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i
THE LIBRARY
OF
THE UNIVERSITY
I OF CALIFORNIA
IN MEMORY OF
PROFESSOR
ROBERT J. KERNER
I 887-1956
I
868
4)
Einleitung.
rliegende Arbeit will in knappen Zügen die Entwicklung
und besprechen, welche sich in Österreich auf dem
der Staatsfinanzen, der Notenbank und des Bank- und
sens von Kriegsausbruch bis zu Beginn des Jalires 1918
hat. Lange Zeit fehlten durch die anbefohlene Geheim-
'ielfach die Unterlagen, auf denen sich eine solche Arbeit
bauen lassen. Es wurde Wert darauf gelegt, die Ent-
der Ereignisse systematisch darzustellen und sie bis in
ten Tage fortzuführen.
.usbruch des Weltkrieges erfaßte die Österreichisch-
le Monarchie in einem in politischer und wirtschaftlicher
sehr ungünstigen Zeitpunkte. Die Unruhe, welche der
eg schon durch die unmittelbare Nachbarschaft zu den
betroffenen Gebieten ausgelöst hatte, alterte noch nach,
hen Ecken des Reiches machten sich staatsgefährliche
gelte.nd, eine schwere innerpolitische Krise hatte mit
ietzenden Wirkungen die Arbeitsfähigkeit des Parlamentes
jt und auch auf wirtschaftlichem Boden wardie Depression
e 1912 und 1Q13 noch nicht überwunden. Schüchtern
ch zwar die ersten Anzeichen einer leichten ökonomischen
g, und der Druck des sechsprozentigen Bankzinsfußes,
ihre 1913 bis tief in die Herbstmonate in Geltung stand,
iner Erleichterung auf dem Geldmarkte Platz. Die großen
6 Einleitung
Rüstungen und Heereskredite, welche die fortwährenden Heraus-
forderungen Serbiens und seiner Drahtzieher bedingten, ließen
es als unabweisbar erscheinen, die Steuern, die bereits auf der
Monarchie lasteten, noch weiter zu vermehren. Mit diesen Tat-
sachen hatte man sich aber schon abgefunden, denn immer mehr
durchdrang alle Kreise die Überzeugung, daß in der Weise wie
bisher nic ht fQrtg ewirtschaftet werden könne, ohne die schwersten
Gefahren für den Staat und seine Bewohner herbeizuführen. Es
mußten Reformen auf dem Gebiete der inneren Verwaltung, eine
Neuorientierung der Handelspolitik vorgenommen und das Ver-
hältnis zur anderen Reichshälfte, Ungarn, für einen l ängere n Zeit-
raum sichergestellt werden. Die Monarchie war in politischer
und wirtschaftHcher Hinsicht auf ein falsches Geleise geraten und
der Staatswagen mußte in andere Bahnea gelenkt werden. Wie
dies geschehen sollte, war aber den meisten unklar, nur das
Gefühl war. gemeinsam, daß es anders werden müsse . Die Mon-
archie stand eben am Scheidewe g und die Bestimmung, die sie
sich in Friedenszeiten wohl selbst gegeben hätte, wurde ihr mit
dem Ausbruch des Weltkrießres durch die Hand des Schicksales
gewiesen.
Viele Sorgen und schwere Verluste wären aber der Monarchie
erspart geblieben, wenn man in den bangen Monaten, die dem
Ausbruche des Konfliktes unmittelbar vorausgingen, nicht allein
eine militärische Mobilmachung ins Auge gefaßt, sondern auch
auf wirtschaftlichem und finanziellem Gebiete die nötigste Vor-
sorge für einen Kriegsfall getroffen hätte. Das war aber nicht
der Fall. D ie maßge benden Persönlichkeiten, welche schon durch
ihre Stellu ng Einblick in ^ie Gef ahr^n .. der nächsten Zukunft
Ilaben sollten, scheinen bis zum letzten Momente der Ansicht
gewesen zu sein, daß es genüge, militärische. Vorbereitungen zu
treffen. Aus diesem Grunde unterließen sie es auch, einen wirt-
schaftlichen und finanziellen Mobilmachung splan auszuarbeiten.
Es war ein Glück, daß die wilde Spekulation an den Effekten-
märkten, die in den letzten Jahren vorgeherrscht hatte, allmählich
abgebaut worden war, daß die Hochkurse der Effekten auf ein
etwas gesünderes Niveau zurückgeführt worden waren und die
Einleitung .7
Banken und Kreditinstitute nicht mehr mit sp ungeheuren Engage-
ments ihrer Kundschaft in den Krieg eintreten mußten.
Als der Weltkri^ ausbrach, drohte im ersten Augenblicke eine
Krise hereinzubrechen, wie sie die Monarchie noch nicht durch-
gemacht hatte. Das Gespenst allgemeiner Arbeitslosigkeit, tief-
gehender Entwertung der, Effekten und Warenbestände, verbunden
mit allen Schrecken, die ein Krieg auslösen kann, schien durch
das Reich zu ziehen. Man vergaß votlkomtnen, daß die Millionen-
heere unausgesetzte Zufuhren an Nahrung, Kleidung, Munition
und verschiedenen Ausrüstungsgegenständen benötigten, man
kannte den Krieg nur als* ein zerstörendes, nicht als ein arbeits-
schaffendes Element. Solange der Konflikt auf Serbien beschränkt
zu bleiben schien, beurteilte man seine Folgen mit kühler
Sachlichkeit. Auch die Kriegserklärung Rußlands änderte an dieser
Auffassung nicht viel. Als sich aber Frankrdch_undLEngland
den Feinden der Monarchie zugesellten, ^Is man alle Fäden des /
Kredites zerrissen sah, da schien es einen Moment, als ob die /
irtschaftlHiernCräfte der Monarchie den furchtbaren Aufgaben,
die an sie herantraten, nicht gewachsen sein würden. Es war
aber nur ein Moment des Schreckens, der überwunden wurde.
Wenn der Krieg die Bewohner des Reiches eines gelehrt hat, so
ist es die Überzeugung, daß sie die wirtschafthche Stärke des
Reiches stets unteigchätzt hatten. Ungeheure Kräfte schlummern
in der Monarchie, die zum Teil erst während des Krieges ge-
weckt wurden und die Gewähr bieten, daß es möglich sein
wird, auch die bleibenden Lasten abzutragen. Niemand zweifelte,
daß die Monarchie ihren Gegnern militärisch gewachsen sein
würde. Auch in den schwersten Stunden, als der Russetieinbruch
in Oalizien immer weitere Fortschritte machte und erst an den
Karpathen zerschellte, als der Rückzug aus Serbien schmerzliche
Enttäuschung auslöste, bestand felsenfest der Glaube an die eigene
militärische Kraft. Dagegen machte sich auf finanziellem und
wirtschaftlichem Gebiete ein arger Kleinmut geltend, der erst
allmählich gebannt wurde.
Die Monarchie trat überdies mit einer schweren Passivpost in
den Krieg ein . Die Ernte des Jahres 1913 hatte nicht befriedigt
hvi
(di
8 Einleitung
und jene des Jahres 1914, die heranreifte, war eine ausgesprochen
schlechte . Die Eisen- und Kohlenindustrie, die während des Krieges
eine ungeahnte Konjunktur mitgemacht hat, schien vorerst mit
voller Wuch t getroffen zu sein. Der Beschäftigungsgrad der
Werke verminderte sich über Nacht. Erteilte Bestellungen wurden
zurückgezogen und die leitenden Männer dieser Industrie sahen
die Zukunft in den düstersten Farben. Ihren/ Arbeitern gaben
sie den Rat, sich um Beschäftigung in der La ndwir tschaft um-
zuschauen, denn in immer rasch eremJTempo müsse die Eio;;:^
schränkung der Betriebe vorgenommen werden. Grell hebt sich
dieser Zustand von dem tatsächUcheil Verlaufe der Ereignisse
ab. Während in den Jahren 1915 und 1916 die Eisen- und Kohlen-
industrie nur die eine Klage hatte, daß sie trotz angestrengter Tag-
und Nachtarbeit nic ht gen ug erzeugen könne, jagte nach Aus-
bruch des Krieges eine Betriebseinschränkung die andere. Die
größten Werke der Eisenindustrie löschten einen Teil ihrer Hoch-
öfen und die Roheisenproduktion sank auf 60 und weniger Prozent
der normalen Ausbeute. Die Betriebseinschränkungen erfolgten
aber nicht nur in der Eisen- und Kohlenindustrie, sondern auch
in den meisten anderen Zweigen industrieller Betätigung. Nach
fachmännischen Schätzungen betrugen zu Ende des Jahres 1914
die Einschränkungen der Produktion in der Zementindustrie 60,
in der Baumwollspinnerei 55, in der Brauerei 40, in der land-
wirtschaftlichen Maschinenindustrie 80, in der Glasindustrie 90, in
der Feinpapierindustrie 50 Prozent. Die Unternehmungen, welche
für den Export und den Luxus arbeiteten, wurden noch schwerer
betroffen. An allen Orten machte sich Arbeitslosigkeit geltend.
Die Banken schienen von der Krise am schwersten berührt,
denn die regen Beziehungen, welche sie zur Industrie hatten,
rückten die Gefahr des Verlustes eines großen Teiles ihrer Außen-
stände in die Nähe. Der Vormarscfh der russischen Armee und
die Besetzung der bedeutendsten Städte des Landes Galizien
schienen ungeheure Kapitalien für immer geraubt zu haben. Der
Verlust der galizischen Rohöl- und Petroleumgebiete, in denen
viele hunderte MilHonen Kapital investiert waren, stellte den Be-
. stand von Reservefonds bei den Banken in Frage. Die Äuße-
/
Einleitung Q
rungen, welche seitens führender Persönhchkeiten der Industrie
und der Kaufmannschaft abgegeben wurden, lauteten düster und
erbrachten den Beweis, daß auch an solchen Stellen nicht mehr
Voraussicht in die Gestaltung der Dinge bestand als in den
breiten Schichten der Bevölkerung. Allmählich kam aber die Ver-
waltungsmaschinerie wieder in Gang. Durch die Schließung der
Session des Parlamentes ging die unumschränkte Gewalt an die
Zivil- und Militärbehörden über, und was man in früheren Jahren
versäumt hatte, wollte man jetzt in kurzer Zeit nachho len. Eme
Reihe kaiserlicher Verordnung en wurde erlassen, welche auf
staatsfinanziellem, wirtschaftlichem und industriellem öebiete An-
ordnungen trafen, welche die Überleitung der Friedenswirtschaft
in die Kriegswirtschaft ermöglichen sollten. Da diese Verord-
nungen n icht i^ach einem festen P lane ausgearbeitet wurden,
sondern der N^jt der Stunde entsprangen, wiesen sie mannig-
fache Lücken auf und mußten durch Ergänzungen und Nach-
tragsverordnungen brauchbarer gemacht werden. Fast das ganze
Jahr 1914 stand noch im Zeichen einer Krise; Erst in den aller-
letzten Monaten des Jahres trat es deutlicher in Erscheinung,
daß der Krieg Beschäftigung und Arbeit in ungeahntem Aus-
maße schaffe. Zu Ende des ersten Kriegsjahres war das Ge-
spenst der Arbeitslosigkeit bereits gebannt, die fortwährenden
Einberufungen verminderten die Zahl der verfügbaren Arbeits-
kräfte, Notstandsbauten mußten eingestellt werden, weil einfach
keine Arbeiter, für sie aufzutreiben waren. Sprunghaft stiegen die
Löhne; die Industrien, welche direkt oder indirekt Bestellungen
der Heeresverwaltung erhielten, wurden immer zahlreicher und
die Lagerbestände waren nicht mehr eine Quelle der Verlegen-
heit, sondern reichen Gewinnes. Der Apparat der österreichisch-
ungarischen Bank arbeitete wieder glatt und reibungslos, den
Banken strömte das Geld zu und die Aufbringung der Mittel,
welche der Staat zur Finanzierung der Kriegskosten benötigte,
stieß auf keine Schwierigkeiten. Die österreichische Industrie be-
wies eine überraschende Anpassungsfähigkeit an die durch den
Krieg neugeschaffenen Verhältnisse. Die Bilanzen, welche die
Banken und die Industrieunternehmungen sowie die Transport-
10 Einleitung
gesellschaften für das Jahr 1914 veröffentlichten, trugen noch
die schweren Einkerbungen der Kriegsfurcht. Offene und interne
Reservierungen wurden vorgenommen, die Dividenden in manchen
Fällen einschneidend ermäßigt, aber der Beweis war erbracht,
daß das Wirtschaftsleben der Monarchie im Kerne gesund war.
Das Jahr 1915 fand die Monarchie schon in wesentlich normaleren
Verhältnissen vor. Die Kosten der Kriegführung wurden nicht
länger aus der Notenbank allein bestritten, sondern durch die
Kriegsanleihen auf die breiten Schultern der Allgemeinheit gelegt.
Für das Jahr 1915 galt schon das Wort: Der Krieg finanziert den
Krieg, und in erhöhtem Maße traf dies für das Jahr 1916 zu.
Bei einer Beurteilung der Rückwirkungen des Krieges auf die
Monarchie darf man die Tatsache nicht außer acht lassen, daß
sich das Reich aus zwei Staaten zusammensetzt, aus Österreich
und aus Ungarn. Während in Deutschland eine einheitliche Be-
völkerung besteht, während dort die Verwaltungs- und finanziellen
Maßnahmen wie aus einem Gusse vorgenommen werden konnten,
hatte die Monarchie schon durch ihre Zusammensetzung mit viel
größeren Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Interessen Österreichs
rill « ^ ^^ * — »«^ »—■-"'""" . v.^__ ..••—» - *
und Ungarns liefen 'zwar in der. äußeren PoHtik und auch in
militäriscTier Hinsicht zusammen, aber schon in der Frage,
wie das angestrebte Ziel zu verwirklichen sei, ergaben sich oft
große Divergenzen. Die sofortige Aufhebung der OetrgidezöUe
nach Kriegsausbruch scheiterte an dem ungarischen Widerstände,
denn die ungarische Regierung bestand darauf, daß der ungarische
Landwirt vorerst Gelegenheit haben solle, seine Produkte zu den
höchsten Preisen abzusetzen, bevor sie den ausländischen Zu-
fuHreh"^dte Tore eröffnete. Als es endlich geschah, war es zu
gpät. Da starrte die ganze Welt in Waffen, jeder Staat wachte
eifersüchtig, daß seine Güter nur gegen schwerwiegende Kom-
pensationen ausgetauscht wurden und die Blockade von selten der
Ententemächte hatte bereits eine gewaltige Verschärfung erfahren.
Eine schlechte Ernte, wie sie das Jahr 1914 gebracht hatte, schwere
Depression in der Industrie und in den Handelskreisen und
drohende Arbeitslosigkeit stellten (bei Kriegsausbruch) an die Be-
völkerung und an ihren Opfersinn die höchsten Anforderungen.
Einleitung
Wenn man alt dies zusammenfaßt, so kann
die Monarchie ungeachtet sch werer Fehle r.
mangelnden Vorbereitu ng auf staatsfinanzie
lichem Gebiete ergeben haben und unleugba
während der Kri^szeit begangen wurden,
hat. Ihre finanzielle Kraftentfaltung bleibt sie
ihres großen Verbündeten zurück, der auf
und gesicherterem Boden seine MobUmachunf
In den Jahren 1915 und 1916 hatte die In
über Rohstoffe und Halbfabrikate verfügte, r
heiten und überdies waren ihre Produktionskc
Anstieg begriffeh, verzeichneten aber noch n
die sie im Jahre 1917 einschlugen. Die Steig
Gehalte ermöglichte ungeachtet der Teuerun
den breiten Schichten der Bevölkerung ein
Durchhalten. Im Jahre 1917 und namentlich
übten die Knappheit aller Lebensmittel unc
Güter, die durch den Warenmangel und vei
Maßnahmen verschärft wurden, einen immer
Die Transportschwierigkeiten und der Kohle
die Betriebsfühning für Industrie und Gew
welche der Bevölkerung auf allen Oebietei
mußten, wurden fortlaufend größer. Die vo
krieges hatte die Monarchie im Jahre 1917 u
im Jahre 1918 zu tragen.
Das Moratorium.
Zu den ersten Maßnahmen, welche die Staatsverwaltung nach
Ausbruch des Krieges traf, gehörte die Anordnung einer all-
gemeinen Stundung privatrechtlicher Oeldforderungen. Durch eine
kaiserliche Verordnung vom 31. Juli 1914 wurde das erste Mora-
torium eingeführt, dem dann rasch eine Reihe von Nachtrags-
verordnungen folgten, die wohl zu den umstrittensten Punkten
der wirtschaftlichen Gesetzgebung während des Krieges gehören.
Die überstürzte Verlautbarung des ersten Moratoriums ist ein
deutlicher Beweis, welch schwerer Fehler es gewesen ist, daß
auf wirtschaftlichem und staatsfinanziellem Gebiete keinerlei vor-
bereitende Maßnahmen für den Eintritt des Kriegszustandes ge-
troffen waren. Als der Krieg ausbrach, waren bei der öster-
reichisch-ungarischen Bank weder Noten im erforderlichen Aus-
maße vorgedruckt noch: das nötige Kleingeld vorhanden und
erst allmählich entschloß man sich zur Ausgabe von Banknoten
zu zwei und einer Krone, um dem bestehenden Kleingeldmangel,
der zu einer argen finanziellen Kalamität geworden war, bei-
zukommen. In den Ressortministerien, die berufsmäßig die Füh-
lung mit Finanz, Industrie und Handel unterhalten, wurde die
politische Situation bis zum letzten Momente zuversichtlich be-
urteilt und einzelnen Persönlichkeiten, die sich auf Grund von
Berichten, die sie von ihren Geschäftsfreunden aus dem Auslande
erhalten hatten, erkundigten, ob denn die Lage tatsächlich eine
so kritische sei, wie sie ihnen geschildert wurde, sind die be-
ruhigendsten Informationen gegeben worden. Als dann eine
Kriegserklärung die andere jagte, nahmen die Banken plötzlich
den Reescompte in sehr erheblichem Maße in Anspruch und die
österreichisch-ungarische Bank war vorübergehend nicht in der
Das Moratorium 13
Lage, ihnen den Gegenwert für eingereichte Wechsel und für
die zur Lombardierung gebrachten Effekten in Banknoten a,us-
zufolgen. Zu gleicher Zeit setzten umfangreiche Thesaurierungs-
bestrebungen des ängstlich gewordenen Publikums 6in, das nicht
nur Metallgeld, sondern auch Banknoten verbürg und bei den
Kreditinstituten umfangreiche Abhebungen seiner Guthaben vor-
nehmen wollte.
1. Moratoriumsverordnung.
Die erste Stundungsverordnung war ein überstürztes Werk und
sie wies alle Fehler einer solchen Arbeit auf, so daß das Mora-
torium, anstatt beruhigend zu wirken, tiefgehende Beunruhigung
auslöste. Die wichtigsten Bestimmungen der ersten Stundungs-
verordnung, die am 31. Juli 1914 erlassen worden war, besagten, daß
die vor dem I.August 1914 entstandenen und bis zum 14. August
fällig gewordenen oder fällig werdenden privatrechtlichen Geld-
forderungen um 14 Tage, mindestens aber bis zum 14. August, ge-
stundet sind. Für die in der Zeit vom I.August bis zum 14. August
fällig werdenden Wechsel und Schecks wurden die Zahlungszeit
und die Frist für die Präsentation und für die Protesterhebung um
14 Tage hinausgeschoben. Von der Stundung ausgenommen waren
die Rückforderungen von Beträgen bis zu 200 Kronen gegen Ein-
lagebuch oder in laufender Rechnung bei Kredit-Instituten, ferner
Forderungen aus Dienst-, Lohn- und Mietverträgen, Rentenforde-
rungen, iAnsprüche auf Leistung des Unterhaltes sowie Ansprüche
auf Zahlung von Zinsen und Kapitalsrückzahlungen aus Staats-
schulden und staatsgarantierten Verpflichtungen. Die Verordnung
rief schon aus dem Grunde eine heillose Verwirrung hervor,
weil sie, zum üblichen Mietzinster'mine erlassen, den Mietern
einerseits die Verpflichtung auferlegte, den Mietzins zu zahlen,
ihnen andererseits aber die Möglichkeit nahm, sich die hierzu
erforderlichen Geldmittel durch Abhebung bei den Banken zu
verschaffen. Die große Masse der Bevölkerung verstand gar nicht,
warum das Moratorium überhaupt erlassen worden war. Die
Beunruhigung nahm solche Formen an, daß der Wiener Bürger-
14 Das Moratorium
meister in den Straßen einen Aufruf plakatieren ließ, der mit
den Worten begann: „Mitbürger! Keine Angst vor dem Mora-
torium !" . . . Die rechtliche Wirkung des Moratoriums war die,
daß während der 14 Tage seiner Geltung der Schuldner weder
geklagt noch, selbstverständlich, gegen ihn Exekution geführt
werden konnte. Die Kaufmannschaft erwartete im allgemeinen,
daß das Moratorium bei seinem Ablaufe nicht mehr erneuert
würde und daß es lediglich den Zweck hätte, eine momen-
tane Panik zu verhindern und die Gefahren zu bannen, die aus
dem plötzlichen Eintritt der friedlichen Wirtschaft !in die schweren
und unabsehbaren Folgen des Kriegszustandes entstehen müssen.
In der Zeit vom 1. bis 14. August 1914 zeigte es sich aber, daß
der Kleingeldmangel nicht so leicht zu bannen sei, und daß die
abenteuerlichsten Hilfsmitteln, wie die Benutzung von Briefmarken,
Stempelmarken, das Zerschneiden von Banknoten und die Ver-
wendung von Kupons der Renten und Pfandbriefe späterer Fällig-
keit auftauchten, um dem Mangel an kleinen Banknoten und an
Hartgeld beizukommen.
Die Erlassung eines Moratoriums in Ungarn versetzte über-
dies große Schichten der österreichischen Kaufmannschaft in eine
schwierige Lage. Sie hatten umfangreiche Forderungen aus Waren-
abschlüssen an die ungarische Kundschaft zu stellen, die infolge
des ungarischen Moratoriums zunächst uneinbringlich wurden.
Die galizische Kundschaft, die auch in normalen Zeiten, sich mit
der Begleichung der Fakturen Zeit läßt, benützte vielfach den
Ausbruch des Krieges, um auch in Gebieten, die von den mili-
tärischen Ereignissen gar nicht in, Mitleidenschaft gezogen worden
waren, ihre Zahlungsunfähigkeit zu erklären. Man stand bei Ab-
lauf des ersten Moratoriums vor der großen Frage, ob man es
durch Erlassung einer zweiten Verordnung verlängern oder
den Weg wählen solle, der in Deutschland schon von Beginn an
in der „richterlichen Stundung" eingeschlagen worden war. In
Österreich griff man, wie später ausgeführt werden soll, zu dem
Mittel der richterlichen Stundung erst, als man mit dem Abbau
der Moratorien begann. Das erste Moratorium hatte zwar den
panikartigen Ansturm auf die Oeldindustrie unmöglich gemacht.
Das Moratorium
denn wenn auch die Wiener Banken in den meisten F
die durch das Moratorium gezogene Grenze hinaus,
lagebüchern 400 Kronen und von Kontokorrentguthabe
heben heßen, sowie jene Beträge zurückzahlten, welche
biger nachweislich zur Begleichung von Mietszinsen, U
Gehältern brauchten, so war doch der tatsäcMiche
verkehr unterbunden. Für die Kaufmannschaft war
fristige Moratorium eine besondere Quelle der Unsiche
die Eingänge mit einem Schlage stockten, dagegen d
bestand, daß am Ende des Moratoriums sofort alle fäll
lungen geleistet werden müßten. Auf diese Ungewißl
wohl init zurückzuführen, daß sich in Österreich, de
welches im kaufmännischen Verkehre mit Barzahlunger
selten arbeitete, ein voller Umschwung in den Konditiont
Die Kartelle und Konventionen führten den Barzahlungs:
aber auch im privaten Verkehre verkauften die Oeschäl
ihre Kunden nur gegen bar, wenngleich die Rücksichtsh
weiche in Deutschland die Regierung veranlaßten, gegen
griffe der Konventionen einzuschreiten, in Österreich ni
obachta« gewesen sind.
Das 2. Moratorium.
In den 14 Tagen der Oeltung"des Moratoriums hatten
gebenden Vertreter von Handel, Industrie und Qewei
Veranlassung genommen, der Regierung ihre Wünsche
mittein. Da an eine glatte Aufhebung des Moratoi
Rücksicht auf die in Ungarn erlassene Stundungsvi
und im Hinblicke auf die Erfolge des russischen I
üaiizien nunmehr nicht zu denken war, bestand ein eit
Wunsch der ganzen Kaufmannschaft: daß die noi
Ausnahmeverfügungen für eine so lange Zeitperiode
würden, daß sie die sichere Rechtsbasis für die i
liehe Tätigkeit bilden könnten. Der Kaufmann findei
fahrungsgemäß schnell in ganz neue Verhältnisse, abe
ihm ermögUcht werden, sie klar zu erkennen, damit er :
15 Dss Moratorium
Schlüsse fassen könne. Das zweite Moratorium, welches mit kaiser-
licher Verordnung vom 13. August 1914 erlassen wurde, erweiterte
die ursprüngliche 14tägige Stundungsfrist zu einer 61 tagigen, die
mindestens bis zum 30. September währte. Der Kreis der nicht-
gestundeten Forderungen wurde bereits wesentlich ausgedehnt,
entsprechend dem in den späteren Verordnungen immer mehr
zur Geltung gebrachten Gedanken, durch einen allmähligen Abbau
der Stundungsbestimmungen das wirtschaftliche Leben und den
Verkehr wieder in normale Verhältnisse zurückzuleiten. So wurden
nunmehr .die Ansprüche auf Verzinsung und Rückzahlung mündel-
sicherer Schuldverschreibungen ganz allgemein von der Stundung
ausgenommen. Auch wurde bestimmt, daß der Schuldner Zinsen
und Annuitäten von Forderungen, die auf vermieteten oder ver-
pachteten Grundstücken ,bücherlich sichergestellt sind, zu bezahlen
hat, insoweit die eingegangenen Miet- und Pachtzinse nach Abzug
der Steuern und öffentlichen Abgaben hierzu ausreichen. Die
Banken wurden zu der Praxis, welche sie in den letzten Tagen
der Geltung des I.Moratoriums fast allgemein eingeführt hatten,
nämlich von Guthaben in laufender Rechnung jedenfalls 3 o/o,
mindestens aber einen Betrag von 400 Kronen monatlich aus-
zuzahlen, verpflichtet. Abhebungen, welche der Forderungsberech-
tigte machen muß, weil sie zur Bestreitung von Gehalten, Löhnen,
Miet- und Pachtzinsen erforderlich sind, wurden ohne Beschrän-
kung, Abhebungen zur Aufrechterhaltung des Betriebes des Gläu-
bigers in erweitertem Umfange zugelassen. Für Abhebungen aus
Einlagebüchern wurde eine Unterscheidung je nach der Leistungs-
fähigkeit der einzelnen Kreditstellen eingeführt. Die Banken und
Sparkassen sollten 200 Kronen, Vorschuß vereine 100 Kronen und
Raiffeisenkassen 50 Kronen im Monat^urückzahlen müssen. Um
den Pfandbriefanstalten, Emissionsbanken und Sparkassen die
nötigen Mittel zur Erfüllung der ihnen auferlegten VerplFlich-
tungen zu sichern, wurde angeordnet, daß Ansprüche auf Zahlung
von Zinsen und Annuitäten auf Grund von Forderungen, die zur
vorzugsweisen Deckung von Pfandbriefen und mündelsicheren
Bankschuldverschreibungen dienen, sowie bücherlich sichergestellte
Forderungen der Sparkassen nicht gestundet sind. Entsprechend
Das Moratorium- 17
der von der Stundung nicht berührten Pflicht zur Entrichtung der
Steuern und öffentlichen Abgaben wurde ausgesprochen, daß die
Steuerträger das Recht haben zu verlangen, daß von ihren Ein-
lagen, die bei Banken oder Sparkassen vor dem I.August 1914 er-
folgten und am 16. August noch den Betrag von 2000 Kronen
überstiegen, 20 o/o durch Überweisung oder durch Übermittlung
an die mit der Einhebung betraute Kassa flüssig zu machen sind.'
3. Moratorium.
Die 3. Moratoriumfiverordnung vom 27. September 1914 nahm
an, daß sich die wirtschaftlichen Verhältnisse bereits so weit
geklärt und gekräftigt hätten, daß schon ein allmähliges Flüssig-
machen der bisher gebundenen Forderungen eintreten könnte.
Die wichtigste Änderung gegenüber der 2. Moratoriumsverordnung
lag darin, daß nicht mehr die ganze Forderung als gestundet zu
erachten war, sondern ein Viertel der Forderung, mindestens
aber ein Betrag von 100 Kronen samt den Zinsen der ganzen
Forderung als fällig erklärt wurde. Die restlichen 75 o/o sollten
zunächst noch als gestundet gelten. Um den Schuldnern die
Möglichkeit zu bieten, die nötigen Vorbereitungen für die Zahlung
zu treffen, wurde als Termin der ersten Fälligkeiten der 15. Oktober
festgesetzt, so daß sich eine 14tägige Karenzzeit ergab. Die
Pflicht der Banken, Sparkassen und sonstigen Kreditstellen zur
Leistung von Rückzahlungen wurde entsprechend den reich-
licheren Zuflüssen erweitert, die ihnen durch die teilweise Auf-
hebung der Stundung zugeführt wurden. Das Minimum der zu-
lässigen Rückzahlungsforderung aus Guthaben in laufender Rech-
nung wurde auf monatlich So/©, bisher 3 o/o, erhöht. Die zur Auf-
rech terhaltung des Betriebes des Gläubigers unumgänglich er-
forderlichen Gelder konnten in jedem Kalendermonat bis zur
Höhe von lOo/o des Guthabens abgehoben werden. Die Banken
wurden auch verpflichtet, alle jene Beträge ihren Gläubigern zur
Verfügung zu stellen, \velche die letzteren für Zahlungen, die nicht
mehr unter das Moratorium fielen, benötigten. Die Teilzahlungen,
die auf Wechsel und Schecks infolge der Einschränkung der
Muller, Die finanzielle Mobilmachung Österreichs. 2
Ig ' Das Moratorium
Stundung auf V4 <les geschuldelien Betrages zu leisten waren,
wurden näher geregelt und die Vorschriften über die Kündigung
von Forderungen ergänzt. Das Ergebnis der 3. Moratoriums-
verordnung war also, daß ein Viertel der Fälligkeiten am 15. Ok-
tober beglichen, der Restbetrag von drei Viertel um 61 Tage,
mindestens aber bis 30. November 1914 gestundet wurde. Zum
ersten Male tauchte in einer Moratoriumsverordnung die „richter-
liche" Stundung auf. Voraussetzung derselben war, daß die wirt-
schaftlichen Verhältnisse des Schuldners sie rechtfertigten und
der Gläubiger dadurch keinen unverhältnismäßigen Nachteil er-
litt. Gegen die Bestimmungen des 3. Moratoriums machte sich aber
bald ein lebhafter Widerstand der Kaufmannschaft bemerkbar.
Die einzelnen Wirtschaftsgruppen hatten durch die Entwicklung,
welche Handel und Verkehr nahmen, ganz verschiedene Inter-
essen. Schon zeigte es sich, daß der Krieg einer Reihe von
Industrien und Kaufleuten reichen Gewinn brachte. Ihnen fehlte
es, da die Heeresverwaltung die Begleichung der Rechnungen rasch
durchführte, nicht mehr an Barmitteln. Das Geld strömte dann
bei den Banken zusammen und die Kreditinstitute, welche zuerst
die Erlassung des Moratoriums lebhaft begrüßt hatten, denn sie
fürchteten einen panikartigen Ansturm der Gläubiger, waren all-
mählich dazu übergegangen, immer größere Abhebungen von den
Guthaben zu gestatten. Sie mußten den Gläubigem für ihr Geld
hohe Zinsen zahlen und hatten außerdem wenig Verwendungs-
möglichkeiten für die überschüssigen Barmittel. Allerdings hatte
das Moratoriumsgesetz schon angekündigt, daß eine Kriegsanleihe
bevorstehe, denn es besagte, daß von den Banken, Sparkassen
und sonstigen Kreditanstalten jene Beträge ohne Beschränkung
zurückverlangt werden können, welche zur Leistung von Ein-
zahlungen auf eine staatliche Anleihe erforderlich wären.
4. Moratorium.
Die vierte, am 25. November 1914 veröffentlichte Stundungs-
verordnung setzte die Liquidierung des Moratoriums in vorsich-
tiger Weise fort Sie verfolgte den Gedanken, der durch die
Uas Moratorium
Einführung der richterlichen Stundung bereits im 3. Morai
ausgesprochen war: das allgemeine Moratorium in eine S
und Individualstundung überzuführen. Es wurde verfügl
im Dezember 1914 250/0 der Forderungen, die späteste
Laufe des August, und im Jänner 1915 wieder 25 0/0 der J
rungen, die im September und Oktober fällig waren, zl
gleichung kommen. Der Rest dieser Forderungen und sän
im Dezember und Jänner fällig werdenden Forderungen w
bis einschließlich 31. Jänner 1915 gestundet. Damit war eir
tiger Schrift in der Richtung des Abbaues des Moratoriuli
schehen. Denn immer deuthcher zeigte es sich, daß auch
Kreise von dem Moratorium in übertriebener Weise Gel
machten, die es nach ihrer Stellung im kaufmännischen Lebt
nach ihren Kräften keineswegs hätten tun dürfen. Der V(
österreichisdier Eisen\yarenhändler hat diese Mißbräuche, di
in den Erklärungen der Brünner Handelskammer und a
wirtschaftlicher Korporationen gebrandmarkt wurden, in
stehender Weise charakterisiert: Es sind der Leitung des
bandes einzelne bemerkenswerte Fälle des Mißbrauches des
toriums bekannt geworden, so, daß eine Firma, die in not
Zeiten Anspruch auf kaufmännisches Ansehen erhebt, eine !
Von 18,29 Kronen nicht voll bezahlte, sondern sich genau ;
Moratorium hielt und 1 Krone 83 Heller abzahlte. '
Der Kreis der von der Stundung gänzhch ausgenomi
Forderungen erfuhr in der 4. Moratoriumsverordnung dadurc
Erweiterung, daß nunmehr die Zinsen und Annuitäten säm
bücherlich sichergestellten Forderungen zahlbar gemacht w
Die Leistungen der Versicherungsanstalten wurden erhöhl
gleichen jene der Kreditinstitute bei der Behebung von Eir
Aus Kontokorrentguthaben konnte nunmehr zur Aufrechterh
des Betriebes des Gläubigers eine Quote von nionathch 20«
Guthabens vom I.August 1914 verlangt werden. Exporteure
Personen, die vorwiegend auf Einkünfte aus dem Fremdenvi
angewiesen sind, wurde die richterliche Stundung auch für 1
rungen zugebilligt, die sonst vom Moratorium ausgeno
waren. Wie man sieht, waren es ziemlich komplizierte 'i
20 I^^s Moratorium
nungen, die den Abbau des Moratoriums regelten, zumal auch
eine Reihe von Detailbestimmungen und Lhirchführungsverörd-
nungen seitens der Interessenten zu beachten waren.
5. Moratorium.
Die 5. Stundungsverordnung wurde am 25. Jänner 1915 verlaut-
bart und schlug ein etwas rascheres Tempo bei den Rückzahlungs-
verpflichtungen als ihre Vorgängerinnen ein. Sie regelte den Ver-
kehr in den nächsten 4 Monaten und bestimmte, daß im Februar
und April je ein weiteres Viertel der im August 1914 oder früher
fällig gewordenen Forderungen und im März und Mai je ein
Viertel der im September und Oktober 1914 fällig gewordenen
Forderungen zur Begleichung kommen sollten. Die Verordnung
verfügte außerdem für den Monat April die Zahlung des 2. Viertels
der November-Fälligkeiten, so daß mit Ende 1915 die Fälligkeiten
bis einschließlich Oktober ganz, die November-Fälligkeiten bis
zur Hälfte zu tilgen waren. Der Rest der Forderungen, die im
Novembei fällig wurden, und die Fälligkeiten aus dem Dezember
und Jänner, wurden vorläufig bis Ende Mai 1915 weiter gestundet.
Für Forderungen, die zwar vor dem I.August 1914 entstanden
waren, jedoch erst nach dem 31. Jänner .1915 fällig wurden, wurde
eine weitere gesetzliche Stundung nicht mehr vorgesehen. Die Zu-
lässigkeit der richterlichen Stundung wurde beibehalten. Um dem
Schuldner den Weg zum Richter zu erleichtern, wurde nunmehr
auch bestimmt, daß der Schuldner die Kosten der auf seinen
Antrag eingeleiteten Verhandlung dem Gläubiger nicht zu er-
setzen verpflichtet ist, wenn dieser ein offenbar begründetes außer-
gerichtHches Begehren des Schuldners um Stundung abgelehnt
hatte. Mit Ende Mai 1915 war zufolge der Bestimmungen der
5. Stundungsverordnung der Abbau der Moratorien soweit vor-
geschritten, daß mit der kaiserlichen Verordnung vom 25. Mai nur
mehr für die noch nicht berichtigten Hälften der Fälligkeiten des
November 1914 und für die im Dezember 1914 und' im Jänner 1915
fällig gewordenen Forderungen vorzusorgen war.
Das Moratorium
6. Moratorium.
Die 6. Stundungsverordnung sah den gänzlichen Abbau des J)
toriums in drei Monaten vor. Das wirtschaftliche Leben hattt
während der Laufzeit der 5. und ö.Stundungsverordnung schon d
den Verhältnissen des Krieges angepaßt, daß in einer Reiht
Fällen die Abzahlungen tatsächlich größer waren, als die Stundi
Verordnungen sie vorgeschrieben hatten. Die richterliche Stun
wurde aber auch in der 6. Moratoriumsverordnung beibeh;
und eine kaiserliche Verordnung vom 22, Dezember 191!
mächtigtc den Richter, für privatrechtliche vor dem 31. August
entstandene Geldforderungen unter gewissen Umständen Stun
bis längstens 31. Dezember 1916 ganz oder teilweise zu gewä
Der unmittelbare Einfluß des richterlichen Moratoriums au
gestundete Forderung bestand darin, daß in dem die Zahli
pflicht enthaltenden Richterspruch dem Schuldner innerhall:
gesetzlichen Grenzen eine seinen wirtschaftlichen Bedürfnisser
sprechende Leistungsfrist festgesetzt wurde. Was die materiell i
liehen Wirkungen betrifft, so waren diese grundsätzhch dies
wie bei der gesetzlichen Stundung. Dies galt also insbesonde
Ansehung der für die Stundungsfrist zu bezahlenden Zinsen. Dii
hältnismäßig geringe Inanspruchnahme der richterlichen Stun
ist wohl auch durch die Bestimmung der Sfundungsverord
zu erklären, daß der Gläubiger die Kosten der Verhanc
tragen muß, falls er das vom Schuldner gestellte und begrüi
Begehren um Stundung abgelehnt hat Der Gläubiger zo
in zweifelhaften Fällen vor, dem Schuldner außergerichi
Stundung zu gewähren, denn sonst hef er Gefahr, daß die ric
liehe Stundung ausgesprochen und er überdies noch Ger!
kosten zahlen mußte.
Die Bestimmungen der 6. Moratoriumsverordnungen hatte:
alle Kronländer der österreichischen Reichshälfte Geltung,
für Galizien und die Bukowina waren spezielle Stundungsve
nungen erlassen worden, welche teils berechtigferweise der
wohnern dieser Länder ein spezielles Entgegenkommen bewi
teils aber unter dem Drucke der politischen Parteien die S1
22 I^^s Moratorium
Verwaltung veranlaßten, weitgehende Zugeständnisse zu machen.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß manche Gebiete Oaliziens
durch den Krieg gar nicht in Mitleidenschaft gezogen worden
sind. Im Gegenteil, die Anwesenheit zahlreicher Truppen gab
der galizischen Kaufmannschaft überreiche Verdienstmöglichkeiten.
Dessenungeachtet zögerten aber einzelne ihrer Mitglieder, termin-
gemäß ihre VerpfHchtungen zu erfüllen. Wiederholt haben die
Vertreter der innerösterreichischen Industrie und des Handels
bei Besprechungen, die im Justizministerium und mit anderen
Regierungsstellen stattfanden, darauf verwiesen, daß die Sonder-
stellung, die der galizischen Kaufmannschaft in speziellen Stun-
dungsverordnungen eingeräumt wurde, in den tatsächlichen Ver-
hältnissen nicht voll begründet war. Bis zur Stunde ist auch in
Galizien nur ein Teil . der Forderungen beglichen worden, die
aus früherer Zeit herrühren. Viel wirksamer als alle gesetzlichen
Bestimmungen zeigte sich dort schließlich das Machtargument.
Der galizische Kaufmann, der durch die Anwesenheit öster-
reichisch-ungarischer und deutscher Truppen manchmal reiche Ge-
legenheit fand, Waren abzusetzen, erhielt sie von seinen früheren
Lieferanten nur dann, wenn er nicht bloß die neue Ware bar be-
zahlte, sondern auch die alten Verpflichtungen beglich. Der Aus-
bruch des Krieges mit Italien veranlaßte die Regierung, spezielle
Moratoriumsbestimmungen für die im Süden gelegenen Gegenden
zu erlassen, die nunmehr zum Kriegsgebiet geworden waren.
Die O esc häftsauf sieht
Die Oeschäftsaufsichi
Es ist ausgeführt worden, daß die 3. S\
welche am 27. September 1914 erlassen wurd
in der Richtung des Abbaues des Moratorii
befürchtete damals vielfach, daß eine Reihe v
in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnten
Befriedigung ihrer Gläubiger erforderlichen (
treiben würden und entschloß sich daher, nac
eine Geschäftsaufsicht einzuführen, die den Abi
vorbereiten und schwächere kaufmännische
Krise bewahren sollte. Um die Eröffnung
solchen Unternehmungen zu vermeiden, wii
wirtschaftlicher Kreise das Begehren gestellt,
Schriften erlassen werden mögen, durch die \
die Verhängung des Konkurses nach Tunlicl
die Fortführung des Geschäftes unter gleichzi
Interessen der Gläubiger und des Schuldne
würde. Die kaiserliche Verordnung vom 17. St
die Geschäftsauf sieht ein und bestimmte, daf
keit des Schuldners unter die Aufsicht einer f
Gericht ernannten Person zu stellen sei.
Die Gerichte waren in so kritischen Zeiten i
die Partei der Schwachen zu ergreifen und d
nicht berechtigten Druck einzelner Gläubige
durch geschah es, daß auch solche Schuldn
aufsieht gestellt und damit vor Exekutionen u
Eröffnung bewahrt wurden, welche schon vor d
unfähig waren und bei denen die Behebung i
keit auch nach Beendigung des Krieges nicl
Gegen diese Praxis der Gerichte machte siel
Kreisen eine starke Mißstimmung geltend.
Von vielen Seiten wurde daher an die Reg
suchen herangetreten, die Geschäftsaufsicht üb
24 Die Geschäftsaufsicht
zumal die Bestimmungen der am I.Jänner 1915 in Kraft getretenen
neuen Konkurs- und Ausgleichsordnung die Folgen der Zahlungs-
unfähigkeit gegenüber dem früher geltenden Konkursrechte wesent-
lich milderten und es dem Schuldner erleichterten, einen Ausgleich
mit seinen Gläubigern ohne Vernichtung seiner wirtschaftlichen
Existenz zu treffen. Eine kaiserliche Verordnung . vom 17. De-
zember 1915 hat die erste Verordnung über die Oeschäftsauf sieht
in manchen Punkten abgeändert, ohne jedoch die Aufhebung der
Institution selbst ins Auge zu fassen. Die neue Fassung besagt
deutlich, daß die Geschäftsaufsicht nur jenen Schuldnern* zugute
kommen solle, von denen es sich mit Sicherheit erwarten lasse, sie
würden sich nach Wiederkehr friedlicher Verhältnisse wirtschaft-
lich erholen. Dem Schuldner wurde ferner die VerpfHchtung auf-
erlegt, in jeder Lage des Verfahrens über Anordnung des Gerichtes
den Offenbarungseid zu leisten.
Nach einer vom Justizministerium veröffentHchten Tabelle
wurden in der Zeit vom 17. September 1914 bis 31. August 1917
2552 Geschäftsaufsichten angeordnet. Im gleichen Zeiträume
gelangten 1885 Geschäftsaufsichten zur Einstellung, wobei in
457 Fällen das gerichtliche Ausgleichsverfahren eingeleitet und in
110 Fällen der Konkurs eröffnet wurde. Wie man sieht, ist die
Zahl der Fälle, in der von der Geschäftsaufsicht Gebrauch gemacht
wurde, keine bedenklich hohe und die Institution hat gewiß das
Gute gehabt, daß sie die ruhige Abwicklung geschäftlicher Ver-
pflichtungen ermöglichte und den unnötigen Konkurs verhütet
hat. Überdies darf der Umstand nicht übersehen werden, daß die
Wertsteigerung der Warenbestände es einer Reihe von Käuf-
leuten, die sich in schwieriger Lage befanden, ermöglichte,
durch einen langsamen Verkauf ihrer Güter Preise zu erzielen,
die nicht nur die alten Verpflichtungen deckten, welche den An-
stoß zur Verhängüng der Geschäftsauf sieht geboten hatten, son-
dern ihnen auch ein recht bedeutendes, neues Betriebskapital
übrig Heßen.
Die Österreichisch-Ungarische Bank 25
Die Österreichisch -Ungarische Bank,
Der Ausbruch des Krieges brachte die Österreichisch-Ungarische
Bank in eine schwierige Lage, die zum Teil6 darauf zurückzuführen
war, daß das Noteninstitut der Monarchie von der poUtischen Krise
überrascht wurde. Die Bank hatte nicht einmal Vorsorge getroffen,
um dem ersten Riesenansturm nach Noten, der bei Ausbruch eines
Krieges unvermeidlich ist, auch nur in technischer Hinsicht ent-
sprechen zu können. Es dauerte längere Zeit, bis unter Zuhilfe-
nahme fremder Druckereien, die Tag und Nacht arbeiteten, das
erforderliche Banknotenmaterial vorhanden war, welches auf Grund
der rasch geänderten gesetzlichen Bestimmungen ausgegeben
werden konnte.
Es läßt sich deutlich an der Hand der Bankausweise für die
drei letzten Wpchen vor Kriegsausbruch ersehen, wie wenig man
in der Monarchie überhaupt an schwere politische Komplikationen
dachte. Noch weniger glaubte , man, daß der Krieg von den
Gegnern mit so wütendem Hasse, wie es tatsächlich der Fall
war, auf das wirtschaftliche und finanzielle Gebiet hinübergeleitet
werden könnte. Die nachstehende Aufstellung gibt ein Bild der
Ziffern des Metallschatzes der Bank, der Höhe ihres Wechsel-
portefeuilles und des Notenumlaufes zu Beginn des Jahres 1914
sowie in den letzten drei Wochen des Juli und ermöglicht manche
interessanten Rückschlüsse.
Stand der Österreichisch-Ungarischen Bank
1914
. Gold
Silber Eskompte
A^iilionen Kronen
Lombard
Notenumlauf
7.1.
1241,5
263,5' 826,5
288,8
2332
7. VII.
1250,9
289,1 829,7
199,4
2257,3
15. VII.
1247,2
289,6 773
190,4
2172,4
23. VIL
1237,9
291,3 767,8
186,4
2129,8
Aus diesen Ziffern ist zu entnehmen, daß die Bank in den
drei letzten Juliwochen weder im Lombarde, noch im Eskompte
26 I^ic Österreichisch-Ungarische Bank
durch Neueinreichungen in Anspruch genommen wurde. Im
Gegenteile, die Rückzahlungen sind größer gewesen als die An-
forderungen, welche neu gestellt würden. Während das Wechsel-
portefeuille in der ersten Juliwoche 829,7 Millionen Kronen be-
trug, hatte es sich nach dem Ausweise von Mitte Juli bereits auf
773 und nach dem letzten Ausweise vom 23. Juli auf 767,8 Millionen
Kronen ermäßigt. Auch der Abbau des Lombardes machte im
gleichen Zeiträume Fortschritte. Seine Höhe sank von 199,4 auf
190,4, resp. 186,4 Millionen Kronen herab. Die verminderte In-
anspruchnahme des Noteninstitutes kommt auch in dem Umstände
zum Ausdruck, daß der steuerpflichtige Banknotenumlauf, der noch
in der ersten Juliwoche in der Höhe von 57,3 Millionen Kronen
ausgewiesen worden war, in der zweiten Juliwoche schon einer
steuerfreien Notenreserve von 24,4 Millionen Kronen weichen
mußte, die sich in der dritten Juliwoche auf 59,5 Millionen Kronen
erhöhte. Aus diesen Ziffern ergibt sich, daß auch die Banken, die
nach Ausbruch des Konfliktes nach Kräften trachteten, sich flüssige
•Mittel zu schaffen und aus ihrem Wechselportefeuille Posten zur
Reeskomptierung bei der Notenbank einreichen und Lombard-
darlehen in Anspruch nehmen wollten, vor dem 23. Juli gar nicht
daran gedacht hatten, Abwehrmaßnahmen gegen eine finanzielle
Krise zu treffen. Das Ausland scheint politisch viel besser in-
formiert gewesen zu sein, und das läßt sich auch aus den Aus-
weisen der Österreichisch-Ungarischen Bank herauslesen. Das
Noteninstitut verzeichnet. seinen Besitz an ausländischen Devisen
unter der Post „Andere Aktiva". Schon im Juni begann das
Ausland mit der Rückziehung seiner Outhaben aus Österreich-
Ungarn, und die Bankern, bei denen solche Kündigungen fremder
Kredite erfolgten, mußten sich Devisen bei der Österreichisch-
Ungarischen Bank verschaffen, um die nötigen Auszahlungen vor-
nehmen zu können. Während am 7. Juni 1914 die Post „Andere
Aktiven" im Ausweise der Bank noch mit 215,3 Millionen Kronen
angegeben wurde, hatte sie sich am 15. Juni schon auf 179 Mil-
lionen, am 23. Juni auf 167,6 Millionen und nach dem Ausweise
vom 30. Juni bereits auf 161,7 Millionen Kronen ermäßigt. Die Ab-
hebungen fremder Guthaben erfolgten im Juli in viel rascherem
Die Österreichisch-Ungarische Bank
Tempo. Der Stand vom 7. Juli gibt die Post „Andere ,
nocli mit 136,2 Millionen an, am 15. Juli war sie berei
und am 23. Juli schon auf 115,2 Millionen Kronen ges
Wenngleich die Kreditanspannung bei der Österreid
fischen Bank zu Kriegsausbruch noch eine bedeutenc
ist, so war es doch ein nicht hoch genug einzuschät'
teil, daß sich seit dem Vorjahre eine bedeutende Rüc
den Ansprüchen vollzogen hatte, die bei dem Notenir
Befriedigung suchten. Der Krieg hätte die Bank im
sicherlich in einer noch wesentlich ungünstigeren Sit
gefunden, als es im Jahre 1914 der Fall war. Damals
wohl im Wechselportefeuille als im Lombarde eine ge
Spannung. Die stärkste Ziffer brachte der Ultimo Ok
zu den: ein Wechselportefeuille von 1031 Millionen, ei
von 248 Millionen Kronen und ein steuerpflichtiger ^
von 428,9 Millionen Kronen ausgewiesen wurden.
reichisch-Ungarische Bank kam im Jahre 1913 als fast
Geldquelle in Betracht. Seither hatte die Anspannung
Institutes eine erhebliche Verminderung erfahren, ab
Verhältnisse waren noch nicht wiedergekehrt. Na
ausbruch versuchte die Österreichisch-Ungarische Ba
allen Seiten an sie herantretenden Ansprüche zu befri
glaubte zunächst mit der Erhöhung ihrer Bankrate v
fünf Prozent, die am 27. Juni 1914 erfolgte, das Auslai
zu können. Die Bank eskomptierte die bei ihr ei
Wechsel, sie gab Lombarddarlehen und stellte auch I
Verfügung. Als es sich aber nach wenigen Tagen zei^
Konflikt mit Serbien keine vereinzelte Erscheinung s
änderte die Bank ihre Politik. Erst jetzt, als alle erkanr
große Gefahren die nächste Zukunft beinhalte, setzte
Inanspruchnahme der Österreichisch-Ungarischen Banl
Kreditinstitute ein. Zur Charakterisierung dieser Ta
angeführt werden, daß, wie die Bahkleitung in ihre
an die Generalversammlung im Dezember 1917 mitte
letzten zwei Bankwochen, in der letzten des Mona!
in der ersten Augüstwoche 1914 im Leihgeschäfte 262
28 Die Österreichisch-Ungarische Bank
gegenüber 954 Millionen am 23. Juli 1914 ausgewiesen waren.
Gegen Ende Juli wurde die Bankieitung doch ängstlich. Sie sah
von allen Seiten Ansprüche an sich herantreten, die Banken ver-
langten nicht nur die Eskomptierung bedeutender Posten ihrer
Wechselportefeuilles und wollten den Lombard in höherem Maße
in Anspruch nehmen. Sie wünschten auch Gold und Devisen, die
sie in das Ausland schicken wollten, teils um ihre Filialen besser
zu dotieren, teils um ihre Verpflichtungen zu begleichen. Die öster-
reichischen und die ungarischen Banken wollten nach Kriegs-
ausbruch Goldsendungen nach Frankreich und England machen,
denn an ein aktives Eingreifen Englands und Frankreichs glaubte
man trotz der Zuspitzung des Konfliktes mit Rußland und der
Kriegserklärung Serbiens noch immer nicht. Im letzten Momente
gelang es, zum Teil auf telegraphischem Wege, solche Qold-
sendungen aufzuhalten, bevor sie noch die Grenze überschritten
hatten. Am 31. Juli beschloß die Bank eine neuerliche Zinsfuß-
erhöhung von fünf auf sechs Prozent. Arn gleichen Tage vollzog
sie eine Wendung bei der Abgabe von Valuten und Devisen. Bis
dahin hatte die Notenbank, um den Bedürfnissen des Verkehres
zu entsprechen, bedeutende Mengen von Devisen und Valuten
aller Art abgegeben, jetzt aber erklärte sie, daß sie vorläufig
keine neuen Valuten und Devisen zur Verfügung stellen könne.
Immerhin hatte bereits die Entnahme von ausländischen Zahlungs-
mitteln in der zweiten Julihälfte 1914 die bedeutende Höhe von
86,9 Millionen Kronen erreicht. Mit der Zurückhaltung der Bank
wuchs aber die allgemeine Beängstigung. Schon das äußere Bild
im Gebäude der Österreichisch-Ungarischen Bank zeigte, welch
ungewöhnlicher Situation man sich gegenüber befand. Auf den
Gängen und Stiegen reihten sich die Parteien, welche Effekten
zu belehnen wünschten, und viele Hunderte standen vor den
Toren. Angesichts der großen Einreichungen im Lombard ge-
währte die Österreichisch-Ungarische Bank in den letzten Juli-
tagen und den ersten zwei Augusttagen neue Darlehen gegen
Bargeld nur bis zum Beträge von 10000 Kronen. Am 2. und
am S.August machte sich bei der Bank der Mangel an Noten
schon stark fühlbar, und am 3. August entschloß sich die Bank,
Die Österreichisch-Ungarische Bank 29
Lombarddarlehen gegen Bargeld nur mehr in der Höhe von
1000 Kronen zu gewähren. Diese Maßnahme hat zweifellos tiefste
Beunruhigung in allen Kreisen hervorgerufen. Das Publikum
war schon dadurch geängstigt, daß es von seinen Einlagen bei
den Banken und Sparkassen maximal nur 400 Kronen und vom
Kontokorrentguthaben nur drei Prozent abhebet! konnte. Als es
hörte, daß auch die Österreichisch-Ungarische Bank große Effekten-
posten, die einen Wert von vielen tausenden Kronen hatten, nur
mehr bloß mit 1000 Kronen belehne, glaubten sich Leute, die
noch vor wenigen Tagen über ein bedeutendes Bankguthaben und
einen unbelasteten Effektenbesitz verfügt hatten, dem blanken
Ruine gegenüber. Wovon sollen wir leben, fragten sie sich, wenn
wir unser bares Geld nicht abheben und unsere Effekten nicht
belehnen können.
Glücklicherweise ging dieser Zustand bald vorüber, aber lange
dauerte es, bis der Schrecken, den er •ausgelöst hatte, über*
wunden war.
In diesen kritischen Tagen bestand nicht nur ein Mangel an
Banknoten sondern auch an Kleingeld. Wie immer in Zeiten
schwerer poHtischer oder wirtschaftlicher Krisen, machten sich
weitgehende Thesaurierungsbestrebungen geltend. Die Bevölke-
rung versteckte nicht nur bares Geld, Gold und Scheidemünzen,
sondern auch Banknoten, denn sie befürchtete, daß der gegen-
wärtige Zustand, der es selbst wohlhabenden Leuten unmöglich
machte, über ihre Guthaben bei den Banken zu verfügen, länger
anhalten könnte. Die Bargeldnot ist nicht allein durch das
Thesaurierungsbestreben herbeigeführt worden, auch die Bedürf-
nisse der Armee hatten große Mengen an Silber und Scheide-
münze gebunden, so daß der Verkehr mit den vorhandenen Zehm
kronennoten, den silbernen Fünfkronenstücken, den Einkronen-
stücken und den 20-, 10-, 2- und 1 -Hellerstücken nicht das Aus-
langen finden konnte.
Die Bank entschloß sich angesichts der vorherrschenden Klein-
geldnot die in ihren Beständen enthaltenen, Einguldenstücke zum
Teile wieder zur Ausgabe zu bringen, eine Maßnahme, die aber
nicht genügte, den Kleingeldmangel zu beseitigen. Es zeigte sich,
30 Die Österreichisch-Ungarische Bank
daß ein dringender Bedarf nach Papiergeld in kleineren Ab-
schnitten als es die Zehnkronennote war^ bestand, und in kauf-
männischen und finanziellen Kreisen trat der Wunsch nach Aus-
gabe von Zweikronen-Banknoten immer mehr hervor. Zu einer
solchen Maßnahme war aber die Zustimmung der österreichischen
und der ungarischen Regierung nötig. Der Artikel 82 der Bank-
statuten besagt, daß die Bank Noten, welche auf einen niedrigeren
Betrag als 50 Kronen lauten, nur in Abschnitten zu 20 Kronen und
zu 10 Kronen ausgeben darf und auch diese Abschnitte nur bis
zu dem von dem österreichischen und vom ungarischen Finanz-
ministerium einverständlich bestimmten Höchstbetrage. Es ver-
gingen wieder mehrere Tage, bis sich die Bank diesem Wunsche
angeschlossen hatte, und als die Zustimmung der beiden Re-
gierimgen eingeholt war, konnte endlich mit dem Druck der neuen
Banknoten zu 2 und 1 Kronen begonnen werden, die seither zu
einem .höchst notwendigen Umlaufsmittel des Geldverkehrs ge-
worden sind.- Die Regierung bemühte sicli itn Wege des Haupt-
münzamtes die vermehrte Ausprägung von Silber- und Bronze-
münzen durchzuführen. Es dauerte aber tief in den August hinein,
bis der ärgste Mangel an kleinen Noten und an kleinen Zahlungs-
mittdn überhaupt beseitigt war. Während des ganzen Jahres 1915
hat die Staatsverwaltung in Österreich und in Ungarn an der
Vermehrung^ der kleinen Zahlungsmittel durch gesteigerte Neu-
ausprägungen von 5-Kronenstücken, Einkronenstücken, Zwanzig-
Heller-, Zehn-Heller-, Zwei^Heller- und Ein-Hellermünzen arbeiten
müssen.
Kehren wir nun zur PoHtik der Bank in den ersten August-
tagen zurück. Der Erhöhung ihres Zinsfußes von fünf auf
sechs Prozent ließ das Noteninstitut schon zwei Tage später, am
2. August, eine neuerliche Zinsfußerhöhung auf acht Prozent folgen.
Die Bankleitung stand völlig unter dem Eindruck der Nachricht,
daß die Bank von England ihren Zinsfuß auf 10 o/o hinaufgesetzt
habe und glaubte, daß Österreich-Ungarn nicht bei einem Zinsfuße
von- 6 o/o stehen bleiben könne, wenn die Bank von England eine
zehnprozentige Diskontrate für angemessen hielt. Diese Auf-
fassung*, war aber ein arger Mißgriff. Die Bank von England
f
w
Die Österreichisch-Ungarische Bank 31
besaß nach Kriegsausbruch alle ihre internationalen Beziehungen
und mußte auf sie Rücksicht nehmen, während die österreichisch-
ungarische Bank gar keine Veranlassung hatte, der Volkswirt-
schaft der Monarchie die Last einer .achtprozentigen Bankrate auf-
zubürden. Eine Zinsfußerhöhung soll doch nur dann erfolgen,
wenn ^ie den Schutz der Währung bezweckt oder eine über-
mäßige Kreditanspannung hindern will. Tatsächlich hatte der
internationale Verkehr für die Österreichisch-Ungarische Bank auf-
gehört, die Barzahlungen sämtlicher Notenbanken waren suspen-
diert, und was für die Österreichisch-Ungarische Bank noch mehr
ins Gewicht fiel, sie hatte schon seit Tagen ihre Devisenabgaben
eingestellt. Nirgends war eine Überspannung des Kredites zu
beobachten, und jedermann fragte sich, warum die Österreichisch-
Ungarische Bank eine achtprozentige Diskontrate für notwendig
hielt. Die Banken hatten schon am nächsten Tage nach Fest-
setzung der offiziellen achtprozentigen Rate den Beschluß gefaßt,
ihrer Kundschaft für bedeckte Kredite achteinhalb, für unbedeckte
Kredite achtdreiviertel Prozent in Anrechnung zu bringen. Dieser
Zinsfuß galt aber nur für die: Kundschaft der Wiener Banken und
in der Provinz wurden noch viel höhere Debetsätze belastet.
Unter dem Einflüsse der an ihrer ZinsfußpoHtik geübten Kritik
entschloß sich die Bank am 20. August, eine Zinsfußermäßigung
auf sechs Prozent vorzunehmen. Dieser Zinsfuß bheb bis Ende
Oktober 1914 in Geltung. Dann wurde er, als die Vorbereitungen
für die erste Kriegsanleihe in Gang kamen, auf fünfeinhalb Prozent
ermäßigt. Zur leichteren Durchführung der zweiten Kriegsanleihe
wurde am 10. April 1915 die Bankrate auf fünf Prozent l^erab-
gesetzt, und dieser Satz steht heute noch in Geltung.
Die Suspendierung der Bankakte.
Die Österreichisch-Ungarische Bank konnte am 20. August 1914
die Zinsfußermäßigung auf sechs Prozent schon aus dem Grunde
in voller Beruhigung vornehmen, weil eine kaiserliche Verordnung
am 4. August eine für sie höchst bedeutsame Maßnahme ge-
troffen hatte: die Suspendierung der Banfcakte. /
32 Die Österreichisch-Ungarische Bank
Die Suspendierung der Bankakte ermöglichte €S den beiden
Staatsverwaltungen im Einvernehmen mit der Leitung der Öster-
reichisch-Ungarischen Bank alle jene noch näher anzuführenden
statutarischen' Bestimmungen außer Kraft zu setzen, welche der
Anpassung der Geschäftsführung des Noteninstitutes an die Be-
dürfnisse der Kriegswirtschaft entgegenstanden. Sie bot auch die
Handhabe, solche Ausnahmsverfügungen zu treffen, welche die
Verpflichtung der Bank, ihre wöchentlichen Ausweise zu ver-
öffentlichen, Generalversammlungen abzuhalten und die Bilanz
des Gewinn- und Verlustkontos zu publizieren, aufhoben. Die
wichtigste Folge der Suspendierung der Bankakte am 4. August des
Jahres 1914 war die, daß der^Artikel 84 des Bankstatutes, welcher
die Deckungsverhältnisse der ausgegebenen Noten regelt, außer
Kraft gesetzt wurde. Dieser Artikel besagt folgendes: „Der
Generalrat der Österreichisch-Ungarischen Bank hat für ein solches
Verhältnis des Metallschatzes zum Banknotenumlauf Sorge zu
tragen, welches geeignet ist, die vollständige Erfüllung der im
Artikel 83 ausgesprochenen Verpflichtung (Einlösung der Noten
in Metall) zu sichern. Es muß jedoch jedenfalls der Gesamt-
betrag der umlaufenden Banknoten mindestens zu zwei Fünftel
durch gesetzliches Metallgeld österreichischer oder ungarischer
Provenienz nach seinem Nennwerte oder durch inländische
Handelsgoldmünzen oder ausländische Goldmünzen oder Gold
in Barren . . . der Rest des Notenumlaufes zuzüglich aller sofort
fälligen Verbindlichkeiten bankmäßig gedeckt sein."
Erst im Jahre 1887 hatte die Bank eine moderne Notenrüstung
erha^^qn, indem das bei der Deutschen Reichsbank bestehende
System der indirekten Kontingentierung eingeführt wurde. Seit
jener Zeit hat der Banknotenumlauf mindestens zu zwei Fünftel
durch den Barvorrat, der Rest des Notenumlaufes zuzüglich aller
sofort zur Rückzahlung fälligen Verbindüchkeiten bankmäßig ge-
deckt zu sein. Nach denS neuen Statuten konnte die Österreichisch-
ungarische Bank ihren Besitz an Devisen und ausländischen in
Gold oder in mit Gold gleichwertiger effektiver Metallwährung
zahlbare Noten bis zum Höchstbetrage von 60 Millionen Kronen
in den Barvorrat einrechnen. Wenn dann der Betrag der um-
Die Österreichisch-Ungarische Bank 33
laufenden Banknoten den Barvorrat um mehr als 600 Millionen
Kronen übersteigen sollte, so hat die Bank von dem Über-
schusse eine Steuer von jährlich fünf Prozent an die beiden Staats-
verwaltungen\in demselben Verhältnisse zu entrichten, in welchem
die Qewinnstteilung ausgezahlt wird. Diese Steuer betrug in den
letzten Jahren vor Kriegsausbruch demnach für die Jahre 1911,
1912 und \913: 2,3, 6,3, resp. 11 Millionen Kronen. Bei der Suspen-
dierung der Bankakte wurde die Österreichisch-Ungarische Bank
auch .von der Entrichtung der im i Artikel 84 der Bankstatuten fest-
gesetzten Sprozentigen Notensteuer insoweit befreit, als der jeweilig
steuerpflichtige Umlauf durch die aushaftenden Beträge der den
beiden Staatsverwaltungen gewährten Darlehen verursacht wird.
Durch die Suspension des Artikels 84 der Bankstatuten konnte
die Bank sich freier rühren, denn sie konnte einen größeren
Notenbetrag als bisher ausgeben, sofern sie diesen Umlauf durch
Wechsel, Devisen oder Effekten gedeckt hatte. Die Darlehen an
die Staatsverwaltung bildeten nunmehr einen Bestandteil der bank-
mäßigen Bedeckung des Notenumlaufes. Die Hauptveranlassung
zur Aufhebung der Bankakte gab aber das geltende Verbot
des Abschlusses von Darlehensgeschäften der Österreichisch-
Ungarischen Bank mit dem Staate. Solange diese gesetzliche
Bestimmung der Statuten in Kraft stand, konnte weder die öster-
reichische noch die ungarische Finanzverwaltung die dringend
benötigten Vorschüsse seitens des Noteninstitutes erhalten.
Nach dem Ausweise vom 23. Juli hatte die Bank die Möglichkeit
gehabt, 1,8 Milliarden in Noten mit vorgeschriebener metallischer
Zweifünftel-Deckung auszugeben. In der letzten Juliwoche hatte
die Bank über eine Milliarde Noten emittiert und damit ihre Reserve
bis auf einige hundert Millionen Kronen erschöpft. Mari stand
nun vor der Frage, ob es möglich sei, eine derartige Vermehrung
des Goldschatzes bei der Bank durchzuführen, daß er bei Auf-
rechterhaltung der geltenden Deckungsvorschriften die Ausgabe
von Noten in einer solchen Menge gestattete, wie sie den
Bedürfnissen des Staates und der Volkswirtschaft . entsprochen
hätte. Die Frage mußte auch aus dem Grunde verneint werden,
weil im Gegensatze zu Deutschland keine Goldmünzen im Ver-
Müller, Die finanzielle Mobilmachung Österreichs. 3
34 Die Österreichisch-Ungarische Bank
kehre zirkulierten, welche eine nennenswerte Vermehrung des
Goldschatzes der Bank in absehbarer Zeit erwarten ließen. Der
Verkehr hatte in Österreich und in Ungarn Goldmünzen stets ab-
gelehnt und sie waren immer wieder zur Bank zurückgeflossen.
Auf welche Weise eine kleine Vermehrung des Metallschatzes der
Bank immerhin durchgeführt wurde, soll später gezeigt werden.
In rascher Folge jagte auf dem Gebiete der Bankpolitik eine
Verordnung die andere. Die Bankleitung beschließt die Aus-
dehnung des Lombardgeschäftes. Während bisher zur Lombar-
dierung nur Schatzscheine und Salinenscheine mit 90 Prozent des
Kurswertes, Bankpfandbriefe mit 85 Prozent, Renten und öffent-
liche Anleihen, sowie einzelne wenige Transportwerte mit 75 Pro-
zent zugelassen waren, werden in Zukunft eine ganze Reihe von
Effekten, die bisher ausgeschlossen waren, lombardfähig. Die
meisten Industrie-, Versicherungs- sowie Transportwerte können
nach einem neuen Regulativ mit 50 bis 60 Prozent ihres Kurswertes
belehnt werden. Im Oktober 1914 beschließt die Österreichisch-
Ungarische Bank, auch langfristige Warenwechsel zu belehnen.
Durch die Suspendierung der Bankakte wurde auch für das
Noteninstitut die Verpflichtung beseitigt, mit allen zu Gebote
stehenden Mitteln dafür zu sorgen, daß der im Kurse der aus-
ländischen Wechsel zum Ausdruck gelangende Wert der Noten
der Österreichisch-Ungarischen Bank entsprechend der Parität des
gesetzlichen Münzfußes der Kronenwährung gesichert bleibe. Die
Bank sollte nach dem aufgehobenen Statute ihres Privilegiums
verlustig gehen, wenn sie dieser Verpflichtung nicht nachkäme.
Von ihr konnte sie nur im gesetzlichen Wege, in beiden Staaten
der Monarchie gleichzeitig, befreit werden. Diese Bestimmung
der Statuten ist wohl der Hauptgrund gewesen, welcher die Bank
in den ersten Tagen nach Kriegsausbruch veranlaßte, dem Ver-
kehre ausländische Zahlungsmittel in reichem Maße zur Ver-
fügung zu stellen. Erst als die Bank die Zusicherung bekam, daß
der Krieg als eine durch höhere Gewalt hervorgerufene Ver-
hinderung der Verpflichtung zur Aufrechterhaltung der Parität
angesehen würde, hat sie ihre Devisenabgaben eingeschränkt,
beziehungsweise eingestellt.
Die Österreichisch-Ungarische Bank 35
Durch die Suspendierung der Bankakte wurde das Noteninstitut
von der Verpflichtung der Veröffentlichung der wöchentlichen
Ausweise befreit. Die Abhaltung der Generalversammlungen
wurde gleichfalls inhibiert. Erst im Dezember 1917 hat die erste
Generalversammlung der Österreichisch-Ungarischen Bank seit
dem Kriege stattgefunden, in welcher offizielle Mitteilungen über
ihren Stand und die mit den beiden Staatsverwaltungen ab-
geschlossenen Geschäfte gemacht wurden.* Diese lange beob-
achtete falsche Politik hat die Österreichisch-Ungarische Bank
ganz unnötigerweise in ein gewisses mystisches Dunkel gehüllt
und Veranlassung zu unrichtigen Einschätzungen ihrer wirtschaft-
lichen und staatsfinanziellen Inanspruchnahme gegeben. Es wäre
ziweifellos richtiger gewesen, wenn man sich vom Beginne an nicht
gescheut hätte, die Veröffentlichung der Bankausweise fortzusetzen,
die starken Goldausgänge, die erfolgt waren, einzugestehen.
Klarheit über das Verhältnis zwischen der Notenbank und der
Staatsverwaltung kam für die große Öffentlichkeit erst in den
Monaten November und Dezember des Jahres 1917. Bis dahin
war es einzig und allein an der Hand der periodisch und mit
starken Verspätungen erscheinenden Berichte der Staatsschulden-
kontrollkommission, die überdies nur auszugsweise veröffentlicht
werden durften, möglich gewesen, die steigende Inanspruchnahme
der Notenbank zu erfassen. Nach dem Zusammentritt des
Parlamentes machten sich aber im Abgeordneten- und im
Herrenhause immer energischer^ Bestrebungen geltend, welche
forderten, daß volles Licht in das Verhältnis zur Notenbank ge-
bracht und der Schleief des Geheimnisses gelüftet würde. Die;
parlamentarische Behandlung der auf Grund des § 14 erlassenen
kaiserlichen Verordnungen, die Berichte der Staatsschuldenkontroll-
kommission, die nunmehr zur Gänze im Abgeordneten- und im
Herrenhause zur Besprechung gelangten, sowie schließlich die
Mitteilungen, die in der anläßlich der Privilegiumsverlängerung
einberufenen außerordentlichen Generalversammlung der Öster-
reichisch-Ungarischen Bank im Monate Dezember gemacht wurden,
geben das Material, aus dem sich ein Bild über die Tätigkeit der
Notenbank im Kriege entwerfen läßt. Der für den Februar 1918
36 I^ic Österreichisch-Ungarische Bank
anberaumten ordentlichen Generalversammlung werden auch die
Rechnungsabschlüsse für die Jahre 1914, 1915, 1916 und 1917
vorgelegt werden. Man sieht, daß die Österreichisch-Ungarische
Bank mit schweren Bedenken die Zustimmung gab, ihren
Notenkredit den beiden Staatsverwaltungen in unbegrenztem
Maßstäbe zur Verfügung zu stellen. Angesichts der enorrnen
Verantwortung, welche der Generalrat, wie er erklärte, durch
eine ablehnende Haltung auf sich genommen hätte, indem er
an der Untergrabung des Geldwesens, denn das bedeutete die
Ausgabe von Staatspapiergeld, mitschuldig geworden wäre, hat
sich die Bank entschlossen, die von den Finanzverwaltungen ge-
wünschten grundsätzlichen Zusagen zu geben. Sie verlangte aller-
dings, daß nur dann auf die Bankmittel gegriffen werden solle,
wenn ein anderer Weg absolut nicht gangbar wäre. Die un-
geheuren Anforderungen, welche der Krieg an die Staatsfinanzen
stellte, die auch durch die Begebung von bisher sieben Kriegs-
anleihen nicht allein befriedigt werden konnten, brachten es
aber mit sich, daß die Bank von der Staatsverwaltung in zunehmen-
dem Ausmaße herangezogen wurde. Auch die Weigerung der
Finanzverwaltung, den Weg der Ausgabe kurzfristiger Schatz-
scheine einzuschlagen, war mit verantwortlich, daß der Noten-
umlauf und Verschuldung an die Bank immer mehr anstieg.
Die erste Inanspruchnahme der Bank geschah nicht unmittelbar,
sondern durch die Begebung von zweijährigen Schatzscheinen im
Betrage von 950 Millionen Kronen, wovon auf Österreich 600 Mil-
lionen Kronen und auf Ungarn 350 Millionen Kronen entfielen,
an ein Bankenkonsortium, welches die erforderlichen Barmittel
durch Lombard bei der Notenbank beschaffte. Über diese Trans-
aktion wird im Kapitel über die Kriegskosten noch eingehender
gesprochen werden. Die erste unmittelbare Kreditgewährung der
Bank erfolgte auf Grund des Übereinkommens vom 14. August 1914
gegen Hinterlegung von Schatzscheinen mit insgesamt 2000 Mil-
lionen Kronen. Am T.Oktober 1914 nahmen die beiden Staats-
verwaltungen ein weiteres Darlehen von neuerhch 2000 Millionen
Kronen gegen Solawechsel auf, wovon wieder quotenmäßig
1272 Millionen Kronen auf Österreich und 728 Millionen Kronen
Die Österreichisch-Ungarische Bank 37
auf Ungarn entfielen. Am 12. April 1915. wurde ein weiterer Vor^
schuß von 800 Millionen Kronen gleichfalls gegen Solawechsel
den beiden Finanzverwaltungen zur Verfügung gestellt. Mit der
Emission der ersten Kriegsanleihe im November 1914 und der
zweiten im Mai 1915 konnten die beiden Staaten der Monarchie
nur bis Mitte des Jahres 1915 das Auslangen finden. Von diesem
Zeitpunkte an, in welchem man sich darüber klar wurde, daß die
Kriegsdauer eine wesentlich längere als man ursprünglich an-
genommen hatte, sein würde, traten die beiden Regierungen nun
in rascher Folge mit Vorschußforderungen an die Notenbank heran.
Im Juli 1915, im September 1915, im Februar, Mai, September
und November 1916, im Mai, August, September und No-
vember 1917 wurden neue Darlehen bei der Notenbank von jedes-
mal 1500 Millionen Kronen gegen Schuldverschreibungen von
der österreichischen und der ungarischen Staatsverwaltung auf-
genommen, deren definitive Ordnung spätestens sechs Monate
nach erfolgtem Friedensschlüsse zu erfolgen hat. Der auf Grund
dieser Übereinkommeil tatsächlich in Anspruch genommene
Gesamtbetrag bezifferte sich am 31. Dezember 1917 auf
13,6 Milliarden Kronen, wovon auf Österreich 9,5 Milliarden, auf
Ungarn 4,1 Milliarden Kronen entfallen. Außerdem hat die Öster-
reichisch-Ungarische Bank in der Bilanz vom 31. Dezember 1917
jene Darlehen, welche sie gegen Schatzscheine und Solawechsel
an die beiden Staatsverwaltungen gewährt hat, unter dem Titel:
Eskomptierte Wechsel, Warrants und Effekten, ferner als Dar-
lehen gegen Handpfand ausgewiesen. Sonst wäre auch die
Höhe dieser Posten mit 2,82 resp. 3,43 Milliarden Kronen nicht
verständlich. Ende Dezember 1917 war demnach die öster-
reichische Staatsverwaltung der Notenbank rund 13 Milliarden, die
ungarische Staatsverwaltung rund 6 Milliarden schuldig. Die Ver-
zinsung der* Schulden der beiden Staaten der Monarchie, welche,
solange dieselben den Betrag von 6,3 Milliarden Kronen nicht
überschritten Hatten, mit ein Prozent festgesetzt war, wurde, als
diese Grenze erreicht war, für den übersteigenden Betrag mit
einem halben Prozent bestimmt. Bei der parlamentarischen Ver-
handlung der kaiserlichen Verordnung, welche die Suspendierung
38 Die Österreichisch-Ungarische Bank
der Bankakte verfügt hatte, erfuhr man noch zwei interessante
Details, die im Gegensatze zu den übrigen Ausnahmen von den
statutenmäßigen Bestimmungen auch gut informierten Kreisen
bisher nicht bekannt gewesen waren. Die Staatsverwaltung hatte
den Aktionären der Österreichisch-Ungarischen Bank zugestanden,
daß, für den Fall als das Privilegium nicht erneuert werden sollte,
und die Staatsverwaltung von ihrem Rechte, das Bankgeschäft
abzulösen, Gebrauch mache, die Aktien und Reserveweirte den
Aktionären in Gold oder Goldeswert zu vergüten sind. Außer-
dem hat die Bank verlangt, daß im Hinblicke auf die fortlaufende
Steigerung der Umlaufsmittel, welche das normale Leihgeschäft
stark beeinträchtigen, die Staatsverwaltung sich verpflichte, den
Aktionären eine Mindestdividende von 105 Kronen in der Weise
zu garantieren, daß, wenn aus dem gesamten Geschäftsergebnisse
eine solche Dividende nicht resultiert, der Zinssatz der Staats-
darlehen eine entsprechende Erhöhung, aber nicht über 4 Prozent,
erfahren solle. Bei der Bemessung der garantierten Dividende
ging der Generalrat von der Annahme aus, daß die Dividende
nicht unter das niederste Ausmaß, welches in der letzten Privi-
legiumsepoche zu verzeichnen war, fallen dürfe.
Die Hauptziffem der Erträgnisse der Kriegsjahre wurden zwar
alljährlich bekanntgegeben, doch waren dieselben schon im Hin-
bücke auf die der Bank auferlegte Pflicht der Geheimhaltung
ihres Standes nur sehr dürftig. Erst eine Vorlage, welche die
Regierungen im November 1917 über die Kriegssteuer der Öster-
reichisch-Ungarischen Bank in den Parlamenten einbrachten, Heß
zum ersten Male die Ergebnisse der finanziellen Gebarung der
Notenbank während des Krieges genau erkennen. Aus dieser Vor-
lage war zu ersehen, daß die Österreichisch-Ungarische Bank im
Jahre 1914 ein Reinerträgnis von 57,9 Millionen, für das Jahr 1915
ein solches von 108,2 und für" das Jahr 1916 ein Erträgnis von
136,9 Millionen Kronen aufzuweisen hatte. Die Abschlagsdividenden,
welche für diesen Zeitraum zur Ausschüttung gelangten, betrugen für
das Jahr 1914 108 Kronen, für das Jahr 1915: 123 Kronen, für
das Jahr 1916: 128 Kronen. Im letzten Friedensjahre war eine
Dividende von 129 Kronen zur Verteilung gekommen. Die steigen-
Die Österreichisch-Ungarische Bank 39
den Mehrerträgnisse der Österreichisch-Ungarischen Bank in der
Kriegszeit sind in der zunehmenden Inanspruchnahme der Staats-
verwaltungen zu suchen, die trotz des niedrigen Zinsfußes bei
dem Anwachsen der Darlehenssumme immer höhere Zinsen zu
leisten hatten. Das ungünstige Ergebnis der Österreichisch-
Ungarischen Bank im Jahre 1914 war damit zu erklären, daß die
Bankleitung bei der Verteilung der Dividende dieselben Grundsätze
beobachtete, welche auch alle anderen Kreditinstitute im ersten
Kriegsjahre befolgten. Sie nahm starke Reservierungen und Ab-
schreibungen vor. Sie durfte die Tatsache nicht außer acht lassen, daß
sie über einen großen Portefeuillestand von Wechseln verfügte, der
aus Gebieten herrührte, die vom Kriege heimgesucht waren. Das
zu Kriegsbeginn verhängte Moratorium hat die Bank mit einem
Portefeuille von 1636 Millionen Kronen angetroffen, dessen Abbau
zwar verhältnismäßig rasch erfolgte, aber zu Ende des Jahres 1914
noch schwerwiegende Befürchtungen erklärlich erscheinen ließ.
Bei der Aufstellung der Bilanz für das Jahr 1915 konnte die Bank
schon einen großen Teil der im Vorjahre gebildeten Kriegs-
reserven auflassen, dagegen mußte sie bereits Bedacht nehmen,
daß die beiden Staatsverwaltungen den Gewinn, den die Bank
durch die Gewährung so bedeutender Vorschüsse an den Staat
erzielte, ihr nicht zur Gänze belassen würden. Das Reinerträgnis,
welch e| die Bank in den ersten drei Kriegs jähren insgesamt erzielte, be-
ziffert sich mit 303,1 Millionen Kronen. Hiervon wurde im Jahre 1915
für die Aktionäre in Form einer Abschlagszahlung auf die Dividende
ein Betrag von 16,2, im Jahre 1915 ein Betrag von 18,4 und im
Jahre 1916 ein solcher von 19,2 Millionen Kronen flüssig gemacht
Der Gewinnanteil der beiden Staaten, der während des Krieges
von der Höhe der Darlehen jeder der beiden Reichshälften
beeinflußt wird, betrug 12,8, 19,6 resp. 21,9 Millionen Kronen.
Nach Dotierung der Reservefonds ergaben sich in jedem dieser
Jahre bedeutende Beträge, die in eine Kriegsgewinnsteuerreserve
gelegt wurden. Sie beliefen sich für das Jahr 1914 auf 26 Mil-
lionen, für das Jahr 1915 auf 66 und für das Jahr 1916 auf 91 Mil-
lionen Kronen.
Die t^eiden Regierungen trafen nun die Vereinbarung, das Mehr-
40 Die Österreichisch-Ungarische Bank
erträgnis der drei Kriegs jähre gegenüber dem durchschnittlichen
Reinertrage der drei letzten Friedensjahre zugrunde zu legen und
hiervon 80 Prozent als Kriegssteuer in Anspruch zu nehmen. Nach
diesem Schlüssel wurde die Kriegssteuer für das Jahr 1914 mit
15,2, für das Jahr 1915 mit 55,6 und für das Jahr 1916 mit
78,5 Millionen Kronen bemessen. Auch an die Aktionäre ge-
langten Nachtragszahlungen an Dividenden zur Verteilung, welche
für das Jahr 1914 mit 10,10 Kronen, für das Jahr 1915 mit
4,30 Kronen, für das Jahr 1916 mit 5,70 Kronen für .die Aktie
bemessen wurden. Die Anteile der Staatsverwaltungen an den
Erträgnissen der Österreichisch-Ungarischen Bank in den Kriegs-
jahren 1914, 1915 und 1916 zusammengenommen, sind aus fol-
gender Aufstellung zu entnehmen:
Österreich Ungarn
Kronen
Gewinnanteil der Staatsverwaltung . 39 275 066 24 258 221
Banknotensteuer 12 389 754 9 750 721
Kriegsgewinnsteuer 94 757 451 54 620 493
Zusammen . . 146 422 271 88 629 435
Die Ziffern der Bilajizdes Jahresjl917 werden erst vor der General-
versammlung des Jahres 1918 bekanntgegeben werden. Vorläufig
hat die Bank mitgeteilt, daß ihr Reinertrag für aas Jahr 1917 nach
Ausscheidung aller Auslagen, unter Rückstellung eines Betrages
von 102,01 Millionen Kronen für die Zwecke einer eventuellen
Kriegssteuer und einer Stärkung der Währungsreserve, 46,16 Mil-
lionen beträgt. Hiervon entfallen auf die Dividende 20 Millionen
und auf die Gewinnanteile der Staatsverwaltungen 24,6 Millionen
Kronen. Die Dividende wird mit 134 Kronen in Vorschlag gebracht.
Über Verlangen der Bank wurde ihr seitens der beiden Re-
gierungen zugestanden, daß sie aus den nicht verteilten Gewinnen
einen Betrag von 20 Millionen Kronen einer Kriegsverlustreserve
zuweisen darf, die zur Deckung etwaiger Verluste an den Mora-
toriumswechseln, aus dem Hypothekargeschäfte und an den im
Kriegsgebiete gelegenen Bankgebäuden herrühren sollten. Aus
den Eingängen, welche die Österreichisch-Ungarische B'ank im
Die Österreichisch-Ungarische Bank 41
Devisen- und Valutenverkehre seit Ausbruch des Krieges dadurch
erzielt hat, daß Gold, Devisen und Valuten zu einem den Buch-
wert, bzw. die Anschaffungskosten übersteigenden Preise ab-
gegeben wurden, wird die Bank eine außerordentliche Reserve
(eine Reserve für Währungszwecke) bilden. Diese Reserve soll
für Aufwendungen im Interesse der Währung, insbesondere zur
Wiederherstellung des Goldschatzes und znt Vermehrung der
Devisen- und Valutenbestänjde der Bank bestimmt sein. Sie hat
auch zur Deckung jener Abgänge zu dienen, welche sich in der
Gebarung der Bank bei der Erwerbung von Gold, Devisen und
Valuten durch Aufwendung eines den Buchwert bzw. den Ver-
äußerungspreis übersteigenden Anschaffungsbetrages ergeben. Diese
Reserve wurde nach dem Stande vom 30. September 1917 mit einem
Betrage von 255 Millionen Kronen errichtet. Sie wird als eine
abgesonderte Post verwaltet und auch in Zukunft niemals als
Gewinn in den Bilanzen der Bank behandelt werden. Diese
Reserve wird sicherlich nicht ausreichen, um das Ziel sicher-
zustellen, das die Regierungen und die Bankleitung anstreben;
denn nach ihrer Ansicht wird es eine der wichtigsten Aufgaben
der Bank sein, für die Restituierung ihres Goldschatzes im Be-
reiche der Möglichkeit Sorge zu tragen und einen Bestand an
ausländischen Zahlungsmitteln, welcher dem Bedarf zur Aus-
gleichung der internationalen Zahlungen entspricht, bereit zu
halten. Die notwendige Ergänzung des Goldschatzes der Noten-
bank wird auch auf anderem Wege gefördert werden müssen.
Mit der größten Spannung wurde der Veröffentlichung des
ersten Bankausweises im Kriege entgegengesehen, die am 19. De-
zember 1917 in der außerordentlichen Generalversammlung des
Noteninstitutes erfolgte. Diese Generalversammlung mußte ein-
berufen werden, um ihr die Vereinbarungen über die provisorische
Verlängerung des Privilegiums zu unterbreiten. Durch 31/2 Jahre
war die Österreichisch-Ungarische Bank das einzige Noteninstitut
gewesen, welches im Rriege keine fortlaufenden Berichte über
die Bewegungen des Metallschatzes und des Notenumlaufes ver-
öffentlichte. Als der Bericht bekanntgegeben wurde, war das
Hauptinteresse selbstverständlich der Ziffer zugewendet, weicht
42 [)ic Österreichisch-Ungarische Bank
den Metallschatz angab. Bei Kriegsausbruch hatte die Bank einen
Besitz an effektivem Golde in der Höhe von 1094,9 Millionen
Kronen, dann Wechsel auf auswärtige Plätze, die in den Metall-
schatz einrechenbar waren, von 54,9 Millionen und schließlich aus-
ländische Guthaben und Wechsel von 120,1 Millionen Kronen.
Der Bestand an Gold und ausländischen Zahlungsmitteln be-
trug also 1269,9 Millionen Kronen. Dazu kam noch ein Bestand
an Silberkurant und Teilmünzen in ^er Höhe von 291 Millionen
Kronen. Nach dem Ausweise vom 17. Dezember 1917 besaß die
Bank an effektivem Golde nur mehr 264,2 Millionen Kronen,
ferner Forderungen auf Rücklieferung von effektivem Golde in
der Höhe von 78,2 Millionen Kronen, schHeßlich in den Metall-
schatz einrechenbare Goldwechsel in der Höhe von 60 Millionen.
An Devisen und Guthaben im Auslande, worunter den über-
wiegenden Teil Markguthaben in Deutschland darstellen, werden
677 Millionen Kronen ausgewiesen. Die bemerkenswerte Tatsache
ist also, daß die Bank an effektivem Golde um 830,7 Millionen
Kronen weniger in den Kassen hat. Sie besitzt dagegen vermehrte
Forderungen auf das Ausland, die ihr aber die Pflicht zur Rück-
zahlung auferlegen. Unter den Passiven weist die Bank auch Ver-
bindlichkeiten in ausländischen Zahlungsmitteln in der Höhe von
189 Millionen Kronen auf, die bei der Einschätzung der Ziffer
ihrer ausländischen Forderungen in Abzug zu bringen sind. Ein
Teil der Forderungen, welche die Bank in ausländischer Valuta
hat, stammt wohl aus den Krediten, welche die Regierung im Aus-
lande aufgenommen und der Bank für die Bedürfnisse des aus-
ländischen Zahlungsverkehres überwiesen hat. Zum Teile werden
sie auch durch die angesammelte Exportvaluta und die ge-
bundenen Devisenbestände gebildet, welche die Banken dem
Noteninstitute leihweise überlassen haben. Vor dem Ausbruche
des Krieges waren 60 Prozent der im 'Umlaufe befindlichen Bank-
noten in effektivem Gold und rund 75 Prozent metallisch bedeckt.
Zu Ende Dezember 1917 deckte der Metallschatz bloß noch
zwei Prozent des Banknotenumlaufes.
Der Vorrat an Silber- und Teilmünzen hat sich infolge des
starken Bedarfes an kleinen Zahlungsmitteln arg vermindert und
Die Österreichisch-Ungarische Bank 43
ist von 291 Millionen Kronen vor dem Kriege auf 55 Millionen
Kronen gesunken. Der Stand der Österreichisch-Ungarischen Bank
nach dem Abschlüsse vom 7. Dezember 1917 weist auch die zwei
bereits früher erwähnten Posten : Eskomptierte Wechsel, Warrants
und Effekten in der Höhe von 2,82 Milliarden Kronen, ferner
Darlehen gegen Handpfand mit 3,43 Milliarden Kronen auf. Diese
beiden Posten stellen zum größten Teile gleichfalls Vorschüsse
dar, die dem Staate von der Notenbank bewilligt wurden. Im
Eskompte ist nur ein ganz geringer Bruchteil kommerzieller
Wechsel enthalten, nämlich die Moratoriumswechsel aus der Zeit
vor dem Kriege, die aus solchen Gebieten stammen, in denen das
Moratorium jetzt noch nicht abgebaut ist. Sie werden mit 23,3 Mil-
lionen Kronen angegeben. Da die Bank andere Qeschäftswechsel
wohl nicht besitzt, so setzt sich das ganze übrige Portefeuillei
aus eskomptierten Schatzwechseln der beiden Staatsverwaltungen
zusammen. Im Lombard, der mit 3,43 MilHarden Kronen angeführt
wird, stecken private Darlehen in der Höhe von 600 Millionen
Kronen, die im Zusammenhange mit Belehnungen der Kriegs-
anleihen erfolgten, teils noch geringere Belehnungen als Grund-
lage von Krediten für Private und Geschäftszwecke. Da die herr-
schende Geldflüssigkeit die Inanspruchnahme des Lombardkredites
bei der Notenbank viel teurer als anderwärts machte, können
diese Kredite nicht sehr bedeutend gewesen sein. Unter den Dar-
lehen gegen Handpfand sind zum überwiegenden Teile staatliche
Inanspruchnahme, resp. solche ausgewiesen, die für die Zwecke
der staatlichen Finanzgebarung erfolgten. Unter ihnen befindet
sich auch das Darlehen von 800 Millionen Kronen, welches die
Banken unmittelbar nach Kriegsausbruch gegen Lombardierung
von Schatzscheinen im Nominale von 950 Millionen Kronen für
die Finanzverwaltungen bei der Notenbank beschafft haben. Unter
den Passiven bilden die Giroguthaben in der Höhe von 2,09 Mil-
liarden Kronen eine auffällige Post. Während in normalen Zeiten
die auf Girokonto erliegenden fremden Gelder den Betrag von
300 Millionen Kronen kaum je überschritten, erlagen, wie die
Bankleitung in ihrem Bericht bemerkt, in der Kriegszeit stets
auf Girokonto Beträge von über einer Milliarde Kronen. Dies
44 I^ie Österreichisch-Ungarische Bank
steht mit der großen Qeldgebarung der Kriegsführung seitens
der Militärverwaltung und anderer Staatskassen im Zusammenhange.
Das Ergebnis der starken Inanspruchnahme der Österreichisch-
Ungarischen Bank 'durch die beiden Finanzverwaltungen war ein
Notenumlauf in der Höhe von 17,74 Milliarden Kronen. Während
die Zunahme des Banknotenumlaufes in den ersten drei Kriegs-
jahren eine zwar konstante aber nur allmähliche war, zeigte sie
seit Ablauf des dritten Kriegsjahres, insbesondere in den letzten
vier Monaten, einen sprunghaften Charakter. Ende Juli 1914 wurde
ein Notenumlauf von über drei .Milliarden Kronen verzeichnet,
welcher sich bis Ende des Jahres 1914 nur auf 5,1 Milliarden er-
höht hatte, Ende 1915 bezifferte sich der Notenumlauf mit 7,1 Mil-
liarden Kronen, Ende 1916 mit 10,8, während er nach dem Stande
vom 7. Dezember 1917 bereits bei der Riesenziffer von 17,7 Mil-
liarden Kronen angelangt war*). Das fortwährende Steigen der
Preise aller Bedarfsartikel, die Ausdehnung der Tätigkeit der
Notenbank auf weite Gebiete außerhalb der Grenzen der Mon-
archie haben sicherlich mit dazu beigetragen, daß der Noten-
umlauf sich fortlaufend vermehrte. In den Verhandlungen des
Abgeordnetenhauses und des Herrenhauses nahm die Frage, ob
und durch welche Mittel ein weiteres Anschwellen des Noten-
umlaufes verhindert werden könnte, einen breiten Raum ein. Das
Abgeordnetenhaus sprach sich auch in einem Beschlüsse gegen
weitere Vorschüsse bei der Notenbank aus, da durch diese die
Noteninflation mit allen ihren traurigen Folgen gesteigert würde.
Der Finanzminister verwies darauf, daß ihm zur Deckung der
Kriegskosten nur die Steuern, die Kriegsanleihen und die Vor-
einzahlungen der Banken zur Verfügung stünden, und da diese
nicht ausreichten, nichts anderes übrig bliebe, als an die Noten-
bank um immer neue Vorschüsse heranzutreten. Sicherlich waren
*) Während des Druckes ist in dem für die im Februar stattfindende General-
versammlung bestimmten Geschäftsberichte der Rechnungsabschluß für das
Jahr IQl? erschienen. In den drei Dezemberwochen haben sich im Stande
der Notenbank keine wesentlichen Veränderungen ergeben. So hat sich der
Banknotenumlauf von 17,74 Milliarden bloß auf 18,4 Milliarden erhöht. Der
Matallschatz erfuhr eine Stärkung um 2,5 Millionen Kronen, und der Besitz
an ausländischen Zahlungsmitteln eine Zunahme um 80 Millionen Kronen.
Die Österreichisch-Ungarische Bank . 45
auch die weitreichenden sozialpolitischen Beschlüsse des Ab-
geordnetenhauses für das Anwachsen des Notenumlaufes mit-
bestimmend, denn ihre Erfüllung konnte aus den laufenden Ein-
gängen nicht bestritten werden. Gegenüber dem Vorschlage, kurz-
fristige Schatzscheine auszugeben und dadurch die Notenbank zu
schonen, machte der Finanzminister geltend, daß durch die Vor-
einz^hlungen der Banken auf neue, noch nicht ausgeschriebene
Kriegsanleihen im wesentlichen derselbe. Zweck erreicht würde,
der durch die Schatzscheine erzielt werden sollte. Die Öster-
reichisch-Ungarische Bank hat die Absicht ausgesprochen, ver-
zinsliche Einlagen gegen Ausgabe von verzinslichen Kassenscheinein
entgegenzunehmen, um auf diese Weise eine weitere Steigerung
des Notenumlaufes zu verhindern. Auch der Konflikt zwischen
dem Abgeordnetenhause und dem Herrenhause in den Steuer-
fragen hat lange die Durchführung der geplanten Steuer-
erhöhungen verschoben und damit verhindert,, daß der Finanz-
verwaltung, vermehrte Einnahmen zuflössen.
Nach dem Kriege wird die Österreichisch-Ungarische Bank in
erster Linie an eine Wiederauffüllung ihres- Goldbestandes denken
müssen. Das Noteninstitut war nicht wie die Deutsche Reichs-
bank in der glücklichen Lage, während des Krieges den Metall- ,
schätz stärken zu können. Aus dem Verkehre waren bei bestem
Willen nicht im entferntesten solche Beträge herauszuziehen, wie
sie in Deutschland in die Kassen der Reichsbank übergeleitet
werden. Die Österreichisch-Ungarische Bank mußte fortwährend
große Goldbeträge zur Leistung von Zahlungen an das Aus-
land zur Verfügung stellen. Wenn auch im Laufe der Zeit
die unnötige Einfuhr aus dem Auslande gedrosselt worden ist,
eine Frage, die im Kapitel über den Devisenmarkt eingehend er-
örtert werden wird, so blieben doch anhaltend Rechnungen der
Heeres- und der Finanzverwaltung an das Ausland zu begleichen.
Man denke bloß an die Aufrechterhaltung des Kupondienstes für
die in Deutschland, der Schweiz und Holland begebenen An-
leihen, man denke an die Warenbezüge, die aus Deutschland selbst,
oder durch Vermittlung Deutschlands nach Österreich gemacht
wurden. Ein Teil der zu ihrer Deckung nötigen Beträge wurde
46 Die Österreichisch-Ungarische^ Bank
durch die Aufnahme schwebender Vorschüsse bei den deutschen
Kreditinstituten und bei der Deutschen Reichsbank aufgebracht,
aber dessenungeachtet mußte die Notenbank bedeutende Gold-
sendungen an das Ausland leisten. Die Qetreidekäufe in Ru-
mänien, der Anteil der Monarchie an den finanziellen Kriegs-
kosten Bulgariens und der Türkei haben Qoldsendungen nötig
gemacht. Diesen Goldausgängen standen nur recht bescheidene
Goldeingänge gegenüber. Der Zuckerexport hat ausländische Gut-
haben geschaffen, desgleichen die Ausfuhr von Rohöl und
Mineraiölprodukten, während eine Reihe anderer Indüstrieartikel,
wie Chemikalien, in einzelnen. Positionen wohl Aktivposten ge-
liefert haben, aber im ganzen für die Beschaffung ausländischer
Guthaben wenig in Betracht gekommen sind. Aus der ganzen
Bewegung des Waren- und Zahlungsverkehres ergab ^sich die
Notwendigkeit, sehr bedeutende Goldsendungen in das Aus-
land vorzunehmen.
Nach Kriegsausbruch hat auch in der Monarchie eine Bewegung
eingesetzt, welche die Sammlung aller Goldbestände in den Kassen
der Notenbank bezweckte. Der Erfolg mußte sich, wie schon er-
wähnt, schon aus dem Grunde in bescheidenen Grenzen halten,
weil der Verkehr vor Kriegsausbruch Goldmünzen stets abgelehnt
hatte und sie immer wieder zur Bank zurückgeströmt waren. Es
befanden sich daher bei Kriegsausbruch nur geringe Bestände an
Zehn- und Zwanzigkronen-Stücken im Umlaufe. Durch Wort
und Schrift, in der Presse, durch Plakate, durch Aufklärungen in
Schulen wurde dem Verstecken von Münzen entgegengetreten und
auf die Verpflichtung hingewiesen, Goldmünzen an die Bank oder
an die öffentlichen Kassen abzuführen. Ein Verbot des Agio-
handels mit Landesgoldmünzen der Kronenwährung wurde aus-
gesprochen und unter strenge Strafsanktion gestellt. -Auf diese
Weise sollte verhindert werden, daß ein Anreiz zur Zurückhaltung
von Goldmünzen bestünde. Die Abgabe von Dukaten beim Haupt-
münzamte wurde sistiert. Um den durch die erhöhten Preise der
ausländischen Zahlungsmittel nutzbringenden Export von Gold
und Silber zu behindern und die im freien Verkehre vorhandenen
Bestände an Edelmetall im Lande zu bewahren, wurde die Aus-
Die Österreichisch-Ungarische Bank 47
und Durchfuhr von Gold und Silber untersagt. Dieses Verbot er-
streckte sich auf Gold und Silber in reinem oder legiertem Zu-
stande, in Barren sowie auf alle Gold- und Silbermünzen. Nur
mit Zustimmung de$ Finanzministeriums kann in Ausnahmefällen
der Export von Edelmetall gestattet werden. Durch die Aktion
„Gold gab ich für Eisen" wurden manche Besitzer von Gold-
und Silbersachen veranlaßt, solche Werte der Kriegshilfe un-
entgeltlich für gemeinnützige Zwecke zu überlassen. Das ge-
wonnene Gold fand dann seinen Weg in die Kassen der Noten-
bank. Der österreichische und der ungarische Finanzminister
wiesen femer die staatlichen Einlösungsämter an, Gold- und
Silbergegenstände anzukaufen. Da aber erfahrungsgemäß die Be-
sitzer von Gold- und Silbergeräten bei deren Erwerbe nicht bloß
den Wert des Edelmetalles gezahlt hatten, sondern auch die Fagon,
das Alter der Gegenstände, kurz den Kunstwert, war das Aus-
maß der überhaupt zur Einlösung gebrachten Geräte nicht be-
deutend. Außerdem hat man in Österreich versäumt, Maß-
nahmen gegen das spekulative Aufkaufen von Gold zu treffen.
Durch viele Monate blühte eine wilde Spekulation, durch die der
Preis des Kilogramm Goldes bis auf 21 000 Kronen hinaufgetrieben
wurde. Dann kam ein Rückschlag, durch den sich in wenigen
Tagen der Preisstand um 6000 Kronen ermäßigte, zumal auch
das Wucheramt eingriff und einzelne Spekulanten, die es zu arg
getrieben hatten, hinter Schloß und Riegel brachte.
Aus dem Ausweise der Bank war auch im Dezember 1917
die wichtige Tatsache zu ersehen, daß die Bevorschussung der
Kriegsanleihen durch die Österreichisch-Ungarische Bank sich in
sehr bescheidenen Grenzen bewegt hatte. Im feindlichen Aus-
lande waren diesbezüglich lange die abenteuerlichsten Gerüchte
verbreitet und es wurde behauptet, daß die Bank durch die
Kriegsanleihe^elehnungen ungeheuer stark in Anspruch genommen
worden war. Das ist ganz falsch. Die herrschende Geldflüssig-
keit hatte es den Banken schon im eigenen Interesse nahegelegt.
Belehnungen der von ihrer Kundschaft gezeichneten Kriegsanleihe
selbst zu besorgen, und sie hatten es gar nicht nötig, in nennens-
wertem Ausmaße auf die Notenbank zurückzugreifen. Dies war
48 I^ic Banken
besonders bei den späteren Kriegsanleihen der Fall, während
allerdings die ersten Kriegsanleihen vorübergehend stärker von'
der Notenbank bevorschußt worden waren. Über die Tätigkeit
der Österreichisch-Ungarischen Bank bei der Belehnung der
Kriegsanleihen wird später noch eingehender gesprochen werden.
Die Banken.
Als der Krieg ausbrach, schienen wenige wirtschaftliche Orga-
nisationen in der Monarchie so hart getroffen zu sein, wie die
Banken. Das Publikum verlangte seine Einlagen zurück, und die
Banken, die ebensowenig wie die Österreichisch-Ungarische Bank
auf «die großen politischen Ereignisse vorbereitet gewesen waren,
hatten nicht die nötigen Kassenbestände, um ohne Rückgriff auf
das Zentralnoteninstitut allen Anforderungen zu entsprechen. Dem
Afisturm auf die Banken wurde, wie wir gesehen haben, erst durch
das Moratorium Einhalt geboten. Jede Bank hatte in ihrem
Konzerne, zahlreiche industrielle, kommerzielle und Verkehrsunter-
riehmungen, von denen viele durch den Ausbruch des Krieges
schwer in Mitleidenschaft gezogen waren. Das eine ist sicher, daß
die Banken vom Kriege überrascht wurden, wenngleich ein oder das
andere Institut, das über besondere ausländische Informationen ver-
fügte, seine Effektenbestände rechtzeitig etwas vermindern und sich
dadurch mobiler machen konnte. Erst nach Ausbruch des Krieges
mit Serbien waren die Banken bestrebt, einen Teil ihres Wechsel-
portefeuilles bei der Österreichisch-Ungarischen Bank reeskomp-
tieren zu lassen und sich auch Lombardkredite zu beschaffen, was
nur in begrenztem Ausmaße möglich war. Man kann den Banken
wegen ihrer Unsicherheit in der Beurteilung der Verhältnisse in
den ersten Kriegswochen kaum einen Vorwurf machen, denn nicht
oft genug kann wiederholt werden, daß es eine schwere Sünde an
unserer Volkswirtschaft gewesen ist, daß man von maßgebender
Die Banken; 49
Stelle die Leiter der großen Bankea und Industrieuntemehmungen
bis in letzter Stunde in völliger Unklarheit über den Ernst der
Situation ließ. Nichts wäre verfehlter, als die Forderung auf-
zustellen, daß die Bankdirektoren ^in Anrecht auf besondere In-
formationen besitzen und damit vor anderen Menschenkindern etwa^J
voraus haben sollen. Es ist Pflicht jedes Kaufmannes, nicht allein
Handels-, sondern auch politische Informationen zu sammeln und
aus ihnen die nötigen Schlüsse selbst zu ziehen. Wenn aber in
Österreich ein finanzieller und wirtschaftlicher Mobilisierungsplan
ausgearbeitet worden wäre, wenn man den maßgebenden Männern
aus Finanz, Handel und Industrie gesagt hätte: die politische
Situation ist ernst, sie kann sich aber noch zum Guten wenden,,
für alle Fälle ist es erforderlich, daß ihr die nötigen Vorbereitungen
trefft, so wäre manche Schwierigkeit, manch großer Verlust ver-
mieden worden.
Auf Anfragen, die von österreichischen Banken an maßgebender
Stelle hier vorgebracht wurden, wurde erwidert, daß keine Ver-
anlassung sei, die politische Situation als kritisch zu betrachten.
Die Folgen dieser Unterlassung zeigten sich nach Ausbruch
des Konfliktes in greller Weise. Die Leiter der Banken hatten
nur das Bestreben und sie mußten, es ja auch haben, mit den Bär-
mitteln, über die sie verfügten, hauszuhalten. Die Österreichisch-^
Ungarische Bank besaß nicht die erforderlichen Noten, um die
bei ihr eingereichten Wechsel eskomptieren und um die zün^
Lombarde vorgelegten Effekten anders als mit ganz kleinen Be-
trägen belehnen zu können. Erst als die in Tag- und Nacht-»
arbeit forzierte Herstellung von Banknoten weitere Fortschritte
machte, als die Suspendierung der Bankakte erfolgt war uhd heufe
Bestimmungen über die Belehnbarkeit von Effekten seitens der
Österreichisch-Ungarischen Bank erlassen waren, sahen sich die
Banken imstande, die verfügbaren Werte, die sie in Form von
Wechsel und Effekten besäßen, zu verwerten und sich größere
Kassenbestände zu schaffen. In den ersten Wochen nach Kriegs-
ausbruch war es einem Privatmann gegenüber ein besonderes Ent-
gegenkommen, wenn er von seinem Bankguthaben einige hühdert
Kronen abhieben durfte. Manche Industrielle hatten die schwersterf
Müller, Die finanzielle Mobilmachung Österreichs. 4
50 I^ic Banken
Sorgen, wie sie Gelder, welche sie in der Bank liegen hatten und
für die Bezahlung der Löhne und Waren benötigten, zum Teile
flüssig machen könnten. Allmählich trat aber eine Beruhigung
ein, denn die Noten wurden seitens der Österreichisch-Ungarischen
Bank flotter ausgegeben, die Banken konnten ihr Portefeuille
diskontieren, ihre Effekten belehnen, und als das Publikum sah,
daß es Geld zurückgezahlt erhalten konnte, hörten die Forderungen
und Kündigungen der Guthaben auf. Eine wesentliche Erleichte-
rung hat es vom ersten Momente an gebildet, daß die Heeres-
verwaltung die umfassenden Bestellungen und Ankäufe, die sie
machte, sofort liquidierte und daß ihre Lieferanten die Gelder,
die bei ihnen eingingen, an die Banken wieder abführen konnten.
Bald erkannten auch die Banken, daß der Krieg für einzelne
Zweige der Industrie und für gewisse Handelsbranchen große
Oewinnmöglichkeiten in sich berge. Anfangs hatten einzelne
Institute es aus prinzipiellen Gründen abgelehnt, sich an Heeres-
lieferungen zu beteiligen oder Kredite an Kaufleute zu erteilen,
welche die Chancen der Ein- und Ausfuhr von Waren im Handel
mit dem Auslande ausnützen wollten. Immer mehr kamen aber
die Banken von diesem Standpunkte ab, und ^s zeigte sich, wie
spsiter ausgeführt ^verden soll, daß die Beteiligung an diesen
Geschäften den Banken große Gewinne zugeführt hat.
Mit Kriegsausbruch wurden den Banken wichtige Tätigkeits-
gebiete verschlossen. Die Sistierung des Börsenverkehrs bewirkte
eine völlige Stockung des Effektenhandels, und es dauerte bis in
die ersten Monate des Jahres 1915, bevor sich die Banken wieder
etwas lebhafter am Effektengeschäfte zu beteiligen begannen. In
der Zwischenzeit waren es einzelne unternehmende Spekulanten,
glückliche Kriegsgewinner, die das auf den Markt gelangende
Effektenmaterial erwarben, oder auch ein oder das andere
Emissionsinstitut, welches seinerzeit von ihm begebene Aktien
wieder zurückkaufte. Dafür entwickelte sich aber bald ein sehr
umfangreiches Geschäft in Devisen und Valuten, welches den
Banken namhafte Gewinne brachte und so lange anhielt, bis die
Schaffung der Devisenzentrale diesem Handel und dieser Speku-
lation Halt gebot. Alte und neue Heereslieferanten traten mit
Die Banken 51
den Banken in Verbindung, und wenngleich die von ihnen in
Anspruch genommenen Kapitalien im allgemeinen sehr rasch
zurückflössen, wurden sie doch zu einer schätzenswerten Erwerbs-
quelle der Finanzinstitute. Zu Ende des Jahres 1914 hatte die
Lage des Geldmarktes schon eiq ganz anderes Gesicht. Während
die Banken noch bis in den Oktober hinein bei ihren Geld-
diispositiönen eine gewisse Vorsicht beobachteten, trat dann
die Geldflüssigkeit immer mehr in Erscheinung. Die in den
Bilanzen ausgewiesenen Kassenbestände zu Ende 1914 waren
fast die höchsten, welche je verzeichnet wurden und kon-
trastierten grell mit der Bargeldnot zu Beginn des Krieges. Den
Banken bereitete bei der Verwertung ihrer Mittel die sich all-
mählich entwickelnde Geldflüssigkeit große Schwierigkeiten.
Die Geldflüssigkeit, welche in der Folge noch weitere Fort-
schritte machte, ließ es begreiflich erscheinen, daß den Banken
die Emission der ersten Kriegsanleihe sehr willkommen war. Sie
bot ihnen die Möglichkeit, die Gelder, die sich bei ihnen an-
sammelten, fruchtbringend zu verwerten. Die Banken waren im-
stande, die Belehnung der Kriegsanleihe für ihre Kundschaft zum
guten Teile aus den eigenen Kassenbeständen vorzunehmen und
mußten die neue Anleihe nur in vereinzelten Fällen bei der Öster-
reichisch-Ungarischen Bank lombardieren lassen. Schon in diesem
Zeitpunkte machte sich eben die Tatsache bemerkbar, daß die
Kaufmannschaft ihre Lagerbestände rasch verminderte, daß der
Kreditverkehr so gut wie aufgehört hatte und durch den Bargeld-
verkehr ersetzt worden war. Die Kriegslieferanten und jene, die
flüssige Mittel zur Verfügung hatten, zogen es fast während der
ganzen Dauer des Jahres 1914 vor, ihre Gelder den Banken zur
Verwertung zu übergeben. Die Ankäufe von Effekten, die wäh-
rend des Jahres 1915 in steigendem Maße erfolgten, hielten sich
im zweiten Semester des ersten Kriegsjahres noch in sehr engen
Grenzen. Das Vertrauen zu den Effekten war noch nicht zurück-
gekehrt, die Bargeldknappheit der ersten Wochen der Kriegszeit
lag allen in den Gliedern.
Die Veröffentlichung der Bilanzen erfolgte seitens der Banken
später als in anderen Jahren. Man beschäftigte sich nicht nur
4*
52 I^^c Banken
in den Kreisen der Industrie und der Kaufmannschaft, sondern
auch in denen der Bankwelt mit der Frage, ob nicht die Er-
lassung-besonderer Vorschriften für die Aufstellung der Bilanzen
des ersten Kriegsjahres anzustreben wäre. Die meisten Banken
hatten schon früher die Veröffentlichung der üblichen Semestral-
bilanz für das erste Semester des Jahres 1914 eingestellt Nach
Jahresschluß mußte aber die gesetzlich vorgeschriebene Ver-
öffentlichung der Bilanzen des Jahres 1914 erfolgen. Die Frage,
die nun auftauchte, war die, ob es angebracht wäre, besondere
Vorschriften für die Aufstellung der Bilanzen zu erlassen oder ob
sie nach rein kaufmännischen Grundsätzen, wie bisher, aufgebaut
werden könnten. Eine Enquete, die im Justizministerium ab-
gehalten wurde und an der Vertreter der Handelskammer, Banken,
Sparkassen und Kreditgenossenschaften teilnahmen, kam zu dem
Ergebnis, daß es nicht notwendig sei, die geltenden handels-
gesetzlichen Vorschriften hinsichtlich der Bilanzziehung abzuändern*
Eine Verordnung des Gesamtministeriums vom 25. Dezember 1914
hatte überdies bestimmt, daß Kaufleute und gesellschaftliche
Unternehmungen, die in Galizien, der Bukowina und iin Kreis-
gerichtssprengel Cattaro ihren Sitz haben, bis 30. Juni 1915 von
der Pflicht zur Aufstellung ihrer Rechnungsabschlüsse (Bilanz)
befreit sein sollen. Für alle anderen Unternehmungen, die in
einem der bezeichneten Gebiete nur eine Hauptbetriebsstätte,
ihren Sitz aber anderwärts haben, wurde grundsätzlich an der
Bilanzierungspflicht festgehalten. Hinsichtlich der von einzelnen
Banken und Industrieunternehmungen angeschnittenen Frage der
Erlassung allgemeiner Bewertungsvorschriften wurde entschieden,
daß solche Vorschriften unnötig wären und daß die Sorgfalt, die
ejn: ordentlicher Kaufmann überhaupt bei der Aufstellung einer
Bilanz beobachten muß, ihn aiich bei der Errichtung der Bilanz
für' das erste Kriegsjahr zu leiten habe. Spätere Verordnungen
des Ministeriums dehnten die Frist zur Aufstellung der Bilanzen
für Unternehmungen im Kriegsgebiete aus und erweiterten sie
auf Kaufleute und der öffentlichen Rechnungslegung unter>yörfene
Unternehmungen jener Gegenden, welche durch die Kriegs-
erklärung Italiens betroffen wurden.
Die Banken 53
Die Bilänzarbeit war keine leichte. Der Rückschlag in Serbien
und die großen Erfolge der russischen Armee in Galizien mußten
bei der Aufmachung der Bilanzen des Jahres 1914 berücksichtigt
werden. Die galizische Kundschaft und ihre verminderte Kredit-
fähigkeit spielte bei einer Reihe von Banken eine bedeutende
Rolle. Ferner gingen die Kapitalsbeteiligungen der österreichischen
Finanzwelt an der galizischen Petroleumindustrie, die sich damals
in den Händen der Russen befandj in viele hunderte Millionen.
Man mußte sich die Frage vorlegen, ob diese Engagements glatt
abgeschrieben werden sollen, oder ob man bei ihrer Bewertung
die Hoffnung auf Wiedererlangung der verlorenen Gebiete mit
berücksichtigen dürfe. Die Erlassung der Moratorien und die
Aussichtslosigkeit, fällige; Verpflichtungen einzuklagen, machten es
den Banken zum Teile unmöglich, eine genaue Bewertung ihrer
Außenstände vorzunehmen. Dazu kam noch die Tatsache, daß
sich die Effektenengagements bei den Banken und bei ihren
Depositenkassen, trotz des Rückganges des Börsengeschäftes bei
Kriegsausbruch auf sehr hohe Beträge beliefen. Der Kurswert
der Effekten war ungeachtet einer Erholung von den tiefsten
Notierungen noch immer ein derartiger, daß manches früher gut
gedeckte Konto jetzt als unterdeckt angesehen werden mußte^
Die Wiener Banken haben bei der Aufstellung ihrer Bilanzen
keine einheitliche Praxis geübt. Bestimmend war für das einzelne
Institut die Tatsache, ob es durch besondere geschäftliche Be-
ziehungen mit der galizischen Kundschaft oder mit der galizischen
Petroleumindustrie die Möglichkeit großer Verluste voraussah,
oder ob, wie z. B. bei der Länderbank und der Anglobank, das
Bestehen von Filialen in London und Paris es ratsam erscheinen
ließen, die Verluste, die sich bei der zwangsweisen Licjuidi^rung
dieser in Feindesland gelegenen Unternehmungen ergeben könnten,
schon bei der Aufstellung der Bilanzen für das Jahr 1914 zu be-
rücksichtigen. Andere Banken wieder, die keine Depositenkassen,
keine Filialen im Auslande hatten und über eine sehr kapitals-
kräftige Kundschaft verfügten, glaubten ihre Bilanzen so wie in
Friedensjahren aufbauen zu können. Bei der Aufstellung aller
Bilanzen waren aber die Direktoren von dem Bestreben erfüllt,
54 I^ic Banken
den Aktionären eine Dividende für das Kriegsjahr zu geben, und
dies erwies sich schon aus dem Grunde als richtig, weil
das österreichische Publikum seit Jahren in fortschreitendem Maße
dazu übergegangen war, die Erwerbung von Bankaktien mit der
Absicht dauernder Anlage vorzunehmen. Die Abschlüsse des
Jahres 1914 brachten bei allen Wiener Bankinstituten, abgesehen
von der Niederösterreichischen Eskomptegesellschaft, welche die
Dividende unverändert beließ, zum Teil namhafte Rückgänge
der zur Ausschüttung gelangenden Dividende. Die Nieder-
österreichische Eskomptegesellschaft konnte an ihrer Dividende
aus dem Grunde festhalten, weil sie nach der Natur ihres Geschäftes
nicht jene großen Risken lief wie die meisten anderen Banken. Die
meisten übrigen Banken ermäßigten ihre Dividende um zwei bis
drei Prozent und bildeten aus dem zurückbehaltenen Reingewinne
Kriegsverlustreserven in verschiedener Form. Die nachfolgende
Tabelle gibt ein Bild des Aktienkapitals nebst Reingewinn und
Dividenden der größeren Wiener Banken für die Jahre 1912 bis
inklusive 1916.
Bei einer Prüfung der Bilanzen des i ersten Kriegsjahres war es
deutlich zu erkennen, daß die Banken sich rasch den geänderten
Verdienstverhältnissen angepaßt hatten und imstande gewesen
waren, für die Ausfälle teilweise Ersatz zu schaffen. Überdies
hatten die großen Wiener Banken seit vielen Jahren stille Reserven
angelegt, die ihnen auch bei namhafteren Verlusten die Gewiß-
heit boten, erhebliche Einbußen ertragen zu können. Zeitweise
waren ganz abenteuerliche Schätzungen über das Ausmaß der
voraussichtlichen Verluste an schwebenden Engagements des einen
oder des anderen Institutes im Umlauf, und man wollte wissen,
daß selbst Großbanken alle ihre Reserven eingebüßt hätten. So
lange die Russen Galizien besetzt hielten und ihren Vormarsch
bis an die Pässe der Karpathen fortsetzten, war es begreiflich,
daß die Banken, die Engagements für viele hunderte Millionen
JKronen in Galizien laufen hatten, nicht wußten, wie groß ihre tat-
sächlichen Verluste sein würden. Keine Wiener Bank kam aber
in eine schwierige Lage, was man von einzelnen Provinzinstituten,
namentlich solchen tschechischen Charakters, die in ihrer Ge-
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56 Die. Banken
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Schäftsführung ausschließlich von politischen Erwägungen geleitet
wurden, nicht sagen konnte.
Vor dem Kriege hatte das Rückgrat der Bankbilanzen das
laufende Geschäft gebildet. Das Konsortial- und Warengeschäft
kam erst in zweiter Linie in Betracht. Die Erträgnisse des Zinsen-
kontos alimentierten reichUch jede Bankbilanz, zumal der Zinsfuß
von 1910 bis 1913 eine steigende Richtung verfolgt hatte. In
diesem Zeiträume hatte er einen Durchschnittssatz von 3,3 resp.
3,75, 4,79 und 5,714 Prozent aufgewiesen, wobei die Banken ihren
Gewinn durch die große Spannung zwischen der Berechnung
des Debet- und Creditsatzes erhöhten. Im Jahre 1914 schlug im
ersten Semester der Zinsfuß eine rückläufige Bewegung ein und
sein Durchschnittssatz betrug, berechnet zum Zeitpunkte der
Schließung der Börse, 3,64 Prozent. Die Banken hätten demnach
auch unter normalen Verhältnissen ein etwas mageres Zinsenjahr
ausgewiesen. Die Einbuße, welche sie derart in den ersten sieben
Monaten erfuhren, wurde aber dann durch die hohen Zinssätze
.und durch die starke Spannung, welche sie zwischen, der Ver-
gütung, die sie den Kreditoren leisteten und den Zinsen, die sie
den Debitoren in Anrechnung brachten, ausgeglichen. Schon mit
Rücksicht auf die Zinsfuß erhöhungen der Österreichisch-Unga-
rischen Bank nach Kriegsausbruch rechneten die Banken in ein-
zelnen Kontokorrentepochen ihren Schuldnern sieben bis acht Pro-
zent und darüber, wobei sich die Spannung zwischen den Debet-
und Kreditsätzen auf drei bis vier Prozent belief. Das Zinsenkonto
wurde allerdings dadurch in Mitleidenschaft gezogen, daß die
Banken große Kassenbestände halten mußten, teils weil sie in
den ersten Monaten nach Kriegsausbruch eine Wiederkehr der
Bargeldnot vermeiden wollten, teils weil sie in einem etwas
späteren Zeitpunkte für die reichlichen Geldmittel, die ihnen zu-
strömten, nicht immer nutzbringende Verwertung fanden. In den
Bilanzen, die für das Jahr 1914 aufgestellt wurden, waren die Er-
trägnisse an Provisionen und aus dem Effektengeschäfte rück-
gängig, und dies ist durch die Verminderung des Börsengeschäftes
vor Kriegsausbruch und in noch erheblicherem Maße durch die
Sistierung des Verkehres nach den Kriegserklärungen zu er-
Die Banken 57
klären. Dagegen erbrachten die Warenabteilungen der Banken
größere Einnahmen an Provisionen, und auf das gleiche Konto
war auch der Nutzen zu buchen, den sich die Banken für die
Überlassung von Krediten für die Zwecke der Ausführung von
Heereslieferungen und die Abwicklung von Import- und Export-
geschäften vorbehalten hatten. An -den Effektenkonten wurden
namhafte Abschreibungen vorgenommen und ihre Miijderbewertung
erfolgte auch aus dem Grunde, weil die Banken derart die stillen
Reserven am leichtesten bilden konnten. ,VorJCriegsausbruch war eine?
recht rege Emissionstätigkeit zu beobachten gewesen, die während
des Krieges zum Stillstande kam, so daß nicht einmal bereits
erteilte Kotierungsbewilligungen ausgenützt wurden. Das Pfand-
brief- und Hypothekengeschäft war bei Beginn des Jahres 1914,
begünstigt durch die Nachfrage nach fest verzinslichen Werten,
ein recht teges gewesen. Mit Kriegsausbruch mußten aber die
Darlehehsgewährungen ganz eingestellt werden, und' die Annui-
tätenrückstände nahmen beträchtlich zu. Während die Banken
förmlich in Geld schwammen, die allgemeine Geldflüssigkeit wuchs,
war es fast unmöglich, Hypothekar- und Baukredite aufzutreiben,
und dieser Zustand hielt bis gegen Ende des Jahres 1915 an.
Mit einem Schlage war die Baukonjunktur abgerissen, bereits
gewährte Baukredite wurden nach Kriegsausbruch gekündigt und
die Umwandlung des kurzfristigen Baukredites in den Hypothekar-
kredit war so gut wie ausgeschlossen. Warum die Banken in den
* damaligen Zeiten das notleidende Baugewerbe nicht unterstützten,
ist nicht recht erklärlich. Es ist bekannt, daß Bauunternehmer
gerne bereit waren, 15 Prozent und mehr für Baukredite zu zahlen,
daß es aber nicht möglich war, für diese Zwecke Gelder
zu erhalten. Erst spät im Jahre 1915 erinnerte man sich, daß die
Gewährung von Bau- und Hypothekarkrediten kein so riskantes
Geschäft sei, wie es lange den Anschein gehabt hatte. Warum
die Banken es vorzogen, lieber ihre Gelder in den Kassen liegen
zu lassen, als daß sie es zu höchst vorteilhaften Bedingungen den
Baugewerbetreibenden zur Verfügung gestellt hätten, ist nicht
recht erfindlich. Allerdings muß man sagen, daß die Banken
keine Garantie hatten, daß der Baukredit, den sie einräumen
58 I^ic Banken
würden, in absehbarer Zeit von einem Hypothekarkredit, den sie
selbst doch nicht gewähren konnten, abgelöst werden würde. So-
lange der Absatz von Pfandbriefen stockte, hatte keine Bank die
Sicherheit, daß ein bestimmungsgemäß kurzfristiger Kredit, ^vie
es der Baukredit sein muß, durch den langfristigen Hypothekar-
kredit ersetzt werden könne. Immerhin wäre es wohl eines Ver-
suches wert gewesen, namhaftere Summen für Baukredite, als es
tatsächlich der Fall gewesen ist, zu bestimmen. Eine Änderung
in diesen Verhältnissen trat erst dann ein, als sich die Nachfrage
nach Grund und Boden zu regen anfing und auf dem Realitäten-
markte zahlreiche Umsätze zu stürmisch ansteigenden Preisen er-
folgten.
Schon in den ersten Monaten des Krieges ergaben sich im
Stande der Debitoren der Banken namhafte Verschiebungen. Ein-
zelne Industrien, die langjährige Schuldner gewesen waren, jetzt
aber durch die Kriegskonjunktur begünstigt wurden, begannen
mit der Abzahlung ihrer Verpflichtungen. Manche Gründung und
manche Beteiligung einer Bank, die bisher unter den zweifelhaften
Posten gestanden hatte, wurde hoch aktiv. Während die Effekten-
debitoren der Banken infolge der Schließung der Börse unbeweg-
lich blieben, konnten andere Schuldner ihre Verpflichtungen rasch
begleichen. Manche interessante Veränderung hat sich damals
in den Beziehungen der Banken zu ihrer Kundschaft vollzogen.
Industriegesellschaften und Unternehmer, die früher unter der
genauesten Kontrolle ihrer Bankverbindung standen, haben im*
Jahre 1914 und in noch stärkerem Maße im Jahre 1915 ihre
Selbständigkeit wieder erlangt und ihre Unabhängigkeit von der
Bankverbindung, zu der sie nicht mehr im Verhältnisse des Schuld-
ners, sondern des Gläubigers standen, entschieden betont.
Die Bankbilanzen des Jahres 1915 boten ein ganz anderes Bild
als jene des Vorjahres. Verschwunden war jeder Kleinmut, die
Notwendigkeit zur Vornahme interner Reservierungen war e<it-
fallen, man konnte sogar daran denken, früher angelegte Reserven
zur Auflösung zu bringen. Die CHvidenden wurden rasch wieder
auf den Stand gebracht, den sie vor Ausbruch des Krieges ver-
zeichneten, und bei einzelnen Instituten gingen sie über das Aus-
Die Banken 59
maß des letzten Friedensjahres noch hinaus. Von den großen
Wiener Banken haben bloß der Wiener Giro- und Kassenverein
und die Depositenbank die gleiche Dividende wie für das Jahr 1914
zur Verteilung gebracht, alle anderen Banken haben die Aus-
schüttungen an die Aktionäre erhöht. Es iwaren Mammutbilanzen,
welche die Wiener Kreditinstitute für das Jahr 1915 veröffent-
lichten. Wenn man die Gründe untersucht, welcHe das gewaltige
Anschwellen der Umsätze herbeiführten, so kann man folgende
Charakteristik der Bankbilanzen des Jahres 1915 geben: Die
kaufmännischen Kredite kamen immer mehr in Wegfäll, denn
die Wareneinfuhr bedurfte nur eines Bruchteiles jener Summen^
die in Friedenszeiten für sie erförderiich waren. Wenn ein
Kaufmann Waren aus dem Auslande einführte, so hatte er
es nicht nötig, sie erst lange Zeit einzulagern und sie belehnen
zu lassen, sondern er war sicher, daß sie ihm in der kürzesten
Zeit mit Nutzen abgenommen würden. Den Kredit, den er von
seiner Bank zu diesem Zwecke inl Anspruch nahm, konnte er sehr
bald zurückzahlen. Überdies -zeigte es sich immer mehr, daß sich
für die Wareneinfuhr aus dem Auslande kapitalskräftige Kon-
sortien bildeten, die mit raschem Umsätze und größeih Nutzen
arbeiteten und deren Mitglieder zum Teile die Banken und ihre
Geschäftsfreunde waren.
An die Stelle der Gewährung kaufmännischer Krediie trat die
Belehnung der gezeichneten Kriegsanleihe für die eigene Kund-
schaft sowie die Voreinzahlungen auf kommende Anleihen der
Finanzverwaltung. Unaufhaltsam strömte den Banken im Jahre 1915
das Geld zu, und dadurch läßt sich die gewaltige Vermehrung der
Einlagen, die bei den Wieher Großbanken im zweiten Kriegs-
jahre eine Milliarde Kronen überstieg, erklären. Wenn die Kriegs-
anleihen nicht gewaltige Summen gebunden hätten, so wäre es
für die Banken sehr schwer gewesen, eine entsprechende Ver-
wertung ihrer Gelder zu erzielen. Der Wiener Giro- und Kassen-
verein bemerkte in seinem Geschäftsberichte, daß er, für das
ganze Jahr berechnet, im Eskompte eine Verwertung seiner
eigenen Mittel mit nur durchschnittlich 3,91 Prozent erzielen konnte,
während er im Vorjahre noch ein Erträgnis von 5,67 Prozent heraus-
50 I^ic Banken
gewirtschaftet hatte. Im Report verwertete er seine Gelder mit
durchschnittlich 5,28 gegen 6,81 im Jahre 1914. Die Geschäfts-
berichte und die Bilanzen der Banken gewährten auch interessante
Rückschlüsse auf die Beschäftigung der Industrie, soweit sie den
Banken nahesteht. Der Krieg hat die Industrien in drei Gruppen
geteilt. Zur ersten gehören jene Unternehmungen, welche die
für unmittelbare militärische Ausrüstung in Betracht kommenden
Gegenstände liefern. Es sind dies die Waffen- und Munitions-
fabriken. Sie alle hatten schon vor dem Kriege durch die ver-
mehrte Rüstungstätigkeit aller europäischen Staaten einen guten
Geschäftsgang und traten während des Jahres 1Q15 in eine
glänzende Konjunktur ein, die ihre Leistungsfähigkeit voll £n An-
spruch nahm und ihnen überreiche Gewinne zuführte. Der zweiten
Gruppe gehören jene Industrien an, die mittelbar in den Dienst
des Krieges getreten sind, die Ausrüstungsgegenstände für die
Soldaten, Hilfsartikel für die Kriegsindustrie und das Material für
den sonstigen ärarischen Bedarf decken. Diese Gruppe umfaßt ,
die Eisen- und die Kohlenindustrie, die Waggon- und Lokomotiv-
fabriken, die Maschinenfabriken und die Bekleidungsindustrie. Die
Textilindustrie, welche vor dem Kriege zu einem schweren Sorgen-
kind der sie finanzierenden Bankinstitute geworden war, konnte
während des Jahres 1915 ihre ältesten Lagerbestände abstoßen,
die Wunden einer Überproduktion heilen. Sie hatte nur eine
Klage vorzubringen, daß sie nicht über das nötige Rohmaterial
verfügte, um mit Volldampf weiterarbeiten zu können. Die Baum-
wollspinnereien und -Webereien hatten, soweit sie Rohware be-
saßen, einen reichen Verdienst, und manche Aktien dieser Unter-
nehmungen, welche bei den Banken fast zur Gänze abgeschrieben
waren, kamen zu hohen Ehren. Die Lederindustrie und Wäsch>-
fabrikation, die Gummifabriken, die Kabel- und Elektrizitäts-
unternehmungen, die Konservenfabriken, die Mühlen- und Zucker-
industrie und die Zündhölzchenfabriken, die alle mehr oder minder
den Konzernen der Banken angehören, haben ihren Finanz-
instituten doppelte Gewinne gebracht. Einerseits stieg der Wert
der Aktien, welche die Banken in ihren Beständen hatten, anderer-
seits könnten die Banken aus den Zinsen und den Provisionen,
Die Banken 0]
welche die Industrieunternehmungen für die Überlassung von.
Krediten oder* für die vorgesehene Gewinnbeteiligung bezahlen
mußten, reichen Nutzen ziehen. Es gibt aber auch eine dritte
Gruppe von Industrieunternehmungen, an denen die Banken inter-
essiert sind und die im Gegensatz zu den genannten zwei ersten
Gruppen durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogen wurden.
Alles, was mit der Bautätigkeit zusammenhing, die Zement- und
Ziegelfabriken, sind zumeist dividendenlos gebheben. Von den
Schiffswerften wurde mancher Betrieb durch den Kriegsausbruch
mit Italien schwer betroffen, die Schiffahrt ruhte und die Banken,
in deren Portefeuilles sich derartige Aktien befinden, mußten
auch die Rückseite der Kriegskonjunktur kennen lernen. Im all-
gemeinen waren dies aber nur Ausnahmsfälle und der Krieg
hat der österreichischen Industrie und den ihnen nahestehenden
Banken im Jahre 1915 überraschend große Verdienstmöglichkeiten
gewährt.
Die Tätigkeit, welche die Banken im Dienste der Kriegs-
anleihezeichnungen entfaltet haben, wird in dem Kapitel aus-
einandergesetzt, welches die Begebung der Kriegsanleihen be-
handelt. In den Wochen, in denen sich die Emission der Kriegs--
anleihen vollzog, waren die Bureaus der Banken Agitationslokale
für die Zeichnungen. Jede Bank setzte ihren Stolz darein, mög-
lichst hohe Zeichnungen zu erlangen. Es begann ein Wettlaufen
beim Publikum um die Zeichnungen. Durch Plakate, durch ge-
druckte Zirkulare^ durch Entsendung von Beamten, durch Licht-
reklame, durch Anzeigen in den Zeitungen veraiilaßten die Banken
das Publikum und die ihnen nahestehenden Unternehmungen,
ihre patriotische Pflicht bei der Zeichnung auf die verschiedenen
Kriegsanleihen zu erfüllen. Die Eifersucht der Banken hatte das
Gute, daß keine bei den Zeichnungen, die bei ihr angemeldet
wurden, hinter den Ziffern zurückbleiben wollte, die eine andere
Bank gleichen Ranges aufwies.
Die Kriegsanleihezeichnungen haben den Banken namhafte Ge-
winne zugeführt, denn dadurch, daß das Publikum einen Teil
der gezeichneten Anleihen belehnen ließ, daß es andere Effekten
veräußerte, haben die Banken bei den Milliardenbeträgen, die in
62 Die Banken
Bewegung gesetzt wurden, große Einnahmen auf Zinsen und
Provisionskonto verbuchen können. Auch für eigene Rechnung
haben die Banken Zeichnungen für viele hunderte Millionen vor-
genommen. ;Sie konnten dies auä dem Grunde tun, weil die Geld-
flussigkeit ihnen die Verfügung über ständig wachsende Beträge
gab und sich auch der Wunsch der Finanzverwaltung in der
Richtung kundgab, daß die Banken größere Beträge der Kriegs-
anleihen übernehmen sollten. Es ist bezeichnend für die Situation
des Geldmarktes, daß die Höhe der Einlagen bei den Banken
während der Kriegszeit fortwährend gewachsen ist. Hieran
konnten die Abhebungen, die das Publikum zum Zwecke der
Zeichnungen vornahm, ebensowenig ändern, wie die bedeutenden
Effektenkäufe, die seitens der Banken in Industriewerten für Rech-
nung der Kundschaft zur Ausführung gelangten. Zu der Tat-
sache, daß die Guthaben auf Einlagebücher bei den Banken
ständig wuchsen, hat sicherlich das unbegrenzte Vertrauen des
.< P4iblikunis zu den Kreditinstituten beigetragen. In einem ge-
wissen Maße, wurden hiervon aber die Sparkassen berührt, deren
eigentliche Geschäftstätigkeit es doch ist, Beträge zu nutzbringen-
der Verzinsung zu sammeln, die nach ihrem Ausmaße und nach
- der Person der Einleger nicht zu den Banken gehören. Vor
mehrjeren. Jahren hat die österreichische Finanzverwaltung den
Banken' das Zugeständnis gemacht, daß sie auch Spareinlagen zur
..Gutschrift auf einem Einlagebuche entgegennehmen können. Diese
Maßnahme ist damals sehr angefochten worden, denn erfahrene
Männer der Theorie und der Praxis erkannten ganz richtig, daß,
wenn Sparkassen und Banken Einlagebücher ausgeben, der An-
reiz, den das Sparbuch der Bank besitzt, ein größerer sein wird.
Die Banken sind bei der Verwendung der Beträge, die bei ihnen
eingelegt werden, nicht an so enge gesetzliche Bestimmungen ge-
bunden, wie die Sparkassen und können daher höhere Zinsen
g^ben und dann entwickeln sich bald, vom Einlagebuch aus-
gehend, geschäftliche Beziehungen zwischen der Bank und dem
Sparer. Die Staatsverwaltung hat damals den Ausweg gewählt,
daß die erste Einlage auf einem Sparbuch der Banken mindestens
100 Kronen betragen müsse und geglaubt, damit den Zuzug ge-
Die Banken 63
wisser Schichten von der Benützung der Spareinrichtungen der
Banken abzuschneiden. Tatsächlich hat es sich aber besonders
in der Provinz gezeigt, daß es an Möglichkeiten nicht fehlt, diese
Bestimmung zu umgehen.
Die Bankbilanzen des Jahres 1916 übertrafen noch die be-
reits glänzenden Ergebnisse des Jahres 1915. Im Geschäfte der
Banken und in der Anlage ihrer Rechnungsabschlüsse hatten sich
durch den fortschreitenden Liquidationsprozeß der Volksvv^irtschaft
durchgreifende Änderungen ergeben. Äußerlich kommt dies auch
darin zum Ausdrucke, daß fast alle Banken ihr Aktienkapital er-
höht haben, und die wenigen Institute, die es nicht taten, haben
die Kapitalserhöhungen im Laufe des Jahres 1917 nachgeholt.
Das Zuströmen fremder Geldmittel nahm solche Formen an, daß
es den Banken geraten erschien, das eigene Kapital zu erhöhen,
um ein besseres Verhältnis zwischen den eigenen und fremden
Mitteln herzustellen. Das eigene Kapital sind die Reserven, auf
die man sich unbedingt verlassen kann, und die es ermöglichen,
auch bei Rückziehungen von Guthaben ohne Schwierigkeiten und
Krediteinschränkungen das Auslangen zu finden. Während des
Krieges hab^n die fremden Gelder bei allen Banken eine un-
gewöhnlich starke Vermehrung erfahren. Der Ausverkauf der
Warenbestände, die Rückzahlung gewährter Kredite seitens der
Industrie, die ungemein vermehrte Notenausgabe, das Aufhören
des Kreditgeschäftes und der Umstand, daß die Ein- und Aus-
fuhrverbote für die flüssigen Kapitalien nur geringe Verwendungs-
möglichkeiten offen ließen, machten die Zunahme der fremden
Gelder bei den Banken erklärlich. Aut:h die Tatsache darf nicht
außer acht gelassen werden, daß Zeichnungen auf die Kriegs-
anleihen unter starker Inanspruchnahme der Bielehnungsmöglich-
keiten von Leuten vorgenommen wurden, die zweifellos im Be-
sitze der Mittel gewesen sind, die Kriegsanleihen sofort bar zu
bezahlen-, Dadurch aber, daß es ihnen in vielen Fällen vorteil-
hafter schien, die gezeichnete Anleihe belehnen zu lassen und
ihr Geld anderweitig zu verwerten, haben sie zur Vermehrung
des Notenumlaufes mit allen seinen Folgen auf dem Geldmarkte
beigetragen. Die Banken begannen im April und Mai 1916 mit
^4, Dic' Banken
den Vorbereitungen zu ihren Kapitalserhöhungen. Damals, vor
Ankündigung der großen russischen Offensive, bestand in finan-
ziellen Kreisen vielfach die Ansicht, daß der Friede in unmittel-
bare Nähe gerückt wäre. Banken und Industrieunternehmungen
schritten zu Kapitalserhöhungen, von der Erwägung ausgehend,
daß nach Beendigung des Krieges der Geldmarkt ein wesentlich,
anderes Bild bieten würde. Auch der Umstand war bestimmend,
daß, wenn einmal ein Institut die Bahn der Kapitalserhöhung be-
schritt, andere Banken ihm notgedrungen folgen mußten, denn
die gegenseitige Eifersucht erstreckte sich auch darauf, daß
sich in Bezug auf die Höhe des Aktienkapitales keine Ver-
schiebungen ergäben, welche die „soziale Stellung" des eigenen.
Institutes beeinflussen könnten. Im zweiten Semester 1916. hat
zwar das Börsengeschäft geringere Mittel in Anspruch genommen,
als es im Jahre 1915 und im ersten Semester 1916 der Fall ge-
wesen war. Es schien vorübergehend, als ob die Börsenbewegung
in ruhigere Bahnen überlenken würde. Auch die Be^lehnung von
Waren nahm bei den Banken ab, denn große Lager waren nur
jn wenigen Industriezweigen vorhanden und gingen dann ver-
hältnismäßig rasch wieder in den Konsum über. Die Industrie
hatte neue Kredite nur in vereinzelten Fällen nötig, w^nn sie um-
fangreiche ärarische Bestellungen übernahm oder zu einer Er-
weiterung ihrer Anlagen schritt, die sie aus den eigenen Gewinnen
und Mitteln nicht decken konnte. Aber das waren Ausnahmen.
Immer mehr verschwand der Warenwechsel aus dem Verkehre, der
Privatdiskont hielt sich andauernd unter dem Satze von zwei Pro-
zent, dagegen konnten und mußten die Banken die größten Be-
träge der Staatsverwaltung zur Finanzierung des Krieges zur Ver-
fügung stellen. Das Emissionsgeschäft war bei den Banken seit
vielen Jahren nicht so rege gewesen, wie im Jahre 1916. Die
ältesten Ladenhüter wurden zu glänzenden Kursen verl^auft. Der
Aktienhunger des Publikums war kaum zu befriedigen.
Fast alle Banken haben im Jahre 1916 ihre Dividenden erhöht
und verzeichneten bessere Ergebnisse als im Friedensjahr 1913.
Dabei hat sich die innere Situation der Banken wesentlich ge-
kräftigt. Durch den hohen Agioerlös, der bei der Ausgabe junger
Die Banken 65
Aktien erzielt wurde, sind die offenen Reserven gestärkt worden.
EHe stillen Reserven haben eine noch weit erheblichere Ver-
mehrung erfahren. Die Kriegsreserven, die bei Beginn des Krieges
angelegt wurden, konnten aufgelöst werden, die Kurssteigerung
der Effekten ermöglichte ungeahnt hohe Rücklagen, und es ist
kein Geheimnis, daß einzelne Banken das doppelte von dem ver-
dienten, was sie ausgewiesen haben. In allen Bankbilanzen ist
der Rückgang des Wechselportefeuilles charakteristisch, denn der
Warenwechsel verschwand immer mehr. In der Zusammensetzung
der Debitoren ergaben sich gleichfalls starke Verschiebungen. Die
kaufmännischen 'Debitoren sind durch den Liquidationsprozeß der
Wirtschaft und durch die Rückzahlung eingeräumter Kredite an-
haltend vermindert worden. Dagegen haben sich die Effekten-
debitoren stark vermehrt. Sie beinhalten die Vorschüsse, welche
die Banken auf die gezeichnete Kriegsanleihe gewährten, sie um-
fassen aber auch jene Summen, die dem Publikum zur Durch-
führung seiner Börsengeschäfte zur Verfügung gestellt wurden.
Diese Aktienkäufe sind aber in wesentlich höherem Maße als es
je früher der Fall gewesen ist, mit voller oder mit sehr hoher
Deckung durchgeführt worden, und sie erklären auch den
kräftigen Widerstand, den das Publikum bei zeitweiligen Ab-
schwächungen der Börsen dem Rate, seine Engag^ements zu lichten^
entgegensetzte. Im Jahre 1916 haben die'Banken, da die Einfuhr-
verbote noch nicht voll erlassen worden waren, sich am Handel
mit Lebensmitteln und am Warenimporte aus dem Auslande mit
großem Nutzen beteiligt. Einzelne Banken haben ihre Waren-
abteilungen erweitert und dieses Geschäft erst im Jahre 1917
eingestellt. Damals setzte in der Öffentlichkeit eine starke Be-
wegung gegen die Beteiligung der Banken am Handel mit Lebens-
mittel ein. Einzelne Banken hatten in nicht genügend vorsich-
tiger Wpise Kommitenten Kredite eingeräumt, welche diese dazu
benützten, um Waren aufzukaufen, sie einzulagern und auf ein
weiteres Ansteigen der Preise zu warten. Die eine oder die
andere Bank hatte sich an diesem Treiben sogar direkt beteiligt,
und es begann eine systematische Hetze gegen alle Banken. Diese
Bewegung nahm solch heftige Formen an, daß jene Banken, die
MfiUer, Die finanzielle Mobilmachung Österreichs. 5 .
56 I^ic Banken
das Warengeschäft betrieben hatten, dasselbe einer genauen
Überprüfung unterzogen und alles ausschieden, was weitere Ver-
anlassung zur öffentlichen Kritik geben konnte. Es kam so weit,
daß Banken sich mit der Finanzverwaltung ins Einvernehmen
setzten, bevor sie auf Waren Vorschüsse gewährten,, zumal die
schweren gesetzlichen Strafen, die auf Preistreiberei und ihre
vielleicht auch unbeabsichtigte Unterstützung gesetzt wurden, es
jeder Bank und jedem Leiter nahe legten, schon im eigenen
Interesse die größte Vorsicht walten zu lassen.
Das Jahr 1917, dessen Bilanzergebnisse noch nicht vorliegen,
stand im Zeichen einer vollen Konjunktur der Banken. Mehr
noch als in den vorangegangenen Jahren hatten sie die Mittel,
über die sie verfügten, der Staatsverwaltung zur Finanzierung der
Kriegsführung zur Verfügung gestellt. Die Emission der Kriegs-
anleihen, Vorschüsse und Voreinzahlungen auf kommende An-
leihen gaben ihnen die Möglichkeit, die Gelder, die bei ihnen
zusammenflössen, nutzbringend zu verwerten. Dazu kam noch
eine glänzende Stimmung an den Börsen, die es ihnen er-
möglichte, Neuemissionen zu ungeahnt hohen Preisen durch-
zuführen und die geringen Bestände an alten Effekten nutzbringend
zu verwerten. Die meisten Banken nahmen Kapitalserhöhungen
vor, um sich für die Friedensarbeit zu rüsten. Die Expansions-
bestrebungen der ungarischen Geld- und Kreditinstitute, die fort-
laufend Kapitalserhöhungen beschlossen, mußten schon aus pari-
tätischen Gründen eine gleiche Bewegung in Österreich aus-
lösen. Eine sehr bedeutende Steigerung der Einnahmen haben
sich die Banken auch durch eine ausgiebige Erhöhung der Pro-
visionssätze verschafft und damit die erhöhten Personalauslagen
und Steuern weit mehr als wettgemacht. Das Jahr 1918 begann
auf dem Bankenmarkte mit einer Reihe neuer Kapitalserhöhungf n,
deren Notwendigkeit von manchen Seiten bestritten wird, sich
aber mit der Erwartung rechtfertigen läßt, daß die kommende
Friedenszeit sehr hohe Ansprüche an den Geldmarkt bringen
dürfte. Die lange zurückgehaltenen wirtschaftlichen Expansions-
kräfte streben auf allen Gebieten nach Betätigung. Bei der Be-
Die Sparkassen 67
Schaffung von Roh- und Halbfabrikaten, bei dem Aufbau der
Kriegsgebiete und der Neuerschließung des Balkan werden die
heimischen Banken reiche Arbeit finden.
Die Sparkassen.
Nach Eintritt des Kriegszustandes standen die Sparkassen vor
ernsten Fragen. Der Rückgang der festverzinslichen Werte,
zu deren Erwerbung die Sparkassen nach den gesetzlichen Be-
stimmungen verpflichtet waren, traf sie ungemein hart, während
sich ihnen Gewinnmöglichkeiten, die sich den Banken bald
boten, erst viel später eröffneten. Der Ansturm der Einleger,
der sich sofort nach Kriegsausbruch bei allen Geldinstituten
einstellte, machte auch vor den Sparkassen nicht Halt, und
namentlich in den ersten Tagen gelangten sehr bedeutende
Summen zur Abhebung. So wurden z. B. bei der Ersten
österreichischen Sparkasse in der kritischen Zeit vom 27. Juli
bis 5. August 1914 durch 30 000 Parteien etwa 17 Millionen
Kronen Einlagen zurückgezogen. Immer wieder tauchten die un-
sinnigen Gerüchte auf, der Staat würde in dem Drange nach Bar-
geld die Einlagen der Sparkassen mit Beschlag belegen und für
seine Zwecke verwenden. Aber nach wenigen Tagen stellte sich
eine gewisse Beruhigung ein, und wo dies nicht der Fall war,
verhinderte die Erlassurig des Moratoriums die Ausführung der
Absicht mancher Einleger, ihre Guthaben plötzlich zur Gänze
zurückzuziehen. Um eine weitgehende Beunruhigung der Einleger
in den Städten und auf dem flachen Lande zu verhindern, hatte die
Österreichisch-Ungarische Bank im Einvernehmen mit der Finanz-
verwaltung Vorsorge getroffen, daß den Sparkassen Mittel zur Be-
friedigung der außerordentlichen Ansprüche zur Verfügung gestellt
würden. Die Stundung privatrechtlicher Forderungen hatte auch
hinsichtlich des Rückforderungsrechtes gegenüber den Sparkassen
wesentliche Einschränkungen herbeigeführt. Die Sparkassen
brauchten daher nur allmählich, soweit eben der Abbau des Mora-
6S Die Sparkassen
toriums fortschritt, sich die Mittel zu verschaffen, die sie für Räck-
zahlungszwecke benötigten. Die Belehnung der hierzu erforder-
lichen Wertpapiere konnte sich in aller Ruhe vollziehen und die
Gefahr eines Runs war gebannt Es zeigte sich auch bald, daß die
Einleger, nachdem der erste Schreck überwunden war, Vertrauen
faßten und Beträge, die sie abgehoben hatten, den Sparkassen
wieder zur Verfügung stellten. Mehrfach ist aber eine Abwande-
rung der Einlagen von den Sparkassen zu den Banken erfolgt,
und diese Bewegung hat während der ganzen Kriegszeit an-
gehalten. Die großen Sparkassen wurden hiervon nicht berührt,
dagegen aber kleinere und mittlere Institute, zumal die Banken
höhere Zinsen vergüteten.
Als. die erste Kriegsanleihe im Jahre 1914 in Vorbereitung
stand, wurden die Sparkassen verhalten, den Einlegern jene
Beträge zur Verfügung zu stellen, welche diese zum Zwecke der
Zeichnung auf die Anleihe benötigten. Infolgedessen erfolgten
nennenswerte Abhebungen bei den Sparkassen, und das Finanz-
ministerium sah sich genötigt, die Anordnung zu treffen, daß
die Kriegsdarlehenskasse den Sparkassen Darlehen auch gegen
Verpfändung von pupillarsicheren Hypothekarforderungen zu ge-
währen habe.
Auf dem Gebiete des Sparkassenwesens wurden während der
Kriegszeit seitens der Staatsverwaltung eine Reihe von Verord-
nungen erlassen, die in zwei Gruppen zerfallen. Die einen hatten
den Zweck, die Organisation der Sparkassen in den Dienst der
Hilfsaktion für die kleinen Handels- und Gewerbetreibenden zu
stellen, die anderen wieder sollten den Sparkassen die Geschäfts-
führung erleichtern und die Möglichkeit bieten, die Verluste, welche
sie au ihrem Besitze an festverzinslichen Werten schon im Frieden
erlitten hatten und die sich nach Kriegsausbruch vorübergehend
verschärften, im Laufe der Zelt zu decken. Um wirtschaftliche Stö-
rungen der kleinen Gewerbsleute und Handelstreibenden auf dem
flach^fi Lande und in Provinzstädten zu verhindern, mußte getrach-
tet werden, diesen Schichten der Bevölkerung die Erlangung von
Personalkredit zu erleichtern, den sie in der Kriegszeit besonders
schwer finden konnten. Zu diesem Zwecke wurde den Spar-
Die Sparkassen 69
kassen die Erlaubnis erteilt, eigene Vorschußabteilungen für Per-
sonalkredit zu errichten bzw. die Dotation bereits bestehender
Vorschußabteilungen zu erhöhen. Sie durften, was früher ver-
boten war, selbst auf Rechnung des Einlegerfonds kleine Personal-
kredite gewähren. Die Österreichisch-Ungarische Bank erklärte
sich bereit, Wechsel kleiner Qewerbsleute und Handelstreibender
über empfangene Darlehen bis zu 400 Kronen ohne jene Super-
deckung zu eskomptieren, falls sie von den Sparkassen eingereicht
wurden.
Die Sparkassen hatten in den Jahren, welche dem Kriege voran-
gingen, sehr bedeutende Beträge im Hypothekargeschäft angelegt,
und waren zu dieser Geschäftspolitik besonders durch die Verluste,
welche sie an ihrem Besitze an festverzinshchen Werten erlitten
hatten, gedrängt worden. Es lag nun die Gefahr nahe, daß die Spar-
kassen, wozu sie auch nach den Moratoriumsbestimmungen das
Recht hatten, gegen rückständige Annuitätenschuldner strenge vor-
gehen würden. Dies nach MögUchkeit zu verhüten, ging den Spar-
kassen seitens der Verwaltungsbehörde die Weisung zu, daß sie,
soweit €s ihre eigene Vermögenslage zuließ, den Hypothekar-
schuldnern in allen Fällen nachweisbarer Rücksichtwürdigkeit so-
weit als möglich entgegenzukommen hätten. Insbesondere sollten
sie Schwierigkeiten ihrer Schuldner nicht dadurch verschärfen, daß
sie lediglich um eines eigenen höheren Gewinnes willen Zihsfuß-
erhöhungen durchführten und Kapitalskündigungen vornehmen.
Als die Zeit der Aufstellung der Bilanzen für das Jahr
1914 heranrückte, 'mußten sich sowohl die Leiter der Spar-
kassen als auch die Staatsverwaltung mit der Frage befassen, wie
die neuerlichen Kursrückgänge der Anlagewerte bilanzmäßig zum
Ausdruck gebracht werden sollten, ohne daß unerträgliche Stö-
rungen des ganzen Sparkassenhaushaltes herbeigeführt würden.
Eine Verständigung kam in der Richtung zustande, daß den Spar-
kassen aufgetragen wurde, in ihren Bilanzen die Einsetzung der
Wertpapiere höchstens zum (Geldkurse vom 25. Juli 1Q14, dem
letzten Börsentage, vorzunehmen. Da dieser Kurs aber keines-
wegs den wahren Wert dieser Effekten am Bilanztage darstellte,
wurde den Sparkassen bedeutet, daß sie den seit der letzten offi-
70 I^ic Sparkassen
ziellen Kursnotiz eingetretenen Wertverminderungen in folgender
Weise Rechnung tragen sollten : Die Kursverluste sind zunächst aus
etwa noch vorhandenen Kursreserven zu decken und der nicht
gedeckte Betrag kann, sofern die Sparkassen es nicht vorziehen,
ihn aus den laufenden Erträgnissen bzw. durch Abschreibungen
aus den allgemeinen Reservefonds zu begleichen, als Äktivum
vorgetragen werden. Für die Tilgung dieser als Aktivum vor-
getragenen Kursverluste wurde eine Frist bis zum Jahre 1922
gewährt.
Die Kundschaft der Sparkassen steht nach ihrer finanziellen
Bildung nicht auf der Höhe der Kundschaft der Banken und daher
war ihr vielfach die Art der Zeichnung auf die Kriegsanleihe,
wie sie die Bankenkundschaft vornahm, nicht einleuchtend.
Während die Bankenkundschaft bei ihren Zeichnungen von den
Bevorschussungsmöglichkeiten umfassenden Gebrauch machte,
haben die Einleger der Sparkassen von diesen Erleichterungen
weniger Nutzen gezogen. Sie wollten vielfach, wenn sie Kriegs-
anleihe zeichneten, dieselbe effektiv besitzen und sich nicht mit
einer Bestätigung über die Belehnung der gezeichneten Stücke be-
gnügen. Infolgedessen hatten alle Sparkassen zum Jahresabschlüsse
1914 sehr erhebliche Rückgänge des Einlagenstandes aufzu-
weisen, zumal noch immer Thesaurierungsbestrebungen bestanden.
Während die jährliche Zunahme der Einlagen bei den öster-
reichischen Sparkassen in den Jahren 1901 bis 1913 immer eine be-
deutende war und in Millionen Kronen: 183, 255, 213, 205, 174,
156, 173, 317, 123, 325, 315, 56, 103 betragen 4iatte, ist der Rück-
gang des Einlagenstandes der österreichischen Sparkassen mit.
Ausschluß jener in Galizien und der Bukowina für das Jahr 1914
auf 1,2 Millionen Kronen veranschlagt worden. Im Jahre 1915
haben die wiederholten Kriegsanleihen den Sparkassen neuerlich
große Mittel entzogen und verhindert, daß der Einlagenstand
die Höhe vor Kriegsausbruch erreichte. Im ersten Semester des
Jahres 1916 machte 'abier der Erholungsprozeß bei den Sparkassen
bereits raschere Fortschritte und die Spargelder haben einen sehr
hohen Stand erreicht. Nur bei wenigen Instituten war der Ent-
gang der Jahre 1914 und 1915 noch nicht zur Gänze hereingebracht
Die Sparkassen
71
worden. Die Bewegung der Einlagengelder bei großen öster-
reichischen Sparkassen während der Kriegszeit ist aus nachfolgen-
der Zusammenstellung ersichtlich:
Name des
Instituts
stand Stand
am am
30. VI. 31. XII.
1914 1914
Stand Stand Stand Stand Stand Stand
Postsparkasse . 195,6
Erste österr.
Sparkasse . . 544,4
Zentralsparkasse
der Gemeinde
Wien .... 184,2
Neue Wiener
Sparkasse .
Kommunal-Spar-
kassen :
Rudolfsheitn
Hernais . .
Währing .
Floridsdorf
Döbling . .
Böhm. Sparkasse 261,1
Linzer AUgem.
Sparkasse . • 104,9
50,6
85,2
68,7
45,3
20,4
12,6
169
158,9
43,4
73,7
61,7
40
18,8
10,7
250,3
am
72,1
57,5
40,8
17,7
71,5
57,2
40,3
18,4
76,8
61,1
46,2
19,2
84,9
64,6
49,7
20,9
90,4
72,9
55,2
22,5
253,3 256,5 276,9 293,1 312
am
am am am am
30. VI. 31. XII. 30. VI. 31. XII. 30. VI. 31. XII.
1915 1915 1916 1916 1917 1917
in Millionen Kronen
179,6 198,4 214,9 226,1 251,6 281,9
517,9 530,5 540,7 581,8 616,4 652,2 688,3
163,7 173,3 194,9 210,8 234,2 250,3
43,7 44,9 56,4 67,6 68,6 78,5
100
80
59,5
26
10,6 10,6 11,2 12,2 13,3 15,4
96,4 96,3 94,3 99,6 107,9 112
326
114
Aus dieser Tabelle ist zu entnehmen, daß es den Sparkassen nicht
früher als im ersten Semester des Jahres 1916 möglich gewesen ist,
die aufsteigende Bewegung ihres Einlagenstandes, welche durch
den Ausbruch des Krieges unterbrochen war, fortzusetzen. Dann
aber wuchsen die Einlagen bei den Sparkassen in rascher Folge
und das Jahr 1917 brachte namentlich, den großen Instituten
Rekordziffern in der Einlagenbewegung.,
Die Sparkassen konnten dem Hypothekargeschäfte im HinbUck
auf die erforderliche Qeldflüssigkeit in den kritischen Zeiten der
Jahre 1914 und 1915 neue Mittel nur sehr spärlich zuwenden.. Die
Wiener Sparkassen haben solche Darlehen überhaupt nur für die
Zwecke, der Kriegsanleihezeichnung gewährt. Diese Tatsache
geht auch aus den geringen Veränderungen hervor, welche sich
72 I^ic Kriegsdarlehenskasse
im Stande der Hypothekardarlehen bei den Wiener Sparkassen
seit dem 30. Juni 1914 vollzogen haben:
-, . . .... 'Stand am Stand am
Name des Instituts: 3^ ^, ^g^^ 3, ^n. 1917
Erste österreichische Sparkasse . . . 318,7 326,3
Zentralsp^rkasse der Gemeinde Wien 94,5 98
Kommunalsparkassen :
Rudolfsheim 59,9 56,5
Hernais 47,6 45,2
Währing 33 32
Döbling 9 8,5
Die verfügbaren Einlagenbestände wurden zu kurzfristigen mo-
bilen Anlagezwecken, hauptsächlich aber zur Zeichnung auf die
Kriegsanleihen verwendet, zumal die Spannung zwischen dem
Vergütungssatze an die Einleger und den hohen Zinsen der Kriegs-
anleihen, welche die Sparkassen in großen Posten erwarben, ihnen
bedeutende Zwischengewinne erbrachte.
Die Kriegsdarlehenskasse.
Durch eine kaiserliche Verordnung vom 19. September 1914
wurde in Österreich die Kriegsdarlehenskasse ins Leben gerufen.
Für ihre Errichtung war die in vielen Produktionszweigen ein-
getretene Absatzstockung und die erschwerte Möglichkeit, Außen-
stände einzutreiben, bestimmend gewesen. Die kaufmännischen
Kreise traten daher an . die Regierung mit der Anregung heran>
dem im Deutschen Reiche gegebenen Beispiele zu folgen und Dar-
lehenskassen zu schaffen.
Die österreichische Kriegsdarlehenskasse wurde der Verwaltung
der Österreichisch-Ungarischen Bank übertragen, welche die Ge-
schäfte unter Aufsicht des Finanzministers sowie unter Mit-
wirkung der von diesem bestellten staatlichen Funktionäre führt.
Der Betrieb der Darlehenskasse wird auf Rechnung des Staates
besorgt, die Kosten der Verwaltung der Kasse und ihrer Ge-
Schäftsstellen, sowie etwa sich ergebende Ausfälle sind in erster
Linie aus den Erträgnissen zu bestreiten. Zum Zwecke der Be-
Die Kriegsdarlehenskasse \ 73
Schaffung der zur Darlehensgewährung erforderlichen Geldmittel
erhielt die Kriegsdarlehenskasse die Ermächtigung, unverzinsliche
Kassenscheine für den ganzen Betrag der zugezählten Darlehen
auszugeben. Diese Kassenscheine werden von allen staatlichen
Kassen und Ämtern sowie von der Österreichisch-Ungarischen
Bank bei allen Leistungen, die nicht in klingender Münze zu
bestreiten sind, in Zahlung und Verwechslung genommen. Im
Privatverkehr ist niemand zur Annahme dieser Kassenscheine ver-
pflichtet. Der Höchstbetrag, der in Österreich zur Ausgabe ge-
langen kann, wurde mit 500000000 Kronen festgesetzt. Nach
dem Statute haben die Geschäftsstellen der Kasse Darlehen vor-
nehmlich zur ErmögUchung und Förderung des weiteren Betriebes
wirtschaftlicher Unternehmungen zu gewähren und darauf zu
achten, daß lediglich auf Spekulation gerichtete Absichten vereitelt
werden und eine eventuelle Schädigung von Gläubigern des Dar-
lehenswerbers durch die Verpfändung von Aktiven an die Kriegs-
darlehenskasse vermieden bleibe. Die Kriegsdarlehenskasse darf
Darlehen nur dann erteilen, wenn hierfür eine nach den Be-
stimmungen der kaiserlichen Verordnung entsprechende Sicher-
heit geleistet wird.
Bei Errichtung der Kriegsdarlehenskasse war angenommen
worden, daß sie für die Erteilung von Darlehen auf Waren stark
in Anspruch genommen werden würde. Tatsächlich hat es sich
aber gezeigt, daß die Ansprüche, welche an das Institut gestellt
wurden, sehr gering geblieben sind. Die Warenlager waren nicht,
wie es bei Ausbruch des Krieges für wahrscheinlich gehalten wurde,
Immobilisierungen des Vermögens, sondern die Absperrung der
Monarchie von den überseeischen Staaten und die erschwerte Zu-
fuhr aus den umliegenden neutralen Ländern bewirkte bald eine
sprunghafte Steigerung des Preises aller Warenvoräte und die
Möglichkeit zur raschesten Realisierung derselben. Es zeigte sich,
daß der Kreditbedarf, den die Kriegsdarlehenskasse berücksichtigen
sollte, namentlich jener der Industrie, billiger von den Banken
befriedigt werden konnte. Faßt man die Geschäftstätigkeit der
Kriegsdarlehenskasse für die Zeit von der Errichtung bis Ende
Dezember 1915, demnach für jene Periode, in der sie ihre Haupt-
74 ^^^ Knegsdarlehenskasse
tätigkeit entfalten sollte, an der Hand des von ihr erstatteten Berichtes
zusammen, so kommt man zu folgenden Jahresergebnissen: Mit
Jahresabschluß 1915 bestanden in Österreich 35 Geschäftsstellen
der Kriegsdarlehenskasse, die mit Ausnahme der Geschäftsstelle
Wien organisationsgemäß den Filialen der Österreichisch-Unga-
rischen Bank in den einzelnen Kronländern angegliedert waren.
Bei sämtlichen Geschäftsstellen wurden im ganzen bloß 9142 Dar-
lehensansuchen eingebracht und hiervon 8999 der Erledigung zu-
geführt. Von den zum Jahresschlüsse noch außenstehenden Dar-
lehen entfielen auf Beträge unter 1000 Kronen 2712, von 1000 bis
10000 Kronen 2815, über 10000 Kronen bis 100000 Krönen
wurden 888 und über 100000 Kronen bloß 98 Dariehen. Der
Geschäftsumsatz der Darlehenskasse betrug in der Zeit vom
12. Oktober 1914 bis 31. Dezember 1915 rund 231,27 Millionen
Kronen. Die Darlehenszuzählungen erfolgten gegen Verpfändung
von Wertpapieren jm Ausmaße von 140,77 Milliojien Kronen.
Gegen Verpfändung von Einlagsbüchern wurden Darlehen für
0,90 Millionen Kronen, gegen Waren Darlehen für 18,7 Millionen
Kronen gewährt. Hypothekarforderungen wurden mit 7,8 Millionen
Kronen belehnt. Aus diesen Ziffern geht deutlich hervor, daß die
Kriegsdarlehenskasse den Zweck, der bei ihrer Errichtung an-
gestrebt wurde, nicht erreicht hat. Man kann Ihr daraus keinen
Vorwurf machen, denn die wirtschaftlichen Verhältnisse gestalteten
sich weit besser, als man tasächlich bei Ausbruch des Krieges be-
fürchtet hatte. Der schon zu Beginn des Jahres 1915 einsetzende
flotte Absatz von Waren brachte eine rasche Liquidierung fast
des ganzen bezüglichen Darlehensstandes mit sich, so daß die
Höhe der Darlehen am 31. Dezember 1915 bis auf 105,36 Millionen
Kronen gefallen war. Sämtliche Darlehen wurden in Banknoten
zugezählt, und die Kassenscheine, zu deren Ausgabe das Insti-
tut berechtigt ist, dienten ausschließlich der Verrechnung zwischen
der Kriegsdarlehenskasse und der Österreichisch-Ungarischen Bank.
Die Waren, welche in der ersten Zeit nach Ausbruch des
Krieges verpfändet wurden, waren fast ausschließlich Erzeugnisse
der Zuckerindustrie. Diese stand damals am Beginn ihrer Kampagne
und war in ihrer normalen Exporttätigkeit behindert. Aber auch
Kriegskreditbanken 75
die Zuckerindustrie hat die Kriegsdarkhenskasse nur mit einem
Betrage von 16,84 Millionen Kronen in Anspruch genommen. Die
zweitgrößte Post in^der Liste der verpfändeten Waren bildeten
Holz und Erzeugnisse der Holzindustrie, die mit 0,79 Millionen
Kronen ausgewiesen wurden. Für alle Wären inklusive der Vor-
schüsse auf Zucker in der bereits erwähnten Höhe von 16,84 Milli-
onen Kronen wurden Darlehen für 18,73 Millionen Kronen ge-
währt. Den Grundstock der verpifändeten Einlagebücer bildeten
solche, die von Instituten, die in Galizien und der Bukowina an-
sässig sind, ausgegeben waren und deren Belehnung, da die be-
treffende Bank oder Sparkasse sich im Kriegsgebiet befand, an
anderer Stelle als bei der Darlehenskasse kaum durchführbar
gewesen wäre. Was die Belehnung von Hypothekarforderungen
betrifft, so ist sie zum Teil damit zu erklären, daß den Sparkassen
die Ermächtigung erteilt wurde, zur Sicherung des Einlagen-
rückzahlungsdienstes die von ihnen gewährten Hypothekarkredite
bei der Kriegsdarlehenskasse zu verpfänden. Im Jahre 1916 war
die Inanspruchnahme der Kriegsdarlehenskasse noch geringer ge-
worden. Der Geschäftsbericht für das Jahr 1916 besagt, daß
in seinem Verlaufe die aus der Kasse geschöpften Mittel sich
nur auf 62 Millionen Kronen beliefen. Der größte Teil der im
Jahre 1916 zugezählten Darlehensbeträge entfiel auf die Belehnung
von Wertpapieren.
Kriegskreditbanken.
Da die Kriegsdarlehenskasse sich statutengemäß nur mit der
Gewährung von Realkredit befassen konnte, kam sie für die
kleinen Handels- und Gewerbetreibenden, die auf Personalkredit
angewiesen waren, nicht in Betracht. Zu deren Kreditbefriedigung
wurden eigene Kassen, die Kriegskreditbanken, geschaffen, welche
teils den Charakter einer Selbsthilfeorganisation, teils den einer
öffentlichen Kredithilfe tragen. Zur ersteren Art zählen die Nieder-
70 Kriegskreditbanken
österreichische Kriegskreditbank, die Kriegsbank für Nordtirol,
die Wiener Mietdarlehenskasse, zur zweiten Gruppe gehören die
Galizische Kriegskreditanstalt, der Kriegskreditfonds in der Buko-
wina und die südliche Kriegskreditanstalt. Die wesentliche Funk-
tion dieser Kriegskreditanstalten besteht darin, daß sie mit Rück-
sicht auf die erlittenen Kriegsschäden mittelbare und unmittelbare
Vorschüsse aus Staatsmitteln erteilen, wobei lokale und autonome
Faktoren auf die Verteilung und Bemessung der Kredite ent-
scheidend mitwirken.
Das bedeutendste Institut der ersten Gruppe bildet die Nieder-
österreichische Kriegskreditbank, welche bestimmungsgemäß zur
Befriedigung des durch den Krieg verstärkten Kreditbedürfnisses
von Industrie, Handel und Gewerbe auf Veranlassung der Nieder-
österreichischen Handels- und Gewerbekammer errichtet worden
ist. Das Zustandekommen des Institutes wurde dadurch ermöglicht,
daß die Gemeinde Wien und die Niederösterreichische Handels-
und Gewerbekammer eine Ausfallsgarantie von insgesamt vier
Millionen Kronen übernahmen, während die Österreichisch-Unga-
rische Bank einen Reeskomptekredit im fünffachen Betrage des
eingezahlten Aktien- und Haftkapitals, somit im Maximalbetrage
von 33 Millionen Kronen, einräumte. Das Aktienkapital der Nieder-
österreichischen Kriegskreditbank betrug bei der Gründung am
28. Oktober 1914 6V2 Millionen Kronen und kann bis auf 12 Milli-
onen Kronen vermehrt werden. Die Aktien, sind bis zur Höhe von
vier Prozent Dividenden berechtigt, ein darüber hinausgehender
Ertrag ist einem patriotischen Zwecke zuzuführen. Das Ka-
pital der Gesellschaft ist von den Wiener Banken aufgebracht
worden, die auch durch ihre Direktoren in der Verwaltung ver-
treten sind. Gleich der Kriegsdarlehenskasse wurde auch die
Niederösterreichische Kriegskreditbank in sehr geringem Ausmaße
in Anspruch genommen. Im Jahre 1914/15, in welchem sie
eigentlich ihre Haupttätigkeit hätte entfalten sollen, wurden ins-
gesamt bloß 6,4 Millionen Kronen Kredite flüssig gemacht
und hiervon war der größte Teil, nämlich 5,4 Millionen
Kronen wieder zurückgezahlt. Die Kreditnehmer verteilten sich
derart, daß rund 30 Prozent der Metallwaren- und Maschinen-^
Kriegskreditbanken 77
rund 20 Prozent der Textil-, je 10 Prozent der Holz(Möbel)- und
Schuhwarenbranche angehörten, während der I^est verschiedenen
Geschäftszweigen entstammte. Ansuchen von kleinen Gewerbe-
treibenden, die keine genügenden Sicherheiten bieten konnten,
wurden der Niederösterreichischen Handels- und Gewerbekammer
zugewiesen, welche für- die Gewährung derartiger Kredite an
kleine Gewerbetreibende einen außerordentlichen Hilfsfond von
400 000 Kronen bestimmte. Der Niederösterreichischen Kriegs-
kreditbank wurde eine besondere Hilfsstelle angegliedert, die dem
Zwecke des Kunstgewerbes zu dienen hat. Eine teilweise Ver-
schiebung des Kreises der Kreditnehmer ,der Kriegskreditbank
ergab sich später dadurch, daß die Bank auch den mit Liefe-
rungen betrauten genossenschaftlichen Verbänden mit Krediten
beistand. Aber auch dann hielt sich ihre geschäftliche Tätigkeit
in engen Grenzen.
Bei Kriegsausbruch glaubte man auch, daß eine schwere Krise
auf dem ÄX'^ohnungsmarkte eintreten würde. Die Wohnungspreise
sind in Wien ungewöhnlich hoch, denn die Steuern und Zuschläge
nehmen dem Hausherrn fast die Hälfte des Mietzinses, den ihm
seine Parteien zahlen. Viele meinten, daß der Krieg nicht nur eine
Massenkündigung der Wohnungen im Gefolge haben würde, son-
dern daß auch die hohen Mieten, welche für Geschäftslokale seit
einer Reihe von Jahren in Wien verlangt werden, im Kriege nicht
getragen werden könnten. Dadurch, daß der Baugrund in den
Zentren, die für den großen Waren- und Geschäftsverkehr in Be-
tracht kommen, durch spekulative Bauten sehr stark verteuert
wurde, waren die Mieten aller Geschäftslokale in den letzten
Jahren namhaft gestiegen. Man befürchtete bei Kriegsausbruch
und bis in das Jahr 1915 hinein eine Erschütterung der Miet-
verhältnisse und glaubte, daß es notwendig sein würde, das durch
den Krieg verstärkte Kreditbedürfnis des Hausbesitzes und dessen
Interessen in Niederösterreich schützen zu müssen. Dies sollte durch
die im Mai 1915 errichtete Wiener Mietdarlehenskasse geschehen.
Die Ansprüche, welche an die Wiener Mietdarlehenskasse gestellt
wurden, sind verschwindend gering. Es wurden im ganzen
92 Gesuche auf einen Kreditbetrag von 1,14 Millionen Kronen
78 I^ic Kreditgenossenschaften
eingebracht. Im Verlaufe des Jahres 1916 wurde dagegen eine
„Hilfsaktion" für die Mieter eingeleitet, so daß Parteien, die einen
nach Städten abgestuften Mindestzins zahlen, bis Ende 1918 weder
gesteigert noch gekündigt werden dürfen. Ohne dieses Gesetz
wären seitens der Hausherren bei dem bestehenden Wohnungs-
mangel Massenkündigungen und Massensteigerungen vorgenommen
worden. Der geschützte Mietzins beträgt in Wien als Höchst-
grenze 3000 Kronen, in den anderen Städten ist er entsprechend
niedriger gehalten.
Die Kreditgenossenschaften.
Die Kreditgenossenschaften erfuhren im Kriege gewaltige
^ Hemmungen und es zeigte sich deutlich, daß die Durchsetzung
ihrer geschäftlichen Ziele auf Schwierigkeiten stieß. Der Produ-
zent konnte in vielen Fällen nicht das erzeugen, was er wollte
und wie er es wollte, sondern er erhielt Rohprodukte vom Staate
oder seinen Organen zugewiesen und durfte die ihm vor-
geschriebenen Waren nur in bestimmter Qualität und Quantität
Jierstellen. Auch die Beschränkungen des Handels haben eine
Abnahme der Kreditbedürfnisse der Mitglieder, die den Genossen-
schaften angehörten, ausgelöst. Der Mangel an Rohstoffen, an
Halb- und Fertigfabrikaten bewirkte, daß der Liquidationsprozeß
immer raschere Fortschritte machte, die Inanspruchnahme von
Kredit zurückging und neue Außenstände sich nur in sehr be-
scheidenem Umfange bildeten. Bei vielen Kreditgenossenschaften
entwickelte sich infolgedessen eine vollkommene Veränderung des
geschäftlichen Betriebes. Auf dem Verbandstage des „Verbandes
der Vorschußvereine von Wien", welcher ein Unterverband des
„Allgemeinen Verbandes der deutschen Erwerbs- und Wirtschafts-
genossenschaften" ist, erstattete der Anwalt über diese Ver-
hältnisse ein Referat, in welchem er ausführte, daß große
J Umsätze während der Kriegszeit nur mit solchen Kunden
Die Kreditgenossenschaften y-Q
gemacht wurden, welche mit Kriegslieferungen bedacht waren.
Auf diese Geschäfte war aber die Organisation der Kreditgenossen-
schaften von vornherein nicht eingerichtet. Bei vielen Vorschuß-
kassen ergab sich ein beträchtlicher Abfall der Mitgliederzahl
durch Austritt, zumal eine Ergänzung der natürlichen Abgänge
nicht mehr wie sonst in Friedenszeiten stattfand. Bei dem Wiener
Unterverbande wiesen für »das Jahr 1916 von 20 berichtenden
Vereinen nur vier eine Erhöhung der Mitgliederzahl auf, und
unter diesen vier Vereinen ist keiner, dessen Mitglieder Gewerbe-
treibende sind. Es sind bloß Angestelltenvereine oder landwirt-
schaftliche Kassen. Bei allen übrigen Verieinen ergaben sich Ab-
fälle in der Zahl der Mitglieder, die sich zwischen 1 und 40 Prozent
der im Jahre 1914 ausgewiesenen Mitgliederzahl bewegten. Was
• die ausstehenden Vorschüsse anbelangt, so verzeichneten nur
fünf Vereine eine Zunahme, die sich zwischen 16 und 55 Prozent
hielt' Unter diesen fünf Vereinen befinden sich aber zwei
Vereine, welche Pfandleihanstalten betreiben, deren erhöhte In-
anspruchnahme sich durch die Teuerungsverhältnisse und die Not
großer Schichten der Bevölkerung erklären läßt. Zwei weitere
Vereine sind deshalb in vermehrtem Maße in Anspruch genommen
worden, weil sie den Kreditbedarf von fix Besoldeten zu be-
friedigen haben, die zu denen gehören, die der Krieg am schwer-
sten betroffen hat. Der fünfte Verein ist eine landwirtschaftliche
Genossenschaft, die ihren Mitgliedern die Möglichkeit gab, kost-
spieligere Maschinen anzuschaffen. Bei den übrigen 15 der 20 be-
richtenden Vereine trat ein Rückgang des Vorschußstandes gegen-
über dem Jahre 1914 ein, welcher zwischen 3,6 und 65,6 Prozent
schwankte. Die Betriebsergebnisse der Vereine waren im all-
gemeinen keine ungünstigen,/da 17 derselben eine Dividende ver-
teilten, der erwähnte landwirtschaftliche Verein sogar im Aus*
maße von zehn Prozent. Es ist wohl anzunehmen, daß nach dem
Friedensschlüsse in den Verhältnissen der Kreditgenossenschaften
eine Besserung eintreten wird. Das Bargeschäft, welches jetzt
ausschließlich das kaufmännische Leben beherrscht, wird zurück-
treten und das Arbeiten mit Kredit, zu dessen Vermittlung die
Kreditgenossenschaften doch berufen sind, wird wieder einsetzen.
$0 I^ic Börse
Die Börse.
Am 25. Juli 1914 hatte der große Effektensaal im Wiener Börsen-
gebäude seine Türen für den Verkehr geschlossen und sie erst
wieder am 14. März 1916 eröffnet • Dieser Zeitraum beinhaltet
eines der interessantesten Kapitel in der Geschichte des Wiener
Effektenmarktes. Als die Besucher der Börse den Saal wieder
betraten, da konnten sie neuerlich konstatieren, daß alle Befürch-
tungen eines Zusammenbruches des Marktes und unheilbarer Wert-
zerstörungen sich als ungerechtfertigt erwiesen hatten, daß viel-
mehr das Kursniveau, mit dem der Effektenverkehr an seiner
gewohnten Stätte wieder einsetzte, ein viel höheres war, als jenes,
auf das man zur Zeit der Sistierung des Verkehres blicken konnte.
Die Börse hatte mit Beginn des Jahres 1914 nach der 'Ruhe,
die sie sich während des Jahres 1913 gegönnt hatte, ihr Vertrauen
in eine Besserung der Verhältnisse wieder gewonnen. Der Jänner
des Jahres 1914 löste eine geradezu stürmische Nachfrage nach
festverzinslichen Papieren aus. Der Industriemarkt wurde durch
die anhaltende Stagnation in der Eisenindustrie noch unter Druck
gehalten. Als im Februar nach längerer Zeit die Absatzziffem des
Eisenkarteiles etwas günstiger lauteten, da begann eine rasche
Aufwärtsbewegung der Montanwerte, so daß dieser Monat die
größten Effektenumsatzziffern brachte. Der Umstand, daß Geld
für die Zwecke des Börsenreports in großen Beträgen zur Ver-
fügung stand, trug erheblich zur Besserung der geschäftlichen
Tätigkeit bei. Im Monate März hob sich die Wiener Börse durch
ihren unerschütterlichen Optimismus von den anderen Märkten
ganz entschieden ab. Während in London, Paris und auch in
Berlin die ersten Vorläufer der politischen Ereignisse verspürt
wurden, konnte sich der Wiener Platz in seiner Haussefreudigkeit
zeitweise nicht genug tun. Erst als weniger zuversichtüche Äuße-
rungen maßgebender Kreise über die Wirtschaftslage zur. Vor-
sicht mahnten, traten Schwankungen in den Montanwerten ein,
die infolge von Kontremineangriffen rückgängig wurden. Im April
Die Börse 81
bewirkte der große Erfolg bei der Begebung der österreichischen
Schatzanweisungen, wieder eine starke Hebung der finanziellen
Zuversicht. Auf die damals zur Subskription aufgelegten 396 Mil-
lionen Kronen Schatzanweisungen wurden 2200 Millionen Kronen
größtenteils in Sperrstücken gezeichnet, und auch das Ausland,
namentlich der deutsche Mai^t, erwarb bedeutende Posten der-
neuen Anleihe. Der Monat Mai brachte das schwächste Geschäft
des ganzen Jahres. Die Stimmung der Wiener Börse, welche
bisher durch ihre optimistische Auffassung der politischen Lage
das Kursniveaü gehalten hatte, erfuhr zum ersten Male eine
Störung. Die Kurse beg^^nnen abzubröckeln, die weniger zu-
versichtliche Beurteilung des Geschäftsganges in der Eisen-
industrie, die Vorgänge in Albanien, die Einberufungen der Re-
servisten in Rußland, beeinflußten die Stimmung. Das Kursgebäude
wurde durch freiwillige Positionslösungen und durch Zwangs-
verkäufe in Mitleidenschaft gezogen, so daß nicht nur die Koulisse-
papiere, sondern auch die Schrankenwerte im Preise sanken. Der
Monat Juni brachte eine Verschlimmerung der Vorgänge auf dem
Balkan, eine Verschärfung des Liquidationsprozesses an der Börse,
der sich erst gegen Mitte des Monates zu mildern schien, als die
politischen Meldungen aus Petersburg und Paris beruhigender
lauteten. Es ist bezeichnend für das vollkommene Verkennen der
Gefahren, welche die nächste Zukunft barg, daß das Attentat auf
den Erzherzog Thronfolger Franz Ferdinand, welches am 28. Juni
verübt wurde, am nächsten Börsentage, dem 30. Juni, iiur eine
leichte Abschwächung der Kurse, aber keinen Kurssturz herbei-
führte. Erfahrene Finanzleute waren noch am 29. Juni und selbst
vor Eröffnung der Börse am 30. Juni der Meinung gewesen, daß
ein Kurssturz unvermeidlich sei. Sie waren erstaunt und im
höchsten Maße überrascht, als das Publikum das Ereignis in voller
Ruhe aufnahm.
In den ersten zwei Wochen des Monates Juli bildete die
wechselnde 'Gestaltung der Beziehungen zwischen der Monarchie
und Serbien den Angelpunkt des Verhaltens der Börse. Deroute-
artige Rückgänge wechselten mit kurzen Erholungen, und erst
in der dritten Woche, also knapp vor der Katastrophe, wurde
Müller, Die finanzielle Mobilmachung Österreichs. 6
82 Die Börse
die Stimmung zuversichtlicher. Dieses Verkennen der politischen
Situation, das zum Teile, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde,
auf das Unterlassen rechtzeitiger Warnungen seitens der hierzu
kompetenten Kreise zurüdczuführen ist, hat tatsächlich in den
ersten Monaten des Kri^es schwere wirtschaftliche Schäden
herbeigeführt. Am 25. Juli nahm die Börse einen dramatischen
Verlauf. Zu Beginn der Vorbörse war infolge der außerordent-
lich ruhigen Haltung des Publikmus, das keine Verkaufsaufträge
erteilt hatte, nur unbeträchtliches Angebot zu beobachten. Ein-
zelne leitende Spekulationspapiere gingen um zehn bis zwölf Kronen
zurück, ohne daß man darin aber etwas Besonderes gesehen hätte.
CMe Mittagsbörse begann mit scharfen Kursrückgängen, fnfolge
des Gerüchtes, Serbien würde das Ultimatum der Monarchie an-
nehmen, trat plötzlich in den meisten Spekulationswerten eine
stürmische Aufwärtsbewegung ein. Während alle anderen kon-
tinentalen Märkte' zu Tiefkursen, selbst im Zeichen der Panik,
ihren Verkehr beendeten, schloß die Wiener Börse mit nam-
haften Kursbesserungen. Schon am Abend erkannte man, daß.
die Wiener Börse sich auf einem falschen Geleise bewegte. Serbien
hatte das Ultimatum abgelehnt und der Weltkrieg stand vor der Tür.
In diesem kritischen Momente, der die Gefahr unabsehbarer
Wertzerstörungen in die Nähe rückte und die Möglichkeit barg,
daß aus dem Auslande Effekten für viele Millionen auf den
Markt geworfen würden, daß Vermögen in Rauch und Asche
verginge^, entschloß sich die Wiener Börse als erste unter allen
Märkten des Kontinentes, ihre Versammlungen zu sistieren. Die
Wiener Börsekammer beschloß anfangs, die Versammlungen für
bloß drei Tage, d. i. am 27., 28. und 29. Juli, ausfallen zu lassen.
Die Regierung hatte einen Eingriff der Staatsgewalt in dieser
Frage perhorresziert und alle Vorkehrungen der Kammer frei-
gestellt. Die dreitägige Sistierung der Börsenversammlungen wurde
am 29. Juli auf unbestimmte Zeit ausgedehnt. Mit anerkennens-
werter Energie sorgte die Börsekammer für die Regelung der
schwebenden Geschäfte. Der nächste Kassatag, der auf den 5. August
fiel, konnte naturgemäß nicht eingehalten werden, sondern die
Abwicklung der zur Aufgabe gelangenden Arrangementsgeschäfte
Die Börse ' 83
wurde bis auf den 3. September hinausgeschoben. Die Schließung
der Börse ließ es als eine der notwendigsten Maßnahmen er-
scheinen, ein genaues Bild der schwebenden Engagements aller
Firmen zu erhalten. Zu diesem Zwecke setzte die Börsekammer
ein eigenes Komitee ein, welches mit besonderen Vollmachten
ausgestattet war, vor dem jedes Mitglied der Börse erscheinen
mußte und genaue Angaben über seine schwebenden Engagements
zu machen hatte. Als Ergebnis dieser Aufnahme der schweben-
den Verpflichtungen der Börsepmitglieder ergab sich, daß etwa
17 Millionen Kronen nötig waren, um jene Effekten zu versorgen,
die nicht abgenommen werden konnten. Die Prolongationskurse
wurden zu den tiefsten Sätzen, welche im Monat Juli vorgefallen
waren, abzüglich der geleisteten Einschüsse berechnet. Die Hilfs-
aktion wurde von den Banken, der Postsparkasse und einzelnen
großen Firmen durchgeführt und der Verlauf der Ereignisse be-
wies, daß die Effekten, die von diesem Syndikate übernommen
wurden, ohne Verlust, in manchen Fällen sogar mit Nutzen wieder
abgestoßen werden konnten. Keine einzige Firma der Börse war
zahlungsunfähig geworden, jede hatte, wenn auch mit großen
Opfern, ihre Existenz retten können. Durch dieses Eingreifen
der Banken und einzelner Firmen wurde es ermöglicht, daß der
auf den 3. September verschobene Kassatag, in welchen auch
noch die ultimo August fälligen Prämien und Stellagen einbezogen
wurden, in glatter Weise ablief. In den nächsten Wochen wurden
auch die später fälligen Prämien und Stellagen, sowie die Mark-
notenengagements geordnet, so daß nur solche Devisenengage-
ments offen blieben, welche erst nach dem Friedensschlüsse erfüllt
werden können.
Die Wiener Börse war die erste, welche sich von dem Ballaste
der alten Engagements frei machte und darin auch dem bedeu-
tend kräftigeren Berliner Markt vorausging, der die seinen
erst allmählich abbaute. Die Glattstellung der Engagements be-
traf aber nur das Verhältnis der Börsenbesucher zueinander. In
die Beziehungen des Publikums zu den Banken und Bankfirmen
konnte die Börsenkammer nicht- eingreifen. Niemand konnte das
Publikum zwingen, Nachschüsse zu leisten oder für dasselbe ge-
6*
Die Börse
t£ Effekten zu übernehmen. Durch viele Monate ^ngen die
s großer Bankfirmeti in schwerer Sorge umher, Sie mußten
sagen, daß das Publikum bei einem weiteren Sturze der
iten lieber auf die geleisteten Einschüsse verzichten als noch
ere Zubußen zahlen würde. Eine Reihe von Firmen wußten
T nicht, ob sie noch solvent seien oder vielleicht am nächsten
; insolvent sein würden. Die Vereinigungen der Banken und
[firmen beschäftigten sich zwar eingehend mit der Frage, wie
das Publikum auf dem Rechtswege verhalten könne, für
)ffen gebliebenen Differenzen aufzukommen. Es ist zweifellos,
falls die Kursbewegung eine andere Kurve verfolgt hätte,
!ie tatsächlich im Laufe des Jahres 1914/15 einschlug, eine
ihl von Börsenprozessen angestrengt worden wären. Ver-
diene Prozesse, die eingeleitet wurden, kamen durch die Er-
ing der Moratorien zum Stillstand, und als die Moratorien
baut wurden, da hatten die Kurse schon wieder eine der-
e Steigerung erfahren, daß das Publikum und der Bankier
vorteilhafter fanden, sich in vollem Frieden auszugleichen.
Banken und Firmen rechneten der Kundschaft für die be-
:huBten Effekten hohe Zinsen an, während die Kundschaft
der stürmischen Steigerung der Aktien, die später einsetzte,
en ziehen konnte. Hätte die Möglichkeit bestanden, not-
nd gewordene Engagements kurzer Hand glattzustellen, so
in dauernde Kursverluste unvermeidlich gewesen. Unter den
ihenden Verhältnissen lief aber jede Firma, welche solche
igements- zwangsweise löste, Gefahr, daß sie, wie dies in ein-
;n Fällen auch geschah, gerichtlich zum Schadenersatz ver-
;n wurde. Unmittelbar nach Ausbruch des Krieges war es über-
unmöglich, nennenswertere Beträge von Effekten zu verkaufen,
nge die Banken ihren Einlegern nur Bruchteile der Guthaben
ckzahlten, die Österreichisch-Ungarische Bank die bei ihr
Belehnung eingereichten Effekten nur mit ganz geringen Be-
;n bevorschußte, solange Not an Banknoten bestand, mußte
froh sein, wenn man einige tausend Kronen Vorschuß er-
, aber man konnte nicht daran denken, größere Effekten-
jen zu verkaufen. Die Börsenbesucher waren nach Schließung
Die Börse 85
de^ Gebäudes, in dem sie sonst zusammenzukommen gewöhnt
waren, gezwungen, für ihre Aussprachen jmehr als sonst die
um die Börse gelegenen Kaffeehäuser aufzusuchen. Das war
aus mannigfachen Gründen ein, höchst unerwünschter Zustand.
Es wurde daher seitens der Kammer der Ausweg gewählt, den
Börsenbesuchern den großen Warenbörsensaal, welcher an den
Effektensaal anstößt, in der Zeit von 10 bis 11 Uhr vormittagsi
unter strenger „Aufrechterhaltung des Verbotes von GescJiäftsT
abschlüssen" zur Verfügung zu stellen. Bald zeigte es sich jedoch,
daß die Börsenbesubher nicht nur über PoÜtik sprachen, sondern
auch anfingen, kleinere Geschäfte zu machen. Schon im November
mußte sich die Börsenkammer entschließen, in einer Kundmachung
die Mitglieder zu erinnern, daß sie sich nicht nur jeder geschäft-
lichen Tätigkeit in sämtlichen Räumen des Börsengebäudes zu
enthalten hätten, sondern auch jede Art von Ankündigung
in öffentlichen Blättern, sofern sie sich auf Effekten, Devisen
oder Valuten beziehe, unterlassen müßten. Desgleichen wurde
die öffentliche Bekanntmachung von Kursen durch Anschlag oder
Anschreibung untersagt. Die ersten Eflektenumsätze, die nach Ausr
bruch des Krieges verzeichnet wurden, waren wohl in der Mehr-
zahl Verkäufe des Publikums, das sich etwas flüssige Mittel ver-
schaffen wollte. Gegen Ende des Monates August wurden von
den Wiener Sensalen einzelne Effekten verkauft, und man konnte
konstatieren, daß innerhalb der sechs Wochen doch eine gewisse
Beruhigung hinsichtlich der Bewertung von Effekten eingetreten
war. Im folgenden sollen einzelne dieser Kurse, denen die Schluß-
notierung des letzten Börsentages, des 25. Juli, in Klammer bei-
gefügt werden, angegeben werden. Es wurden umgesetzt: Kredit-
aktien zu 570 (5811/2), Bankverein 470 (4841/2), Orientbahn 640
(725), Staatsbahn 575 (6261/2), AJpine 657 (721), Skoda 580 (6I41/2),
Juli Südbahnprioritäten 206 (222).
Aus diesen Notierungen ist zu entnehmen, daß die Bankwerte
die geringste Abschwächung erfahren hatten, daß dagegen Alpine,
Orientbahnen, Skodawerke, die in den kommenden Monaten in-
folge der Kriegskonjunktur einen besonderen Anreiz auf das Pu-
blikum ausüben sollten, am stärksten rückgängig waren. In den
86 I^c Börse
nächsten Wochen zeigte es sich, daß die Berliner Börse im pri-
vaten Effektenverkehr eine zuversichtliche Auffassung bekundete.
Als die gemeldeten Berliner Kurse Steigerungen aufwiesen, kehrte
auch in den österreichischen finanziellen Kreisen langsam das
Vertrauen zurück. Es muß erwähnt werden, daß die Führer
großer Industrien, die während des Krieges überraschende Ge^
winne erzielen konnten, in den ersten Monaten nach Ausbruch
der Feindseligkeiten von tiefem Pessimismus erfüllt waren. So
sahen die leitenden Persönlichkeiten der Eisenindustrie eine Krise
von besonderer fiärte sich auftürmen, sie gaben den Arbeitern
den Rat, sich rechtzeitig um Beschäftigung in der Landwirtschaft
umzusehen. Die Betriebe der Eisenindustrie wurden über Nacht
gedrosselt. Die Aufträge des privaten Konsums und der Händler-
firmen versagten und die militärischen Anschaffungen setzten erst
in einem späteren Zeitpunkte ein. Auch die Leiter der Mu-
nition-, Waffen- und Geschützfabriken vermochten im ersten
Augenblicke die Chancen, die sich ihren Gesellschaften er-
öffneten, nicht zu erfassen. Nicht bloß die Eisenwerte son-
dern auch Skoda- und Waffenaktien erlitten schwere Kurs-
einbußen und konnten sie erst langsam wettmachen. Als man
erkannte, daß der Krieg für viele Industrieuntemehmungen eine
glänzende Konjunktur schuf, kehrte auch seitens des großen
Publikums das Interesse für den Effektenmarkt zurück. Anfangs
hielten sich die Umsätze in sehr engen Grenzen, denn die Banken
und die Kommissionsfirmen, die Käufe vornahmen, verlangten
eine Deckung bis zu 75 Prozent und darüber. Industrielle und
Kaufleute, die aus der Kriegskonjunktur den ersten Nutzen zogen,
nahmen zu den gesunkenen Kursen Effektenkäufe vor. Da über
die Kursbewegungen in Wien in den Zeitungen nichts veröffent-
licht werden durfte, so war über den ganzen Effektenverkehr
ein geheimnisvolles Dunkel gebreitet, das besonders anziehend
wirkte. Man flüsterte sich zu, daß die Kurse von einem Tag auf
den andern stiegen, schüttelte zugleich den Kopf über den Wage-
mut jener Leute, die mitten im Weltkriege Effekten kauften. All-
mählich wurden, nachdem die Kurse der Effekten weiter stiegen
und bei den Banken sich immer größere Geldsummen ansammel-
Die Börse 87
ten, die Einschußforderungen herabgesetzt. Man brauchte nicht
mehr 70-, nicht mehr 50-, es genügten 40- und 30prozentige
Deckungen. Nach wie vor blieb es den Zeitungen verboten, Ef-
fektenkurse zu veröffentlichen öder die Namen von Effekten an-
zugeben, in denen sich Preisveränderungen ergaben.
Man kann die Börsenbewegung, die sich von der Sistierung
des offiziellen Verkehres bis Juli 1916 vollzog, in zwei Perioden
einteilen. Die erste, welche sich etwa bis zum Monate Juli 1915
erstreckte, stand im Zeichen der Kurserholungen, die zweite
im Zeichen großer spekulativer Betätigung breiter Schichten des
Publikums. Es wäre aber ein Irrtum, zu glauben, daß die Kurs-
bewegung und die Kurssteigerungen nur durch spekulative Käufe
ausgelöst worden sind. Im Gegenteile. Lange Zeit war die Speku-
lation nur der schüchterne Mitläufer von Käufern, welche die
Wertpapiere in die Kassen legten. Die Kriegskonjunktur hatte
Gesellschaften und einzelnen Personen so große Gewinne ge-
bracht, daß sie mit den Geldern, die ihnen zuströmten, zum Teile
nichts anderes tun konnten, als sich dafür Effekten zu kaufen. Der
Abverkauf der Warenvorräte hat die Kaufleute gezwungen, die
Gelder, welche sie für den Erlös ihrer Lagerbestände erzielten, zu
verwerten. Sie einfach zu den Banken zu tragen und sich mit der
schmalen Verzinsung, die ihnen dafür gewährt wurde, zu be-
gnügen, war sicherlich nicht kaufmännisch, um so weniger als
die Teuerung jeden einzelnen veranlaßte, für sein Kapital das
bestmögliche Erträgnis herauszuwirtschaften. Wenn man bedenkt,
daß einzelne Unternehmungen im zweiten Kriegsjahre ihre Divi-
dende sprunghaft erhöhen konnten, und daß die Möglichkeit be-
stand, an der Kurssteigerung der Aktien weiter zu verdienen, so
erscheint es begreiflich, daß jene Kreise, die über bare Mittel
verfügten, Effektenkäufe vornahmen.
Das Jahr 1914 hatte alle Gesellschaften veranlaßt, einschneidende
Dividendenkürzungen vorzunehmen. Im Jahre 1915 zeigte es sich
aber, daß die Gründe, welche für die Dividendenverringerung
gesprochen hatten, einer nach dem anderen wegfielen und das
Ausmaß der Dividenden sich den besten Friedenszeiten wieder
näherte. Von den großen Montanunternehmungen hatte die Prager
88 Die Börse
Eisenindustrie-Gesellschaft für das Jahr 1914 eine Dividende von
acht Prozent verteilt, für 1915 betrug die Dividende 24 Prozent,
bei der Alpinen Montangesellschaft stieg die Dividende von 11 Pro-
zent im Jahre 1914 auf 21 Prozent für das nächste Geschäftsjahr.
Die Berg- und Hüttenwerksgesellschaft, die für das erste Kriegs-
jahr ihre Dividende mit I21/2 Prozent bemessen hatte, Iconnte sie
für 1915 um fünf Prozent höher festsetzen. Die Dividende der
Rima Muranyer-Gesellschaft, die im Jahre 1914 uriter dem Ein-
drucke des Krieges und dem Vorübergehenden Rückschlage in
der Eisenindustrie von 19 Prozent auf 5 Prozent gefallen war, hob
sich für das Jahr 1915 wieder auf 17 Prozent. Einige Beispiele
von Dividendenschwankungen der Petroleumgesellschaften werden
zeigen, daß die starke Steigerung in den Erträgnissen den Keim zu
großen spekulativen Bewegungen der Kurse in sich bergen mußte.
So hatte die Galizische Karpathen das erste Kriegsjahr mit einem
Verlust abgeschlossen, im zweiten Kriegsjahre verteilte sie 15 Pro-
zent Dividende. Die Raffinerie „Fanto" erhöhte ihre Dividende von
8 Prozent auf 20 Prozent, die „Schodnica" Petroleumgesellschaft
von 7 auf 12 Prozent. Fast bei den meisten Industriewerten findet
man derartige Steigerungen der Dividenden im zweiten Kriegs-
jahre. Die Berichte, die über den Gang der Industrie von Zeit
zu Zeit bekannt wurden, regten die Phantasie mächtig an, und
die spekulative Beteiligung des Publikums sowie ernste Anlage-
kaufe nahmen immer mehr zu. Ein einigermaßen reguläres Effekten-
geschäft setzte erst seit April 1915 ein, denn vorher waren die
Abschlüsse fast ausnahmslos ohne Mitwirkung der Banken zu-
stande gekommen. Die nachfolgenden Aufstellungen geben in
Tabelle I bis IV ein fortlaufendes Bild der Kursbewegung gang-
barer Effekten in der Zeit von Mitte April 1915 bis Ende Januar
1918. In der ersten Reihe sind die am 25. Juli 1914, bei Kriegs-
ausbruch, geltenden Kurse verzeichnet. Die Tabelle V führt eine
Anzahl von Effekten an, in denen sich große Umsätze vollzogen
haben und stellt ihren Friedenskursen die Notierungen zur Zeit
der stürmischen Börsenbewegung im Oktober 1917 und die Be-
wertung Ende Januar 1918 gegenüber.
Die Börse
81»
I.
Name der Aktie
25. VII.
15. IV.
I.V.
l.VI.
l.VII.
I.VIII.
I.IX.
l.X.
1. XI.
1. XII.
1914
1915
1915
1915
1915
1915
1915,
1
1915
1915
1915
Kredit . . .
570
550
557
543
558
569
580
582
611
617
Alpine . . .
; 721
731
758
717
786
865
849
864
933
958
Prager Eisen
2042
2400
2450
2400
2572
2697
2670
2819
3060
3162
Waffen . .
727
1000
1000
1000
1040
1150
1148
1253
1342
1240
Friedrich .
1092
1135
1145
1120
1200
1238
1240
1314
1375
1345
Skoda . . .
614
717
738
717
765
831
815
819
842
850
Semperit . .
222
296
309
308
328
365
406
Karpathen .
; 673
610
675
738
706
730
851
813
II.
Nam<> Hpt* Alrfip
i.l.
1. II.
1.III.
1.IV.
I.V.
l.VI.
i.vii.
I.VIII.
I.IX.
l.X.
1.XI.
1.XI1.
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
1916
Kredit . . . .
608
619
632
634
638
627
603
606
596
618
650
662
Alpine ....
946
939
982
1016
998
1050
1000
1005
9ö5
1015
1059
1051
Prager Eisen .
3159
3153
3263
3463
3499
3552
3411
3410
3280
3479
3365
3340
Waffen ....
1286
1335
1510
1654
1725
1765
1890
1935
1905
2196
2270
2200
Friedrich . . .
1349
1409
1480
1512
1509
1685
1608
1605
1546
1672
1757
1930
Skoda ....
824
817
874
865
919
894
854
915
878
990
1090
106a
Semperit . . .
410
444
480
538
575
679
664
645
627
699
760
850
Karpathen . .
792
900
1009
1068
1240
1249
1172
1104
1009
1217
1430
156a
III.
Name der Aktie
•
i.i.
i.n.
1. IH.
MV.
I.V.
l.VI
i. VII.
I.VIII.
I.IX.
1 X.
1. XI.
1.X1L
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
1917
Kredit ....
662
670
664
690
705
694
729
802
824
886
1000
902
Alpine ....
1030
1000
970
962
953
964
977
1002
1085
1034
1107
1011
Prager Eisen .
3291
3200
3085
3190
3115
3348
3560
3620
3845
3798
3670
3367
Waffen ....
2100
2015
1909
1919
2145
2157
2295
2430
2649
2500
2265
2049
Friedrich . . .
1740
1700
1680
1720
1727
1830
1886
1998
2350
2443
2390
214a
Skoda ....
1050
1030
996
1040
1019
1010
1042
1060
1176
1135
1180
1064
Semperit . . .
866
876
884
890
681
933
915
916
1016
1150
1000
954
Karpathen . .
1630
1640
1513
1554
1677
1720
1821
1948
2450
2445
2480
2339
90
Die Börse
IV.
Name der Aktie
1. 1.
1918
1. II.
1918
Kredit . . .
865
790
Alpine . . .
950
947
Prager Eisen
3020
3025
Waffen . .
1805
1550
Friedrich .
1975
1870
Skoda . . .
1020
988
Sempent . .
870
768
Karpathen .
2475
2385
Name der Aktie
Donau- Dampfschiffahrt .
Staatsbahn
Allgem. Elektrizitats-Ges.
Poldi
Rima
Waagner
Brüxer Kohlen
Oberungarische Hütten
Lokomotivfabrik Sigl . .
Neusiedler Papierfabrik
Holzhandel
961
631
478
550
531
238
780
628
382
535
136
2534
1195
961
1610
1264
1010
1900
2270
1369
1425
800
Ende
Jinner
1918
2060
870
690
1348
945
702
1505
1500
754
1260
559
Aus dieser Aufstellung ist zu ersehen, daß die Kurse der an-
geführten Effekten in der Zeit des eigentlich börsenlosen Ver-
kehres ständig gestiegen sind. Der private Effektenhandel war
bis zum Monate März 1916, als der große Effektensaal wieder
geöffnet wurde und neue Bestimmungen den Verkehr regelten,
nur eine stillschweigend geduldete Institution, der man zeitweise
durch Polizeimaßnahmen an den Leib rückte. Es war begreif-
lich, daß bei der Zunahme der Umsätze es bald nicht mehr
möglich war, di^ geschäftlichen Abschlüsse von Bank zu Bank,
von Firma zu Firma unmittelbar abzuwickeln, sondern daß hiezu
auch längere Zusammenkünfte erforderlich wurden. Es wurden
zu diesem Zwecke gegen |das Verbot die täglichen Besprechungen
im Warensaale benützt.
Während der größeren Hälfte des Jahres 1915 blühte der Winkel-
börsenverkehr, und die Kammer erließ wiederholt Warnungen,
um ihn einzuschränken. Vorübergehend hatten polizeiliche • An-
ordnungen, die im Einvernehmen mit dem Börsenkommissär und
der Börsenkammer getroffen wurden, sowie die Androhung diszi-
pHnärer Strafen einigen Erfolg, Die Kurssteigerungen vollzogen
sich entsprechend der günstigen Entwicklung der militärischen
und der wirtschaftlichen Lage in stürmischem Tempo. Glän-
zende Berichte über den Geschäftsgang kamen aus einzelnen
Industrien, die sich den geänderten Verhältnissen mit wunder-
n "^
^mfim^f^^-
Die Börse 91
barem Geschicke anpaßten. Die anhaltende Nachfrage des Pu-
blikums nach allen Effekten ermöglichte es den Banken, da
Neuemissionen, die den Hunger des Publikums nach Effekten
hätten befriedigen können, nicht erfolgten, die ältesten Bestände
zu glänzenden Preisen abzustoßen. Wie sich im Warengeschäft
eine Räumung der Lager vollzog, so gingen auch die Effekten-
bestände der Banken an das Publikum über. Zeitweise wurde
die Bewegung durch amtliche Warnungen und Ankündigung
strenger Maßnahmen etwas eingedämmt und namentlich dann,
wenn die Vorbereitungen für eine Kriegsanleihe im Qange waren.
Im allgemeinen bereitete aber die große Effektenbewegung dem
Absatz der Kriegsanleihe keine Schwierigkeiten.
In der Finanzwelt bestanden zwei Strömungen. Die eine war
entschieden gegen die Eröffnung der Börse und die Überleitung
des Verkehres in die altgewohnten Bahnen. Sie behauptete, daß
eine Erweiterung des Börsenverkehres große Gefahren in sich
berge, daß der Spieltrieb noch verstärkt würde und daß man
bei einem Rückschlag der günstigen politischen und militärischen
Situation, wie er im Verlaufe eines Weltkrieges immer eintreten
könne, Gefahr laufe, alle jene Zustände herbeizuführen, die. man
bei Ausbruch des Krieges durch die Sistierung des Börsenverkehres
vermeiden wollte. Die andere Strömung, der sich schließlich die
Majorität der Börsenkammer anschloß, trat für eine langsame
Überleitung des bisher ganz ungeregelten Privatverkehres in die
alten Formen ein. Die Vertreter dieser Anschauung wiesen darauf
hin, daß das Publikum sich mit dem Kriege abgefunden habe,
daß er die Quelle reichen Gewinnes für verschiedene Industrie-
zweige geworden sei, daß die staatsfinanziellen Konsequenzen,
die man bei Ausbruch des Weltkrieges befürchtet habe, nicht
eingetreten seien und jetzt gewiß nicht mehr eintreten würden.
Überdies wäre an allen anderen Börsen der Verkehr, wenn auch
unter gewissen Einschränkungen, wieder aufgenommen worden.
Lange schwankte das Finanzministerium, welcher Ansicht es sich
anschließen sollte. Schließlich kam es aber nach langwierigen
Verhandlungen zwischen der Börsenkammer und dem . Finanz-«
Ministerium zu einer Verständigung.
92 Die Börse
Die Wiederaufnahme des Börsen Verkehres.
Am 14. März 1916 öffnete sich der Saal der Effektenbörse wieder
für die Mitglieder der Börse. Vorher waren im Einvernehmen
mit dem Finanzministerimn durch die Börsenkammer die Be-
dingungen kundgemacht worden, unter denen das Geschäft in
Zukunft gestattet sein würde. Der Terminhandel in allen Effekten
wurde verboten und mir die Abwicklung von Kassageschäften
erlaubt Damit sollte der Spekulation, die sich berufsmäßig
damit befaßt, bei geringem Einschüsse die im Zeiträume einer
Woche bzw. eines Monates vorfallenden Schwankungen der
Effektenkurse auszunützen, der Boden entzogen werden. Die
Finanzverwaltung hätte es gerne gesehen, wenn der Verkehr auch
durch Vorschriften über die Kreditgewährung beschränkt worden
wäre. Sie wollte, daß Banken und Firmen nur dann Aufträge
seitens der Kundschaft ausführen sollten, wenn der volle Kauf-
preis oder zumindestens 70 Prozent als Deckung vorhanden seien.
Die Banken und Firmen haben sich gegen diese Zumutung ge-
sträubt. Tatsächlich entschloß sich die Finanzverwaltung, die
Forderung nach einer vorgeschriebenen Deckung fallen zu lassen,
und bei Wiederaufnahme des Börsenverkehres war von ihr nicht
mehr die Rede. Bei der herrschenden Geldflüssigkeit und den
steigenden Effektenkursen war es eigentlich selbstverständlich,
daß die Deckungsforderungen der Kommissionäre sehr bescheidene
wurden.
Vor dem Kriegsausbruche war die Wiener Börse zweimal im
Tage zu ihren Versammlungen zusammengetreten. Der Vor-
börseverkehr wickelte sich in der Zeit von 10 bis 11 Uhr vor-
mittags ab und an ihn schloß sich die Hauptbörse von 1/2^ bis
V23 Uhr. Mit Wiederaufnahme des Verkehres wurde bestimmt, daß
der Verkehr nur in der Zeit von 1/2^2 bis 1 Uhr gestattet sei.
Geschäfte in Pfandbriefen wurden verboten. Im ersten Momente
mögen Erwägungen, daß einzelne Pfandbriefinstitute große Inter-
essen in den im Kriegsgebiet gelegenen Gemeinden oder vom
Feinde besetzten Gebieten Galiziens haben, für die Erlassung
des Verbotes bestimmend gewesen sein, durch das man wohl
Die Börse • 93
verhindern wollte, daß unbegrenzte Abgaben in Pfandbriefen vor-
genommen würden. Es hat sich aber gezeigt, daß österreiehische
Pfandbriefe nicht zum Verkaufe gelangten, sondern daß im Gegen-
teile eine stürmische Nachfrage nach innerösterreichischen Pfand-
briefen eintrat, deren Sicherstellung durch Grund und Boden
besonders anziehend wirkte. Trotz des Verbotes kam es im Laufe
des Jahres zu zahlreichen Abschlüssen in Pfandbriefen an der
Börse, was man ruhig hingehen ließ, da die Kursentwicklung eine
ganz andere Richtung einschlug, als man bei Erlassung des Ver-
botes erwartet hatte. Indessen stiegen die Preise einzelner Pfand-
briefe sehr stark und außer jedem Verhältnis zu ihrer Rentabilität.
Die nachstehende Aufstellung gibt die Kurse gangbarer Pfand-
briefe am Tage der Schließung der Börse, dem 25. Juli 1914, Juli
1916 und Ende, 1917 an.
25. Juli Juli Dez.
1914 1916 1917
40/0 Böhmische Hypothekenbank-Pfandbriefe .... .907* 100 103
40/0 Mährische „ „ 85^« 93 100
4V2 7o n „ n 91 99 103
4 0/0 Böhmische Landesbank-Kommunal-Schuldversch. . . 853/^ 89 99
40/0 Niederösterreich. Landes-Hypotheken-Pfandbriefe . .847« 9OV2 95
40/0 Österreichische Boden-Kredit -Anstalt-Pfandbriefe . . 857^ 88V8 Q9
Die Nachfrage nach Häusern und Gütern wurde mit der, Länge
des Krieges immer stärker, und wirklich erstklassige Objekte
sind nicht mehr erhältlich. Als Maßstab für die Bestimmung
des Kaufwertes galt im Frieden das Zwölf- bis Dreizehnfache
des Jahreszinses. Im Kriege wurde ein Kaufpreis bis zum 25-
fachen des Ertrages gezahlt. Für die Kursgestaltung der Pfand-
briefe war auch die Tatsache bestimmend, daß während der
Kriegszeit die Neuproduktion an Pfandbriefen so gut wie ganz
aufgehört hatte. Bis tief in das Jahr 1915 bestand gar keine
Nachfrage nach Pfandbriefen, und die Pfandbriefinstitute konnten
auch nicht neue Darlehen gewähren. Es war fast unmöglich,
auf ein Haus ein Hypothekardarlehen zu erhalten. Dann änderte
sich das Bild. Die einsetzende Geldflüssigkeit befriedigte die
Nachfrage nach hypothekarisch sichergestellten Krediten. Die
94 Die Börse
Teuerung aller Baumaterialien und der Mangel an Arbeitskräften
riefen eine vollkommene Stagnation im Baugeschäfte hervor und
neue Hypotheken wurden nicht in Anspruch genommen. Die
glänzenden Preise, welche die Landwirtschaft für ihre Erzeugnisse
erzielte, lösten einen Entschuldungsprozeß der großen und kleinen
Grundbesitzer aus oder gaben ihnen zumindest keine Veranlassung,
neue Belehnungen nachzusuchen. Überdies gingen viele große
Güter und Häuser in die Hand solcher Personen über, welche,
durch Kriegsgewinnste bereichert, an eine Rückzahlung aushaften-
der Hypotheken schreiten konnten. Zu diesem Zwecke wurden
viele Pfandbriefe aufgekauft, was eine Zeitlang unter dem Pari-
kurse möglich war und das gewährte Hypothekardarlehen dem
Gläubigerinstitute in ihnen abgezahlt. Diese Umstände haben
dazu beigetragen, daß das schwimmende Pfandbriefmaterial immer
mehr abnahm und -die Käufer wesentlich höhere Kurse zahlen
mußten.
Da8 neue Regulativ für den Börsenverkehr besagte, daß Ge-
schäfte in österreichischen und ungarischen Staatsrenten und
Kriegsanleihen -nur durch Vermittlung eines beeideten Effekten-
sensales abgeschlossen werden sollen. Diese Bestimmung galt auch
für den Verkehr, der Börsenbesucher untereinander, falls er sich
außerhalb des Börsensaales abwickelte. Man wollte durch Kau-
telen, welche ' die Vermittlung eines beeideten Eifektcnsenales
zu allen Geschäften in Staatsrenten und Kriegsanleihe notwendig
machte, verhindern, daß sich eine Rentenspekulation einnistete.
In diesen Wertpapieren wurde zwar die Ausführung von Bestens-
ordres für Käufe gestattet, für Verkäufe aber untersagt. Alle
diese Bestimmungen standen in der Praxis nur ganz kurze Zeit
in Geltung, da sich besondere Maßnahmen zum Schutze des
Rentenmarktes nicht als notwendig erwiesen.
Bei einer Untersuchung des Marktes der staatlichen Titres muß
man zwischen solchen Anleihen unterscheiden, die vor Kriegs-
ausbruch begeben wurden und jenen, die unter dem Gesamt-
namen der Kriegsanleihen zusammengefaßt werden. Der „alte"
Rentenmarkt hat sich während des Krieges sehr gut gehalten und
den Beweis erbracht, daß die Klassierung der Renten eine dauernde
.1/.K.
Die Börse 95
war. Die österreichische vierprozentige Kronenrrente verzeichnete
am 31. Dezember 1913, demnach im vollen Frieden, einen Stand von
82,60 Prozent. Die politische Beunruhigung, welche dem Ausbruche
des Weltkrieges voranging, hatte naturgemäß, wie in den anderen
Ländern auch in Österreich, eine Abschwächung der Rentenkurse
im Gefolge und am letzten Börsentage, dem 25. Juli 1914, notierte
die Kronenrente 78,85 Prozent. Von diesem Momente hörte das
reguläre Geschäft in Renten auf. Die schwere wirtschaftliche Er-
schütterung, die das ganze Leben der Monarchie nach Kriegsaus-
bruch erfuhr und die auch in einer Kursentwertung aller Effekten
zum Ausdrucke kam, löste einen Rückgang der Rentenkurse aus.
Der tiefste Kurs, welcher in den ersten Monaten nach Kriegs-
ausbruch für die vierprozentige Krpnenrente genannt wurde, war
ein solcher von 71 Prozent. Seine unbedingte Richtigkeit läßt
sich aus dem Grunde nicht konstatieren, weil börsenmäßige Ab-
schlüsse in jener Zeit nicht erfolgten und die Umsätze sich im
privaten Verkehre vollzogen. Mit der vorschreifenden Kon-
solidierung der militärischen und wirtschaftlichen Verhältnisse trat
auch eine Besserung der Rentenkurse ein, zumal es sich zeigte,
daß das Publikum an seinem Besitze festhielt und die Kriegs-
anleihen, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde, den alten vier-
prozentigen Renten nicht die befürchtete Konkurrenz bereiteten.
[ Bei der Emission der ersten und zweiten Kriegsanleihe erfolgten
einige größere Verkäufe in den alten vierprozentigen Renten, da
f das Publikum Tauschoperationen in der Erwägung vornahm, daß
es den Verlust im Kurse seiner vierprozentigen Renten durch
den späteren Gewinn bei der Rückzahlung der unter Pari be-
gebenen Kriegsanleihen wettmachen könne. Aber auch diese Ver-
käufe vermochten den Erholungsprozeß der vierprozentigen alten
Rente nicht aufzuhalten. Am 15. April 1915 war der Kurs der
Kronenrente schon wieder auf 74,55 gestiegen und am 15. August
1915 wurde sogar ein Kurs von 76,75 Prozent verzeichnet. Dann
trat eine leichte Abschwächung des Preises ein, der zwischen
76 und 75 Prozent schwankte. Als die Wiener Börse im Jahre 1916
wieder eröffnet wurde und man mit der Möglichkeit rechnen
mußte, daß trotz aller Kautelen doch österreichische Renten aus
[
Q6 Die Börse
dem feindlichen Auslande abgestoßen werden könnten, wurde
für Abschlüsse an der Börse ein Minimalkurs festgesetzt, uirter
dem keine Ums^ätze erfolgen durften. Dieser Minimalkurs wurde
am 24. März 1916 mit 751/2 Prozent bestimmt. Erst am 10. Januar
1917 erklärte der landesfürstliche Börsenkommissar in der Börsen-
kammer, daß die Minimalkurse für Renten und Kriegsanleihen
auf Verfügung der Regierung aufgelassen seien. Er begründete
diese Maßnahme damit, daß sich in den letzten Wochen sehr viel
Geld für Renten und Kriegsanleihen gezeigt habe, daß die Min-
destkurse zum Teile bereits überschritten seien und daß weiter-
hin Vertrauen in die Fortdauer der Festigkeit des Anlagemarktes
bestünde. Im Dezember 1917 notierte die Kronenrente 78 Prozent.
Die erfolgreiche Unterbringung der Milliarden von Kriegsanleihen
war nur dadurch möglich, daß nicht bloß flüssiges Kapital zur
Zeichnung herangezogen wurde, sondern daß auch wirtschaft-
lich schwächere Schichten der Bevölkerung ihre vaterländische
Pflicht erkannten und Kriegsanleihe erwarben, welche sie be-
vorschussen ließen. Es wird bei Erörterung der Begebung der
Kriegsanleihen darauf verwiesen, daß es richtiger gewesen wäre,
wenn jene Zeichner, die Kriegsanleihe ohne Inanspruchnahme
der Belehnungsmöglichkeiten erwerben konnten, es auch tatsäch-
lich getan Hätten. Allerdings bot gerade der Zinsengewinn, der
aus der Belehnung resultierte, einen gewissen Anreiz zur Zeich-
nung. Jedenfalls hat aber die leichte Belehnungsmöglichkeit die
endgültige Klassierung der Kriegsanleihen nicht begünstigt. Man
darf nicht die Klassierung der Renten, die vor Kriegsausbruch zur
Ausgabe gelangten, mit derjenigen der Kriegsanleihen vergleichen.
Während sonst nur wenige hundert MilUonen Kronen Renten im
Jahre neu geschaffen wurden und das Übernahmskonsortium über-
ihren Verkauf sorgsam wachte und sich Marktfreiheit für mehrere
Monate ausbedingen konnte, mußten während des Krieges in
kürzester Zeit Milliardenanleihen untergebracht werden. Es ist
selbstverständlich, daß unter diesen Umständen die erste und
die zweite Kriegsanleihe viel besser placiert wurden als die späteren
Emissionen, bei denen das wirkliche Anlagebedürfnis doch kleiner
war. Überdies bot die baldige Fälligkeit der ersten und zweiten
Die Börse 97
Kriegsanleihe bei Parirückzahlung einen besonderen Anreiz für
ihre Erwerbung, und dies macht auch die Tatsache erkläriich,
daß sie sich im Preisstande bessern konnten, was bei den anderen
Kriegsanleihen nicht zutrifft. Ein wichtiger Umstand darf hier
auch nicht übersehen werden. Kriegslieferanten und industrielle
Unternehmungen, welche große militärische Aufträge übernommen
haben, sind direkt oder indirekt verhalten worden, sich einen
Teil ihrer Forderungen durch Kriegsanleihen begleichen zu lassen.
Wenngleich darauf gesehen wurde, daß sie sich verpflichteten,
die Kriegsanleihen nicht zu verkaufen, fanden, sie doch häufig
Mittel und Wege, ^ch eines Teiles ihres Besitzes an Kriegs-
anleihen zu entäußern. Außerdem waren Banken, Aktiengesell-
schaften und große Industrielle moralisch gezwungen, von jeder
Kriegsanleihe einen bedeutenden Posten zu erwerben. Wenn
nun eine neue Emission vor der Türe stand, so kam von diesen
Seiten immer Material aus den Beständen an der zuletzt über-
nommenen Anleihe zum Vierkaufe. Auf diese Weise wurde Luft
für die Zeichnung auf die nächste Kriegsanleihe geschaffen. Vor-
übergehend wurden für die neuesten Kriegsanleihen Minimalkurse
festgesetzt, die aber nicht auf die Dauer aufrecht zu erhalten waren.
B<
sgebungs-
Minimal-
Kurs
Kurs
kurs
kurs
Juli 1917
Dez. 1917
I.
Kriegsanleihe S^l^% ....
. 97.50
96.25
93.85
99.75
H.
m
. 95.25
91.80
93.85
94.-
lU.
»
. 93.60
90.70
91.15
90.75
IV.
w
a) 40 jährige Anleihe
b) Schatzscheine,
.93.—
92.50
91.45
91.25
Tjährig . . .
. 95.80
95.-
94.10
94.75
V.
M
a) 40 jährige Anleihe
b) Schatzscheine,
.92.—
91.—
90.75
5jährig . . .
.96.
—
95.10
95.50
VI.
n
a) 40jährige Anleihe
b) Schatzscheine,
.92—
—
91 —
90.75
10 jährig . . .
. 93.50
93.
92.50
Um zu verhindern, daß aus dem feindlichen Auslande Effekten
auf den Markt geworfen werden, wurde bestimmt, daß aus dem
befreundeten oder neutralen Auslände kommende Effekten nur
dann übernommen, in Verkehr gesetzt oder belehnt werden, dürfen,
MQlIer, Die finanzielle Mobilmachung: Österreichs. 7
98 Die Börse
wenn sie mit einem Affidavit einer Bank versehen sind, deren
Zuverlässigkeit unbestritten ist und die eidesstattliche Erklärung
enthält, daß die Effekten seit Kriegsbeginn nicht in feindlichem
Besitze standen. In das Regulativ wurde ferner die Bestimmung
aufgenommen, daß zahlenmäßige Angaben über vorgefallene Preise
weder in öffentlichen Verlautbarungen noch in Mitteilungen ge-
macht werden dürfen, welche für größere Kreise von Personen
bestimmt sind. Nach wie vor konnten die Zeitungen in Österreich
Berichte über den Verlauf der Börsenversammlungen bringen,
sie mußten sich aber in ganz allgemeinen Ausdrücken bewegen.
Es durfte gesagt werden, daß in einer bestimmten Effekten-
kategorie z, B. in Eisenwerten oder in Bankpapieren Nachfrage
resp. Angebot bestand. Es durfte aber niemals das einzelne Effekt
bezeichnet werden. Diese Anordnung ist keine richtige gewesen.
Man hätte sich entweder dazu entschließen müssen, die Ver-
öffentlichung von Börsenberichten ganz zu untersagen oder auch
die Angabe der Effekten, in denen Umsätze erfolgten, zu gestatten,
wie es z. B. in Berlin der Fall war. Dadurch, daß das Publikum in
den Zeitungen las, daß Eisen- oder Zementpapiere, Kohlenwerte
usw. gefragt waren, wurde es zu Kaufanträgen in allen Kohlen-
werten, in allen Zementwerten veranlaßt und infolgedessen stiegen
einzelne Papiere ohne jede innere 'Berechtigung. Schließlich ent-
wickelte sich eine Art der Berichterstattung, bei der die Zensur
und alle Beteiligten auf ihre Rechnung kamen. Man sprach in den
Börsenberichten von dem leitenden Bankpapiere und meinte die
Kreditaktien, Transportwerte mit Industrialien bedeutete die
Staatsbahnaktien usw.
Als im Frühjahre 1916 noch keine Anzeichen für die Wieder-
aufnahme der russischen und der französisch-englischen Offensive
vorhanden waren, glaubte man vielfach in hiesigen Finanzkreisen,
daß das Ende des Krieges schon in ziemlich greifbare Nähe ge-
rückt sei. Von ihm erwartete man eine starke Verteuerung der
Geldsätze, und um die bestehende Oeldflüssigkeit noch aus-
zunützen, entschlossen sich eine Reihe von Banken und Industrie-
Unternehmungen, ihr Kapital zu erhöhen. Mitte Mai 1916 kam die
allgemeine Aufwärtsbewegung der Effekten zum Stillstande. Es
Die Börse QQ
begann eine Zeit der Schwankungen, die Kontremine wagte sich
wieder vor und mancher Teil der Gewinne einer Hausseperiode
von fast anderthalb Jahren ging verloren. Diese Stagnation der
Wiener Börse hielt bis in den Monat September an. Vor und
nach der Kriegserklärung Rumäniens erfolgten schärfere Kurs-
rückgärige, zumal auch umfangreiche Leerverkäufe vorgenommen
wurden. Wie sich bald zeigte, haben gerade diese Abgaben den
Keim zu einer neuen Börsenbewegung gelegt. Als der erste
Schrieck über den Eintritt eines neuen Gegners überwunden war,
setzte um die Mitte des Monates September die Aufwärtsbewegung
der Kurse mit voller Wucht ein und hielt bis gegen Jahresschluß
an. Die Hauptgründe der Bewegung waren die großen mili-
tärischen Erfolge, das wachsende Vertrauen in den endgültigen
Sieg und namentHch die ungewöhnliche Geldflüssigkeit, welche
zur Ermäßigung der Vergütungen für Spargelder und der Kredit-
sätze der Banken führte. Die fortdauernde Räumung der Lager-
bestände zwang die Besitzer des Kapitales, Effekten zu kaufen,
wenn sie ihre frei verfügbaren Gelder in einer Weise verwerten
wollten, vi^elche der Teuerung der Lebensverhältnisse entsprach.
Die Banken sahen diese Bewegung recht gerne, denn sie gab
ihnen die Möglichkeit, die eigenen „jungen" Aktien, sowie die
der ihnÄi nahestehenden Unternehmungen ^u steigenden Kursen
abzusetzen. Die spekulative Tätigkeit nahm im Herbste solche
Dimensionen an, daß der Gifo- und Kassenverein kaum mehr
in der Lage war, die Verrechnung zu bewältigen.
Zum ersten Male erschien zum Jahresschlüsse 1916 ein Kurs-
blatt, das unter der Bezeichnung „Amtliche Schätzwerte der Wiener
Börsekammer" auch in den Zeitungen veröffentlicht wurde. Wäh-
rend des ganzen Jahres 1916 waren die Kurse nicht veröffentlicht
worden, sondern die Banken und Kommissionäre teilten die vor-
gefallenen Abschlüsse ihrer Kundschaft privat mit. Im Monate
Dezember 1916 bestimmte eine Ministerialverordnung, daß bis
zum. Wiedererscheinen des amtlichen Kursblattes die Börsekammer
in der vom Finanzminister anzugebenden Art für den Schluß des
Jahres 1916, sowie auch weiter nach Maßgabe der Verhältnisse
in gewissen Zeitabschnitten eine Feststellung der Preise der
7*
100 Die Börse
an den inländischen Börsen notierten oder gehandelten Papiere
vornehmen solle. Der Zweck war wohl nicht der, das Publikum
über den Stand seiner Effektenkurse zu informieren, sondern die
Staatsverwaltung wollte nicht mehr den Zustand angehen lassen,
daß für die Berechnung der Stempel und Gebühren die Kurse
des letzten offiziellen Börsentages des Jahres 1914, anstelle der
geltenden höheren Kurse zugrunde gelegt würden. Diese amt-
lichen Schätzwerte wurden seither Ende Juli und Ende Dezember
1917 wieder veröffentlicht. Im Jänner und Februar 1917 schien
sich das schöne Börsenwetter zu ändern. Die Befürchtungen vor
der Rückwirkung der neuen Steuern auf den Geschäftsgang der
Industrie, die Abschwächung im Absätze der Eisenwerke, die
eine Folge der Produktionsschwierigkeiten war und die Erkennt-
nis, daß die Kurse einen Höchststand erreicht hätten, der auf
die Dauer nicht aufrecht zu erhalten sei, bewirkten, daß umfang-
reiche Tauschoperationen von Aktien gegen fest verzinsliche
Papiere und namentlich gegen Pfandbriefe, städtische Anleihen
und auch gegen Renten vorgenommen wurden. Die Kontremine
wagte sich wieder vor und es entstanden in einer Reihe von
Papieren größere Baisseengagemehts. Aber auch dieser Zustand
wurde bald überwunden, zumal die Rechnungsabschlüsse aller
Banken und Industrieunternehmungen Kekordziffern ifnd die
höchsten Erträgnisse verzeichneten, und die Börsenbewegung der
Monate April bis November 1917 ließ an Stärke und an Umfang
alles andere weit im Schatten. Die strengen Maßnahmen gegen
den Kettenhandel in Waren trieben überdies zahlreiche Speku-
lanten dem Effektengeschäfte zu. Der Liquidationsprozeß der
Wirtschaft verschärfte sich unter dem Drucke der vermehrten Ein-
und Ausfuhrverbote und die Qeldflüssigkeit wuchs jeden Tag.
Vergebens waren alle Warnungen der Regierung und auch ein-
zelner Banken. Vorübergehend wurden die geltenden Bestim-
mungen für. die Deckung der Effektenengagements noch ver-
schärft, aber die große Masse des Publikums, welche an den
Börsen so reiche Gewinne erzielt hatte, erfüllte spielend jede
erhöhte, Nachschußforderung. Die Spielwut zog immer weitere
Kreise und die Bewegung der Börsenkurse wurde in Gesellschafts-
Die Börse 101
kreisen verfolgt und offen erörtert, die sich von solchen Geschäften
bisher ferngehalten hatten. Die Erschwerung der ganzen Lebens-
haltung trieb stets neue Käufer dem Börsenspiele zu, denn einer
erzählte dem anderen von den Gewinnen, die er gemacht hatte.
Wahllos kaufte das Publikum Effekten, und den Banken und
Kommissionsfirmen bereitete es die größten Schwierigkeiten,
trotz angestrengter Arbeit die einlangenden Aufträge zu be-
wältigen. Die Tafeln, an denen im Börsensaale die Kurse der
Effekten, bei denen sich gegenüber der letzten Notierung be-
deutende Schwankungen ergaben, aufgezogen werden, waren stets
mit Pluszeichen bedeckt. Das Publikum wollte um jeden Preis
ein oder das andere Effekt, das gerade in Mode war, kaufen, und
fragte nicht um Rentabilität und die Aussichten des Unternehmens.
Bei einzelnen Wiener Banken waren die Käufe und Verkäufe an
manchen Tagen größer als 15000 bis 20000 Stück Aktien, wobei
überdies noch mehrere tausend Stücke im Wege interner Ab-
rechnung kompensiert wurden. Im April des Jahres 1917 begann
eine Spezialbewegung an der Wiener Börse, die hauptsächlich
Schiffahrtswerte umfaßte. Der Umstand, daß einzelne Schiffahrts-
unternehmungen Schiffe, die sie in neutralen Häfen liegen hatten,
zu sehr günstigen Preisen verkauften, führte dazu, daß die Aktien
aller Schiffahrtsgesellschaften, die schon seit Jahren keine Divi-
dende verteilen konnten, sprunghaft in die Höhe stiegen. Das
geht auch aus nachfolgender Aufstellung hervor:
Januar 1918
1917 Kurse nach dem
, April Mai Juni Juli Rückschlage
Lloyd 782 1018 1660 2800 1565
Austro Americana . 540 980 1500 1850 1282 ^
Adria 1000 1160 1420 1850 1340
Navigazione Libera 1350 1875 2270 3500 2070
Mit welchen Schlagworten die Börsenbewegung angefeuert und
zu erklären versucht wurde, zeigt das Wort: „Flucht vor der
Banknote." Seine Anhänger wollten damit sagen, daß in den
Aktien, wie hoch immer ihr Kurs emporgetrieben würde, ein
reeller Wert stecke, und daß sie auch bei schweren Wirtschaft-
102 Die Börse '
liehen Störungen einen Anteil an Unternehmungen in der Hand
hätten und eine Sicherheit besäßen, welche ^die Noten der Bank
Ihnen niemals gewähren können. Außerdem hielten viele Effekten-
besitzer an ihren Aktien aus d^m Grunde fest, weil sie lieber die
niöglichen Kurs- und Ertragsverminderungen auf sich nehmen,
als von den bei Verkäufen erzielten großen Kursgewinnen einen
sehr bedeutenden Teil dem Staate als Kriegsgewinnsteuer ab-
führen WQÜten.
Ein klares Bild der Erhöhungen der Aktienkurse von Kriegs-
ausbruch bis zum Monate September 1917 bot eine vom Bankier
Kais. Rat Wachtel verfaßte Gegenüberstellung der Aktienwert-
berechnung auf Grund der Kurse vom 23. JuH 1Q14 und der Ver-
kehrsprqise vom 20. September 1917.
Durch-
Kurs- schnitt-
NO- ^f*,?,? Ver. Werter- "^*!^„^^-
mi'^a»- iQiÄ kehrs- höhune ^f»S."f
kapital ^^Jin»»* wert am v.25.|uli '^ZZ'
am \7"h,^ 20.Sep. 1914 bis Z^^!^
25 luli J^^^". temb^r 20. Sept. "^-^^It
1014 ^""'^ °' 1017 1017 wertes
^^^* Stück- *^*' *''*' vom
Zinsen 25. |uli
1914
in Millionen Kronen
Aktien der
Bankinstitute 1846,2 2816,3 4145,1 1328,8 47
Versicherungsgesellschaften .... 31,0 82,3 110,5 28,2 34
Seeschiffahrtsgesellschaften .... 46,8 72,7 312,9 240,2 330
Flußschiffahrtsgesellschaft^ .... 73,5 65,6 154,6 89,0 136
diversen Transportunternehmungen
einschließlich der Genußscheine . 1040,9 1127,8 1610,8 483,0 43
Bau-undBaumaterialiengesellschaften 78,4 139,2 239,3 100,1 72
Brauereien 17,5 55,6 81,4 25,8 46
chemischen Industrien 44,8 105,1 249,0 143,9 137
Elektrizitätsindustrie 81,5 107,8 218,9 111,1 103
Eisen- und Metallgesellschaften . . 317,4 851,4 1708,9 857,5 100
Qasgesellschaften 10,2 18,8 36,3 17,5 93
Kohlen- und Bergwerksb^triebsge-
sellschaften 158,8 397,3 931,3 534,0 134
Maschinen- und Waggonindustrie . 106,5 251,5 494,1 242,6 96
Papier- und Druckindustrie .... 41,1 76,0 140,3 64,3 85
Petroleumindustrie 47,0 51,8 238,7 186,9 361
Textilindustrie 39,8 42,0 90,1 48,1 115
Zuckerindustrie 49,0 74,7 153,3 78,6 105
diversen Unternehmungen . . . . . 137,0 199,3 478,3 279,0 140
Insgesamt. .4167,4 6535,2 11393,8 4858,6 74
Die Börse 103
Die Börsenspekulation in Wien blieb bei allen, ihren Aus-
schreitungen an Wucht und Ausmaß gegenüber der Bewegung
in Budapest noch zurück. Alle Schichten der Bevölkerung wurden
dort vom Spielfieber erfaßt. Die ungarische Landwirtschaft hatte
eine glänzende Ernte eingeheimst, die sie zu Höchstpreisen ab-
setzen konnte. Ein großer Teil dieses Erlöses strömte dem
Effektenmarkte zu, denn bis in die kleinsten Dörfer reisten die
Vertreter von Börsenfirmen, um Kommittenten zu werben. Zu
immer höheren Preisen wurden alte Effekten überwertet und
die Aktien von neu gegründeten Unternehmungen mit dem größten
Agio weiterbegeben. Die Budapester Spekulation griff aber auch
mächtig auf den Wiener Markt über. Zu Tausenden von Stücken
wurden von ihr täglich alle möglichen Aktien auf dem Wiener
Markte erworben und nach Ungarn gebracht. Die Wiener Börse
stand monatelang völlig unter dem Einflüsse der Budapester' Börse,
an der auch das Schlagwort ausgegeben wurde, man müsse sich
die Aktien jener Gesellschaften sichern, an denen finanzielle
Interessen Ungarns bestüncfen. Eine solche Politik bewirkte wieder
in einer Reihe von Aktien überstürzte Käufe österreichischer Banken
und Gesellschaften, die fürchteten, aus ihrer Einflußsphäre ver-
drängt zu werden. Der Generaldirektor der Ungarischen All-
gemeinen Kreditbank, Magnatenhausmitglied Adolf von Ullmann
erklärte auch in einem Artikel, daß z. B. das seiner Leitung unter-
stehende Institut allein von Mitte September bis Ende Oktober 1917,
demnach in knapp sechs Wochen, für 110 Millionen Kronen öster-
reichische Effekten, von welchen der weitaus überragende Teil
Spekulationspapiere darstellte, für Rechnung der Kundschaft er-
worben habe. Wenn man bedenkt, da3 diese Kaufs nur von einer
Seite erfolgten, daß aber die anderen Banken und Firmen auch
nicht zurückblieben, so kann man ermessen, welche Riesenbeträge
in einem kurzen Zeiträume nach Ungarn gezogen wurden, was
wiederum das wüste Kurstreiben erklärlich macht. Die zahlreichen
Kapitalsvermehrungen ungarischer Banken und Industriegesell-
schaften, die vielfach von dem Gesichtspunkte aus erfolgten, sich
finanziell von Österreich mögHchst unabhängig zu machen, förder-
ten selbstverständlich die Börsenbewegung. Die Versuche ernster
104 I^ic Börse
finanzieller Kreise im Vereine mit der Finanzverwaltung, die Spiel-
lust des Publikums in den Monaten September und Oktober ein-
zuschränken, blieben vorerst vergeblich. Die Bewegung nahm im
Gegenteile an Stärke immer mehr zu. Den warnenden Stimmen
gegenüber wurde erklärt, daß das Publikum für seine Engagements
große Deckungen besitze und die Käufe vielfach gegen bare An-
schaffung erfolgten. Die späteren Ereignisse haben allerdings be-
wiesen, daß bei starken Rückschlägen auch sehr hohe Deckungen
rasch zusammenschmelzen, besonders wenn das Ausmaß der
Engagements ein sehr bedeutendes ist. Die Finanzverwaltung be-
sorgte, daß unter den obwaltenden Verhältnissen die Begebung
der bevorstehenden siebenten Kriegsanleihe auf ernste Schwierig-
keiten stoßen würde, da die Börsenbewegung größere Geldmittel
band und das Interesse des Publikums dem Anleihemarkt ent-
fremdete. Auch im Parlamente wurde eine Eindämmung der
Spekulation verlangt. Um jene Besitzer von Aktien, welche deren
Veräußerung zu den gestiegenen Kursen nur aus dem Grunde auf-
schoben, weil sie befürchteten, daß ein großer Teil des Nutzens
durch die Kriegsgewinnsteuer weggenommen würde, zum Um-
tausche der Aktien gegen Kriegsanleihe zu veranlassen, verfügte
das Finanzministerium folgendes: Den Steuerbehörden wird in
Erinnerung gebracht, daß bei Veräußerung von Effekten zum
Zwecke der Zeichnung von Kriegsanleihe ein Gewinn nur dann der
Besteuerung unterliegt, wenn die . Veräußerung von Effekten im
Betriebe einer Erwerbsunternehmung oder in Ausführung eines
Spekulationsgeschäftes erfolgte. Auf die Weise wurden doch zahl-
reiche Besitzer von Aktien veranlaßt, diese abzustoßen und da-
gegen Kriegsanleihe zu zeichnen. Es mag dahingestellt bleiben,
ob die Steuerbehörden sich in der Praxis an diese Richtlinien
halten und ob sie nicht in den meisten Fällen versuchen werden,
Kursgewinne überhaupt auf Spekulationsgeschäfte zurückzuführen.
Über Veranlassung der Finanzverwaltung gingen die Banken auch
darah, die weitere Anhäufung spekulativer Engagements durch
verschärfte Deckungsvorschriften einzudämmen. Zwischen den
Banken und den Kommissionsfirmen kam ein Abkommen zu-
stande, demzufolge Bankpapiere und Transportwerte mit höchstens
Qie Börse 105
60 Prozent, Industrieaktien mit höchstens 50 Prozent belehnt werden
sollen, wobei die Grundlage der Bewertung das letzte Schätzungs-
kursblatt vom 31. Juli zu bilden hatte. Auch in Budapest erhoben
die Leiter der Banken ihre warnende Stimme und wiesen auf die
Notwendigkeit der Reform des ganzen Budapester Börsenverkehrs
hin. Die starke Überwertung aller Wertpapiere, welche deren Divi-
dendenerträgnis in zahlreichen Fällen bis auf zwei Prozent herab-
drückte, und die anhaltenden Warnungen veranlaßten noch im
Oktober viele besonnene Kreise, sich ihres Aktienbesitzes zu ver-
äußern und für den Erlös Anlagepapiere, namentlich die hoch ren-
tierenden Kriegsanleihen, zu erwerben. In unvermittelter Weise
setzten dann in den Novembertagen Rückgänge auf dem Aktien-
markte ein, wobei bei vielen Werken Kurseinbußen von 50 bis
70 Kronen an einzelnen Tagen zu verzeichnen waren. Der Liqui^
dationsprozeß hielt bis Ende des Jahres 1917 an und verschärfte
sich noch im Laufe des Monats Januar 1918. Schwere Kurs-
rückschläge auf dem Markte der Schiffahrtswerte, die um Hun-
derte von Kronen fielen, brachten auch andere Positionen ins
Wanken. Die Rückgänge vollzogen sich aber anders als in früheren
Jahren. Es gab keine Derouten und Paniken, stürmisches Aus-
gebot von Wertpapieren war fast nirgends zu beobachten. Die
bedeutenden Einschüsse und die allerdings vielfach auf dem Papiere
gestandenen Gewinne gestatteten einen geordneten Rückzug des
Publikums, auf dem aber ein großer Teil der monatelangen
Kurssteigerungen verloren ging.,
106 ^^s Agio und sein^ Bekämpfung
Das Agio und seine Bekämpfung.
Seit Kriegsausbruch haben sich im Verhältnis der inländischen
Währung zu den ausländischen Zahlungsmitteln schwerwiegende
Verschiebungen ergeben, die in der Bildung eines Disagios von
bedeutender Höhe gipfeln. Schon im Frieden ist es für ein Land
wie Österreich-Ungarn mit einer passiven Handels- und Zahlungs-
bilanz keine leichte Sache, das Entstehen eines solchen Agios
bei den Preisen der Devisen zu verhindern. Die Österreichisch-
Ungarische Bank hatte sich um die Bewältigung dieser Aufgaben
große Verdienste erworben und es ist ihrer zielbewußten Tätig-
keit mit zuzuschreiben gewesen, daß im Laufe der Jahre die Preise
der auswärtigen Zahlungsmittel auf einem Niveau gehalten wurden,
das keine tiefgehenden Veränderungen gegenüber der Relation
aufwies. Wenn eine aktive Handels- und Zahlungsbilanz besteht,
ist es für dasNoteninstitut wesentlich einfacher, die Devisenkurse
zu regulieren. Dann bedarf es keiner besonderen Kunststücke,
damit Guthaben im Auslande entstehen und Gold in die Kassen
der Bank fließt; die Guthaben im Auslande bilden sich infolge
des Waren- und Effektenverkehres von selbst. In der Monarchie
ist ein großer Teil der Guthabungen im Auslande durch die Auf-
nahme von Anleihen entstanden, welche von der österreichischen
und dei ungarischen Finanzverwaltung, von Städten, einzelnen
Gesellschaften und Bankinstituten abgeschlossen wurden. Der
Ausbruch des Krieges hat es, abgesehen vom deutschen Geld-
markte, unmöglich gemacht, neuerliche Guthabungen in nennens-
werter Höhe im Auslande zu schaffen, und die passive Handels-
bilanz wurde, wie wir sehen werden, noch passiver. Für eine
Reihe von Artikeln, welche die Monarchie erzeugt und ausführt,
konnten die ausländischen Märkte nicht aufgesucht werden, wäh-
rend der Bedarf an fremden Roh- und Halbprodukten im Wege
der Einfuhrverbote nur teilweise gedrosselt werden konnte. Ge-
wisse Fertigfabrikate konnten auch aus dem Grunde nicht in
das Ausland gelangen, weil das zu ihrer Erzeugung nötige Roh-
material und Halbfabrikat die Grenzen der Monarchie nicht über-
Das Agjo und s^ine Bekämpfung 107
schreiten konnte. Die Folge dieser Entwicklung war eine Steige-
rung der Preise der ausländischen Zalilungsmittel, eine Er-
scheinung, die in allen kriegführenden Staaten eintrat, sich in
der Monarchie aber in größerer Schärfe zeigte. Um die damit
im Zusammenhange stehenden Fragen in ihrer vollen Bedeutung
erfassen zu können, ist es notwendig, eine Schilderung der Ver-
hältnisse des Devisenmarktes vor Ausbruch des Krieges zugeben
und dann zu sehen, wie der Krieg die Valutaverhä).tnisse be-
einflußt hat und welche Maßnahmen getroffen wurden, um eine
weitere Steigerung des Agios zu verhindern.
Die Österreichisch-Ungarische Bank wurde gesetzlich und staats-
rechtlich zum Schutze der Valuta verpflichtet. Sie sollte bei Ver-
lust des Privilegiums jederzeit ihre Noten gegen gesetzliches
Metallgeld einlösen. Von dieser Pflicht war jedoch die Bank
solange befreit, als der Zwangskurs der Staatsnoten in beiden
Gebieten der Monarchie bestand. Die Staatsnoten sind seit fast
20 Jahren vollständig aus dem Verkehr gezogen worden, aber
die Aufnahme von Barzahlungen ist noch nicht- erfolgt und ge-
regelt. Nach langen Verhandlungen, bei denen die österreichische
Regierung den Standpunkt vertrat, daß ein Termin für die Auf-
nahme der Barzahlungen nicht im Voraus fixiert werden. könne,
die ungarische Regierung aber die Barzahlungen sclion von. der
Erwägung aus wünschte, daß dann der Übergang zur Schaffung
einer selbständigen ungarischen Notenbank leichter gefunden
werden könnte, kam es zwischen beiden Regierungen zu einem
Kompromiß. Dasselbe legte der Bank folgende Verpflichtung
auf: Sie hat mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dafür zu
sorgen, daß der im Kurse der ausländischen Wechsel zum Aus-
druck gelangende Wert ihrer Noten entsprechend der Parität des
gesetzlichen Münzfußes der Kronenwährung dauernd gesichert
bleibt. Von dieser Pflicht ist die Bank im Kriege enthoben, da
.der betreffende Paragraph der Statuten suspendiert wurde. Vor
dem Kriege hat die Bank die Valuta erfolgreich verteidigt, und die
Preise der ausländischen Zahlungsmittel bewegten sich in den
letzten Jahren stets um die durch die Ausprägungsverhältnisse be-
dingte Münzparität. Die nachstehende Tabelle gibt ein Bild der
108 Das Agio und seine Bekämpfung
durchschnittlichen Notierungen der ausländischen Zahlungsmittel
in der Zeit vom Jahre 1907 bis zur Schließung der Wiener Börse
am 25. Juli 1914.
1907 1908 1909 1910
20 Francs-Stücke . . . 19,14^7 19,10« 19,07" 19,08«»
Marknoten 117,59** 117,41»7 117,31«» 117,51«*
Deutsche Bankplätze . 117,58»» 117,44»» 117,30« 117,55»»
London 24,093" 23,993»» 24,000*« 24,04»«
Paris 95,04*» 95,64*» 95,3P« 95,30*»
1911 1912 1913 1914
20 Francs-Stücke . . . 19,05»« 19,14»! 19,12»» 19,12»»
Marknoten 117,47«*, 117,83" 117,92«« 117,57«'
Deutsche Bankplätze . 117,48»» 117,84»« 117,93«» 117,57»«
London 24,03'» 24,13 24,13«» 24,08»»
Paris • . . 95,16«» 95,58»« 95,57»» 95,14«»
«
Die Österreichisch-Ungarische Bank konnte ihre Aufgabe des-
wegen erfüllen, weil sie seit Jahren bestrebt war, sich die alleinige
Herrschaft über den Devisenmarkt zu sichern. Sie tat dies, indem
sie systematisch daran arbeitete, die anderen Banken und Firmen,
die in früheren Zeiten das Devisengeschäft betrieben hatten, davon
auszuschalten und den Handel mit Devisen zu ihrem Monopole
zu machen. Diese Praxis hatte sich in der Friedenszeit bewährt,
nach Ausbruch der kriegerischen Verwicklungen gab sie aber, wie
wir später ersehen werden, Anlaß zu manchen Schwierigkeiten.
Die Banken hatten es nicht für notwendig gehalten, größere Qut-
habungen im Auslande stehen zu lassen, denn sie waren gewohnt,
ihren Bedarf an Devisen durch Vermittlung der Österreichisch-
Ungarischen Bank eindecken zu können. Im Frieden hatte das
Devisenmonopol der Bank die Folge gehabt, daß wiederholte Ver-
suche, sich spekulativ auf dem Devisenmarkte zu betätigen, miß-
lungen waren und mit Verlust geendet hatten. Der Notenbank
kam bei ihrer Politik der Umstand zugute, daß sowohl die öster-
reichische als die ungarische Finanzverwaltung bestrebt waren,
sie zu unterstützen und ihr durch die Übertragung des Kupon-
dienstes der im Auslande zahlbaren Renten, durch die Über-
weisung des Oolderlöses von Anleihen und der Zölle zur Herr^
Schaft über den Markt verhalfen.
Der Krieg und der Devisenmarkt 100
Der Krieg und der Devisenmarkt.
So lagen die Verhältnisse als der Krieg ausbrach und die
Österreichisch-Ungarische Bank sich auf dem Devisenmärkte einer
ganz neuen Situation gegenüber befand. Als es in den ersten Tagen
des Konfliktes den Anschein hatte, daß er auf Serbien beschränkt
bleiben würde, machte sich eine starke Nachfrage nach Devisen
bei der Bank geltend. In kaufmännischen und finanziellen Kreisen
glaubten die wenigsten, daß es zu einem Kriege mit Frankreich
und England kommen könnte. Das Bestreben der Banken war
daher darauf gerichtet, ihre Filialen im Auslande durch Oold-
überweisungen zu stärken, Rohstoffbezüge in London sicher-
zustellen und die Forderungen ihrer ausländischen Geschäfts-
freunde, welche über Nacht ihre Outhabungen zurückzogen, zu
erfüllen. Der Devisenbedarf, den die Österreichisch-Ungarische ,
Bank zu decken hatte, nahm einen immer größeren Umfang an,
und die Bank war fiach Kräften bestrebt, den Forderungen,
die an sie gestellt wurden, nachzukommen. Als die Mobili-
sierung angeordnet wurde, stellte die Österreichisch-Ungarische
Bank vorübergehend die Abgabe von Devisen ein, entschloß sich
aber nach wenigen Tagen wieder, den^ dringendsten Bedarf zu
befriedigen. Unaufhaltsam begannen die Devisenkurse zu steigen.
Nachdem Zahlungen in Paris und London nicht mehr geleistet
werden konnten, trat die Nachfrage nach der Devise Berlin,
Holland und Schweiz hervor.
Auf dem Devisenmarkte ließ die Österreichisch-Ungarische Bank
in der ersten Zeit nach Kriegsausbruch die zielbewußte Hand,
die sie sonst gezeigt hatte, vermissen und glaubte mit kleinen
Mitteln über die ungeheuren Probleme, die sich eröffneten, hinweg-
kommen zu können. Einen Tag wurden Devisen von ihr reich-
lich zur Verfügung gestellt, am nächsten Tag drosselte sie wieder
den Bedarf, dann war sie bemüht, durch den Export bedeutender
Goldmengen sich Devisenguthaben in Deutschland und in den
neutralen Staaten zu schaffen. Inzwischen stieg das Agio un- '
aufhaltsam. Die Bewegung der Devisenkurse seit Kriegsausbruch
ist aus nachstehender Tabelle zu ersehen:
#
110
Der Krieg und der Devisenmarkt
Devise
\
1914
Berlin
Geld Ware
Hol
Geld
and
Ware
Schweiz
Geld 1 Ware
1 . August
15
I.September
15.
1. Oktober .
15
2. November
15.
1. Dezember
15.
>i
1915
2. Jänner .
15
1. Februar
15. „
1. März
15. „
t.April^^
I.Mai .
15
1. Juni ♦
15.. „ .
I.Juli .
15. %, . ,
2. August
15. „
l.Scptember
15. ,,
I.Oktober .
15
1. November
15.
I.Dezember
15.
»
1916
3. Jänner .
10, ff
1 . Februar
15. „
I.März. >
10. ff •
118,40
119V.
121 V2
123,—
127,—
124,—
124V,
12574
124,90
I26V4
126,30
127,—
128,—
128'/,
131'\
132\',
132'/3
132 V,
. 133^8
1333/4
135,—
135V8
134V8 .
135Vs
135,—
135%
1358/9
1363/4
140V8
141V.
1393/4
140V.
142V.
144,—
146V.
14^-
1473/4
143V2
143,60
143,35
120,—
123,—
126.—
1253/,
1287,
126.—
1277,
1263/,
125,10
126V.
126V.
127»/,
1283 8
128'/,
1321/,
133V4
1333/3
133,—
133'/,
134V4
135V.
135^8
1353/3
135%
I35V2
1357«
1357«
137V4
141 Vs
142,—
1403/,
141-
143V4
1443/4
147V4
I48V4
1487,
144V4
143,90
143,65
24OV2
237V,
233V,
232V2
2343/,
237.—
2423/3
258,—
254,—
2563/^
257,—
257,—
25774
2627,
2647,
2667,
267V4
2687,
268=7,
269,—
2707,
2787,
2827,
288,—
2937,
3027,
330,—
347,—
350,—
342,—
3297,
340,—
3447,
230,—
235,—
235,—
242 Va
238V,
234V,
233,—
235V4
238,—
242V8
260,—
255.—
2573/,
259,-
258,—
258,—
263,—
265V,
267,—
268V4
26Q,—
2697,
269V,
271V,
279V,
283V,
290,—
294,—
305V,
332,—
348,—
355,—
344,—
332V,
341,—
345 V,
96V,
99-
102V,
108,—
1Ö8"V4
lllV.
112 V.
109,—
110,—
1103/3
111,-
IIIV4
118V,
119,-
121 V4
122,—
122V.
12273
1243/,
124 V*
12374
123,60
124,—
124 V.
1243/,
1253/3
1283/3
130,—
1283/,
130,—
135,—
143,—
151V.
152V.
155,-
147V,
152,—
156,—
105,—
106,—
109,—
1Ö9"V4
113,—
113,—
110,—
1103/3
llOVs
1113/,
112-
119,-
1183/,
122,—
122V.
123,-
1233/3
125V4
1243/,
1233/,
124,-
124 V.
125,—
125,—
126,—
129,—
131,—
129 V.
130V,
1353/,
144,—
152 V,
1533/,
1553/,
148V,
153,—
157,—
Der Krieg und der Devisenmarkt
111
1916
Berlin
Geld I Ware
Holland
Geld Ware
Schweiz
Geld I Ware
I.April
15. „
I.Mai .
15
2. Juni .
15
l.juli .
15
1 . August
15. „
I.September
15.
2. Oktober .
16. „
2. November
16.
I.Dezember
15.
»
1917
2. Jänner .
15
1. Februar
15. „
I.März
15. „
I.April
16. „
I.Mai .
15
I.Juni .
15
I.Juli .
16. „ .
I.August
15. „
I.September
15. „
1. Oktober .
5
11. November
15.
1. Dezember
15.
}>
1918
1. Jänner . . .
15'
I.Februar . .
144,60
144,90
143,70
144,—
143V,
143,80
143V',
143.80
143,10
143,40
143,10
143,40
143,35
143,65
143,35
143,65
143,65
143,95
143,65
143,95
143,65
143.95
144,65
144,95
144,65
144 95
144,65
144,95
144,65
144,95
144,65
144,95
148,—
148,30
156,10
156,40
156,10
156,40
136,10
156,40
155,10
155,40
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
153,90
155,60
155,90
155,60
155.90
155,60
155.90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155.90
155,60
155i90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155.90
155,60
155,99
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155,90
155,60
155,90
155.60
155,90
150,—
150,30
150,
150,30
346,—
3373/4
3257^
31974
321,—
323 7,
323,25
323,25
324,25
324,50
324,50
327,—
329,—
329,75
329,75
331,25
346,—
373,50
373,50
373,50
371,—
372,25
374,75
375,50
388,—
394,25
413,—
413,—
422,—
428.50
428,50
436,50
449,—
464Vo
464V;
470/,
4733/^
475V,
487,—
476Ve
458.—
408,—
363,
325,-
325,.
347,—
338V4
326V4
320V/,
322,-
324V,
324,25
324,25
325;25
325,50
325,50
328,—
330,—
33OV4
330,75
332,25
347,—
374,50
374,50
374,50
372,—
373,25
375,75
376,50
389,—
395,25
414,-
414,—
423,—
429,50
429,50
437,50
450,—
465V2
465V2
471 3/4
474^4
476V2
488,—
477V,
459,—
409,—
364,-
326,-
326,-
I55V2
153V4
1493/4
147V4
147V.
1473/4
148,75
148,75
149,25
150,75
152,75
153,—
154,50
154,50
154,50
155,25
166,—
183 —
183,—
183,—
183,75
184,25
186,25
187,^
193,75
197,—
198,—
198,75
203,25
206,25
206,25
213,—
2193/4
235V/2
2453/,
238^/,
238V;
240,—
2463/,
247V,
245 V,
217,—
188,—
1687,
168Va
156V,
154V4
1503/,
148V4
148V,
1483/,
149,75
149,75
150,25
151,75
153,25
154,—
155,50
155,50
155,50
156,25
167,—
184,-
184,-
184,—
184,75
185,25
187,25
188,—
194,75
198,—
199,—
199,75
204,25
207,25
207,25
214,—
2203/,
236V/,
2463/,
239V/,
239V,
241,—
2473/,
248V,
246V,
218,—
189.—
169V,
169V,
112 Der Krieg und der Devisenmarkt
Während früher die breiten Schichten des PubHkums nicht
die blasseste Ahnung gehabt hatten, was das Wort .»Agio^^ be-
deute, begann man nun darüber zu sprechen, um wieviel der
Markpreis oder die Schweizer-Notierung von einem Tag zum
anderen gestiegen waren. Das Agio wurde zum Schreckgespenst,
ohne daß man eigentlich wußte, wie und ob man es bekämpfen
sollte. Vom I.August bis I.Oktober 1914 hatte sich die Mark-
notierung von 118,40 bis 127, die der Schweizer Devise von 96V2
bis 108 erhöht. Diese Entwicklung war zum Teile durch Deckung
ehrlichen Bedarfes, dann aber durch Angstkäufe und schließlich
durch Eingreifen einer Spekulation beschleunigt worden. All-
mählich erkannte man, daß das Agio einen bedeutenden Nach-
teil für die Monarchie darstelle. Die Auslagen für die dringende
Wareneinfuhr wurden um das Agio erhöht, die Zinsen für Schulden,
die an das Ausland zu leisten waren und die Tilgung der Forde-
rungen des Auslandes kosteten um das Agio mehr. Die große
Notenflation, das Schwinden des Goldschatzes der Bank sicker-
ten trotz der fehlenden Bankausweise allmählich durch. Es zeigte
sich namentlich in den ersten Monaten der Steigerung der aus-
ländischen Zahlungsmittel, daß gewisse Mittelschichten der Be-
völkerung von einer förmlichen „Devisen-Psychose" erfaßt wur-
den. In den Kreisen der Banken und der großen Kaufmannschaft
beurteilte man vorerst die Frage wesentlich ruhiger. Man sagte
sich, daß der Krieg eine Steigerung der Devisenkurse mit sich
bringen müsse, die Ausfuhr sei eben erschwert und die Einfuhr
müsse teurer bezahlt werden. Man kann es fast auf den Tag hin
feststellen, wie die durh die Steigerung der Devisenkurse ver-
ursachte Beunruhigung die wirtschaftiich geschulten Kreise erst
dann erfaßte, als. die Marknotierung den Preis von 130 überschritt,
als die holländisceh Devise den Stand von 258 erreichte und für
Schweizer Noten 118 Kronen bezahlt werden mußten.
Die Staatsverwaltung entschloß sich im November 1914, ein
Markguthaben in Deutschland sicherzustellen, indem sie durch
Vereinbarungen mit Berliner Banken, der Reichsbank und mit
Unterstützung der deutschen Regierung gegen Ausstellung von
Schatzwechseln einen Kredit im Betrage von 200 Millionen Mark
Der Krieg und der Devisenmarkt 113
erwarb und den Erlös für die mit dem Kriege zusammenhängenden
Warenbezüge und andere Zahlungen nach dem Auslande ver-
wendete. Dieser Betrag war aber nur ein Tropfen auf einen
heißen Stein, da er nur für ganz kurze Zeit die stürmische
Steigerung der Devisenpreise verlangsamte. Mit Beginn des
Jahres 1Q15 machte die Steigerung der Devisenpreise rasche Fort-
schritte. Das Disagio des österreichisch-ungarischen Geldes betri%
zeitweise gegenüber Deutschlands 25, gegenüber der Schweiz 60,
gegenüber Holland SOo/o. Es war demnach kein Wunder, daß sich
tiefgehende Beunruhigung über die Stabilität der Währungsverhält-
nisse einstellte. Die» Börse, die im Jahre 1915, wie an anderer
Stelle ausgeführt vsoirde, die Zeit einer stürmischen Aufwärts-
bewegung der Kurse verzeichnete, wurde an manchen Tagen doch
ängstlich, und vorübergehende Abschwächungen der Effekten-
preise im Privatverkehre waren auf die Steigerung der Devisen-
notierungen zurückzuführen. Immer klarer wurde es, daß der
gegenwärtige Zustand unhaltbar sei, und daß es nicht genüge,
mit verschränkten Armen der Steigerung der Devisenkurse zu*
zusehen. Die Frage war nur die, auf welche Weise man aitn
wirksamsten der Weiterbildung des Agios entgegentreten solltet
Die Schwierigkeiten wurden noch dadurch verschärft, daß während
vieler Monate wahllos die unmöglichsten Luxusartikel aus dem
Auslande eingeführt wurden. Die Kriegskonjunktur hatte Leute
schwer reich gemacht, die vor kurzem noch in sehr bescheidenes
Verhältnissen gelebt hatten. Ober Nacht reich geworden, konnten
sie sich nicht rasch genug in die neue Rolle. finden. Bis tief iti
das Jahr 1915 wurden Waren eingeführt, die einen ausgesproche-
nen Luxuscbafakter hätten. . Sie wurden vielfach in ausländischer
Valuta bezählt und hatten die Wirkung, unnötigerweise das
Passivum der Handelsbilanz zu erhöhen und die Steigerung der
Devisenkurse zu fördern. Edelsteine (Korallen), Perlen, Spitzen,
Stickereien, Seidenwaren, Teppiche, Kleidermodelle, Taschner- imd
Parfümeriewaren, Ananas, Trüffeln, Austern, Hummern, alle mög-
lichen Delikatessen, Havanna-Zigarren kamen in Posten für viele
Millionen lib^r die Grenze. Überdies bemächtigten sich auefi
Elemente höchst zweifelhafter Art dieses Einführgeschäftes und
MfiUer, Die finanzielle Mobilmachuufi: Österreichs. 8
114 Der Krieg und der Devisenmarkt
durch den Kredit, den sie nur zu schweren Bedingungen erhielten,
verteuerten sie die Preise der Waren noch mehr. In Wien sprangen
an allen Ecken und Enden Geschäfte aus dem Boden, welche
bisher unbekannte ausländische Lebensmittel um schweres Geld
verkauften. Ganz abgesehen davon, daß diese Einfuhr höchst un-
nötig war, hatte sie noch den großen Nachteil im Gefolge, daß
sie zur Verteuerung der ausländischen Zahlungsmittel wesentlich
beitrug. Sie bewirkte überdies eine Steigerung der Preise der
Bedarfsgegenstände, die aus dem Auslande bezogen werden
mußten.
Unter solchen Verhältnissen .war für das Ausland ein gewaltiger
Anreiz gegeben, aus den hohen Preisen, die im Inlande für
dringende Bedarfsartikel gezahlt werden mußten, Nutzen zu ziehen.
Der inländische Markt wurde infolgedessen zweimal belastet;
er mußte die hohen Preise zahlen, die das Ausland forderte und
die Devisen anschaffen, welche zur Begleichung der importierten
Waren dienten. Sehr spät hat man sich in Österreich dazu ent-
schlossen, den unnötigen Import ausländischer Waren einzu-
dämmen. Man glaubte vorerst der Steigerung der Devisenpreise
durch andere Mittel Einhalt tun zu können. Im Juni 1915 hat die
österreichische Finanzverwaltung eine zweite Markguthabenanleihe
bei Berliner Banken aufgenommen. Die Berliner Banken übernahmen
damals 180 Millionen Mark österreichischer Schatzwechsel fix und
CEwrarben eine Option auf weitere Schatzwechsel bis zum Be-
trage von 125 Millionen Mark. Das Optionsrecht ; übten sie im
November 1915 aus. Diese Anleihe diente gleich der im November
1914 aufgenommenen in erster Linie der Erleichterung der Ab-
wicklung der Zlahlungen nach dem Deutschen Reiche. Auf Grund
derselben Vereinbarungen haben die Berliner Banken die im
November 1915 fällig gewordenen Schatzwechsel der Finanz-
vervifaltung auf ein weiteres Jahr prolongiert. Die Versudie, neue
Guthaben im Auslande zu gewinnen, wurden während des Jahres
1915 seitens der österreichischen Banken mit Unterstützung der
Finanzverwaltung fortgesetzt. Es ist begreiflich, daß die Gestaltung
der Devisenkurse deutsche Kapitalisten veranlaßte, österreichische
Rentea zu erwerben, und so sind bei der Begebung der zweiten
Der Krieg und der Devisenmarkt 115
und dritten österreichischen Kriegsanleihe größere Zeichnungen
aus • Deutschland eingelangt. Der niedrige Preis, der für öster-
reichische Valuta im Auslande bezahlt wurde, erhöhte naturgemäß
die Rentabilität des Kapitals, welches deutsche Effektenkäufer
in österreichischen Werten anlegten. Die Wiener Großbanken
entsendeten Vertreter nach Holland, nach der Schweiz und nach
Schweden, um bei ihren dortigen Geschäftsverbindungen lang-
fristige Kredite zu schaffen. Durch diese Verhandlungen wurden
zwar mehrere Millionen Guthaben im Auslande sichergestellt,
doch war die Gesamtsumme keine derartig nennenswerte, daß
sie für die Bildung der Devisenkurse in Betracht kam. Der deutsche
Markt blieb weiter maßgebend für die Versorgung der Monarchie
mit auswärtigen Zahlungsmitteln, zumal die Wareneinfuhr, welche
die Monarchie benötigte, sich zum großen Teile über Deutsch«^
land vollzog und die Verrechnung mit den neutralen Ländern
vielfach in deutscher Währung vorgenommen wurde.
Die Ansprüche an den Devisenmarkt wären noch bedeutender
gewesen, wenn nicht bald nach Kriegsausbruch die Einlösung in
Gold der Kupons einer Reihe von Effekten in Österreich-Ungarn
eingestellt worden wäre. Die deutsche Regierung hatte nach
Kriegsbeginn eine Verordnung erlassen, daß Zahlungsverein-
barungen mit Goldklausel vorläufig unverbindlich seien. Eine der-
artige Maßnahme konnte in Deutschland, wo ausdrückliche Gold-
schulden nur vereinzelt bei langfristigen Hypothekargeschäften
vorkommen, leicht getroffen werden. In Österreich waren die
Verhältnisse wesentlich komplizierter. Nicht allein, daß die öster-
reichische Finanzverwaltung die Kupons der Goldrente und ge-
wisser Eisenbahnprioritäten einzulösen hat, sondern es sind auch
österreichische Transportunternehmungen wie die Dux-Boden-
bacher Bahn, die Südbahn, die Staatseisenbahngesellschaft, der
Lloyd, Industrieunternehmungen wie die Trifailer Kohlenwerks-
gesellschaft^ femer Pfandbriefinstitute, formell verpFJchtet, ihre
Kupons in Goldmünzen oder in fremder Währung zu bezahlen.
Durch das Verbot der Zahlungen an das feindliche Ausland ergaben
sich während des Krieges bedeutende Ersparnisse bei der Anschaf-
fung von Devisen, die jährlich viele hunderte Millionen ausmachen,
8*
116 I^ci* Krieg und der Devisenmarkt
aber später nachgetragen werden müssen und ein sehr schwierig
zu lösendes Problem darstellen. Im Inlande haben sich die Regierung
und die Gesellschaften selbst die Ermächtigung gegeben, die
Kupons zu einem von ihnen jeweils festzusetzenden Umrechnungs-
kurse einzulösen.
Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die öster-
reichische Regierung und die Gesellschaften, welche sich ver-
pflichtet hatten, ihre Kupons in Gold einzulösen, es aber nicht
taten, sondern einen Umrechnungskurs in Kronenwährung fest-
setzten, ein formelles Unrecht begingen. Wer Effekten gekauft-
hat, die das Goldversprechen tragen, hat es wohl nur in der
Absicht getan, sich gegen ein eventuelles Agio zu sichern. Aus
diesem Grunde hat er beim Ankauf der Effekten einen höheren
Preis bezahlt. Dieser Auffassung gegenüber kann man aller-
dings den Standpunkt vertreten, daß es im Kriege für den Staat
nicht möglich gewesen wäre, sich das effektive Gold oder' die
effektive ausländische Valuta zu verschaffen, außer unter ganz
ungewöhnlich shohen Opfern. Wenn man sich schon über die Un-
gerechtigkeit hinwegsetzt, daß ausländische Besitzer österreichische
Effekten, die mit einem Zahlungsversprechen der Kupons in Gold
ausgerüstete sind, besser gestellt werden als die inländischen Be-
sitzer solcher Titres — die ersteren erhalten doch den Kupon in
der versprochenen ausländischen Währung eingewechselt, die letz-
teren müssen sich dagegen mit einem willkürlich festgesetzten
Umrechnungskurse begnügen — , so kommt man doch über die
Tatsache nicht hinweg, daß die österreichische Regierung und die
Gesellschaften den Umrechnungskurs nach freiem Ermessen an-
genommen haben. Das Richtige wäre gewesen, im Wtge einer
Verordnung einen Umrechnungskurs gesetzlich festzulegen, der,
weder zu hoch noch zu niedrig bemessen, für alle Zahlungen,
die in fremder Währung und in Goldmünzen im Inlande zu
leisten waren, die Basis gebildet hätte. Dagegen bestimmte ein-
fach die kaiserliche Verordnung vom 20. Mai 1915, daß privat-
rechtliche Ooldschulden des Staates, welche in den im Reichs-
rate vertretenen Königreichen und Ländern zu erfüllen , sind
und auf Goldgulden, Dukaten, auf eine ausländische Währung
Der Krie^ und der Devisenmarkt 117
lauten, mit allen gesetzlichen Zahlungsmitteln der Kronenwährung
unter Anwendung jenes Umrechnungsmaßstabes beglichen werden
können, den der Finanzminister jeweils festsetzt. Nachdem aber
diese Verordnung nur für die privatrechtlichen Geldschulden des
Staates galt, so hatten die Gesellschaften vollkommen freie Hand
hinsichtlich der Festlegung des Umrechnungskurses, den sie für
ihre Goldverpflichtungen wählten. Sie taten dies um so un-
gezwungener, als sie bemerkten, daß auch der Umrechnungskurs,
den das Finanzministerium jeweils wählte, sich ganz erheblich
unter den Tageskursen hielt, welche für ausländische Zahlungs-
mittel im freien Verkehre ausgelegt werden mußten.
In voller Erkenntnis, daß mit allen Mitteln eine Verminderung
des Bestandes an Gold und Silber in der Monarchie zu ver-
hindern war, wurde im März des Jahres 1915 ein Aus- und Durch-
fuhrverbot von Gold und Silber erlassen. Der Export sollte,
soweit er überhaupt gestattet wurde, unter der Kontrolle des Staates
erfolgen. In der ersten Zeit nach Ausbruch des Krieges hatte es
sich gezeigt, daß einzelne Goldsendüngen seitens der Banken
ohne Wissen der Österreichisch-Ungarischen Bank und der Finanz-
verwaltunng erfolgt waren, und vorgenommen wurden, um be-
stehende Verpflichtungen zu begleichen. Das Ausfuhrverbot ging
von dem Gesichtspunkte aus, daß, wenn schon Gold in das Aus-
land ging, dies von der Zentralstelle gebilligt werden müßte,
denn sie allein war imstande zu erwägen, welche währungspoli'-
tischen und staatsfinanziellen Momente für den Goldausgang
sprachen. Die Erlassung des Ausfuhrverbotes für Gold und Silber
war auch aus dem Grunde nötig, weil sich im Inlände eine starke
Steigerung ihrer Bewertung vollzogen hatte. Während vor dem
Kriege Gold im Handel pro Kilogramm mit 3309 Kronen bezahlt
wurde, stieg durch spekulative Aufkäufe sein Preis im Laufe
des Krieges vorübergehend bis über 21000 Kronen. Die Fein-
silberbewertung erhöhte sich von 96 Kronen bis auf 400 Kronen.
Der Versuch, einen Agiohandel in Landesgoldmünzen im Inlande
zu schaffen, wurde durch ein Verbot tait schweren Strafen be-
droht, welches gleichfalls im März des Jahres 1915 erlassen wurde.
Ungeachtet dieser kleinen Maßnahmen, die den Zweck hatten.
EL-l.
11 S Der Krie^ und der Devisenmarkt
eine Steigerung des Agios einzudämmen, erhöhten sich un-
aufhaltsam die Notierungen der Devisenkurse. Nicht ohne Ein-
fluß auf ihre Bewegung mag au6h die Tatsache gewesen sein,
daß einzelne Importeure ausländischer Waren es unterlassen hatten,
sich die Valuta zur Begleichung der Fakturen rechtzeitig zu sichern.
Sie glaubten, wie dies vielfach auch in Deutschland der Fall
gewesen ist, daß der Preis der ausländischen Zahlungsmittel
schon eine derartige Höhe erreicht hätte, daß man ohne Gefahr
mit der Eindeckung der Valuta bis zu einem späteren Zeitpunkte
warten könne. Als aber von Mitte Juni 1915 die Aufwärts-
bewegung der Devise Berlin, Holland und Schweiz weitere Fort-
schritte machte, da mußten diese Firmen darauf bedacht sein,
ihre Verpflichtungen glattzustellen. Die Deckungskäufe, die zu
diesem Zeitpunkte erfolgten, haben einen guten Teil zum damaligen
Anstieg der fremden Zahlungsmittel beigetragen.
Nachdem man gesehen hatte, daß mit den kleinen Mitteln der
Aufwärtsbewegung der Devisenpreise nicht beizukommen war,
wurde wieder der Gestaltung des Außenhandels mehr Auf-
merksamkeit geschenkt. Die zahlreichen im Interesse der in-
ländischen Versorgung erlassenen Ausfuhrverbote hatten natur-
gemäß die Reihe jener Artikel bedeutend gelichtet, in denen sich
ein Ausfuhrgeschäft entwickeln konnte. Im ersten Halbjahre 1915
belief sich die Warenausfuhr der Monarchie auf 525^/2 Millionen
Kronen und war demnach gegenüber dem Jahre 1914 mit seinem
starken Passivum noch um 804,5 Millionen gesunken. Seither
ist mit Rücksicht auf politische Erwägungen von einer Veröffent-
lichung der Außenhandelsziffern abgesehen worden. Sicher ist
nur, daß die Ausfuhr von Zucker, allen Erzeugnissen der Textil-
industrie, Konfektionswaren, Holz, Leder, Glas, Maschinen, Chemi-
kalien, Papier gewaltig gefallen war. Desgleichen war der sonst
so lebhafte Export an Schlacht- und Zugvieh und tierischen Pro-
dukten völlig zum Stillstand gekommen. Es war unter diesen
Verhältnissen sehr schwer, etwas für die Förderung des Außen-
handels zu tun, was doch im Interesse der Besserung der Valuta-
verhältnisse zu wünschen gewesen wäre. Eine leichte Besserung
der Außenhandelsziffern brachte die Wiederbesetzung der gali-
Der Krieg und der Devisenmarkt 119
zischen Rohölgebiete, die es ermöglichte, die Bohr- und Raffinerie-
tätigkeit aufzunehmen und den deutschen Absatzmarkt aufzusuchen.
Man kann sagen, daß erst 18 Monate nach Beginn des Krieges
energische Maßnahmen getroffen wurden, um ein weiteres An-
steigen der Devisenkurise zu verhindern. Im Februar 1916 weilte
der deutsche Staatssekretär Dr* Helfferich in Wien, und zwi-
schen beiden Regierungen kam damals ein Abkommen zustande,
wonach Deutschland an die Monarchie Markkredite von 100 Mil-
lionen Mark im Monate gewährte. Dies geschieht in der Weise,
daß Scbatzwechsel der österreichischen beziehungsweise der
ungarischen Finanzverwaltung durch Vermittlung österreichischer,
ungarischer und deutscher Banken von der Deutschen Reichsbank
diskontiert werden. Bei den Besprechungen, die aus diesem An-
lasse zwischen den maßgebenden Vertretern der österreichischen
und der deutschen Regierung stattgefunden haben, wurden auch
Maßnahmen vorbereitet, welche die Eindämmung der unnötigen
Warenimporte aus dem Auslande in beiden Reichen zum Zwecke
hatten. Schon vorher war in Österreich eine für den Ausfuhr-
handel einschneidende Maßnahme in der Richtung getroffen
worden, daß Exportbewilligungen nur dann erteilt wurden, falls
sich die Exporteure verpflichteten, den Gegenwert, den sie für
die Ware in ausländischer Valuta erhalten würden, an die Öster-
reichisch-Ungarische Bank abzuliefern. Den Reigen der Einfuhr-
verbote eröffnete eine im Februar 1916 veröffentlichte Ministerial-
Verordnung, durch welche die Ein- und Durchfuhr bestimmter
Waren aus feindUchen Staaten ganz verboten wurde. Durch Ver-
mittlung neutraler Händler hatten sehr bedeutende Mengen Waren
aus Frankreich und Italien ihren Weg nach Österreich-Ungarn ge-
funden. Zur Behinderung solcher Importe wurde ein eigenes Ver-
zeichnis der etwa in Frage kommenden Artikel veröffentlicht und
bestimmt, daß, falls widef Erwarten derartige Waren aus neutralen
oder verbündeten Staaten stammen sollten, der verfügungsberech-
titge Inländer der Eingangszollstelle eine schriftliche Erklärung zu
überreichen hätte, daß die Waren nicht Erzeugnisse der mit Öster-
reich-Ungarn im Kriegszustande befindlichen Staaten sind. Er hatte
durch seine Unterschrift die Haftung für die Richtigkeit der Er-
/
120 I^ie Organisation der Devlsenzentride-
klärung nach Maßgabe der einschlägigen gefallsstrafrechtlichen
Bestimmungen zu übernehmen.
Eine weitere Verordnung schränkte den Bezug von Luxuswaren
aus dem Auslande in einschneidender Weise ein. Dies geschah
dadurch, daß bestimmt wurde, daß für gewisse Waren, die aus
dem Auslande zur Einfuhr gelangen, die Zollgebühren nicht mehr
im Wege von Goldanweisungen der Österreichisch-Ungarischen
Bank oder gegen Kreditierung geleistet werden können, sondern
daß die Zölle für solche Waren in effektivem Golde bezahlt wer-
den müssen. Da effektives Gold im Parteienverkehre nur in
verhältnismäßig geringen Mengen vorhanden ist, so ist die Ein-
fuhr von Luxusartikeln ungemein erschwert. Soweit Gold für
die Begleichung solcher Zollbeträge aber aufgebracht wird, dient
es zu einer Stärkung des Metallschatzes der Bank. Die Listie
jener Artikel, deren Bezug aus dem Auslande hierdurch ^anz
wesentlich eingeschränkt worden ist, war eine sehr bedeutende.
Sie umfaßte alle möglichen Delikatessen, Tabak und Tabak-
fabrikate, Tülle, feinste Baum woU waren, Samte, Teppiche, die
verschiedensten Putz- und Kleiderwaren, Pelze, Galanteriewaren,
Gold-, Silber- und Platinarbeiten, Edelsteine, gewisse Schmuck«
gegenstände, Musikinstrumente, Uhren und kosmetische Mittel.
Es ist zweifellos, daß auf diese Weise dem unnötigen Waren-
importe ein wirksamer Riegel vorgeschoben wurde und es ist
nur zu bedauern, daß die Maßnahme nicht schon in einem früheren
Zeitpunkte getroffen wurde.
Die Organisation der Devisenzentrale.
Den bedeutsamsten Schritt zur Bekämpfung des Agios stellte
aber die Errichtung der Devisenzentrale dar. Ihre Bildung er-
folgte nicht wie in Deutschland auf Grund gesetzlicher Ver-
fügungen, sondern sie war in ihrer ursprünglichen Gestalt die
Folge freier Vereinbarungen der Banken und Bankfirmen» Die
Die Organisation der Devisenzentrale 12t
Schaffung der Devisenzentrale erfolgte auch in Österreich mit weit-
gehender Förderung der staatlichen Faktoren und stand unter
Führung der Österreichisch-Ungarischen Bank. Die Österreichisch-
Ungarische Bank hat, wie sie in einer offiziellen Mitteilung ver-
lautbarte, „zum Zwecke der Evidenz der verfügbaren und an-
geforderten ausländischen Zahlungsmittel und um den An- und
Verkauf derselben mit ihrer tunlichsten Verbilligung zu ver-
einheitlichen, gemeinsam mit dem k. k. Postsparkassenamt und
österreichischen Banken und Bankiers in Wien eine Zentralstelle
für den Verkehr in ausländischen Zahlungsmitteln für Österreich
errichtet, welche gleich wie die in Budapest für Ungarn gegründete
analoge Institution am 24. Februar 1916 in Wirksamkeit treten
wird." Der Devisenzentrale gehören außer der Österreichisch-
Ungarischem Bank und dem Postsparkassenamte alle größeren
Banken und Bankfirmen Österreichs an. Die Mitglieder der Zen-
trale wurden verpflichtet, derselben sämtliche einlaufenden frem-
den Zahlungsmittel einzuliefern und den Bedarf an solchen unter
Angabe des Verwendungszweckes bei ihr anzusprechen. Die
Zentralstelle prüft den Versendungszweck und ist zu diesem Be-
hufe berechtigt, die Vorlage der erforderlichen Belege (Kor-
respondenzen, Buchauszüge, Fakturen, -Frachtbriefe usw.) zu
Händen der Österreichisch-Ungarischen Bank zu verlangen. Die
Zentralstelle entscheidet, ob bzw. in welchem Ausmaße die
Zuteilung der ausgesprochenen Beträge an ausländischen Zah-
lungsmitteln zu erfolgen hat. Mit Rücksicht auf die < organi-
satorischen Bestimmungen der Devisenzentrale und die für deren
Teilnehmer geltenden Vorschriften ließen die der Zentralstelle an-
gehörenden Banken und Bankiers an ihr^ Kundschaft Mitteilungen
ergehen, in welchen sie erklärten, daß in Zukunft bei allen Auf-
trägen zum Ankaufe von Devisen, ausländischer Qeldsorten und
Noten sowie zur Ausstellung von Kreditbriefen und Eröffnung
von Akkreditiven der Zweck anzugeben ist, für welche diese be-
nötigt werden. Ist der Ankauf der ausländischen Zahlungsmittel
zum Bezüge von Waren bestimmt, so ist bei Erteilung des Auf-
trages eine Erklärung abzugeben, aus welcher hervorgeht, welche
Waren nach Art und Menge mit der Auslandsväluta bezahlt werden
122 Die Organisation der Devisenzentrale
Sollen: Die Gültigkeitsdauer für Kreditbriefe und Akkreditierungen
in ausländischer Währung wurde in der Regel mit vier Wochen
begrenzt. Nach Ablauf dieser Frist sind nicht verwendete Be-
träge seitens des Käufers dem Verkäufer wieder zur Verfügung
zu stellen. Ausländische Valuta zum Zwecke der Bezahlung von
Effektenkäufen im Auslande soll in Zukunft im allgemeinen nicht
mehr abgegeben werden. Die Teilnehmer an der Devisenzentrale
sind verpflichtet, mit einem Kunden, der auf Grund nachweislich
unrichtiger Angaben ausländische Zahlungsmittel beansprucht hat,
keinerlei Geschäfte in solchen Zahlungsmitteln mehr einzugehen.
Die Namen solcher Kunden werden nach Feststellung des Tat-
bestandes durch die Zentralstelle im Wege derselben sämtlichen
Teilnehmern bekanntgegeben, und diese sind auch ihrerseits ver-
pflichtet, mit solchen Kunden keine Geschäfte in ausländischen
Zahlungsmitteln mehr abzuschließen. Die Devisenzentrale wäre
wohl kaum so rasch gebildet worden, wenn hinter der scheinbar
freiwilligen Vereinbarung nicht die Macht der Finanzverwaltung
und der Österreichisch-Ungarischen Bank gestanden hätte, die
keinen Zweifel daran Ueßen, daß ein Fernbleiben von der Ver-
einigung für das betreffende Institut oder die betreffende Firma
von unangenehmen Konsequenzen begleitet sein könnte.
Langwierige Diskussionen entwickelten sich in der Richtung,
ob alle Devisenbestände, über die eine Bank im Zeitpunkte der
Gründung der Zentrale verfügte, in die gemeinsame Kasse ein-
zubringen seien, oder ob nicht über einen gewissen Teil zur Glatt-
stellung schwebender Engagements eine freie Verfügung vor-
behalten werden könnte. Es scheint, daß man, um die Schaffung
der Organisation zu beschleunigen, in dieser Frage ein Auge
etwas zugedrückt hat. Die Hauptsache war, daß nunmehr ein
planmäßiges Vorgehen auf dem Devisenmarkte möglich war, daß
die private Spekulation aufhörte, und daß die Zentralstelle es in
der Hand hatte, die Berechtigung des Verlangens nach Aus-
folgung von Devisen in jedem einzelnen Falle genau zu prüfen.
Wunder konnte die Devisenzentrale naturgemäß auch nicht wirken.
Sie konnte nicht aus eigener Kraft Guthaben im Auslande schaffen,
sie konnte aber bewirken, daß mit den vorhandenen Vorräten
Die Organisation der Devisenzentrale 123
haushälterisch umgegangen wurde. Aus der Bewegung der
Devisenkurse läßt sich ziffernmäßig genau ersehen, wie schon
die Ankündingung, daß eine Organisation des Devisenhandels
geschafferj würde, genügte, um wenigstens vorübergehend dem
stürmischen Ansteigen der Notierungen Einhalt zu ,tun. Am
15. Jänner 1916 hatte die Devise Berlin einen Warenkurs von
1483/4 zu verzeichnen. Anfangs Februar unterlag es schon keinem
Zweifel, daß der Zwang der Verhältnisse und die Bildung einer
Devisenzentrale in Berlin es wahrscheinlich machten, daß auch hier
eine gleiche Organisation geschaffen werden würde. Es unterliegt
keinem Zweifel, daß vor Schaffung der Devisenzentrale die Kund-
schaft einzelner Banken und Firmen, sowie diese selbst und große
Industrie- und Exportfirmen sehr viel in fremder Valuta speku-
liert haben. Es ist bekannt, daß einzelne Firmen viel mehr Geld
an ihren Valutaspekulationen als an ihren gleichzeitig (betriebe-
nen In- und Exportgeschäften gewonnen haben. Solange nun
die Devisenkurse die aufstrebende Preisrichtung verfolgten, war
es naheliegend, daß diese Firmen ihre ausländischen Guthabungen
nicht verkaufen wollten. Erst als sich zeigte, daß die Spekulation
in Devisen ausgescHaltet werden sollte, nahmen sie Olattstellungen
vor,* und diese Verkäufe mögen in den ersten Wochen der Tätig-
keit der Devisenzentrale manche Schwankungen erklärlich machen.
Die Hoffnung, daß der ansteigenden Bewegung der Devisenkurse
auf die Dauer Einhalt getan werden könne, erwies sich aber
trügerisch. Gewisse Warenbezüge waren aus dem verbündeten
und dem neutralen Auslande nicht zu vermeiden und sie waren,
soweit man nicht Gold oder die geringen zur Verfügung stehen-
den ausländischen Zahlungsmittel zur Begleichung verwenden
konnte, nur auf Kosten der Valuta zu finanzieren.. Vielfach wurde
eine Übergehung der Devisenzentrale beobachtet. Kleine Wechsler
übernahmen die Beschaffung fremder Zahlungsmittel für Luxus-
importe, für welche die Devisenzentrale die Mittel nicht zur Ver-
fügung stellen wollte. Namentlich Schweizer und holländische
Valuta wurde zu sehr hohen Preisen außerhalb der Zentrale um-
gesetzt. Auch konnte die Zentrale im Besitze der ihr bis zum
Dezember 1916 eingeräumten geringen Vollmachten nur erreichen,
124 I^ic Organisation der Devisenzentrale
daB die Kurse der Devisen auf das Ausland von ihr nach Mög-
lichkeit niedrig gehalten wurden. Dagegen konnte sie nicht ver-
hindern, daß im Auslande fortlaufend große Mengen Kronennoten
angeboten und hierdurch der Kronenkurs gedrückt wurde. Eine
Verordnung des Finanzministeriums griff hier ein und bestimmte,
daß an Stelle des durch die Teilnahme an der Devisenzentrale bis-
her geübten moralischen Zwanges nunmehr gesetzliche Normativ-
bestimmungen für alle mit fremden Zahlungsmitteln handelnden
Inländer und im Inlande tätigen Ausländer zu treten haben. Jeder
Handel, jeder Tausch und jede Verwendung und Verpfändung
von fremden Zahlungsmitteln kann seit Dezember 1916 ausschließ-
lich nur durch die Vermittlung von Banken und Bankiers erfolgen,
welche der Devisenzentrale angehören und ihr genaueste Auf-
schlüsse geben müssen. Zugleich wurde die Verpflichtung der
Einlieferung des Gegenwertes jeder exportierten Ware an die
Devisenzentrale ausgesprochen, soweit er den Betrag von 300 Kronen
übersteigt; ferner wurde ein Ausfuhrverbot für österreichische
Noten erlassen. Reisende, welche sich nach dem Auslande be-
geben, dürfen österreichische Noten nur bis zum Betrage von
500 Krönen mit sich führen. Oberweisungen auf höhere Beträge
bedürfen der Zustimmung der Devisenzentrale. Übertretungen
der Verordnung werden bis zu 5000 Kronen oder Arrest bis zn
sechs Monaten geahndet.
Eine neue Liste der Einfuhrverbote gelangte gleichfalls im
Dezember 1916 zur Verlautbarung, die gegenüber den früheren
Bestimmungen eine Verschärfung beinhaltete und den Zweck hatte,
Zahlungen an das Ausland, die nicht notwendig und unter den
gegebenen Verhältnissen unerwünscht sind, zu verhindern. Um
den Schmuggel von mit Edelsteinen oder echten Perlen besetzten
Schmuckgegenständen zu unterbinden, wurde ihre Hereinbringung
selbst als angelegter Schmuck im Reiseverkehre untersagt. Die
praktische Durchführbarkeit einer weiteren im Dezember erlassenen
Verordnung, welche an die im Auslande erfolgenden Veräußerungen
und Verpfändungen fremdländischer Effekten die Bedingung der
Einlieferung des Gegenwertes in ausländischer Währung an die
Pevisenzentrale knüpfte, muß stark bezweifelt werden, denn trotz
Pie Organisation der Devisenzentrale 125
strenger Strafen kann eine Kontrolle über solche Verkäufe auß-
ländischer Effekten, die einem Inländer gehören^ kaum wirksan;
geübt werden.
Die anhaltende Verschlechterung der Devisenkurse veranlaßt«
im März 1917 die Regierung, noch weitere Einfuhrbeschränkungen
zu erlassen, um jede überflüssige Zahlung an das Ausland zu ver^-
hindern. Eine Ministerialverordnung sprach damals aus, daß die
Einfuhr aller Waren nur mit einer besonderen Genehmigung des
Finanzministeriums gestattet wird. Das Ergebhis dieser Maß*
nahmen war aber auf valutarischem Gebiete ein sehr geringes. Di^
anhaltende Nachfrage für nordische, holländische und Schweizer
Zahlungsmittel bewirkte seit Dezember 1916 ein fast tägliches
Ansteigen der Kurse, welches durch eine ausgebreitete Spekur
lation im neutralen Auslande noch gefördert wurde. Durch die
Vereinbarungen, welche zvsdschen den Devisenzentralen in Wie^ij
und Berlin getroffen waren, konnte nur eine genaue Kontrolle
der Mark- und Kronennotierungen geübt werden, während sie
auf den neutralen Plätzen vollkommen fehlte.
Auf allen tieutralen Plätzen entwickelte sich eine Kontremine-
spekulation in Kronennoten, die besonders im zweiten ' Semester
des Jahres 1917 stetig an Umfang zunahm. Spekulanten des
feindlichen Auslandes und auch einzelner neutraler Länder schienen
es als freie Prämie zu betrachten, wenn sie Leerverkäufe in
österreichischen Zahlungsmitteln vornahmen. Infolgedessen ^tiege^
auch die Preise für ausländische Zahlungsmittel, welche die Devisen-
zentrale in Wien festsetzte. Ziemlich die höchsten Notierungen
waren gtigen Ende Oktober zu verzeichnen. Damals notierte
Amsterdam in Wien 491, Zürich 247, Christiania 361, Stockholm
401 Kronen. Die Einleitung der Waffenstillstandsverhandlungen
mit Rußland führte auf dem internationalen Devisenmarkte zw
einem völligen Wechsel der Situation. Es kam zu einem Zusammen-
bruch der Kontreminespekulation, die zu stürmischen Deckungs-
käufen schritt, was bei dem mangelnden Angebot an österreichischen
und ungarischen Zahlungsmitteln nur zu wesentlich gesteigerten
Kursen möglich gewesen ist. Dieser Bewegung der Preise fol-
gend; konnten auch die offiziellen Notierungen der Devisenzentral«?
126 ^ic Kriegskosten und ihre Aufbringung
in Wien und Budapest entsprechend abgebaut werden. Die starke
Nachfrage nach den heimischen Zahlungsmitteln, die sich auf den
neutralen Plätzen zeigte, brachte es mit sich, daß der Bedarf seine
Befriedigung in dem Heimatlande der Devisen suchen mußte.
Auf diese Weise trat in Wien ein starkes Angebot an neutralen
Devisen ein, welches den Bedarf um ein Bedeutendes überschritt
und zu heftigen Kursrückgängen führte. Zeitweise waren an
den ausländischen Plätzen Kronennoten kaum erhältlich, da der
Devisenverkehr durch die gesetzlichen Verordnungen geregelt,
völlig in der Hand der Devisenzentrale ruhte. Anfangs Jänner 1918
notierte die Devise Amsterdam in Wien bereits nur noch 325j Zürich
168, Christiania 245, Stockholm 249. Diese Vorgänge haben wieder
deutlich gezeigt, welchen einschneidenden Einfluß der Eintritt
normaler politischer Verhältnisse auf die Gestaltung der aus-
wärtigen Wechselkurse zweifellos haben wird.
Die Kriegskosten und ihre Aufbringung.
Die Monarchie trat in den Krieg mit einer Staatsschuld von rund
19,75 Milliarden Kronen ein. Sie setzte sich nach dem Stande vom
30. Juni 1914 aus der Staatsschuld Österreichs in der Höhe von
13,004 Milliarden und der Schuld Ungarns von 6,75 Milliarden
Kronen zusammen. Im nachfolgenden soll nur die finanzielle
Belastung der österreichischen Reichshälfte durch den Krieg
behandelt und auf die ungarischen Verhältnisse bloß insoweit
eingegangen werden, als es zum Verständnis der Darstellung
der finanziellen Mobilmachung Österreichs notwendig ist. Öster-
reich und Ungarn haben ihre Kriegskosten ganz selbständig
gedeckt, wenngleich sich naturgemäß durch die engen staats-
rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen die Notwendig-
keit ergab, in steter Fühlungnahme bei der Aufbringung der Mittel
vorzugehen. Diese Fühlungnahme erstreckte sich namentlich auf
die Inanspruchnahme der Österreichisch-Ungarischen Bank als
Die Kriegskosten und ihre Aufbringung^ 127
dem gemeinsamen Noteninstitute beider Rei^hshälften, auf die
Aufnahme von Markanleihen in Deutschland, auf die Erhöhung
gewisser indirekter Steuern, welche nach gleichartigen Gesetzen
gehandhabt werden. Die Österreichisch-Ungarische Bank wurde
sowohl von der österreichischen als von der ungarischen Finanz-
verwaltung in Anspruch genommen, und schon mit Rücksicht auf
die Parität beider Tdle des Reiches geschah dies in der Weise,
daß, wenn Österreich oder Ungarn einen Vorschuß von der Bank
verlangten, auch die andere Reichshälfte den ihr nach Verhältnis
der Quote zustehenden Anspruch geltend machte.
Auf staatsfinanziellem Gebiete waren bis zum Kriegsausbruch
keine Maßnahmen getroffen, welche die Sicherstellung der un-
geheuren finanziellen Belastung, welche eine Mobilmachung be-
dingte, vorsahen. In Österreich hatte man sich vielfach mit dem
Gedanken vertraut gemacht, daß die große Reserve, über welche
die Finanzverwaltung für den Kriegsfall verfügte, die Aufnahme
einet Losanleihe sein würde. Das Lossperrgesetz hatte schon seit
vielen Jahren die Emission neuer Lose verhindert, und man wollte
den Markt der Finanzverwaltung für den Fall der Not freihalten.
Es kam aber ganz anders. Zum Teil ist die Art der Deckung der
Kriegskosten, wie sie in Österreich durchgeführt wurde, dadurch
beeinflußt worden, daß das Parlament seit längerer Zeit arbeits-
unfähig gewesen war. Seit .dem 18. März 1914 war es überhaupt
vertagt. Es wurde bei Kriegsausbruch geschlossen und nahm
erst im Jahre 1917 seine Tätigkeit wieder auf. Infolgedessen
war es unmöglich, die Genehmigung zur Vornahme einer großen
Rentenemission auf parlamentarischem Wege zu erlangen, man
mußte sich lange mit kaiserlichen Verordnungen behelfen und
den Kreditbedarf durch kurzfristige Anleihen und durch In-
anspruchnahme der Österreichisch-Ungarischen Bank decken.
Die Kontrolle über die Staatsschulden ist nach dem Gesetze
in Österreich der Staatsschuldenkontrollkommission des Reichs-
rates als einer von beiden Häusern des Reichsrates, dem Ab-
geordneten- und dem Herrenhause, gewählten Kommission vor-
behalten. Diese Kommission hat die Kontrolle über die Staats-
schulden in dem Wirkungskreise auszuüben, den die Gesetze be-
128 Die Kriegskosten und ihre Aufbringung
stimmen und über das Ergebnis ihrer Tätigkeit, so oft sie es für
angemessen erachtet, mindestens aber jährlich einmal, ihre Wahr-
nehmungen an den Reichsrat in einem Berichte zu erstatten.
Durch den Kriegsausbruch kam die Kommission in eine sehr
schwierige Lage. Die Neuaufnahme von Schulden war zum guten
Teile davon abhängig, daß die Kommission, deren Wirksamkeit
nacli dem Gesetze auch nach Schließung der Session in Kraft
blieb, die neuen Titres und neuen Verpflichtungen kontrasignierte.
Lange Zeit nahm nun die Kommission den Standpunkt ein, daß
sie nur die Aufnahme von Schulden kontrasignieren könne, die
keine längere Lauffrist besitzen und eine dauernde Belastung des
Staatshaushaltes daher nicht herbeiführen. Der Begriff der Länge
der Lauffrist verschob sich allmählich. Während die Kommission
für die erste Kriegsanleihe zur Rückzahlung eine Frist von fünf
Jahren als den äußersten annehmbaren Termin bezeichnete,
stimmte sie für die zweite Kriegsanleihe einer zehnjährigen, für
die dritte Kriegsanleihe einer fünfzehnjährigen Frist zu und mußte
unter dem Drucke der Verhältnisse und der Regierung schon für
die vierte Kriegsanleihe noch größere Konzessionen machen, die
später auseinandergesetzt werden sollen. Außerdem wurde die
Kommission namentlich bei der Aufnahme von Vorschüssen seitens
der Finanzverwaltung bei der Österreichisch-Ungarischen Bank
wiederholt vor vollzogene Tatsachen gestellt, und es blieb ihr
nur übrig, eine oder die andere Abänderung des Anleihevertrages
durchzusetzen oder überhaupt ihre Wirksamkeit einzustellen. Bei
Wiederaufleben des parlamentarischen Lebens wurde der Kom-
mission aus der Tatsache, daß sie zur Begebung langfristiger
Schatzscheine und namentlich der 40 jährigen amortisablen Renten
ihre Zustimmung erteilt hatte, im Abgeordnetenhause der Vor-
wurf gemacht, daß sie ihre Befugnisse überschritten habe. Aus
diesem Grunde wurde ihr auch die Mißbilligung ausgesprochen.
Vorschüsse bei der Notenbank 129
Vorschüsse bei der Notenbank.
' Bei Kriegsausbruch befanden sich in den Kassen der öster-
reichischen Finanzverwaltung aus dem Grund etwas reichlichere
Mittel, weil die Bestände durch die im April 1914 erfolgte Emission
41/2 ^/o iger Schatzanweisungen im Nominale von 396,6 Millionen
Kronen mit einem Erlöse von rund 374 Millionen Kronen, eine
Stärkung erfahren hatten. Sie genügten gegenüber den äußere
ordentlich großen Bedürfnissen, die gerade in den ersten Tagen
nach Kriegsausbruch sich geltend machten, nicht im entferntesten,
Die Finanzverwaltung wendete sich daher an die Wiener Banken
und schloß mit ihnen ein Übereinkommen ab, durch welches ihr
ein Betrag von 200 Millionen Kronen zur Verfügung gestellt
wurde. Es sei gleich bemerkt, daß diese 200 Millionen Kronen,
welche Ende Juli geborgt wurden, schon Ende August wieder
aus dem Erlöse eines sofort zu besprechenden Lombarddarlehens
zur Rückzahlung gelangten. In welcher Weise die weiteren Kosten
des Krieges gedeckt werden sollten, war lange Zeit allen maß-
gebenden Faktoren unklar. Der Hauptgedanke war aber, daß.
man sich das Geld am leichtesten nach dem alten Systeme der
Vorschüsse bei der Notenbank verschaffen könne. Die Begebung
einer Anleihe schien in den ersten Wochen nach Kriegsausbruch
nicht nur der Finanzverwaltung sondern auch den Leitern der
großen Banken nicht durchführbar. Wie konnte man an die
Emission einer Anleihe in einem Zeitpunkte denken, da ein
Moratorium eingeführt wurde, die Banken und Kreditinstitute ihren
Gläubigern und Einlegern nur ganz geringe Quoten ihrer Guthaben;
auszahlten und sich allerorten ein furchtbarer Kleingeldmangel
geltend machte. Immer wieder erinnerte man sich in den Kreisen
der Finanzverwaltung, daß in früheren Jahren die Begebung einiger
hundert Millionen Kronen Rente innerhalb einer acht- bis zehn-
monatlichen Frist als ein großes Ereignis gegolten hatte. Nie-
mand ahnte noch, welch ungeheure wirtschaftlichen Kräfte in
der im In- und Auslande unterschätzten Monarchie schlummerten.
Müller» Die finanzielle Mobilmachung: Österreichs. 9
130 Vorschüsse bei der Notenbank
Die sofortige Inanspruchnahme der Noienbank durch die Finanz-
verwaltung war aber bei Kriegsausbruch aus dem Grunde un-
möglich, weil das geltende Bankgesetz ein Verbot von Darlehens-
geschäften zwischen dem Staate und der Bank aussprach, und
weil die bestehenden Vorschriften über die Bedeckung der Bank-«
noten die Ausgabe neuer Banknoten an bestimmte Unterlagen
knüpften. Solange derartige Bestimmungen des Bankstatutes in
Kraft standen, mußte die Finanzverwaltung einen anderen Weg
einschlagen, um sich Mittel zur Durchführung der finanziellen
Mobilmachung zu verschaffen. Ihr erster Schritt auf diesem Wege
war die Aufnahme eines Lombarddarlehens von 510 Millionen
Kronen bei dem österreichischen Konsortium zur Durchführung
staatlicher Kreditoperationen. Dieses Konsortium setzt sich aus
allen größeren österreichischen Banken, der Postsparkasse und
dem Bankhause Rothschild zusammen. Es gewährte der öster-
reichischen Finanzverwaltung ein Darlehen von 310 Millionen
Kronen, wofür die Finanzverwaltung 600 Millionen Kronen 5 o/o ige,
spätestens am 1. Februar 1917 fällige Schatzscheine, die seither
verlängert wurden, hinterlegte. Die Banken konnten in der Frist
von wenigen Tagen ein solches Darlehen der Finanzverwaltung
aus eigenen Mitteln nicht überweisen, zumal sie erst ihre Gut-
habungen bei der Notenbank und die Kassenbestände zur Ein-
zahlung der bereits erwähnten 200 Millionen Kronen benötigt
hatten. Das Bankenkonsortium verschaffte sich den Kredit unter
Zustimmung der Regierung, indem es die Schatzscheine bei der
Österreichisch-Ungarischen Bank weiter lombardierte. Auf diese
Weise wurde die damals noch in Kraft gestandene Bestimmung
umgangen, daß die Notenbank keine Darlehensgeschäfte mit der
Staatsverwaltung machen dürfe. Denn, die Schatzscheine, welche
als Darlehensunterlage dienten, trugen auch die Unterschrift der
Banken, und diese hafteten dem Noteninstitute für den gewährten
Vorschuß. Da die Schatzscheine nicht für den Verkehr bestimmt
waren, entfiel auch die Notwendigkeit einer Vereinbarung zwischen
der Finanzverwaltung und dem Konsortium über den Begebungs-
kurs. Sie wurden einfach mit 85 o/o des Nominales belehnt und
dienten demnach als Handpfand. Die hierfür an die Österreichisch-
Vorschüsse bei der Notenbank 131
Ungarische Bank zu entrichtenden Lombardzinsen, welche zur
Zeit des Geschäftsabschlusses 8,5o/o betrugen und dann auf 5,5o/o,
entsprechend der Zinsfußermäßigung, herabgesetzt wurden, hatte
die Staatsverwaltung zu vergüten. Da sie andererseits in der
50/0 igen Notensteuer der Bank eine Gegenforderung besaß, so
stellte sich das tatsächliche Zinsenerfordernis für diesen Vorschuß
auf 3,5, späier auf 1/2^/0-
Nun wurden zwei wichtige kaiserliche Verordnungen erlassen,
welche die Grundlage für die weitere Kreditbeschaffung bildeten.
Die eine war die kaiserliche Verordnung vom 4. August 1914,
welche die Regierung ermächtigte, die Geldmittel, die sie zur
Bestreitung der Auslagen für außerordentliche militärische Vor-
kehrungen benötigte, ohne dauernde Belastung des Staatsschatzes
durch Kreditoperationen aufzubringen. Die zweite kaiserliche
Verordnung war die vom H.August 1914. Sie besagte, daß „die
Regierung im Hinblicke auf die durch die angeordnete allgemeine
Mobilisierung und durch den Kriegszustand verursachten Ver-
hältnisse im Einvernehmen mit der Regierung der heiligen unga-
rischen Krone außerordentliche Maßnahmen hinsichtlich der Ge-
Schäftsführung der Österreichisch-Ungarischen Bank zu treffen
und zu diesem Zwecke auch von den Bankstatuten abweichende
Bestimmungen in Wirksamkeit zu setzen hat". Auf Grund dieser
kaiserlichen Verordnung haben eine Reihe von Bestimmungen der
Bahkstatüten Abänderungen erfahren, die im Kapitel über die
Österreichisch-Ungarische Bank ausführlich auseinandergesetzt
wurden. Im Besitz dieser Ermächtigung hatte es die Finanz-
verwaltung nicht mehr nötig, den Kredit bei der Österreichisch-
Ungarischen Bank durch Vermittlung des Konsortiums der öster-
reichischen Banken in Anspruch zu nehmen, sie konnte vielmehr
mit ihren Forderungen an die Notenbank direkt herantreten. Die
Darlehensgeschäfte, welche zwischen der österreichischen Finanz-
verwaltung und der Österreichisch-Ungarischen Bank, während
der Dauer des Krieges abgeschlossen wurden, wurden nicht
sofort zur Kenntnis der Öffentlichkeit gebracht. Nur mit starker
Verspätung erhielt man von ihnen Mitteilung aus den Bericliten,
welche die Staatsschuldenkontrollkommission auszugsweise ver-
9*
/
132 Vorschüsse bei der Notenbank
off entlichte. Erst die im Jahre 1917 einsetzende parlamentarische
Verhandlung des Berichtes der Staatsschuldenkontrollkommissiion
über die, unter ihrer Mitwirkung seit 1914 durchgeführten Finanz-
operationen ermöglichte einen genauen Überblick. Die Kommission
hatte, solange ihr die Berichterstattung an den Reichsrat benommen
war, was erst im Sommer 1917 aufhörte, die Erlaubnis erhalten,
ihre gesetzmäßig an das Abgeordnetenhaus zu leitenden Berichte
in Form von Vorträgen dem Kaiser zu unterbreiten.
Nachdem die Fesseln weggefallen waren, welche der Bank den
Abschluß direkter Darlehensgeschäfte mit der Finanzverwaltung
unmöglich machten, kam es zur Aufnahme eines Lombarddarlehens
sowohl der österreichischen als der ungarischen Finanzverwaltung.
Das neue Lombarddarlehen, welches Österreich und Ungarn bei
der Notenbank gegen die Unterlage von Schatzscheinen zum
Bankzinsfuße nunmehr direkt anforderten, betrug 2000 Millionen
Kronen, und zwar entfiel davon auf die österreichische Staats-
verwaltung ein Betrag von 1272 MilHonen, auf die ungarische ein
solcher von 728 Millionen Kronen. Die Inanspruchnahme der
Bank seitens der beiden Staatsverwaltungen vollzog sich auch
weiter, während des Krieges, gemäß dem QuotenschlüsseL
Der Quotenschlüssel ist das Verhältnis, in dem die beiden Staaten
zu den Kosten der gemeinsamen Angelegenheit beitragen, und
er ist mit 63,6 o/o für Österreich und 36,4 o/o für Ungarn festgesetzt.
Ober die Konzessionen, welche aus diesem Anlasse an die Noten-
bank für die Gewährung des Lombarddarlehens gemacht worden
sind, wurde in dem Abschnitt über die Österreichisch-Ungarische
Bank gesprochen.
Im Oktober 1914 trat die Finanzverwaltung von neuem mit
der Österreichisch-Ungarischen Bank wegen eines weiteren Dar-
lehens in Verhandlungen. Am 7. Oktober kam auch ein Vertrag
zustande, durch den der österreichischen Finanzverwaltung wieder
ein Betrag von 826,8 Millionen Kronen gegen Solawechsel zur
Verfügung gestellt wurde. Die Bedenken, welche sich sowohl
im Kreise der österreichischen und der ungarischen Regierung,
als auch in dem der Österreichisch-Ungarischen Bank infolge
der so rasch wiederholten und starken Inanspruchnahme des
Vorschüsse bei der Notenbank 133
Noteninstitutes durch die Finanzverwaltungen geltend machten,
kommen am deutlichsten in der am Schlüsse des Darlehens-
vertrages aufgenommenen Erklärung zum Ausdruck, daß „sich
die beiderseitigen Regierungen und die Österreichisch-Ungarische
Bank der Einsicht nicht verschließen können, daß durch eine
fortwährend gesteigerte Inanspruchnahme des Notenkredites der
Bank die Gefahr einer Inflation immer mehr zunehmen wird. Um
dieselbe zu mindern, würden die beiden Regierungen bestrebt
sein, in jedem geeigneten Zeitpunkte von jedem zweckentsprechen-
den Mittel der Geldbeschaffung Gebrauch zu inachen, wielche
die künstliche Vermehrung der Geldzeichen überflüssig macht."
Das ist wohl die deutlichste Absage, welche an das in den
ersten Monaten ausschließlich befolgte System der Deckung
der Kriegskosten möglich war. In vertraulichen Sitzungen der
Staatsschuldenkontrollkommission mit dem Leiter des Finanz-
ministeriums wurden die schweren Bedenken gegen die Politik,
die Kriegskosten einfach durch Inanspruchnahme des Staats-
kredites bei der Notenbank aufbringen zu wollen, ganz entschieden
vorgebracht: In diesen Sitzungen und in der Öffentlichkeit wurde
darauf hingewiesen, daß man ernstlich daran denken müsse, der
Verschlechterung der Valutaverhältnisse, wie sie bei weiterer In-
anspruchnahme der Notenpresse unvermeidlich sei, Einhalt zu
tun. Die Finanzverwaltung sträubte sich lange gegen die Auf-
nahme einer Kriegsanleihe bei den breiten Schichten der Be-
völkerung und glaubte, daß die Durchführung einer solchen von
den Kriegsereignissen abhängig sei. Sie meinte, in einem Zeit-
punkte, in dem der Feind in Galizien und Bukowina eingebrochen
wäre und die Gefahr feindlicher Einfälle in Ungarn bestünde,
würde die Bevölkerung eine zur Subskription aufgelegte Anleihe
einfach nicht zeichnen.
Während hinsichtlich der militäriischen Lage selbst in kritischen
Momenten eine wirklich tiefgehende Beunruhigung niemals be-
stand, machte sich namentlich in der ersten Zeit nach Kriegs-
ausbruch in den maßgebendsten Kreisen ausgesprochener Klein-
mut bezüglich der finanziellen Schlagkraft der Monarchie geltend.
Als die Kommission versicherte, daß sie die Kontrasignierung
;
134 Die Kriegsanleihen
weiterer Darlehen bei der Österreichisch-Ungarischen Bank ver-
weigern würde, falls nicht der Weg der Aufnahme einer Sub-
skriptionsanleihe beschritten würde, mußte sich »die Regierung,
den Wünschen der Staatsschuldenkontrollkommission fügen. Im
Oktober 1914 erklärte der damalige Leiter des Finanzministeriums,
daß die Regierung in der nächsten Zeit so bald als möglich
mit einem Subskriptionsanlehen hervorzutreten beabsichtige. Mit
welchen Bedenken der Finanzminister dem Ausgange der Zeich-
nungen auf die erste Kriegsanleihe entgegensah, geht wohl deut-
lich aus seiner Erklärung in der Kommission hervor, daß der Erlös
des Anlehens für beide Reichshälften zusammen vielleicht mit
einer Milliarde veranschlagt werden könne.
Die Kriegsanleihen.
Der Erfolg der ersten Kriegsanleihe war ein voller. Das Ergeb-
nis der Zeichnung auf die Anleihe betrug 2,2 Milliarden Kronen. Die
Kriegsanleihe wurde in Form steuerfreier 5V2^/oiger amortisabler
Schatzscheine begeben. Der Subskriptionspreis betrug 971/2^/0
und die Schatzscheine sollen am 1. April 1920 zur Rückzahlung
gelangen. Ihre Tilgung ist vor diesem Termine nach voraus-
gegangener dreimonatiger Kündigung zur Gänze oder teilweise
möglich. Zur Unterbringung der Schatzscheine wurde der ganze
Apparat aufgeboten, über den die Finanzverwaltung verfügte. Das
Publikum wurde durch Prospekte, Aufrufe, Plakate an die Pflicht
gemahnt, Kriegsanleihe zu erwerben, und in überraschendem Maße
liefen die Anmeldungen auf die Schatzscheine von allen Seiten
ein. Die Banken, Postämter, Sparkassen, Versicherungsanstalten
nahmen Zeichnungen entgegen, und als ein besonders wirksames
Agitationsmittel erwies sich der Umstand, daß die österreichischen
Tagesblätter während der Subskriptionszeit die ihnen von den
Banken und anderen Zeichnungsstellen mitgeteilten Namen der
Zeichner und die Höhe der Zeichnung fortlaufend veröffentlichten.
Die Kriegsanleihen 135
Manche erfahrenen Finanzleute schüttelten zwar den Kopf. Denn
dadurch, daß die Banken täglich ganze Spalten der bei ihnen
eingelaufenen Zeichnungen bekannt gaben — selbst Anmeldungen
bis zu 200 Kronen herab wurden veröffentlicht — , vollzog sich
die große Revue der Bankenkundschaft im vollen Lichte der
Öffentüchkeit. Während sonst jede Bank die Namen ihrer Klienten
und ihre Geschäftsverbindungen ängstlich als Geheimnis bewahrt
hatte, wurden diese Namen jetzt bekannt gegeben. Das Publikum
verlangte, namentlich bei den ersten Anleihen, daß die patriotische
Tat der Zeichnung auf die Kriegsanleihe mitgeteilt würde. Die
Industrieunternel\mungen und besonders jene, die große Be-
stellungen an Kriegsmaterial erhalten hatten, sahen sich gleich-
falls gezwungen, höhere Zeichnungen auf die Kriegsanleihe an-
zumelden, als sie es vielleicht sonst getan hätten. Unter den
Banken begann das große Wettrennen, denn jedes Institut wollte
der Fihanzverwaltung und der Öffentlichkeit beweisen, welche
kapitalskräftige Kundschaft es besitze und wie sehr es alle An-
strengungen mache, die Zeichnungen auf die Kriegsanleihe zu
fördern.
Der offizielle Kurs, zu dem die erste Kriegsanleihe ausgegeben
wurde, betrug "971/2^/0. Da aber die Banken und Firmen, die
dem Konsortium angehörten, welches die Finanztransaktion durch-
führte, auf die ihnen seitens des Finanzministeriums gewährte
Provisron von Vs^/o zugunsten der Zeichner verzichtetfen, stellte
sich der tatsächliche Zeichnungskurs der ersten Kriegsanleihe auf
%'^/s^/o. Die Schatzscheine waren ausschHeßHch für den heimischen
Markt bestimmt und lauteten daher auf Kronenwährung. Um
dem Publikum die Erwerbung der Kriegsanleihe zu erleichtern,
gewährte die Österreichisch-Ungarische Bank eine Belehnung der
Schatzscheine bis zu 75 0/0 des Nominalwertes der Titres und
die Erleichterung, daß nicht der höhere Lombardzinsfuß, sondern
ihr niedriger Wechselzinsfuß in Anrechnung gebracht werden
solle. Es wurde zugestanden, daß dieser Zinsfuß, welcher bei
Abschluß der Anleihe 51/2^/0 betrug und am 12. April 1915 auf
50/0 herabgesetzt wurde, bis auf weiteres, mindestens aber ein
Jahr von dem letzten Einzahlungstermine der Kriegsanleihe ge-
136 Die Kriegsanleihen
rechnet, für die Bevorschussung in Geltung bleiben solle. Da
aber entgegen der Annahme der Krieg im Jänner 1916 noch
nicht beendet war, wurde schließlich die Zinsfußbegünstigung
für die 1., 2. und 3.. Kriegsanleihe bis einschließlich des 92. Tages
nach erfolgtem Friedensschlüsse erstreckt. Außerdem beschloß
die Notenbank für Lombarddarlehen, die auf andere bei ihr zur
Belehnung zugelassenen Effekten erteilt werden und nachweis-
lich zum Zwecke der Einzahlung auf die Kriegsanleihen auf-
genommen wurden, gleichfalls nur die im Eskomptegeschäfte
geltenden Zinsen in Anrechnung zu bringen. Die Höhe der
Zeichnungen auf die erste wie auf alle anderen Kriegsanleihen
wurde nicht begrenzt, sondern jeder Zeichner erhielt den Betrag
zugewiesen, den er beansprucht hatte. Die Begebung der Kriegs-
anleihe wurde durch die vorherrschende Geldflüssigkeit gewaltig
begünstigt. Die Börse lag darnieder, das Publikum wagte es
noch nicht, Aktien zu kaufen, sondern trug seine Ersparnisse zu
den Banken und Sparkassen. An diesen Stätten sammelten sich
auch die Einlagen der Kriegslieferanten und die Rückzahlungen
jener Unternehmungen, die allmählich anfingen, sich aus Debi-
toren in Kreditoren der Banken umzuwandeln. Wichtig war es
für den Erfolg der ersten Kriegsanleihe, daß die Banken, Spar-
kassen und Genossenschaften ungeachtet des damals noch gelten-
den Moratoriums verhalten wurden, Beträge und Forderungen
aus laufender Rechnung oder aus Einlagen voll zurückzuzahlen,
falls sie für die Zwecke der Zeichnung auf die Staatsanleihen be-
stimmt waren. Als deutlicher Beweis, wie die herrschende Geld-
flüssigkeit die Durchführung der Anleihe erleichterte, ist die nach-
folgende Aufstellung anzusehen, die den Stand der Einlagen am
31. Oktober 1914 bei den maßgebenden Wiener Banken und Spar-
kassen angibt und die Höhe der Einlagen vor der ersten Kriegs-
anleihezeichnung mit jener nach der Zeichnung vergleicht. Es
ist aus ihr zu entnehmen, daß ungeachtet der gewaltigen Zeich-
nungen die Einlagen bei den Banken nur unerheblich zurück-
gegangen sind. Neueinlagen ersetzten die Abhebungen ziemlich
rasch. Dies gilt namentlich für die Banken, während die Spar-
kassen einen größeren Zeitraum nötig hatten, um die Abhebungen
Die Kriegsanleihen
137
wieder wettzumachen. Am 30. April 1915 war durch Neueinlagen*
bei den Banken der Stand vor der ersten Kriegsanleihe wieder
hergestellt, in einzelnen Fällen sogar namhaft überschritten. Bei
den Sparkassen war die Wiederauffüllung der Einlagen eine
wesentlich langsamere und litt wohl auch darunter, daß die Banken^
eine höhere Verzinsung gewährten. Die Gestaltung der Einlagen
in dem erwähnten Zeiträume ist aus der nachstehenden Tabelle
zu entnehmen:
stand am
K. K. Postsparkasse
Erste österreichische Sparkasse . . .
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien
Neue Wiener Sparkasse . . ....
Zentralbank deutscher Sparkassen .
Anglobank .
Bankverein
Creditanstalt
Depositenbank
Eskomptegesellschaft
Länderbank
„Mercur"
Unionbank
Verkehrsbank
31. Oktober 31. Dezejn-
1914 vor der ber 1914 v o r
ersten Zuschrei-
Knegsan- bung der
leihezeich- Zinsep
30.Aprill9]5
nung
in Mi
Ilionen Kronen
182,6S1
169,045
184,082
551,016
507,318
547,266^
185,216
155,335
173,310
49,444
42,426
47,386
93,744
132,766
94,973
80,025
95,225
138,610
128,399
161,916
112,733
107,567
140,834
49,288
40,899
46,806
30,937
29,333
37,690
109,160
90,937
110,494
52,917
43,882
51,562
30,405
29,256
46,170
82,017
72,109
88,192
Wenn man nach den Quellen fragt, welche die erste Kriegs-
anleihe gespeist haben, so muß man sie wohl zum größten Teile
in den vorhandenen flüssigen Mitteln suchen. Bei der Begebung
der ersten Kriegsanleihe hatte sich die finanzielle Beunruhigung
des Publikums völlig gelegt, und allmählich kamen die versteckten
Barmittel wieder zum Vorscheine. Der Oktober- und November-
termin hatten überdies bedeutende Kuponfälligkeiten gebracht,^
die in Kriegsanleihe angelegt wurden. Viele Betriebe, die sonst
Anschaffungen an Rohmaterialien für das kommende Frühjahr
machten, konnten schon im Hinblicke auf den erschwerten Bezug
138 Die Kriegsanleihen
aus dem Auslande ihre Kapitalien nicht verwerten und suchten
leicht realisierbare Anlagen. In der Textilindustrie begann der
große Ausverkauf, und die Lichtung aller vorhandenen Rohstoff-
und Halbfabrikatlager veranlaßte viele Kaufleute und Industrielle,
die fünfjährigen Schatzscheine zu erwerben. Die Lajidwirtschaft
hat sich an der Zeichnung auf die erste Kriegsanleihe gleichfalls
beteiligt und sogar in relativ stärkerem Maße als bei den späteren
Kriegsanleihen. Es muß vermerkt werden, daß die Landwirt-
schaft und der Großgrundbesitz im allgemeinen an der Aufbringung
der Mittel för die Kriegsanleihen nicht entfernt in dem Maße
teilnahmen, wie es ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ent-
sprochen hätte. In der ersten Zeit mag für dieses Verhältnis noch
der Umstand als Entschuldigung gelten, daß die Landwirtschaft
in Österreich stark verschuldet war und sie die großen Eingänge,
welche ihr aus den stark gestiegenen Preisen, die sie für alle
ihre Produkte erzielte, zuströmten, dazu benätzte, um ihre Ver-
schuldung zu vermindern. Der Großgrundbesitz in Österreich
ist aber schon vor dem Kriege nicht stark verschuldet gewesen
und er hätte gewiß viel erheblichere Mittel in Kriegsanleihen an-
legen können, als er es tatsächlich getan hat. Handel, Industrie,
Banken, der Mittelstand und die kleinen Sparer haben die Siche-
rung der finanziellen Rüstung nach Kräften unterstützt. Der Er-
folg der ersten Kriegsanleihe war ein vollständiger und hat sicher-
lich sehr viel dazu beigetragen, den Kleinmut, der sich anläßlich
der fortschreitenden Offensive der Russen in Galizien geltend
machte, zu bannen und die Stimmung zu heben.
Die ungeheuren Anforderungen, welche der Krieg auf finan-
ziellem Gebiete stellte, führten dazu, daß schon im April 1915
mit den Vorarbeiten fü^ eine neue Kriegsanleihe begonnen werden
mußte. Vorher wurde noch die Österreichisch-Ungarische Bank
seitens der österreichischen und unjgarischen Finanzverwaltung
mit Vorschüssen in Anspruch genommen. Gegen Ausstellung von
Solawechsel erhielt die österreichische Finanzverwaltung 445 und
später 508 Millionen Kronen von der Bank. Die Regierung glaubte,
daß es ungeachtet des großen Erfolges der ersten Kriegsanleihe
kaum möglich sein würde, in so kurzer Zeit wieder eine neue
Die Kriegsanleihen t39
Kriegsanleihe zu placieren und sie wollte daher die Inanspruch-
nahme des Publikums hinausschieben. Diesen Erwägungen konnte
sich auch die Staatsschuldenkontrollkommission nicht ganz ent-
ziehen und gab die Zustimmung zur Aufnahme eines neuen Vor-
schusses bei der Österreichisch-Ungarischen Bank. Zum ersten
Male machte sich zwischen der Finanzverwaltung und der Staats-
schuldenkontrollkommission auch ein Gegensatz in der Richtung
geltend, ob die neue kommende Kriegsanleihe wieder die Form
von Schatzscheinen haben sollte, oder ob man nicht den Weg der
Ausgabe langfristiger Rente einzuschlagen hätte. Die Kommission
vertrat die Ansicht, daß sie nur kurzfristige Schulden, die keine
dauernde Belastung des Staatsschatzes darstellen, kontrasignieren
dürfe, während die Regierung und maßgebende Finanzkreise den
Standpunkt einnahmen, daß man im Kriege sich an den starren
Wortlaut des Gesetzes, der die Ausgabe von Rente an die Zu-
stimmung des Parlamentes knüpfe, nicht halten könne. Die Be-
gebung langfristiger Renten wäre für die Staatsfinanzen viel vor-
teilhafter und man würde dadurch vermeiden, daß, wie es bei
Neuausgabe von kurzfristigen Schatzscheinen der Fall war, die
Rückzahlungsverpflichtungen auf relativ sehr nahe Termine zu-
sammenrückten.
Gegen die Ausgabe von Rente wurde aber auch das Argument
Vorgebracht, daß die Kriegsanleihe, wenn sie die Form von Rente
hätte, mit einem viel höheren Zinsfuß als dem 4o/oigen, auf den
alle in den letzten Jahren ausgegebenen Renten lauteten, aus-
gestattet werden müßte. Ginge man kurzerhand zu einem 5o/oigen
oder höheren Zinsfuß für die österreichischen ewigen Renten
über, so wäre eine Entwertung der alten 4o/oigen Renten nicht
aufzuhalten. Dadurch nun, daß man Schatzscheine ausgebe, ziehe
man von selbst eine scharfe Linie zwischen dem Rentenblocke,
der sich weiter nominell mit 4 o/o verzinse und der neuen Kriegs-
anleihe, die Schatzschein- und nicht Rentencharakter habe. Die
Staatsschuldenkontrollkommission verhielt sich aber gegenüber
den Plänen, Rente auszugeben, ablehnend. Sie erklärte sich im
äußersten Falle bereit, Schatzscheine zu kontrasignieren, die auf
einen zehnjährigen Termin lauteten. Andere Zugeständnisse wollte
140 ^ic Kriegsanleihen
sie aber hinsichtlich der Fälligkeit der neuen Kriegsanleihe nicht
machen. Die Finanzverwaltung mußte sich diesem Standpunkte
anpassen, und am 8. Mai 1915 begann die Zeichnung auf die
zweite Kriegsanleihe. Der Subskriptionspreis der Titres, welche
am I.Mai 1925 zur Rückzahlung gelangen sollen, betrug 95,25o/o^
Oleich der ersten Kriegsanleihe war auch die zweite mit 51/2^/0
verzinshch. Die Zeichenstellen, die wiederum aus dem Banken-
konsortium, welches die österreichischen Finanzgeschäfte besorgt,
und der Postsparkasse beständen, gewährten aus der ihnen zu-
gebilligten Provision den Subskribenten eine Bonifikation von
einem halben Prozent, so daß sich der Ankaufspreis der zweiten
Kriegsanleihe für das Pubhkum auf 94,75 0/0 stellte.
Mitten in den Gang der Zeichnungen auf die zweite Anleihe
fiel die Kriegserklärung ItaHens. Während bis zur Kriegserklärung
des treulosen ehemaligen Verbündeten die Zeichnungen ganz
normal eingelaufen waren, löste der Ausbruch des Konfliktes mit
Italien eine ganz andere Wirkung aus, als man wohl im feind-
lichen Auslande erwartet hatte. Die Erbitterung gegen Italien
war so ungeheuer, daß jeder einzelne die Verpflichtung fühlte,
auch mit seinen finanziellen Kräften dem Staate alles zu gewähren,
was er nötig hatte. Bereits angemeldete Zeichnungen wurderr
verdoppelt, eine fieberhafte Agitation setzte allenthalben ein, um
den Beweis zu erbringen, daß der neue Gegner nicht die Wider-
standskraft geschwächt, sondern die Überzeugung vermehrt habe,
daß es um die Existenz des Reiches ginge. Das Ergebnis der
Zeichnungen auf die zweite Kriegsanleihe betrug in Österreich
2,68 Milliarden Kronen. Die Österreichisch-Ungarische Bank ge-
währte hinsichthch der Lombardierung dieselben Erleiditerungen
wie bei der ersten Kriegsanleihe. Da die vorhandenen flüssigen
Geldmittel des PubHkums durch die erste Kriegsanleihe doch
stärker in Anspruch genommen worden waren, ist bei den
Zeichnungen auf die zweite Kriegsanleihe von der Belehnungs-
möglichkeit, welche die Österreichisch-Ungarische Bank und die
Banken gewährten, größerer Gebrauch gemacht worden. Hiebei
nützten auch Zeichner die Belehnungsmöglichkeit aus, die es
nicht notwendig hatten, die es aber vorteilhafter fanden, ihre
Die Kriegsanleihen
141
anderweitigen Guthaben nicht zu vermindern, sondern die neue
Kriegsanleihe mit 75 o/o belehnen zu lassen und nur den Rest-
betrag einzuzahlen. Außerdem hatte das Wiederaufleben der
Börsentätigkeit, die sich als Folge des überraschend günstigen
Geschäftsganges in vielen Industriezweigen einstellte, welche
Kriegslieferungen auszuführen hatten, das Interesse des Publikums
für den Aktienmarkt wieder gehoben. Die Banken stellten dem
Publikum einen weiteren Vorschuß auf die Kriegsanleihe in der
Höhe von 10 bis 15 o/o zur Verfügung, so daß, wenn jemand Kriegs-
anleihe zeichnete, er 75 o/o von der Österreichisch-Ungarischen
Bank als Vorschuß erhalten konnte, 10 o/o von seiner Bank-
verbindung und er nur den Restbetrag tatsächlich einzahlen mußte.
Solange die Verhältnisse des Geldmarktes keine durchgreifende
Veränderung erfahren, ist die Inanspruchnahme des Lombard-
kredites mit keiner Belastung für den Zeichner verbunden. Da
ihm die Anleihe fast 6o/o trägt, kann er die 5o/o, die ihn der Vor-
schuß kostet, leicht bezahlen.
Bei der zweiten Kriegsanleihe legte man Gewicht darauf, die
bei den Sparkassen und Genossenschaften auftauchende Besorg-
nis über eine eventuell eintretende Störung der Liquidität ihrer
Mittel infolge starker Abhebungen der Einleger zu beseitigen. Zu
diesem Zwecke wurde die Kriegsdarlehenskasse ermächtigt, Dar-
lehen auch gegen Verpfändung von Hypotheken zu erteilen, welche
die gesetzHche Sicherheit bieten. Auf diese Weise wollte man
es erreichen, daß die Sparkassen, denen größere Einlagen ge-
kündigt würden, ihre Hypotheken belehnen lassen können, um
sich flüssige Mittel zu schaffen. Da aber die Sparkassen ihre
Hypothel^arkredite im allgemeinen zu einem billigeren Satze als
dem geltenden Eskomptezinsfuß der Notenbank von 5 o/o erteilt
hatten, so wäre die Inanspruchnahme des Lombardkredites bei
der Österreichisch-Ungarischen Bank für sie immerhin mit einem
Verluste im Zinsfuße verbunden gewesen. Doch hatten die Spar-
kassen für den Fall starker Abhebungen die Möglichkeit des Rück-
griffes auf die Bank. Die Tabelle auf Seite 142 gibt ein Bild der
Einlagen bei den Wiener Banken und Sparkassen, vor und nach
der Zeichnung auf die zweite Kriegsanleihe.
142 Die Kriegsanleihen
/
stand vor drr Stand nach der
zweiten Kriegs- zwnten Kriegs-
anleitie 30. April anleihe 31. Mai
1915 1915
Millionen Kronen
Postsparkasse 184,082 182,297
Erste österreichische Sparkasse . . . 547,266 523,205
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien . 173,310 161,356
Neue Wiener Sparkasse — 44,850
Zentralbank deutscher Sparkassen . . 29,939 28,287
Anglobank 95,225 90,400
Bankverein 161,916 154,317
Creditanstalt 140,884 136,582
Depositenbank 46,806 44,517
Niederösterr. Eskomptegesellschaft . . 37,690 36,456
Länder bank 110,494 111,427
„Mercur" 51,562 48,310
. Unionbank. . w 46,170 . 42,947
Verkehrsbank . 88,192 ' 81,264
Auch bei der zweiten Kriegsanleihe hielt sich die Verminderung
des Einlagenstandes bei den Banken in ziemlich engen Grenzen.
Die Mittel zur Zeichnung der Kriegsanleihe wurden nur zum
Teile den Einlagegeldern entnommen. Sie wurden weiter durch
Abhebungen von Kontokorrenten, durch die Eingänge aus dem
Erlöse von Warenbeständen und durch Ausnützung der Be-
lehnungsmöglichkeiten aufgebracht. Wenn die Einleger bei den
Banken ihre Guthaben in ausreichendem Maße herangezogen
hätten, so wäre es zweifellos durchführbar gewesen, auch mit
geringerer Inanspruchnahme der Belehnungsmöglichkeiten, als es
tatsächlich der Fall gewesen ist, den Erfolg der Anleihen sicher-
zustellen. Da aber den Zeichnern immer wieder auseinandergesetzt
wurde, daß es rechnungsmäßig für sie ein Vorteil ist, wenn sie
von der Belehnung Gebrauch machten, so taten sie dies und
nahmen nur geringfügige Abhebungen von ihrem Guthaben vor.
Di€ Kriegsanleihen wären bei größeren Bareinzahlungen besser
placiert worden, und es wäre möglich gewesen, die Noteninflation
stärker einzuschränken. Es war gewiß ein Fehler, dem Publikum
die Belehnung auch in solchen Fällen zu empfehlen, in denen gar
kein Anlaß vorhanden war, von ihr Gebrauch zu machen. Aller-
dings wird dem entgegengehalten werden können, daß auf eine
Die Kriegsanleihen 143
andere Weise niemals die Milliardenbeträge hätten untergebracht
werden können, die man benötigte.
Die Steigerung der Valuten- und Devisenpreise hatte schon im
Herbste 1914 nach Abschluß der ersten Kriegsanleihe die Finanz-
verwaltung auf die Notwendigkeit verwiesen, sich Guthaben im
Auslände zu verschaffen. Nach Lage der Verhältnisse kam für
die Aufbringung derartiger Kredite bloß der deutsche Markt in
einem nennenswerten Ausmaße in Betracht. Durch eine Ver-
einbarung mit Berliner Banken sind im November 1914 gegen
Ausstellung von Schatzwechsejn seitens der österreichischen
Finanzverwaltung Markguthabungen im Betrage von 200 Mil-
lionen Mark erworben und damit eine Teilsumme der ausländischen
Valuta, welche für die mit dem Kriege zusammenhängenden Waren-
bezüge, Coupons und andere Zahlungen nach dem Auslande damals
nötig war, beschafft worden. Die Schatzwechsel, welche die Unter-
lage dieses Kredites bildeten, waren mit einer einjährigen Lauf-
zeit und einer Verzinsung von 6 o/o ausgestattet, wozu noch eine
Provision von Vd^/o trat, die dem deutschen Bankenkonsortium
gewährt werden mußte. In der Zeit zwischen der zweiten und
dritten Kriegsanleihe, in den Monaten Mai und Juni 1915, kam eine
neue Vereinbarung mit Berliner Banken zustande, durch welche die
Finanzverwaltung gegen einjährige Schatzwechsel viieder eine An-
leihe im Betrage von 305 Millionen Mark sicherstellte. Die Berliner
Banken haben damals 180 Millionen Mark 5o/oiger Schatzwechsel
fix übernommen und auf weitere Schatzwechsel bis zum Betrage
von 125 Millionen Mark eine Option erworben. Das Optionsrecht
wurde im November 1915 ausgeübt Dies^ Anleihen dienten wie
die im November 1914 aufgenommene in erster Linie der Er-
leichterung der Abwicklung der Zahlungen nach dem Deutschen
Reiche. Auf Grund derselben Vereinbarung haben die Berliner
Banken die im November 1915 fällig gewordenen Schatzwechsel
der ersten Anleihe prolongiert.
Der Erlöa der ^weiten Kriegsanleihe deckte nicht lange die
Bedürfnisse der Finanzverwaltung. Gegen Schatzwechsel, die aus
der dritten Kriegsanleihe eingelöst wurden, sind Vorschüsse bei
dem Österreichischen Konsortium beschafft und bei der Öster-
]44 ^i^ Kriegsanleihen
reichisch-Ungarischen Bank ist ein weiteres Darlehen von 954 Mill.
aufgenommen worden, dessen Unterlage Schuldscheine bildeten.
Jm Herbst 1915 mußte man an die Vorbereitungen für die dritte
Kriegsanleihe schreiten, die im Oktober zur Subskription auf-
gelegt wurde. Bei der Frage der Ausstattung der neuen Kriegs-
anleihe kam es wieder zwischen der Staatsschuldenkontroll-
kommission und der Finanzverwaltung zu größeren Meinungs-
verschiedenheiten. Die Kommission wollte noch immer nicht die
Zustimmung zur Ausgabe von Rente erteilen, während die Finanz-
verwaltung immer stärker dem Wunsche Ausdruck gab, daß man
nicht wieder zu dem Typus kurzfristiger Schatzwechsel greifen,
sondern sich zur Emission von Renten entschließen solle. Man
könne, so Wurde argumentiert, nicht wieder fünf- oder zehnjährige
Schatzscheine ausgeben, nachdem bereits so bedeutende Beträge
solcher von der ersten und der zweiten Kriegsanleihe im Um-
laufe waren. Eine Einberufung des Parlamentes, um von ihm
die Zustimmung zur Ausgabe von Renten zu erhalten, war im
Hinblicke auf die innerpolitische Situation ausgeschlossen.
Die Kommission trug diesen Bedenken insofern Rechnung, als
sie sich bereit erklärte, Schatzscheine zu kontrasignieren, welche
mit einer 15 jährigen Laufzeit und demnach einem Rückzahlungs-
termine vom 1. Oktober 1930 ausgestattet wurden. Der Sub-
skriptionspreis der dritten Kriegsanleihe betrug 93,6o/o, und da
die Banken die ihnen zugesicherte Provision der Staatsverwaltung
in der Höhe von 1/2^/0 den^ Zeichnern überließen, stellte sich der
Ankaufspreis für das Publikum auf 93,1 0/0. Das Zeichnungs-
ergebnis der dritten Kriegsanleihe war die Unterbringung von
51/2 0/0 igen Schatzscheinen im Nominale von 4,2 Milliarden Kronen.
Für die dritte Kriegsanleihe gewährte die Notenbank dieselben
Begünstigungen wie für die zwei ersten Kriegsanleihen. Es war
bedauerlich, daß der mittlere und der große Grundbesitz Kriegs-
anleihezeichnungen wieder nur in sehr bescheidenem Ausmaße
vornahmen. Das Gesamtergebnis der dritten Kriegsanleihe wurde
dadurch gefördert, daß die ungünstigen Kurse der österreichischen
Zahlungsmittel deutsches und neutrales Kapital, namentlich aus
der Schweiz und Holland, veranlaßten, nennenswerte Er-
Die Kriegsanleihen 145
Werbungen von österreichischer Kriegsanleihe zu machen. In
Deutschland wurde der Kauf der österreichischen Kriegsanleihe
erleichtert, indem sie durch eine Verfügung der Hauptverwaltung
der deutschen Darlehenskassen zur Belehnung bis zu 40<yo ihres
Nennwertes zugelassen wurden. Wir geben im Nachstehen-
den wieder eine Übersicht des Standes der Einlagen bei den
Wiener Banken und Sparkassen vor und nach der Zeichnung auf
die dritte Kriegsanleihe.
• •
Stand
am
31. Oktober
30. November
1915
1915
Millionen
Kronen
199,375
203,455
533,434
521,043
169,317
167,539
44,408
44,344
102,308
103,732
169,642
171,452
143,448
145,000
47,221
47,294
37,719
37,000
125,987
124,053
53,165
43,527
50,775
50,665
89,843
89,454
Postsparkasse ........
Erste österreichische Sparkasse
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien .
Neue Wiener Sparkasse
Anglobank
Bankverein . .
Creditanstalt
Depositenbank
,Niederösterr. Eskomptegescllschaft . .
Länderbank
„Mercur"
Unionbank
Verkehrsbank ,
Das Postsparkassenamt hat eine interessante Zusammenstellung
der Gesamtergebnisse der sechs Kriegsanleihen veröffentlicht, aus
der zu ersehen ist, wie sich die Zeichnungen nach ihrer Höhe
verteilten. Erst bei der dritten Kriegsanleihe ist der große Block
der kleinen Sparer, die bis 100 Kronen zeichneten, in vollem
Umfange mobilisiert worden. Während auf die erste Kriegsanleihe
54949 Zeichner Anmeldungen in der Höhe bis zu lOOjKronen vor-
nahmen und bei der zweiten Kriegsanleihe sich die Zahl dieser
kleinen Zeichner auf 35682 verminderte, trat bei der Zeichnung
auf die dritte Kriegsanleihe eine starke Vermehrung der kleinen
Sparer in die Erscheinung. Es wurden nämlich auf die dritte
Kriegsanleihe 145540 Zeichnungen im Ausmaße bis zu 100 Kronen
angemeldet und damit der deutliche Beweis erbracht, wieviel
M filier, Diei finanzielle Mobilmachung Österreichs. 10
146 ^^^ Kriegsanleihen
eine stramme Agitation bei der Begebung von Anleihen leisten
könne. Noch stärker war das Aufgebot der kleinen Zeichner
bei der Emission der vierten Kriegsanleihe, denn dort meldeten
258 24Q Sparer Zeichnungen bis zur Höhe von 100 Kronen an. Bei
der fünften Kriegsanleihe machte sich in breiten Schichten die
Teuerung der Lebenshaltung und die Schwierigkeit, mit den ver-
fügbaren Mitteln das Auslangen zu finden, schon in einem starken
Rückgange der kleinen Sparer bemerkbar. Das Hauptkontingent
bei allen Zeichnungen lieferten jene, die Anmeldungen in Be-
trägen von 10000 bis 50000 Kronen vornahmen. Diese Erscheinung
zeigte sich bei fast allen Kriegsanleihen, und in ihr kommt die
Kraft und das Pflichtbewußtsein des Bürgerstandes zum Aus-
drucke. Bei der ersten Kriegsanleihe wurden auf diese Weise
339,2 Millionen, bei der zweiten Kriegsanleihe 382,7, bei der dritten
Anleihe 615,7, bei der vierten 527,5, bei der fünften 444 Millionen
und bei der sechsten Kriegsanleihe 507,9 Millionen Kronen auf-
gebracht. Die Aufstellung des Postsparkassenamtes, welcher die
Zjusammensetzung der Zeichner bei sechs Kriegsanleihen zu ent-
nehmen ist, gibt ein Bild, wie es die Tabelle S. 147 zeigt.
Zwischen die Begebung der dritten und der vierten Kriegs-
anleihe fällt eine neuerliche Darlehensaufnahme gegen Schuld-
scheine bei der Österreichisch-Ungarischen Bank in der Höhe
von 1,9 Milliarden Kronen. Die starken Zahlungen, welche für
Warenanschaffungen, Kuponseinlösungen usw. an das Ausland ge-
leistet werden mußten, hatten eine wiederholte Inanspruchnahme
des Kredites bei dem Konsortium deutscher Banken im Gefolge,
und zwar wurden Schatzwechsel für 127 Millionen, 254 Millionen
resp. 150 Millionen Mark ausgestellt. Auch das österreichische
Bankenkonsortium gewährte der Finanzverwaltung Kontokorrent-
vorschüsse auf die kommende Kriegsanleihe, die auch zum größten
Teile aus deren Erlöse zurückgezahlt wurden. ^
Im April 1916 wurden die Vorarbeiten für die vierte Kriegs-
anleihe in Angriff genommen. Zu diesem Zeitpunkte hatte die
Staatsschuldenkontrollkommission ihren Widerstand gegen die
Ausgabe langfristiger Anleihe bereits aufgegeben. Wenn man
den Fälligkeitstermin der neuen Schatzscheine nach dem Muster
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148 Die^ Kriegsanleihen
der ersten drei Kriegsanleihen wieder um fünf Jahre verlängert
hätte, wäre man ohnedies bereits bei einer Schatzscheinemissiön
mit zwanzigjähriger Laufzeit angelangt. Bei der neuen Begebung
hatten die Zeichner die Wahl zwischen einer 51/2^/0 igen Anleihe
mit einer vierzigjährigen Laufzeit und kurzfälligen siebenjährigen
Schatzscheinen, welche gleichfalls 51/2^/0 Zinsen tragen. Der
Emissionskurs der vierzigjährigen Anleihe wurde mit 93 0/0, jener
der Schatzschdne mit 95,5 0/0 festgesetzt. Wie in den früheren
Fällen verzichteten auch diesmal die Banken auf die ihnen vom
Finanzministerium zugestandene Provision in der Höhe von einem
halben Prozent, und um diese Marge ermäßigte sich der
Zeichnungspreis für das Publikum. Da das Privilegium der
Österreichisch-Ungarischen Bank mit dem Jahre 1917 erlosch und
seine Erneuerung noch nicht erfolgt war, konnte die Bank damals
hinsichtlich des Lombardes und des Zinsfußes, den sie für die
Belehnung der Kriegsanleihe zugestand, eine über diesen Termin
hinausgehende Konzession nicht machen. Die Regierung hatte
aber in der sicheren Erwartung, daß das Privilegium der Noten-
bank erneuert würde, erklärt, daß sie Sorge tragen werde, daß
die von der Österreichisch-Ungarischen Bank eingeräumten Be-
günstigungen für die vierzigjährige Anleihe bis zum 30. Juni 1921
und für die Schatzscheine bis zum 30. Juni 1919 in Kraft blieben.
Das Ergebnis der Zeichnungen auf die vierte Kriegsanleihe, die mit
Aufgebot aller Mittel gefördert wurde, war die Placierung von
4520 Millionen Kronen Nominale. Hiervon entfiel auf die vierzig-
jährige 51/20/oige Staatsanleihe ein Betrag von 2365 Millionen
Kronen und auf die siebenjährigen 51/2^/0 igen Staatsschatzscheine
2155 Millionen Kronen. Die Zeichnungen auf die Schatzscheine
wurden vielfach von Geldinstituten, Versicherungsanstalten, Indu-
striellen und Kaufleuten vorgenommen, welche eine 'Kapitals-
verwertung suchten, die mit keiner dauernden Immobilisierung-
Verbünden war. Die Zeichnungen auf die langfristige vierzigjährige
Rente kamen aus. Kreisen, die sich für ihr Vermögen eine gute
Verzinsung während einer möglichst langen Zeit sichern wollten.
Als die Wahl des hochverzinslichen Rententypus erfolgt war, der
erst nach 40 Jahren zurückgezahlt werden sollte, glaubte man an
Die Kriegsanleihen 149
manchen Stellen, daß das Publikum seine Outhaben in starkem
Maß(i von den Banken und Sparkassen zurückziehen würde. Die
nachfolgende Auifstellung, welche wieder ein Bild der Einlagen-
bewegung bei den Wiener Banken und Sparkassen vor und nach
der Zeichnung auf die vierte. Kriegsanleihe gibt, beweist, daß
diese Annahme nicht zugetroffen ist.
Stand
am
30. April 1916
31. Mai 1916
Millionen
Kronen
215,563
212,872
573,152
566,381
191,851
188,337
50,247
53,340
3Q,662
39,398
132,002
134,409
236,147
238,117
173,029
173,755
59,617
57,402
49,806
52,379
170,169
167,427
67,090
62,483
63,471
65,886
117,139
116,221
Postsparkasse
Erste österreichische Sparkasse . . .
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien .
Neue Wiener Sparkasse .
Zentralbank deutscher Sparkassen . .
Anglobank
Bankverein
Creditanstalt
Depositenbank
Niederösterr. Eskomptegeseilschaft . .
Länderbank ............
„Mercur" ....;..,
Unionbank
Verkehrisbank
Es wäre dringend zu wünschen, daß noch während des Krieges
jeder einzelne, der den Lombardkredit für seine Zeichnungen auf
die Kriegsanleihen in Anspruch nahm, nach Kräften bemüht wäre,
seine Verschuldung zu tilgen. Es ist ein Trugschluß, sich mit
dem Hinweise zu trösten, daß das Geld, wie die großen Gut-
haben bei den Banken beweisen, vorhanden ist. Nach dem Kriege
wird die Geldflüssigkeit schwinden. Wenn die Industriellen und
die Kaufleute an die Auffüllung ihrer Vorräte und Lagerbestände
schreiten, wenn sie ihre Effekten verkaufen werden, um für den
Erlöö Roh- und Halbfabrikate zu beschaffen, dann ist der Zeit-
punkt für die Abtragung der Lombardkredite, die für die Zeich-
nungen auf die Kriegsanleihen in Anspruch genommen wurden,
nicht mehr günstig. Die Verminderung dieser Verpflichtungeri
muß während des Krieget erfolgen. Es wäre richtiger gewesen,
wenn nach jeder einzelnen Kriegsanleihezeichnung der Einlagen-
150 t)ic Kriegsanleihen
stand bei den Banken und Sparkassen starke Rückschläge ver-
zeichnet hätte. Die Banken haben dem Publikum die Erwerbung*
der Kriegsanleihen in manchen Fällen zu leicht gemacht. Aber
auch so wurden die Gelder, welche bei den Banken und Spar-
kassen zusammenströmten, für die Finanzierung der Kriegskosten
verwertet. Da jede andere nutzbringende Verwendungsmöglichkeit
fehlte, benutzten die Banken und Sparkassen die Guthaben des
Publikums zur Zeichnung von Kriegsanleihen für eigene Rech-
nung, resp. zu Vorlagen an die Finanzverwaltung. Bevor die
Finanzverwaltung an die Begebung der fünften Kriegsanleihe
schritt, mußt^ sie wieder zu der Österreichisch-Ungarischen Bank
und zu dem Bankenkonsortium Zuflucht nehmen. Die Notenbank
gewährte gegen Schuldscheine zwei Darlehen von je 954 Mil-
lionen Kronen und das Bankenkonsortium stellte einen Konto-
korrentvorschuß von über 700 Millionen Kronen dem Finanz-
minister zur Verfügung.
Die Zeichnung auf die fünfte Kriegsanleihe wurde am 20. No-
vember 1916 eröffnet und schloß am 16. Dezember. E>em Publikum
wurde steuerfreie 51/2 o/o ige, in 40 Jahren amortisable Staatsanleihe
zum Kurse von 921/20/0? angeboten und außerdem noch steuerfreie
51/2 *yo ige, am I.Juni 1922 rückzahlbare Staatsschatzscheine zum
Kurse von 961/2 ^/o. Der Zeichnungspreis der Kriegsanleihe ermäßigte
sich abermals dadurch, daß die Banken den Zeichnern eine Ver-
gütung von einem halben Prozent einräumten. Die Österreichisch-
Ungarische Bank und die Kriegsdarlehenskasse gewährten bei
der Belehnung die gleichen Erleichterungen wie bei den voran-
gegangenen Kriegsanleihen, und die Regierung verpflichtete sich,
dafür Sorge zu tragen, daß diese Begünstigungen für die amortisable
Staatsanleihe bis zum 30. Juni 1921 und für die Schatzscheine bis
zum 30. Juni 1919 in Kraft blieben. Das Ergebnis der Zeichnungen
auf die fünfte Kriegsanleihe war ein günstiges, obwohl nicht zu ver-
kennen war, daß die Unterbringung der Anleihe größere Schwierig-
keiten als bei ihren Vorgängern bereitete. Die Verteuerung
der Lebensbedürfnisse und der Umstand, daß die älteren Kriegs-
anleihen unter den Emissionskurs zurückgegangen waren, ver-
anlaßten kleinere und mittlere Sparer doch zu • einer gewissen
Die Kriegsanleihen 151
Zurückhaltung. Es wurden Zeichnungen in der Höhe von 4,467 Mil-
liarden Kronen angemeldet, wovon 2,025 Milliarden auf die vierzig-
jährige Anleihe und 2,442 Milliarden Kronen auf die am 1. Juni 1922
rückzahlbaren Staatsschatzscheine entfielen* Die Bedenken, welche
sich wegen der Häufung kurzfälliger Verbindhchkeiten geltend
machten, führten dazu, daß das Finanzministerium eine Kund-
machung erließ, in welcher es die Besitzer von Schatzscheinen
der ersten und zweiten Kriegsanleihe aufforderte, diese gegen
40jährige Obligationen der fünften Kriegsanleihe umzutauschen.'
Der Annahmewert der ersten Kriegsanleihe betrug 98,6, derjenige
der zweiten 94,75 o/o; die 40jährige Staatsanleihe wurde mit
92 Kronen für 100 Kronen Nominale in Rechnung gestellt. Von
dieser Konversionsmöglichkeit wurde insofern Gebrauch gemacht,
als 1,79 Milliarden Kronen fünfter amortisabler Staatsanleihe gegen
erste und zweite Kriegsanleihe umgewechselt wurden. Die Fii^anz-
verwaltung hatte damit erreicht, daß ein nennenswerter Betrag
kurzfälliger Schatzscheine in langfristige, in 40 Jahren amortisable
Anleihen überging.
Die Bewegung bei den Banken und Sparkassen durch die an-
läßlich der fünften Kriegsanleihe erfolgten Abhebungen von Spar-
einlagen ist aus nachfolgender Tabelle ersichtlich:
Postsparkasse .
Erste österreichische Sparkasse . . .
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien .
Neue Wiener Sparkasse
Zentralbank deutscher Sparkassen . .
Anglobank
Bankverein
Creditanstalt
Depositenbank
Länderbank
„Mercur"
Unionbank
Verkehrsbank . . •
Stand
am
30. November
31. Dezember
1916
1916
Millionen
Kronen
226,187
224,153
609,031
604,788
211,442
206,902
67,088
66,431
47,893
46,769
181,809
185,401
333,459
336,768
211,933
212.003
68,136
67,798
209,512
212,390
82,834
82,931
78,486
80,644
143,241
144,339
152 ' Die Kriegsanleihen
Mit den Mitteln allein, welcher der Finanzverwaltung durch
die Ausgabe der fünften Kriegsanleihe zuflössen, konnte sie
bis zum Ende des Jahres 1916 das Auskommen nicht finden.
An das deutsche Konsortium wurden Schatzwechsel für 38,6,
50 und 400,6 Millioilen Mark begeben. Durch Überlassung;
von Schatzscheinen an ein holländisches Konsortium verschaffte
sich die Finanzverwaltung eine Vermehrung ihrer fremden Gut-
haben, deren Gegenwert in österreichischer Valuta im Berichte
*der Staatsschuldenkontrollkommission mit vier Millionen Kronen
eingestellt wurde. Bevor an die Begebung der sechsten Kriegs-
anleihe geschritten wurde, erfolgte im ersten Halbjahre 1917 eine
weitere Inanspruchnahme des deutschen Konsortiums durch Aus-
gabe von Schatzwechseln in der Höhe von 10, 12,8 und 356 Milli-
onen Mark. An ein holländisches Konsortium wurden Schatzscheine
im Werte von 34 Millionen Kronen begeben, durch die eine Ver-
mehrung des Besitzes an fremdländischen Zahlungsmitteln herbei-
geführt wurde. Das Konsortium der österreichischen Banken ge-
währte zwei Kontokorrentvorschüsse von 3,85 und 1,24 Milliarden
Kronen als Vorlagen auf kommende Anleihen. Aber auch diese
Kredite genügten nicht, um das Anwachsen der Kriegskosten und der
Aufwendungen für die soziale Fürsorge zu befriedigen. Die Finanz-
verwaltung nahrn ein neues Darlehen bei der Österreichisch-
Ungarischen Bank gegen Ausstellung eines Schuldscheines in der
Höhe von 954 Millionen Kronen auf. Im Mai des Jahres 1917
begann die Zeichnung der sechsten Kriegsanleihe. Ihr Erlös war
schon zum Teile durch die Vorschüsse, welche das Banken-
konsortium gegen eine Vergütung von 41/4 o/o geleistet hatte,
eskomptiert. Die neue Kriegsanleihe umfaßte wieder zwei Typen,
und zwar 51/2^/0 ige 40 jährige amortisable Staatsanleihe und
51/2^/0 ige, ab I.Mai 1927 rückzahlbare Staatsschatzscheine. Der
Subskriptionskurs der Anleihe betrug 921/2, jener der Schatzscheine
940/0. Da die Banken den Zeichnern eine Provision von ein^m
halben Prozent vergüteten, stellte sich der Nettokurs für das
Publikum um dieses halbe Prozent billiger. Die Österreichisch-
Ungarische Bank gewährte die gleichen Belehnungserleichterungen
wie bei den vorangegangenen Kriegsanleihen. Von der amorti-
Die Kriegsanleihen 153.
sablen Rente wurde ein Betrag von 2,62 Milliarden Kronen uiid
von Staatsschatzscheinen ein solcher von 2,56 Milliarden Kronen
gezeichnet. Eine neue Erscheinung bildete bei der sechsten Kriegs-
aaleihe die Einführung der Kriegsanleiheversicherung, welche.
dem Zeichner die Garantie bot, daß die Anleihe bei Ablauf der
Spardauer an ihn selbst, bei seinem früheren Ableben sofort an
seine FamiHe ausgefolgt würde. Die Versicherungsgesellschaften,
welche diese Zeichnungsart propagierten, konnten bei Entfaltung
einer sehr großen Werbetätigkeit namhafte Beträge anmelden.
Die sechste Kriegsanleihe, welche ein viel günstigeres Ergebnis
als ihre Vorgängerinnen erbrachte, wurde auch dadurch gefördert,
daß die Möglichkeit der Heranziehung aushaftender Hypothekar-
forderungen für die Anleihezeichnung diesmal stärker ausgenutzt
wurde. Auch manche Vermögensbesitzer zogen es angesichts
der hohen Kurse der Aktien vor, sie zu veräußern und den Erlös
in Kriegsanleihe anzulegen. Die steigende Geldflüssigkeit und
die fortschreitende Liquidation aller Warenvorräte gaben ab^r
die Haupterklärung des Anleiheresultates.
Trotz der in den Monaten Mai und Juni erfolgten Abhebungen
zur Zeichnung der sechsten Kriegsanleihe erhöhten sich die Ein-
lagen bei den in Betracht gezogenen Instituten gegenüber dem
Stande vom 30. April, das ist vor Emission der Anleihe, erheblich.
Postsparkasse . . . . . . ... .
Erste österreichische Sparkasse . .
Zentralsparkasse der Gemeinde Wien
Neue Wiener Sparkasse . ... . .
Zentralbank deutscher Sparkassen .
Anglobank ..........
Bankverein
Creditanstalt • •
Depositenbank
Eskomptegesellschaft .....
Landerbank
^Mercur« ...........
Unionhank
• •
Stand
am
30. April
30. Juni
Millionen
Kronen
247,5
251,6
638,0
652,0
227,5
234,0
65,7
68,6
56,2
59,3
218,1
229,6
427,6
456,1
242,3
255,5
70,9
73,7
65,4
68,0
256,5
270,5
104,9 j
111,3
103,8
109,2
154 I^ie Kriegsanleihen
In dem Zeiträume zwischen der sechsten und der siebenten
Kriegsanleihe, die wieder nach einem halben Jahre zur Begebung
gelangte, nahm die Finanzverwaltung neuerdings Vorschüsse bei
der Notenbank auf. Diesmal erfolgte die Verschuldung viel rascher
als in den vorangegangenen Monaten. Die Preissteigerung aller
Güter, welche die Heeresverwaltung anzuschaffen hatte, die er-
höhten Unterstützungsbeiträge, welche an die Familien der Ein-
gerückten gezahlt werden mußten, die durch die Not der Zeit
gebotenen Gehaltserhöhungen und Lohnaufbesserungen der Staats-
beamten und -bediensteten zwangen die Finanzverwaltung zur
fortschreitenden Verschuldung. Diese kam auch, wie in dem
Kapitel über die Österreichisch-Ungarische Bank auseinander-
gesetzt wurde, in dem raschen Anwachsen des Banknotenumlaufes
zum Ausdruck. Im August, September und November des Jahres
1917 mußte die Bank Darlehen von je 954 Millionen Kronen gegen
Ausstellung von Schuldscheinen flüssig machen. Auch da& deutsche
und ausländische Bankenkonsortium wurde herangezogen; über
deren ziffernmäßige Inanspruchnahme ist aber bis jetzt noch kein
genauer Bericht der Staatsschuldenkontrollkommission erschienen.
Im Oktober wurden die Vorbereitungen für die siebente Kriegs-
anleihe getroffen. Sie gestalteten sich aus dem Grunde vorerst
schwieriger, weil der Wiener und der Budapester Effektenmarkt
mitten in einer Hausseperiode auf dem Aktienmarkte standen,
die mit ihren tollen Ausschreitungen die Gefahr in die Nähe
rückte, daß das Publikum, welches schon über einen so namhaften
Besitz an festverzinslichen Anlagewerten aus den früheren Be-
gebungen verfügte, nur sehr schwer von seiner Vorliebe für
weitere Aktienkäufe abgebracht werden könnte. In den Kreisen der
Finanzverwaltung und der Banken war die Überzeugung allgemein,
daß es notwendig sei, eine Eindämmung der wüsten Spekulation
herbeizuführen, die früher oder später zweifellos zu einem Zu-
:sammenbruche führen mußte, der sich auch tatsächlich dann ein^
gestellt hat. Viele Besitzer von Aktien standen aber damals unter
dem Eindrucke, daß sie bei einer Realisierung ihrer Effekten
fürchten mußten, einen großen Teil ihres Gewinnes in Form von
Die Kriegsanleihen 155
Kriegsgewinnsteuer abgeben zu müssen. In den Besprechungen
zwischen der Finanzverwaltung und den Banken wiesen auch'
die Leiter der Kreditinstitute darauf hin, daß dem Publikum aus-
einandergesetzt werden solle, daß bei der Veräußerung von Aktien
zum Zwecke der Erwerbung von Kriegsanleihe eine Kriegsgewinn-
steuer für die realisierten Gewinne nicht in Vorschreibung ge-
bracht werden würde. Eine Kriegsgewinnsteuer sollte nur dann vor-
geschrieben werden, wenn die Veräußerung der Effekten im Be-
triebe eines Handelsgewerbes oder nach einer sehr kurzen Be^tz-
dauer der Aktien vorgenommen wurde. Die diesbezügliche
Weisung, welche die Finanzverwaltung an die Steuerbehörden
erließ, hat sicherlich dazu beigetragen, daß manche Besitzer von
Aktien zu ihrer Veräußerung schritten. Überdies führte die An-
ordnung rigoroser Belehnungsvorschriften seitens der Banken und
hauptsächlich die an sich ungesunde Börsensituation zu einem
starken Rückgange an den Effektenmärkten. Langsam erkannten
auch die weiteren Schichten des Publikums die Gefahr des Be-
sitzes und Kaufes überwerteter Aktien und nahmen Realisationen
vor. Es zeigte sich infolgedessen eine lebhaftere Nachfrage für fest-
verzinsliche Anlagewerte, und die Zeichnung auf die siebente
Kriegsanleihe erbrachte auch ein günstiges Ergebnis. Auf die
40 jährige amortisable siebente Staatsanleihe wurden 2,88 Milliarden
und auf die Staatsschatzscheine 3,15 Milliarden Kronen, demnach
insgesamt auf die siebente Kriegsanleihe rund sechs Milliarden
Kronen gezeichnet. Der Zeichnungspreis der Staatsanleihe war
mit 921/2, jener der Staatsschatzscheine mit 941/2^/0 bemessen
worden. Die Erwerber erhielten wieder eine Bonifikation von
einem halben Prozent seitens der Zeichnungsstellen. Die Öster-
reichisch-Ungarische Bank hatte im Interesse der Förderung der
siebenten Kriegsanleihe den Beschluß gefaßt, deren Titres mit
80 0/0 zu belehnen, während bei den früheren Kriegsanleihen nur
eine Belehnung bis zu 75 0/0 gewährt worden war. Auch andere
festverzinsHche Wertpapiere, welche die Grundlage der Zeich-
nung bilden sollten, wurden von der Bank bei der siebenten
Kriegsanleihe bis zu 80 0/0 des Kurswertes bevorschußt.
1'56 ^ic Kriegsanleihen
Aus dem Berichte, welchen die Budgetkommission des Herren-
hauses im Dezember erstattete, lassen sich die gesamten Kriegs-
kosten Österreichs bis Ende 1917 entnehmen. Die Kommission hat
auf Grund der Mitteilungen der Staatsschuldenkontrollkommission
den Stand der Kriegsschulden bis 5. Dezember 1917 in folgender
Weise ausgewiesen:
Kapital Zinsen
österreichisch-ungarische
Bank 12,148,800,000 Kr. — h. 106,278,000 Kr. — h.
Österreichisches Konsor-
tium 5,362,756,390 ,, 11 „ • 227,917,146 „ 59 „
Konsortium im Deutschen
Reiche 2.792,140,932 „ — „ 139,607,046 „ 60 „
Kriegsanleihen 23,228,707,300 „ — „ 1,277,578,901 „ 50 „
Holländisches Lombard-
; darlehen . . 69,737,600 „ — „ 3,486,880 » — „
Gesamtsumme 43,602,142,222 Kr. 11h. 1,754,867,974 Kr. 69 h.
In dieser Aufstellung ist das Ergebnis der siebenten Kriegs-
äftleihe von rund sechs Milliarden Kronen nicht inbegriffen.
Schlägt man noch einen Betrag von rund einer Milliarde
für Kontokorrentvorlagen für den Monat Dezember, sowie die
Kreditinanspruchnahme des deutschen Konsortiums hinzu, so kann
man annehmen, daß sich die Gesamtsumme der Kriegskosten
bis Ende Dezember 1917 für Österreich allein auf etwa 51 Mil-
liarden Kronen beläuft. Der Vertreter des Finanzministeriums hat
in einer im Dezember abgehaltenen Enquete für den Fall, daß
der Krieg mit 30. Juni 1918 vollkommen beendet sein würde, die
Gesamtstaatsschulden Österreichs am Ende des vierten Kriegs-
jahres mit 72 Milliarden Kronen veranschlagt. Während die Kopf-
quote vor dem Kriege, als die gesamten Staatsschulden 13 Mil-
liarden Kronen betrugen, sich auf 445 Kronen stellte, würde sich
die Quote auf den Kopf der österreichischen Bevölkerung mit
30. Juni 1918 auf 2475 Kronen erhöht haben. Zur Tilgung des
Zinsendienstes für die gesamten Schulden war vor dem Kriege
ein Betrag von rund 489 Millionen Kronen erforderlich, mit Ende
Die Steuerpolitik 157
des laufenden Verwaltungsjahres würde hierzu die Summe von
4335 Millionen Kronen nötig sein. Die furchtbare Verwüstung
durch den Krieg auf staatsfinanziellem Gebiete ist aus diesen
wenigen Ziffern klar zu ersehen.
Die Steuerpolitik.
«
Die* Steuerpolitik der österreichischen Finanzverwaltung hat
während des Krieges mannigfache Veränderungen erfahren. Bis
tief in das Jahr 1915 galt der Grundsatz, daß die Bevölkerung^
welche durch den Krieg so schwer betroffen war, eine Ver-
mehrung der früher schon drückenden Steuerlasten nicht zuge-
mutet werden könne. Die viel unjstrittene Frage, ob Kriegskosten
aus Steuern oder Anleihen zu bedecken sind, wurde anfangs zu
Gunsten der Anleihen entschieden. Lange vertrat die Staats^
Verwaltung die Ansicht, daß die Einführung von Kriegssteuern von
der Hand zu weisen sei, da es ganz unbillig wäre, die zur Deckung
der Kriegskosten erforderlichen Beträge bloß aus der Wirtschaft
der Gegenwart schöpfen zu wollen. In jenem Zeitpunkte ahnte
noch niemand, zu welch ungeheuren Summen die Kriegskosten
anwachsen würden, und daß im Laufe der Jahre schon die
bloße Bestreitung des Zinsendienstes der Anleihen Schwierigkeiten
bereiten würde, die eingreifende st.euertechnische Reformen be-
dingen mußten. Bis zum September des Jähret 1915 sind auch
in Österreich, abgesehen von einer geringen Erhöhung der Bier-
Während des Druckes der Arbeit teilte im Februar der Referent des
Budgetausschusses folgenden Stand der Kriegsverschuldung zu diesem Zeit-
punkte mit:
Kronen
Lombarddarlehen, Solowechsel undSchuldschein-
darlehen an die Österreichisch-ungarische Bank 13102800000
Kontokorrentvorschüsse des österreichischen
Konsortiums 7233756390
Markdarlehen 2947782532
Kriegsanleihen 29274603300
Kriegsschulden zusammen 52558942222
158 Die Steuerpolitik
Steuer keine neuen Steuern eingeführt worden, die mit dem .
Kriege in Zusammenhang standen. Dann erst wurden drei Ver-
ordnungen verlautbart, welche Erhöhungen der Erb-, Schenkungs-,
Gerichts- und Versicherungsgebühren behandelten.. Man kann
aber auch diese Verordnungen kaum als Kinder der Kriegszeit
bezeichnen, denn sie wurden seit Jahren vorbereitet, wiederholt
dem Reichsrate vorgelegt, sind aber infolge der Arbeitsunfähigkeit
des Parlaments nicht der Erledigung zugeführt worden. Der
Effekt der Gebührenerhöhungen war ein ziemlich bescheidener
und wurde auf 23 Millionen Kronen veranschlagt. Erst alimählich
schritt die Finanzverwaltung daran, die indirekten Steuern zu er-
höhen, sie führte Kriegszuschläge zu den geltenden direkten Steu-
ern ein und erkannte schließlich als das anstrebensw^rte Ziel,
den Zinsendienst der Kriegsanleihen durch Steuererhöhungen
sicherzustellen. Viel rascher aber als die Steuereingänge . ver-
mehrten sich die Kriegskosten und jedes Steuerprogramm,
das im Laufe der Jahre aufgestellt wurde, erwies sich schon
nach wenigen Monaten als ungenügend. Es begann ein Wett-
rennen der Steuererhöhungen mit dem Anwachsen der Kriegs-
schulden. Solange das Abgeordnetenhaus nicht versammelt war,
hatte die Finanzverwaltung es verhältnismäßig leicht, eine Ver-
mehrung der Steuern durchzuführen. Sie brauchte bloß zu dem
§14 Zuflucht zu nehmen. und konnte neue Steuern diktieren. Als
aber das Parlament im Jahre 1917 zusammentrat und ihm die
Klinke der Gesetzgebung wieder anvertraut war, ging es mit der
Bewilligung der neuen Steuern viel langsamer. Bald zeigte es
sich, daß die großen Gewinne, welche die Industrie, die Banken
und viele Private aus dem Kriege zogen, eine Bewegung aus-
lösten, welche die schärfste Erfassung aller Kriegsgewinne an-
strebte. Hier machte man aber nicht halt, sondern ging einen
Schritt weiter, und der kapitalsfeindliche Zug, der sich in Öster-
reich vordrängte, verlangte die Einführung von Steuern in einer
Weise, die nicht bloß die Kriegsgewinne zum großen Teile in
Anspruch nahm, sondern auch an den Nerv der Produktionsfähig-
keit und der Kapitalsbildung zu greifen drohte. In dieser Frage
entwickelte sich ein Gegensatz der Meinungen zwischen dem Ab-
Die Steuerpolitik 159
geordnetenhause und dem Herrenhause und die Finanzverwaltung
befand sich in der sonderbaren Rolle, daß sie Steuern, die ihr
angeboten wurden, aus dem Grunde zitrückweisen mußte, weil
sie dieselben als zu hoch bemessen ansah und in ihnen eine
schwere Gefährdung des ganzen Wirtschaftslebens erblickte. Mo-
natelang wurden Steuervorlagen zwischen dem Abgeordneten-
hause und dem Herrenhause hin- uhd hergeschoben, die ver-
schiedensten Abänderungsvorschläge eingebracht und wieder ver-
worfen. Damit geriet vorübergehend die Steuermaschinerie
ins Stocken. Die Aufstellung eines durchgreifenden Steuerpro-
grammes ist in Österreich wie in allen kriegführenden Ländern
während des Krieges nicht möglich. Diesen Standpunkt nimmt
auch die Finanzverwaltung ein, die immer wieder einzelne Steu-
ern und Gebühren herausgriff, die Neuregelung des ganzen Steuer-
wesens aber für die Zeit nach dem Kriege aufschiebt. Dann wird
auch in Österreich die große Frage der Einführung einer Ver-
mögensabgabe spruchreif werden, zu deren Vorbereitung bereits
eine Enquete einberufen \yorden ist.
Die dringende Notwendigkeit, die bestehenden Steuern zu er-
höhen und sich nach neuen Einnahmsquellen umzusehen, kam
audi den breitesten Schichten der Bevölkerung zum Bewußtsein,
als das erste Kriegsbudget im September 1917 dem Abgeordneten-
hause vorgelegt wurde. Bisher war der Staatshaushalt ohne ein
vom Parlamente genehmigtes oder auch nur der Öffentlichkeit mit-
geteiltes Präliminare geführt worden. Das Finanzministerium hatte
sich mit der Aufstellung interner Abrechnungen begnügt. Die
Budgets der Jahre 1914 bis 1917 sollen in einem späteren Zeit-
punkte veröffentlicht werden, es ist zweifellos, daß sie alle mit
einem bedeutenden Defizite abgeschlossen haben, für dessen Be-
deckung noch Vorsorge getröffen werden muß. Das im Sep-
tember 1917 eingebrachte und für die Zeit vom Juli 1917 bis
Juni 1918 aufgestellte Budget mußte bereits im Januar 1918 durch
Nachtragskredite eine Abänderung erfahren. Welche gewaltigen
Veränderungen der Staatshaushalt in den Kriegsjahren erfahren
hat, zeigt sich auch darin, daß das angesprochene Nachtragser-
fordernis von 1649 Millionen so ziemlich die Hälfte des gesamten
iiöO Die Steuerpolitik
früheren Friedenserfordernisses ausmachte. In seiner endgültigen
Fassung spricht der Staatsvoranschlag für das laufende Jahr ein
Gesamterfordernis von 23 823,25 Millionen Kronen an. Da die
Einnahmen mit 4 860,9 Milliorten Kronen eingesetzt sind, ergibt
sich ein Gesamtabgang von 18 962,3 Millionen Kronen, welcher
im Anlehenswege gedeckt werden muß. Von den Gesamtausgaben
sind 12000 Millionen für die mobilisierte bewaffnete Macht und
6 142,2 für die Aufwendungen der Zivilverwaltung, die durch den
Krieg verursacht sind, bestimmt. Es bleiben demnach an dauern-
den Ausgaben 5681 Millionen Kronen, was gegenüber dem letzten
Friedensjahre eine Steigerung von 2220- Millionen Kronen bedeutet.
Die dauernden Einnahmen sind mit 4062,6 Millionen Kronen
gegenüber den reellen Einnahmen des Jahres 1913 von 3080 Milli-
onen Kronen im Budget eingestellt worden. Die wichtigste blei-
bende Passivpost bilden die Aufwendungen für die Verzinsung
der Kriegsschulden; sie wurden mit 1795 Millionen Kronen be-
rechnet. Als der Finanzminister im September das Budget ein-
brachte, wies er darauf hin, daß durch die seit Kriegsbeginn ge-
schaffenen Mehreinnahmen ein Betrag von 720 Millionen Kronen
sichergestellt worden ist. Es war damit nicht einmal die Hälfte
des Zinsenerfordernisses der Kriegsanleihen aufgebracht, wenn-
gleich damit gerechnet werden konnte, daß die Friedenswirtschaft
durch eine vermehrte Güterproduktion eine Steigerung der Ein-
nahmen aus den indirekten Steuern und aus den Zöllen auslösen
dürfte, welche mit rund 300 Millionen Kronen veranschlagt wurde.
Der Finänzminister mußte daher, als er schon im Januar 1918
einen Nachtragskredit einbrachte, von neuen Steuern Mitteilung
machen. Durch die Einführung einer Kohlensteucr, die Erhöhung
der allgemeinen Erwerbssteuer und der Grundsteuer, durch eine
Steigerung der Kriegszuschläge zu den direkten Steuern, durch
eine Reform der Wein- und Zuckersteuer sollen Mehreinnahmen
von 820 Millionen Kronen geschaffen werden. Fügt man diese
520 Millionen Kronen zu den bereits sichergestellten Steuerer-
höhungen von 720 Millionen Kronen hinzu, so erhält man einen
Betrag von 1540 Millionen, welcher hinter dem Erfordernisse des
Zinsendienstes der bisher aufgenommenen Kriegsschulden nur
Die indirekten Steuern und Gebühren 161
um 255 Millionen Kronen zurückbleibt. Der Ertrag der Kriegs-
gewinnsteuer, auf die noch des näheren eingegangen werden wird,
ist in diesen Steuereingängen selbstverständlich nicht berücksich-
tigt, weil die Quellen, aus denen sie fließt, mit Beendigung des
Krieges versiegen werden. Der Finanzminister erklärte im Abge-
ordnetenhause, daß er im Frieden von diesen Steuererhöhungen
einen Ertrag von über 2 Milliarden Kronen erwarte, was den
gegenwärtigen Zinsendienst um mehr als 200 Millionen Kronen
überdecken würde. Ob diese Annahme nicht zu optimistisch war,
mag dahin gestellt bleiben. Im Frieden wird es sich aber nicht
allein darum handeln, den Dienst der bisherigen und der leider noch
zu erwartenden neuen Anleihen zu bestreiten und zu tilgen. Die
Verschuldung an die Notenbank mit ihren traurigen Folgen für
das Geldwesen muß abgebaut werden, es müssen zur Deckung
der Rohstoffeeinfuhr Valutaanleihen im Auslande aufgenommen
werden, und all dies wird neue Steuerlasten mit sich bringen.
Dann wird auch der Zeitpunkt für eine große Reform des ganzen
Steuerwesens gekommen sein. Auf diesem Gebiete konnte wäh-
rend des Krieges auch bei bestem Willen nur Stückwerk geleistet
werden.
Die indirekten Steuern und Gebühren.
In mehreren Etappen wurde eine Vermehrung der indirekten
Steuern und der Gebühren vorgenommen, da sich auf diesem
Gebiete Steuererhöhungen am leichtesten durchsetzen ließen. So
wurde die Branntweinsteuer von 140 auf 380 Kronen, die Bier-
steuer bei Einbeziehung der Auflagen der Länder von 34 »auf
110 Kronen gebracht. Eine finanzielle Wirkung in der Richtung
von Mehreinnahmen hatten aber diese Steuererhöhungen aus dem
Grunde nicht, weil die Erzeugung von Bier und Branntwein durch
den Krieg ganz außerordentlich eingeschränkt worden ist. Die
Branntweinsteuer ist mit jedem Kriegsjahre zurückgegangen. Ihr
M filier. Die finaniielle Mobilmachung: Österreichs. 11
162 I^i^ indirekten Steuern und Gebühren
Ertrag fiel trotz der Steüererhöhungen von 100 Millionen auf
71 Millionen Kronen. Der Ertrag der Biersteuer ging von 84 Milli-
onen auf 25 Millionen zurück, und da an die Landesfonds 77 Milli-
onen Kronen überwiesen werden mußten, so ist das Erträgnis
der Biersteuer ein bedeutend negatives gewesen. Die Tabak-
preise haben in Österreich während des Krieges gleichfalls mehr-
malige Erhöhungen erfahren. Bei ihnen waren die Preiserhöhun-
gen sehr bedeutend. Der Finanzminister erwartete von ihnen
einen um HO Millionen Kronen gesteigerten Nettoertrag, der sich
aber infolge des Konsumrückganges und der höheren Anschaf-
fungskosten der Tabaksorten nicht unerheblich vermindern dürfte.
In parlamentarischer Verhandlung steht noch ein Gesetzentwurf
wegen Einfuhrung einer neuen Weinsteuer mit einem auf 90 Milli-
onen Kronen jährlich geschätzten Mehrbetrag, ferner eine Vor-
lage, welche eine Erhöhung der Zuckersteuer um 16 Kronen
von 38 auf 54 Kronen vorsieht. Hiervon wird eine Mehreinnahme
von 80 Millionen Kronen erwartet, durch die Erhöhung der Effek-
tenumsatzsteuer sollen sechs Millionen Mehreinnahmen geschaffen
werden. Im Kriege wurde auch eine Umarbeitung fast aller Sätze
für Stempel und Gebühren, die eine Mehreinnahme von rund
200 Millionen Kronen erbrachte, beschlossen. Eine Neuerung
bedeutete auch die Einführung einer Banderole für Zündhölzchen
und die spezielle Besteuerung aller Feuerzeuge. Der Ertrag dieser
Steuer wird nach Überwindung einer gewissen Übergangsperiode
auf rund 18 Millionen Kronen veranscjilagt. Eine verstärkte Be-
steuerung der Totalisateur- und der Buchmacherwetten dürfte
gleiclifalls der Finanzverwaltung einige Millionen Kronen zu-
führen. Während des Krieges wurde auch ein Saccharinmonopol
in Österreich geschaffen, das noch in Entwicklung begriffen ist
und in einem späteren Zeitpunkte, wenn die zur Erzeugung des
Saccharins nötigen Rohstoffe in genügender Menge zur Verfügung
stehen werden, immerhin eine Einnahme von acht bis zehn Millionen
Kronen liefern könnte. Im September 1916 wurde eine Erhöhung der
Post- und Telegraphengebühren vorgenommen, von denen die
Firianzverwaltung Mehreinnahmen Von etwa 70 Millionen Kronen
erwartet. .
Die indirekten Steuern und Gebühren 153
Während des Krieges erfolgten zweimal einschneidende Erhö-
hungen der Personen- und Gütertarife auf den Bahnen. Das
erstemal würden sie durch Einführung einer Frachtsteuer für
den Transport von Gütern auf den Eisenbahnen in der Höhe von
15 Prozent des Beförderungspreises bewirkt. Hierbei galt als
Grundsatz, daß die Steuer, soweit nicht aus besonderen Gründen
von der Regierung eine Ausnahme bewilligt wird, in die Tarife
einzurechnen ist. Ferner wurde ein Zuschlag zu den Beförderungs-
preisen festgesetzt, welcher unter der Bezeichnung „Kriegszu-
schlag" derart aufgestellt wurde, daß er zuzüglich der 15 prozen-
tigen Frachtsteuer sich bei den Bahnen mit 30 Prozent des früher
geltenden Beförderungspreises berechnen läßt. Durch gleichzeitig
vorgenommene Erhöhungen der Personentarife wurden diese ein-
schließlich der um 12 bis 20 Prozent vermehrten Fahrkartensteuer
um durchschnittlich 30 Prozent verteuert. Die Erkenntnis, daß die
Ausgaben der Staatsbahnen immer mehr anwuchsen, führte dazu,
daß mit Wirksamkeit vom 1. Januar 1918 neuerliche Erhöhungen der
Gütertarife erfolgten. Bereits im Frieden wies das in den öster-
reichischen Staatsbahnen angelegte Kapital nur eine sehr geringe
Verzinsung auf und erforderte steigende Staatszuschüsse. Um
den Betriebsabgang und das Verzinsungs- und Tilgungserfordernis
zu decken, war schon für das Jahr 1916/17 ein -Zuschuß von
274 Millionen Kronen notwendig gewesen, der jenen des letzten
Friedensjahres um 223 Millionen Kronen überstieg. Nachäem
sich die Aussichten für das Verwaltungsjahr 1917/18 noch un-
günstiger anließen, erfolgten mit 1. Jänner 1918 weitere Erhö-'
hungen der Gütertarife in der Weise, daß die nach der Güter-
klassifikation in verschiedenen Tarifklassen eingereihten Ar-
tikel zum Teile in die nächst höhere Klasse versetzt wurden.
Ferner wurde für alle Güter ein einheitlicher einmaliger Zuschlag
zu den Manipulationsgebühren eingehoben. Gegen Ende des
Jahres 1917 ist eine neuerliche Erhöhung der Personentarife der
Staatsbahnen vorgenommen worden, die in Form eines 50prozen-
tigen Zuschlages zu den tarifmäßigen Fahrpreisen erfolgte. Mit
der Erhöhung der Personen- und Gütertarife folgten die öster-
reichischen Staatsbahnen einer Politik, die sowohl in den krieg-
11*
154 Die direkten Steuern
a
führenden, als auch in den neutralen Ländern beobachtet wurde,
überall aber den Nachteil hat^ die Kosten der Produktion und der
Lebenshaltung zu verteuern. Eine finanzielle Schätzung des Er-
trages der Tariferhöhungen läßt sich aus dem Grunde schwer
geben, weil die Ausgaben durch die Teuerung der Materialien
und durch die Steigerung der Löhne und Gehälter ständig im
Wachsen begriffen sind und es sich auch nicht voraussehen läßt,
wie sich der Verkehr gestalten wird. Die Staatseisenbahnver-
waltung erhofft sich eine Mehreinnahme von 300 Millionen Kronen.
Im Jänner 1918 brachte der Finanzminister einen Gesetzentwurf
über die Einführung einer Kohlensteuer ein, der sich in allen
wesentlichen Punkten dem deutschen Gesetze anschließt. Er er-
klärt als Steuergegenstand alle Mineralkohle im unaufbereiteten
und aufbereiteten Zustande, bei der Einfuhr auch Briketts und
Koks. Die Abgabe wird wie in Deutschland mit 20 Prozent des
Wertes ab Grube, bei eingeführter Kohle zuzüglich der Kosten
bis zum Übertritte in das Steuergebiet in Vorschlag gebracht.
Die Gültigkeit des Gesetzes, als dessen Anfangstermin der 1. Mai
1918 vorgeschlagen wird, ist parallel mit der deutschen Kohlen-
steuer mit 31. Juli 1920 beschränkt. Der Jahresertrag der Steuer
wird auf 180 Millionen Kronen geschätzt, wovon allerdings ein
namhafter Teil im Hinblick auf den Kohlenverbrauch der Staats-
bahnen wieder vom Staatsschatze zu tragen sein wird.
Die direkten Steuern.
Besondere Kriegszuschläge zu den direkten Steuern wurden
im Monate September 1916 durch kaiserliche Verordnung ein-
geführt. Ihr Zweck war, wie die offizielle Erklärung der Regie-
rung besagte, den größeren Teil des Erfordernisses für den
Zinsendienst der bis dahin begebenen vier Kriegsanleihen
aufzubringen. Diese Zinsen bedingten jährlich 750 Millionen
Kronen, und hiervon war damals nur eine geringe Quote durch
Die direkten Steuern 155
die vorgenommenen Erhöhungen des Tabakes, der Bier- und
Branntweinsteuer, der Erbschaftssteuer und gewisser Gebühren
sichergestellt worden. Für die Wahl der Steuer war der Gedanke
bestimmend, daß vorläufig kein neues System von Steuern ge-
schaffen werden sollte; sondern als die einfachste Form zur Er-
zielung möglichst hoher Einnahmen wurden entsprechende Zu-
schläge zu den direkten Steuern angesehen. Damit kehrte Österreich
wieder zu den „außerordentlichen" Kriegs zuschlagen zurück, wie
sie nach dem Feldzuge des Jahres 1859 geschaffen worden waren.
Jener Kriegszuschlag sollte programmgemäß nur für kurze Zeit
gelten, er blieb aber bis zum Jahre 1896, in dem die Personal-
einkommensteuer eingeführt wurde, in Wirksamkeit. Die im
Jahre 1916 festgesetzten Zuschläge werden noch in naher Zeit
eine weitere Erhöhung erfahren. Die kaiserliche Verordnung,
welche sie verfügte, steht im Finanzausschüsse in Verhandlung,
und dieser hat sich bereits für sehr namhafte Erhöhungen der Zu-
schläge ausgesprochen. Nach dem geltenden Gesetze stellt sich
die Grundsteuer auf 19,3 Prozent des Katastralreinertrages. Durch
die Kriegssteuer erfährt sie einen Zuschlag von 80 Prozent, so daß
der Katastralrein ertrag mit 34,7 Prozent erfaßt wurde. Die Grund-
steuer, welche im Ertrage kontingentiert ist, hatte in den letzten
Friedensjahren über 50 Millionen Kronen erbracht und sollte
durch den Kriegszuschlag auf etwa 92 Millionen Kronen erhöht
werden. Im Jänner 1918 brachte der Finanzminister einen Gesetz-
entwurf ein, der für die Steuerjahre 1918 und 1919 die vorzuschrei-
benden Grundsteuerbeträge von 19,3 auf 22,7 Prozent des eri
mittelten Reinertrages erhöht. Der bereits erwähnte Kriegszu-
schlag soll von der erhöhten zahlbaren Staatssteuer berechnet
werden. Der hiervon im ganzen zu erwartende Mehrertiag an
Steuer wird im Jahre mit 15 -Millionen Kronen veranschlagt. Diese
auch jetzt noch mit starker Rücksichtnahme auf die Landwirtschaft
vorgenommene Erhöhung der Steuer entspricht nur der Billigkeit.
Die im Frieden schon viel zu wenig steuertechnisch erfaßte land-
wirtschaftliche Produktion hat im Kriege infolge der allgemeinen
Preissteigerung einen bedeutenden Zuwachs an Geldertragsfähig-
keit erfahren. Die Kontingentierung hatte bewirkt, daß sich z. B.
166 E)ie direkten Steuern
im Jahre 1898 die Grundsteuerleistung auf 26,14 Prozent des ver-
anlagten Bruttoeinkommens aus Grundbesitz gestellt hatte, im
Jahre 1913 aber auf nur mehr 12,2 Prozent; in der Kriegszeit sind
diese Prozentsätze noch viel weiter zurückgegangen.
Der allgemeinen trwerbsteuer unterliegen die Einzelpersonen,
welche eine auf Gewinn gerichtete Beschäftigung ausüben, wäh-
rend die Aktiengesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haf-
tung und die übrigen mit juristischer Persönlichkeit ausgestatteten
Gesellschaften der besonderen Erwerbsteuer unterworfen sind. Der
jährliche Ertrag der allgemeinen Erw^rsteuer ist mit 37,5 Millionen
Kronen nebst einem bestimmten Steigerungsprozente kontingentiert
worden. Die Steuerträger sind in vier Klassen eingeteilt, und zwar
gehören der ersten Klasse Steuerpflichtige mit mehr als 2000 Kro-
nen Steuerleistung, der zweiten solche mit einer Steuerleistung:
von 300 bis 2000 Kronen, der dritten mit einer Leistung von 60
bis 300 Kronen und der vierten Klasse Zensiten, deren Steuer-
leistung weniger als 60 Kronen beträgt, an. Für die erste und
zweite Steuerklasse wurde ein Kriegszuschlag im Ausmaße von
100 Prozent, für die dritte und vierte Klasse in der Höhe von
60 Prozent der allgemeinen Erwerbssteuer eingeführt. In Öster-
reich treten zu der allgemeinen Erwerbssteuer noch Landes- und
Kommunalzuschläge, welche in den einzelnen Kronländem ver-
schieden hoch bemessen sind, zumeist aber die volle staatliche
Steuer erreichen. Die allgemeine Erwerbssteuer sollte durch den
im Jahre 1916 geschaffenen Kriegszuschlag eine Mehreinnahme
von 29 Millionen Kronen liefern. Im Kriege wurden wegen durch-
greifender Änderung der Betriebsverhältnisse eine Reihe von
Unternehmungen aus der kontingentierten Veranlagung ausge-
schieden und viel höher besteuert, was zu manchen Ungerechtig-
keiten führte. Der gleichzeitig mit der Erhöhung der Grundsteuer
im Januar 1918 eingebrachte Gesetzentwurf setzt die Erwerbs-
steuerhauptsumme für die Veranlagungsperiode 1918/19 mit
60 Millionen Kronen fest. Da sich dementsprechend auch die
Eingänge aus den Kriegszuschlägen erhöhen müssen, würde durch
diese Reform eine Mehreinnahme von 40 Millionen Kronen im Jahre
erzielt werden.
Die direkten Steuern 167
Die Aktiengesellschaften zahlten* im Frieden eine Steuer von
10 Prozent des Reingewinnes. Dazu trai noch bei Dividenden,
welche über 10 Prozent des Kapitales hinausgingen, eine Zusatz-
steuer von 2, eventuell 4 Prozent der Mehrdividende, Durch die
kaiserliche Verordnung vom Septeinber 1916 wurden die Aktien-
gesellschaften mit einem Zuschlage von 20 Prozent belastet, so daß
die Aktiensteuer mindestens 12 Prozent des Reingewinnes aus-
machte. Unternehmungen, die einen Jahresgewinn von mehr als
6 Prozent des investierten Kapitales zuzüglich der Reserven er-
zielt haben, müssen in Zukunft sich noch einen besonderen Renta-
bilitätszuschlag anrechnen lassen. Derselbe beträgt bei einer Ren-
tabilität zwischen 6 und 8 Prazent: 30 Prozent; bei einer Renta-
bilität zwischen 8 und 10 Prozent: 40 Prozent. Falls die Renta-
bilität 10 bis 12 Prozent erreicht, wird der Zuschlag mit 50 Pro-
zent und bei einer Rentabilität zwischen 12 und 14 Prozent mit
70 Prozent bemessen. Jene Unternehmungen, deren Rentabilität
über 14 Prozent hinausgeht, haben einen Zuschlag von 80 Prozent
der ordentlichen Steuern mit Ausschluß der Dividendenzusatzsteuer
zu entrichten. Diese Mehrlasten sind sehr bedeutend, zumal man
nicht übersehen darf, daß in Österreich die Zuschläge der Länder
und Gemeinden zu der Erwerbssteuer eine ungewöhnliche Höhe
erreichen. Bei der erwähnten im Gange befindlichen parlamen-
tarischen Beratung im Finanzausschusse wurde überdies von der
Regierung selbst eine sehr erhebliche Erhöhung der Kriegszu-
schläge iil Anregung gebracht, die auch beschlossen werden dürfte.
Die Personaleinkommensteuer wurde gleichfalls durch die
Kriegssteuerzuschläge erhöht. Das steuerfreie Existenzminimum
betrug in Österreich bei der Personaleinkommensteuer 1600 Kro-
nen. Um die schwächsten Schichten der Bevölkerung in der
Kriegszeit, welche eine so allgemeine Verteuerung der Lebens-
haltung gebracht hat, zu schonen, sind Einkommen bis zu
3000 Kronen vom Kriegszuachlage freigelassen worden. Über
diesen Satz hinaus kommen Zuschläge in Anwendung, welche
mit 15 Prozent beginnen und bei einem Einkommen von mehr als
20 000 Kronen schon 40 Prozent erreichen. Einkommen von mehr
als 32000 Kronen werden von einer 50 prozentigen Erhöhung der
158 Die direkten Steuern
Personaleinkommensteuer getroffen. Eei Einkommen von mehr
als 76000 Kronen beträgt der Kriegszuschlag 80 Prozent; ist das
Einkommen größer als 140 000 Kronen, so steigt der Steuer-
Zuschlag auf 100 Prozent. Einkommen, welche über 200 000 Kronen
hinausgehen, werden mit einem Kriegszuschlage von 120 Prozent
der geltenden Personaleinkommensteuer belastet. Im Finanzaus-
schusse des Abgeordnetenhauses kam man bereits unter Zustim-
mung der Regierung zu dem Schlüsse, eine Erhöhung des Kriegs-
zuschlages bei Einkommen über 100 000 Kronen in der Art ein-
treten zu lassen, daß ein Höchststeuerausmaß bei Einkommen über
eine Million Kronen der Zuschlag zur ordentlichen Steuer 200
Prozent betragen soll. Die Steuer wird demnach in den höchsten
Stufen auf das dreifache erhöht werden.
Die Rentensteuer war bei Einführung der Kriegszuschläge ver-
doppelt worden. Sie hatte im Frieden in den meisten Fällen zwei
Prozent betragen, dazu traten noch gewisse Zuschläge. In den
Verhandlungen im Finanzausschusse wurde angeregt bei der im
Abzugswege einzuhebenden Rentensteuer im allgemeinen einen
200 prozentigen Zuschlag an Stelle des gegenwärtigen von 100
Prozent einzuführen. Überdies soll die Regelung getroffen werden,
daß Kontokorrentzinsen, die bisher im Fassionswege besteuert
wurden, künftig der Besteuerung im Abzugswege unterliegen
werden. Der Zinsensaldo soll mit einer zweiprozentigen Renten-
steuer und einem 300 prozentigen Kriegszuschlage, zusammen also
mit acht Prozent, getroffen werden.
Die Tantiemenbezüge der Mitglieder des Verwaltungsrates und
des Vorstandes von Aktiengesellschaften unterlagen im Frieden
einer besonderen Abgabe von zehn Prozent, welche durch den
Kriegszuschlag auf 20 Prozent erhöht wurde. Wie der Finanz-
minnister ankündigte, soll eine Besteuerung der Tantiemen mit
30 Prozent in Aussicht genommen werden.
Die direkten Steuern sind während des Krieges sehr günstig
eingegangen. In ihren Ziffern spiegelte sich in den Jahren 1915,
1Q16 und 1917 die Kriegskonjunktur wieder. Sie waren im Gegen-
satze zu den indirekten Steuern fortlaufend im Anstiege begriffen.
Die Abschwächung der indirekten Steuern war eine Folge des
Die Krieg^sgewinnsteuer 159
Rückganges in der Produktion der mit Verzehrungssteuern bela-
steten Güter. Als der Finanzminister im September 1917' sein
Budget einbrachte, schätzte er das Ergebnis der direkten Steuern
unier Berücksichtigung der bis dahin eingeführten Kriegszuschläge
auf 677 Millionen Kronen, was gegenüber dem Jahre 1913, in
welchem der Ertrag der Steuern sich auf 432 Millionen Kronen
belief, einer Steigerung um 57 Prozent entsprechen würde. Nicht
ohne Einfluß auf den Eingang der direkten Steuern sind wohl die
Erweiterung der geltenden Vorschriften über die Bucheinsicht
und eine Verschärfung des Steuerstrafverfahrens gewesen.
Die Kriegsgewinnsteuer.
Das Gebiet der eigentlichen Kriegsteuern wurde im April des
Jahres 1916 durch eine kaiserliche Verordnung mit einer „Kriegs-
gewinnsteuer" betreten. Die Steuer gehörte zu den umstrittensten
finanziellen Gesetzen, die während der Kriegszeit geschaffen wor-
den/sind. Dies kommt auch schon im Namen zum Ausdruck. Die
Steuer, welche ursprünglich „Kriegsgewinnsteuer" hieß, wurde
im Laufe der Wandlungen, die sie erfuhr, „Kriegssteuer" benannt.
Gegen das Wesen der Steuer wurde keine Einwendung erhoben,
denn es gab wohl keine volkstümlichere Maßnahme als eine
solche, welche jene, die in der Kriegszeit von finanziellen Opfern
verschont blieben, aus ihr sogar Vorteile zogen, steuertechnisch
stärker erfassen wollte. Die Mei;iungen gingen nur in der Rich-
tung auseinander, daß die Kriegssteuer den einen zu hoch, den
anderen zu niedrig bemessen schien. Im Laufe der Kriegsjahre hat
die Steuer mannigfache Verschärfungen erfahren. Die einschnei-
dendsten wurde an ihr bei der parlamentarischen Verhandlung
in den Jahren 1917 und 1918 vorgenommen. Die kaiserUche
Verordnung vom April 1916, welche die Kriegsgewinnsteuer ein-
führte, wollte die in den Jahren 1914, 1915 und 1916 erzielten
höheren Geschäftserträgnisse der Aktiengesellschaften, Komman-
/
170 ^ic Kriegsgewinnsteuer
ditges^llschaften auf Aktien, Gewerkschaften, Gesellschaften m.
b. H.; der Erwerb- und Wirtschaftsgenossenschaften, femer die in
diesen Jahren erreichten Einkommenniehrbeträge der physischen
Personen und ruhenden Erbschaften, mit außerordentlichen Ab-
gaben treffen. Um die Kriegsgewinne für das Jahr. 1917 zu be-
steuern, brachte die Regierung dem wieder zusammengetretenen
Parlamente im Juni des Jahres 1917 eine Vorlage ein, die im
wesentlichen die Bestimmungen der ersten kaiserlichen Verord-
nung aufrecht erhielt, jedoch neben stilistischen Änderungen,
welche einer Umgehung des Gesetzes vorbeugen sollten, einige
Verschärfungen vorsah. Diese Regierungsvorlage fand nicht die
Billigung des. Abgeordnetenhauses, welches sie gleich der früher
erlassenen kaiserlichen Verordnung für viel zu milde erklärte
und verlangte, daß die Kriegsgewinne viel schärfer erfaßt werden
sollen. Das Abgeordnetenhaus nahm daher tief einschneidende
Änderungen an dem Entwürfe der Regierung vor, durch welche
der größte Teil der Kriegsgewinne von der Steuer in Anspruch
genommen worden wäre. Auch die bisher bestandene Verschie-
denheit in der Besteuerung von Einzelpersonen und Gesellschaften
wurde vom Abgeordnetenhause beseitigt und eine gemeinsame
Skala beschlossen. Dem Herrenhause und der Regierung waren
die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses zu weitgehend, und sie
versagten den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses ihre Zustim-
mung. Es kam vorläufig zur Annahme eines Sicherungsgesetzes,
um das Verschwinden der Kriegsgewinne vor der Besteuerung zu
verhüten. Die vom Herrenhause vorgeschlagenen Änderungen am
Kriegssteuergesetze fanden wieder nicht die Billigung des Abge-
ordnetenhauses, und daher wanderte die Vorlage von einem Haus
in das andere und es verging viel kostbare Zeit. Schließlich kam
es zu einem Kompromiß zwischen dem Abgeordnetenhause und
dem Herrenhäuse, das im wesentlichen dadurch erleichtert würde,
daß das-Herrenhaus der Forderung des Abgeordnetenhauses nach-
gab und der Rückwirkung der neu erhöhten Kriegsgewinnsteuern
auf das Jahr 1916 zustimmte. Nachdem es bloß ein theoretisches
Interesse hätte, die Vorschläge zu kennen, welche bei der parla-
mentarischen Verhandlung der Steuer im Laufe der Jahre gemacht
Die Kriegsgewinnsteuer 171
wurden, soll hier nur die Kriegsgewinnsteuer in den Formen be-
sprochen werden, in welcher sie für die Jahre 1914 und 1915 zur
Einhebung kam und nunmehr nach der Annahme des neuen
Gesetzes für die Steuerjahre 1916 und 1917 zur Einhebung
kommen wird.
Das Kriegssteuergesetz unterscheidet zwei Gruppen von Steuer-
pflichtigen. • Der ersten Gruppe gehören alle jene Unternehmungen
an, welche zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichtet sind,
demnach Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Ak-
tien, Gewerkschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung
sowie Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Die zweite
Gruppe wird von Privatfirmen, Industriellen, Geschäftsleuten, pri-
vaten Vermögensbesitzern und ruhenden Erbschaften gebildet.
Der Steuersatz ist in der ersten und in der zweiten Gruppe ver-
schieden'. Bei der Berechnung der Steuer der zur öffentlichen
Rechnungslegung verpflichteten inländischen Gesellschaften wurde
in der kaiserlichen Verordnung des Jahres 1916 der Gewinn aus
jedem der Kriegsjahre dem durchschnittlichen Reinertrage der
Friedensperiode von 1909 bis 1. August 1914 gegenübergestellt.
Hierbei wurden die zwei Jahre, in welchen der höchste und der
niedrigste Reinertrag erzielt wurden, für die Berechnung ausge-
schieden. Wenn eine Gesellschaft in • einem » Kriegsjahre einen
höheren Betrag als im Frieden erreichte, so wird ihr Mehrein-
kommen nach einer bestimmten Skala versteuert, jedoch ist ein
Mehrertrag von bloß 10 000 Kronen nicht steuerpflichtig. Die
Steuer beträgt zumindest 10, höchstens 35 Prozent des, Mehrer-
trages. Bei ausländischen Aktiengesellschaften ist der Steuersatz
ein höherer und steigt bis 45 Prozent. Eine Ausnahme wurde
Gesellschaften, welche eine schwächere Rentabilität aufwiesen,
zugestanden. Bei Gesellschaften, welche in Friedenszeiten eine
durchschnittliche Rentabilität von 6 Prozent nicht erzielten, war
demnach das Mehrerträgnis der Kriegszeit nur insofern zur Steuer-
berechnung heranzuziehen, als es einen 6prozentigen Gewinn
übersteigt.
Die Kriegsgewinnsteuer unterscheidet sich in Österreich bei ihrer
Berechnung sehr wesentlich von der normalen Aktiensteuer. Bei
\
172 Die Kriegsgewinnsteuer
der Bemessung der Aktiensteuer gelten nach dem österreichischen
Gesetze Passivzinsen, insbesondere Zinsen von Prioritätsobliga-
tionen, Geschäftseinlagen sowie Darlehenszinsen nicht als Abzugs-
post. Eine Gesellschaft, wie z. B. die Südbahn, welche seit vielen
Jahren ihren Aktionären keine Erträgnisse abwirft und eine große
Prioritätenschuld hat, zahU in Österreich eine sehr bedeutende
Aktiensteuer auch dann, wenn ihre Bilanz mit einem Defizit ab-
schließt. Bei der Berechnung der Kriegsgewinnsteuer sind da-
gegen Schuldzinsen, ferner die Erwerbssteuer samt Zuschlägen
sowohl vom Gewinne des Friedens- als des Kriegsjahres abzu-
ziehen. Einem Wunsche der Industrie wurde in der Richtung
Rechnung getragen, daß die Steuerbehörden angewiesen wurden,
bei der Beurteilung der Angemessenheit von Abschreibungen und
Reservierungen auf die durch den Krieg hervorgerufenen außer-
ordentlichen Wertvermind^rungen Bedacht zu nehmen, weil An-
lagen, die für die Erzeugung von Kriegsartikeln errichtet oder
ausgestaltet wurden, nach dem Kriege naturgemäß außerordentlich
an Wert verlieren müssen.
Der Berechnung der Kriegsgewinnsteuer der Einzelpersonen,
der Privatfirmen, kurz aller jener, welche in die zweite, eingangs
erwähnte Gruppe gehören, wurde vergleichsweise das Einkommen
des letzten Friedensjahres '1913, auf Wunsch des Steuerpflichtigen
das durchschnittliche Einkommen der Jahre 1911, 1912, 1913 zu
Grunde gelegt. Wenn ihr Einkommen in einem Kriegsjahre gegen-
über jenem des Jahres 1913 eine Steigerung aufwies, die größer
war als 3000 Kronen, so wurde diese Zunahme von der Kriegs-
gewinnsteuer getroffen. Die hierbei in Anwendung zu kommende
Skala ist, wie der technische Ausdruck lautet, in ihren Sätzen
„aneinandergestoßen". Für die ersten 10000 Kronen Mehrein-
nahme beträgt nämlich die Kriegsgewinnsteuer 5 Prozent, für die
nächsten angefangenen 10 000 Kronen 10 Prozent, für die nächsten
angefangenen 20000 Kronen 15 Prozent, für die nächsten ange-
fangenen 20 000 Kronen 20 Prozent usw. Die Gewinnverteilung
über den Durchschnitt der zum Vergleiche herangezogenen Frie-
densperiode wurde an die Bedingung geknüpft, daß Gesellschaften
in den Reserven mindestens einen Betrag besitzen müssen, welcher
Die Kriegsgewinnsteuer 173
den Summen gleichkommt, die mehr verteilt werden. Wenn die
Steuerbehörden gegenüber Gesellschaften oder Einzelpersonen
Bedenken hinsichtlich des Einganges der Kriegsgewinnsteuer
hegen, so haben sie das Recht, eine Sicherstellung ihrer Forde-
rungen zu verlangen.
Das im Jänner 1918 beschlossene verschärfte Kriegssteuergesetz,
welches für die Jahre 1916 und 1917 zur Anwendung kommt, hält
an dem vom Herrenhause verlangten Grundsatz fest, daß die
Steuer einschließlich des Rentabilitätszuschlages 60 Prozent des
steuerpflichtigen Mehtertrages nicht übersteigen darf. Was die
Kriegssteuer für Einzelpersonen anbelangt, so beträgt sie von
den ersten angefangenen oder vollen 10 000 Kronen deS Mehr-
ertrages oder des Mehreinkommens fünf Prozent, von den nächsten
10000 Kronen zehn Prozent, von den weiteren 20 000 Kronen
20 Prozent, von den zweitnächsten 20 000 Kronen 30 Prozent,
dann von den nächsten angefangenen oder vollen 40000 Kronen
40 Prozent, von den nächsten 200 000 Kronen 50 Prozent und von
Mehrbeträgen über 300000 Kronen 60 Prozent. Die Prozent-
sätze, welche auf die einzelnen Staffeln entfallen, zeigen demnach
ein erheblich steileres Ansteigen als in der ersten Verwaltungs-
periode. Der zu bemessende Steuerbetrag wird auch davon be-
rührt, ob das Mehreinkommen aus Oelegenheitsgeschäften der
Kriegszeit herrührt. Ist nämlich die Einkommensquelle die Ver-
mittlung von Kriegslieferungen und ähnlichen Geschäften gewesen,
zugleich aber diese Tätigkeit nur zeitweise ausgeübt worden, so
wird die bezügliche Quote der Steuer noch um 20 Prozent erhöht.
Große Differenzen bestanden zwischen dem Abgeordnetenhause und
dem Herrenhause in der Frage der Behandlung von Gesellschaften.
Das Abgeordnetenhaus wollte die Gesellschaften steuertechnisch den
Einzelpersonen gleichstellen, während das Herrenhaus,i wie es
auch die Regierungsvorlage vorsah, eine Berücksichtigung der
Rentabilität forderte. Der hier zustande gekommene Kompromiß
beruht darauf, daß die Steuer der inländischen Gesellschaften
zwei Drittel der in der Skala für Einzelnpersonen festgesetzten
Steuersätze zu betragen hat. Hierzu wird noch ein Zuschlag
eingehoben werden, welcher je nach der auf Basis des Anlage-
174 Die Kriegsgewinnsteuer
kapitales zu berechnenden Rentabilität von zwei bis 60 Prozent
des Grundbetrages ansteigt. Als Anlagekapital der Aktiengesell-
schaften gilt das eingezahlte Grundkapital zuzüglich der bilanz-
mäßig ausgewiesenen echten Reserven, doch sind die aus den
Gewinnen der Kriegsgeschäftsjahre gebildeten Reserven, ferner
die Vermehrungen des Grundkapitales aus solchen Gewinnen
und Reserven für die Bemessung der Kriegssteuer in das Anlage-
kapital nicht einzurechnen.
Das Erträgnis der Kriegsgewinnsteuer steht wohl in keinem
rechten Verhältnisse zu der Höhe der wirklich erzielten Kriegs-
gewinne. Gewinne haben stets die Neigung sich zu verflüchtigen,
und dies gilt besonders von Kriegsgewinnen. Wenn es schon bei
den zur öffentlichen Rechnungslegung verpflichteten Unterneh-
mungen nicht leicht ist, die Kriegsgewinne, soweit sie nicht direkt
in den Bilanzen zum Ausdrucke kommen, völlig zu erfassen, so
ist dies bei Privaten und Firmen noch viel schwieriger. Besonders
mag es in diesem Kriege zutreffen, der so viele Menschen zu
Kriegsgewjnnem gemacht hat, welche ihre Tätigkeit und ihre
Erfolge zu verbergen wußten. Ein guter Teil der in den Jahren
1914. und WIS erzielten Kriegsgewinne dürfte auch tatsächlich
dem Zugriffe des Fiskus entgangen sein, zumal so viel Zeit ver-
ging, bevor das Gesetz über die Kriegsgewinnsteuer geschaffen
wurde. Im September 1917 erklärte der Finanzminister, daß im
Jahre 1916/17 an Kriegsgewinnsteuer, die mit 169 Millionen Kro-
nen, demnach sehr gering, bemessen wurde, erst ein Betrag von
90 Millionen Kronen eingegangen war. Im Herbst 1917 ging die
Steuerbehörde den Kriegsgewinnern schon viel schärfer an den
Leib. Der Staatsvorschlag für das Jahr 1917/18 präliminierte ur-
sprünglich den Eingang an Kriegsgewinnsteuer mit 300 Millionen
Kronen/ Nach Fertigstellung der neuen Steuervorlage, welche,
wie wir gesehen haben, bis auf das Jahr 1916 zurückgreift, konnte
der Finanzminister davon Mitteilung machen, daß er den Ertrag
ohne Rücksichtnahme auf die Kriegssteuer der Österreich-Ungari-
schfn Bank .um weitere vierhundert Millionein Kronen höher ein-
schätze.
Die Kriegsgewinnsteuer 175
Der Verlauf der politischen und wirtschaftlichen Ereignisse
während der Kriegszeit hat bewiesen, daß Voraussagungen über
die zukünftige Gestaltung nur unter den stärksten Vorbehalten
gewagt werden können. Was heute zutrifft, mag morgen bereits
überholt sein und daher kann eine wirtschaftliche Betrachtung
nur immer, ein momentanes Bild geben. Dies gilt besonders für
die Monarchie, welche sich nach dem Kriege vor den größten
wirtschaftlichen und innerpoUtischen Fragen befinden wird, deren
Lösung sie in Angriff zu nehmen hat. Der Nationalitätenhader
hat in der Kriegszeit nur vorübergehend geruht und ist jetzt in
verschärfter Form hervorgebrochen. Die verfassungsrechtlichen Re-
formen, die bevorstehen, die Regelung des Verhältnisses zwischen
Galizien und Polen und^die zu schaffenden Handelsverträge sowie
die wirtschaftliche Annäherung an Deutschland müssen auf die
Gestaltung von Finanz, Handel und Industrie tiefgehende Wir-
kungen ausüben. Überall sind schwerwiegende Entscheidungen
zu treffen. Die Überleitung der Kriegs- in die Friedenswirtschaft,
die Rohstoffbeschaffung der. Industrie, der Abbau der Noten-
inflation und der Verschuldung an die Östereichisch-Ungarische
Bank sind anzubahnen. Nichts wäre aber gefährlicher als durch
Pessimismus sich die Freude am Schaffen und am Neuaufbau
lähmen zu lassen und damit die Grundlagen der produktiven
Politik, die eingeschlagen werden muß, zu erschüttern.
Zeilen^B-Masctiinensatz und Druck
von Oscar Brandstetter in Leipzig
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