
wir ſchon den lateiniſchen Gattungsnahmen ans,
nehmen, ſo wird wahrlich der Trivialnahme
auch nicht mehr ſo viele Beſchwerlichkeit haben,
um dem Gedächtniſſe aufgebürdet werden zu kön⸗
L 2
146 | 1
nen, zumahl da gewiſſe Trivialnahmen in fo
vielen Gattungen vorkommen, daß ſie auch dem
ſchwerſten Kopfe endlich geläuftg werden müſſen,
wie die Ausdrücke: officinale, vulgare, Euro-
paeum, vernum, aestivum, autumnale, sem-
pervirens, semperflorens, giganteum, nanum,
multicaule, cernuum, dichotomum, rectum, re-
Pens, volubile, hirtum, lanatum, acaule, al-
pinum, montanum, sylvaticum, arvense, pa-
lustre , spicatum, paniculatum, mulilerum,
- lineare , ovatum u. d. gl.
Der Schwamm, von dem hier die Rede
ſeyn ſoll, und welcher hier zu Lande am meiſten
unter dem Nahmen: Bärentaze bekannt iſt,
heißt ſchon, in Oberöſterreich Kraanfuß, d. i.
Krähenfuß und Hahnenkamm, ſo wie um Re⸗
gensburg Hennenfamp , in Steyermarkt: Bä⸗
renpratze, im edleren Styl Bärenpfote: in Sach⸗
fen Ziegenbart; am Harz Geisbart, Bocksbart;
in Franken: Händling, Hendelſchwamm: Neu⸗
mark in der Oberpfalz: Hirſchſchwamm; bey
Ulm Katzentapper: in Böhmen Krausbart; und
noch über dies hie und da Corallenſchwamm,
Hieſchling, wilder Hirſchling, Schöberling, Ziegen⸗
bärtgen; auf Holländiſch Koraalachtige Knods-
. zwam, Handkampernoeljes, Vingerkamper-
neljes, Geitenbaard: Dänifch. Koralsvamp.
Schwed. Koralklubban: Engl. The coral cla-
| a 147
varla; Franz. Clavaire Coralloide, Gallinole;
Barbe de chvre , Menottes, gantellines, barbe-
de- bouc, bouquinbarbe, tripette, Cheveline,
pied-de-coꝗ in der Bauernſprache: Dꝛenellie:
Span. Munecillas, Ungar. Kuratka, Kozi-brada
u. f. w»
Um dem vorzüglichſten Mycologiſchen Schrift⸗
ſteller, dem Dr. Perſoon zu folgen, nenne ich
dieſen Schwamm Clavaria flava, obgleich er
übrigens in den meiſten Floren unter der Benen—
nung Clav. Coralloides vorkömmt, unter wel⸗
cher jedoch mehrere vorhin nicht hinlänglich beob⸗
achtete, von einander weſentlich verſchiedene Ar⸗
ten begriffen wurden.
So wenig die hier zu Lande übliche Benen⸗
nung dieſes Schwammes an etwas Zärtliches zu
erinnern geeignet iſt: ſo wird man mir dennoch
willig beyfallen, wenn ich behaupte, daß er un⸗
ter die artigſten, niedlichſten und liebenswürdig⸗
ſten Naturprodukte gezählet zu werden verdiene.
Seine Geöße, fein Bau, feine Stellung feine Farbe
alles iſt in die beſte Harmonie vereinigt, um uns auf
eine angenehme Weiſe durch die ſeltene Neuheit einer
Pflanzengeſtalt zu überraſchen, die wir eher in
der Familie der Corallen oder an gewiſſen Mine⸗
ralköͤrpern geſucht hätten, als in dem Gebiethe
der Flora. Manchmahl ſollte man faſt glauben,
gediegenes Sold aus der Erde hervorwachſen zu
148
ſehen, beſonders, wenn er in ſchwarzer Moor:
Erde zwiſchen Laubmooſen und Abfällen heraus-
bricht im Dickicht des Buchenhaines, wo keine
andern Gewächſe, als nur jene der heterodoxen
Familien der Cryptogamen gedeihen. Scheint es
doch, daß uns Mutter Natur in dieſen Gon-
derlingen lauter Sinnbilder und geheime My—
ſterien habe mittheilen wollen! Wer weiß auch
wie reichlich ſie uns noch die Mühe lohnen wer⸗
de, wenn wir einſt in dieſem Studium ihrer
Zeichenſprache größere Fortſchritte gemacht und
eine gewiße reelle Fertigkeit erlangt haben wer—
den? Ich meiner ſeits finde die Bildung dieſes
Schwammes zu intereſſant, als daß nicht eine leichte
Ideenfolge bey feiner Betrachtung in meiner Seele
das Bild des menſchlichen Lebens hervorrufen ſollte.
Einfach und mit voller Energie der Lebenskräfte be⸗
treten wir die Bühne, bald aber ſuchen wir
uns durch Zertheilung uuſerer Fähigkeiten einen
größeren Wirkungskreis zu erringen; und jede
dieſer Fähigkeiten erweitert ſich durch neue fort—
geſetzte Entwicklung. Aber indem wir auf dieſe
Weiſe uns immer mehr und mehr im Umfange
erweitern, fo ent nerven wir zugleich unſer ur:
ſpringliches Vermögen, und fiehe! mit einem
Mahle ſind ſie an ihrem Ende die verwickelten
Zweige unſerer Tendenz nach fremden Berüh⸗
rungs punkten. Nun iſt alſo das Ganze unferer
149
Wirkſamkeit ein Gegenſtand der Geſchichte und
der Beurtheilung! Vollſtändig entwickelt, wie
zahlreich find nicht die feinern Nüancen unſerer
Aus geburten. Doch tragen fie alle das Gepeäge
unſeres Urſprunges und nie dürfen ſie das Maß
unſerer orginällen Anlage überſchreiten! Wents
ger Entwicklung — weniger Verluſt der Kräf⸗
te! Das Leben eines Menſchen iſt ein indibi—
duelles Ganze; es kann Modifikazionen, aber
keinen Abbruch erleiden! Der Trieb zur Ent-
wieklung iſt ein Werk der Natur, die Entwick-
kung ſelbſt hängt von den Umſtänden ab.
Mißverhältniſſe müſſen da entſtehen, wo
gewiſſe einzelne Fähigkeiten auf Koſten der übri⸗
gen ausgebildet werden. Wahre Vollkommen⸗
heit fest ein Ebenmaß aller Theile des Gans
zen voraus. Darum ſind Menſchen von vielem
Verſtand und ſchlechtem Herzen nichts mehr als
Mißgeburten und Auswürflinge der Schöpfung!
und ein mohlgeftaltes Vegetabil iſt von einem
höheren Werthe als ſolch ein un vollendeter Halb⸗
menſch! N /
Die Horde der Schwämme weicht zwar ſchon
überhaupt ſehr weit von jener prototupiſchen Ber
getationsform ab, die wir in der höchſten Be⸗
ſtimmtheit und Vollzähligkeit vegetabiliſchen Dis
gane, wie z. B. in der Familie der Nelkenar⸗
tigen Gewächſe erkennen. Deſſen ungeachtet il
150
doch die Freyheit der Natur, mit welcher fie
die verſchiedenen Gattungen der Schwämme ent
worfen, noch ſo uneingeſchränkt, daß ſte unter⸗
einander ſelbſt eine nicht minder beträchtliche
Verſchiedenheit darftellen. Eine Amanita und
ein Igelſchwamm — welch ein ungeheurer Ab—
ſtand! Und dennoch bleibt ihr für die meiſtens
ſehr zahlreichen Arten zur Aufſtellung verfchies
dener Bildungsformen noch ein weiter, und wie
es ſcheint, faſt gränzenloſer Spielraum. Ja ſelbſt
in einer und der nähmlichen Art beweißt ſie uns
noch die Unerſchöpflichkeit des Erfindungsgeiſtes,
welcher den großen Plan des Weltalls entwor—
fen und bis auf die letzten minutiellen Details
entfaltet hat. Die Mannigfaltigkeit der Spielar⸗
ten und Abänderungen iſt z. E. bey der gegen»
wärtigen Schwammart in Wahrheit ein Gegen⸗
ſtand der Bewunderung. „So groß auch immer,
ſagt Holmskiold: ) die Verſchiedenheit der
Abweichungen in der Bildung und Größe der
G:rforallen bemerkt wird; fo iſt fie dennoch in
den individuellen Muſtern dieſes Aſtſchwammes
nicht minder erheblich; und unter Tauſend Erem,
„) S. deſſen Beata ruris otia: Havniae 1799 fol. p. 114.
Tom, I.
151
plaren wird man kaum zwey auffinden, die
ſich im äußerlichen Anſehen gleichen. Bald fins
den wir feinen Strunk geſtreckt, aufrecht, breit
und flach gedrückt; ein anderes Mahl Dagegen
kurz, darniedergebogen, dick und rund. Der eine
hat ſehr verlängerte, ſchlanke, vielfältig zertheilte
Aeſte, der andere aber kurze, dicke und einfache.
Ein gleiches Bewandtniß hat es mit der Größe
und mit der Farbe: denn einige erheben ſich zu
einer Höhe von zehen Zollen, während daß an—
dere kaum die Hälfte dieſer Größe erreichen, Ihre
Grundfarbe iſt meiſtentheils weißlich, doch fallen
andere wieder mehr in die Farbe des Purpur und
des Goldes. Einige wenige findet man auch von
ſchneeweißer Farbe mit purpurröthlichen Spitzen,
andere gelblich und bunt geſtreift oder mit Purs
purfarben Flecken bezeichnet. Insbeſondere pran—
gen die jugendlichen Individuen mit den lebhafte⸗
ſten Farben beſonders mit der Röthe des Blutes,
oder mit der blendenden Röthe der Feuer flammen:
W | |
Allerdings entfernt ſich die Struktur der
Schwämme von jener der vollkommneren und eds
leren Pflanzenfamilien ſo ſehr, daß man bey ei⸗
ner flüchtigen Ueberſicht dieſer Naturgeſchöpfe faſt
Anſtand nehmen ſollte, fie in das Gewächsreich
aufzunehmen: allein, außer dem, daß fir mittelſt
der Bauchbilze, der Phycäen und ver Flechten
152
mit jenen wieder in Zuſammenhang kommen; fo
hat auch hier die bildende Hand der Natur den
nähmlichen Geiſt der Analogie entwickelt, welchen
wir ſo oft bey der genaueren Betrachtung ihrer
Produkte zu bewundern Gelegenheit und Berans
laſſung finden. In einzelnen Arten der Schwäm—
me finden ſich noch immer gewiſſe Spuren der
prototypiſchen Formen: nur ſind dieſe hier iſolirt
und nur ſelten treffen 2 oder 3 in einer und der—
ſelben Bildung zuſammen. So finden wir in dem
Fleiſchſchwamme eine unvollſtändige Nachahmung
von dem Blumenbaue der Dorstenia und noch
mehr des Cynomorium und der Balanophora.
So gleichet die Trüffel den Knollen der Jalappa.
So erinnert uns der Corallenſchwamm an die
Föhren, fo der Spatelſchwamm (Spathularia
flavida) an gewiſſe Tangarten oder an das Blatt
der Sarracenia flava und die hier vorgeſtellte
Härentaze iſt überhaupt Strauchartig, und könnte
allenfalls mit Anthyllis Erinacea, Salicornia
Caspia, Statice reticulata, Anastatica Hiero-
chuntica, Baeomyces rangiferinus u. ſ. w. ver⸗
glichen werden.
Der Strunk dieſes Schwammes, welcher
meiſtens noch unter der Erde oder in dem lockern
Dünger der verfaulten Laubmooſe, und Abfälle
von Bäumen und Kräutern verſteckt iſt, richtet
ſich meiſtens gerade in die Höhe. Sein Umfang
155
und feine Geſtalt ift übrigens, wie wir ſchon oben
in der aus Holmskiold überſetzten Stelle geſehen
haben, höchſt unregelmäßig. Weiß iſt er bey weis
tem in den meiſten Fällen, wenigſtens ſo weit er
in der Erde verborgen ſitzet, und der Uebergang
in die Farbe der Zweige iſt ganz unmerklich. Geis
ne Quadratebene Em Durchſchnitt) iſt jener der er,
ſten Zertheilung, ſo wie jedes Mahl die eines
Zweiges jener der Veräſtlung und daher die ers
ſtere auch dem Gehalte aller Extremitäten zuſam⸗
mengenohmen gleich. Könnte man den ganzen
Schwamm mit Vermeidung aller Zwiſchenräume
zuſammen ſchmelzen; fo würde man alſo einen
regelmäßigen Cylinder erhalten. Die Aeſte ſind
bald mehr bald weniger in einander verflochten,
meiſtens flach gedruckt und der Länge nach,
ſchwach gefurcht. Die Zertheilung ſelbſt hat gar
-keine Geſetze. Manchmal wachſen hie und da eis
nige Zweige durch das Berühren zuſammen. Die
Extremitäten, welche insgeſammt eine ganz glei—
che Proportion der Dicke darſtellen, ſind auch an al⸗
len Zweigen von gleicher Beſchaffenheit, fie bes
ſtehen nähmlich aus 2, 3 oder 4 Zähnchen,
welche gleichſam wie Knoſpen eines Gewächſes
ausſehen, und allezeit eine röthliche Farbe ha—
ben, der Schwamm mag nun ſchon goldgelb
wie hier, oder weiß, fleiſchfarben, braun, röth—
lich oder wie immer gefärbt ſeyn. Der ſenkrech⸗
154
te Durchſchnitt entdeckt uns ein feines, weißes,
dichtes Fleiſch, wovon ſowohl der Hauptſtamm
als auch alle ſeine Veräſtlungen voll ſind. Die
blühende Farbe ſeiner Jugend geht mit dem
Alter in die Trauerfarbe über d. i. in eine
ſchmutzige Erdfarbe, dergleichen wir z. E. an den
Blüthen der Hesperis tristis, Hyacinthus Mus—
cari, Pelargenium triste, Verbascum ferru-
gineum, Orobanche major, Epipactis Nidus
avis, Silene gigantea, Cyperus longus u. d. gl.
bemerken.
Der Standort dieſes Keulenſchwammes ſind
die aus Buchen, Eichen, Lerchenbäumen u. d. gl.
gemiſchten alten und dichten Gebirgswälder, vors
züglich die der Kalkgebirge, in deren reichen
Schatten die Horde der Laubmooſe den ſchwar—
zen Boden mit niedlichen grünen Teppichen und
bequemen Polſtern zu tapezieren gewohnt iſt.
Ich bin einſtweilen noch unſchlüſſig, ob ich Per⸗
ſoons Clavaria formosa mit jener für einerley
Art, oder für eine eigene halten ſolle. Sie lebt
bey uns in den Umgebungen der Alpen, und
wird im Gebrauche gar nicht unterſchieden. Ganz
Europa iſt das Vaterland der Clavaria fla va.
Man findet ſie in den ſüdlicheren Gebirgen ſchon
früher, nämlich im Junius, in den Nordlän⸗
dern kömmt ſie erſt im Auguſt und September
zum Vorſchein. Sie wächſt ſehr ſchnell, und
155
Holmskiold meldet, er habe nach 9 Tagen, als
er eine gewiſſe Gegend zum zweyten Mahle be—
ſuchte, in welcher er das erſte Mahl keine Spur
davon gewahr wurde, eine große Menge ſchon
ganz entwickelter Bärentazen gefunden, welche
bereits im Begriffe waren, ihren Staub zu dere
ſtreuen, jenes feine Pulver, das allenthalben aus
der ganzen Oberfläche ihrer Zweige hervorquillt,
und welches man ſo, wie an den übrigen Schwäm⸗
men für eine Art von Saamen erkläret, wodurch
ſich die Arten der Schwämme anbauen und fort—
pflanzen. |
Man pflegt dieſen Schwamm aller Orten
häufig zu verſpeiſen, und es iſt im eigentlichſten
Sinne ein Marktſchwamm. Da uns mehrere der
anſehnlichſten Schriftſteller, wie z. B. ein Haller,
Bülliard, Holmskiold u. d. gl. für feine Uns
ſchädlichkeit bür gen; ſo ſcheint es, daß die böſen
Zufälle, welche angeblich nach Houttuyn auf ſei⸗
nen Genuß erfolgt ſeyn ſollen, und wovon auch
ich hie und da auf dem Lande Nachrichten einge⸗
zogen habe, entweder auf Rechnung anderer das
mit verwechſelter Arten bezohen werden müſſen,
oder daß vielleicht verdorbene mit Jnſektenlarven
bevölkerte Stücke aufgenohmen wurden, deren
Genuß freylich wohl ungeſund und mit Nachwe—
hen vergeſellſchaftet ſeyn muß. Ich rathe daher
1.) genau in Acht zu nehmen, daß man ja nur
136
ächte Bärentazen aufnehmen möge, 2.) daß man
nur junge und feiſche Stücke erwähle; 3) daß
man ſie vor dem Gebrauche waſche und von allen
nicht dazu gehörigen Anhängſeln reinige; 4.) end⸗
lich daß man die Veräſtlung abnehme, den Strunk
inwendig wohl unterſuche, und wenn ſein Fleiſch
inwendig anders, als weiß iſt, ihn lieber hinweg⸗
werfe, als ſich der Gefahr aus ſetze, Bauchgrim⸗
men und Erbrechen zu beſtehen.
Man ißt dieſen Schwamm als Sallat in
Vermiſchung mit Gewürzen, iſchen, Kräutern
u. d. gl. nachdem er vorber mit heiſſem Waſſer
abgebrühet worden. In Frankreich pflegt man
ihn meiſtens frikaſirt, d. i. klein gehackt mit
Hühnerfleiſch in der weißen Sauce zu verſpei⸗
fen. Man macht auch Krötchen davon, die man
wie die vom gehackten Fleiſch gemachten Frica-⸗
dellen verſpeiſt. Die beſte Bereitung Soll darin beſte⸗
hen, wenn man das gut abgewaſchene Fleiſch die⸗
ſes Schwammes mit Butter und einem Zufatz
von Salz, Peterſilienkraut, Maſoran u. >. al-
ſtark durchkocht und dann mit Mihrem und
Eyergelb noch etwas einkocht. Es ſoll dabey der
bitterliche Nachgeſchmack vergehen, welchen man
an dem friſchen Schwamme nicht ſellen bemer⸗
ken mag. |
2 FIR
Ne . Hebe.
1 Kl reer Hehe, e Jg 2
237
IT DLR DT — TED DT TS DIDI
XXVI. Die roͤthliche Baͤrentaze. (Cla-
varia Botrytis. P.)
S. Wachspräp. BB. und Abb. Tab. BB.
Man kann dieſen Schwamm nur durch ſolche
Merkmahle von dem vorigen unterſcheiden, wel-
che zwar an ſich auffallend genug, in der That
aber bloß zufällig und von dem Einfluß der Wit⸗
terung, des Standortes und der Jahreszeit abs
hängig ſind. Ich fand ihn oft in den Oeſterrei⸗
chiſchen Alpengegenden, und ich getraue mir nicht,
ihn für etwas mehr, als eine bloße Abart des
vorigen zu erklären. Er wird von demſelben bloß
dadurch unter ſchieden, daß er darniederliegend,
zäher, innerlich zum Theil von ſeiner Färbung
durchdrungen, und mit einem ſehr engen Gedrän⸗
ge dicker Aeſte gekrönt iſt, die ſich entweder un»
mittelbar oder doch nur vermittelſt ſehr kurzer und
zarter Veräſtelungen in rothe oder gelbe ſtumpfe,
öfters fehr zuſammengehäufte Zähnchen endigen.
5 158
Manhmahl bildet er eine an ſehnliche Maße,
wohl von anderthalb Fuß im Umfange. Ein an⸗
der Mahl hingegen iſt das ganze Vegetabil kaum
den zehnten Theil ſo groß. Auch die Farbe iſt ſehr
veränderlich, wie bey dem vorigen Aſtſchwamme.
Daß er nicht immer ein Zwerg ſey, ſondern bey
feuchter Witterung und in einer ſchattigen Lage
manchmahl in ſehr lange und vielfache Veräſte,
lungen auswachſe, behauptet ſelbſt Perſoon. Hier
muß ich jedoch beyfügen, daß ich ihn häufig ge⸗
nug mit dem gemeinen gelben Hörnerſchwamme
in Geſellſchaft auf einerley Standorte und in der
nähmlichen Zeit beobachtet habe Es ſcheint demnach,
daß noch mancherley andere Umſtände dieſe Abän⸗
derung der Form hervorbringen müſſen. Vielleicht
geht es hier eben fo zu, wie bey dem oben uns
ter Lit. T. erwähnten Eichhaſen (Boletus poly-
cephalus) und er kann vor Uebermaß der Pros
lifikazionsanfänge nicht zu feiner Vollendung ges
langen. So entmannt frühzeitiger Geſchlechts⸗
trieb auch die animaliſchen Individuen; ſo er⸗
ſtickt der überſpannte Eifer maaches ehrgeizigen
Gelehrten unter der freywilligen Laſt zu 1
und zu zahlreicher Unternehmungen.
Standort, Jahrs zeit und Gebrauch find mit
dem vorigen, fo wie Geſtalt und Färbung einer⸗
ley. Ich würde es deßhalben für überflüßig ge⸗
halten haben, dieſen Schwamm in einem beſon⸗
159
deren Artikel abzuhandeln, wenn nicht das Ans
ſehen ſo vieler Authoren die ihn für eine eigene
Art erklären, mich hiezu gleichſam gezwungen
hätte. Und in der That, die Unterſcheidung die⸗
ſer Männer iſt nicht ohne Nutzen, geſetzt auch
daß die angegebenen Unterſcheidungs merkmahle
nicht ſowohl eigene Arten als vielmehr nur Va—
rietäten beträfen! Es gehört zu den ausgezeich—
netſten Merkwürdigkeiten der Schwämme, daß
in ihrer Horde auch die geringeren unſtäten Mo—
difikazionen auf eine ſehr weſentliche Verſchie—
denheit der innerlichen Eigenſchaft deuten, und
daß es in einer und der nähmlichen Art eßbare
und giftige Schwämme gibt, die ſich aber den—
noch durch gewiſſe habituelle Kennzeichen wie
Menſchliche Böswichte von guten und redlichen
Leuten in der Phyſiognomie unterſcheiden ).
Es wäre daher ſehr zu wünſchen, daß man ge—
) Es gibt jedoch auch in den Familien der Phoͤnoga⸗
men ahnliche Anomalien, welche nicht in der bloßen
Abaͤnderung der Farbe, Vildung u. ſ. w. ſondern
auch in einer beſtimmten Verſchiedenheit der inner—
lichen Eigenſchaften z. B. des Geſchmackes, der
Entwicklung, der Dauer u. d. gl. beſtehen. Die
fammtlichen Varietäten z. E. von Solanum tube-
rosum, die man nach der Wurzel aufzaͤhlet, zeich—
nen ſich auch zugleich durch eine genau beſtimm te
Berſchiedenheit in der Große, Blaͤttergeſtalt, Bü:
M
N
7
160
nau bey vorfallenden Gelegenheiten unterſuchen
möchte, welche von den Perſoon'ſchen Arten des
Keulenſchwammes, der erſten Abtheilung, die
Holmskiold zu einer eigenen Gattung (Ramaria
Hörnerſchwamm) erhoben, die oben erwähnten
bedenklichen Zufälle zu verurſachen pflege. Al⸗
lein bisher iſt man hierüber — leider! noch im
Ungewiſſen! Für die unſchädlichſten und am
Mindeſten gefährlichen halte ich einſtweilen die
beyden hier aufgeſtellten Hörnerſchwämme, weil
der allgemeine Gebrauch aller Nationen feit
Jahrhunderten ihre Unſchuld vertheidigt: nur
möchte Perſoons Clavaria formosa dieſen zu:
nächſt den mindeſten Verdacht verdienen, weil
fie beſonders der erſten von den hier vorgeſtell⸗
ten Arten fo ähnlich iſt, daß fie ſich faſt ein»
zig durch die etwas beträchtliche Höhe oder
Schlankheit ihrer Aeſte unterſcheidet, und daher
gerade das Gegentheil von der Art des gegen⸗
wärtigen Artikels darſtellet.
thezeit, Blumenfarbe u. ſ. w. aus, fo daß man
jede Sorte aus dem Gewächſe ſelbſt erkennen und
unterſcheiden kann. Eben dies gilt auch von Vitis
vinifera, Fragaria vesca, Pisum sativum, Py-
rus communis, Juglans regia, Brassica ole-
racea, Ficus Carıca, Dianthus Cariophyllus,
Primula Auricula, Cueurbita Pepo u. ſ. w.
Nee. eee
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XXVII. Die Stockmorchel. Helvella
esculenta. P. |
©. Wachspräp. CC. und Abbild. Tab. CC.
. —— —
S. merkwürdig auch immer der Uebergang
ſeyn mag, welchen wir in dem gelben Hörner—
ſchwamme oder der Bärentaze von den Hörner—
ſchwämmen zu den Stachelſchwämmen beobach—
en: ſo iſt doch jener von den Faltenſchwäm⸗
men zu den Morcheln mittelſt der Stockmorchel
noch viel auffallender und einleuchtender. Ver—
gleichen wir ſie endlich mit der Baſtardmorchel,
oder mit Ventenats Morchella Tremelloides:
ſo ſollte man ſich faſt geneigt fühlen, dieſe beyde
Gattungen in eine einzige zufammen zu ſchmel—
zen und die Arten von beyden in ununterbroches
ner Reihe aufeinander folgen zu laſſen.
Ich habe mich bisher von dem Daſeyn der
eigentlichen Helvella mitra in Oeſterreich noch
nicht überzeugt, und überge he fie daher hierorts
mit Stillſchweigen: ſollte ſie ſich jedoch irgendwo
vorfinden; ſo kann ſie ohne Bedenken uuter
Vorausſetzung der allgemeinen Vorſichts regeln
ſo gut, wie alle die übrigen geſtielten Arten von
Helvella; die man im Deutſchen ohne Unter:
ſchied Steinmorcheln, Stockmorcheln, Stockmau—
Me.
162
sahen, Biſchofs mützen, Pfaffenhütchen, Lorchen,
Katzenöhrlein und falſche Morcheln nennet, zum Ge-
nuße angewendet werden, und es würde von ihnen
alles das gelten, was ich hiervon der vorliegen:
den dunkelbraunen Stockmorchel zu ſagen habe.
Dieſe letztere wächſt nähmlich bey uns auf ho—
hen Bergwieſen, z. B. in der Gegend von Lilienfeld
— kömmt alldort im May zum Vorſchein und wird
eben fo wie die gemeine Morchel zubereitet und ge-
noßen, von welcher ſie ſich im Geſchmacke auch nur
ſehr wenig unterſcheidet.
Dieſe unſere Stockmorchel, welche auch am
Harz und in Bayern zu Haufe iſt, hat einen glat-
ten (Furchenloſen) unterhalb etwas Knollichten un—
ebenen, ungefähr Zoll dicken und 2 Zoll hohen, inn-
wendig Zellenartig ausgehöhlten weiſſen mit dem
feinen Fruchtpulver graubräunlich bereiften Strunk,
auf deſſen ſtumpfer Spitze ein oberhalb ſchwarzbrau⸗
ner unterhalb weißlicher Hut feſt ſitzet, welcher,
nicht ſehr tief in mehrere ziemlich große, Wellen⸗
förmig gekräuſelte höchſt unregelmäſſige, ziemlich
ausgebreitete Lappen zertheilt iſt, welche auf ihrer
Oberfläche mittelſt ihrer, jedoch nur ſeichten und
ſtumpf gerandeten faſt Kreisförmig geordneten
Zellen mit der gemeinen Morchel viele Aehnlich⸗
keit haben und zu ihr eine ſehr nahe Verwandt⸗
ſchaft beweiſen. Dieſe Lappen ſind ziemlich dick
und von einer ſaftigen Wachsähnlichen Subſtanz.
bee
. f 25 ur & 9 BT i
b EI a NER. *
3 8 > 75 42
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FE FR
163
LIT III 2222222282232 2 44222224
XXVIII. Die Herbſtmorchel. Helvella
Leucophaea. P.
S. Wachspräp. DD. und Abbild. Tab. DD.
„„
Noch eine Art von Faltenſchwamm, die zwar
bey uns nicht in Menge vorfindig, die aber als
lerdings eßbar iſt und dabey noch das Vorzüg⸗
liche an ſich hat, im ſpäten Herbſte zu erfcheis
nen, wo wir nicht gewohnt ſind, Morcheln und
Morchelartige Schwämme zu verſpeiſen.
Perſoon, welchem meine Abhandlung bie
ſes Schwammes in dem größeren Schwammwerke
(Oeſterreichs Schwämme T. I. p. 197) zu Ge
ſichte gekommen, hat ſich hierüber in einem
Brie fe geäuſſert, daß er ungewiß ſey, ob die
dort vorgeſtellte Herbſtmorchel nicht vielmehr ei⸗
ne eigene neue Art ausmache. Allein, da ich
die Urſache entdeckt habe, welche ihn zu dieſer
164
Vermuthung berführet hat; fo liegt es mir ob,
dieſe Sache aufzuklären, und die Wahrheit in
ein helles Licht zu bringen.
Da der Herr Verleger der Oeſterreichiſchen
Schwämme die ganze Auflage dieſes Werkes
beſorgt; ſo geſchah es, daß einige junge Leute
ihm illuminirte Tafeln überbrachten, mit dem
Vorgeben, ich hätte fie ſchon durchgeſehen und
gut geheißen. Da nun aber dieſes Vorgeben falſch
war, und Hr. Geiſtinger, der ihm feinen Glau⸗
ben ſchenkte, dadurch hintergangen wurde; fo
geſchah es, daß einige Exemplare in der Illu⸗
mination nicht ganz richtig ausfielen; und ich
habe alle Urſache zu vermuthen, daß H. Per⸗
ſoon eben ein ſolches Exemplar erhalten habe.
In dieſer Hiaſicht iſt demnach bey gegenwärti—
ger z2ten Vorſtellung um fo viel mehr Fleiß
und Behuthſamkeit angewendet worden, und
ich hoffe, daß in Zukunft kein ſolcher Verſtoß
ſich wieder ereignen werde: denn was die Allus
mination betrifft, ſo übernihmt Hr. Verleger
weiters keine Exemplare, als ſolche, worüber
ich ein ſchriftliches Zeugniß der Gutheißung aus—
geſtellet habe, und der Verfertiger der Wachs⸗
figuren, der K. K. Herr Modell Director Rein-
hold, welchem ich die Wichtigkeit dieſes Ger
genſtandes mit allem Nachdrucke ans Herz gen
legt habe, macht ſich ſelbſt für die Richtigkeit
165
der gefertigten Exemplare verantwortlich, außer—
dem, daß er mir die heiligſte Zuſage gethan,
kein Stück abzuliefern, welches ich nicht angeſe—
hen und gutgeheißen hätte, und daher auch alle
von mir gerügten Unvollkommenheiten mit der
pünktlichſten Genauigkeit zu berichtigen. Und fo
hoffe ich denn für die Zukunft das Beſte!
Um nun wieder zu unſerer Herbſtmorchel zu—
rück zu kommer, ſo kann ich betheuern, daß ich
dieſen Schwamm mit aller der nöthigen Sorgfalt
geprüft und ſowohl mit den Beſchreibungen, als
mit den Abbildungen der in meinem größeren
Schwammwerke eitirten Schriftſteller nahmentlich
mit Battarra, Bulliard, Schaeffer, Schrader,
Scopoli und Sowerby genau verglichen habe.
Insbeſondere finde ich die Abbildung des So-
werby ſehr anpaffend und aller Unterſchied zwis
ſchen dieſer und unſerem Schwamme beſtünde
höchſtens in der etwas ſtärkeren Färbung des
Hutes und in den etwas tieferen und zahlreiche,
ren Runzeln. Allein dergleichen Dinge ändern nach
dem Boden, nach der Stärke des Lichts und
nach der Verſchiedenheit der Witterung zu leicht
ab, und die gemeldeten Unterſchiede ſind überdies
ſo gar unerheblich, daß ich darinn keinen Grund
finden kann, unſere Herbſtmorchel für eine eigene
Art zu erklären.
5
466
Der Strunk der Herbſtmorchel iſt weiß, faſt
Kegelförmig und auf ſeiner Oberfläche der Länge
nach mit herablaufenden, gebogenen, theils an—
gewachſenen, theils freyen durch Queerverbindun—
gen vereinigten Sehnen dergeſtalt umgeben, daß
er auf den erſten Anblick einem Gitterſchwamm
(Clathrus) nachzuarten ſcheinen dürfte. Seine in⸗
nerliche Subſtanz iſt von ganz gleicher Beſchaf—
fenheit. Die herablaufenden Sehnen bilden alfo
mittelſt der Due:rverbindungen häufige Zellen,
von welchen jedoch kaum zwo einander gleichen.
Durchſchneidet man den Strunk; ſo ſieht man
lauter durch ſchnittene Säcke oder Canäle von ver—
ſchiedener Weite und Tiefe. |
Der Hut, der wie bey der Stockmorchel
aufſitzt, aber nicht ſo dunkel von Farbe, ſondern
vielmehr weißlich und nur ganz ſchwach mit et—
was wenigem Gelbbraun beſchmutzt iſt, hat noch
mehr den Bau der eigentlichen Morcheln, als
die übrigen Biſchofsmützenartigen Schwämme.
Von dieſen gleichen einige gewiſſermaſſen den Pe—
zizen, oder Becherſchwämmen, indem ſie ihre
Lappen in die Höhe zurückſchlagen und wohl gar
zuweilen dem modernen Schnitte der jetzt gewöhn—
lichen Hüte nahe kommen, die freylich auch Im—
pfelartig genug ausſehen, und auf den galanten
Rümpfen unſerer Stutzer nicht weniger grotesk
in die Augen fallen, als ein ſolcher Pezizenhut
167
auf dem Scheitel einer Morchel oder eines Bits
terſchwammes. Der Hut der Herbſtmorchel legt
ſich vielmehr nach abwärts, wie bey den wahren
Morchelr. Doch ſind ſeine Unebenheiten von je—
nen der Morcheln gerade das Gegentheil: denn
ſie beſtehen in Zellen von der untern und Blaſen
von der obern Seite: auch ſind die Lappen ihres
Hutes auf der Unterſeite nicht weiß ſondern bräun⸗
lich, und wirklich noch dunkler, als auf der
Obern.
Die Zubereitung iſt mit den Morcheln einer-
ley; die Güte mittelmäſſig; die Erſcheinungszeit
der Oktober und der Standort gemiſchte Laub—
wälder, die lange grünen, allwo er unter Ge—
büſchen aus der ſchwarzen Walderde hervor ſproßt.
rr
168
XXIX. Die gemeine Morchel. Mor-
chella esculenta, P.
S. Wachspräp. EE. und Abb. Tab. EE.
rr
Die gemeine Morchel heißt in Oeſterreich Mau⸗
rache, auch doppelte Maurache, ſonſt Morche,
Morgel, Morchelſchwamm, Erdmorchel, Wald—
morchel, Gartenmorchel, Spitzmorchel, Holländ.
Morilje, Dän. Morkler, Schwed. Murkla,
Engl. Morel, Franz. Morille, Ital. Spugnola,
Span. Murguras, Portug. Morilha, Ruſſ. Smort-
schok, Poln. Smar/e, Böhm. Smrz, Illyr.
Smortschok, Krain. Mauroche, Ungr. Kutsma-
gomba, Lett. Kehwupuppas, Eſthn. Lemna
nissed, u. ſ. w.
In meinem größeren Schwammwerke (T. I.
p. 67) habe ich die gegenwärtige Morchelart für
.
EEE SER ÜETROSELRNRTEN
169
eine beſondere Species erklärt und ihr den Nah⸗
men: Morchella continua beygelegt, weil Pers
ſoon in ſeiner Synopsis fungorum ausdrücklich
ſagt, daß die Morch. esculenta einen vollen
Strunk habe, da doch die mir bekannte abzu—
handelnde Morchel allezeit im Strunke ganz
hohl iſt. Allein, wenn ich dieſe Bedenklichkeit
recht ernſthaft in Betrachtung nehme: ſo ſcheint
es mir nun, daß entweder Perſoon ſich geirrt
haben müſſe, oder daß es irgendwo Morcheln
mit vollen Strünken geben möge; die aber im
Uebrigen von der gemeinen Morchel in gar nichts
verſchieden ſind. Denn die eben von Perſoon
angeführte Synonimie zeugt klar, daß er eben
denſelben Schwamm gemeint habe, welchen ich
a. a. O. vorgeſtellet und beſchrieben habe.
Wenn die Faltenſchwämme (Helvellen) eine
ſtarke Verwandtſchaft zu den Morcheln und Per
zizen berrathen: fo gibt uns hier die Betrach—
tung eine Analogie der Morcheln mit den Ader-
ſchwämmen (Merulius) zu enträthſeln. Man
dürfte ſich nur den Gipfel einer Morchel, der
ohnedem ziemlich Runzellos, ja zuweilen wohl
gar durchſtochen iſt, als erweitert, geebnet und
Rippenlos denken, ſo fehlet nicht mehr gar
Vieles, daß wir uns einen Merulius clavatus
vorgemahlt hätten, und die ſogenannten Meru-
lii resupinati, wie z. E. der Merulius destru⸗
170
ens, wenn gleich ihre Geſtalt ganz verſchieden
iſt, haben doch faſt eben ſolche Zellen, wie die
Morcheln. Aber vor allen übrigen muß Perſoons
Merulius Pezizoides (aus der Beſchreibung zu
urtheilen!) den Morchellen ſich nähern. Und was
ſind wohl dieſe Echabenheiten um die Zellen
herum anders, als ein Adergeflecht, obgleich
es ſich bey den Morchellen etwas regelmäſſig er
und häufiger als bey den Aderſchwämmen durch⸗
kreuzet? Ich führe dieſe und ähnliche Bemer⸗
kungen nicht ohne Ur ſache an. Meine Abſicht
hiebey gehet dahin, den Leſer auf die zahlloſen
Uebergänge in den Familien der Schwämme
aufmerkſam zu machen; und ihn hiemit zu ges
wiſſen Behauptungen vorzubereiten, die ich in
der Folge über die Natur der Schwämme vor⸗
zutragen gedenke, und die auſſerdem beym erſten
Aufſtoſſen paradox ſcheinen dürften. So aber
darf ich es wagen, vorläufig als eine Erfah⸗
rungs ſache den Satz aufzuſtellen: daß die be
reits angenohmenen Gattungen der
Schwämme nicht viel beſſer als die
Genera im Mineralreich find, und
daß Blätter, Löcher, Falten, Röhren,
Stacheln, Runzeln, Knöpfe u. d. gl.
keine ſo ſtandhaften Organe ſind, aus
welchen ſich ſolche Gattungscharak⸗
tere entlehnen ließen; es wäre aller
171
Dinge möglich, daß nach den bisher
angenohmenen Schwammgattungen,
eine und dieſelbe Art einmalals Ag a-
ricus, ein andermal als Merulius, ein
andermal als Dae dalea, oder als Sis-
totrema, erſcheinen dürfte; daß al ſo
ganz andere Merkmahle auszuwählen
ſeyen, wenn man unter den Schwäm⸗
men eben fo feſte und ſichere Gattun⸗
gen einzuführen wünſchet, als wir de
ren bereits in dem Gebiethe der Ph
nogamen auf zuweiſen haben.
Die gemeine Morchel hat einen unregelmäſſig⸗
Walzenförmigen weißen Strunk, der inwendig hohl
und oberhalb mit einem Hute gekrönt iſt, welcher der
Regel nach eben ſo lang als der Strunk iſt,
und der mit ſeinem Rande auf dem obern Ende
des Strunkes rings um ohne Zwiſchenraum feſt
ſitzt. Er iſt von Farbe graubraun, und theilt
- fih an feiner ganzen Oberfläche in nicht ganz
regelmäſſige ziemlich große Zellen, deren erhas
bene ſchmale Scheidewände ſich in ſchiefer Rich⸗
tung durchkreuzen.
Sie erſcheint bey uns zu Anfang des Mans
monaths in Laubwäldern oder auch in Obſtgär—
ten, wenn der Raſenboden einige Jahre vorher
mit Aſche Gerberlohe und Baumlaube gedüngt
worden, und wenn die Lage fo befchaffen iſt,
172 |
daß fie die Winterfeuchtigkeit lange Zeit aufbe⸗
halten kann. Man hat vor Zeiten, zu großen
Schaden der Wälder Stellen ausgebrannt, um
den Wachsthum dieſer Morcheln zu begünſtigen
(S. Gleditſch S. 60).
Es gibt viele Abartungen z. B. in der Höhe
von 1 bis 3 Zoll, in der Farbe vom Grau—
braunen ins Gelbbraune, in der Figur mit ei—
nem ſpitzigen oder ſtumpfen Hute, welcher auch
zuweilen länger oder kürzer als der Strunk iſt.
Man genießt ihn als Gemüſe man ſchmort
ihn in Butter, mit einem Zuſatz von Zucker
und Wein, man füllt ihn mit fricaſſirten Le—
ckerbischen. Auch pflegt man ihn erke für
den Winker aufzubehalten.
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173
PER e II EN DEI
XXX. Die Baſtardmorchel. Mor-
chella patula. P.
S. Wachspräp. FF, Abbild. Tab, FF.
„
ee
Auf den Märkten Wiens habe ich zwar noch
verſchiedene andere Arten von Morcheln ange—
troffen, als z. E. Morchella Gigas, hybrida,
crassipes u. d. gl. Allein, da ich dieſe niemahls
in ihrer Geburtsſtätte ſelbſt gefunden habe, und
mich daher von ihrer Stättigkeit nicht überzeu—
gen konnte, ſo wage ich es nicht, derſelben
hierorts als eigener einheimiſcher Arten Erwäh—
nung zu machen.
Die Baſtardmorchel habe ich öfters in den
Donauinſeln beobachtet. Sie iſt der vorigen ſehr
ähnlich, und unterſcheidet ſich von ihr vornälm—
lich durch den Hut, welcher nicht angewachſen iſt,
174
fondern rings um frey über den Strunk herab»
hängt. Seine Zellen find etwas größer und we-
niger regelmäſſig, als bey . e Mor⸗
chel. Uebrigens varirt dieſe Morchel eben ſo wie
die gemeine. |
Erſcheinungszeit und Gebrauch find mit der
vorigen einerley. Sie kömmt aber ſeltner zu
Markte, und iſt überhaupt nicht ſo häufig zu
finden. Auch pflegt ſie ihren Standort, wie alle
Pflanzen der überſchwemmten Gegenden, öfters
zu verwechſeln. Sie geht leicht in Fäulung über,
wenn ſie einmahl zu ſtäuben angefangen, und
alsdann iſt ihr Geſtank unerträglich. Man muß
die Morcheln pflüken, da ſie noch jung ſind:
denn die aus gewachſenen find meiſtens ſchon
weich, von Maden bewohnt und eben deßwegen
giftig.
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New York Botanical Garden Library
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